Stirb langsam von _aliz_ (... und qualvoll [KaixHil]) ================================================================================ Kapitel 2: 02 - Verschleppung ----------------------------- Stirb langsam .... aber qualvoll Vielen Dank für eure Kommis... *freu* lg _aliz_ 02 - Verschleppung "Was soll der Krach? Haltet die Klappe!" Der Säufer. Er ist aus dem Koma aufgewacht. Die Schritte... seine Schritte sind taumelnd. Die Flasche tickt immer und immer wieder an der Wand des Flures an. Er stützt sich an ihr ab. Er redet mit meiner Mutter. Er redet... Reden... reine Ironie. Er lallt. "Hör...hör doch endlich zu heulen auf! Das is nich auszuhalten." Satzbau wie bei den Türken. Ich kann ihn mir vorstellen. Die Selbstgefälligkeit, wie er vor ihr steht. Die Flasche schwankt mit dem Arm mit, der sich immer und immer wieder von links nach rechts bewegt. Ich kann mir vorstellen, wie er dort breitbeinig steht. Das Gesicht errötet und glänzend, der wirre Blick. Die Augen wandern unruhig rauf und runter, rauf und runter. Rauf und runter. Die Typen scheinen ihn nicht zu interessieren. Ich frage mich, ob er sie überhaupt bemerkt hat. Was soll ich tun? "Deine Ehe-Krise kannst du auch später aus´m Weg räumen, Alter. Wo ist dein verdammter Sohn?" Der Typ kaut Kaugummi. Ich höre sein Schmatzen. Es ist wie in einem zweitklassigem Film. "Was wollt ihr von meinem Sohn? Raus... verschwindet. Raus aus meiner Wohnung." Es klingt lächerlich. Sein Gestotter und seine Lautstärke. Geldeintreiber sind immer mit Muskeln bepackt. Und mein Vater? Ein Schlag. Der Säufer stöhnt auf. Sie haben ihn geschlagen. Meine Muskeln sind angespannt, ich atme nicht. Was werden sie machen? Wo ist Kevin? Verdammt! Wo ist Kevin? Er soll es ausbaden. Aber er ist zu feige. Keine Kraft, er hat keine Kraft. Ich sehe ihn vor mir, einen schmächtigen Junkie der in seiner Decke eingerollt auf dem Bett liegt und an seinem Daumen lutscht. Wie ein Baby. Wieso geht er nicht raus? Die Situation wird eskalieren. Mord und Totschlag. Er muss doch nur ein paar Schritte, raus aus seinem Zimmer, auf den Flur machen. Kann er seinen Dreck nicht alleine in Ordnung bringen? Nein. Ich muss gerade reden. Ich, die ihre Probleme, ihren Frust an jüngeren, schwächeren Schulkindern auslässt. Ich muss von Mut und Gerechtigkeit reden. "Alter, wo ist dein verdammtes Balg? Wir haben keine Zeit für so´n Mist. Entweder, du laberst jetzt, oder du kannst dich morgen früh von der Straße abkratzen lassen. Kapiert?" Es reicht. Ich muss da raus. Alles ist egal. Ich habe nur ein kurzes, dünnes Nachthemd an. Ich bin nur ein kleines, schwaches Mädchen. Aber ich muss da jetzt raus. Die Tür von meinem Zimmer knallt. Habe ich sie gerade wirklich geöffnet? Augen - 6 Augenpaare starren mich an. Die Eintreiber sehen nach Schmerz aus. Große Muskelpakete, Piercings, Tattoos, Narben. Die Gesichter sind über und über mit Narben überzogen. Die Typen erinnern mich an Bulldoggen. Platte Nasen, klobige Gestalt. Warum bin ich nicht in meinem Zimmer geblieben? Sie sehen mich an wie Raubkatzen. Drei Tiger, die jeden Moment zum Sprung ansetzen, um ihre Beute zu Boden zu reißen. Ihre Blicke stechen wie Nadeln. Einer von ihnen tritt vor. Der einzige ‚normale‘ Grau und schwarze Haare. Er ist der schmächtigste von ihnen. Wenn man das als schmächtig bezeichnen kann. Er geht um mich rum. Betrachtet mich von allen Seiten. Ein Tiger, der um mich schleicht. Einmal, zweimal, dreimal. Gänsehaut unter meinem Nachthemd. Sein Blick ist eiskalt, die Augen rot, durchdringend rot. "Na, na, was haben wir denn da?" Ich spreche Hochdeutsch, man muss sich nicht in der Babysprache mit mir verständigen. Ich sehe meine Mutter. Sie hockt zusammengekauert an der Wand, ganz klein. Wie ein Stück Scheiße. Ihr Blick ist auf mich gerichtet. Sie hat Angst. Sie hat wirklich Angst um mich. Ihre langen, blonden Haare verdecken einzelne Partien ihres abgespannten Gesichts. Sie ist wunderschön. Plötzlich spüre ich einen harten Griff, der mein Kinn umschließt. Der Tiger lenkt meinen Kopf. In seine Richtung. Zu seinen Augen. Ich habe keine Wahl, ich muss ihn ansehen. Sein Blick ist tief. Weit und tief. Auf einmal ist da seine Hand. Seine Hand an meinem linken Busen, streicht hinab, an meiner Taille, bis sie auf meinem Hüftknochen liegen bleibt. Das dunkelblaue Nachthemd ist so dünn. Seine Haut ist so warm. Er ist so groß. So stark. So gefährlich. Aber seine Haut ist warm und seine Berührung sanft. Ich sehe immer noch in seine Augen. Vor Anst kann ich mich nicht bewegen. Er wendet sich ab, ohne mich loszulassen. "Sie ist hübsch. Man kann sie gebrauchen. Wir erlassen eurem Sohn die Schulden und nehmen sie dafür." Meine Mutter schüttelt den Kopf. Von links nach rechts. Langsam schüttelt sie den Kopf. Ihr Gesicht ist leer. "Nein!" Sie schreit. Die gebrechlichen Züge um ihren Mund, auf ihren Wangen verschwinden. Sie schreit aus voller Kraft. "Nein! Nicht mein Kind! Nicht mein Kind!" Bam. Der Säufer. Ihr Kopf fliegt zur Seite. Die Haare schwingen nach links. Man sieht nichts mehr von ihrem Gesicht. Nichts mehr von ihren angsterfüllten Augen. Ich sehe den Säufer. Sein Gesicht ist alles andere als leer. Ein breites, schmieriges Grinsen. Er lacht den Tiger an. "Sie war ohnehin zu nichts zu gebrauchen. Ihr könnt sie ruhig mitnehmen." Bam. Das tat weh. Ihr könnt sie ruhig mitnehmen. Meine Gedanken kreisen. Rasend, wie ein Karussell. Ich erinnere mich. Ich erinnere mich an meinen Vater. An Sonntage. An Herbst. An einen selbstgebauten Drachen, bunt und schön, mit einem langen Drachenschwanz. An einen Drachen, gebastelt von einem Vater, der mich geliebt hat. Von einem Bruder, der an seiner Schwester hing. Ich erinnere mich an Sonnenschein. An Spaziergänge mit meinem Dad. Ein kleines Stück durch einen Wald zu einer grünen Wiese, aber damals ein Kilometermarsch für mich. Ich erinnere mich an Wind. Ans Rennen neben Vater, damit der Drache in die Luft steigt. Höher und Höher. Ich erinnere mich an Lachen. An mein Lachen. An sein Lachen. Es klingt in meinem Kopf. Länger und länger. Lauter und lauter. Immer weiter. Ich schließe die Augen. Es ist so schön. Lachen und Kichern. Glück und Liebe. Doch plötzlich ist da wieder die harte Stimme. Die harte Stimme, die ich nie kennen lernen wollte. Das bösartige Grinsen, das ich nie sehen wollte. Ihr könnt sie ruhig mitnehmen. Es tut so weh. Schlimmer als jede Ohrfeige. Mehr als jeder Schlag. Ihr könnt sie ruhig mitnehmen. Worte können so verletzen. Ich spüre die Hände vom Tiger unter meinem Po. Er hebt mich hoch und wirft mich wie einen Sack über seine Schultern. Seine Haut ist so schön. Ich schaue auf. Meine Mutter schluchzt. Ihr Blick ist so leer wie ihr Gesicht. Ich sehe meine Mutter, die mich liebt. Meinen Bruder, der nicht da ist. Meinen Vater, der grinst. Der froh ist, mich los zu sein. Meinen Vater, der Freude fühlt. Aber was fühle ich? Kaltes Blech, ein Kombi. Er klappert. Ich weiß nicht, wohin wir fahren. Will ich es überhaupt wissen? Ich sitze auf der Ladefläche des Wagens. Es ist dunkel. Ich sollte besser sagen, in dem Teil gibt es kein Licht. Denn in meinem Leben ist alles nur noch dunkel. Theatralisch, ich weiß. Aber wahr. Ich frage mich, ob es mir eigentlich noch beschissener gehen kann. Aber das ist jetzt auch egal. Ich will mir keine Gedanken darüber machen. Ich stelle mir den Tiger vor. Seine Berührungen. Es war so schön. Ich fasse an meinen Busen. Meine Haut ist kalt. Eiskalt. Ich möchte seine Hand noch einmal spüren. Seine Hand noch einmal an mir spüren. Er zerrt mich grob aus dem Wagen. Schultern wie ein Schrank. Ein Mann wie ein Elefant. Die Haare sind raspelkurz. Ich sehe ihn im Licht einer Straßenlaterne. Der Asphalt ist nass. Die Gasse ist dunkel. Ich höre ihn seinen Kaugummi kauen. Es ist wie in einem zweitklassigen Film. Sein Griff ist hart. Er tut mir weh. Aber ich sage nichts. Ich sage nichts, weil ich mich nicht traue. Zu feige, ich bin zu feige. Warum schreie ich nicht? Würde mich jemand hören? Ich habe schon so oft in meinem Leben um Hilfe geschrien. Niemand hat es erkannt. Oder alle haben es ignoriert. Ich weiß nicht, welche der beiden Lösungen mir lieber wäre. Aber nun bin ich hier. Hier. Wo ist hier? Ich weiß es nicht. Meine Gedanken kreisen. Rasend, wie ein Karussell. Ich sehe den Tiger. Ich sehe seine Augen. Seinen Blick. Weit und tief. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, in der wir uns ansehen. Da ist so ein Gefühl. Ich kenne es nicht. Ich kann es nicht beschreiben. Aber es ist da. Es ist da und geht nicht weg. Der Tiger kommt auf den Elefanten zu und stößt gegen seine Schultern. "Sei mal ´nen bisschen vorsichtig mit dem Mädchen." "Was ist mit dir los? Sonst bist du doch auch nicht so zimperlich." Er klingt heiser. Heiser und hart. Kalt wie Stein. "Die Kleine ist Gold wert. Das weiß ich." Der Elefant reißt mich am Arm rum. Er schaut mir direkt in die Augen. Seine Pupillen sind klein. Ich spüre seinen abwertenden Gesichtsausdruck. Sein Kopf bewegt sich rauf und runter. Rauf und runter. Er zuckt mit den Schultern, schiebt die Unterlippe vor. "Wenn du meinst..." Schweigen. Sie schleppen mich die Gasse entlang. Es ist ekelig. Der Elefant stinkt. Zerfallene Häuser. Kein Mensch. Der Elefant stinkt weiter. Sein Griff ist sanfter geworden. Aber immer noch hart genug. Der Tiger geht vor, der andere hinter uns. Ich habe mir den dritten noch nicht angesehen. Will ich das überhaupt? Ich würde gerne das Publikum befragen. Mein schwarzer Humor. Ha, ha. Wir stehen vor einer Tür. Sie passt nicht ins Bild. Alles ist zerfallen. Modert vor sich hin. Und ich stehe mit meinen drei Entführern vor einer Sicherheits-Stahltür. Was für eine Ironie. Der Tiger schließt auf. Ich bin Gold wert. Seine Worte. Nicht zu fassen. Ich sehe nichts. Hinter der Tür ist es dunkel. Stockdunkel. Der Tiger macht Licht, ein Schalter neben der Tür. Räume...ein Raum neben dem anderen. Wie in einer Arztpraxis. Wir gehen den Gang entlang. Die Türen waren wohl mal weiß. Mittlerweile sind sie grau. Es stinkt. Das tut es wahrscheinlich immer. Es ist dreckig. Aber das ist es wahrscheinlich immer. Wir bleiben stehen. Wieder greift der Tiger zum Schlüsselbund. Langsam gleitet die Tür auf. Nein, bitte nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)