Possession von Riku (Sing Child) ================================================================================ Kapitel 5: Chapter 5 – White Knight ----------------------------------- Thanks to Rainy, xuxu713 and Kizu8 for commenting the 4th chapter. ♥ Thanks to all the others for favoring my fanfic. ♥ Dedicated to: xuxu713 for reading and commenting my fanfiction since the 2nd chapter. Thank you very much. Chapter 5 – White Knight Age: 13 Summer Holidays Es dauerte ein wenig, bis sich die Katzen im Kofferraum beruhigten und offenbar resignierend feststellten, dass man sie nicht allzu schnell wieder freilassen würde. Severus spürte die Hand seiner Freundin Lily auf der seinen und hatte seinen Kopf gegen das kalte Fenster gelehnt, um seine heiße Stirn zu kühlen. Mrs. Evans hatte bereits die Klimaanlage angestellt und ein frischer Luftzug blies ihm von vorne, an dem Beifahrersitz vorbei in sein blasses Gesicht. Eigentlich hasste er es, Auto zu fahren. Er musste nicht einmal lesen, damit ihm dabei übel wurde. Mittlerweile zog der Stadtverkehr schon nicht mehr so eng und erdrückend an ihnen vorbei, wie es am Anfang der Fall war. Die Straßen wurden freier und die Gegenden ländlicher, es waren mehr Bäume zu sehen und nur noch hie und da erkannte man Mehrfamilienhäuser. Wenn Severus mal erwachsen war, wollte er mit Lily in einem Haus mit Garten leben, mit einer Reifenschaukel vor der Tür und weiß gestrichenen Fensterläden, einer großen Buche im Garten, die Schatten spendete und dann würden sie sich jeden Tag im Sommer darunter sitzen und lesen. Oder einfach nur reden. Er sah es förmlich vor sich, wie sie da saßen und nur wenig Sonnenlicht durch das dichte Blattwerk der Blutbuche brach, sich in Form kleiner Lichtpunkte in Lilys rotem Haar verirrte und ihr Sohn, der Severus’ schwarze Haare und Lilys süße Stupsnase hatte, durch den Garten lief und spielte, schaukelte und Schmetterlinge fing. Für viele mochte es kaum verständlich sein, dass Severus eines Tages so ein konservatives Leben führen wollte. Für einen Moment runzelte er selbst die Stirn, als er sich dabei ertappte, wie er aus dem Fenster sah und die Familien, die hier wohnten, im Garten standen und ihre Steaks grillten, beneidete, doch als sie dann in die ihm so bekannte Straße einbogen und ihm trotz der Hitze ein eisiger Schauer den Rücken hinab lief, erinnerte er sich wieder, warum er sein bisheriges Leben unbedingt hinter sich lassen wollte. Am Himmel brauten sich neue Regenwolken zusammen. Der Wagen hielt an. Aus dem Kofferraum drangen erneut die Schreie der Katzen, als dieser von Mr. Evans starken Händen geöffnet wurde. Minouches tiefes, seufzendes Maunzen war deutlich von dem Piepsen seiner Viviane zu unterscheiden. Severus blieb, wo er war. Vorsichtig drehte er seinen Kopf in Lilys Richtung und warf einen prüfenden Blick durch die Strähnen seines schwarzen, fettigen Haares. Er wollte nicht mehr aus dem Fenster sehen. Die Aussicht hatte sich verändert. Statt hübsch umzäunter Gärten und liebevoll gepflegter Hecken stand dort nun nicht mehr als das Haus, in dem er lebte. Die Fensterläden waren grau und schmutzig und die Gartenpforte hing in ihren Angeln, vollkommen nutzlos. Lily lächelte. „Ich bring dich noch zur Tür, Sev.“, sagte sie und öffnete die Tür an ihrer Seite, um auszusteigen. Severus öffnete seinen Sicherheitsgurt, zögerte jedoch noch ein wenig, ehe er seine eigene Tür öffnete. Sicher herrschte wieder ein schreckliches Chaos im Haus. Es wäre ihm wirklich lieber gewesen, Lily wäre einfach sitzen geblieben, doch auch Mr. Evans hatte sich schon seine Koffer und den Transportkorb von Viviane geschnappt und war hinauf zu den Treppen gegangen, die ihn nun von der Tür trennten. Severus schluckte schwer, öffnete die Autotür und schwang seine Beine aus dem Wagen. „Ich mach das schon, Sir.“, sagte er rasch und lief Lilys Vater hinterher. Er schnappte sich Vivianes Transportkorb und stellte ihn neben die Treppe. „Vielen Dank fürs Fahren, ich schaff das jetzt auch alleine.“ Er nickte Mr. Evans freundlich zu und schenkte auch seiner Frau noch ein nettes Lächeln ehe seine besorgten Augen wieder hinter einem Vorhang fettigen Haares verschwanden. Hoffentlich ging es seiner Mutter gut. Warum musste nur jeder schöne Moment so ein schnelles Ende finden, so desillusionierend? Jetzt, wo er vor dieser Tür stand und sich die Evans wieder langsam in Richtung Auto bewegten, begannen seine Knie zu zittern und er zuckte zusammen, als er spürte, wie Lily erneut nach seiner Hand griff. „Soll ich dir helfen, deine Sachen rein zu tragen?“, fragte sie und musterte für einen Augenblick doch recht verblüfft das etwas erschrockene Gesicht ihres Freundes. Severus schüttelte den Kopf. „Nein, ich schaff das alleine.“, sagte er und löste seiner Hand von Lilys, um den Ersatzschlüssel unter dem Blumentopf mit dem vergammelten Mini-Kaktus zu suchen. Er fand ihn zusammen mit ein paar Kellerasseln und schüttelte die Spinnenweben von dem kleinen, metallenen Ding. „Ich schaff das alleine.“, wiederholte er sehr leise und schob den Schlüssel ins Schloss, seinen Blick von Lily abwendend. Er wollte, dass sie ging, ehe er die Tür öffnete. Er wusste ja selbst nicht, was ihn hinter diesen Mauern nun so genau erwarten würde, aber was immer es war, er wollte es Lily ersparen. „Sev…?“, hauchte Lily unsicher und wand ihren Kopf, um den Blick ihres Freundes vielleicht doch noch erhaschen zu können. „Sehen... sehen wir uns morgen?“ Severus nickte. „Gut, dann bis Morgen. Auf dem Spielplatz, ja? Fünfzehn Uhr.“ Severus sah nicht, ob sie nun lächelte oder nicht, aber inzwischen kannte er Lily gut genug, um zu wissen, dass sie versuchen würde, ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Lily kniete sich hin und verabschiedete sich von Viviane. Dann ging sie zurück zum Auto. Fahrzeugtüren knallten. Dann wurde der Motor angelassen. Severus stand noch immer mit dem rücken zur Straße, die Hand an dem Schlüssel, der im Schloss steckte. Neben ihm stand ein alter, brauner Koffer und neben der Treppe maunzte ein weißes Kätzchen in ihrem Transportkorb. Das Auto fuhr los und entfernte sich schleichend. Je weiter es fuhr, desto schwerer wurde das Herz des Jungen. Als er es nicht mehr hören konnte, drehte er den Schlüssel im Schloss. Knarrend öffnete sich die alte Tür und gab den Blick in den staubigen Flur frei. Eine zerbrochene Flasche lag am Boden, doch noch war alles still. Er packte den Transportkorb und seinen Koffer, wollte alles erst mal auf sein Zimmer schleppen. Allzu schwer waren seine Sachen nicht, das einzige, woran er zu schleppen hatte, waren seine Bücher. Leise schloss er die Tür hinter sich, nachdem er den Ersatzschlüssel auf das Bord im Flur gelegt hatte, und hievte seinen Koffer so gut es ging die Treppe hoch, ohne dabei viel Lärm zu machen. Wenn er doch nur nicht so dürre Arme gehabt hätte, dann wäre ihm all das hier sicherlich viel einfacher gefallen. Den Transportkorb mit Viviane hatte er unter den Arm geklemmt. Er schüttelte sie wohl ziemlich durch, denn ab und zu gab sie ein leises Murren von sich und presste ihre Nase gegen die Gitterstäbe. Er hätte ihr auf Knien dafür danken können, dass sie aufgehört hatte zu schreien. Vielleicht hatte auch sie die bedrückende Stimmung in diesem Haus bemerkt. Schon als sie vor der Haustür gestanden hatten, hatte Severus gespürt, wie sehr ihn dieses Gemäuer runter zog, mehr noch als die dicken, grauen Regenwolken, die heranrollten und ihm anscheinend gefolgt waren. Oben angekommen machte er keine Pause, sondern zog den Koffer rasch in sein Zimmer hinein, wo er Viviane erst einmal neben seinem Bett abstellte, ehe er den Koffer unter sein Bett schob und dann schnell die Tür schloss. Er hatte zwar nichts gehört, aber wenn er Pech hatte, war doch jemand Zuhause und am Ende würde Vivis leises Knurren ihn doch verraten. Er seufzte schwer und setzte sich auf den Boden neben das Bett. „Tut mir Leid, dass ich dich da mit reinziehen muss.“, flüsterte er und öffnete die Tür des Transportkorbs. „Du wirst erst mal hier in meinem Zimmer bleiben. Es ist zwar nicht groß, aber es ist sicherer als wenn ich dich hier frei herum spazieren lasse. Schließlich weiß mein Dad noch gar nicht, dass es dich überhaupt gibt.“ Natürlich antwortete Viviane nicht. Er war sich nicht einmal sicher, ob die Katze ihn verstehen konnte, aber das war im Moment vollkommen egal. Es war das erste Mal, seit er denken konnte, dass er hier in seinem Zimmer saß und sich mit jemandem unterhielt, ganz gleich ob es nun ein Mensch oder ein weißes Kätzchen war. Er sah in den Korb, doch Viviane bewegte sich nicht vom Fleck. Wieder seufzte er. Zuerst hatte Viviane es nicht erwarten können, aus dem Korb zu kommen und nun, da die Tür offen stand, rollte sie sich lieber in der hintersten Ecke des Körbchens zusammen und sah Severus mit ihren großen, runden blaugrünen Augen an, als erwartete sie, er würde mal eben die Sonne über dem Haus aufgehen lassen, damit sich diese bedrückende Stimmung änderte. „Tut mir leid…“, flüsterte er und griff in den Korb, um den flauschigen, weißen Kopf seiner kleinen Mitbewohnerin zu streicheln. Das Kätzchen gab ein gurrendes Geräusch von sich und drehte sich auf den Rücken. Severus lächelte sanft. Er war froh, dass die kleine es ihm nicht übel nahm. Die Fenster im ganzen Haus waren verdunkelt. Die Gardinen waren zugezogen oder die Fensterläden waren geschlossen, jedenfalls fiel reichlich wenig Licht in das Haus, in dem Severus lebte, und als sich die Regenwolken langsam vor die Sonne schoben, wurde es kalt. Das Licht der nackten Glühbirne wirkte künstlich und ungemütlich. Der Junge stand auf, ging zu seinem Fenster und kurbelte die Fensterläden auf. Putz und alte Farbe bröckelten hinab. Der Ausblick auf die Straße war unschöner, als er es in Erinnerung hatte, was wohl daran lag, dass sich ein grauer Schmutzfilm über das ganze Fenster zog. Die Position der Sonne war nur noch zu erahnen, so dick und dunkel waren die Regenwolken, die sich nun über den Himmel zogen. Bald war das leise Plätschern der Regentropfen in der Regenrinne zu hören. Selbst das letzte Schimmern der Sonne am Horizont verschwand rasch. Das Grau des Himmels schien wunderbar mit Severus’ Laune zu harmonieren und zog ihn nur noch ein wenig tiefer in diesen Sog der schwarzweißen Gedanken. Er hörte Schritte, unten im Flur, und ging ein paar Schritte vom Fenster zurück. An dem leisen schlurfen und dem kraftlosen Tapsen der Hausschuhe erkannte er, dass es sich um seine Mutter handeln musste. Vivi gab ein leises Maunzen von sich und traute sich nun doch endlich aus dem Transportkorb. Severus drehte sich zu ihr um und beobachtete, wie das kleine, weiße Fellknäuel neugierig schnuppernd sein neues Zuhause erkundete. Die kleine Katze krabbelte unters Bett, verharrte dort einen Moment und streifte dann mit ihrem zarten Körper um die Beine des Bettgestells. Ihre großen, kindlichen, blaugrünen Augen musterten Severus, dessen Blick nun nervös zwischen Viviane und der Zimmertür hin und her zuckten. Die Schritte unten im Flur waren verstummt. Die kleine Katze hüpfte aufs Bett und rollte sich auf der staubigen Tagesdecke zusammen. „Ich komme gleich wieder, Vivi…“, flüsterte der Junge und kraulte den Nacken der Katze. Wieder gab sie dieses gurrende Geräusch von sich und streckte ihren Hals genießerisch, lehnte sich gegen Severus Hand und kippte auf den Rücken, als dieser seine Hand wegzog und durch das kleine Zimmer hinüber zur Tür ging. Er öffnete sie leise, schlüpfte hindurch und schloss sie wieder. Aus dem Wohnzimmer hörte er die monotone Stimme eines Nachrichtensprechers. Leise und vorsichtig ging er die knarrende Treppe hinab, sich an dem Gellender entlang tastend. Er trat auf den Flur, zog seine Schuhe mit den Füßen aus und schlich hinüber zur Wohnzimmertür. Ein Blick in den abgedunkelten Raum verriet ihm, dass sein Vater wohl schon lange nicht mehr hier gewesen war, sicher eine Woche. Manchmal verschwand er eben für ein paar Tage und tauchte dann wieder auf. Überall standen schmutzige Teller und Gläser herum, leere Weinflaschen und billiger Fusel. Severus sah hinüber zu dem Sofa, das vor dem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher stand, den sein Vater mit in die Ehe gebracht hatte und erkannte die zusammengekauerte Silhouette seiner Mutter. Er seufzte, ging hinüber zum Sofa und ließ sich einfach neben ihr auf das Polster fallen. Irgendwas war vorgefallen. Irgendwas, von dem seine Mutter ihm nicht in den sparsamen Briefen geschrieben hatte. Hallo Sohn, wie geht es dir, mir geht es gut, die Sonne scheint. Hallo Sohn, wie geht es dir, mir geht es gut, heute regnet es. Es war immer das gleiche. Und jetzt würde seine Mutter ihn wieder voll jammern. Würde sich selbst die Schuld für alles geben, nur um von ihrem Sohn bemitleidet zu werden. Nein, Mommy, es ist nicht deine Schuld, du machst alles richtig. Aber das war nicht wahr. Wut kochte in Severus hoch, als er die Gestalt seiner Mutter etwas deutlicher unter die Lupe nahm. Sie hatte sich ihre schwarzen Haare bleichen lassen. Sie waren nun blond und hingen ihr kraus ins Gesicht. Sie trug ein weites Kleid und eine geblümte Schürze, in dessen Tasche sich eine Packung sehr starker Zigaretten befand. Langsam, ganz langsam drehte sie ihren Kopf in Severus’ Richtung und sah ihn entschuldigend an. „Mein Junge, du… du bist ja schon da… War das etwa heute…?“ Eileen machte den Eindruck, als ob sie sich vor zwei Tagen erst dick und großzügig geschminkt hätte und sich danach nicht mehr abgeschminkt hatte. Schweiß und Tränen hatten das Make-Up, den Kajal und Mascara verwischt und verschmiert, ihre großen, dunklen Augen glänzten. „Ja, das war heute.“, antwortete Severus träge und musste sich zusammenreißen, um nicht vorwurfsvoll zu klingen. „Oh…“, murmelte seine Mutter und schob sich einen Zigarettenfilter zwischen die aufgeplatzten Lippen. „Das habe ich vollkommen… vergessen. Verzeih mir…“ Sie zündete ihre Zigarette an. Sofort erfüllte der Geruch von kaltem Rauch die Luft. Sie hielt ihrem Sohn die Schachtel hin. Einen Moment zögerte der Junge, dann griff er zu und nahm sich eine Zigarette, die er sich von seiner Mutter anzünden ließ. „Du musst ziehen, Junge. Zieh, wenn ich sie anzünde.“, nuschelte Eileen. Severus hielt die Zigarette zwischen zwei Fingern, schloss die Lippen fest um den Filter und inhalierte den kratzigen Rauch ein. Er hustete und kniff die Augen zu. Eileen gab ein leises Lachen von sich und zog selbst an ihrer Zigarette. „Wie war die Fahrt?“, fragte sie und legte das Feuerzeug wieder auf den Tisch. Severus starrte auf seine Zigarette. Sie stank und schmeckte nach… Gift. Nach einer kleinen Dosis eines schnell tötenden Giftes, das einen langsam dahinsiechen ließ. Er nahm noch einen Zug, einen ganz kleinen, und verkniff sich das Husten. „War ganz gut. Mr. Evans hat mich hier abgesetzt.“ Seine Mutter nickte. Sie sah an ihm vorbei. Severus redete weiter. „Wir sollten vielleicht aufräumen, ehe Daddy wiederkommt. Du weißt doch, wie er immer ist. Oh, und… ich hab jetzt eine Katze. Viviane heißt sie.“ Wieder nickte seine Mutter. Erneut zog Severus an der Zigarette und runzelte dann die Stirn. „Außerdem sind da Terroristen in der Küche, die unsere Wohnung grade mit Asbest präparieren.“ Eileen nickte erneut. Severus seufzte. War ja klar, dass sie ihm nicht zuhörte. Er starrte auf den Fernseher und zog an seiner Zigarette, tat es ganz automatisch. Ihm wurde ein wenig schwindelig und sein Kopf fühlte sich ganz schwer an. Dann wurde ihm schlecht. Seine Mutter war schon bei der zweiten Zigarette. „Daddy wollte heute oder morgen wiederkommen. Er arbeitet viel.“ Eileens Stimme klang mindestens so monoton, wie die des Nachrichtensprechers. Severus blinzelte, sah auf seine Zigarette und drückte sie im Aschenbecher aus. „Ich räume auf, Mum. Wäre nett, wenn du mir hilfst.“ Er sah zu seiner Mutter. Sie nickte schwach, hatte also wieder nicht zugehört. Stoisch stand der schwarzhaarige Junge auf und ging hinüber zu dem Geschirrstapel. „Du könntest das mit Magie machen, Mummy, ich darf in den Sommerferien nicht zaubern.“ Er hörte, wie seine Mutter eine Flasche aufschraubte und einen großen Schluck nahm. „Ja, ich kann zaubern…“, lallte die Frau und legte ihren Kopf in den Nacken. „Ich bin eine Hexe.“ – „Ja, das bist du, Mum.“ Er nahm den Stapel Geschirr und trug ihn in die Küche. Er hörte seine Mutter noch irgendetwas vor sich hin murmeln, nahm jedoch an, dass es nicht von sehr viel größerer Bedeutung war, als alles andere, was sie vorher von sich gegeben hatte. Nun musste er hier erst einmal für Ordnung sorgen. Das Aufräumen der Wohnung und das Waschen des Geschirrs dauerten bis tief in den Abend an. Er war ohnehin schon erschöpft von der Zugfahrt gewesen und nun, es ging auf dreiundzwanzig Uhr zu, hätte er sich einfach ins Bett fallen lassen und schlafen können. Immer wenn er an seiner Mutter vorbei ging, schenkte er ihr ein Lächeln und sie lächelte müde zurück. Natürlich konnte sie nichts dafür. Es war nicht ihre Schuld. Niemand konnte sich selbst so kaputt machen. Es war Severus’ Vater, der ihnen das antat, der seine Mutter tagelang alleine ließ. Die Lippen hatte sie sich nicht aufgebissen. Er schlug sie mit der Faust. Dieser feige Muggel schlug eine Frau, die sich ihm trotz aller Magie nicht zur Wehr setzen konnte, weil sie ihn liebte, ihm trotz allem noch immer vertrauen wollte und die Hoffnung nicht aufgab, dass er sich eines Tages in den Prinzen verwandelte, auf den sie schon so lange wartete. Der weiße Ritter in schillernder Rüstung auf seinem edlen Ross. Das war er wohl mal für sie. Traurig nur, dass jeder Prinz, egal wie schillernd seine Rüstung und wie weiß sein edles Ross ist, einen dunklen Schatten hinter sich her zieht. Gegen Mitternacht, Severus war fast eingeschlafen, hörte er ihn kommen. Eigentlich war es nicht zu überhören. Er war sich sicher, dass sogar die Nachbarn das Trampeln und Brüllen des offensichtlich betrunkenen Tobias hörten. Severus zog die Bettdecke bis zu seinem Hals hoch, drehte sich auf die Seite und sah zur Tür. Viviane hatte sich an seinem Fußende zusammengerollt, hob nun jedoch auch den Kopf. Der Streit, der offensichtlich einer war, schien in den ersten paar Minuten sehr einseitig zu sein, bis sich dann jedoch auch die hysterische, schrille Stimme seiner Mutter einschaltete. Der Junge kniff die Augen zu und versuchte, es zu ignorieren. Dann hörte er ein lautes Poltern und schrille Schreie. Vivi maunzte leise und vergrub ihre Krallen in der Bettdecke. Dann setzte sich der Junge auf. Es war immer das Gleiche. Alles nahm seinen gewohnten Lauf. Das weite, lange Hemd flatterte um seine nackten Beine, als er durch das Zimmer lief und Tür aufriss. Die gedämpften Schreie drangen nun ungehindert an sein Ohr. Er tapste auf die Treppe, blickte durch das Gellender hinab auf den Flur. Er war wieder da. Er war zurück und riss an den Haaren seiner Mutter, die sich einen langen, braunen Reiseumhang umgeworfen und anscheinend auch ein paar Sachen zusammengepackt hatte. Wollte sie abhauen? Ihn mit Tobias Snape hier alleine lassen? Wut kochte in ihm hoch doch es war nicht die Wut auf seine Mutter, was sie tat, konnte er gut verstehen er… er war wütend auf seinen Vater. Severus wollte zurück in sein Zimmer laufen, seinen Zauberstab holen, um diesem aufgeblasenen Muggel, den er Vater nannte, zu zeigen, wer hier eindeutig mehr Eier hatte, doch da war es schon zu spät und mit einem Wort seines Vaters, kniff der Junge auch schon unwillkürlich seinen Schwanz ein. „Severus!“ Er konnte sich nicht rühren. Es war, als ob seine Gliedmaßen, seine Gelenke fest gefroren wären. Die Stimme seines Vaters war wie das Donnergrollen, das nun, gemeinsam mit einem Blitz vom Himmel rollte und das Haus unter einer Lawine von eisiger Kälte begrub. Die Wut wurde zur Angst, sie schlich sich in seine Knochen und ließ ihn zittern. „Hi, Dad.“, murmelte Severus und drehte sich um. Langsam kam er die Treppe hinab. Sein Vater hatte die blondierte Frau losgelassen, die nun wimmernd zu seinen Füßen kniete. Tobias hatte ein unsagbar gehässiges Grinsen aufgesetzt. Seine hellen Augen blitzten hinauf zu Severus, der langsam und mit zittrigen Knien die Treppe hinab kam. Er wollte nicht länger das Opfer sein. Er wollte, dass sein Vater wusste, wie er über ihn dachte. Notfalls würde er ihm einen Schockzauber mit dem Zauberstab seiner Mutter verpassen und einfach weglaufen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, da unterbrach ihn sein Vater mit seiner rauen Stimme, ehe er überhaupt den Ansatz eines Wortes hervorbringen konnte. „Deine Mutter hat sich die Haare gefärbt.“, schnarrte der Mann und streckte seine Faust aus, in der eine Strähne des gebleichten, hellblonden Haares hing. „Ich weiß.“, antwortete Severus und machte sich grade, um nicht kleiner zu wirken, als er war. Dennoch zupfte er nervös an seinem Nachthemd herum. Seine Blicke zuckten nervös zwischen der Faust seines Vaters und dessen Gesicht hin und her. Das Hemd seines Vaters war weiß und sauber, er trug eine Krawatte und einen seriösen, schwarzen Gürtel mit silberner Schnalle. Der weiße Ritter war heimgekehrt. „Wem, glaubst du, möchte sie damit gefallen?“, knurrte der Mann und packte nach Eileens Handgelenk. „Dir... Vielleicht.“ Severus sah auf den Boden, versuchte verzweifelt, weder seinen Vater noch seine wimmernde Mutter anzusehen. Er wusste nicht, warum seine Mutter sich die Haare gefärbt hatte, warum sie sich schminkte und diese geblümten Kleider trug. Es war ihm egal. Wenn er an der Stelle seiner Mutter gewesen wäre, wäre er gleich zu dem Menschen gegangen, für den er sich so hübsch machte. Er hätte alles stehen und liegen lassen. Sollte dieser Muggel doch allein in seinem eigenen Saft schmoren. Er sah auf, als seine Mutter erneut aufschrie. Tobias hatte sie wieder an den Haaren gepackt und riss daran. „Nein!“, rief Severus aus, doch Tobias hatte Eileen schon die erste, dicke Haarsträhne ausgerissen. Severus zuckte zusammen und stolperte die letzten Treppen hinab. „Hör auf damit!“ Sein Vater stieß Severus von sich weg, als dieser versuchte, nach den starken Armen des Mannes zu greifen, um ihn davon abzuhalten, seiner Mutter noch mehr der schönen, weichen Haare auszureißen. „Sieh dir diese Schlampe an! Diese kleine, besoffene Schlampe!“ Severus wollte nicht hinsehen. Er hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Alles bewegte sich rasend schnell, wie im Zeitraffer. Er hörte, wie die Fäuste seines Vaters auf den schlanken Körper seiner Mutter eindroschen, doch sehen tat er nichts. Für einen Moment, für mehrere Momente schien sich sein Gehirn auszuschalten. Wenn er doch nur seinen Zauberstab griffbereit gehabt hätte… „Lass sie los! Sie ist keine Schlampe!“, schrie er mit so schriller Stimme, dass sie gut zu einem Mädchen hätte gehören können. Er griff nach der Krawatte seines Vaters und riss daran. „Wenn ich sie wäre, hätte ich mir längst einen neuen gesucht!“ Severus musste einräumen, dass er nicht wusste, was er da tat, als er seinen Vater an der Krawatte herum riss und ihm gegen das Schienbein trat. Überall um seine Mutter herum lagen blonde Haare, büschelweise ausgerissen. Eileen brach erneut zusammen und schlug sich die Hände vors Gesicht, Blut lief über ihre Augenbraue. „Einen Zauberer hätte ich mir gesucht, einen richtigen Mann und nicht so einen erbärmlichen, armseligen Muggel wie dich!“ Er hörte seinen Vater röcheln und zog nur noch fester an der Krawatte. Dann wurde er gepackt. Sein Vater hatte die Hand ausgestreckt und ihn an seinem schwarzen Haarschopf gepackt, hob ihn daran ein Stückchen hoch und schüttelte ihn, bis der Junge losließ. Severus hatte die Augen fest geschlossen und versuchte sich an der Faust seines Vaters festzuhalten, seinen eigenen Körper zu halten, um nicht an seinen Haaren zu hängen. „Mum!“, rief er und zappelte mit den Beinen. „Hilf mir!“ Ein ziehender Schmerz schoss durch seinen Kopf, seinen Nacken und den ganzen Rücken hinab, doch er bereute nicht ein einziges Wort, das er gesagt hatte. Er hatte es genau so gemeint und am liebsten hätte er noch ein bisschen mehr Zeit gehabt, um seinem Vater noch mehr Dinge zu sagen. Hass brodelte durch seine Adern, Hass und Angst. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn und jetzt tropfte auch eine kleine Träne von seinem Kinn. Er wurde wieder runter gelassen, spürte wieder festen Boden unter sich, wurde jedoch sofort wieder von den Füßen gerissen und am Kragen die Treppe hoch gezogen. „Entschuldige dich!“, donnerte sein Vater. Severus versuchte mit zittrigen Füßen weiter den Boden zu berühren und selbst zu laufen, anstatt in den festen Griff seines Vaters zu fallen. „Nein!“, keuchte Severus und schlug mit dem Schienbein gegen eine Treppenstufe. Sein Vater zerrte ihn mit festem Griff hinter sich her. Er schloss die Augen, damit niemand, nicht sein Vater und nicht seine Mutter, die Angst in seinem Blick sehen konnte. „Entschuldige dich!“, bellte sein Vater erneut. Sie waren am Kopf der Treppe angelangt. Aus Severus’ Zimmer drang ein leises Maunzen und der Junge dankte Gott oder wem auch immer dafür, dass sein Vater es nicht gehört zu haben schien, den er beachtete die Zimmertür seines Sohnes kein bisschen. Severus blinzelte. Er wurde über den Flur geschleift, der Boden unter ihnen knarrte. Er versuchte sich an einem Türrahmen festzuhalten, wurde jedoch weiter gerissen, den Flur entlang. Er blinzelte erneut und erkannte nun endlich, was das Ziel seines Vaters war. Dann gellte ein schriller Schrei durch das Haus. Eileen kauerte am Fuß der Treppe, sah auf, as sie ihren Sohn schreien hörte, zögerte jedoch. Für einen Moment sah es fast so aus, als ob sie den beiden hinterher eilen wollte, doch sie schien es sich anders zu überlegen, zog sich an der Wand hoch und den Kopf zwischen die Schultern, sich mit geweiteten, verweinten Augen ans Herz fassend. Wieder ein Schrei. „Nein! Nicht! Bitte! Lass mich los!“, schrie Severus mit schriller Stimme und versuchte sich zu befreien, schlug auf die Faust seines Vaters ein und zerrte an dessen Ärmel, bis dieser einriss, doch es half nichts. Er spürte die kalten Fliesen unter seinen Füßen, dann fiel die Badezimmertür hinter ihm zu. Tobias drehte den Schlüssel im Schloss. Severus hatte er zwar losgelassen, aber als dieser keine Faust mehr spürte, die ihn hielt, wäre am beinahe kollabiert. Er zitterte am ganzen Körper und presste seine nackten Schenkel aneinander, der Rücken krumm und den Kopf gesenkt, ängstlich zu seinem Vater hinauf blickend, der schweigend die Badewanne mit Wasser füllte. Der Junge konnte sich nicht rühren. Er krallte seine Finger in sein Schlafhemd und wimmerte leise. „Entschuldige…“, hauchte er und schloss seine Augen erneut. Er wollte sich lieber entschuldigen, ehe… Ehe irgendetwas passierte. Er musste es ja nicht so meinen. Er musste es ja nur aussprechen, Lügen konnte man nicht riechen. „Es tut mir leid, Daddy, es war… nicht so gemeint… ent-… entschuldige…“ Er hatte schon gefürchtet, das Rauschen des Wasserstrahls in der Badewanne hatte ihn übertönt, denn im ersten Moment schien sein Vater nicht zu reagieren. Doch dann wand dieser sich um, sein Gesicht noch immer gerötet vor Zorn. Er schüttelte langsam den Kopf und ging auf seinen Sohn zu, der zurückwich, dann aber wieder am Oberarm gepackt wurde. „Was ist? Was jammerst du auf einmal?!“, donnerte Tobias und zerrte an Severus Arm, zog den Jungen hinter sich her, der nun aufgehört hatte zu kämpfen und nur noch verzweifelt versuchte, sich zu befreien. Angst ließ sein junges Herz rasen. Seine Füße fanden keinen Halt auf den kalten, glatten Fliesen des verkachelten, weißen Badezimmers. Schmutz hatte sich in den Fugen gesammelt, getrocknetes Blut und über den Boden huschten kleine Silberfische. „Überleg dir lieber zweimal, mit wem du dich anlegst, Freundchen!“, zischte sein Vater und schob ihn vor zum Badewannenrand. „Misch dich nicht in die Angelegenheiten deiner Mutter und mir ein! Die ganzen Sorgen hätten wir doch gar nicht, wenn du mir nicht ins Nest gelegt worden wärst!“ – „Es tut mir Leid!“, wimmerte Severus erneut und klammerte sich nun an den Arm seines Vaters, mit wässrigen, dunklen Augen zu ihm hinauf blickend. Flehend. „Sieh mich nicht so an! Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Ich werde sicher nicht den Schwanz einziehen, im Moment halte ich die Fäden in der Hand! In den Ferien darfst du ohnehin nicht zaubern, also droh mir nicht und wage es ja nie wieder, so mit mir zu reden!“ Er verpasste seinem Sohn eine Ohrfeige. „Und hör auf zu flennen, du bist doch keine Schwuchtel! Oder…“ Der Mann legte den Kopf schief. „…bist du eine? Bist du etwa schwul, Severus?“ Severus wurde von ihm hochgehoben, klammerte sich noch immer fest an den Arm seines Vaters und schluchzte bebend auf. „Weißt du, was man mit Schwuchteln machen sollte, Severus?“ Nein. Er ließ seinen Sohn in die Badewanne fallen. Wasser spritzte die Kacheln an den Wänden hinauf. Severus prustete, japste nach Luft. Das Wasser war eiskalt, so kalt, dass es sich auf seiner Haut schon beinahe heiß anfühlte. Er versuchte zu schreien, sich aus der Wanne zu ziehen, doch da spürte er die große Hand seines Vaters auf seiner Brust. Er wusste, was nun kommen würde. Er erinnere sich an das eiskalte Wasser, erinnerte sich, was sein Vater immer tat, wenn sie ins Badezimmer gingen. Das Wasser… „Ertränken.“ Severus wusste nicht, ob er sich die Stimme seines Vaters nur eingebildet oder ob er es tatsächlich gesagt hatte, doch gerade als er Luft holen wollte, wurde er unter Wasser gedrückt. Sein Körper zappelte, zuckte, er schlug mit den Knien an die Wand der Badewanne, griff mit seinen Händen nach der Hand seines Vaters, die seine Brust nach unten drückte. Seine Augen hatte er weit aufgerissen, sie brannten. Das Wasser war voller Bläschen, über ihm war das Gesicht seines Vaters, doch er erkannte es kaum. Gleich würde seine Brust platzen. Sein Vater ließ ihn los und er richtete sich hastig auf, hustete und schnappte nach Luft, doch es schien, als ob sich seine Luftröhre einfach geschlossen hätte. Seine Glieder wurden lahm, er bekam kaum noch Luft. Wieder wurde er unter Wasser gedrückt. Er wollte Schreien, doch alles, was an die Oberfläche drang, waren ein paar schwache, wabernde Bläschen, die an der Luft zerplatzten. Severus konnte seinen Körper kaum noch spüren, er wusste nicht, ob er sich noch bewegen konnte. Angst strömte durch ihn hindurch, machte ihn ohnmächtig, ließ ihn unter der Hand seines Vaters erbeben. Jedes Mal dachte er, dass es das Ende war. Dass er nun sterben würde. Und jedes Mal verfluchte er seinen Vater dafür, dass er ihn nicht einfach umbrachte. Warum konnte er dem allen nicht einfach ein schnelles Ende setzen? Waren es Tränen oder war es das Eismeer, das über Severus’ Gesicht strömte, jedes Mal wenn sein Vater ihn auftauchen und einmal nach Luft schnappen ließ? Die Kälte nagte sich durch seine Knochen und der Sauerstoffentzug machte ihn trunken. Schwindel ließ seinen Kopf kippen, er verspürte diese gut bekannte Übelkeit. Bunte Punkte aus Licht tanzten wie kleine Feen vor seinen Augen, doch wenn er sie fassen wollte, griff er durch sie hindurch. Sie würden ihm nicht helfen können. Niemand konnte das. Nicht einmal… Severus wurde schwarz vor Augen. Seine Lider wurden schwer und sanken, so wie seine Arme und Beine langsam auf den Grund der Badewanne sanken. Lily. Sie lächelte, schüttelte ihr rotes Haar. „Bis Morgen auf dem Spielplatz, Sev!“ Dann drehte sie sich um und ging. Zwei starke Arme griffen nach Severus’ reglosem Körper. Das weiße Hemd, alles, was er am Körper trug, triefte und ein Schwall Wassers lief auf den Boden. Lass mich einfach schlafen, Vater. Lass mich nun in deinen Armen sterben. -To be continued- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)