Mondzeiten von risuma (Eine Drachengeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: Der Fremde --------------------- Mit letzter Kraft schaffte er es bis zu seiner Höhle. Er hatte die Männer zu spät bemerkt, die es auf dieselbe Beute abgesehen hatten, wie er. Als er sich das Reh, das zum trinken ans Wasser gekommen war, schnappen wollte, geriet er in einen Pfeilhagel und musste unverrichteter Dinge abdrehen. Einige Pfeile hatten ihn empfindlich getroffen, einer steckte in seiner rechten Flanke und zwei in seinem linken Flügel, weshalb das Fliegen sehr anstrengend für ihn wurde. Hungrig und verletzt kehrte er in seine Höhle zurück. Den Pfeil in seiner rechten Flanke schaffte er noch herauszuziehen, doch dann brach er erschöpft zusammen. Um seinen linken Flügel würde er sich erst am nächsten Tag kümmern können. So gut es ging rollte er sich zum schlafen zusammen. Am nächsten Morgen erwachte er mit einem knurrenden Magen und großen Schmerzen in seiner rechten Seite. In der linken Schulter und im linken Oberarm steckten noch die Pfeile. Mit zusammengebissenen Zähnen zog er sich vorsichtig die Pfeile heraus und machte sich auf die Suche nach Heilkräutern, die in der Nähe seiner Höhle wuchsen. Als er genug gesammelt hatte, begab er sich zurück in seine Höhle. Sterne tanzten vor seinen Augen, als er vom Blutverlust geschwächt auf sein Lager sank. Doch er riss sich noch einmal zusammen, er musste erst noch seine blutenden Wunden versorgen, bevor er sich endlich ausruhen konnte. Als die Sonne unterging wachte er schweißgebadet auf. Er hatte Durst und musste unbedingt etwas essen. Da es in seiner Höhle nichts zu essen gab, musste er sich auf die Suche nach etwas zu essen machen. In der Nähe der Höhle befanden sich ein kleiner Tümpel, an dem er seinen Durst stillte, und mehrere Beerensträucher, so dass er seinen Hunger ebenfalls stillen konnte. Glücklicherweise waren seine Selbstheilungskräfte als Drache ziemlich groß und in Verbindung mit den richtigen Kräutern hatten seine Wunden bereits aufgehört zu bluten. Gesättigt kehrte er zu seiner Höhle zurück und ließ sich erschöpft auf das Felsplateau vor seiner Höhle nieder. Von dort hatte er einen wunderbaren Blick über sein Tal und seinen See und er ließ seinen Blick darüber schweifen. Er liebte diese Stunde, wenn sein See silbern das Licht des Vollmondes widerspiegelte. Auf einmal bemerkte er, wie sich vorsichtig ein junger Mann aus dem nahe gelegenen Wald in Richtung See bewegte. Er setzt sich ans Ufer und schien ins Wasser zu schauen. Das war ungewöhnlich, denn bisher hatte er noch nie andere Besucher als die Tiere des Waldes an seinem See. Interessiert beobachtete er den jungen Mann, doch der schien tatsächlich nichts anderes zu machen, als ins Wasser zu schauen. Wer er wohl war? Wo er wohl herkam? Was führte ihn hierher, hier in das versteckte Tal, das bisher noch nie von einem Menschen entdeckt worden war? Irgendetwas in der Haltung des Fremden berührte ihn schmerzlich, doch er konnte nicht genau sagen, was. Auf jeden Fall konnte er nicht aufhören ihn zu beobachten und wenn ihn seine Schmerzen nicht dazu gezwungen hätten, sich wieder zu seinem Lager zu begeben, wäre er bis zum Mondunter- und Sonnenaufgang auf seiner Terrasse sitzen geblieben und hätte dem Fremden zugeschaut. So aber schleppte er sich in seine Höhle, legte noch einmal die Kräuterverbände an und legte sich wieder hin. Nicht mehr lange, dann wäre Vollmond vorbei und er würde sich wieder in das verwandeln, was er eigentlich war: ein Drache, ein einsamer schwarzer Rotaugendrache. Bis zum nächsten Vollmond. Er wusste nicht, warum dies so war, doch seit erreichen der Geschlechtsreife verwandelte er sich jedes Mal bei Vollmond in einen Menschen, einen jungen Mann mit blonden Haaren und braunen Augen. An diesem Tag wurde er aus der Drachenkolonie ausgestoßen und fortan von Menschen UND Drachen gejagt. Seit diesem Tag war er allein und froh, als er nach langer Suche endlich dieses versteckte Tal fand, mit dem lang gestreckten See voller Fische, genügend Wild in den umliegenden Wäldern und dieser gemütlichen Höhle, mit dem Felsplateau vor seinem Eingang. Der perfekte Ort für einen Drachen. Menschen und Drachen ließen ihn hier in Ruhe. So lebte er sein Leben: unbehelligt, aber allein. Nur manchmal, wenn ihn die Sehnsucht packte, verließ er sein Tal und jagte außerhalb, stets darauf bedacht, sich nicht von Menschen oder Drachen sehen zu lassen. Am nächsten Morgen krabbelte er auf sein Plateau und versuchte vorsichtig seinen linken Flügel zu bewegen. Aber schon nach dem ersten Versuch ließ er es lieber sein, es würde noch zwei oder drei Tage dauern, bis er seinen Flügel wieder bewegen und somit auch wieder fliegen konnte. Solange würde er in seiner Höhle bleiben müssen und hoffen, dass sich eine Maus oder ein Kaninchen in seine Höhle verirren würde, damit wenigstens etwas in seinen Magen kam. Während er darauf wartete, dass sein Flügel heilte, musste er über den Fremden nachdenken, der so einsam und verloren an seinem See gesessen hatte. Ob er ihn wohl wieder sehen würde? Es wäre schön. Denn er sah nicht so aus, als ob er gefährlich für ihn werden könnte. Es wäre schön, wenn es in diesem Tal noch jemand geben würde, jemand der ihm seine Einsamkeit nahm. Als die Dämmerung herankam legte er sich erwartungsvoll auf sein Felsplateau und beobachtete den Wald, die Richtung, aus der der Fremde gestern kam. Aber die Nacht verging und der Fremde erschien nicht. Ebenso am nächsten Tag. Am Tag darauf probierte er, ob er schon wieder fliegen konnte und freute sich, als er merkte, dass ihn sein Flügel wieder für kurze Strecken tragen konnte. Er flog zu seinem See hinunter, stillte erst einmal seinen furchtbaren Durst und machte sich daran Fische zu jagen. Gesättigt flog er zu seiner Höhle zurück und ließ sich, auf dem Plateau liegend, von der Sonne bescheinen. Noch zwei Tage, dann wäre sein Flügel richtig ausgeheilt, dann könnte er wieder lange Strecken fliegen, und dann wollte er den Fremden suchen. Nach drei Tagen, an denen er nichts anderes tat als zum See zu fliegen, sich den Bauch mit Fischen voll zuschlagen und sich weiter zu erholen, war er vollständig genesen. Nichts erinnerte ihn mehr an das Desaster vor dem letzten Vollmond, nicht einmal das kleinste Ziepen. Frisch gestärkt beschloss er nun seine Umgebung nach dem Fremden abzusuchen, doch er konnte ihn nicht finden, nicht einmal die Spur eines Lagers, das auf seine Anwesenheit hingedeutet hätte. Enttäuscht kehrte er am Abend in seine Höhle zurück. Blaue Augen beobachteten ihn aufmerksam aus ihrem Versteck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)