Kurzgeschichten von 1810 ================================================================================ Professor --------- Wellen kräuselten sich auf dem großen See, während ein leichter Wind über seine Oberfläche hinweg wehte. Doch bekam davon nicht einmal das aufmerksamste Lebewesen etwas mit, denn die Nacht war schon über die Ländereien hereingebrochen. Es war ein dunkler, lichtloser Abend und dicke Wolken rotteten sich am Firmament zusammen. Die Sonne verschwand gerade hinter den Bergen, ihr Licht drang kaum mehr bis zum Ufer des Sees vor. Selbst der helle Vollmond schaffte es nicht, mehr als ein paar Strahlen durch die dichte Wolkendecke zu schicken. Die ersten Regentropfen eines spätsommer Gewitters begannen zu fallen und die leichte Briese frischte immer mehr zu einem wütenden Getöse an. Das große, alte Schloss, dass sich neben dem See in den Himmel erhob, interessierte sich freilich nicht für die Luftwirbel, die an seinen dicken Steinen abprallten. Auch nicht für die Wassertropfen, die langsam an seinen Fenstern hinab glitten. Die meisten Fenster der großen Zaubereischule waren dunkel, die meisten Zimmer verlassen. Das Leben, das gewöhnlich durch die Gänge, Zimmer und Treppenhäuser pulsierte, war, natürlich, zu einer schreienden Einsamkeit verkommen. Und so angsteinflößend leere Schulen auch sein mochten, eine mit Schülern gefüllte Schule während der Sommerferien wäre wohl noch grausiger gewesen. Doch in einigen Fenstern des Schlosses brannte noch Licht. In Hogwarts gab es immer etwas zu tun, und gerade dem Direktor konnte generell nie langweilig werden. Denn Minerva McGonagall saß gerade an dem Entwurf für den alljährlich fälligen Brief, der neue wie alte Schüler zurück nach Hogwarts einlud. Es mochte lächerlich erscheinen, einen eigentlich absolut formellen Einheitsbrief jedes Jahr aufs neue aufzusetzen, doch bedurfte es immer wieder kleinen Änderungen und die Direktorin wollte nicht, dass ihre Schule auch nur im entferntesten für so Bürokratisch und routiniert gehalten wurde wie eine Ministeriumsabteilung. Im großen Rektorenzimmer befanden sich noch immer all jene Gegenstände, die einst von Albus Dumbledore hinterlassen worden waren. Doch bezweifelte McGonagall, die gerade die letzten Zeilen des Briefes beendet hatte, dass je wieder jemand etwas mit ihnen würde anfangen können. SIe blickte Gedankenverloren auf die vor sich hintickenden Gerätschaften, als es an der Tür klopfte. Sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass sie Besuch hatte, riss sich aus ihren Gedanken und bat ihren Gast herein. Die Tür öffnete sich sofort und ein vertrautes Gesicht erschien hinter ihr. Die Direktorin lächelte sofort, als sie ihren alten Schüler eintreten sah. "Entschuldigen sie, ich fürchte ich komme etwas zu spät... der Weg war länger als gedacht.", sagte Neville Longbottom und trat an den Schreibtisch heran. McGonagall sprang auf schüttelte dem rundgesichtigen Mann, den sie einst als so ungeschickt und tollpatschig kennen gelernt hatte, die Hand. "Das macht doch nichts, mein Lieber. Ich habe sowieso die Zeit vergessen - sie wissen ja, das neue Schuljahr beginnt in Kürze... Aber setzen sie sich doch erst einmal.", sagte sie und ließ sich selbst wieder in ihren Sessel fallen. Sie hatte doch tatsächlich Longbottoms Besuch vergessen! Dabei hatte sie ihn doch selbst herbestellt. "Kann ich ihnen irgendetwas anbieten, Longbottom? Tee? Kaffee?" "Tee, bitte.", erwiderte er und lächelte sie mit einem Lächeln an, dass ihn für kurze Zeit so sehr verjüngte, dass sie in ihm wieder ihren Schüler sah. Um so seltsamer empfand sie ihr anliegen. Sie beschwor Neville seinen Tee und sich selbst eine Tasse dampfenden Kaffees. "Um ehrlich zu sein, Neville, ich habe ein Problem: Professor Sprout hat dieses Jahr ihren Rücktritt angekündigt. Und nach dem kommenden Jahr fehlt Hogwarts der Kräuterkunde Lehrer...", sie runzelte die Stirn und überlegte, wie sie den nächsten Satz formulieren sollte, doch war das gar nicht mehr nötig, denn auf das rundliche Gesicht hatte sich bereits eine Mine aus Wissen, Überraschung und Entsetzen breitgemacht. "Sie ... sie denken doch nicht?", stotterte er sogleich los, "ICH?!", fragte er beinahe schon ängstlich und deutete, um seine Feststellung noch zu bekräftigen auf sich selbst. "Nun beruhigen sie sich mal wieder, Longbottom!", sagte die Direktorin und lächelte ihn an. "Ist das denn so weit hergeholt? Sie sind schließlich der Autor von 'Feuerwurz und Zeterkraut, die Magische Kräuterküche'! Warum sollte ich mir die Chance entgehen lassen, jemanden als Lehrer einstellen zu können, der das Lehrbuch geschrieben hat, dass seine eigene Lehrerin seit seinem Erscheinen verwendet?" SIe nahm ihren Kaffee und trank einige kräftige Züge des heißen Wachmachers, dann sah sie ihren Besucher erwartend an. Sie kannte seine Antwort schon, bevor er sie aussprach. Eigentlich hätte sie ihm auch eine Eule schicken können. SIe hätte ihn um Mitternacht in seinem Haus überfallen können, er hätte am nächsten Morgen schon unterrichten müssen, er hätte trotzdem angenommen. Sie wusste, dass Neville die Schule so sehr liebte, wie sonst nur wenige Menschen vor ihm. Und nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte, nahm er sofort dankend an. Dann lehnte er sich gedankenverloren zurück und schlürfte an seinem Tee. "Ich muss schon sagen.", ertönte da eine altbekannte Stimme hinter McGonagall. Prompt verschüttete Neville den ganzen Tee, verschluckte sich an dem wenigen Tee in seinem Mund und sah hustend und prustend zu dem Gemälde Severus Snapes auf, der spöttisch auf ihn hinab blickte. "Ich hätte nie gedacht, einmal hören zu müssen, wie SIE mit Professor angesprochen werden. Minerva, denken sie wirklich, man kann jemanden auf die Schüler loslassen, der über sechs Jahre lang eine kleine Kröte nicht bändigen konnte?" Mit gerunzelter Stirn wandte sich McGonagall zu dem Gemälde von Nevilles ehemaligem Hasslehrer um. Ihre Lippen bildeten jenen dünnen, strengen Strich, der ihren Schülern stets überdeutlich Gefahr andeutete. "Severus, wenn sie nichts dagegen haben, möchte ich hier versuchen, einen Lehrer anzuwerben, der auf seinem Gebiet einer der klügsten Köpfe ist. Verzeihen sie mir also, wenn ich nicht auf die Kritik eines Mannes höre, der, ob gezwungen oder nicht, Todesser als Lehrer verpflichtet hat.", sagte sie kühl. Ohne an das Gemälde noch einen Gedanken zu verschwenden, drehte sie sich zu Neville zurück, der inzwischen den Großteil des verschütteten Tees mit seinem Zauberstab hatte verschwinden lassen. Sie lächelte ihn an und füllte seine Tasse erneut mit grünem Tee. "Nun da wir das vom Tisch haben, Neville, wird es Zeit, mir etwas über ihr letztes Treffen mit Potter zu berichten. Der Abend ist noch jung, und ich habe seit der Hochzeit zwischen Ginny und ihm nicht mehr viel von ihm gehört. Er hat jetzt auch die letzten Prüfungen zum Auror bestanden, oder?" "Ich glaube, ja...", sagte Neville und griff nach der neu gefüllten Tasse. 'Professor Longbottom'... das hörte sich wirklich gut an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)