Globetrotter von -Soul_Diver- (Wir brauchen keine Chemie, keinen Kompass, keinen Reiseführer, keine Landkarte... und kein Viagra!) ================================================================================ Kapitel 10: Cole et doce! - 3 ----------------------------- "So, hier wären wir! Der Mari-Platz von Gakoshida, eins seiner Wahrzeichen schlechthin!" Ich musterte mit hochgezogenen Augenbrauen den gigantischen, ovalförmig angelegten Platz, über dessen Dächer und Häuser sich unzählige Wasserröhren erstreckten. Wesen und Kreaturen aller Gattungen wimmelten umher, doch das große, kreisrunde Becken in der Mitte des Platzes beanspruchte meine Aufmerksamkeit eher. Es war bis zum Rand mit Wasser gefüllt. "Wie tief geht es da runter?", wollte ich wissen, als wir vor dem Becken stehenblieben. Es hatte einen Durchmesser von schätzungsweise zehn Metern. Über uns befand sich eine große, halbkugelförmige Glaskuppel, auf die noch immer in Strömen der Regen prasselte. In sie hinein mündeten fast alle der Röhren, die sich über den Platz erstreckten, darin tummelten sich einige Wasserwesen, die anscheinend nicht nachtaktiv waren oder eine der Vorlesungen in den Unis oberhalb der Wasseroberfläche besucht hatten. Und auch ein paar Nicht-Wassergeschöpfe wuselten herum, weil sie anscheinend hier arbeiteten – das konnte man gut an ihrer Kleidung erkennen – oder auch, weil sie vorhatten, wie wir die Unterwasserstadt zu besuchen. "So an die tausend Meter. Dort liegt dann die obere Ebene der Wasserstadt und den Universitäten", erklärte Fye begeistert, der übers gesamte Gesicht breit grinste, und sich einige der regennassen Strähnen aus dem Gesicht strich. Wir sahen schon jetzt aus, als wären wir aus dem Becken geklettert, da wir nicht mal einen Schirm gehabt hatten, als wir hierher gelaufen waren. "Es gibt darunter auch einige Ebene, bis runter an die elf Kilometer! Allerdings, bis da unten können wir nicht tauchen. Da ist der Druck einfach zu hoch. Außerdem ist es in dieser Tiefe eh uninteressant. Alles finster und dort gibt es nur eine Uni – die für Tiefseefische und -geschöpfe, die auch nie von dort unten raufkommen. Also, wir werden wohl nur bis auf die zweite Ebene in zwei Kilometer Tiefe tauchen, ab da müsste man schon mit einem U-Boot weiter... aber das brauchen wir gar nicht. Die nächsten Ebenen sind nämlich so aufgebaut wie die ersten, von daher ist das auch unnötig, wissen Sie?", fuhr er in einem einzigen Redeschwall fort. "Aha", machte ich, nachdem ich die unwichtigen Informationen ausgefiltert und wieder vergessen hatte, sodass sich das, was er gesagt hatte darauf beschränkte, dass wir an die tausend Meter runter mussten- und dass es wohl da unten fast so aussah wie hier auch. "Jaha!", machte er begeistert, "Und da unten ist wirklich alles faszinierend! Sie können sich gar nicht vorstellen, was es dort unten alles gibt! Und die Lebewesen erst... einige haben Sie hier oben vielleicht schon gesehen, aber manche Arten kommen gar nicht herauf, die bleiben lieber im tieferen Wasser. Und erst die Bauwerke! Aber was erzähle ich Ihnen das, Sie werden sowieso gleich alles selber sehen! Kommen Sie!" Sein Elan ging mir gewaltig auf die Nerven, und während er mich am Arm packte und auf ein Vieh zu schleifte, das aussah wie eine Kreuzung aus einem Kaninchen und einem Luftballon mit Federn, fragte ich "Warum können Sie da nicht einfach schnell allein runterschwimmen und diese Samen holen? Oder wieso schicken keins dieser Wasserwesen?" "Weeeil wir das auch genauso gut selbst machen können. Und Sie müssen mitkommen, schließlich sind Sie mein Leibwächter. Außerdem: Wenn man schon mal hier ist, dann muss man diese Unterwasserstadt gesehen haben, sonst verpasst man was!", ereiferte er sich und blieb vor dem komischen Vieh, das offensichtlich hier angestellt war, stehen. "Dann verpass ich lieber was", grollte ich. Konnte ich nicht einmal meine Ruhe haben?! "Ach, wieso denn? Oder können Sie etwa nicht tauchen? Das ist ganz einfach... wir bekommen bloß ein Atmengerät und schon kann's losgehen!", meinte er, "Diese Atemgeräte sind wirklich toll! Wissen Sie, man kann sich damit nämlich auch unterhalten und es übersetzt auch alle Unterwassersprachen automatisch." Das bedeutete wohl, dass ich auch unter Wasser sein Gelaber ertragen musste. Ich stieß einen genervten Seufzer aus, während Fye anfing dem Angestellten zu erklären, was wir hier wollten. Bald kam er mit der Ausrüstung zurück. Sie bestand aus einem Atmengerät, nicht größer als eine Mundharmonika und einem Anzug. "Also", fing das Ballonkarnickel an, "Das ist das Atemgerät. Es filtert den Sauerstoff aus dem Wasser und es ist kein Problem, sich damit zu unterhalten. Diese Anzüge gleichen den Druck aus, falls er zu stark wird. Allerdings könnt ihr damit nicht tiefer als zweitausendfünfhundert Meter tauchen. Haltet euch am besten an die Röhren, dann könnt ihr euch auch nicht verschwimmen... wenn ihr die Ausrüstung nicht mehr braucht, legt sie einfach da vorn in die jeweiligen Behälter zurück." "Okay... ehm, ist zurzeit eine der Jetstream-Röhren frei?", erkundigte sich Fye, "Wir haben es ziemlich eilig, und-..." "Nein, tut mir leid. Die Jetstreams sind zurzeit alle besetzt... ihr müsst entweder durch die OS-Röhre oder die CA-Röhre." "Alles klar... dann nehmen wir wohl die OS-Röhre. Haben Sie vielen Dank!" "Gerngeschehn, immer gerngeschehn." Damit übergab er uns den Kram und drehte sich um, um zu gehen. Endlich mal eine klare und kurze Anweisung. "Also dann, Kuro-tan!", sagte mein Begleiter voller Enthusiasmus, "Auf in die Klamotten und runter mit uns!" "Das ziehe ich auf gar keinen Fall an!", protestierte ich, als ich mir die Anzüge näher besehen hatte. Hauteng und aus gottverdammtem Latex! Nein, das kam ja wohl gar nicht in Frage "Aber Kuro-rin, das müssen Sie! Der Druck da unten wird sonst viel zu stark..." "Na und? Ich werde dieses Ding nicht anziehen!!" "Sie sind wohl schüchtern!", kicherte er. "BIN ICH NICHT!" "Wo ist dann das Problem? Das steht Ihnen bestimmt sehr gut! Oder – ziehen Sie doch einfach Ihre Klamotten wieder drüber, wenn Sie das unbedingt wollen... aber jetzt kommen Sie! Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit. Oder muss ich Sie zwingen?" "Wie wollen Sie mich denn bitte zu etwas zwingen?!", murrte ich. "Oooh...da fällt mir sicher was ein..." Und da war ich mir auch sicher – sein Grinsen gefiel mir gar nicht und da ich ja nie wusste, was in seinem kranken Hirn vor sich ging – das wollte ich meist auch nicht – würde ich es sicher auch nicht darauf ankommen lassen, es herauszufinden. "Na schön...", grollte ich, "Aber nur dieses eine Mal!" Wammm. Mit einem ohrenbetäubenden Klatschen schlug das Wasser über unseren Köpfen zusammen. Millionen und Abermillionen Luftblasen rauschten an uns vorbei und unsere Haare zausten sich im Wasserstrom, als mein Leibwächter und ich von den klirrend kühlen, nach Tang und Nixenhaar duftenden Fluten umschlossen wurden wie zwei Kerzendochte vom Wachs. Ich nickte Kurogane zu, und wir stießen uns mit einem kräftigen Schlag der Beine vom Beckenrand ab, um uns in die Röhre gleiten zu lassen und in ihr abwärts zu tauchen. Sie führte in weit ausladenden Spiralen nach unten, immer tiefer in diese blaue Unendlichkeit, in der das einzige Licht von den kleinen Neonlampen ausging, die an den Außenwänden des Glastunnels angebracht waren. Schon nach kurzer Zeit wurde es dunkler um uns herum. Die Welt des Tags schwand vor unseren Augen dahin. Das Wasser umfing uns wie einziges Universum. Das Sonnenlicht fiel nur noch in spärlichen Streifen herab und warf wellenhafte Reflexionen an die gläsernen Wände des mannigfaltig verzweigten Röhrensystems, das sich in diese dunklen Tiefen hinabwand wie ein Gewirr aus hunderten transparenten, sanft im Strom pulsierenden Schlangenkörpern. In ihnen bewegten sich zahllose Meereskreaturen umeinander, ich konnte etwa zwanzig verschiedene Gattungen unterscheiden, wobei ich am häufigsten Nixen- Virgo Piscicida, Seepferde- Equus Conger, und Medusenfische- Venecia Meduseldi, bemerkte. Dank der hauchdünnen, aber unglaublich reißfesten Latexanzüge, die wir uns über unsere Klamotten gestreift hatten, nahmen wir den Druck des Wassers als solchen nicht wahr- für uns fühlte es sich an, als würden wir uns durch einen Strom kühler Luft bewegen. Die Sauerstoffmasken bedeckten Nase, Mund und Augen und waren mit zwei etwa daumenlangen Sauerstoffdüsen verbunden. Ich tastete mich beim Schwimmen an den Röhrenwänden entlang, während Kurogane da überhaupt keine Hilfe zu benötigen schien. Er stieß gleichmäßig mit den Beinen wie ein Frosch, und ich konnte mühelos beobachten, wie sich die Muskeln seiner Oberschenkel, die dicht unter seiner Haut anlagen, anzogen und wieder entspannten. Als er plötzlich zu sprechen- oder besser gesagt zu blubbern- anfing, fuhr ich zusammen, als hätte man mich bei etwas Verbotenem ertappt. "Ehe ich's vergesse, was war das wieder für Fachjargon, das Sie mit dem Ballonkarnickel da ausgetauscht haben?" "Ach, Sie meinen OS-, CA- und Jetstream-Röhren?", klickzischelte ich zurück, "Das ist ganz einfach. Die Abkürzung CA heißt nicht mehr als Closed Area, was heißen will, dass eine Röhre dieser Art direkt bis in das Zentrum der Unterwasserstadt führt. OS hingegen bedeutet Open Sea- eine solche Röhre mündet bereits nach kurzer Zeit ins offene Wasser. Und eine Jetstream-Röhre ist sowas ähnliches wie ein Expresszug! In ihr zirkulieren starke Wasserströmungen, die einen auf direktem Weg nach unten bringen." Ich deutete auf den anscheinend bodenlosen Wassergraben, der sich unter unserer schwach von innen erleuchteten Röhre auszubreiten schien wie ein gierig aufgesperrter Rachen. "Sehen Sie? Dort unten hört unsere Röhre bereits auf. Den restlichen Weg müssen wir durchs offene Wasser schwimmen. Eine Weile lang führt er noch über ein künstliches Korallenriff, aber dann beginnt bald der Wassergraben." "Wir sollen also aufs Geratewohl unseren Weg suchen, hab ich das recht verstanden?", blubbzischelte Kurogane erbost. Ich kicherte, was vom Geräusch her allerdings eher an eine Fusselwurm-Blähung erinnerte, während wir in schnellen Schwimmzügen die letzten gewundenen Meter der Röhre meisterten und aus der Endöffnung glitten. Um uns herum war nun die offene Grotte, oder zumindest der Anfang davon- ein rauer, zerklüfteter Felsteppich erstreckte sich fünfzig Meter unter unseren Füßen, überwuchert von einer wilden Landschaft aus bizarren Korallengewächsen. Nixen, Seepferde, Haie, junge Robben und zahllose andere Meereskreaturen schossen an uns vorbei und schienen dabei alle zielstrebig eine Richtung anzupeilen. Wir standen wie schwerelos im Wasser und beobachteten dieses weltfremde Treiben, wobei wir uns von den gleichmäßigen Wogen des Unterseegangs treiben ließen. "Die Meeresströmung wird durch Magnetfelder erzeugt!", erklärte ich, "Die meisten der hiesigen Studenten kommen aus dem Kaiyonobannan-Abyss und sind stehende Gewässer nicht gewohnt. Am besten fragen wir eins der Seepferde, ob es uns mitnehmen kann, das geht um einiges schneller." Da mein Leibwächter ausnahmsweise keinen abfälligen Kommentar auf der Zunge zu haben schien, setzten wir uns wieder in Bewegung und schwammen tiefer auf das Korallenriff zu, in dem kleinere Fischschwärme, Muränen und Tintenfische ihren schaukelnden, scheinbar leblosen Tanz mit der Grottenströmung tanzten. "Und wo sind die Universitäten?", zischelte es neben mir. "Die befinden sich in einer Vertiefung der Grotte, die wie gesagt kilometertief nach unten führt. Sie sind wundervoll, Sie werden sehen!", ereiferte ich mich, und während Kurogane mal wieder nur sein unverständliches Gebrummel als Antwort gab, bemühte ich mich, eins der vielen Seepferde anzuhalten, die unter kräftigen Flossenschlägen an uns vorbeirauschten. "Entschuldigen Sie bitte!", gelang es mir schließlich, ein tief ultramarinfarbenes Pferd auf mich aufmerksam zu machen, "Wir suchen die Universität für submarine Botanik! Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen, uns ein Stück weit mitzunehmen?" Das Seepferd zog bei unserem Anblick belustigt seine lange, weiche Nase kraus und wandte seinen Kopf zur Seite, um uns aus einem großen, rauchblauen Auge anzusehen. Es hatte einen langgezogenen, muskulösen Rumpf, der bald in einen geschuppten Schweif mit drei langen Flossenpaaren überlief, während seine Brustflossen dem eines Rotfeuerfisches gleichkamen. "Sie kommen von oben, nicht wahr?" Seine leise Raspelstimme wollte nicht so recht zu seiner Erscheinung passen. "Jawohl! Wir sind auf der Suche nach submarinen Pflanzen, und man orientiert sich nun mal gerne am Naheliegendsten, was?" "Verstehe. Gut, dann halten Sie sich einfach an meinem Rückenkamm fest, ich bring Sie hin. Ich studiere zwar an der Fakultät für marine Chirurgie, aber bis zur Botanik ist es nur ein Katzensprung. Kommen Sie!" "Haben Sie vielen Dank!", konstatierte ich fröhlich und ließ seinem Angebot sogleich Taten folgen, "Marine Chirurgie also? Das klingt ja wundervoll! Kuro-myu, haben Sie das gehört? Dann können wir dort sogar eine Vorlesung besuchen!" "Waaaaas?!! Auf keinen Fall!!", fauchte der Schwarzhaarige natürlich sofort, "Träumen Sie weiter! Nie und nimmer werde ich d- aaaaaaaaarrrrgh!!!" Die letzten Worte seiner Suada gingen in dem Blasenstrom unter, der uns entgegenpeitschte, als das Seepferd kräftig mit dem Schwanz schlug und im Wasser vorwärts schoss wie eine Rakete. "Juhuuuuuuuuuuh!!", jubelte ich übermütig, obwohl mir die Strömung fast die Haare vom Kopf riss, "Also das nenn ich Spaß!" "Idiot!! Das haben Sie bei den Harpyien auch schon gesagt!!" "Dann hat eben beides Spaß gemacht! Gibt Ihnen das denn keinen Kick?" "Wenn Sie nicht sofort die Klappe halten, verpass ich IHNEN gleich einen Kick, und zwar in den gluteus maximus!" "Hyuuu, welch nobles Vokabular! Sie machen Fortschritte, Kuro-mune!", trillierte ich entzückt und wandte mich rasch an das Seepferd, um einer weiteren Schimpfkanonade zu entgehen, "Wie weit ist es denn noch bis zum Wassergraben?" "Dort vorne ist er!", rief uns das Seepferd über die Schulter zu, während es über einen meterhohen Korallenberg hinwegrauschte. Es sollte Recht behalten- der Felsboden des künstlichen Korallenriffs begann, sich immer rascher abzusenken. Schließlich lief er in eine vollkommen steile Felswand über, und der offene Wassergraben öffnete sich unter unseren Füßen wie ein riesiger, schwarzer Schlund, sodass es in meiner Magengrube augenblicklich zu prickeln begann. Doch mein Blick wurde sehr schnell schon von etwas anderem gefangen genommen- denn nun bemerkte ich den weichen Schein tausender ätherischer, seltsam weltfern wirkender Lichter, die aus den Tiefen dieses Grabens zu uns empordrangen. "Kuro-rin! Kuro-rin, sehen Sie nur!" Mein Begleiter wollte offenbar irgendeine äußerst unfeine Antwort zurückbellen, doch als auch er sah, was ich sah, blieb ihm sein Gegeifer augenblicklich im Hals stecken. "Willkommen in der Caverna Nauticus, der Seegrotte von Gakoshida!", rief das Seepferd und schlug kraftvoll mit den Flossen, um in einem eleganten Bogen kopfüber in den Wassergraben hinein zu rauschen, sodass wir die submarine Universitätsstadt nun aus der Vogelperspektive in all ihrer Schönheit erblicken konnten. Die Universitätsgebäude, die mitten im Herzen dieser Grotte in einem weitläufigen Ring angelegt waren, glichen mehr gigantischen Luftblasen als Häusern, denn sie alle hatten die Form eines perfekten Globus. Kreisrunde Fenster, so groß wie ganze Stadtkapellen und allesamt aus bläulichem, sehr zart wirkenden Glas, waren ebenfalls in der Gestalt von aufsteigenden Blasen über die Außenwände der Universitäten verteilt, sodass sie mehr als zur Hälfte aus Glas als aus Stahl bestanden. Riesenhafte, gespenstisch anmutende Skulpturen aus milchfarbenem Marmor säumten den hell erleuchteten Platz in der Mitte dieses Rings- der sie alle untereinander zu verbinden schien wie eine hauchdünne, schimmernde Membran- und reckten zahllose, endlos lang wirkende weiße Arme weit in das Wasser hinein, sodass man den Eindruck bekam, dass ganze Lichtbahnen um diese weltfremden Fakultäten zu zirkulieren schienen. Auf dem Platz, an den Universitäten, über ihnen und um sie herum tummelten sich Meeresbewohner aller erdenklichen Gattungen und äußeren Erscheinungen. Und all dies war in die weichen Reflexionen eines seltsam blütenfarbenen Lichtes getaucht, das seine unirdischen Wellen in sanften Strahlen aushauchte, ein Licht, das von nirgends und von überall zu kommen schien, und einen in einen Zustand innigster Wärme lullte. Ich fühlte mich unbeschreiblich wohl und verspürte den eigenartigen Wunsch, mich zusammenzurollen wie ein Fötus im Leib seiner Mutter. "Hach! Verdammt, ich liebe diese Stadt!" "Was Sie nicht sagen." "Ich meine immer, was ich sage", erwiderte ich, "Sie werden sehen, die Vorlesung wird Ihnen ganz bestimmt gefallen!" Als mein Leibwächter schon wieder zu schimpfen anfing, beschloss ich ganz einfach, es auszublenden und mich dem warmen Schein dieses Lichts hinzugeben. Demonstrativ schmiegte ich mich enger an den Rücken des Seepferds, das bereits den Platz der Untersee-Skulpturen anstrebte, um zu seiner Universität zu gelangen. Wie lange ich schon nicht mehr hier gewesen war. Nun, das macht ja keinen Unterschied, konstatierte meine innere Stimme, Es hat sich nichts verändert, oder? Allein diese Feststellung genügte mir, um wieder diese Mischung aus Spannung und Unbehagen in mir auszulösen. Schweigend rollte ich mich zusammen und schloss die Augen. "Kuro-chii?" Keine Antwort. Die lavaroten Augen stierten hartnäckig in eine andere Richtung. "Kuro-pyohoooon..." Wieder keine Antwort. Mann, für diesen finsteren Blick hätte ein Folterknecht sicher Millionen gezahlt, falls ein Folterknecht denn soviel verdiente. "Kuurooo-muuuneee!!", quengelte ich und malträtierte die linke Schulter meines Leibwächters mit meinem Zeigefinger, "Jetzt hören Sie doch endlich auf, eingeschnappt zu sein!" "Ich bin nicht eingeschnappt", gab Kurogane sein stählernes Schweigen endlich auf, "Und wenn ich eingeschnappt wäre- was ich NICHT bin- dann hätten Sie sich's auf jeden Fall verdient, weil Sie mich jetzt schon zum -zigsten Mal zu irgendeinem Lumpenkrust schleppen, für den ich mich nicht die Bohne interessiere!! Was bringt es uns, jetzt hier in diesem verdammten Hörsaal abzuhängen?! Darum wäre ich eingeschnappt, was ich aber nachweislich nicht bin!" Ich blinzelte. "Ach so. Sagen Sie doch gleich, dass Sie eingeschnappt sind." "AAAARRRRRRGH!!!" Ich summte vergnügt vor mich hin und ignorierte tapfer den Fakt, dass wir von der guten Hälfte der bereits eingetroffenen Unterseestudenten angestarrt wurden wie zwei benutzte Blasenpflaster. Das Auditorium selbst war in einem mächtigen Ring angeordnet, der sich in stufenweisen Rängen nach oben erhob. In der Mitte des Saals stand das Podium für die Professoren. "Also, mir gefällt's hier", beharrte ich, während sich Kurogane mal wieder alles andere als beeindruckt zeigte. "Wieso können wir nicht einfach nach den Samen fragen und dann wieder verschwinden?" "Weeeeil submarine Vorlesungen erstens superinteressant sind, zweitens, weil es zur guten Sitte gehört, und drittens, weil alle Studenten, die Sie hier sehen, das Ziel haben, Arzt zu werden. Arzt ist Arzt, Kuro-pyon. Sie wollen in dieselbe Richtung arbeiten, wie wir es tun! Sie wollen helfen. Fürsorge zeigen. Heilen. Verstehen Sie?" Kurogane stieß einen Laut aus, der zwischen Ächzen und Knurren schwankte. "Ich werd das Gefühl nicht los, dass Sie alles, aber auch alles, zu etwas Heiligem machen wollen! Kann das sein?! Also, ich bemerke das schon seit ich für Sie arbeite, und--..." Er brach mitten in seiner Kanonade ab, offenbar hatte etwas auf der anderen Seite des Auditoriums seine Aufmerksamkeit erregt. Ich nutzte diese Sprechpause von seiner Seite, um mich gebührend zu verteidigen. "Wieso denn auch nicht?" Ich hielt jedoch bald inne, da Kurogane es offenbar wieder vorzuziehen schien, auf die andere Seite des Hörsaals zu starren. Verwirrt beobachtete ich, wie seine Mundwinkel nach einigen Sekunden Millimeter für Millimeter herabsackten, ebenso wie seine Augenbrauen, als hätten sie vor, sein Kinn zu heiraten. Ergebnis: ein Grabesblick der abartigsten Sorte. "Ähh, halloooh-... ?" "Klappe halten", zischte mein Leibwächter unerwartet scharf zurück, allerdings ohne sich umzudrehen, "Wir werden beobachtet." "Jepp, vom guten Dreiviertel des Hörsaals", bemerkte ich sachlich, "Schön, dass Sie's auch bemerkt haben." Entgegen meiner Erwartung kam keine bissige Bemerkung retour- im Gegenteil, Kurogane biss sich auf die Lippen und starrte auf den Boden. "Dort drüben." Ich reckte neugierig meinen Hals und blickte in die Richtung, in die er möglichst unauffällig mit dem Daumen zeigte. Nach kurzer Suche hatte ich die beiden Objekte, die meinen schwarzhaarigen Weggenossen so störten, bereits erfasst: es waren zwei Nixen. Eine von ihnen, die mir die Ältere zu sein schien, hatte hüftlanges, hell venusmuschelfarbenes Haar, das in sanften Wellen um ihren schönen Kopf wogte, während die Jüngere einen schulterlangen, dunkleren Schopf aufwies. Bis zu den Ansätzen der Taille hatten beide eindeutig menschliche Züge, während ihr Unterleib nahtlos in einen langen, schlanken Fischschweif überlief, der mit einem schillernden Schuppenkleid bedeckt und beinahe schleierhaft zarten Flossen geschmückt war. Das Auffälligste an diesen beiden Nixen war jedoch, dass sie uns eindeutig zu beobachten schienen, denn sie tuschelten und kicherten unübersehbar miteinander und schielten immer wieder verstohlen zu uns herüber, wie das Mädchen nun einmal taten. "Ja und? Wahrscheinlich unterhalten sie sich gerade darüber, wie gut wir beide doch aussehen! Das baut auf, mein Lieber!" Ich winkte ihnen spornstreichs neckisch zu, was von den beiden ebenso augenzwinkernd erwidert wurde. "Was zur Hölle tun Sie da?!!", fauchte mich Kurogane an, "Lassen Sie das!! Das sind Mädchen!!!" Schweigen. Ich spürte dass ich meinen Begleiter aus riesigen Augen ungläubig anglotzte. Was ging denn mit dem?? Da ich mit seiner Aussage nicht viel anfangen konnte, setzten sich meine Logik-Rädchen sofort in Gang. Okay Fye, also, denk logisch: Kurogane hatte gerade gesagt, dass diese Nixen Mädchen waren. Das war an sich gesehen schon mal ein korrekter Fakt, aber vom Tonfall her hätte der Satz ebenso gut Das sind zwei Haufen Schleim mit zehn Augen und dem Körpergeruch von verdorbener Tabasco-Soße lauten können. Daraus ergab sich, dass er den Satz absichtlich mit einer gewissen-... nun ja, Abneigung, gesprochen hatte. Und daraus ergab sich, dass er eine Abneigung gegen diese Mädchen zu hegen schien, obwohl er sie noch nicht einmal kannte, ein bei ihm nicht gerade seltenes Phänomen, wie ich bereits festgestellt hatte. Aber es kam noch ein Aspekt hinzu: er hatte- auf rein wörtlicher Ebene- gesagt 'Das sind Mädchen' und nicht 'Das sind die Mädchen' oder 'Das sind diese Mädchen', oder sogar 'Das sind schon wieder diese Mädchen.' Da er weder einen bestimmten Artikel noch ein Demonstrativpronomen vor dem Substantiv 'Mädchen' benutzt hatte, hatte er mit seiner Aussage nicht beabsichtigt, eine bestimmte Mädchengruppe zu spezifizieren. Das bedeutete, dass es sich bei dem Satz um eine Verallgemeinerung handelte. Und das wiederum bedeutete, dass er gegen Mädchen allgemein eine Abneigung hegte, obwohl er sie noch nicht einmal kannte. Und DAS konnte bedeuten, dass er--... dass er möglicherweise--... Ich starrte meinen Leibwächter nach all dieser Rechnerei ein wenig verdattert an. "Okay, war das ein Geständnis?" Dem Schwarzhaarigen fielen fast die Augen aus dem Kopf. "WAAAAAS?!! S-... soll das ein Witz sein?!!!" "Naja, ich meine, jeder hat doch seine gewissen sexuellen Neigun--" "HIER GEHT'S DOCH NICHT UM DIE SEXUELLEN NEIGUNGEN!!", explodierte Kurogane augenblicklich, "Ich hab keine sexuelle Neigungen!! Das sind süße Mädchen, verdammt nochmal!!" "Was haben Sie denn gegen süße Mädchen?", fragte ich, nun völlig überrumpelt. "Süße Mädchen sind lästig! Süße Mädchen halten niemals die Klappe! ICH HASSE SÜSSE MÄDCHEN!!" Das alles schrie er mir so leidenschaftlich ins Gesicht, dass meine Trommelfelle es schwer hatten, nicht einfach zu zerplatzen. Ich fuchtelte wie wild mit den Händen, um meinen aufgebrachten Leibwächter halbwegs zu beruhigen. "Najaaa, ich dachte ja bloß, dass Sie möglicherweise schw--..." "Sprechen Sie dieses Wort nicht aus!!" "Schon gut, schon guuuuuuuuut...." Ich rieb mir stöhnend meine schmerzenden Ohren und pries den Herrn, dass es in Gakoshida keine Irrenanstalt gab, in die man uns hätte einweisen können. Also, entweder war meine Rechnung nicht aufgegangen, oder Kurogane wollte ganz einfach nicht zugeben, dass-... ich hielt in meinen wilden Überlegungen inne, als ich bemerkte, dass sich die beiden Nixendamen über unseren venären Disput anscheinend köstlich amüsiert hatten und nun beabsichtigten, zu unseren Plätzen zu gelangen. Kurogane wurde starr wie ein Brett, während ich kichern musste und den hübschen Ladies den erhobenen Daumen zeigte. Die Nixe mit den langen, venusmuschelfarbenen Haaren lächelte kokett, als sie bei uns waren. "Hallo, Jungs!" Okay, Fye. Okay. Sei nonchalant wie das periphere Hirnzentrum. Sei cool wie eine tote Niere. Sei ein Gentleman. "Guten Tag, meine Damen!", trällerte ich wohlgemut und zauberte mein bestes Frank Sinatra -Lächeln hervor, während Kurogane den Blick senkte und den Fußboden anstarrte, als bestünde er aus Platin. "Ihr zwei kommt von oben, stimmt's... ?", meldete sich diesmal die augenscheinlich Jüngere zu Wort, "Wir hatten vor einem halben Jahr zum letzten Mal Besuch von oben und wollten unseren Ehrengästen nur mal eben guten Tag sagen!" "Ja wirklich? Na, dann bedanken wir uns für die Begrüßung!", sagte ich fröhlich, "Und was eure Aussage angeht, so kann ich die nur bestätigen! Dann nehm ich mal ganz spontan an, dass ihr von unten kommt?" Die zwei kicherten. "Stimmt allerdings! Mit wem haben wir die Ehre?" "Was mich angeht: Fye de Flourite", stellte ich mich galant vor, "Auftragsarzt von Beruf. Und das ist mein Reisebegleiter und Bodyguard Kurogane Koimihari." "Mein Name ist Océane", erklärte mir die Ältere der beiden Unterwasserdamen, "Und das ist meine kleine Schwester Marina. Wir sind mit unserem Cousin Neferti zum Frühlingssemester nach Gakoshida gekommen, aber er studiert maritime Botanik und besucht nicht dieselbe Uni wie wir. Wir trimmen uns hier auf Chirurgen mit pathologischem Nebenzweig auf ozeanischer Ebene. Was führt euch Jungs hierher?" "Wir wollten die submarinen Fakultäten von Gakoshida besichtigen und bei der Gelegenheit auch ein paar Schösslinge für Unterwasserpflanzen besorgen, oben ist man da gerade knapp am Mann." "Wow! Sie sind echt Auftragsarzt? Wann war Ihre letzte Mission?" "Vor ein paar Tagen, in Kosumoni. Um was geht's in der nächsten Vorlesung?" "Anatomielehren von Kopffüßlern des Kaiyonobannan", eröffnete mir die jüngere Nixe namens Marina. So wie sie es sagte, musste es wohl besonders sexy sein, an einer Vorlesung über die Anatomie von Kopffüßlern teilzunehmen. Ich bemerkte, dass sich die beiden während unseres Smalltalks bereits auf den Plätzen neben Kurogane und mir niedergelassen hatte- Marina zu meiner Linken, Océane zu Kuroganes Rechten, was diesen nicht gnädiger zu stimmen schien. Im Gegenteil, er starrte so hartnäckig Löcher ins Wasser, als hätte er vor, irgendeinen Rekord zu brechen. Den würde ich nicht zum Reden bringen, selbst wenn ich mich auf den Kopf stellen würde, und die zwei Fischfräuleins schienen das auch schnell zu erkennen, denn sie sahen ihn nur kurz aus großen, verwundert blinzelnden Augen an, bevor sie sich wieder mir zuwandten. "Wenn ihr submarine Pflanzen sucht, können wir euch sicher helfen!", schlug Océane vor, "Unser Cousin studiert in dem Zweig und hat da einige gute Kontakte, um euch kostenlos Samen zu beschaffen. Vermutlich für Heilpflanzen, nicht...?" "Ja, wir wollen einige exotischere Heilgenossen in den Gärten der Argundus-Universität züchten, weil man in der freien Wildbahn nur sehr schwer an sie herankommt!", erklärte ich beflissen, "Während unserer letzten Aufträge hatten wir ziemliches Glück, die notwendigen Pflanzen anzutreffen, und damit es da keine bösen Überraschungen gibt, haben wir uns dafür entschieden." "Eine gute Entscheidung!", erwärmte sich Marina neben mir, "Sie scheinen mir sehr erfahren zu sein, Doktor!" "Ich mach es seit ungefähr dreieinhalb Jahren, also noch nicht allzu lange", erwiderte ich bescheiden. "Aaaaaaach, Sie müssen doch nicht so damit hinterm Berg halten!", kicherte Océane, "Wir lieben solche Geschichten, stimmt's, Mari-chan?" "Na klar, Océ-chan! Unser Hauptziel ist es nämlich auch, so etwas wie wandernde Chirurginnen zu werden! Die totale Freiheit, keine Regeln, die man befolgen muss..." "Naja, an einige Schemata muss man sich schon halten", beschwichtigte ich die lebhafte Nixe zu meiner Linken. "Aber an nicht so viele wie als logierender Arzt, nicht? Sie müssen uns unbedingt mehr erzählen!" "Nun--..." Ich hielt in meinem verlegenen Satzanfang inne, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, dass der Professor den Hörsaal betrat. Es war ein stattlicher Kabeljau mit einem langen Kinnbart und weißen, vorgestülpten Kusslippen. "Das ist Professor Bodo", erklärte Océane flüsternd, "Dann wird's jetzt wohl losgehen! Reden wir nach der Sitzung weiter?" "Ahm-... gern!", erwiderte ich fröhlich und konnte förmlich spüren, wie mir Kurogane im Geiste den Hals umdrehte. Ich zog es vor, das Frank Sinatra -Lächeln auf meinem Gesicht kleben zu lassen und meine Aufmerksamkeit Professor Bodo zu widmen, der gerade seine Unterlagen ordnete, während sich die letzten Studenten hastig auf ihre Plätze begaben. Die beiden Damen an unserer Seite nahmen ebenfalls ihre Utensilien hervor. Ich musste unwillkürlich grinsen. Zwei Menschen- einer davon offensichtlich ein eingefleischter Frauenhasser- und zwei Nixen- beide davon offensichtlich vollends von unserer Erscheinung begeistert. Das konnte ja mal was werden. Ich hatte es doch geahnt. Dabei hatte ich ihm doch schon gesagt, dass ich einfach nur diese dämlichen Pflanzensamen holen und dann wieder verschwinden wollte. Aber nein – er schleifte mich zu einer Vorlesung, von der ich nicht mal wusste, über was es gehen sollte und mich obendrein nicht das Geringste interessierte, und dann fing er auch noch an, sich mit Mädchen zu verabreden. Nicht, dass ich etwas dagegen hatte, dass er sich mit ihnen verabredete, da wäre ich ihn zumindest für eine Weile los. Mir ging es allerdings gewaltig gegen den Strich, dass er mich garantiert mitschleifen würde. Dafür könnte ich ihm den Kopf abreißen! Das hatte er wohl auch gemerkt, denn er sah zu dem Fisch-Professor, der eben herein geschwommen gekommen war, seinen Kram hervorsuchte und auf dem Tisch vor sich sorgfältig ausbreitete. Auch die Aufmerksamkeit der beiden Nixen richtete sich auf den Dozenten. Ich hoffte, dass dies eine - zumindest für die anderen – äußerst spannende Vorlesung war. Denn dann kamen sie hoffentlich nicht auf die Idee, mich zwischendurch anzusprechen. Denn ich war mir sicher, dass meine Reaktionen darauf dann nicht sehr höflich wären. Ich hatte nichts gegen die zwei Nixen persönlich. Allerdings hatte ich so einige Erfahrungen gemacht, weshalb ich ein wenig gereizt auf weibliche Personen reagierte. Aber das hieß noch lange nicht, dass ich deshalb auf Männer stand... Vielleicht hätte ich nicht so herumbrüllen sollen, denn hin und wieder spürte ich einige Blick in meinem Nacken, wohl von anderen Studenten, die alles zweifelsohne mitbekommen hatte. Ich tat einfach so, als würde ich es nicht bemerken. Und das fiel mir nicht sonderlich schwer – mich interessierte es schon etwas länger nicht mehr, was andere vielleicht über mich dachten. Die meisten trauten es sich sowieso nicht, es mir offen ins Gesicht zu sagen, und wenn sie es taten, dann konnte ich es ja richtig stellen. Die meisten sahen das auch ein – nun zumindest bisher war das immer so gewesen. Bei Fye klappte das so gut wie nie. Die Tatsache, dass ich hier unten war, bestätigte das. Er schien sowieso nur das zu hören, was er wollte und den Rest so zu drehen, wie es ihm gerade in den Kram passte. Auf dem Weg hierher – einmal durch die halbe Unterwasserstadt und in eine völlig andere Richtung, als die, die wir eigentlich hätten einschlagen sollen– hatte er mir erklärt, dass wir noch einen 'kleinen' Abstecher in diese Universität machen würden. Einen Grund hatte er mir dafür nicht genannt. Ich hatte mich zwar aufgeregt, aber das hatte ihn auch nicht von der Idee abgebracht – wie immer also. Ich allerdings hatte festgestellt, dass es nicht so gut war, sich unter Wasser aufzuregen... Lag wahrscheinlich an dem Druck hier unten und an dem Atemgerät. Der Fisch-Professor fing mit seinem Vortrag an. Anscheinend ging es um Anatomie und Chirurgie – na super, wollte er demnächst einen Fisch operieren? Oder war er etwa hier, um Mädchen aufzureißen... ? Er schien sich hier unten ja auch bestens auszukennen. Ich weniger, ich war früher nur ein paar Mal hier in Gakoshida gewesen, um – "Kommen Sie dann auch mit... ?", riss mich eine glockenhelle Kicherstimme von rechts aus den Gedanken. Bevor ich antworten konnte, klopfte mein Begleiter mir breit grinsend auf die Schulter. "Aber sicher kommt er mit!", verkündete er. "WAS? Das entscheide immer noch ich, ob ich irgendwo hin mitkomme!", fauchte ich ihn an, "Wohin überhaupt?" "Pschhht!", machte er, "Nicht ganz so laut, ja? Ausgehen, natürlich! Einen drauf machen, sich die Gegend ansehen, abhängen!" "Warum?" Leicht fassungslos sah ich ihn an. Wir waren doch nicht hergekommen, um uns zu amüsieren. Anscheinend hatte er das irgendwie verdrängt – und da er sich über sowieso alles amüsieren konnte, schien ihm das noch leichter gefallen zu sein. "Warum? Sie stellen vielleicht Fragen! Die beiden hübschen Damen hier haben gefragt." "So?", machte ich desinteressiert. "Ja!", kam es mit überschwänglicher Begeisterung zurück, dass ich unwillkürlich ein wenig zurückwich. "Ach, bitte! Sie müssen mitkommen!", flötete die Nixe von rechts. "Ich muss gar nichts...", murrte ich. Ich sah wieder zu Fye. "Außerdem – wir sind pleite, das können wir uns gar nicht leisten!" "Aber die beiden haben uns eingeladen!", ereiferte er sich und beide Nixen nickten ebenso enthusiastisch dazu. "Damen lässt man aber nicht zahlen", blaffte ich zurück – und Fye sah mich an, als hätte ich mich plötzlich in Gold verwandelt und die beiden Nixen schienen plötzlich sehr angetan zu sein. "Was haben Sie mit dem echten Kurogane gemacht?", fragte Fye und starrte mich durchdringend an. Ich hob bloß eine Augenbraue und seufzte genervt. "Sie sind ja ein richtiger Gentleman! Wieso haben sie das nicht gesagt?" "Weil Sie nicht gefragt haben, und zweitens, das ist ja wohl meine Sache!" Er sah mich beleidigt an. "Ja, wie soll ich denn bitte auf die Idee kommen, Sie zu fragen, ob Sie nicht vielleicht doch ein paar Manieren haben? Das wäre ziemlich unhöflich! Außerdem – nach Ihrem Auftreten hab ich die gar nicht mehr erwartet!" Ich funkelte ihn sauer an, während die beiden Nixen leise zu kichern anfingen. "Ich bin eben für Überraschungen gut", grollte ich. "Oh, ja! Allerdings." Jetzt grinste er und fing an, mich wieder mit seinem Finger in den Oberarm zu pieken. "Ich hoffe ja mal, dass es noch viel mehr solch positiver Überraschungen gibt!" "Wenn Sie nicht damit aufhören, werden Sie keine weiteren Überraschungen mehr erleben!", knurrte ich und er zog seinen Finger wieder zurück. "Kommen Sie denn mit?", wollte er dann wissen. "Habe ich eine andere Wahl?", fragte ich zurück. "Schön! Dann gehen wir wohl alle zu viert aus! Das wird sicher lustig!", freute er sich. "Wir sind zu fünft", warf eine der Nixen ein – die neben Fye saß. Die rechts neben mir nickte. "Unser Cousin Nerferti kommt wohl auch mit, er kann es nie bleiben lassen, den Anstandswauwau zu spielen“, sagte sie, "Dann könnt ihr euch gleich mit ihm über die Pflanzensamen unterhalten!" "Das wäre wirklich gut! Sagt mal, wo kann man sich denn so amüsieren?", fragte Fye und schon waren er und die drei Nixen in eine angeregte Diskussion vertieft. Ich hörte nur halb hin. Wollten die beiden Mädchen nicht eigentlich nach der Vorlesung darüber reden? Doch anscheinend fanden sie es interessanter, sich mit Fye über die Locations auszutauschen. Was ich nachvollziehen konnte – der Vortrag des Fischprofessors war sehr langweilig. "Also", flüsterte die Nixe namens Océane aufgeregt, "Hier in Gakoshida gibts' eine wirklich angesagte Multikulti-Bar! Wenn man dort nicht gewesen ist, kann man nicht von sich behaupten, Gakoshidas Nightlife zu kennen!" "Na, dann ist diese Adresse ja quasi ein Muss für uns!", erwärmte sich Fye augenblicklich, "Wo ist die?" "In der Innenstadt- das 'Billy Bluefish' ", erklärte Marina. "Alles klar! Billy Bluefish!" Ich runzelte skeptisch die Stirn. Billy Bluefish? Ich hoffte ja, dass der Name nicht alles über diese Bar aussagte, was es auszusagen gab... "Billy Bluefiiiiiiiiiish!", jubelte ich übermütig und warf beide Arme in die Luft, "Jaahaaa!! Wir machen einen drauf!! Wir müssen unbedingt einen Tanzwettbewerb antreten! Und wir trinken, dass die Schwarte kracht!" Halb erwartete ich schon eine gesalzene Schimpfkanonade von meinem schwarzhaarigen Kompagnon- da kam jedoch nichts. Im Gegenteil, er war den ganzen restlichen Nachmittag über- in dem wir die Pflanzensamen von Océanes und Marinas Cousin Neferti abgeholt, unsere Beete gejätet, zur Hälfte bepflanzt und noch zwei weitere Vorträge Per Corpore gehalten hatten- immer stiller und stiller geworden. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, welcher jedoch nicht erwidert wurde- ich sah ratlos zu unseren drei submarinen Weggefährten, welche in einer hell pulsierenden Plexiglasröhre zu unserer Linken neben uns herschwammen, angesichts von Kuroganes Zustand jedoch auch nur die Achseln zucken konnten. "Hey-... Kuro-mune!", versuchte ich es nochmal, "Kommen Sie schon, seien Sie doch keine solche Spaßbremse! Sie tun ja direkt, als wären Sie der eingefleischteste Diskotheken-Hasser, den die Welt je gesehen hat!" "Bin ich auch", lautete die unvermutete und offen gestanden ziemlich trockene Antwort meines Leibwächters, die noch von einem feuergefährlichen Blick untermalt wurde, sodass ich es vorzog, keine weiteren Fragen zu stellen. Mann, der Kerl konnte einem echt den ganzen Abend vermiesen. Was ihm wohl jetzt schon wieder für eine Laus über die Leber gelaufen war? Offenbar würde ich mich eher in eine Rispentomate verwandeln, als das herauszufinden. "Wart ihr schon mal im Billy Bluefish?", wandte ich mich daher an Neferti, der schon vor Beginn des Abends zu uns gestoßen war. Er war ein junger, ein wenig schmächtig wirkender Meermann mit kurzen, rotbarschfarbenen Haaren und einer schweren Hornbrille auf der Himmelfahrtsnase, der im Moment ob dem angeregten Zustand seiner Kusinen ein wenig skeptisch wirkte. "Natürlich waren wir, aber gegen meinen Willen, was auch sonst?", äußerte er sich, sodass Océane und Marina kicherten, "Du glaubst ja gar nicht, mit was für Ballast ich hier gesegnet bin!" "Nefeertiiiiii-chan!", flötete Océane, "Komm schooooon!" "Er ist eine männliche Dancing Queen", erklärte Marina beflissen, sodass ihr Cousin karmesinrot anlief, was gut zu seiner Frisur passte, "Er will es eben nur nie zugeben!" "Oh, das kenn ich", kicherte ich amüsiert, "Aber ich meine, wir sind doch bestrafenswert rationale Leute... ein Botaniker, zwei Chirurginnen, ein Auftragsarzt und ein Leibwächter! Wenn das mal nicht nach einem zellularbiologischen Disput riecht!" Kurogane stöhnte. Marina lachte. "Stimmt! Wahrscheinlich kommen wir da nicht einmal zum Tanzen!" "Du musst uns ohnehin noch von deinen Aufträgen erzählen, Fye-san!", erwärmte sich Océane, "Wir sind doch so neugierig!" "Eins nach dem anderen!", entschied Neferti, der sich offenbar durch seine lieben Kusinen gezwungen sah, zu einem Anstandswauwau extraordinärer Klasse heranzureifen, "Dort vorne ist schon das Billy Bluefish!" "Eeeecht? Jaaaaaaa!!", jubelte ich übermütig und riss beide Arme in die Luft, wobei ich Kuroganes Kinn nur um weniges verfehlte, "Dort vorne! Dort vorne, Kuro-wan, sehen Sie nur!" Man konnte das Billy Bluefish getrost zu einer der besseren Diskotheken von Gakoshida zählen, dazu bedurfte es keiner langen Beobachtung. Der ganze Club war in unterwasserhafter Manier in einer gewaltigen Kuppel angelegt, die zum Teil aus mächtigen, pulsierend blau beleuchteten Aquarien bestand, in denen unzählige Meereskreaturen umeinander herwimmelten und sich zu den dröhnenden elektronischen Rhytmen bewegten, die das ganze Gebäude in seinen Grundmauern erzittern ließen. Auf halber Höhe zog sich eine ein verglaster Streifen um die globusförmige Disko, um einen Einblick in ihr rege belebtes Inneres zu gewähren, und von ihrer verglasten Oberfläche wanden sich Röhren für die submarinen Besucher in alle Himmelsrichtungen davon, was ihr ein bizarres, aber auch sehr anziehendes Äußeres verlieh. Die ganze Disko schien mitsamt der Umgebung in gleißend blauem Licht nahezu zu schwimmen. Es floss, flackerte und pulsierte mit dem Takt der Musik, sodass es fast den Anschein bekam, als ströme ein Herzschlag oder rhytmische Atmung durch ein gewaltiges, lebendiges Wesen, das mit den Fingern nicht zu greifen war. "Wooow, ist das coooool!", entzückte ich mich, während wir uns dem Eingangsportal näherten und das Innere des Clubs betraten. Der Rhytmus ging rasend schnell. Ein stechendes Flackern schwebte über der Tanzfläche, in dem alle Bewegungen, egal ob von Lungen- oder Kiemenatmern, zu einem einzigen Strudel verschmolzen, der einen gnadenlos anzog und verschlingen wollte. Es war mehr als chaotisch. Es überschwemmte mich regelrecht. "Weiter hinten stehen Tische! Wir sollten uns einen Platz besorgen, wenn wir nicht die ganze Nacht stehen wollen!", überbrüllte Neferti die donnernden Lautsprecher, während sich Océane und Marina bereits aufgeregt in schnellen Schwimmbewegungen die Röhre hinaufwanden, um zur Tanzfläche zu gelangen. "Gute Idee!!", brüllte ich zurück, bevor ich meinen Kompagnon am Handgelenk packte, "Kommen Sie schon, Kuro-pyon!!" Mein Leibwächter sträubte sich, jedoch nicht so vehement, wie ich das sonst von ihm gewöhnt war. Ich drehte mich verwundert um, sah ihn an und spürte seine Irritation, das Flackern in seinen Augen. Das wilde, blaue Licht geisterte über die markanten Züge seiner Gestalt und ließ sie mir regelrecht ins Gesicht springen. "Ich hasse das", sagte er tonlos, mit einer Stimme, die kaum mehr war ein Murmeln, aber gleichzeitig den Lärm und das Dröhnen der Lautsprecher mühelos durchschnitt, "Es ist wie eine Gehirnwäsche." Mein Herz machte einen Satz, und ich fühlte, wie sich meine Augen weiteten. Was-... "Hey, wo bleibt ihr Jungs denn?", unterbrach uns Océanes erwartungsvolle Stimme, die sich unerwartet wieder in die Röhre neben uns begeben hatte, "Neferti-chan hat einen Tisch ergattert! Er ist da hinten! Wollen wir hin, oder wollen wir erst tanzen?" "Haaaaach", erwiderte ich fröhlich und zauberte in Sekundenschnelle mein bewährtes Partytime -Lächeln aufs Gesicht, "Tanzen wir uns doch ganz einfach einen Weg zum Tisch!" Für mich stellte das kein Problem dar, im Moment lief Steam Machine, ein Lied, zu dem ich noch als Student getanzt hatte, aber ob der schwarzhaarige Diskomuffel hinter mir schon davon gehört hatte, da hegte ich gewisse Zweifel. Vorsichtshalber beschränkte ich mich darauf, nur mit einem Bein und einem Arm zu tanzen, während ich mit dem anderen Kurogane hinter mir herschleifte, sorgfältig darauf bedacht, dass er mir nicht entkommen konnte. Das irisierende, chaotische Innenleben dieser Bar schien ihn allerdings mittlerweile völlig gelähmt zu haben, sodass er mir widerspruchslos folgte. Auf seinem Gesicht prangte ein Ausdruck, den wohl nur ein Urwaldmensch haben konnte, den man aus dem Urwald geholt und mitten in einer Großstadt abgesetzt hatte. Entschlossen schob ich die Fragen beiseite, die mich überkommen wollten, und schaffte es, Océane durch die Bar Richtung der Tische zu folgen, an dem bereits Marina und Neferti auf uns warteten. Hier hinten konnte man sich wenigstens unterhalten, ohne dabei den Kehlkopf unnötig missbrauchen zu müssen. Der Tisch war zur Hälfte verglast und unter Wasser gesetzt, und der ältere Cousin unserer beiden submarinen Begleiterinnen hatte auch schon an die Drinks gedacht. "Sind Meermenschen immer solch ein Organisationstalent?", erkundigte ich mich fröhlich, während ich mich auf die trockene Seite des Tisches fallenließ. "Sagen wir, das Leben im Kaiyonobannan trimmt den Charakter", erklärte Neferti, "Das Meer birgt immer noch einige Lebensformen, die man besser nicht auf ein Tässchen Tee einladen sollte, von Fressfeinden mal ganz abgesehen. Und dann gibt's natürlich noch diesen populären Irrglauben, dass Nixeneingeweide unsterblich machen..." "Er gibt übrigens immer so an", setzte Marina nach, sodass der junge Meermann entnervt aufächzte und ich kicherte. "Aus welcher Gegend des Kaiyonobannan kommt ihr genau?" "Isola Arcobalena", sagte Océane, "Wir sind dorthin gezogen, als unsere Eltern vor einigen Jahren gestorben sind, und wohnen jetzt bei einer Familie von Medusenfischen. Und ihr beiden?" "Uranoke Sho", erwiderte Kurogane so einsilbig wie üblich, während ich nur lächeln konnte. "Ich bin überall zu Hause. Für mich ist zuhause immer dort, wo ich gerade bin. Ich hatte wohl Glück, dass ich in einem Haus großgeworden bin, in dem Gattung oder Herkunft keine Rolle gespielt haben." "Das erleichtert dir deine Arbeit als Auftragsarzt sicher sehr!", erwärmte sich Marina. "Es bereichert sie sogar", sagte ich fröhlich und nippte ein wenig an meinem Drink, "Warum habt ihr euch für eure Studienfächer entschieden?" "Sie gehen in eine Disko, um zu debattieren?", hörte ich meinen Leibwächter neben mir knurren, der offenbar Teile seiner Fassung bereits wieder gefunden hatte. "Ich weiß genau, was du meinst!", meinte Océane beschwichtigend, "Wir sollten so langsam mal tanzen gehen!" "Das hab ich nicht gemeint", fauchte Kurogane respektlos zurück. "Aber Kuro-chuu!", sagte ich ganz erstaunt, "Sag bloß, Sie können nicht tanzen!" "Natürlich kann ich! Das kann doch jeder!" "Aber?" "Aber ich steh eben mehr auf Gesellschaftstänze als auf diesen Diskoscheiß", blaffte er mich an. "Aber es läuft gerade Steam Machine! Dazu MUSS man tanzen können!" "Wenn Sie mich noch weiter nerven, hat es sich gleich für immer ausgestiimäschiint!" "Ahahahah-... wir müssen ja nicht zwingend-...", warf Neferti von hinten ein, dem das Tanzen ebensowenig zu liegen schien, "Ich meine, dort draußen tanzt doch sowieso jeder für sich, und-..." "Man tanzt für sich?", fragte ich ganz erstaunt, "Das wusste ich gar nicht! Ich dachte immer, man tanzt gemeinsam!" "Man tanzt für sich, genauso wie man für sich studiert", meinte Neferti achselzuckend, "Man macht doch vieles für sich!" "Das mag ja alles sein", erklärte ich überschwenglich und stieß meinen Trinkhalm entschlossen in die Luft wie ein Kapellmeister seinen Taktstock, "Aber es gibt da ein Prinzip, das ich schon seit meinem achten Lebensjahr beobachten konnte, und das immer wieder kennzeichnend für das war, was ich geleistet habe: nämlich das Prinzip des Pluralismus!" "Inwiefern?", fragte Neferti mit gehobenen Brauen, während Kurogane nur mit einem nervenschwachen Ächzen zur Seite blickte, "Der Begriff allein sagt mir nur 'Mehrzahligkeit'." "Genau das ist ja eben: Mehrzahligkeit!", trumpfte ich auf, "Als Arzt beschäftigt man sich vornehmlich mit zwei Dingen: erstens mit der Gesundheit- und zweitens mit der Zukunft der Gesundheit. Zukunft und Fortschritt ist in der Medizin schon immer ein zentrales Thema gewesen, und wird es auch immer bleiben. Denn was wünscht man sich als Arzt mehr, als ein Heilmittel gegen jede Krankheit zu finden?" "Ist es denn dein Wunsch?", erkundigte sich Océane und legte ihre Hände gegen das Glas des Tischaquariums. Ich lächelte ein wenig. "Es klingt vielleicht ein bisschen lächerlich, aber... ich hatte mir damals geschworen, alle Krankheiten auf dieser Welt zu bekämpfen. Ich hatte es mir selbst zum Ziel gesetzt, und das nicht nur für mich." Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Kurogane den Blick hob und mich misstrauisch anstarrte, bevor ich fortfuhr. "Aber mit der Zeit hab ich bemerkt, dass ich es allein nicht schaffe, egal, wie sehr ich mich auch anstrenge. Jedes Wesen glaubt, es lebt für sich allein, aber das stimmt nun einmal nicht", sagte ich und sah mit einem Lächeln in die Runde, "Wir sind durch nichts voneinander getrennt, und jede unserer Taten kann auf den anderen zurückwirken. Und genauso verhält es sich auch mit der Zukunft: der sicherste Weg dorthin führt zusammen. Nach allem, was ich während meiner Amtszeit bereits erlebt habe, ist das für mich bisher die wertvollste Erkenntnis gewesen. Es ist Blödsinn, Geschichten von Helden zu schreiben, die ihre Heldentaten ohne jegliche Unterstützung auf ganz eigene Faust vollbracht haben. Man braucht einander, und ohne einander kann es nicht zu solchen Heldentaten kommen." "Das stimmt!", sagte Marina erstaunt, "Jetzt, wo du's so sagst! Denken wir mal an-... Batman! Batman hat Robin als Gefährten!" "Super-Pig hat Super-Cow." "Holmes hat Watson..." "Und Dick hat Doof." "Ernie hat Bert!" "... Und ihr habt einander", schloss Océane und sah uns mit schiefgelegtem Kopf an. Ich blinzelte ein wenig überfragt zurück, während mein Leibwächter wie so oft nur etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart hineinbrummelte. "Oh Mann!", unterbrach Marina das zugegebenermaßen doch etwas peinliche Schweigen, "Jetzt haben wir über unserer ganzen Philosophiererei das Tanzen vergessen!" "Stimmt!", ereiferte ich mich sofort, "Das müssen wir nachholen!" "Kein Interesse", kam es sofort unisono von Neferti und Kurogane retour, sodass ich lachen musste. "Aber was machen wir dann, wenn wir schon mal nicht tanzen?" Ich ließ meinen Blick ein wenig schweifen, bevor sich mir das bot, was ich gesucht hatte- das Drinkglas. Unwillkürlich breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. "Also, mein Vorschlag lautet: wenn wir schon mal nicht um die Wette tanzen... dann können wir doch um die Wette trinken!" Mein Leibwächter stutzte und sah mich skeptisch von der Seite an- ich konnte jedoch nur breit zurückgrinsen. Würde vielleicht doch ein ganz lustiger Abend werden. 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