Allein Zu Zweit von Rentalkid ================================================================================ Allein Zu Zweit Wer war es eigentlich, der die Weihnachtszeit zur Festlichkeit ausgerufen hatte, und wie stand es wohl um des weisen Mannes Gemüt, zu jenem Zeitpunkt? Ob er wohl auch alleiniger Inhaber eines geradezu lächerlich großen Einfamilienhauses war, das er ganz allein Feiertags tauglich schmücken durfte, damit er zumindest den Nachbarn keinerlei Angriffsfläche bot, um auf dumme Gedanken zu kommen? Fragen über Fragen; fürchterliche Auswüchse eines scharfen Verstandes, den Anthony Hancock zu Zeiten jener Familienfeste jedoch am liebsten hätte ausblenden wollen. Sicher, hätte der gute alte Tony bei seinem Chef auch nur Ansatzweise durchblicken lassen, dass er über die Feiertage lieber malochen wollen würde, hätte er sich diesem frustrierenden Trott mit Leichtigkeit entziehen können; allerdings machte dem Seelenheil des Mittdreißigers noch etwas anderes zu schaffen, ein fast schon kindlich naives Gefühl. Er hoffte nach wie vor, dass sich alles zum Guten wenden würde, dass das wirklich noch möglich war. Gerade während dieser so oft als magisch bezeichneten Zeit, standen seine Chancen, so redete Anthony sich das jedenfalls ein, zumindest nicht schlechter als den Rest des Jahres. Die Frauen in der kleinen Gemeinde mochten ihn, ganz egal ob frei oder vergeben. Er hinterließ stets einen bleibend guten Eindruck als der schüchterne Blickfang von Gegenüber. Kein allzu schlechtes Los, dachte man darüber nach. Zudem war Tony in dem kleinen Vorort mit dem schönen Namen Nebula – wo wirklich jeder jeden kannte - auch noch so etwas wie der Wunschschwiegersohn der betagteren Damenwelt. Ehrlich, hilfsbereit und bescheiden; ein Traum. Nein, ganz so schlecht, wie seine winterliche Melancholie es ihm zu suggerieren versuchte, stand es um den alten Hancock wirklich nicht. Er würde den Baum schmücken, das Dach; würde am Mittag vor der Einfahrt fleißig Schnee schaufeln und nach dem anschließenden Festmahl abwägen, ob ihm nicht noch Lust und Laune danach stehen, das selbe Spiel vor dem Haus der liebenswürdigen alten Braeburn, oder beim stets eingeschneiten, gebrechlichen Maggio zu wiederholen. Ja, Tonys Plan für diesen Vortag des heiligen Abends stand; unumstößlich, wie in Stein gemeißelt. Das also, war er? Dieses jämmerliche Abziehbild eines menschlichen Wesens? Sollte dieser vereinsamte Träumer ohne Ambitionen etwa wirklich die große Herausforderung sein; nach all den nervösen Bauchschmerzen, die der aufstrebenden, baldigen Teufelselfe Veerle schon seit Wochen den Spaß am Feuer legen oder dem sonst so erquickenden Foltern kleiner Kätzchen raubten? Als das junge Ding zum ersten Mal in die grässlich leuchtenden, grünen Augen ihrer Abschlussprüfung blickte, der ob ihrer Unsichtbarkeit nicht mal im Ansatz bemerkte, wie ihm geschah, wusste sie nicht recht, ob sie nun vor Wut oder doch vor Freude weinen sollte – Lachen verbat sich für den durchtriebenen Satansbraten natürlich prinzipiell. Sie konnte einfach nicht fassen, dass es ihr, nach all den Jahren des Studierens der dunklen Künste, tatsächlich so leicht gemacht wurde, und war zugleich zutiefst enttäuscht darüber, dass ihre Meister ihr scheinbar keine ernsthaftere Herausforderung zutrauten. So galt es quasi nur noch diesem vernebelten Einzelgänger seine ganze Armseligkeit vor Augen zu führen, um ihn in die (ihrer Meinung nach ohnehin kurz bevorstehenden) Verzweiflung, und schlussendlich aus seinem Haus zu treiben. Welch ernüchternder Ausblick auf die kommenden zwei Tage. :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 23. Dezember ::::::::: Der dreiundzwanzigste Dezember galt ausschließlich der Observation des Opfers und seiner Marotten. Ein paar Stunden Vorbereitung reichten natürlich längst nicht aus um sich einen echten Überblick zu verschaffen, doch verlieh all das dieser vermeintlich leichten Aufgabe zumindest eine gewisse Würze. Mit Versagensängsten musste sich Veerle aber nicht mehr länger herumschlagen - sie war sowieso zu selbstverliebt um sich wirklich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, am Ende mit den sprichwörtlich leeren Händen zurückzukehren. Allerdings wäre die Strafe für einen Misserfolg wahrlich drakonisch; schlimmer war da nur noch das Überschreiten der strikt vorgegebenen, unumstößlichen Regel, keinesfalls mit den Menschen in direkten Kontakt zu treten, an die eine jede Elfe und ein jeder Dämon gebunden war. Die Konsequenzen eines solch fatalen Fehlers mochte sich das kleine Biest mit dem entzückendem Namen gar nicht erst ausmalen; lieber wäre sie tot als ... Seine Rückkehr unterbrach ihren Gedankenfluss jäh. Endlich also beschloss der Hausherr sich in selbigem zur Abwechslung auch mal blicken zu lassen. Morgen würde sie es Anthony nicht so leicht machen, die heimischen vier Wände zu verlassen, schließlich wollte das Fabelwesen aus dem Höllenschlund die Zeit so effektiv nutzen, wie nur irgend möglich. Ein letztes mal ging Veerle vor dem inneren Auge die strengen Regularien ihrer Lehrer durch. Das zufriedene Grinsen, das sich quer über ihr schlankes, etwas verrußtes Gesicht zog, verriet die Sicherheit der strohblonden Dame, die völlig unsichtbar für das desillusionierte, menschliche Auge kopfüber neben dem prunkvollen Kronleuchter des Wohnzimmers verweilte und ungeduldig dem Weihnachtsfest entgegenfieberte, angetrieben von den den wohl niederträchtigsten Intentionen, die man sich vorstellen konnte. :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 24. Dezember ::::::::: In aller Früh bewältigte Anthony das alltägliche Prozedere bestehend aus der tranceartigen Rückerlangung des Wachzustandes, der schlaftrunkenen Bewältigung des Weges zum Badezimmer und dem Aufsetzen sowie dem unausweichlich folgenden Verzehr eines enorm starken, dunkelschwarzen Kaffees. Er hatte sich fest vorgenommen die Christnacht, so gut es ihm nur möglich war, auszukosten. Heute würde er sich ganz besonders viel Mühe geben, ein ordentliches Bild abzugeben, dachte sich der Junggeselle, als sein Hightech-Rasierapparat zielstrebig über seine beschäumten Wangen glitt. Gleich nach dem Frühstück, würde er allen entfernten Verwandten und Freunden die Festtage mit einigen wohligen Worten, in Form ganz besonders kitschig gestalteter eMails versüßen. Anschließend noch ein kurzer Kontrollgang durch das gute alte Nebula - ein freundliches Lächeln hier, ein paar nette Worte da -, und schon wäre der erste Festschmaus der Feiertage bereit, verspeist zu werden. Vielleicht, so hoffte Anthony, ja sogar in Gesellschaft. Noch ein weiterer Aspekt, den Veerle der imaginären Liste aller schlechten Eigenschaften ihres Opfers hinzufügen konnte: Er war ein waschechter Frühaufsteher. Pah! Ein Spießer, hieß das in ihrem wenig manierlichen Jargon. Wie oft hatte das Mädchen in der jenseitigen Unterwelt schon ganze Herrschaftszyklen verschlafen – aus purem Spaß an der Freude? Einem höheren Wesen wie Veerle, entstammend aus einer derartig chaotischen Welt, war die Disziplin und Gewissenhaftigkeit des Pinkies – wie sie die Menschen vorzugsweise titulierte, obschon ihre blasse Haut den gleichen Teint besaß – ein Dorn im Auge. Ist man erst unsterblich, lebt es sich sehr schnell nach der Maxime: Verschiebe nicht auf irgendwann, worauf sich auch komplett pfeifen lässt. So war es nicht verwunderlich, dass die zierliche Gestalt sich in ihrer freien Zeit fast ausschließlich ihrer eigenen Kreativität hingab; nur dass alle ihre bevorzugten Beschäftigungen nicht mehr wirklich viel mit dem zu tun hatten, was die meisten Menschen mit diesem Term assoziierten, wenngleich man der Elfe zumindest Einfallsreichtum nicht abschreiben konnte. Auch an diesem Morgen ließ Veerle es sich nicht nehmen, ihrer morbiden Fantasie Ausdruck zu verleihen und so der einschläfernden Lethargie des Auserwählten endlich ein Ende zu bereiten. Zunächst begann sie ihre zwar begrenzten, dennoch aber beeindruckend vielseitigen Fähigkeiten der hohen Kunst des Beschwörens auszutesten, und bastelte sich mit Hilfe fiesester und zum Teil wahrhaft abartiger Unflätigkeiten in Reimform eine Hundertschaft winziger, schleimiger Günstlinge, die wohl gediegen waren, ihrer Meisterin aus der Hand zu fressen, hätte diese sie mit der nötigen Anatomie für eine solche Ehrerbietung ausgestattet. „Eiterbeule und Katzenpisse!“ Schloss die Anwärterin mit ihrer zuckersüßen Stimme, welche all die geschmacklosen Worte beinahe hätte überspielen können, ab, um sich anschließend wie ein reich beschenktes Kind an ihren Kreationen zu erfreuen. „Ha ha ha! Was für ein grausig schöner Haufen schleimig triefender ...“ Sie überlegte mit weit aufgerissenen Augen, deren Pupillen und Iris den einzigen Kontrast zur ansonsten tiefen Finsternis bildeten. „Stinksoldaten!“ Mit diesem letzten Wort verzauberte sie ihre Mannen ein weiteres Mal. Wie kaum anders zu erwarten verstrahlten die matschigen, spinatfarbenen Golems die Küche, in der sich Veerle breit gemacht hatte, nun auch noch mit einem penetranten Geruchscocktail; einer Mischung aus Abflussrohr, Verwesung und Barbecuesauce. Selbst der Elfe, deren Lieblingsgeruch - dem von verbranntem Fleisch - nur noch vom entzückenden Odor völlig verkohlten Fleisches der Rang abgelaufen werden konnte, erbrach sich fast an der Flut des Miefs, dessen Urheberrechte ganz allein bei ihr lagen. Letztenendes steigerte es ihre gute Laune aber nur noch. „Und nun, ihr kleinen Kotzbomben: Verteilt euch! Verkriecht euch in jeder Ecke, zwängt euch in jeden noch so engen Verschlag, auf dass der verranzte alte Mistsack euren Duft nie wieder aus seiner Bude bekommt! Muhahaha.“ Ihrem siegessicheren Gelächter verlieh Veerle mit einem simplen Zauber zusätzlichen, diabolischen Nachdruck; so laut, dass Anthony, der zur Zeit in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock zugange war, es leicht hätte bemerken können, wären die Worte des Mädchens nicht auf die selbe Weise für den nichts ahnenden Mittdreißiger in Feierlaune verschleiert gewesen, wie die verführerische Gestalt des ungebetenen Gastes. Unterm Strich waren alle gut gemeinten Versuche, auf sich allein gestellt etwas Feststimmung auf elektronischem Wege zu verbreiten, für die Katz. Der Posteingang seines eMail Kontos glich der Jahreszeit – die reinste Eiswüste. Anthony musste sich ehrlicherweise eingestehen, dass er nicht wirklich viele, enge Bekanntschaften unterhielt, und daran selbst auch sicher nicht ganz unschuldig war. „Was solls?“, pflegte er in solchen Augenblicken immer zu sagen. Wirkliche Gram oder gar Selbstmitleid, waren ihm unbekannt. Er hatte noch sehr viel Zeit, sehr viel Zeit ... Seiner nachlassenden Konzentration hatte es Hancock zu verdanken, dass er das rege Treiben hinter der Tür des geräumigen, nur spärlich mit geschmackvollem Holzmobiliar ausgestatteten Arbeitszimmers vernahm, noch bevor es zu spät war. Erst tat er die dumpfen Laute, die erst vom Flur, dann plötzlich vom Dachboden zu kommen schienen, als das Getrappel der Nachbarskinder ab, bis ihm (Besorgnis erregend spät) die fast schon verdrängte Tatsache, dass er dieses Haus ja ganz allein bewohnte, buchstäblich in den Nacken sprang. In der Tat sprang der, oder einer der Unruhestifter gegen die Tür und prallte anschließend hörbar zurück auf den Boden. Kein großartiger Lärm, den es dabei veranstalte, und doch äußerst beunruhigend. Wer oder was war da in Tonys vier Wände eingedrungen? Je näher er sich bedachten Schrittes der Tür näherte, desto beißender wurde der Geruch, der jenseits des Raumes lag und den zu bemerken Anthony, als er nun darüber nachdachte, schon Minuten vor dem Aufruhr begann. Spürbar wich die Besorgnis den ersten Anzeichen waschechter Angst. Hancocks rationale und ganz ohne Zweifel überwiegende Seite ertappte sich selbst dabei, wie er sich in seiner blühenden Fantasie regelrecht der Lächerlichkeit preisgab. Was in aller Welt sollte ihn da draußen denn schon erwarten? Kleine Monster? Vermutlich hatten sich irgendwelche Nager hier breit gemacht, oder die verdammte Clique dieses Großmauls Hopkins hatte was damit zu tun. Ja, das musste es sein! Wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein, wenn dieser degenerierte Jüngling ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage mal nichts ausgeheckt hätte. Und so beruhigte der Gedanke an einen Streich des Akne geplagten Teenagers den Hausherren zur Abwechslung doch tatsächlich. Fest entschlossen diesen Blagen am heutigen Tage die Stirn zu bieten, riss Anthony die Tür zum Flur mit einem gewaltigen Ruck auf, und diese dabei fast aus den Angeln. Umhauen konnte ihn der Anblick der detonierten Stinkbombe dann auch nicht wirklich, der Geruch der blubbernden, moosgrünen Fekalienpfütze schon eher. „Das ist doch krank“, urteilte er naserümpfend über diese neueste Schwachsinnsaktion seiner jugendlichen Erzfeinde, unwissend, dass ihn das wahre Übel die ganze Zeit über beobachtete. Unsichtbar und unhörbar feuerte sie im Schneidersitz die bösartigsten Flüche in Tonys Richtung ab, amüsierte sich köstlich an seinem Ekel, seiner Ratlosigkeit und seinem Stress. „Das ist nur der Anfang, du Trottel! Wart's nur ab!“ Das ganze Ausmaß der Schweinerei überstieg Anthonys kühnste Erwartungen. Buchstäblich überall hatten sie zugeschlagen. Kaum eine Nische war nicht befallen von der gallertartigen Substanz, deren Beseitigung in wahrer Sysyphosarbeit ausartete. Hancock holte für dieses Unterfangen sogar einen uralten Mundschutz aus dem Medizinschränkchen im Bad und stolperte dabei von einem Schlachtfeld ins andere. Schon merkwürdig – wie die Kids wohl unbemerkt in sein Haus eindringen konnten? Auf jeden Fall würde diese Aktion Konsequenzen nach sich ziehen, soviel war sicher. Jimmys Vater würde es sicher brennend interessieren, welchen kleinkriminellen Aktivitäten sein Spross in dessen Abwesenheit so nachging. Der gesamte Tag sollte zum Bedauern des Mannes ganz anders verlaufen, als er es sich aus seinen akribischen Planungen heraus ursprünglich vorgestellt hatte. Zum einen wollte es ihm auch nach anderthalbstündiger Schwerstarbeit einfach nicht gelingen, den aasigen Geruch vollends aus dem oberen Stockwerk auszutreiben, so dass er sich letztlich geschlagen geben musste und beschloss, den Dachboden so wie alle anderen betroffenen Räumlichkeiten für die Festtage hermetisch abzuriegeln. So würde der Glückspilz sein Nachtlager für eine Weile eben im Wohnzimmer aufschlagen müssen. Unangenehmer war aber noch der erste Kontakt mit dem alten Hopkins, den Tony bisher nur vom Hören-Sagen her ein Begriff war; nun, nach einem eher einseitigen Telefonat, würde ihm wohl schon sehr bald die überaus überflüssige Ehre zuteil werden, Bekanntschaft mit Jimmy Senior zu machen, der es, soweit Hancock das nach einem kurzweiligen, wenig geistreichen Gespräch beurteilen konnte, seine zweifelhaften Wertvorstellungen nahezu in Vollendung an seine Nachkommen weiterzugeben verstand. Und trotzdem schien sich der Junggeselle die weihnachtliche Hochstimmung noch nicht verderben zu lassen. Hätte Anthony geahnt, wem er dieses schon jetzt kaum mehr zu überblickende Schlamassel tatsächlich zu verdanken hatte - wer weiß, vielleicht wäre alles anders gekommen. Veerle jedenfalls zelebrierte jeden Rückschlag für den bemitleidenswerten Mittdreißiger wie einen eigenen Erfolg. Sie tanzte, mal hüpfend, mal schwebend, nach jeder weiteren Hiobsbotschaft die ihr Missionziel ereilte, wie die aufgekratzte, schadenfrohe Dämonin, die sie war. Als Tony hilflos nach Worten ringend am Telefon die verbale Abreibung eines Nachbarn kassierte, übergab sich das kleine Biest fast vor Lachen – alles völlig unbemerkt, obwohl sie sich nur Zentimeter neben dem Telefon auf der antiken Eichenkommode rekelte und dabei durch ihre gestenreichen Jubelarien große Gefahr lief, entdeckt zu werden. Die Elfe aus Luzifers Seilschaft kam jedenfalls auf ihre Kosten, so viel war ihrem Verhalten deutlich zu entnehmen. Genau genommen, amüsierte sich Veerle sogar mehr, als dass sie arbeitete. Vielleicht war das durchtriebene, stets auf die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse bedachte Wesen ja gar nicht dazu fähig, sich den Ernst der Lage klar vor Augen zu führen - womöglich war sie sich ihrer Sache auch nur sehr sicher -, fest stand jedoch, dass der gute alte Tony trotz der merkwürdigen Ereignisse um ihn herum, noch immer voll in der Spur war. Kaum eine Falle ließ Veerle an diesem heiligen Abend aus, dem übervorsichtigen Langweiler zu stellen; waren es nun Kleinigkeiten oder ernsthaftere Streiche. Doch jedes noch so ausgeklügelte Unterfangen schien letztlich zum Scheitern verurteilt. Ausgerechnet bei diesem minderwertig anmutenden Exemplar eines Menschen stieß das Mädchen auf Granit und biss sich daran die perlweißen Zähne aus. Sie gab Tonys pfundigem, kahlköpfigen Nachbarn zum Abschied noch zwischen Tür und Angel ein paar kräftig gewürzte Nettigkeiten mit auf den Weg, als dieser sich über die falschen Anschuldigungen gegen seinen Jungen auf seine ganz eigene Art zu erwehren versuchte. Natürlich imitierte Veerle die Stimme ihres Opfers dabei tadellos, was ihm für die Zukunft, so war sich zumindest der perplexe Hausherr ob der wüsten Beschimpfungen seines Nachbarn sicher, noch einige unrühmliche Auseinandersetzungen einbringen würde. Mehr aus Wut auf seine stets besonnen, naiven Reaktionen als aus wirklicher Planung heraus, verschloss die Elfe sämtliche Türen im Haus und zwang Anthony so, spärlich bekleidet aus dem einzig geöffneten (und vorallem einzig erreichbaren) Fenster auf die Straße zu klettern, um eilig einen eingehenden Anruf entgegen zu nehmen, der sich letztlich als sehr beunruhigender Scherz herausstellen sollte. Am anderen Ende vernahm er schwer beschreibliche, obszöne Laute, nur um einige Sekunden später festzustellen, dass das Telefonkabel gekappt worden war. Die Frage wer oder was am anderen Ende zu ihm sprach, und wie das überhaupt noch möglich war, hätte die meisten Menschen wohl ernsthaft beunruhigt; Hancock tat es als Störgeräusche ab. Ob er selbst daran glaubte, war letztlich irrelevant. Gegen Nachmittag begann sie schwerere Geschütze aufzufahren. So brach sie, wie es sich für eine waschechte Ausgeburt der Hölle eben gehörte, ohne jedwede Reue dabei zu empfinden, dem giftgrünen Kanarienvogel in seinem Palast aus goldenen Metallstreben das Genick, wohlwissend, dass Tony in dieses gefiederte Mistvieh geradezu verliebt war. Die Zunge hing dem Vogel aus dem ockerfarbenen Schnabel und jedem Laien wäre auf den ersten, flüchtigen Blick hin dessen deformierter Hals aufgefallen. Tony trauerte, Tony weinte, Tony tat dies und das und beerdigte Zera schließlich im hauseigenen Garten ohne dabei überhaupt auf die Idee zu kommen, dass jemand dem armen Ding etwas hätte angetan haben können. Am Abend dann, sollte ihn das Meisterstück der kleinen Dämonin ereilen. So zumindest hoffte Veerle, die sich sogar kurz bei der frevelhaften Überlegung ertappte, um das Gelingen ihrer heutigen Prüfung zu beten! Als der Mensch der stetigen Versuchung nachgab um selbst am Weihnachtsabend einen flüchtigen Blick in die bunte Welt des Fernsehens zu riskieren, war es auch nur aus reiner Gewohnheit heraus, erlebte dieser sein persönliches Waterloo. Davon, das ein Mann, der es für nötig hielt sich eine so riesenhafte technische Spielerei anzuschaffen, deren verlockender Ausstrahlung früher oder später erliegen würde, war Veerle fest überzeugt, und bei Gott, dieses Mal würde er definitiv das Opfer sein. Den obligatorischen Tastendruck mit der Fernbedienung erwählte die unerwünschte Untermieterin dann zum Auslöser der feurig-lärmenden Explosion, die nicht nur das feine Stück Technik, sondern auch das gesamte Mobiliar in unmittelbarer Nähe in Stücke sprengte. Anthony rissen Druckwelle und Überraschung regelrecht aus seinem Fernsehsessel, noch bevor er überhaupt richtig darin Platz nehmen konnte. „Was zur ... Hölle?“, wimmerte er, während es in einer dichten Staubwolke Metall- und Holzsplitter regnete. Das war nicht nur abstrakt, es war vorallem völlig unglaublich. Seit wann verarbeiteten Japanische Elektronikkonzerne Sprengstoff in ihren Geräten? Als Hancock sich ein Bild vom Ausmaß der jüngsten, häuslichen Katastrophe machte, reagierte er jedoch so, wie er es immer tat, wie es in seinem Wesen lag. „Hoffe nur, die Versicherung kommt dafür auf ...“ Es war schlichtweg zum verrückt werden. So langsam meinte Veerle den fauligen Braten riechen zu können, der ihr von ganz Unten aufgetischt wurde. Dieser Mann war die Reinkarnation der Gutgläubigkeit, die personifizierte Naivität. Ein verdammter Engel auf Erden, entfuhr es der Gesandten Luzifers beinahe laut, als sie auf heißen Herdplatten tänzelnd über ihre weitere Vorgehensweise sinnierte. Vielleicht, so grübelte sie, hätte sie Hancock die Schweinereien mitanhören lassen sollen, die sie dem alten Hopkins mit des ahnungslosen Mannes Stimme an den Kopf geworfen hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, den dämlichen Vogel in die Luft zu sprengen, und seine Innereien in der Küche zu verteilen, wie es einer Teufelselfe würdig gewesen wäre. Wieso, so fragte sich das durchtriebene kleine Biest völlig frustriert die Decke des Flurs auf- und abgehend, hatte sie die ihr auferlegten Regeln nicht für ihre Sache ausgenutzt, und den überdimensionierten Flimmerkasten in hoch gejagt, während Tony daneben stand? Einzig die Zeit vermochte es, das diabolische Wesen ihrer elendig lang anhaltenden Verlorenheit wieder zu entreißen. Alles Zweifeln an der eigenen Integrität war noch verfrüht. Noch hatte sie die Chance, als Siegerin aus diesem Wettstreit hervorzugehen, von dem die Opposition noch immer nicht wusste, dass er überhaupt stattfand. So verfolgte Veerle ein weiteres, ein letztes Mal den Streifzug ihres Opfers durch sein schwer in Mitleidenschaft gezogenes Haus und wartete genüsslich den Moment ab, in dem sich Anthony auf der Wohnzimmercouch der trügerischen Ruhe dieser heiligen Nacht hingab, um ihr dämonisches Spiel fortzusetzen, und das Drama, dessen Urheberin sie war, himmelhochjauchzend in dessen letzten, für die jammervolle Gestalt tragischen Akt zu führen. Welch ein Tag näherte sich hier seinem Ende ... Anthony Hancock verstand die Welt nicht mehr. Mit den merkwürdigen, teils unglaublichen Ereignissen, die er am heutigen Tage erleben musste, hätte Stephen King einen ganzen Roman seines liebsten Genres füllen können. Er wäre darin die tragisch-ulkige, tollpatschige Hauptfigur gewesen, der das Mitleid eines jeden Lesers von Seite eins an gewiss gewesen wäre, jede Wette. Wenn man aber so viel Pech im Leben gehabt hatte, wie Tony, begann man mit der Zeit ernsthaft zu glauben, man sei verflucht und hörte auf derartigen Ereignissen einen tieferen Sinn zuzusprechen. Zum Teufel, dachte Anthony verbittert, es wäre wohl seltsamer, ja unglaublicher, wäre dieser Weihnachtsabend tatsächlich ein Erfolg gewesen! Jetzt zählte nur noch eines: dass in wenigen Minuten ein neuer Tag anbrechen würde, und er ausgeschlafen am nächsten Morgen einen Schlussstrich unter dieses dunkle Kapitel seines Lebens ziehen könnte. „Ja, schlaf nur! Bald schon, wirst du dich fragen, ob du nicht einen fleischgewordenen Albtraum lebst, armseliger Pinkie!“ Erneut sprach Veerle ihre Prüfungsaufgabe direkt an, laut und deutlich, für ihn jedoch nicht zu vernehmen, da das durchtriebene Weibsbild es ihm verwehrte, zu hören. Als Tony seine Augen schloss und seine verlangsamte Atmung das Eintreten in die Trance des Halbschlafes verriet, machte sich die Teufelselfe ans Werk. Nur wenige Schritte vom schlafenden Anthony entfernt, schloss sie die Augen und bauschte sich auf. Ihre schlanken Beine leicht überkreuzt, begann sie in die Luft emporzusteigen. Dann breitete die Elfe ihre Arme aus, so als wollte sie die ganze Welt ins Herz schließen. Ihr verrücktes Lächeln jedoch verriet ihre wahren Absichten. Ihre Augen öffneten sich und aus ihrem Mund entwichen unentwegt Flüche. Extatisch sang sie in einer fremden Zunge, so abstrakt und bösartig, dass die Vermutung nahe lag, diese uralte Sprache sei sogar jenseits der Höllenpforten ein Frevel. Veerles Zauber begannen nach und nach Wirkung zu zeigen. Erst erhoben sich Splitter, Gläser und anderes, ähnlich bedeutungsloses, kleines Inventar in die Höhe; nicht viel später dann auch der gläserne Wohnzimmertisch, ganze Schränke und schließlich die Couch, auf die Tony, ob des bestialischen Gestanks in seinem Schlafzimmer, gezwungen war, auszuweichen. Dann begann die wahre Tortur für den Mann und die Überbleibsel seines kostbaren Besitzes. Den Gesetzen der Schwerkraft trotzend kreisten Möbel, Geschirr, Bücher, der kaum angerührte Weihnachtsbraten und sogar Tonys vortrefflich geschmückter Baum um ihre eigenen Achsen; erst langsam und schwerfällig, dann immer schneller und mit geradezu surrealer Leichtigkeit. Erst der Sturz auf das harte Parkett konnte den Hausherren zurück in die Realität holen. Was sich seinen müden Augen dann in der Wirklichkeit eröffnete, ließ ihn jedoch einige, ihm unendlich lang erscheinende Sekunden an jener zweifeln :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: 25. Dezember ::::::::: Der Wirbelsturm im Wohnzimmer des Mannes raubte dann schließlich auch ihm den letzten Nerv. Kein Fenster war auch nur einen Spalt weit geöffnet, und doch schien es, als würden Orkanwinde in die vier Wände Einzug halten. Was, in Gottes Namen, ging hier bloß vor sich? Dieses gesamte Weihnachtsfest war, unter Strich, ein einziges Desaster; und so langsam breiteten sich auch im sonnigen Gemüt Anthonys erste Zweifel aus, ob all die mysteriösen Begebenheiten der vergangenen Stunden tatsächlich nur mit einer Extraportion Unglück gepaartem Zufall zuzuschreiben waren. Als seine Siebenhundert-Dollar-Stereoanlage Tony um Haaresbreite den Schädel eingeschlagen hätte und im hohen Bogen durch die Glastüren zur Terrasse krachte, entschied er ohne große Umschweife seinen Hintern verdammt noch mal aus diesem Hexenhaus herauszuschaffen. Anthony machte es seinem teuren Spielzeug aus Stahl und Plastik gleich und sprang durch mit dem Umweg über die Terrasse hinaus auf die verschneiten Straßen Nebulas. Eine Trockene Kälte ließ den Atem des Mannes auf der Stelle gefrieren. Windig war es hier draußen allerdings nicht die Bohne, was den Vorkommnissen im Haus von außen betrachtet überhaupt erst die richtige Würze gab. Im zweiten Stock flackerten die Lichter eines jeden Zimmers immerwährend auf, als würden alle Lampen des Hauses, die sich spontan dazu entschieden hatten gemeinsam den Geist aufzugeben, gegen die drohende Funktionsuntüchtigkeit mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung ankämpfen. Bis nach draußen hörte man, wie ein jedes Besitztum Anthonys, das nicht Niet und Nagel fest angebracht war, in lautem Getöse zu Bruch ging. Himmel, sogar manches wirklich schwere Kaliber, zerfetzte der Wohnzimmertornado, der mit jeder weiteren, verrinnenden Sekunde jedoch an Kraft verlor, bis letztlich nur noch ein laues Lüftchen dieses Phänomens im Haus des Junggesellen umher zog, das, so sah man es der Erleichterung im ausgezehrten, scharlachroten Gesicht des Mannes an, genauso gut hätte von draußen stammen können. Der Spuk war endlich vorbei. Entsetzt starrte Veerle auf die schwere Wanduhr, die, ihr unverständlich wie gleichgültig, das jüngste Schauspiel schadlos überstanden hatte. Unaufhaltsam schritt der Sekundenzeiger bis zu einer weiteren Vollendung seiner sich unendlich wiederholenden Reise und schlug, als Stellvertreter der Zeit, wie ein Geschoss aus den Kanonen von Navarone tief im Unterleib des zierlichen Wesens ein. Ihre Zeit war abgelaufen, seit nunmehr drei verteufelten Minuten! „Ist alles in Ordnung Anton?“ Unverkennbar drang die zittrige Stimme von Bethany Braeburn durch die kühle Luft. Nur sie nannte ihn: Anton. Er erkannte die Umrisse seiner Nachbarin im Licht ihres Schlafzimmerfensters „Alles bestens, hatte nur ...“ Ja, was hatte er denn angestellt? Nichts! Nur würde er den anderen Anwohnern ganz sicher nicht erzählen, was sich wirklich abgespielt hatte. Egal welche Lüge er ihnen auftischen würde, sie musste zumindest halbwegs glaubwürdig klingen. „Ratten, Bee, überall ... überall“ „Soll ich meinen Mann herunter schicken?“ „Nein, nein, nicht nötig, Beth, ich komme klar! Danke trotzdem.“, wiegelte Hancock ab und beschwichtigte die neugierige, alte Dame mit einem charmanten Lächeln. „Frohe Weihnachten!“ „Ihnen auch, Anton.“ „Frohe Weihnachten?“ Veerle war zwar noch immer unsichtbar für das menschliche Auge war, ließ ihren Gegenüber jedoch nur allzu gut hören, was sie zu sagen hatte. „Frohe Weihnachten?“ Sie fletschte die Zähne und wähnte sich kurz davor, dem frierenden Mann an die Kehle zu springen. „Wer spricht da?“, flüsterte Tony ungläubig in die Richtung, aus der die hohe Stimme zu kommen schien. Seine Beine trugen ihn ganz wie von selbst von der Straße Richtung Garage. „Hier spricht dein Schafrichter, Smallcock! Dein Verderben, dein Schicksal.“ Jetzt war sich Anthony zu einhundert Prozent sicher, dass er tatsächlich etwas gehört hatte. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch tappte er weiterhin im Dunkeln. „Das ist nicht lustig, hört ihr! Jimmy, wenn du dahinter ...“ „Halt doch endlich die Klappe, du Witzfigur!“, fauchte Veerle ihrem einstig prädestinierten Opfer direkt ins Ohr. Sie hockte auf dem hölzernen Zaun neben der Ausfahrt, der Tonys Grundstück von dem der Braeburns trennte. So wie die diabolische Elfe ihn anschrie, hätte er ihre Position leicht ausmachen können, wäre sie nicht unsichtbar. „Oh es war lustig, es war befriedigend, es war eine einzige Feier ... ein verdammtes Meisterwerk, das war es!“, schrie sie erneut. „Ja, das war es.“ Die Beweihräucherung ihrer selbst nahm langsam ein Ende. „Bis du mir dazwischen gefunkt hast, Wichser!“ Mehr als deutlich brachte Veerle ihren Unmut zum Ausdruck. Tony wich instinktiv einige Schritte zurück, so weit, bis die eigene Hauswand ihm den Weg versperrte. „Doch das, Pinkie, wird sich rächen, und zwar genau jetzt!“ „Wo ... Wer bist du?“ Mit einem gewaltigen Ruck schoss Veerle mehrere Meter in die Höhe und beschwor ein weiteres Mal ihre schwarze Magie. Der zerzauste, strohblonde Schopf des dämonischen Wesens stand wild zu Berge, als sich auch für ihr Opfer ein fassbares Bild des bevorstehenden Übels abzuzeichnen begann. Blitze zuckten unweit von Anthony auf, einige so dicht vor ihm, das er schützend die Arme vors Gesicht riss. Am eigenen Leibe zu erfahren, wie wenig hilfreich dieser Art Schutz letztlich war, sollte ihm glücklicherweise erspart bleiben. Die tödliche, gleißend helle Entladung, die Veerle auf ihr perplexes Ziel abfeuerte, wurde vom Körper des Mannes reflektiert und schlug dort ein, wo sie ihren Ursprung nahm, im Kopf der Elfe. Vom Schlag getroffen konnte sie den Schleier der Unsichtbarkeit, der sie zuvor einhüllte, nicht mehr länger aufrecht erhalten. Leblos stürzte der dampfende Körper zu Boden und versank im tiefen Schnee, den die Hitze zu schmelzen vermochte. Endlich sah nun auch Anthony, wer ihm den vergangenen Tag zur Hölle gemacht hatte; oder besser gesagt: was noch von ihr übrig war. Vorsichtig wagte er sich einige Schritte an den Körper des Mädchens heran, dessen teils stark verkohlt scheinende Haut den Eindruck erweckte, sie käme frisch aus Untertage – was ganz so falsch ja gar nicht war. „...ungh...“ Es wäre wohl eine nachvollziehbare, ja, rationale Reaktion gewesen, das Weite zu suchen; vielleicht sogar, dem mysteriösen Wesen den Gar auszumachen, so lange sich die Gelegenheit dazu bot, und doch ... „Alles okay mit dir?“ „W-wie?“ „Wow!“ Tony pustete seine Erleichterung aus sich heraus. „Sah einen Moment lang so aus, als wärst du erledigt.“ Es dauerte, bis Veerle alle fünf Sinne wieder beieinander hatte. Den sechsten, sofern man ihre Begabung für das Magische als solchen bezeichnen wollte, verlor sie ein für alle Mal, als sie Hand an ihr Opfer legte, und bei Gott, sie spürte das! „Oh NEIN!!!“, jammerte die aufgewühlte Gestalt, die in der matschigen Pfütze halb geschmolzenen Schnees kniete. Sie begann sogar, zum ersten Mal in ihrem Leben, die Kälte zu spüren. „Was hast du mir angetan, du $&\@# ...?“ Ihr letztes Wort war bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, allerdings konnte sich Anthony sehr gut vorstellen, in welche Richtung sie abschweifte. „Ich ... ich ...“ Stotternd realisierte Veerle was die Stunde geschlagen hatte. Sie hatte die als unpassierbar verschriene Grenze überschritten, als sie die Hand gegen den ahnungslosen Menschen erhob. Ein unverzeihlicher Fehler. So war nun tatsächlich das qualvollste aller möglichen Szenarien eingetreten. Das feurige Leuchten ihrer Augen verlor sich in einer tiefen Depression. „Hey, was ist los?“ Sie hörte sehr gut, war aber nicht dazu bereit, auch nur ein einziges Wort mit dem Menschen zu wechseln.. „Meinst du nicht, du schuldest mir ein paar Antworten, huh? Sag mir, wie du heißt!“ „Veerle.“, sprach sie, und bereute es noch während die Worte ihren Mund verließen. Nicht einmal die Hände konnte sie auf die Lippen legen, um sich gewaltsam dem Fluch zu entziehen, der auf ihr lag. Die Elfe war dem Menschen völlig erlegen. Ihm ein Haar krümmen zu wollen, war der größte Fehler, ihres teuflischen Lebens „Veerle. Ein schöner Name.“, schmeichelte Tony dem Mädchen, das sich für diese Frechheit in Gedanken durch die Eingeweide des Charmeurs fraß. „Und, was bist du?“ Zwar war es kein Befehl, den Hancock aussprach, doch entschied sich die Elfe trotz allem sich ihrem Schicksal zu ergeben, früher oder später würde der naive Mistkerl ja doch dahinter steigen. „Ich bin was du siehst: Eine Ausgeburt der Hölle!“ „Also, da tust du dir wirklich Unrecht. Was ich sehe, ist ein ganz normales Mädchen. Ein wenig mitgenommen, ja, aber durchaus ...“ „Hör auf damit!“ Die Elfe schlug die Hände über den Kopf zusammen. Irgendetwas schien sie unheimlich zu quälen. „Erschlag mich, überfahr mich; sperr mich ein oder mach mich meinetwegen zu deinem Hausmädchen, nur bitte“ Sie flehte ihn tatsächlich an. „hör auf mich so zu quälen!“ „Okay, okay. Ist ja gut. Ich tu' dir doch nichts!“ „Wer's glaubt ...“ „Dann erklär's mir, was geht hier eigentlich vor? Das warst du doch, oder? Der Schleim, die Sache mit meinem Nachbar, der Fernseher, das Wohnzimmer ...“ „Ja, natürlich war ich das, du Trottel!“ Diesmal ging ihr die Beleidigung zwar über die Lippen, doch durchfuhr ihren Körper kurz darauf ein Dolchstoß unvorstellbaren Schmerzes, der ihr die Sprache gleich wieder verschlagen sollte. „Ahh, große Scheiße!“, fluchte Veerle. Zumindest waren ihr die geliebten Unflätigkeiten nicht gänzlich verboten, lediglich adressiert an ihren neuen Herren, durfte sie nicht sein. „Hab ich was falsch gemacht?“, sah sich Anthony schuldig. „Ja!“, fauchte das Mädchen. „In den Wahnsinn hast du mich getrieben, dabei war das doch meine Aufgabe.“ „Was?“ „Meine Aufnahmeprüfung! Für den vierten Kreis! Und nun bin ich, weil ich dir an den Kragen wollte, dazu verdammt dir zu dienen. Ende der verkackten Geschichte!“ Wie ein bockiges Kind wandte sich Veerle von der Ungerechtigkeit des Lebens ab, obschon sie selbst am besten wusste, dass sie sich diese Suppe ganz allein eingebrockt hatte. Hancock zumindest, hatte am Allerwenigsten damit zu tun. „Auf ewig dem Pinkie treu ergeben“, sinnierte sie. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“ „Seh ich – von meinem eigens heraufbeschworenen Zauber gegrillt – etwa so aus?“ Tony grübelte angestrengt. „Spar dir die Antwort! Wenn du mir nicht glaubst, überzeug dich doch selbst. Ich muss deinen Befehlen Folge leisten. „Allen Befehlen?“ „Ich wusste es! Tief im Innern seid ihr Pinkies doch alle gleich.“ Voller Abscheu starrte die dämonische junge Dame ihrem Schicksal tief in die blauen Augen. „Ja, allen Befehlen!“ „Dann ...“ Anthony kraulte sich mit den Fingerspitzen das stoppelige Kinn, während er sich eine passende Arbeit für das garstige Frauenzimmer ausknobelte. „Räum das Schlachtfeld auf, das du in meinem Haus hinterlassen hast!“ Ganz wie befohlen setzte sich der geschundene Körper der Elfe in Bewegung. Es war deutlich zu sehen, dass ihr Geist mit aller Macht gegen die Unterwürfigkeit ihrer Glieder anzukämpfen versuchte, ohne Erfolg. „Du bist ein ...“ Veerle wollte nichts mehr riskieren. „Menschen sind doch einfach das Letzte ...“ Lamentierend fügte sie sich ihrem Schicksal und unterwarf sich somit endgültig dem Mann, der ihr Sprungbrett in die tiefsten Sphären der Hölle hätte sein können, nein, hätte sein müssen. So abstrus es auch klingen mochte, so sah es doch verteufelt danach aus, als hätte sich Tony Hancock in dieser heiligen Nacht eine waschechte Hauselfe anschaffen können. Das beste aber war - so kam dem Junggesellen ein früherer Gedankengang erneut in den Sinn -, dass er die restlichen Feiertage über Gesellschaft haben würde; welchem Mysterium diese nun auch immer entsprungen war. Und wer weiß, vielleicht ja auch darüber hinaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)