Washuleins Märchenstunde von -Catayane- (Antimärchen einer andern Ebene) ================================================================================ Kapitel 12: Das Märchen vom Anfang des Meeres --------------------------------------------- Es war einmal vor langer, langer Zeit, als eine schöne Krähe auf die Erde hernieder stieg, wo sie sich in ein Menschenweib verwandelte, um auf den Weiden mit dem Wind zu tanzen. Ihr schwarzes Gefieder wurde zu einem weiten Kleid, das sich im Wind wallend wiegte, während sie selbst sich drehte und zärtlich die Zehen auf die Halme des Grases setzte. Jeden Tag tat sie dies, von der Mittagsstunde an, bis die Sonne die Linie des Horizonts schnitt. Dann schwang sie sich wieder in die Höhen und flog davon. Irgendwann, als sie schon lange getanzt und sich nicht mehr an den Beginn entsinnen konnte, schlich ein Jäger zu ihr und legte an, um die Krähe zu erschießen, da er ihre wahre Gestalt erahnte, denn kein Mensch wirkte so dunkel und der Nacht genaht wie sie. Er harrte eine Weile aus, folgte den Bewegungen der Tanzenden, bis er sie wohl treffen würde und schoss dann, woraufhin die Krähe zu Boden sank. Das Blut rann aus ihrer Brust und sie erstarrte, als der Jäger sich über sie beugte und gespannt lauerte, dass sie ihre Gestalt veränderte, aber sie konnte nicht. Der Jäger begann zu zweifeln, ob er tatsächlich eine Krähe und nicht etwa einen Menschen geschossen hatte und drängte nun unter Schimpf und Schande die Krähe sich zu offenbaren. Aber diese konnte ihm nicht antworten, war sie doch nur ein stummes Tier, das nun im Sterben lag. Der Jäger nahm Reißaus und überließ die Krähe ihrem Schicksal. Diese lag noch über Stunden auf der Wiese und weinte über ihr Ende, bis plötzlich der Wind sie fand. Der Wind war ihr Freund, begleitete er sie doch im Flug durch die Luft und drehte sich mit ihr im Tanze. Er schwang sich herum und wurde zum Wirbel und ergriff den Leib der weinenden Krähe und trug ihn nach weit oben zu den Wolken. Ihre Tränen indes fielen dabei auf die Erde, vor allem auf die Wiese, auf der sie sich gedreht, und versickerten nicht im Boden, sondern wurden mehr und mehr und mehrten sich solange, bis die Wiese unter dem Wasser verschwand und alsbald eine solch große Fläche einnahm, dass die halbe Welt unter ihr versank. Die Krähe verstarb in den Armen des Winds, der nun mit dem Wasser, das durch ihren Tod entstanden ist, weiterhin tanzt. Doch so schön wie die Krähe tanzte niemals wieder ein Wesen auf der Welt, nicht einmal das Meer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)