Globetrotter von -Soul_Diver- (Wir brauchen keine Chemie, keinen Kompass, keinen Reiseführer, keine Landkarte... und kein Viagra!) ================================================================================ Kapitel 16: Interlunium - 1 --------------------------- „… Voraussichtlich wolkenlos, abgesehen von leichten Schauern, die Temperaturen im Landesinneren betragen etwa zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Grad im Schatten. Oh ja, meine lieben Hörer und Hörerinnen, der Mai steht eindeutig vor der Tür, und mit ihm ein langer, brutzelnd heißer Sommer! Die heutige Empfehlung unseres Wettermannes Yoshi-Yoshi lautet: packen Sie Ihre Badehosen und Grillkost aus! Soviel zum Wetter über unserem schönen Kongoseki Oka für heute und die kommende Woche, und bevor es mit ‚Delikatessen und Köstlichkeiten rund um den Erdball – leicht gemacht‘ weitergeht, liefert Ihnen unser Wunschmusik-Guru noch eine saftige Nascherei für das Gehör! Kegawa Hyo und Makura Tora mit ihrem neuesten Diskoknaller, der selbst Sonnenschrecken das Tanzflächenfieber hinter die Fühler brennen würde: ‚Popcorn for my Sugarbabe‘! Viel Spaß beim Gr-…“ „NEIN!!“ Mit einem Schlag, der Kermit bis in sein innerstes Ureisen erbeben ließ, hieb Kurogane auf den ‚Aus‘-Knopf des Autoradios. „Heeeee!“, protestierte ich augenblicklich und riss empört beide Hände in die Luft, als sähe ich mich auf abrupte Weise von einem maskierten Bankräuber bedroht, „Das ist mein absolutes Lieblingslied! Sie sind gemein, Kuro-wanko!“ Mein Leibwächter hatte für meine aufrichtige Enttäuschung nichts weiter als ein abfälliges Brummen und einen scheelen Seitenblick übrig. „Sie wollen mir dieses Disko-Gejaule ernstlich als ‚Lied‘ verkaufen?“ „Ich will es Ihnen nicht verkaufen, ich will es mir anhören!“, maunzte ich beleidigt und unternahm eine Reihe heroischer Versuche, mit einem Finger wieder an den ‚Ein‘-Knopf heranzukommen, doch der Schwarzhaarige scheuchte meine Hand gnadenlos beiseite wie einen lästigen Mückenschwarm. „Pfoten weg. Meine Nerven haben schon genug damit zu tun, Ihr Gerede zu verarbeiten.“ Diese furchtbare Aussage reichte aus, um mich auf das Infernalischste zu verletzen. „Also-…!! Also, das ist ja-… !!“, japste ich, „Asche auf Ihr Haupt, Kuro-mune! Becherweise Asche! Ach, was rede ich da – kübelweise! Nerven, wenn Sie in Ihrer unsäglichen Aussage den Axonhügel und das Axon per se gemeint haben, verarbeiten nicht! Sie leiten lediglich Reize der Sinnesorgane in Form von elektrischen Impulsen weiter, kapiert? Die Erfolgsorgane wie zum Beispiel Muskeln oder Gehirn sind es, die etwas verarbeiten! Großer Phyton, um ein Haar hätten Sie mir die Socken ausgezogen!“ „Es geht auch ohne“, entgegnete mein ungehobelter Reisebegleiter nur knapp und lenkte Kermit um eine weitere langgezogene, schlangenartige Kurve, „Hauptsache, das Radio bleibt aus.“ Kaum zu glauben. Jetzt befanden wir uns schon seit knapp sieben Uhr morgens – also seit bereits guten neun Stunden – an der Küste von Balkjebeeke entlang auf dem Rückweg, hatten vor etwa vier Stunden die Grenzen Kongoseki Okas passiert und würden vermutlich in Kürze ankommen, und ich hatte schon beinahe – man glaubte es kaum! – angefangen zu denken, mein notorisch missgestimmter Bodyguard würde sich momentan in einer Art Stimmungshoch befinden, und dann sowas. „Also schön“, entgegnete ich daher achselzuckend, „Wenn das Radio ausbleibt, müssen wir uns eben miteinander unterhalten.“ Mein Leibwächter glotzte mich von der Seite an, als wäre mir soeben ein zweiter Gluteus Maximus aus der Stirn gewachsen. Fast schien es, als wüsste er nicht, was seines Erachtens nach die größere Nervenplage darstellte – das Radio oder ich. „… Unterhalten? Was Besseres fällt Ihnen nicht ein?“ „Naja, wissen Sie, zu einer Zeit als es noch keine Radios gab, mussten die Leute eben miteinander reden, um sich die Zeit zu vertreiben.“ Der Schwarzkopf ächzte unwillig. „Schon gut, schon gut. Worüber unterhalten wir uns?“ Triumphierend ließ ich meinen Zeigefinger in die Luft schnellen. „Das ist eine treffliche Frage! Und wissen Sie was, ich hätte da sogar schon etwas! Ich habe nämlich nachgedacht.“ Ein skeptisches Stirnrunzeln. „Ahah. Und worüber? Wer die Eulen mit dem Vampirgift infiziert haben könnte?“ „Nein.“ „Worin wir unser verdientes Gehalt investieren?“ „Fehlanzeige.“ „Also über nichts Wichtiges?“ Ich rieb mir voller Vorfreude die Hände. „Haach, Kuro-myu, Sie kleiner Materialist! Natürlich ist es etwas Wichtiges, etwas Brandwichtiges sogar! Und ich bin sogar äußerst präzise an diese Sache rangegangen – eben weil es so wichtig ist! Ich habe meine Reflexionen zunächst mit einer chronologischen Analyse streng nach dem Zeitenstrahl begonnen. Die sich daraus ergebenden Argumente habe ich sorgfältig gefiltert und sie entweder für Pro oder Kontra selektiert – und nachdem diese Selektion beendet war, habe ich die selektierten Objekte in einer strukturell korrekten Erörterung gegeneinander abgewogen. Und schon war es mir wie auf einen Schlag klar! Ich finde, naja-…“ Ich ließ die Hände sinken und sah ihn fragend von der Seite an. „… Also ich finde, wir sollten ‚Du‘ zueinander sagen.“ Stille. Statt einer Antwort stierte mich der Schwarzhaarige nur an, als hätte ich ihm einen feuchten Tonklumpen gegen den Kopf geworfen, vom Gesichtsausdruck ganz zu schweigen. „… WIE bitte?!“, bellte er plötzlich ohne Vorwarnung drauflos, „Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich noch ganz dicht, was glauben Sie eigentlich, wo Sie leben?! Im Land der Zuckerherzen etwa?!“ Ein wenig eingeschüchtert von dieser jähen Brüllattacke zog ich es vor, meinen Blick rasch aus dem Autofenster hinaus aufs Meer zu lenken, in dessen tief bewegter, stahlblauer Oberfläche sich das tausendfacettige Schimmern der warmen Nachmittagssonne fing. Ein langes, unangenehmes Schweigen verging. „N-naja, ich meine, wir kennen uns doch jetzt schon seit fast zwei Wochen!“, versuchte ich ihn schließlich vorsichtig über meine Schulter hinweg zu besänftigen, „Ich finde eigentlich, dass ein doch recht kurzweiliges Arbeitsklima zwischen uns beiden herrscht! Hinzu kommt der Faktor dessen, was wir bereits alles zusammen durchgemacht haben, ich meine, das war immerhin nicht ganz ohne! Und als Extrabonus kann ich Sie eigentlich sogar ziemlich gut leiden!“ „Sie kapieren das nicht, oder?“, gab Kurogane nur erbost zurück und klammerte sich mit einer Hand am Lenkrad fest, als hätte er den plötzlichen Entschluss gefasst, es abzureißen, „Was wir hier haben, ist keiner Ihrer ‚Alle meine Freunde‘-Ringeltänze, sondern ein verdammtes Geschäftsverhältnis! Sie sind mein Vorgesetzter, so sehr ich diese beknackte Tatsache auch hasse, und weder duzen Angestellte ihre Vorgesetzte, noch ist es anders herum der Fall!! Ich halte Ihnen auf Ihren Missionen den Rücken frei, und Sie bezahlen mich dafür – und das ist bereits das Ende vom Lied! Aus! Finito! Kapiert?!“ Ich sah ihn aus großen Augen an. „… Darf ich das als ein mögliches Nein auffassen?“ Die einzige Antwort war ein entnervtes Ächzen. „Soll ich etwa noch deutlicher werden?“ Ich blinzelte. Wenn er dieses Löwengebrüll, von dem er alle halbe Stunde Gebrauch machte, ‚undeutlich‘ nannte, wollte ich gar nicht erst wissen, zu welchen Maßnahmen er griff, wenn er ‚deutlich‘ werden wollte. Erneutes Schweigen. „Also schön, Sie können ja machen was Sie wollen, aber ich duze dich jetzt jedenfalls, punktum!“, beschloss ich schließlich und verschränkte stur die Arme vor der Brust, „Nur weil du zu verklemmt bist, heißt das noch lange nicht, dass-..“ „Ich bin NICHT verklemmt!!“, keifte Kurogane augenblicklich, „Oh Mann, wenn Sie gerade wirklich keine anderen Sorgen haben, sind Sie über diese Vampireulen-Geschichte schneller hinweg gekommen, als ich dachte!“ Ich stutzte. Eines musste man diesem Kerl lassen, er brachte es in regelmäßigen Abständen fertig, mich mit seinen Aussagen zu überraschen. „Hattest du erwartet, dass ich noch nicht darüber hinweg wäre?“, fragte ich mit einem Lächeln und lehnte mich in meinem Sitz zurück, um dem Meer beim Vorbeiziehen zuzusehen. In der Ferne, wo die felsigen Strände zum Teil allmählich in glatte, weich geformte Sandbuchten überliefen, konnte man bereits die ersten Häuser von Uranoke Sho erkennen. Möwen kreisten unermüdlich über den Ankerplätzen. Auf dem spiegelglatten Teller des Ozeans häuften sich die Frachter, Schiffe und Fischkutter. Der Schwarzhaarige zuckte indes die Achseln. „Eigentlich schon. Aber ich denke mal, das gehört zu Ihrem Job dazu…“ Ein wenig ärgerte es mich ja doch, dass er sich derartig weigerte, einfach ‚Du‘ zu mir zu sagen, aber da ich keinen unnötigen Streit vom Zaun brechen wollte, ging ich lieber nicht noch einmal darauf ein. „Da hast du recht. Die Fähigkeit, auch ein Scheitern anzuerkennen und es nicht als Strafe, sondern als Möglichkeit zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten zu verstehen, ist ebenfalls etwas, das man sich als Arzt dringend aneignen sollte.“ Ohne mein willentliches Zutun spürte ich, wie sich meine Lippen zu einem kleinen Schmunzeln formten. „Ich beherrsche es bis heute nicht. Jedes Leben, das ich nicht retten konnte, trage ich auf meinem Weg mit mir, von dem Moment an, in dem es die Welt verlässt. Ich sehe jedes Scheitern als Strafe an, weil mein Scheitern immer bedeutet, dass jemand sein Leben lassen muss – egal, ob über kurz oder lang.“ Ich musste meinen Leibwächter nicht einmal ansehen, um zu merken, dass mich sein fragender Blick von der Seite streifte. „Gewiss ist es falsch“, räumte ich ruhig ein, „Aber dennoch glaube ich immer, es tun zu müssen. Manchmal sehe ich in der Nacht ihre Gesichter, und… und dann fällt es mir immer schwer, zu akzeptieren, dass manche Krankheiten unserer Zeit immer noch nicht heilbar sind. Das Vampirfieber – die Febris Ambestricis - ist nur eine davon. Es ist bis heute kein Heilmittel gegen diese Mutation bekannt. Und oft wünschte ich mir, es wäre anders. Es könnte all den Lebewesen dieser Welt so viel Schmerz ersparen, denkst du nicht auch?“ „Ich denke, Sie denken zuviel, Doc“, antwortete Kurogane kurz angebunden, obwohl seine Augen in diesem Moment etwas völlig anderes zu sagen schienen, und lenkte den Wagen um eine weitere Kurve, bevor wir die ersten Häuser von Uranoke Sho passierten. Gegen meinen Willen musste ich lächeln. „… Da könntest du Recht haben.“ Da mein Reisebegleiter offenbar keine Erwiderung parat hatte, riss ich mich kurzerhand zusammen und ließ den Faden los. „Also! Was schlägst du vor, was sollen wir als erstes machen, wenn wir zurück sind?“ Hier schien er bereits präzisere Vorstellungen zu haben. „Wir ruhen uns erst einmal aus, ich rufe meinen Gerichtsvollzieher an und trete ihm eine dieser bescheuerten Ratenzahlungen ab, dann versammeln wir das Material neu und dann können wir von mir aus wieder auf Mission…“ „Und was zu essen kaufen?“, schlug ich vor, „Wie wäre es mit einem kleinen Einkaufsbummel und einem leckeren Abendessen? Ich kann superleckere Fischgerichte kochen, die habe ich während meiner ersten Wochen in Kongoseki Oka gelernt! Mhhhhmh, zum Vergöttern! Komm schon, ich weiß, dass du es auch willst!“ Mein Leibwächter antwortete nicht, sondern starrte nur skeptisch zur Windschutzscheibe hinaus. Neugierig geworden folgte ich seinem Blick. Es dauerte nicht lange, bis ich das gefunden hatte, was seine Aufmerksamkeit offenbar auf sich gezogen hatte – auf der breiten Straße, die in die Kisekino Umi-Allee mündete, hatte sich ein nur schwer übersehbarer Menschenauflauf gebildet, allerdings war nicht auszumachen, was die allgemeine Neugierde derartig geweckt haben konnte. Das konnte ein spinöses Unterfangen werden, uns mit Kermit durch diese wirre Bürgertraube hindurchmanövrieren zu wollen. „Sieh mal, dort vorne! Was da wohl los ist?“ Ich ließ den Wagen ausrollen und fuhr ihn dann an den Straßenrand. Es war eine sehr mitgenommen aussehende Truppe der Armee. Und sie sahen alles andere als glücklich aus, denn sie wirkten ziemlich aufgebracht, wenn auch erleichtert. „…nie wieder dorthin…“ und Sachen wie „…reiner Selbstmord!“ schnappte ich auf, während sie vorbeizogen. An ihren Abzeichen erkannte ich, dass sie in N’Galia stationiert gewesen waren. Das erklärte, warum sie so missgelaunt waren. Und freiwillig hatten sie sich sicher nicht gemeldet. Niemand in der Armee würde sich freiwillig für eine Versetzung nach N’Galia melden. Dort musste wieder einiges los sein, wenn dort wieder Truppen hingeschickt wurden. „Das sind ja Soldaten“, meinte meine Begleiter.“ „Nein, das sind Gefreite und ein Unteroffizier…“, gab ich zurück. Er sah mich groß an. „Du kennst sich aber aus! Sag bloß, dass du-…“ „Ja, ich war in der Armee. Obergefreiter.“ Das lag allerdings auch schon an die vier Jahre zurück. Und ich verband damit ehrlich gesagt auch nicht die besten Erinnerungen. „Ah. Das hab ich mir schon oft gedacht, weißt du?“, fuhr er fort. „Du scheinst ziemlich viel gemacht zu haben, oder?“ „Einiges, ja.“ „Hast du da gelernt so zu kämpfen?“, fragte er. „Das war wirklich beeindruckend!“ „Ich mache das, seit ich sieben war…“, antwortete ich knapp. „Wow! Das ist aber schon ziemlich lange… Dann ist das ja kein Wunder.“ Er schien wirklich beeindruckt. Warum genau wusste ich nicht, aber selbst wenn er es nicht wäre, wäre es mir auch relativ egal gewesen. „Na und…? Dafür sind Sie ein wandelndes Lexikon.“ „Aaach…“, wiegelte er anscheinend verlegen ab. „Ich dachte das nervt dich?“ „Kommt drauf an.“ „Worauf?“ „Ob es sinnloses Gequatsche ist oder etwas Brauchbares.“ Er grinste. „Manchmal ist sinnloses Gequatsche aber auch wichtig.“ „So? Und wann?“, fragte ich skeptisch. Ich ließ den Wagen wieder anfahren – immer mit der Befürchtung, dass er wieder absoff – als der Trupp vorbei war und sich die Menschenmenge auflöste. „Das kommt auch immer drauf an! Aber zurück zu meinem Fischgericht! Du magst doch Fisch, oder? Na ja, du kommst schließlich aus Kongoseki Oka, oder? Dann wirst du es wahrscheinlich lieben…“ Und so ging es weiter, bis ich vor dem Haus parkte und den Motor abstellte. Fast zehn Stunden Fahrt. Das war ganz schön anstrengend. Ich war wirklich froh wieder zuhause zu sein. Zumindest hatte es keine weiteren Probleme gegeben – der Sprit für die strecke hatte uns allerdings einiges gekostet… Ich wuchtete das Gepäck aus dem Kofferraum – es war leichter geworden, der Proviant, den uns die Leute aus Zondorp mitgeben hatten, war nämlich schon seit geraumer Zeit ausgegangen. Obwohl es eine ganze Menge gewesen war. „Ich schlage vor, dass du deinen Gerichtvollzieher anrufst und ich kaufe fürs Abendessen ein“, schlug er vor. „Dann kann ich auch gleich beim Postamt vorbei und schauen, ob da ein Telegramm ist.“ Und ich konnte mich zumindest eine Weile von seinem Gelaber erholen… Ich nickte. „Tun Sie das.“ Eine Weile später fand ich sein Gelaber erträglicher, als das des Gerichtsvollziehers, den ich gerade am anderen Ende der Leitung hatte. Ich war immer erstaunt, dass mein Telefon noch nicht abgeschaltet war, wenn ich es mal benutzte… „Was heißt das, Sie haben keine Zeit?“, fragte ich genervt. Sonst kreuzte er doch dauernd hier auf – und wenn man mal Geld hatte, hatte er plötzlich keine Zeit? „Nein – ich werde es Ihnen nicht schicken…“ Das fehlte ja gerade noch, dass das Geld unterwegs verloren ging oder sie später behaupteten, es sei nicht angekommen. „Ich habe auch keine Zeit, um nach Yakitaito zu kommen…“ Wenn der sah, dass ich ein Auto hatte – er würde mir nicht glauben, dass es erstens nicht unbedingt mein Wagen und zweitens ein Geschenk gewesen war – würde der das womöglich auch noch pfänden. Obwohl – das war keine so schlechte Idee, da wäre ich zumindest einen Großteil meiner Schulden los… Allerdings würde das mein Arbeitsgeber nicht unbedingt gutheißen. Wahrscheinlich sah ich dann in nächster Zeit wirklich kein Geld mehr. Und davon abgesehen – eigentlich war der Bentley ja ganz praktisch. „Überweisen? Die Bank hat schon geschlossen….“ Ich fuhr mir durchs Haar. „Ja…dann eben morgen… nein warten Sie, da hat die Bank geschlossen, morgen ist Sonntag…Verdammt, Sie kriegen Ihr Geld ja…Ja…sonst hätte ich doch nicht angerufen…“ Man konnte es auch kompliziert machen. Und so langsam verlor ich wirklich die Geduld. „Am Montag. Ja, ganz sicher.“ Ich würde ja wohl zwei – na ja gut, einen – Tag auf mein Geld aufpassen können. Ohne weiteres legte ich auf. Am besten fuhr ich den Bentley in die Garage… Als ich nach draußen trat, standen meine Untermieter schon davor. „Sie werden uns jetzt doch wohl nicht rauswerfen, oder?“ Ich muss zugeben – ich wusste nicht, wie sie darauf kamen, auch wenn ich auch diese Idee nicht unbedingt schlacht fand. „Nein – wieso?“ „Na, wegen dem Auto. Wir dachten schon, dass Sie sich das jetzt leisten könnten.“ Die taten ja gerade so, als würde ich es darauf anlegen, Schulden zu haben. Na ja – die Probleme hatten die Beiden wohl eher weniger, sie bekamen ja jeden Monat ihre Rente und brauchten nichts dafür tun. Leider hatte das Ehepaar in den Siebzigern deswegen ziemlich viel Zeit zum Streiten. Allerdings machte es auch nicht den Anschein, dass sie sich in den nächsten Wochen scheiden lassen oder ausziehen wollten. Ich brauchte mir keine Antwort auszudenken, denn Herr Shika fuhr schon fort: „Aber wo Sie gerade hier sind… Der Zustand des Gartens ist katastrophal! Und außerdem kommt unsere Post nie an!“ „Das ist doch nicht mein Problem…“, gab ich unwirsch zurück. Sie beschwerten sich ja sowieso über alles Mögliche. Und das laufend. Außerdem war ich kein All-Inclusive- Hotel. Okay – der Garten hatte wirklich schon mal besser ausgesehen, aber ich hatte weder Lust noch Zeit, mich darum zu kümmern. Und die Post – keine Ahnung. Vielleicht schrieb ihnen auch einfach niemand. „Und wenn Sie der Zustand des Gartens stört, dann schneiden Sie doch ein wenig die Hecken zurück und mähen den Rasen…“, schlug ich vor. Dann hatten sie zumindest etwas Besseres zu tun, als zu streiten. „Solange Sie ihn sonst so lassen, wie er ist…“ Der Garten war – vom Unkraut und den höher- und weitergewachsenen Bäumen und Büschen – noch genau so, wie er schon immer gewesen war, seit ich denken konnte. Und das konnte dann ruhig auch so bleiben. „Es ist doch Ihr Garten!“, empörte sich Frau Shika. „Dann ist es ja auch meine Sache, wie er aussieht“, gab ich zurück. Daraufhin fiel den Beiden wohl nichts mehr ein und sie machten sich auf den Weg ins Haus. Ich stieg in den Wagen und parkte ihn in der Garage. „Kurogane-kuuuuhuun!“, tönte es vom Eingangstörchen herüber, als ich das Tor schloss. Tomoyo Daidoji, meine Nachbarin, kam herüber. „Du hast ja wieder ein Auto!“ „Genaugenommen gehört es nicht mir.“ Das fünfzehnjährige Mädchen sah mich an. „Du hast es geklaut?!“ „WAS?! Nein!“ Manchmal erstaunte sie mich ja immer noch, auf was für Gedanken sie kam. Ich kannte sie, seit ich elf war. Sie und ihre größere Schwester Souma wohnten auch schon jahrelang nebenan. Souma studierte Nautik, während Tomoyo zur Oberschule ging. „Es war ein Geschenk.“ Sie grinste. „Von einem Mädchen?“ „Nein. Von einem Salbei-Gebüsch. Und es ist nicht mein Auto, sondern das von meinem Boss.“ Ein Kilo taufrischer Heilbutt mit Auberginen, Reis, Tomaten und jungem Mais. Ich war in der Tat höchst zufrieden mit mir. Anstatt dass ich einfach stur in die Innenstadt zu einem der zahlreichen Frischfischgeschäfte Uranoke Shos gezockelt war, hatte ich eine kleine Abkürzung durch den Hinterhof eines Kindergartens genommen und war direkt an der Hafenpromenade rausgekommen, wo heute offenbar eine Art Viktualienmarkt stattgefunden hatte, und hatte einem der Fisch- und Gemüsehändler kurzerhand für einen Wucherpreis dessen restliche Ware abgekauft – ein Unterfangen, das weder viel Zeit noch viel Geld gekostet hatte. Diesmal konnte sich Kurogane wirklich nicht beschweren. Und wenn doch, machte sein ohnehin schon extrem kalziumarmer und daher für Aggressionen umso anfälligerer Verstand wieder mal ein Tief durch. Wenigstens fand ich die Straße, in der sein Haus stand, auf Anhieb wieder. Das System der Hausnummernvergabe in Kongoseki Oka – bei dem die Hausnummern danach verteilt wurden, wann ein Haus gebaut worden war – hatte mir seit jeher Probleme bereitet, und obwohl ich in diesem Land meine Studien- und Promovationszeit verbracht hatte, hatte ich diesbezüglich keine großen intellektuellen Fortschritte gemacht. Als ich jedoch um die Ecke bog und somit freien Blick auf die Straße hatte, staunte ich nicht schlecht, als ich das Mädchen an Kuroganes Gartentor erblickte. Sie besaß langes, schwarzes Haar, war sehr schmal gebaut und trug eine der hier landesüblichen Schuluniformen – ein knielanger dunkler Rock mit der berüchtigten Unterhosen-Aufblitzgefahr, schwarze Strümpfe und ein weißes Hemd mit Pullunder nebst einer kurzen Schmähkrawatte. Es erwies sich als großer Nutzen, dass ich im Moment ein Kaugummi mit Ananasgeschmack kaute, sonst hätte ich meinen Mund wohl nur schwerlich wieder zubekommen. Beulenpest nochmal, da sah man doch mal wieder eindeutig, wie sehr man sich in einem Menschen täuschen konnte – erst in meiner Gegenwart den konservativen Asketen mit einem der phänomenalsten Berührungskomplexe spielen, die mir je untergekommen waren, und kaum dass ich ihm länger als zehn Minuten den Rücken kehrte, riss er auch schon das nächstbeste unschuldige Schulmädchen auf, und das auch noch über den Gartenzaun hinweg! Man konnte sagen, was man wollte, ich hatte seinen Hormonspiegel eindeutig unterschätzt. „Hallooohoohh!“, trällerte ich fröhlich, als ich nahe genug an dem Geschehen dran war und warf den beiden ein neckisches Winken zu, „Ich hoffe doch, ich störe nicht?“ „Ich fürchte ja“, seufzte die Kleine bedauerlich und rollte vielsagend die Augen, „Wir wollten gerade heiraten!“ „Tomoyo“, zischte mein Leibwächter augenblicklich, als hätte er eine lebendige Klapperschlange verschluckt und starrte das Mädchen so feuergefährlich an, als beabsichtigte er, sie ungekocht zu verspeisen, doch sie lachte nur ein rollendes, kokettes Lachen und hielt sich dabei auf zierliche Weise eine Hand vor den Mund. „Oooooooooooooohohohoho! Eins muss ich dir wirklich lassen, Kurogane-kun, du hast dich wirklich nicht verändert! Und ich hatte schon angefangen mich zu fragen, was du schon wieder für Scherereien am Leib hast, dass du dich aber auch gar nicht meldest, dabei habe ich Tag für Tag deine heißgeliebten Kümmelkekse gebacken!“ Noch bevor der Schwarzhaarige die nächste Gelegenheit für eine ausreichend bissige Erwiderung beim Schopfe packen konnte, hatte sich seine potenzielle Heiratskandidatin auch schon schwungvoll zu mir umgewandt und bot mir ihre Rechte an. „… Doch bevor es noch Unklarheiten gibt, sollten wir uns lieber erst einmal bekannt machen, hmnh? Mit wem habe ich die Ehre?“ „Fye de Flourite!“, stellte ich mich fröhlichen Tones vor und zeigte mein perfektestes Gentleman- Lächeln, ehe ich ihre ausgestreckte Hand ergriff und kräftig schüttelte – Handküsse an Damen zu verteilen war noch nie eines meiner nennenswertesten Talente gewesen. Doch das Mädchen strahlte. „Tomoyo Daidoji. Nett, Sie kennen zu lernen, Fye-san!“ „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Tomoyo-chan!“, gab ich aufgeräumt zur Antwort und stellte die schwere Einkaufstüte zu meinen Füßen ab, die ich wie eine Mutter ihr Wickelkind vom Markt bis hierher geschleppt hatte, um für den drohenden Smalltalk beide Hände frei zu haben, „Wie mir scheint, kennt ihr beiden euch schon ein wenig länger, hmnh? Ich hatte bereits auf die Freude gehofft, jemanden aus Kuroganes engerem Bekanntenkreis kennen zu lernen!“ „Ooooooooohohohohoh, wenn Sie damit die segensreichen Kontakte in der nächsten Nachbarschaft meinen?“, gluckste Tomoyo amüsiert retour, sodass ich unweigerlich in ein gewisses Entzücken geriet. „Nein, wiiiiiiiiiiiiiirklich? Ihr seid Nachbarn? Wie lange kennt ihr euch denn schon?“ „Seit ihrer Geburt“, kam die lahme Antwort vonseiten meines Leibwächters, offenbar war sein anfänglicher Zorn zu Resignation verraucht, „Sie hat noch eine ältere Schwester, Souma Daidoji. Aber die ist gerade außer Haus.“ „Ganz genau“, bestätigte Tomoyo, „Sie studiert Nautik, Schwerpunkt Schiffsbau, und weil Gakoshida wegen seiner Lage im Inland keine Studiengänge für diesen Wissenschaftszweig anbietet, wohnt sie während der Sommer- und Wintersemester in Yakitaito!“ Ich konnte nicht umhin zu staunen. Yakitaito war mit seiner während der Sechziger und Siebziger Jahre expandierten Einwohnerzahl, seiner Geschichtsträchtigkeit für Kongoseki Oka, seiner wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung und seiner Nähe zum offenen Ozean zu Recht zur Hauptstadt dieses Landes erklärt worden – auch wenn die fast ebenso große Stadt Funekana ein jahrelanger potenzieller Gegenkandidat gewesen war – , nur hatten mich meine geschäftlichen Tätigkeiten bedauerlicherweise noch nie in diese Metropole geführt. Mich hatte es stets in die Gebiete gezogen, in denen die Vampirpopulation hoch und die Zahl der Opfer groß gewesen waren. Tomoyos gut gelaunte Stimme war es schließlich, die mich wieder aus meinen Gedanken zurückholte. „Sie kommen nicht aus dieser Gegend, nicht wahr?“, erkundigte sie sich sichtlich neugierig und besah sich aufmerksam mein Gesicht, „Sie sehen ganz anders aus als die Leute hierzulande, und Sie haben einen sehr ungewöhnlichen Akzent, den habe ich noch nie zuvor gehört! Kommen Sie vielleicht aus einem der umliegenden Länder? Dem Vulkandistrikt? Balkjebeeke?“ „Von einem der westlichen Kontinente“, antwortete ich. Ich spürte deutlich den Willen zu lächeln, und gab diesem Wunsch auch ohne weiteres nach. „Eeeeeeehrlich?“, erstaunte sich die Kleine, „Und was machen Sie dann hier in Kongoseki Oka?“ „Sei nicht immer so frech, Tomoyo“, brummte Kurogane im ebenso kraftlosen wie vergeblichen Versuch, den Redefluss seiner Nachbarin einzudämmen, während ich über diese jugendliche Wissbegierde lachen musste. „Nun, ich habe in Kongoseki Oka meine Studienzeit und meine Lehrzeit an der medizinischen Akademie von Yakitaito verbracht! Darüber hinaus habe ich hier diverse Prüfungen sowie meine Promovation durchlaufen!“ Das Mädchen machte Augen wie Spiegeleier. „Promovatioooooooon?? Nein, wiiiiiiiiirklich?? Das heißt, Sie-…“ Mitten in ihrem Ausbruch hielt sie inne. Die Blicke aus den großen, opalblauen Augen wanderten rasch zwischen mir und meinem Leibwächter hin und her wie bei einem in exorbitantem Maße spannendem Tennisspiel. Man konnte den Groschen förmlich fallen hören. „Oooooooooooooooooooooooooooohohohohohoho!!“, brach sie plötzlich in überschwängliches – und für ein Schulmädchen erstaunlich geräuschvolles – Glucksen aus, „Soll das heißen, Sie sind Kuroganes Boss??“ „Hervorragend kombiniert!“, lobte ich ihren edlen Scharfsinn und klatschte respektvoll in beide Hände, „Das und nichts anderes bin ich! Sein Boss. Sein Herrscher. Sein Meister.“ Vor lauter Kichern nahmen Tomoyos Wangen die Farbe von frischem Erdbeerpudding an. „Ooooooooohohohohoho, wiiiiiiirklich? Ich kann kaum glauben, was ich da höre! Dürfen Sie ihm denn auch Befehle erteilen? So ähnlich wie ‚Bring mir die Pantoffeln, mach mein Bett, geh das Essen kochen‘??“ „Uuuuuuhuhuhu, ich glaube, wenn ich das wagen würde, wäre ich schon längst nur noch in Form eines Fettflecks auf dem Asphalt zu bewundern!“, stimmte ich in das Gekicher ein, „Wenn du wüsstest, wie schnell er beleidigt ist! Und dann ist er immer so grummelig und brummelig, dass es zum Steinerweichen ist!“ „Oooooooohohohoho, das kenne ich bestens! Hat er schon versucht, Sie umzubringen?“ „Uuuuuuuuuuuhuhuhu, aber natürlich!“ „Ooooooohohoho, wenn du wüsstest, wie oft er das schon mit mir gemacht hat!“ „Uuuuuuuuuuhuhuhu!“ „Ooooooooohohohoho!“ „Uuuuuuuuuuuuhuhuhuhu!“ „Oooooohohohoho! Und in welchen Ländern hat er bisher am schlimmsten gegrummelt und gebrummelt??“ „Ich denke, das fragst du ihn am besten selbst!“ „Ach nein, so ist es doch viel lustiger“, brummte Kurogane dumpf und starrte mich auf ungefähr die Weise an, auf die ein Hautkranker das bei dem Fußpilz tun würde, der ihn schon seit Monaten plagte, „Es ist, als wäre ich gar nicht da.“ „Ooooooh!“, flötete ich auf der Stelle und zwickte meinem Leibwächter zärtlich in die Wange, „Ist Kuro-ta jetzt etwa böse, nur weil wir ein bisschen lustig geplaudert haben? Wir wollen uns doch nur kennenlernen!“ Mittlerweile zogen sich die schwarzen Brauen auf der gebräunten Stirn so finster zusammen, als hätten sie den Beschluss gefasst, sich über der kräftigen Nasenwurzel zu vereinigen, sodass ich meine Hand lieber rasch zurückzog. „Wenn nicht in einer halben Stunde das Essen auf dem Tisch steht, Herr Lustig Geplaudert, dann lernen Sie mich kennen! Und zwar so, dass Sie sich nie wieder davon erholen!! Klar?!!“ „Ist ja gut, ist ja gut“, gab ich mich geschlagen und wuchtete die vollgepackte Einkaufstüte wieder vom Boden hoch, ehe ich mich wieder an Tomoyo wandte. „Willst du nicht noch mit uns zu Abend essen, Tomoyo-chan, wie wäre es? Sonst hockst du ja den ganzen restlichen Abend allein herum!“ „Nein, sie will nicht“, übernahm Kurogane nachdrücklich die Antwort, noch bevor seine jugendliche Nachbarin den Mund aufbrachte, und packte mich energisch bei beiden Schultern, um mich mitsamt meiner Einkäufe durch das Gartentor zu schieben, „Wir haben noch Geschäftliches zu besprechen. Außerdem will ich in Ruhe essen, und wenn ich sage Ruhe, dann meine ich auch Ruhe.“ „Na schöööön…“ „Dann eben auf ein andermal“, meinte Tomoyo und zuckte mit einem nachsichtigen Lächeln die Achseln, offenbar wusste sie nur zu gut, wie grätig der Schwarzhaarige beizeiten sein konnte, „Aber vielen Dank für die Einladung. Ich hoffe, es wird Ihnen hier gefallen, Fye-san!“ „Das wird es ganz sicher!“, trällerte ich noch fröhlich über meine Schulter hinweg, indes Kurogane mich mit gezielten Püffen immer weiter Richtung Haustür drängte, „Ich fühle mich jetzt schon wie zu Hause! Sieh nur, wie lieb er mich hat! Und jetzt will er mich ganz für sich allein, uuuuuuuuuuhuhuhuhu!“ „Oooooooooooooooooooooohohohohoho!“ „KLAPPE HALTEN!!“, bellte mein unfreiwilliger Bodyguard mit geschwollener Zornesader, sodass sich seine Nachbarin schleunigst aus dem Staub machte und flugs hinter der Hecke verschwand, die die benachbarten Grundstücke voneinander trennte. „Du erstaunst mich immer wieder!“, sagte ich wohlgemut, während ich mich im Hausflur angekommen meiner leichten Jacke und meiner schon reichlich ausgetretenen Schuhe entledigte, „Ich hätte niemals gedacht, dass du ein so inniges Verhältnis zu deiner Nachbarschaft pflegst! Du hast Tomoyo-chan sicher schon einen ganzen Riesenhaufen Gefallen getan, stimmt’s? Und sie dir auch!“ Mein Reisebegleiter seufzte lediglich entnervt. „Wollen Sie mir einen Gefallen tun?“ „Na klar, alles was Sie wollen!“, entgegnete ich und wackelte intellektuell mit den Augenbrauen, jedoch war alles, was dieses Zugeständnis bewirkte, ein energischer Fingerzeig nach vorne. Ich folgte mit großen Augen der Bewegung. „Im Moment will ich nur eins, nämlich etwas zwischen die Zähne. Da vorne ist die Küche. Setzen Sie sich in Bewegung!“ Das Wasser im Kochtopf brodelte. Mit einem lautlosen Seufzen verfrachtete ich das mittlerweile vollständig gegarte Gemüse umständlich auf einen ausreichend großen Teller und drehte den Herd ab. Drei. Zwei. Eins… „Wie lange dauert das noch?“ Nummer vierundsiebzig. Hätte ich es doch wissen müssen. „Jeden Moment“, gab ich geduldig zur Antwort und arrangierte das Gemüse inklusive Reis und Fisch auf dem niedrigen, tragbaren Tisch, wie er zur allabendlichen Mahlzeit in Kongoseki Oka üblich war, ehe ich die ganze Schose nach nebenan ins Wohnzimmer verfrachtete, wo mein Leibwächter bereits wartete. Der hungrige Wolf in Angriffsstellung. „Na endlich. Ich dachte schon, Sie hätten sich im Kochtopf ersäuft.“ „Na, na, ganz so leicht mache ich es Ihnen sicher nicht!“, erwiderte ich fröhlich und setzte das Tischtablett behutsam zwischen uns ab, um mich anschließend ebenfalls in einen lockeren Schneidersitz zu begeben und die Essstäbchen zu verteilen. Ich für meine Person hatte mehrere Jahre gebraucht, um die komplexe Handhabung dieser verwunderlichen kulinarischen Werkzeuge fehlerfrei zu beherrschen, doch mittlerweile gelang es mir, ohne dass ich einzelne Bissen mit den Stäbchen durch die Schüssel jagen musste wie eine Katze ihre potenzielle Beute. „So, bitte sehr. Guten Appetit!“ „Gleichfalls.“ Eine geraume Weile lang aßen wir schweigend. Offenbar war Kurogane von der langen Rückreise ebenso hungrig wie ich. Ich nutzte diese seltene Einigkeit zwischen uns und sah mich in dem doch recht knapp bemessenen Teil des Wohnzimmers um, den der Schwarzhaarige noch vor seiner senilen Untermieterschaft hatte retten können. Schon an meinem ersten Abend in diesem Haus war mir die doch relativ auffällige Unordnung ins Auge gesprungen. Hemden, Hosen, Einrichtungsgegenstände und benutztes Geschirr lagen wahllos im Raum herum, waren über die Möbel gehängt oder geworfen worden oder waren in den Ecken zu wackeligen Stapeln aufgetürmt worden. Die abendliche Mailuft ballte sich warm und stickig zwischen den teils vorgezogenen, teils bereits halb zerfledderten Vorhängen und unter der Decke. Dies musste einst ein sehr gemütliches Wohnzimmer gewesen sein, doch nun haftete ihm eine kaum merkliche Emotion der Trostlosigkeit an. Allmählich fragte ich mich, was Kurogane eigentlich für ein Mensch war. Auf der einen Seite war er – vor allem, was das berufliche Gehalt ging – der reinste Narzisst, jedoch grenzte sein Verhalten andererseits schon fast an Selbstaufgabe. Nun kannten wir uns schon seit knappen zwei Wochen, doch war er mir gleichzeitig noch immer fast genauso fremd wie an jenem Tag auf der Hoteltreppe. Bei anderen Menschen und Wesenheiten hatte ich manchmal nur einen einzigen Tag benötigt, um sie wirklich kennen zu lernen, mit all ihren Eigenschaften, Fehlern, Ängsten und Leidenschaften. Ganz und gar. Doch die Gedankenwelt dieses Mannes war für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Wenn ich ihm beizeiten ins Gesicht sah und darin zu lesen versuchte, war es mir fast, als könne ich die unsichtbare Grenze sehen, die er wohl schon seit dem Tag unserer Begegnung zwischen uns gezogen hatte. Ob ich über dieses Verhaltensmuster erleichtert oder enttäuscht sein sollte? Ich wusste es nicht. „Ist was?“, riss mich Kuroganes unwillige Stimme unerwartet aus meinen Gedankengängen zurück. Rasch schüttelte ich den Kopf. „Nein, nein. Ich habe mich nur gerade gefragt, ob die Post schon angekommen ist!“ Statt einer Antwort deutete mein Leibwächter nur auf einen flachen, gebündelten Packen Papier, der direkt neben dem Durchgang zum Hausflur auf dem staubigen Boden lag. „Whoooow!“, entzückte ich mich und rappelte mich auf der Stelle hoch, um die Briefe an mich zu nehmen, „Wie viele das sind! Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass es gut ist, viele Kontakte zu haben! Auf die Weise kommt man immer an Informationen heran und hat dazu noch etwas, worauf man sich jeden Tag freuen kann!“ „Gleich kriege ich eine Hirnhautentzündung vor Glück“, brummte der Schwarzhaarige nur und widmete sich wieder seiner Abendmahlzeit, während ich eifrig die Absender der Briefe überflog. Briefe von Neferti, Domeki und Watanuki. Bei dem ganzen Rest musste es sich wohl um Rechnungen handeln… „Wie wäre es, soll ich dir die Briefe vorlesen, oder möchtest du dir lieber eine Freizeitbeschäftigung deiner Wahl suchen, während ich mich um den Papierkram kümmere?“, erkundigte ich mich nebenbei ironisch, was bei meinem älteren Gegenüber jedoch lediglich ein Stirnrunzeln bewirkte. „Doc, wenn ich die Freizeitbeschäftigung meiner Wahl ausüben würde, würden Sie jetzt bewusstlos und zahnlos am Boden liegen.“ Ich blinzelte. „… Also vorlesen?“ „Wenn Sie meinen.“ Ich erkannte einen Rettungsanker, wenn er mir zugeworfen wurde, und öffnete eilig den ersten Umschlag. „Der erste Brief ist von Neferti-kun. ‚Lieber Fye-san, lieber Kurogane-san! Viele liebe Grüße von der Isola Isabel schickt euch Neferti!‘ “ „Isola Isabel? Komischer Name…“ „Die Isola Isabel ist noch der arcobalenischen Inselkette zugehörig“, erklärte ich ihm beflissen und malte mit beiden Zeigefingern die ungefähre geografische Beschaffenheit besagter Kette in die Luft, „Ihren Namen hat die Insel von Isabel Hanno-Andari, der Tochter des Königs Immanuel Hanno-Andari dem Vierten. Er regierte als vierter Abkömmling der Hanno-Andari-Dynastie, als über die Arcobalena-Kette noch Könige herrschten, und benannte eine der zugehörigen Inseln nach seiner einzigen Tochter. Sie war übrigens die letzte Königin des späten Mittelalters, bevor dort die Demokratie ihren Einzug hielt!“ „Ja, ja, was auch immer“, erwiderte Kurogane und tat die Randbemerkung mit einer ungeduldigen Handbewegung ab, „Was schreibt er noch?“ „Er schreibt ‚Ich hoffe, es geht euch gut. Ihr fragt euch sicher, was ich auf der Isola Isabel treibe. Nun, zu meinem reinen Vergnügen ist es nicht, denn ich habe mich bei der Wahl der allsemesterlich anfallenden Facharbeit über submarine Botanik für eine Arbeit über die Amellus Igneus Maritimus, die rote Unterseesternblume, entschieden. Doch weil ich seit jeher großes Interesse an dieser heilkräftigen Pflanze hege, ist es mir ebenso ein Genuss, meine Zeit des freien Studiums hier zu verbringen. Ich wähne mich bereits als stolzer Besitzer einer Kolonie von etwa dreihundert Exemplaren, die Zucht schreitet gut voran. Drückt mir die Daumen für ein gutes Resultat und schreibt mir bald zurück! Reicht eure Antwort einfach beim Postamt der Isola Isabel ein, von dort aus wird es an mich weitergeleitet. Viele Grüße auch von Marina und Océane! Euer Neferti.‘ “ „Was sollte das werden, ein Vortrag oder ein Brief?“, brummte Kurogane nur und machte sich daran, das Tischtablett wieder in die Küche zurück zu bringen, „Haben wenigstens diese beiden Totengräber etwas Vernünftiges zu berichten?“ „Es sind Konservatoriumsverwalter, Kuro-pyon“, beschwichtigte ich ihn geduldig und entfaltete den zweiten Brief, „Und ich bin mir sicher, Neferti-kun wollte uns mit diesem Brief eine Freude machen.“ „Von mir aus… wollten uns die Jungs nicht einen Obduktionsbericht schicken?“ „Genau das wollten sie!“ Aufmerksam besah ich mir die in steifer, wie von unsichtbaren Fäden schräg nach oben gezogener Schrift gehaltenen Zeilen. „Offenbar haben sie es in Form eines Zivilbriefes verfasst, um nicht von Tunas erwischt zu werden… ‚Lieber Fye-san, lieber Kurogane-san‘ “, begann ich vorzulesen, „Ich hoffe, ich erwische mit unserem Schreiben keinen ungünstigen Augenblick. Wir haben es geschafft, die Obduktion erfolgreich durchzuführen, ohne dass uns die Universitätsverwaltung auf die Schliche gekommen ist. Der betreffliche Engel wurde entsorgt, so wie es aussieht wurden bereits neue verfügbare Exemplare an der Küste gefunden. In der Tat handelt es sich bei der inneren organischen Beschaffenheit des betrefflichen Engels um einen äußerst grotesken Sachverhalt. Sämtliche innere Organe und Körperfunktionen wie Leber, Magen, Nieren und Verdauungstrakt sind unverletzt und weisen weder eine Disfunktion noch eine Deformation auf. Mithilfe mehrerer Tests konnten wir nachweisen, dass diese Organe vollkommen ordnungsgemäß funktioniert haben mussten. Jedoch hat sich im unmittelbaren Lungenbereich eine…‘ “ Verwirrt hielt ich im Vorlesen inne und überflog hastig die darauffolgenden Zeilen. Aus dem Augenwinkel gewahrte ich, dass Kurogane im Türrahmen zwischen Küche und Wohnzimmer erschien, die Augenbrauen in sichtlicher Skepsis verzogen. „Eine was?“, erkundigte er sich misstrauisch. „… ‚Jedoch hat sich im unmittelbaren Lungenbereich eine auffallende Deformation gezeigt‘ “, fuhr ich stockend fort, „Die gesamte Lunge war gewissermaßen verkümmert. Für einen ausgewachsenen Engel erwies sie sich durch mangelnde Oberfläche und Durchblutung als viel zu klein, um das Exemplar mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Dazu zeigte sie im Bereich des linken und rechten Unterlappens auffällige, röhrenförmige Fortsätze – umschlossen aus einer extrem robusten, von simultan eingelagerten integralen Proteinen durchzogenen Biomembran – die sich teilweise bis in den Bereich der Subcutis von Unterleib, Brustkorb und Thromborax zogen. Die Endverzweigungen der Fortsätze waren bereits einer Art Verwesung unterlegen und müssen sich demnach ursprünglich bis in die Poren der Epidermis durchgezogen haben.“ „Was ist die Subcutis?“ Kuroganes Stimme klang seltsam fern an meinen Ohren. „Die Haut“, erklärte ich eher mechanisch, während meine Augen noch immer starr an dem Brief in meinen Händen hingen, „Eine der weiter innen gelegenen Hautschichten. ‚Nach einigen Untersuchungen haben wir einen dieser Fortsätze entfernt und aufgetrennt. In seinem Inneren fand sich eine Substanz mit extrem hohem Proteingehalt; kam sie mit der Haut in Kontakt, schwoll diese beträchtlich an, wurde weich und schwammig und sonderte unablässig Schweiß ab. Aufgrund ihrer Beschaffenheit erinnert uns diese Substanz an ein Gift animalischen Ursprungs, doch waren wir nicht in der Lage, dieses Animal genau zu charakterisieren. Dies war jedoch nicht das einzige Befremdliche, das uns an diesem Engel auffiel. Es stellte sich heraus, dass die…‘ “ Es war, als würde mein Herz für den Zeitraum eines Sekundenbruchteils stehen bleiben, um kurz darauf umso schneller weiter zu pochen. „… Das kann doch nicht sein…“ „Was denn?“ Beim Durchlesen der nachfolgenden Zeilen wurde mir seltsam kalt. Schweigend reichte meinem Leibwächter den Brief, der sich mit misstrauisch gerunzelter Stirn die betrefflichen Zeilen rasch durchlas. Es war nicht schwer für mich zu erraten, an welcher Stelle er stockte. „… Die Erbanlagen? Der Engel hatte keine Erbanlagen mehr?“ Ich schüttelte nur stumm den Kopf. „ ‚… vollständig entfernt wurden…‘ “, las der Schwarzhaarige halblaut vor, jedoch eher für sich selbst, „ ‚Jedoch war unersichtlich, ob dies unter Zuhilfenahme chirurgischer Geräte oder durch eine Abstoßreaktion des Körpers geschehen ist… da die durchtrennten Gewebepartien deutlich geriffelte Ränder aufwiesen, gehen wir jedoch eher von Letzterem aus…‘ “ Die restlichen Zeilen las er schweigend. In meinem Kopf schlugen die Gedanken schon längst Purzelbäume. Ein Engel, der eine in diesem Maß deformierte Lunge, ja nicht einmal gesunde, voll ausgebildete Erbanlagen besaß, war so betrachtet nicht einmal lebensfähig. Wie hatte er überhaupt auf die Welt kommen, voll auswachsen und geschlechtlich heranreifen können, ohne dabei durch die verkümmerte Lunge hervorgerufenen Sauerstoffmangel umzukommen? Die äußeren Merkmale hatten auf keine auch noch so unterschwellige Form von Sauer- oder Nährstoffmangel verwiesen… Eine Ungnade der Natur etwa? Es war etwas an diesem Gedanken, das mir einen jähen Impuls nach vorne gab. „Wir müssen ihnen unbedingt antworten.“ „Tun Sie das“, meinte ich – als ob ich ihn davon abhalten könnte… Er stürzte auch sofort los, um sich über seine Reisetasche herzumachen und dort Papier und Stift zu Tage zu fördern. Aber das war nun wirklich ein Ding der Unmöglichkeit. Denn auch wenn ich nicht Medizin studiert hatte, wusste ich, dass selbst ein Engel ohne Lungen wohl kaum leben konnte – und dafür hatte er definitiv zu fit ausgesehen, abgesehen davon, dass er tot war. Es waren schon früher tote Engel an der Küste, oder auch in abgelegenen Landstrichen gefunden worden, doch die Ersten hatten wirklich nach Leichen ausgesehen und waren auch nicht unbedingt sehr ansehnlich gewesen. Doch auch hier konnte die Todesursache nicht unbedingt eindeutig geklärt werden… Die Hysterie unter den betroffenen Küstenstädten war jedoch nach einigen Jahren bereits wieder abgeebbt, da in wissenschaftlichen Kreisen bald die Theorie aufgestellt worden war, dass es sich bei dieser Erscheinung möglicherweise sogar um eine natürliche Todesursache handeln konnte. Wer konnte schon wissen, welche Art zu sterben von Engeln bevorzugt wurde? Wirklich mysteriös. „Ich bringe das schnell zum Postamt!“, riss mich der Arzt aus meinen Gedanken. „Aber das hat doch schon zu“, meinte ich. „Nicht für mich, ich bin Arzt! Da gehen die Telegramme sogar sonntags und feiertags raus!“ Mit diesen Worten hatte er sich auch schon seinen Mantel gepackt und war zur Tür raus. In Ordnung. Wenn das so war… Ich sah mich im Wohnzimmer um. Eigentlich könnte ich, während er weg war, ein wenig aufräumen – nun, das würde nicht viel bringen, außer dass sich die Stapel verschieben würden und vielleicht ein wenig größer wurden… Es war wirklich unpraktisch, wenn der größte Teil der Schränke drüben bei den Nachbarn waren. Sie waren unglücklicherweise nämlich direkt eingebaut und befanden sich hinter den Schiebetüren an den Wänden. Auf dieser Seite gab es nur zwei kleinere Schränke und diese waren bereits voll. Ich sammelte trotzdem alles ein und verfrachtete es in eine Ecke des Wohnzimmers, das Geschirr zumindest in die Küche. Viel besser sah es nicht unbedingt aus, aber zumindest auch nicht schlimm. Wann endlich würde ich genug Geld haben, damit ich meine Untermieter endgültig los war und das Haus wieder für mich hatte? Wahrscheinlich niemals… Es war wirklich frustrierten, im eigenen Haus am wenigsten Platz zu haben und auch immer noch darum kämpfen zu müssen. Irgendwo musste auch noch ein zweiter Futon sein… Dann musste der Arzt nicht wieder auf den Tatami übernachten. Die waren zwar nicht unbequem, aber mit Futon war es sicher angenehmer. Mittlerweile hatte ich im Prinzip nichts dagegen, dass er hier übernachtete – so sparten wir zumindest etwas Geld, wenn er nicht auch noch ein Hotel bezahlen musste. „Zur Bank!“, fauchte ich. „Ja, aber warum denn?“ „Weil Geld nun mal auf die Bank gehört!“, gab ich zurück. Seit mindestens einer halben Stunde diskutierten wir darüber, was wir mit dem restlichen Geld machten. Kaum dass der Blonde zurückgekehrt war, meinte er, dass wir sofort morgen früh wieder aufbrechen sollten. Der Arzt war dafür, die gesamte Summe mitzuschleppen, ich fand, wir sollten es auf die Bank bringen. Auch wenn ich nicht allzu viel von der Bank hielt – die hatte nämlich auch einfach mal mein Konto gepfändet. Doch eine andere Möglichkeit sah ich da nicht, dass das Geld sicher war. „Ja, und wenn wir es brauchen?“, fragte er. „Dann heben wir eben etwas ab!“ „Und wenn keine Bank in der Nähe ist?“ „Dann haben wir eben Pech gehabt! Oder wir schreiben einen Scheck aus…“ „Ich hab aber keine Schecks.“ „Das hab ich mir gedacht.“ „Hast du Schecks?“ „Wieso denn, ich hab doch nicht mal Geld!“ „Warum nicht?“ „Weil die Bank mein Konto gepfändet hat, verdammt!“ Ein triumphierendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Dann vertraust du der Bank noch?“ „Nein, das hab ich nicht gesagt!“ „Wenn du da aufkreuzt, und versuchst etwas einzuzahlen, dann werden die das auch pfänden oder? Nehme ich mal an… so rein theoretisch…“ Da war was dran… „Dann zahlen Sie es halt ein“, knurrte ich. Sein Grinsen wurde noch breiter. „Geht nicht“, sagte er. „Ach, warum? Haben Sie die Bank schon mal überfallen?“ „Nein. Aber ich bin nicht nur kreditunwürdig, sondern auch kontounwürdig. Die werden mir für kein Geld der Welt ein Konto eröffnen.“ „Häh? Das ist eine Bank, die sind dafür da.“ „Tja. Aber mich werden sie wieder rausschmeißen, und zwar hochkant.“ „Warum denn das?“ Meine Güte, als ob wir nicht schon so Probleme hätten… Er antwortete nicht. Zumindest nicht direkt. „Keine Bonität – kein Konto. So einfach…“, kicherte er, obwohl es eigentlich alles andere als lustig war. „Das müsstest du doch auch wissen.“ Ich stieß ein wütendes Schnauben aus und er wich einige Schritte mit beschwichtigend erhobenen Händen zurück. „Schon guuut, schon guuuut, ich nehm’s zurück!“, versicherte er. „Aber ich hab doch recht! Ich kenn das doch auch, und—…“ „Was machen wir dann, wenn wir es nicht zur Bank bringen…?“, unterbrach ich ihn unwirsch. „Mitnehmen. Das mach ich immer!“ „Deswegen sind Sie ja auch immer pleite! Lassen wir einfach einen Teil hier.“ „Was? Hinterher wird es noch geklaut! Ich bin sicher, deine Nachbarn sind noch vertrauensunwürdiger als die Bank, hab ich recht?“ Exakt das waren auch meine Gedanken gewesen. „Ja…“, meinte ich genervt. „Dann verstecken wir es eben am Gartenteich!“ „Ah, wie in diesen Gangsterfilmen im Kino? Mit so Plastikkapseln?“ „Nein, in Papiertüten!“, zischte ich. Ich fühlte mich irgendwie nicht ernst genommen. „Wie viel Geld liegt denn schon in deinem Teich? Vielleicht bist du ja reich, aber du weißt es gar nicht!“ „Na klar… da liegen sicher Millionen“, nickte ich und sah ihn sarkastisch an. „Deswegen arbeite ich ja auch für Sie!“ „H-heeey!“ Er sah mich anklagend an. „Sooo schlimm ist das aber auch nicht, Kuro-ta! Du übertreibst!“ „Ich übertreibe gleich, in dem ich Sie so hochkant rausschmeiße, dass sie nicht mehr aufstehen!!“ „Ähm. Die Idee mit dem Teich war aber gar nicht mal so schlecht…“ Ich seufzte, doch dann nickte ich. Naja – warum auch nicht? Wer versteckte sein Geld auch schon an einem Teich? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)