Icecube von RedSky (Fortsetzung zu "Sugarcube") ================================================================================ Kapitel 5: Please quit ---------------------- Nervös griffen seine Finger nach dem kleinen Papierstapel um Selbigen zu durchwühlen, auf der erfolglosen Suche nach einer einzigen Notiz. Toshi saß etwas abseits von Yoshiki´s beladenen Schreibtisch und beobachtete ihn. Er brauchte gar nicht zu fragen; Yoshiki´s Körpersprache verriet eine Menge. Dafür kannten sie sich wirklich schon lange genug. „Du hast noch nicht mit ihm darüber gesprochen, hm?“ Ein leichtes Zucken durchfuhr Yoshiki´s Körper, als er die Worte seines langjährigen Freundes vernahm. Und er antwortete auch nicht sofort sondern zog es lieber vor, weiter seine Zettelwirtschaft zu durchforsten. Toshi stand auf, schritt langsam durch das geräumige Zimmer. „Es lässt sich sowieso nicht auf Ewig aufschieben, Yoshiki....“, sprach er ruhig und leise. „Irgendwann bekommt er zwangsweise Wind davon.“ Die schlanken Finger des Pianisten hielten in ihrer ziellosen Suche schließlich inne. Fast tonloses Seufzen entwich seinen Lippen. Ein regelrecht hilfloser Blick traf auf Toshi. „....ich weiß....“ ...und dennoch wünschte er sich die derzeitige Situation weit, weit fort von sich. Warum musste es soweit kommen? Warum musste diese Situation eintreffen? Warum konnten sie nicht einfach weiter machen wie zuvor auch? Der kleinere Sänger schien die Gedanken seines Sandkastenfreundes an dessen Falten auf der Stirn ablesen zu können. Mit wenigen Schritten hatte er ihn erreicht, legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Sofort griff Yoshiki nach dieser Hand, legte Seine darauf und presste die Hand des anderen fest an sich. „.....ich will das nicht....“ Sein Blick wurde sofort glasig. Toshi seufzte innerlich auf. „.....die Entscheidung liegt bei dir....“, antwortete er, bemüht so beruhigend wie möglich auf den Anderen zu wirken. Doch tatsächlich wusste er, dass er Yoshiki diese Entscheidung nicht abnehmen konnte. Er konnte ihm beistehen, aber mehr auch nicht. Taiji sah von seinem Bass auf, als er das unzufriedene Schnauben Yoshiki´s hörte. Der Boss schien ihm schon die ganze Zeit leicht gereizt zu sein... Er hielt in seinem Spiel inne und schaute Yoshiki an. „Wie wär´s mit einer kleinen Pause?“, schlug er vor. Der Leader erhob sich hinter seinem gequältem Drumset, stapfte wortlos an seinem Basser und dem Rest der Truppe vorbei und winkte nur knapp ab. Er ging zu seiner Jacke, die quer über einer Stuhllehne hing, kramte aus derren Tasche eine Packung Glimmstengel heraus und verließ – ebenfalls wortlos – den Proberaum. Vier Augenpaare waren auf die Tür gerichtet, durch die Herr Hayashi soeben entschwunden war. Pata war der Erste, der sich daraufhin wieder regte. Auch er trabte nun zu ihrer gemeinsamen Sitzecke und fingerte sich eine Zigarette aus der, auf dem Tisch liegenden, Schachtel heraus um Selbige sogleich zwischen seine Lippen zu klemmen und dem freiem Ende die Bekanntschaft einer Feuerzeugflamme näher zu bringen. Taiji legte nun auch sein Instrument beiseite. „Ich hasse es, wenn er sowas macht...“, nuschelte er leise zu sich selbst. Pata, der Dies wohl gehört hatte, blinzelte auf, in die Richtung ihres Jüngsten. Taiji hob sofort beschwichtigend eine Hand, als er sah, dass Pata sich offensichtlich angesprochen fühlte. „Nicht du!“ Er seufzte leise, stand dann auf und griff sich seine Jacke. „Ich schau mal nach unserem launischem Prinzesschen“, meinte er nur und streifte sich beim Rausgehen die Jacke über. Taiji fand den Drummer kurze Zeit später, wie erwartet, draussen vor dem Haupteingang des Gebäudes, in Welchem sich ihr Proberaum befand. Yoshiki hatte einen Arm fest um sich selbst geschlungen, hielt mit der freien Hand zitternd die halb aufgequalmte Zigarette und trat scheinbar frierend immer wieder von einem Fuß auf den Anderen. „Hey...“, machte Taiji leicht besorgt und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Hast ja deine Jacke vergessen. Soll ich sie holen?“ Doch Yoshiki schüttelte auf das Angebot hin nur kurz den Kopf, trat wortlos weiterhin von einem Fuß auf den Anderen. Er sah den Bassisten gar nicht erst richtig an; sein Blick schien merkwürdig abwesend. Seine Lippen zitterten. Kein Wunder: Es war immerhin Dezember und die aktuellen Temperaturen verdeutlichten diese Tatsache nur noch. Taiji musterte sein Gegenüber. Irgendwas stimmte hier nicht. Er hatte bloß keine Ahnung was. „Gibst mir auch Eine ab?“, fragte er als er bemerkte, dass er seine Zigaretten irgendwo im Proberaum vergessen haben musste. „Klar.....“ Die Stimme des dürren Drummers war seltsam rau. War Dieser etwa gerade dabei, sich eine prima Grippe einzufangen? Der Jüngere angelte sich eine Zigarette aus der Packung, die der Andere ihm hinhielt. Er griff in seine Jackentasche. Immerhin hatte er sein Feuerzeug dabei. Dieses zog er auch heraus und nutzte es nach gutem Gewissen. Wenige Augenblicke später inhalierte er den ersten Zug des vertrauten Gifts. Nur einen Moment darauf, als er den Qualm wieder ausstieß, drehte sich der kalte, sachte Winterwind und die kleine Nikotinwolke kam ihm sogleich wieder entgegen, begrüßte sein Gesicht. Wie eine ungebetene Vorankündigung. Der kleine Rauchwolken-Bruder der großen Nebelwand. Taiji seufzte innerlich. Dann blickte er wieder in Yoshiki´s Gesicht. „Dich beschäftigt was.....“ Der Angesprochene senkte den Blick, Welcher bis soeben mal wieder in die Ferne schweifte. Kurzzeitig schlossen sich seine Augen. Er wollte ihm antworten – aber er wollte nicht seine Gedanken aussprechen. Er konnte es nicht ewig hinaus zögern, es ließ sich nicht ewig geheim halten. Yoshiki blinzelte in die braunen, vertrauten Augen des Anderen. „Ich bin ein wenig ausgelaugt...... Die vielen Termine jetzt zum Jahresende....“, seufzte er und nahm wieder einen Zug seiner mittlerweile fast vollständig hinunter gebrannten Zigarette. „...und bald ist wieder Weihnachten...“ Bei diesem laut ausgesprochenem Gedanken traf ihn augenblicklich ein tiefer Stich ins Herz. Er musste den Blick von Taiji abwenden. Versuchte seine Augen rasch auf irgendetwas zu richten, was ihn von seinen Gedanken ablenkte. Doch die Bilder der Erinnerungen, die bei dem Gedanken Weihnachten vor seinem innerem Auge auftauchten, ließen sich nicht wieder so schnell vertreiben. Es war das erste Weihnachten, seit Taiji bei X spielte, ein festes Mitglied war. 1987. Die kleine Truppe hatte es sich damals in Yoshiki´s Hinterhof-Chaoswohnung gemütlich gemacht. hide hatte irgendeinen merkwürdigen Puntsch bereit gestellt. Ob er den irgendwo billig im Supermarkt gekauft hatte oder ihn selbst zusammengemischt hatte, wusste niemand so genau. Reinknallen tat er auf jeden Fall! Damals hatte keiner von ihnen viel Geld; und dennoch hatte Yoshiki es irgendwie fertig gebracht, jedem von ihnen ein kleines Geschenk zu machen. Taiji hatte er ein schwarzes T-Shirt mit farbigem Schriftzug überreicht: 'Born to be wild' war unübersehbar darauf zu lesen. Ihr Bassist besaß damals nur eine spärliche Anzahl von Kleidungsstücken. Es war die Zeit, zu der er bei Yoshiki wohnte; er hatte nicht das Geld sich eine eigene Wohnung zu leisten. Als Taiji das T-Shirt in die Hände gedrückt bekam, strahlte er über´s ganze Gesicht. Er freute sich wie sich sonst nur ein kleiner Junge freuen konnte und fiel dem Boss regelrecht um den Hals. In diesem Moment nahm Yoshiki das erste Mal eine starke Verbundenheit zum Küken wahr, die sich in den folgenden Jahren noch deutlich verstärken sollte... Yoshiki warf den glimmenden Zigarettenstummel zu Boden, schenkte ihm keinerlei Beachtung mehr. Trat ihn nicht einmal aus. Kommentarlos drehte er sich um und ging durch die Eingangstür. Als er bemerkte, dass sein Bassist ihm nicht gleich folgte, hob er fragend seinen Blick. Taiji stand ruhig da. Seine Augen trafen auf die des Leaders. Wortlos. Er nahm noch einen letzten Zug und warf dann auch seine Zigarette auf den eisigkalten Steinboden. Flüchtig erdrückte seine Stiefelspitze das hilflos qualmende Opfer. Dann folgte er Yoshiki. Kurz bevor die Tür hinter ihm zufiel, erhaschte ihn noch ein etwas stärkerer Windschub. Kalter Ostwind. Taiji fröstelte. Yoshiki ging unruhig auf und ab. Taiji folgte seinen Bewegungen mit den Augen. Es herrschte ein erdrückendes Schweigen im Raum. Irgendwann hielt der Jüngere diese schreiende Stille nicht mehr aus. „Willst du dich nicht setzen?“, fragte er einfach, um überhaupt was zu sagen. Der Drummer blieb nun stehen, jedoch mit dem Rücken zu Taiji, und rührte sich nicht. Der Lockenmähnige seufzte innerlich, schüttelte flüchtig seinen Kopf. Er hasste es, wenn Yoshiki sich so verhielt. Er hasste es wenn man überdeutlich merkte, dass der Boss etwas sagen wollte, jedoch sein Maul nicht aufbekam. „Ist es so schlimm, was du mir sagen willst.....?“, versuchte er einen neuen Ansatz zu finden. Yoshiki drehte sich nun endlich um, ging auf einen Sessel zu und ließ sich in Selbigen sinken. Sein Blick streifte nur ganz kurz den Cowboy. Aber noch immer spielte er das 'Schweigen der Lämmer'. Taiji fixierte dessen Gesicht mit den Augen. „Muss ich meine Zunge benutzen um deinen Mund zu öffnen?“, grinste er nun. Irgendwie musste er den anderen ja zum Reden bekommen..... Der Leader ging jedoch überhaupt nicht auf diese Bemerkung ein, reagierte nicht darauf. Statt dessen fummelten seine Finger immer wieder unruhig in seinem Gesicht herum, strichen zwischendurch drei Mal eine imaginäre Haarsträhne hinter´s Ohr. Yoshiki hätte am liebsten laut aufgeschrien und wäre flüchtend aus dem Zimmer gerannt. Doch er wusste, er kam um das Bevorstehende nicht herum. Er saß hier mit Taiji alleine in diesem Raum und weder Taiji, noch er selbst hatte jemanden, der ihm den Rücken stärkte, der ihm beistand. Ein leises, bebendes Seufzen unterbrach die Stille. Leicht zitternd ließ er die Hand auf sein Knie sinken. Er hob den Kopf und blickte seinem jüngerem Gegenüber in die rehbraunen Augen. Innerlich fing er an zu schreien. „Bitte verlass´ uns.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)