Mondzeiten von risuma (Eine Drachengeschichte) ================================================================================ Kapitel 19: Yugi ---------------- Kurz vor Sonnenaufgang erwachte Seth. Langsam wurde es zur Gewohnheit, die Sonne morgens aufgehen zu sehen. Leise zog er sich an, nahm seine Gerätschaften zum Jagen und machte sich auf den Weg in den Wald. Er hatte das Gefühl, wenn er darauf warten würde, dass die anderen ebenfalls erwacht waren, dann könnte er nicht mehr allein in den Wald und zur Jagd gehen. Es war noch etwas frisch, als er den Wald betrat, doch das zügige Ausschreiten sorgte dafür, dass ihm schon bald angenehm warm wurde. Und die Aussicht Jono gleich wieder zu sehen, beflügelte seine Schritte noch mehr. Er hatte ihm doch ganz schön gefehlt. Das Schlafen unter seinem Flügel hatte etwas äußerst beruhigendes für ihn und war ihm schon ziemlich vertraut. Das Bett in der Hütte war nicht schlecht, ja sogar richtig weich, aber es konnte ihm nicht die Geborgenheit geben, die er bei Jono fand. Ob Jono noch schlief? Er würde ihn ja gern überraschen, aber so, wie er Jono kannte, hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen und wartete bereits auf ihn. Vorwitzig wagten sich zwei Kaninchen auf den Weg und er hatte ruckzuck eines davon erlegt. Das zweite war zu schnell, noch ehe er den zweiten Pfeil einlegen konnte, war es verschwunden. Aber so hatte er immerhin ein kleines Frühstück für Jono. „Guten Morgen, Frühstück!“, begrüßte er Jono, als er auf die Lichtung trat, und zeigte ihm das Kaninchen. >Immerhin mehr, als eine Maus.< grummelte Jono, froh ihn zu sehen. „Hey, nicht sauer sein, Ja?! Ich hab mich extra für dich aus dem Dorf geschlichen, damit wir den Tag zusammen verbringen und gemeinsam ein Stück fliegen können.“, verteidigte sich Seth. >Hast du denn schon was gegessen?< erkundigte sich Jono, nachdem er das Kaninchen verspeist hatte. „Nur eine Handvoll Beeren auf dem Weg hierher.“, antwortete Seth. >Dann lass uns gleich los fliegen und uns ein anständiges Frühstück suchen.< drängelte Jono. Er wollte Seth jetzt für sich haben und hatte Angst, dass noch etwas dazwischen kommen könnte. „Ja“, nickte Seth und kletterte auf Jonos Rücken, „los geht’s.“ Jono flog bis fast zurück zu ihrem Tal, dort gab es keine Menschen und das Wild war zahlreich. Es dürfte also kein Problem sein zwei Hirsche zu fangen und auch noch etwas für sie selbst. Sie suchten sich ein Plätzchen für die Landung aus. Seth untersuchte den Boden nach Spuren während Jono seine Nüstern in den Wind hielt und schnupperte, ob er ein Wild ausmachen konnte. Seth kam nach einer Weile zurück und hatte mehrere Losungen gefunden, die alle zu einem kleinen Bach führten, den die Tiere als Tränke nutzten. Jetzt hieß es nur noch warten, und hoffen, dass der Wind nicht drehte und ungünstig für sie stehen würde… Doch sie hatten Glück, das Wetter liebte sie und der Wind drehte nicht. Seth erlegte drei Kaninchen, die sie sich zum Frühstück genehmigten, Jono roh und Seth in gebratener Form. Gegen Mittag trat ein Hirsch an die Tränke und wurde von Seht erlegt und am Nachmittag konnte Seth einen zweiten Hirsch erlegen. Sie machten sich auf den Rückweg und Jono seufzte tief, als sie wieder an der Lichtung ankamen. Jetzt hieß es sich wieder zu trennen, und er gab seinen Seth überhaupt nicht gerne wieder her. „Jetzt guck doch nicht so traurig“, sagte Seth seufzend. >Ich will nicht, dass du gehst!< maulte Jono. „Aber du weißt doch noch, warum wir hier sind, oder?“, fragte ihn Seth. >Ja.< gab Jono zu, >Wir brauchen Leder für unser Lager auf der kleinen Insel.< „Wenn es dir lieber ist, können wir es aber auch bleiben lassen.“, bot Seth an. >Was bleiben lassen?< jetzt kam Jono gerade nicht richtig mit. „Na, das Lager auf der Insel, mein ich, dann bräuchten wir auch kein Leder mehr.“, erklärte Seth. Jono war hin und her gerissen. Das Lager auf der Insel hätte ihm schon gefallen, aber Seth zu den Menschen gehen zu lassen, allein gehen zu lassen, fiel ihm doch sooo schwer… >Wir könnten jetzt sofort zurückfliegen?< Jono blickte Seth hoffnungsvoll an. „Das wäre nicht so gut, ich würde alle meine Sachen im Dorf lassen müssen. Außerdem würden sie sich Sorgen um mich machen und mich suchen, weil sie denken würden, dass mir etwas Fürchterliches zugestoßen wäre. Das fände ich den Dorfbewohnern gegenüber nicht recht.“, erwiderte Seth. >Du hast ja sicher recht, immerhin kennst du die Menschen besser als ich. Aber ich mag das trotzdem nicht, dass du gehst. Und es gibt nichts, womit du mich vom Gegenteil überzeugen könntest. Und jetzt geh, sonnst überleg ich es mit noch.< sagte Jono harsch. „Ach Jono, mach es mir doch nicht so schwer.“, seufzte Seth, „ich will dich doch auch nicht allein lassen. Was glaubst du wohl, was die Menschen mit dir anstellen würden, wenn sie dich zu Gesicht bekämen? Sie würden dich töten wollen!“ >Meinst du, ich weiß das nicht?< gab Jono traurig zurück. >Was glaubst du wohl, warum ich dich allein gehen lasse? Auch wenn es mir schwer fällt?!< „Danke!“ Seth schmiegte sich an Jono und gab ihm einen kleinen Kuss auf seine Nüstern. „Ich muss jetzt gehen, bis morgen.“ Seth schulterte einen der beiden Hirsche und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Ungläubig beobachteten violette Augen das Geschehen. ~~~ Yugi war im Wald und schaute nach den Fallen, die er ausgelegt hatte. Er hoffte, dass sich einige Fasane darin gefangen hätten, denn er wollte so gern die Fasanenfedern haben, damit seine Mutter sie an das Hochzeitsgewand seines Bruders nähen konnte. Es sollte sein Hochzeitsgeschenk an ihn sein. Doch damit es etwas hermachte, brauchte er mindestens 20 Fasane. Vier Fasane hatte er schon, jetzt wollte er nur noch die Schlingen bei der Lichtung kontrollieren und dann musste er auch schon wieder ins Dorf zurück, denn die Sonne war bereits am untergehen. Er war schon fast an der Lichtung, als er lautes Flügelschlagen hörte. Neugierig, welcher großer Vogel das wohl sein würde, schlich er sich vorsichtig zur Lichtung. Er hatte das Glück, schon viele der großen Vögel gesehen zu haben, einmal war es sogar ein Adler, aber von diesem Vogel hatte er immer nur geträumt und nieeee geglaubt, jemals einen in Natura zu sehen zu bekommen. Er war einfach wunderschön, so groß und majestätisch. Yugi hielt die Luft an, er hatte Angst diesen wunderschönen Anblick zu zerstören. Dann sah er Seth, wie er von diesem majestätischen Geschöpf herabkletterte und sich mit ihm zu unterhalten schien. Er konnte es nicht fassen, Seth hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt und war mit einem Drachen unterwegs. Und er hatte zwei Prachtexemplare von Hirschen dabei. Als Seth sich auf den Weg machte, schlich er zu seinen Fallen zurück und hatte Glück. Es hatte sich noch ein Fasan in ihnen verfangen. Doch jetzt musste er sich sputen, damit er rechtzeitig im Dorf war. Er kannte eine Abkürzung, und hoffte, dass Seth ihn nicht entdecken würde. Aber Seth war schneller, als er dachte, und so war er auf einmal hinter ihm. Seth drehte sich zu ihm um, und grüßte ihn freundlich. ~~~ „Hallo, du bist doch der Junge, der sich so für die Drachengeschichten interessiert hat, oder?“, grüßte ihn Seth. „Ja.“, wurde Yugi vor Freude ganz rot. Dass er sich daran erinnerte… „Du bist ja richtig erfolgreich gewesen! Fünf Fasane, wenn ich mich nicht täusche.“, meinte Seth anerkennend. „Die sind für meinen Bruder, ich meine die Federn.“, sagte Yugi schüchtern. „Sieht dein Bruder so aus wie du?“, wollte Seth von ihm wissen. Er meinte sich erinnern zu können, einen jungen Mann gleichen Aussehens am Abend gesehen zu haben. „Ja“, nickte Yugi stolz. „und zur Sonnenwendwendfeier heiratet er.“ Yugi liebte seinen großen Bruder, er wollte eines Tages auch so klug und stark wie er sein. „Dann ist die Haut dieses Hirsches also für sein Hochzeitsgewand.“, stellte Seth fest. „Ja.“, konnte Yugi wiederum nur nicken. „Und die Federn sind für sein Oberteil bestimmt?“, vermutete Seth. Der Junge gefiel ihm. Er erinnerte ihn ein wenig an seine kleine Schwester. Sie wäre gewiss ebenso eifrig bei der Sache, wenn es sich um seine Hochzeit handeln würde. „Ja.“, sagte Yugi. „Und, wie heißt du, „Kleiner Bruder“?“, zwinkerte Seth Yugi zu. „Yugi.“, antwortete Yugi schüchtern. Er war ja gestern schon von Seth begeistert gewesen, aber nun hatte er Ehrfurcht vor ihm. Er war auf einem Drachen geflogen, die Geschichten aus alter Zeit waren also wahr, aber die Erwachsenen glaubten nicht daran. Für sie waren das nur Märchen, die man den Kindern erzählte, ansonsten mieden sie Drachen oder hielten sie für böse. Nein, er würde Seths Geheimnis nicht verraten, doch nun hatte er einen neuen Traum. Wenn er groß wäre, wollte er sich auch einen Drachen suchen… Dass dies bei Seth ganz anders war, konnte er ja nicht wissen. „Und wie heißt die neue Schwester, die du bekommen wirst?“, erkundigte sich Seth. „Anzu, die Tochter vom Ortvorsteher.“, gab Yugi Auskunft. „Aha, ist sie denn schon alt genug zum heiraten?“ „Am Tag vor Sonnenwende wird sie 16 Jahre alt. Mein Bruder und sie sind von Kind an unzertrennlich gewesen. Also haben unsere Eltern beschlossen, dass sie zur Sonnenwendfeier zusammen gegeben werden sollen.“, erklärte ihm Yugi. „Fühlst du dich denn nicht einsam, wenn dein großer Bruder fort ist?“ „Nein“, lachte Yugi, „er baut seine Hütte doch direkt neben unserer Hütte. Und außerdem ist da ja auch noch Tea, Anzus kleine Schwester.“, bekannte Yugi errötend. „Wird sie dann deine Braut?“, neckte ihn Seth. Yugi wurde der Antwort enthoben, da sich ihnen ein junger Mann in den Weg stellte, als sie aus dem Wald heraus traten. „Yugi, da bist du ja endlich. Wir hatten uns schon Sorgen gemacht.“, wurde Yugi vorwurfsvoll erleichtert von seinem Bruder begrüßt, der wie seine ältere Ausgabe aussah. „Entschuldige Yami, ich habe Seth im Wald getroffen, als ich auf dem Weg von meinen Fallen zurück ins Dorf war. Seth, das ist mein Bruder Yami.“, stellte Yugi seinen Bruder vor. „Darf ich dir den Hirsch abnehmen? Er ist sicherlich nicht besonders leicht, du musst ganz schön erschöpft sein.“, bot Yami an. „Herzlichen Dank. Du hast Recht, jetzt zum Schluss wurde der Hirsch doch ganz schön schwer.“, bedankte sich Seth über das Angebot. „So, und du bist also auch versprochen?“, erkundigte sich Yami bei Seth. „So ist es.“, gab Seth zur Antwort. „Und deine Braut hat dich so einfach gehen lassen?“, hakte Yami nach. „Anzu würde mir eher die Augen auskratzen, als mich für ein Jahr gehen zu lassen, um mir die Welt anzusehen.“ „Es ist Jono auch nicht leicht gefallen mich gehen zu lassen. Aber es war so besser für uns, weil wir noch nicht heiraten konnten. Deshalb ließ sie mich für dieses eine Jahr gehen.“ „Und wann ist eure Hochzeit?“, wollte Yami noch wissen. „Zur Wintersonnenwende.“ „Ist sie dann auch endlich alt genug, um heiraten zu dürfen?“, zwinkert Yami Seth zu. Er kannte d i e s e s Problem selbst nur zu gut. Seth enthielt sich der Antwort und Yugi fühlte sich ein wenig überflüssig. Yami hatte ihn noch überhaupt nicht gelobt und von seinen Fasanen Notiz genommen. Unterdessen waren sie im Dorf angekommen und waren nicht unbemerkt geblieben. „Der Hirsch ist ja wohl für euch.“, trennte sich Seth von den Beiden, als er den Dorfvorsteher erblickte. „Und Yugi, danke für die nette Begleitung.“ Seth ging zum Dorfvorsteher und auf einmal stand Yugi im Interesse aller. „Du warst mit ihm unterwegs?“ „Erzähl, wie ist er so?“ „Hat er was über sich erzählt?“ „Hast du ihm bei der Jagd zu gesehen?“, prasselten die Fragen nur so auf ihn nieder. Yugi wusste überhaupt nicht, wo ihm der Kopf stand, was er antworten sollte, und fühlte sich ziemlich unwohl. „Lasst meinen kleinen Bruder einfach in Ruhe!“, nahm Yami seinen kleinen Bruder in Schutz und begab sich mit ihm zu ihrer Hütte, in der ihre besorgte Mutter schon auf sie wartete. In der Zwischenzeit durfte sich Seth von dem Dorfvorsteher auch eine kleine „Gardinenpredigt“ anhören. „Es ist wirklich nicht schön, dass du dich so still und heimlich auf den Weg gemacht hast. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht.“, schimpfte der Dorfvorsteher nicht mehr ganz so ernst. „Ich war schon vor Sonnenaufgang wach und konnte nicht mehr schlafen. Ich wollte niemanden aufwecken, um mich zu verabschieden. Es war ganz und gar nicht meine Absicht, dass sich jemand Sorgen um sich macht. Entschuldigt vielmals.“ Seth verbeugte sich höflich. „Ist schon in Ordnung, ich möchte dich nur darum bitten, dass du Bescheid gibst, bevor du wieder zum jagen aufbrichst. Unsere Männer haben vor nicht allzu langer Zeit einen Drachen gesehen, der ihnen die Beute streitig machen wollte und haben ihn verletzt.“ Seth schluckte. „Wo war das?“, wollte er vorsichtig wissen. „Am See nördlich vom Dorf. Pass gut auf dich auf, wenn du jagen gehst, ja? Es könnte ja sein, dass er noch irgendwo in der Nähe ist.“, bat Solomon. „Ich kann dir ja schlecht verbieten, allein zur Jagd zu gehen, da du ja allein unterwegs bist, aber meinen Männern ist es zur Zeit untersagt allein jagen zu gehen. Aber bevor ich es vergesse: du hast Yugi im Wald getroffen?“, wechselte Solomon das Thema. „Ich traf ihn direkt am Waldrand, in Sichtweite des Dorfes.“, beschwichtigte Seth Solomon. „Und soweit ich gehört habe, greifen Drachen ja wohl auch keine Dörfer direkt an. Oder ist das falsch?“, lenkte Seth von Yugi ab, denn er wollte nicht, dass er Ärger bekam. Yugi hatte sich wohl etwas weiter vom Dorf entfernt, als es ihm gestattet war. Aber er wollte es nicht sein, der ihn auffliegen ließ. „Außerdem werde ich mich vom See fernhalten.“, kam Seth zum ursprünglichen Thema zurück. „Nicht, dass ich am Ende eine unliebsame Begegnung mit einem Drachen habe. Danke, für die Warnung.“ Oh ja, Seth bedankte sich wirklich für diese „Warnung“. Jono musste sich sehr vorsehen, und vor allem sollten sie tatsächlich bald von hier verschwinden, bevor ihn noch jemand entdeckte. Er war diesen Menschen tatsächlich bekannt. Und es war ein Glück für sie, dass sie ihn in Ruhe jagen ließen, damit er die beiden Hirsche erlegen konnte. Die anderen Dorfbewohner wollten ihm nicht im Wege stehen. Nach einem einfachen Abendessen zog Seth sich zum Schlafen zurück. Immerhin war er ja heute schon vor Sonnenaufgang aufgestanden. >Jono, schläfst du schon?< wollte er von Jono wissen. >Nein, ich hab auf dich gewartet.< antwortete ihm Jono. >Die Dorfbewohner haben dich noch nicht vergessen und sind sehr wachsam. Aber mir können sie dass allein jagen ja nicht verbieten. Ich komme morgen etwas später, um den Hirsch zu holen. Ach ja, auf dem Rückweg bin ich einem kleinen Jungen begegnet. Er hatte mir gestern Abend Löcher über Drachen in den Bauch gefragt. Er scheint Drachen sehr zu mögen. Ein richtig aufgeschlossener Junge.< erzählte Seth. >Du magst ihn, nicht wahr?< Jono konnte die Eifersucht nicht ganz unterdrücken. >Ja, aber dich mag ich viel mehr. Er ist ein Junge von ungefähr 10 Jahren, außerdem hat er schon eine kleine Freundin. Also keine Sorge.< beruhigte Seth. >Ich versuchs.< antwortete Jono. >Aber du kommst morgen auf jeden Fall?< >Ja, aber diesmal besser erst nach dem Frühstück. Sonst macht sich Solomon nur wieder unnötige Sorgen.< >Hoffentlich kommst du morgen ungesehen los.< hoffte Jono. >Ja, dass hoffe ich auch. Schlaf schön, ich bin jetzt wirklich müde.< gab Seth zurück. >Ja, du auch. Ich vermisse dich.< >Ich dich auch.< antwortete Seth. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)