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Wanna know how it feels

~Bittersweet Pain~
von

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Prolog

Er schleifte sich durch die Gänge, musste sich immer wieder kurz an der Wand anstützen.

Er wusste nicht, wieso, aber immer wieder powerte er sich bei Konzerten dermaßen aus und erst zu spät bemerkte er, wie sehr dies an seiner Kraft zehrte.

Immer wieder drohten seine Beine nachzugeben und schließlich lehnte er sich mit dem Rücken an eine der weißen Wände.

Ihm war es gleich, dass sein Körper noch immer mit Schweiß und Kunstblut überströmt war.

Sein Blick wanderte hinab.

Keiner wusste es und keiner ahnte es und so sollte es auch bleiben, es war gut so.

Denn die kleinen sichtbaren Schnitte waren so echt, wie das Blut an dieser Stelle.

Er saß allein im Backstagebereich und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.

Noch waren die anderen nicht da, doch er war sich sicher, dass auch sie bald hier erscheinen würden, aber zuerst mussten sie ihre übliche Show abziehen, Plektren und Drumsticks loswerden.

Er hatte keine Zeit verloren, war gleich verschwunden.

Er seufzte tief und senkte den Blick. Die feinen roten Spuren waren noch immer sichtbar – und es waren noch mehr geworden. Er wusste, seine Bandmitglieder hatten sie bereits bemerkt, aber niemand hatte ihn darauf angesprochen.

Und er war froh darüber.

Fast 2 Wochen war es her. 2 unerträglich lange Wochen. Jeder Tag zog sich hin wie Kaugummi und wahrscheinlich würde es auch noch lange so weitergehen.

Es tat immer noch weh.
 

~Flashback~
 

Er war vollkommen fertig. Dieses Konzert war der Hammer gewesen und er war sich sicher, mindestens die Hälfte der Fans, die an diesem Abend anwesend gewesen waren, würden den nächsten Tag heiser sein.

Er grinste schief, als er sich die Menge in Erinnerung rief.

Es war einfach unglaublich, wie viel vergessen zu haben schienen, dass sie auch einfach nur ganz gewöhnliche Jungs waren. Jungs, die eben einfach gute Musik machten, sich gut verkauften und ein wenig mehr Glück gehabt hatten als andere.

Er schleifte sich in sein Hotelzimmer und begann, einige der verstreuten Sachen einfach achtlos in den Koffer zu werden, während sein Körper noch immer von Endorphinen geschüttelt wurde.

Schon morgen früh würde es weitergehen und er wusste nicht, wie lang er dieses Mal schlafen würde.

Immerhin hatte er es erst das letzte Mal geschafft, zu verschlafen und hatte damit den gesamten Verkehr aufgehalten.

Aber er konnte doch auch nichts dafür, dass er regelmäßig seinen Wecker überhörte?!

Doch bald würde es sowieso nach Haus gehen und er konnte endlich zu seiner Freundin. 5 Jahre. 5 Jahre waren sie nun zusammen und sie war mit ihm durch dick und dünn gegangen, hatte alles mitgemacht und ertragen. Es war die beste Zeit seines Lebens, dachte er sich, als sich ein abwesendes Lächeln auf seine Lippen schlich.

Ein plötzliches Klingeln ließ ihn zusammenzucken und in der Bewegung erstarren.

Sein Handy!

Wo verdammt hatte er es nur wieder hingelegt?

Er folgte dem Klingelton und schon bald hatte er es gefunden.

Als er die Nummer auf dem Display erkannte, legte er den Kopf schief und sein Lächeln wurde etwas breiter.

Wie er sie doch liebte!

Er hob ab und legte sich den Hörer an sein gesundes Ohr.

„Hey Aya-chan.“, sagte er liebevoll und ließ sich aufs Bett fallen.

Packen konnte er später immer noch.

„Konbanwa Tooru.“, hörte er die Frauenstimme am anderen Ende und hob eine Augenbraue. Irgendwie klang sie komisch.

„Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragte er deshalb besorgt und vernahm ein leises Seufzen.

„Nein ist es nicht. Ich vermisse dich.“, sagte sie nachdrücklich.

„Ich vermisse dich doch auch, aber-“

Weiter kam er nicht, da er mitten im Satz unterbrochen wurde. Etwas, was er von Aya gar nicht gewohnt war und das verwirrte ihn zusehends.

„Ich halte das nicht mehr aus. Ständig bist du weg! Wann konnten wir zusammen das letzte Mal etwas unternehmen – ohne deine Arbeit. Immer redest du nur davon, was ihr noch alles machen müsst, vertröstest mich mit Terminen, von denen ich weiß, dass du sie doch nicht einhalten kannst.“, sagte sie leise, klang verzweifelt und sein Gesicht wurde ernst.

Sie wollte doch nicht darauf hinaus, was er befürchtete?!

„Weswegen genau rufst du an?“, fragte er deshalb ernst, ließ keine Emotionen erkennen.

„Es ist einfach alles nicht mehr so wie es einmal war und wie es sein sollte. Du bist nicht mehr der Mann, den ich kennen und lieben gelernt habe. Und so geht das nicht mehr weiter.“, erklärte sie, doch er wusste, dass er all das, was sie gesagt hatte nicht ändern konnte und sie wusste es auch.

„Was genau – willst du damit sagen?“, hauchte er ihr zu, wusste nicht weshalb, denn die Antwort kannte er bereits.

„Es fällt mir nicht leicht das zu sagen aber –“

Er krallte sich an den Hörer, vernahm das leise Knacken von Plastik.

„Es ist vorbei.“, flüsterte sie und er schloss die Augen, unfähig etwas zu sagen, lauschte der Stille, die nun herrschte. Sein Atem ging schwer und er bemerkte den wachsenden Kloß in seinem Hals, als sich alles in ihm zusammenzog.

„Es war schön mit dir. Es tut mir leid.“, hörte er sie flüstern, doch er hatte Angst, würde er nun etwas sagen, würde ein Damm in ihm brechen.

Und da er nicht antwortete, lauschte er nur wenig später dem monotonen Tuten.

Sie hatte aufgelegt und er hatte nicht einmal versucht sie zu halten.

Hatte er sie einfach aufgegeben?!

Das Telefon entglitt seinen schlanken Fingern und er rollte sich auf dem großen Hotelbett zusammen, so sehr es ihm möglich war.

Er fühlte sich, als müsse er zerreißen. Wie sollte er nun weitermachen?

...
 

~Flashback Ende~
 

Er holte tief Luft, hatte das Gefühl zu ersticken, doch niemand half ihm. Dieser Schmerz ließ nicht nach.

Er wusste nicht, was er tun sollte und ihm war klar, niemand würde ihm helfen.

Niemand wusste davon. Aber schon morgen früh würde er heimkehren. Heim, in die Wohnung, die er bei seiner Abreise noch mit Aya geteilt hatte.

Sicher war sie schon ausgezogen. Was sollte sie auch noch dort?

In der Wohnung eines Mannes, dem sie anscheinend nicht einmal genug wert war, dass er sich änderte.

Er könnte es doch! Es wäre schwer, aber sie war sein Leben, er würde alles für sie tun.

Doch es war zu spät.

Sie hatte sich kein weiteres Mal gemeldet und jeder seiner Anruf wurde ignoriert.

Was sollte er denn tun? War es wirklich das letzte Mal, dass er mit ihr gesprochen hatte?

Und wieder schlossen sich die Wogen des tiefen Schmerzes über seinem Kopf und er ballte die Hände zu Fäusten, als er seine Knie an die Brust zog.

Er war ein Nichts, er war ein Niemand.

Er hatte genügend Fans, ausreichend würden auch nicht Nein zu ihm sagen, aber das war etwas vollkommen anderes und er würde es nie tun!

Genügend Stolz hatte er dafür noch.

Auch wenn er sich selbst hasste.

Er war nicht hübsch, nicht groß, schwamm irgendwo im Durchschnitt Japans. Und er konnte nicht einmal den wichtigen Menschen in seinem Leben glücklich machen.

Er hob den Blick, sah sich um, bis er seine Jacke fixierte.

Die anderen waren noch immer nicht da und vielleicht konnte er bis dahin noch etwas tun, um seinen Schmerz zu kompensieren.

Er würde ihn nie ganz verschwinden lassen, aber wenigstens half es ihm für den Moment, sich wenigstens etwas besser zu fühlen. Er wusste, schlechter konnte es nicht werden.

Also stand er auf und ging hinüber, um seine Jackentaschen zu durchforsten, bis er fand, wonach er suchte.

Ein kleines Taschenmesser. Er hatte es einmal geschenkt bekommen. Von Aya.

Es sollte ihm Glück bringen.

Er grinste schief, als er den Gegenstand in den Händen drehte.

Hatte wohl nicht funktioniert. Doch es war noch scharf und so würde es ihm wenigstens Erleichterung bringen.

Langsam senkte er die Klinge, drückte sie in das Fleisch. Erst nur vorsichtig, doch dann immer fester. Er fühle sich so hilflos, so wertlos und Tränen traten ihm in die Augen, auch wenn er den Schmerz nicht fühlte.

Vielleicht sollte er es ganz beenden?

Wer würde ihn schon vermissen?!

„Was machst du da?“, wollte plötzlich eine strenge Stimme wissen und ließ den Sänger zusammenzucken.

Er hatte nicht bemerkt, dass Die ebenfalls schon aufgetaucht war, ihn dabei störte, sich in seine eigene Welt zu retten.

Sein Griff um den Stiel des Messers wurde fester, er bewegte sich nicht, beobachtete nur, wie Tropfen um Tropfen des roten Lebenssaftes an der Klinge hervorquoll.

Was sollte er tun? Jetzt wo Die hier war, was würde er sagen? Was denken? Was würde er tun?

Er ballte die freie Hand zu einer Faust, spürte das Ziehen im Unterarm und genoss es. Genoss die Ablenkung, sodass er sich nicht einmal die Mühe machte, zu überlegen, was er als Ertappter nun tun sollte.

Doch der Gitarrist nahm ihm das Denken ab, stand plötzlich neben ihm und umfasste vorsichtig seine Hand, in der er das Messer hielt, entfernte sie langsam von der schmalen und trotzdem schon tiefen Wunde.

Er sah hinauf zu dem Rothaarigen, während er den Arm sinken ließ, sich aber noch immer krampfhaft an die scharfe Klinge klammerte.

Die schien verwirrt, wollte eine Antwort auf das Warum, doch er sah nur in zwei ausdruckslose Augen. Er würde keine Antwort bekommen, niemand würde das und er spürte, wie das warme Nass seinen Arme entlanglief bis es fiel und jeder Tropfen auf dem harten Boden der Realität in viele tausend Teile berstete.

Genau wie sein Herz, das schmerzhaft gegen seine Brust schlug.

Würde Die den anderen davon erzählen?

Doch in diesem Augenblick sagte er nichts, starrte ihn nur an, bis er ihn plötzlich in eine Umarmung zog, ihm Halt geben wollte. Doch er spürte, wie er immer weiter fiel.

Und irgendwann würde auch er aufschlagen und vollkommen zerspringen.

Es herrschte Stille im Bus. Sie waren schon seit Ewigkeiten auf Japans Straßen unterwegs und er wusste, die anderen wollten einfach nur nach Haus.

Nur er nicht.

War er ehrlich, hatte er sogar Angst davor, konnte für Nichts garantieren, wenn er allein war.

Er bemerkte, dass er die ganze Zeit über beobachtet wurde, doch er wandte den Blick nicht von der Welt hinter der verregneten Scheibe ab. Er wusste, dass Die es war und er war überrascht, dass er niemandem etwas gesagt hatte. Ohne, dass er ihn um sein Schweigen gebeten hatte.

Er würde nicht betteln, er würde nicht weinen. Nicht, solang er in Gesellschaft war, egal wie schwer es ihm fallen mochte.

Eine Hand legte sich vorsichtig an seine Schulter und ließ ihn zusammenzucken.

Sie sollte Wärme schenken, doch eisige Kälte durchzog ihn. Niemand sollte ihn berühren, ihm auch nur irgendwie zu nahe kommen.

Er wollte die Hand weg schlagen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht.

Auch egal, dachte er sich. Würde er eben erfrieren.

Und doch schien es ihm, als hätte Die Angst um ihn.
 

~Flashback~
 

Er fühlte sich schlecht und krümmte sich auf seiner Decke.

Sein ganzer Körper brannte und ihm war klar, wie krank es war, was er tat.

Die hatte ihm sein Messer genommen, doch der Schmerz nahm überhand. Er hatte etwas tun müssen, hatte es nicht mehr ausgehalten, als er seine Fingernägel in seine Haut bohrte, blutige Striemen auf Armen und Oberkörper hinterließ. Doch es reichte nicht. Er wiederholte es, wie ein geheimes Ritual und der brennende Schmerz seiner Hülle überdeckte den seines Herzens.

Ihm war egal, wie er aussehen musste.

Niemand würde ihn so sehen, keiner war bei ihm und bis zur nächsten Tour, zum nächsten Gig würden höchstens die Narben sichtbar sein.

Wen sollte es also stören?

Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, fühlte sich so dreckig, weil es so gut tat, die Wunden zu sehen, zu spüren.

Waschen, er sollte sich waschen, um sauberer zu werden. Dabei wusste er nicht, wie viel allein Wasser und Seife ausrichten würden, als er wie in Trance aufstand und sich ins Bad schleppte.

Warum hatte er so wenig Kraft? Er hatte doch gar nichts getan!

Aber er war eben ein Schlappschwanz, was erwartete er eigentlich?

Ein höhnisches Lachen drang durch das Hotelzimmer, als er sich seine Boxershort abstreifte und unter die Dusche stellte.

Mit einem schiefen Grinsen testete er die Temperatur des Wassers, bevor er sich in den Strahl stellte und vor Schmerz beinahe aufschrie.

Das warme Nass brannte wie Feuer auf der verletzten Haut. Doch er redete sich ein, dass er es verdient hatte.

Er hatte einen geliebten Menschen verletzt und verloren, nun war er an der Reihe, bis er sich selbst verlor.

Lang würde es nicht mehr dauern, er spürte bereits, wie mit jedem Mal, mit jedem Gedanken an Aya ein Stück seiner Seele aus ihm wich, eine leblose Hülle zurückließ, die nur noch existierte!
 

Er fuhr sich durch die Haare und trat aus dem Bad, hatte sich nicht die Mühe gemacht, seinen geschundenen Körper zu trocknen, nur ein Handtuch um seine Hüfte gebunden.

Im Zimmer war es dunkel, wieso sollte es auch nicht. Dunkelheit war wunderbar beruhigend, genau wie das kalte Licht des Mondes, das durch sein geöffnetes Fenster fiel, genau wie die kühle Nachtluft.

Plötzlich verharrte er in der Bewegung, als er Schuhe vor seinem Bett wahrnahm, die nicht ihm gehörten, an denen ein schlanker Körper anschloss.

Sein Blick wanderte die Gestalt hinauf, bis er genau in das ausdruckslose Gesicht des Anderen sah, der auf dem Bett sah, die Hände in seinem Schoß gefaltet.

„Wieso bist du hier?“, knurrte er, bevor der Größere etwas sagen konnte.

Doch der schloss einen Moment die Augen.

„Ich habe mir nicht umsonst Sorgen gemacht.“, war die leise Antwort und er stand auf.

„Setz dich.“, fuhr er fort und der Blonde wusste nicht, weshalb er überhaupt tat, was ihm gesagt wurde. Offensichtlich funktionierte er einfach. Genau wie eine Marionette in den Händen ihres Puppenspielers.

Er bemerkte nicht einmal, wie Die noch einmal aus dem Zimmer verschwand, doch schon wenig später wieder auftauchte, sich vor ihn kniete und mit einer Salbe die Wunden einrieb.

Kyo reagierte nicht, spürte die sanften Berührungen kaum, während sich ein gewisser Teil in ihm gegen sie sträubte.

„Ich verstehe dich nicht Kyo. Wieso machst du das? Morgen geht es nach Haus, aber seit Wochen richtest du dich so zu. Dabei solltest du dich freuen. Es wartet doch jemand auf dich, du wolltest ihr einen Antrag machen.“, erzählte der Rothaarige leise, spürte, wie der Sänger sich unter seinen Fingern verkrampfte.

Richtig, er wollte ihr einen Antrag machen, mit ihr den Rest seines Lebens verbringen und glücklich sein. Stolz hatte er seinen Bandmitgliedern den Ring gezeigt, den er noch immer in seiner Reisetasche trug.

Wie konnte ein Mensch nur so falsch liegen?

Wie konnte es so falsch sein, einen wunderbaren Menschen zu lieben?

„Niemand wartet auf mich.“, sagte er kühl, wusste nicht einmal, weshalb er die Lippen zu den Worten formte, während sein Blick nur weiter ohne Ausdruck auf den kalten Boden gerichtet war.

Die hielt in der Bewegung inne und sah ihn betroffen an.

„Oh.“, machte er nur leise, doch er Vocal schüttelte den Kopf.

„Lass mich allein.“, sagte er fest. Er wollte niemanden sehen, wollte kein Mitleid.

Er wusste, Die war sich nicht sicher, was er tun sollte, doch schließlich erhob er sich, ließ seine Hand noch einmal durch seine Haare gleiten.

Doch er wandte den Kopf ab, konnte diese Heuchlerei nicht ertragen.

„Hör auf mit dem Scheiß, okay. Du bist ein wertvoller Mensch und hast es nicht verdient, so kaputt zu gehen, auch nicht durch deine eigene Hand.“, hörte er leise Worte, dann legte der Gitarrist nur einen Verband neben ihm aufs Bett, ehe wenig später leise die Tür ins Schloss fiel.

Ja, er war wertvoll. Wertvoll für die Band. Aber nicht unersetzlich...
 

~Flashback Ende~
 

„Soll ich dich noch nach Hause bringen?“

Eine leise Stimme drang an sein Ohr. Er hatte gedacht, es wären schon alles gefahren und deshalb drehte er sich um, sah in das ruhige Gesicht des Anderen, um welches rote Strähnen im Wind tanzten.

Er wunderte sich, was Die denn an ihm für einen Narren gefressen hatte. Dachte er, er müsse auf ihn aufpassen?

Und trotzdem nickte er leicht, als er die Hände in seinen Taschen zu Fäusten ballte und ein leichtes Lächeln erschien auf den Zügen des Älteren.

„Dann komm.“

Und wie ein getretener Hund folgte er Die, den Blick gesenkt und die Tasche in seiner Hand. Das Gewicht ließ ein Ziehen durch seinen Körper jagen, doch er beachtete es nicht.
 

Stumm saßen sie nebeneinander im Wagen. Schon die ganze Zeit über hatte er nicht das Bedürfnis, etwas zu sagen, ertrug schweigend die mitleidigen Blicke, die immer wieder auf ihm ruhten.

Er wollte aussteigen, sobald sie standen, doch Die hielt ihn am Handgelenk zurück.

Also ließ er sich wieder weiter in den Sitz sinken, sah ihn aufmerksam an.

Konnte er ihm nicht einfach seine Ruhe lassen.

„Mach keinen Unsinn, hörst du. Ruf mich an, wenn es zu viel wird.“, sagte der Gitarrist leise, hob eine Hand und wollte ihm beruhigend über die Wange streichen.

Doch er zog den Kopf zurück und schlug mit zusammengezogenen Augenbrauen die Hand beiseite.

„Fass mich nicht an!“, knurrte er nur, bevor er nun doch ausstieg und seine Tasche von der Rückbank zerrte, ignorierte den betroffenen Blick des Gitarristen.

Stur steuerte er auf den Eingang zu, drehte sich erst dort noch einmal um.

Die stand noch immer da, die Scheinwerfer tauchten ihn selbst in helles Licht, obwohl es tiefe Nacht war.

Es tat ihm fast Leid, Die hatte es nur gut gemeint.

„Danke.“, sagte er leise, hoffte, dass Die verstand, ehe er die Hand zum Abschied hob und die Tür aufschob.

Sofort fiel sein Blick auf den Fahrstuhl und er seufzte.

Glücklicherweise funktionierte er. Wenigstens etwas gutes gab es also an diesem Tag!

Also stieg er sein, ließ die Tasche auf den Boden sinken, während er die 11 drückte und sich an die verspiegelte Wand lehnte.

Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen.

Was würde ihn erwarten?

Wieso nur wünschte er sich, der Fahrstuhl würde stecken bleiben und er würde jämmerlich verhungern, nie wieder diesen Schmerz ertragen müssen.

Er wusste, es könnte nicht ewig so weitergehen. Er musste aufhören, sich zu verletzen, musste lernen, mit Ayas Entscheidung umzugehen. Doch noch war die Wunde in seinem Herzen zu frisch, zu tief, um einfach verheilen zu können.

Hatte er es denn überhaupt noch?

Ein Rucken ging durch seinen Köper, als der Fahrstuhl hielt und die Türen sich dann mit einem leisen Pling die Türen öffneten.

Doch es hallte laut in seinen Ohren nach, sein Herzschlag beschleunigte sich, als er seine eigene Haustür sah.

Zögernd nahm er seine Tasche, ging Schritt für Schritt auf das Holz zu, schon Zahn für Zahn des Schlüssels ins Loch.

Er hatte Angst und wagte nicht, den Schlüssel zu drehen, lehnte die Stirn gegen die Tür.

Sein Blick fiel auf das Schild an dieser.

Ihre Namen, verbunden mit einem Herzen.

Tooru Nishimura & Aya Myaki

Er schloss die Augen und atmete tief durch, ehe er nun doch den Schlüssel drehte.

Er sah in den Flur. Irgendwo in der Wohnung brannte Licht und er fühlte sich, als müsse sein Herz zerspringen.

Aya war also noch immer hier.

Gleichzeitig machte sich ein kleiner Hoffnungsschimmer breit.

Vielleicht konnte er doch noch einmal mit ihr reden?!

Also stellte er leise seine Tasche ab und folgte dem Schein des gedämpften Lichtes.

Es kam aus dem Schlafzimmer.

„Aya!“, rief er und nur wenig später trat die Gerufene hektisch mit nur einem Bademantel aus dem angesteuerten Raum, zog die Tür hinter sich zu.

„Du bist schon wieder da.“, sagte sie und ein schiefes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

Hatte sie etwa noch nicht mit ihm gerechnet? Er hatte ihr doch gesagt, dass sie heute zurückkommen würden.

Und doch lächelte er leicht.

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dich hier noch einmal zu sehen.“, sagte er leise und sie schüttelte nur den Kopf.

„Ich habe schon alles gepackt. Ich wusste nicht, dass du heute kommen wolltest.“, sagte sie leise und in ihren Augen lag etwas wie Schuldbewusstsein und es verwirrte ihn, machte ihn neugierig.

In seinem Kopf legte sich alles wie ein Puzzle zusammen.

Ihr Schlussstrich nach 5 Jahren, das Licht aus dem Schlafzimmer, die Stille, ihr Verhalten.

Entschlossen ging er an ihr vorbei, riss die Tür zu dem Zimmer auf und spähte hinein, blickte direkt in das ertappte Gesicht des Fremden, der gerade versuchte, schnellstens seine Hose anzuziehen.

Er konnte nicht reagieren, starrte den Schwarzhaarigen einfach nur an.

Deshalb also. Es lag nicht nur an ihm. Sein Fehler war es, dass er nicht gut genug war. Er hatte nicht genug Zeit für sie, konnte ihr nicht das geben, was sie wollte.

„Tooru...“, flüsterte sie und es kam ihr vor, als hätte sie Angst.

Doch er konnte es nicht mehr hören, wollte es nicht.

Sie hatte ihm das Herz gestohlen und trat nun darauf rum.

Sie war sein Leben, was sollte er ohne sie tun.

Tränen traten in seine Augen, doch er blinzelte sie weg, als Leere seinen Körper ergriff und ihn auseinanderriss. Er wollte keine Schwäche zeigen. Er wollte nur noch, dass es vorbei war.

Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handfläche und er schloss die Tür hinter sich, warf ihr einen verletzten Blick zu, doch in ihren Augen lag keine Reue, nur Mitleid.

Was sollte er damit? Es würde nichts ändern.

Er wandte ihr den Rücken zu und wollte nur noch eines.

Vergessen...

Epilog

Er saß auf dem Dach und der Mond schien hell auf ihn hinab.

Es war keine Wolke am Himmel zu sehen, doch sein Blick verschleierte sich von Sekunde zu Sekunde mehr.

Er wurde immer schwächer, doch so verrückt es war, es fühlte sich gut an.

Ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

Die Sterne waren wunderschön, doch er nahm sie immer weniger wahr, mit jedem Tropfen, der aus seinem Arm quoll.

Es war ein sehr schöner Ort um...

Und doch reichte es noch nicht.

Bevor er aber ein weiteres Mal ansetzte, griff er nach seinem Handy. Warum er es mitgenommen hatte, wusste er nicht mehr, doch nu war er froh drüber.

Er wählte die Nummer und wartete, bis eine besorgte Stimme das Tuten unterbrach.

Die wusste also, dass er es war.

„Die, kannst du herkommen? Ich kann nicht mehr, ich halt es nicht aus. Und ich will nicht allein sein.“, sagte er leise, war zu mehr nicht im Stande.

Er hörte Die die Luft einziehen, bevor er antwortete.

„Natürlich, ich bin gleich da. Pass auf dich auf.“, sagte er hektisch und der Sänger hörte ein Rascheln, das ihm sagte, dass Die seine Jacke anzog.

„Ich bin auf dem Dach.“, wisperte er, beendete dann das Gespräch.

Er presste die Lippen aufeinander. Er spürte, wie noch immer die Tränen über seine Wangen glitten, denen er freien Lauf gelassen hatte, als er das Dach erreicht hatte und die kühle Luft einatmete, die nun an seinem Körper zerrte.

Er zitterte und ihm war kalt, also zog er die Beine noch etwas weiter an seine Brust, als er beobachtete, wie ein einsamer Tropfen in die endlosen Tiefen fiel.

Was würde wohl passieren, wenn Die hier auftauchte. Würde er ihn verurteilen? Ihn hassen?

Aber war es nicht eigentlich egal?

Mit diesem Gedanken presste er die Klinge zum 7. Mal tief in das Fleisch, hinterließ einen langen tiefen Schnitt, als Luft scharf in seine Lunge gezogen wurde.

Er wollte den Schmerz nicht fühlen, wollte nur noch, dass es vorbei war.

Was sollte schon passieren? Wer sollte ihn denn schon vermissen? In jeglicher Hinsicht war er ersetzbar. Man brauchte ihn nicht. Wieso also sollte er leben?
 

Langsam wurde ihm schwarz vor Augen, alles drehte sich, als er hörte, wie jemand auf ihn zueilte, spürte, wie sich Arme fest um ihn schlossen.

„Kyo, hey. Nicht wegtreten, du musst wach bleiben!“, redete Die auf ihn ein und er öffnete die Augen einen Spalt breit, um ihn ansehen zu können.

„Danke, dass du hier bist.“, flüsterte er kraftlos und ließ sich kraftlos in die Umarmung sinken, als er seine Augen wieder schloss.

Sein Atem ging langsam und flach und alles was er sah war rot. Überall rot.

Doch es tat nicht weh, war wunderbar warm.

„Nicht Kyo, bitte. Lass den Schwachsinn. Bitte! Ich – ich liebe dich!“, war das letzte was er hörte, bevor er mit einem gut gemeinten Lächeln in seine eigene Welt voll Liebe und Wärme glitt, wo ihn nie wieder jemand verletzen konnte.
 

There is not always a happy ending...

…or maybe…



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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von: abgemeldet
2008-05-01T11:16:59+00:00 01.05.2008 13:16
boah....nein...das is so traurig...ich heul schon wieder...........schreib bitte weiter so!!! TT_________TT
Von:  Mucc
2008-03-31T14:45:18+00:00 31.03.2008 16:45
(u___u) ne oder?nich zu ende...bah ich wein gleich das is gar nich gut...die story ist so schön ...und wenn dus doch noch weiter schreibst *zwinkerzwinker* dann könnte man fast meinen sie wär auch passiert xD
aber echt schön geschrieben!
Von: abgemeldet
2007-10-14T21:01:03+00:00 14.10.2007 23:01
HAHA, ich hab zwei Monate oder laenger nicht geweint und du haettest es hiermit beinahe geschaft, mich dazu zu bringen: Respekt!
Von:  LadySnowblood
2007-10-09T11:05:09+00:00 09.10.2007 13:05
Happy endings, no they never bore me.
Happy endings, they still don't bore me.

...aber mach's uns auch nicht zu einfach, ^^
denn bist jetzt is die ff einfach hervoragend
Von:  -aftermath-
2007-10-08T20:48:13+00:00 08.10.2007 22:48
bitte mach weiter><
dazu ist die FF einfach zu toll, um sie so enden zu lassen><
ich finds toll, wie du Kyos gefühle rüberbringst, so realistisch eben
Von:  KatzeMorle
2007-10-08T20:00:21+00:00 08.10.2007 22:00
Bitte weiterschreiben. Die FF ist einfach nur wunderschön auch wenn sie voller Trauer ist. Du beschreibst Kyo´s Empfindungen wirklich Perfekt.
Die würde mir voll Leid tun wenn Kyo so in seinen Armen sterben würde.
Auf der anderen Seite ist das Ende ja fast offen, mmh also Bitte weiterschreiben.
Tschau Morle
Von: abgemeldet
2007-10-08T17:09:51+00:00 08.10.2007 19:09
oh gott!
die ff is soo schön geschrieben
&& soo traurig ; x;
ich find die echt toll <3
&& ich würd mich echt freuen wenn du weiter schreiben würdest !!
...

Von: abgemeldet
2007-10-08T15:15:11+00:00 08.10.2007 17:15
ich wäre sehr dafür, dass du noch weiter schreibst.

du schreibst realistisch - auch wenn es die thematik vieler diru ff's hat, schreibst du mit niveau und gutem schreibstil.
das findet man hier wirklich nicht mehr oft >.>
danke dafür!

ich finde es super wie du auf seine gefühlswelt eingehst, wie wunderbar du diese beschreibst und wie nachvollziehbar es für leser wird, die damit wenig bis gar nichts zu tun haben.

und daisuke wird schön rübergebracht - realistisch und auch hier nachvollziehbar.
ebenso ist es genau die richtige "dosis" der sätze wie du ihn bzw eine zweite person reinbringst.
ebenso schreibst du nicht viel über aya aber wesentlich und genug.

Von:  Kyo-chi
2007-10-08T12:59:21+00:00 08.10.2007 14:59
Die Fic ist so schön .____.
Aber das Ende! ;O;
Ich will nicht, dass es so endet...
Aber irgendwie passt es auch...
*unsicher ist*
Aber es ist so traurig...
Kyo soll nicht sterben.............
Von: abgemeldet
2007-10-08T12:11:44+00:00 08.10.2007 14:11
Schreib weiter.
Ich weiß nicht, ich will das es da jetzt nich einfach so endet.
Ob sie zusammenkommen oder nicht oder sonstwas - however.
Ich finde es toll wie du seine Gefühle beschreibst.
...und es is so verdammt traurig.

...Der kleine tut mir so leid.


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