Fallen Angel von __Sleepwalker ================================================================================ Kapitel 1: Fallen Angel - Standalone ------------------------------------ Spät abends komme ich wieder nach Hause. Mein Ehemann geht sofort ins Bett, aber ich will noch nach meiner kleinen Tochter sehen. Leise betrete ich Kaitlins Zimmer, aber alles was ich vorfinde ist ein leerer Raum. Ich sehe mich um und mache mir Sorgen, als ich das Tagebuch auf ihrem Schreibtisch finde. Meine Tochter würde niemals ihr Tagebuch offen auf dem Tisch liegen lassen. Ich nehme es aus Neugierde in die Hand und lese mir die letzten Zeilen durch. Meine Augen weiten sich. Träume ich jetzt oder ist es die Realität?! Ich blättere auf die erste Seite und fange an zu lesen. Sie hat sich sogar einen Anfang ausgedacht wie ihr ganzes Leben begann. Es ist erstaunlich wie gut sie es geschrieben hat, obwohl ich ihr immer nur wenig erzählt habe und nie ganz ausführlich. Eine kleine Geschichte, geschrieben wie ein Roman. * Laut schrie Tamara, als sie im Krankenhaus lag. Sie war im neunten Monat schwanger und ihre Wehen hatten etwa 4 Stunden zuvor eingesetzt. Die Hebamme redete immer wieder auf sie ein, sie solle pressen und dann plötzlich wieder aufhören. Tamara war mehr als genervt. Ihr Mann Pierre stand neben ihr, hielt ihre Hand und versuchte sie jedes Mal zu beruhigen, wenn sie der Hebamme am Liebsten an den Hals gesprungen wäre. Dann kam ihre kleine Tochter endlich auf die Welt. Lange hatte es gedauert und für Tamara war es schrecklich. Sie bekam den Namen Kaitlin, da ihr Vater Amerikaner war. Sie war ein wunderschönes kleines Mädchen. Überglücklich hielt die junge Mutter ihr Kind in den Armen und konnte ihr Glück gar nicht glauben. Endlich waren sie 3. Danach verging die Zeit schnell und die kleine Kaitlin hielt ihre Eltern jede Nacht auf Trapp. Sie war ein anstrengendes Kind, aber ihre Eltern nahmen für sie gerne diesen Stress auf sich. Als Kaitlin 2 Jahre alt war, geschah etwas, dass das junge Familienglück für immer zerstören sollte. Tamara stand gerade in der Küche und fing an das Essen zu machen, als es an der Tür läutete. Sie wusste nicht wer das sein könnte und ging verwirrt an die Tür. Als sie diese geöffnet hatte, standen zwei Männer in grünen Anzügen vor ihr. „Guten Tag Madam.“, sagte der eine von ihnen und die Brünette war nur noch verwirrter. „Guten Tag, Officer. Was gibt es denn?“ „Es geht um ihren Mann, Miss MacTavish.“ Tamaras Augen weiteten sich sofort. „W-was ist mit meinem Mann?“ „Es tut uns Leid ihnen das mitteilen zu müssen, aber ihr Mann ist vor 2 Stunden bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es kam jede Hilfe zu spät.“ Tamara war total geschockt. Sie dachte sie würde träumen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er konnte doch nicht tot sein. Tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf, als sie dann auf ihre Knie sank und anfing zu weinen. Die beiden Polizisten halfen ihr auf und brachten sie ins Wohnzimmer, wo sie versuchten die junge Dame etwas zu beruhigen. Mit der Zeit hatten sie es geschafft und Tamara brachte die beiden Herren wieder zur Tür. Binnen weniger Sekunden war für die junge Mutter eine Welt zusammen gebrochen. Wie sollte sie das alles ohne ihren Mann schaffen? Sie konnte weder Miete für das Haus bezahlen, da sie nicht genug verdiente, noch wusste sie nicht, wie sie alleine Kaitlin durchs Leben bringen sollte. Viele Fragen und Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf und sie wusste weder ein noch aus. Sie ging zu ihrer Tochter ins Zimmer, nahm sie in den Arm und fing wieder an zu weinen. Die Jahre vergingen. Tamara war mit der kleinen Kaitlin aus dem Haus ausgezogen und musste sich eine billige Wohnung suchen. Diese war in einem der schlimmsten Viertel der Stadt. Dort war es dreckig und Gewalt stand an erster Stelle. Die junge Frau wusste, dass das keine gute Umgebung für ihre Tochter war, doch sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen. Kaitlin wurde älter und hübscher. Sie war ein wunderschönes Mädchen und das schon im Grundschulalter. Ihre Mutter versuchte immer einen neuen Vater für ihre Tochter zu finden, aber sie geriet immer nur an die falschen Männer. An geldlose aggressive alte Penner, wie Kaitlin sie immer nannte, aber das behielt sie für sich. Als Tamara 12 Jahre alt war, heiratete ihre Mutter einen neuen Mann. Sie glaubte er sei der richtige und nicht so wie die anderen. Er zeigte keinerlei Anzeichen dafür, dass er gewalttätig sein könnte oder so etwas in der Art. Doch mit der Zeit hatte er immer gewartet bis Tamara schlief und schlich sich dann in Kaitlins Zimmer. Kaitlin wusste zuerst immer nicht genau was geschah, aber irgendwann wurde es ihr klar. Ihr Stiefvater sagte ihr, er sei nicht zu alt für sie. Er hätte genau das richtige Alter. Kaitlin wusste nicht was er damit sagen wollte und kurze Zeit darauf wurde sie von ihm vergewaltigt. Sie weinte und wollte schreien, aber er hielt ihr den Mund mit Gewalt zu. Kaitlin wusste, dass er nicht anders war, als die anderen Kerle, aber damit hatte sie nicht gerechnet. Nachdem er mit ihr fertig war, drohte er ihr damit, sie umzubringen, wenn sie auch nur einer Person davon erzählte. Sie hatte Angst und versprach ihm nichts zu sagen. Dann kam er jede Nacht wieder. Sie wusste nicht was sie tun sollte. Sie wollte, dass das aufhört, aber sie wollte auch nicht, dass er sie umbringt. Sie konnte es nicht einmal ihrer besten Freundin erzählen. Kai – wie ihre Freunde sie nannten – war total am Ende. Als sie fast 15 war, bemerkte sie, dass sie schwanger war. Ihre kleine Welt brach nur noch mehr zusammen. Sie war schwanger von ihrem Stiefvater. Schwanger mit einem Kind, dass durch eine Vergewaltigung entstanden war. Für eine Abtreibung war es zu spät und somit musste sie das Kind zur Welt bringen. Aber wie sollte sie das schaffen? Sie wusste es nicht. Sie wusste nicht, wie sie das hinbekommen sollte, ohne dass es jemand mitbekommt. Keiner durfte merken, dass sie schwanger war. So viel schoss ihr durch den Kopf. Wie er jedes Mal in ihr Zimmer kam, wenn ihre Mutter schon schlief und ihr irgendwelche Sachen ins Ohr flüsterte. Sachen wie: „Du musst mir geben, was mir Mama nicht mehr geben kann!“ oder „Ich weiß, dass du es auch willst!“ Alles was in Kaitlin noch blieb war Angst. Sie hatte Angst vor Männern. Angst davor nach draußen zu gehen und ausgelacht zu werden. Sie wollte nicht, dass jemand etwas mitbekommt. Sie konnte keinem mehr vertrauen. Sie verlor ihre Freunde und hatten niemanden mehr, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie war total am Ende. Sie konnte nicht einmal sich selbst vertrauen. Sie versuchte immer alles zu überspielen und es gelang ihr meistens auch, aber nichts war wie es schien. Kaitlin hatte kein Selbstvertrauen mehr und für sie war ihr ganzes Leben im Arsch. Sie wusste, dass nichts mehr wie früher werden würde. Wenn ihr Stiefvater nicht da war, dann holte sie die alten Familienalben raus. Sie sah sich die Bilder an. Die Bilder mit ihrem Vater. Sie sahen so glücklich aus. Alles war ganz normal und Kaitlin wollte ihren Vater wieder haben. Sie vermisste ihn, auch wenn sie damals gerade einmal 2 Jahre alt war. Die Monate verflogen und dann war Kai auch schon im neunten Monat. Sie hatte niemanden mit dem sie reden konnte. Vor ihrer Mutter musste sie es irgendwie verheimlichen und sie hatte es auch immer geschafft, auch wenn es schwer war. Kaitlin stand an ihrem Fenster und sah hinaus. Sie war alleine zu Hause. Ihre Mutter war mit ihrem Stiefvater in der Stadt. Warum tat dieser Mann das nur mit ihr? Wieso bemerkte ihre Mutter nicht, was er für ein Schwein war? Kai verstand es nicht. Sie verstand ihr ganzes Leben nicht mehr. Sie war so am Ende. Plötzlich merkte sie, wie die Wehen einsetzten. Die junge Blondine war erst verwirrt und geschockt, aber dann merkte sie sofort, dass das Baby auf die Welt kommen sollte. Kaitlin wusste nicht was sie tun wollte. Sie lief so schnell wie ihr Körper es zuließ aus dem Zimmer und die Treppen hinunter. Sie rannte in den Keller und versteckte sich dort. Die Schmerzen waren für sie unerträglich. Sie biss sich gewaltsam auf die Lippen, damit sie nicht lautstark anfing zu schreien. Sie wollte nicht, dass jemand sie mitbekommt. Wenig später kam das Kind auf die Welt. Zwischen hoch gestapelten Kartons und Spinnweben und Gerümpel brachte sie einen wunderschönen kleinen Jungen zur Welt. Kaitlin sah total erschöpft das Baby auf ihrem Schoß an. Sie wusste nicht was sie jetzt tun sollte. Sollte sie lachen? Oder doch lieber weinen? Ihr Kopf war wie leergefegt. Sie blieb dort einfach noch eine Weile sitzen. Alleine mit ihrem Kind. Alleine in diesem dunklen Keller. Alleine und dann schließlich doch weinend. Sie lief wieder nach oben in ihr Zimmer. Ihre Eltern waren noch immer nicht da. Kaitlin war froh darüber. Sie griff nach einer dünnen Decke und wickelte das Kind darin ein. Dann schnappte sie sich ihr Tagebuch und verfasste einen Eintrag. „Heute kam mein Kind auf die Welt. Er ist wunderschön. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich habe Angst. Angst, dass mein Stiefvater kommt und mich schlägt. Oder meine Mum mich vielleicht anschreit und mir Vorwürfe macht, warum ich ihr nichts gesagt habe. Sie scheint so glücklich mit diesem Arschloch zu sein. Ich kann sie nicht verstehen. Ich bin grade mal 15. Mein ganzes Leben ist versaut. Er hat mir alles kaputt gemacht. Es ist alles im Arsch und das nur wegen diesem verdammten Kerl. Ich bin für mein Alter reifer als die anderen Kinder und merke schnell, dass etwas nicht stimmt. Aber ich möchte das alles nicht mehr. Ich möchte nicht, dass er wieder kommt und mir wieder wehtut. Vielleicht tut er sogar meinem Kind weh. Ich habe Angst davor. Liebste Mutter. Vielleicht ließt du dieses Tagebuch ja irgendwann einmal, wenn ich nicht mehr da bin. Dann weißt du was ich durchgemacht habe ohne, dass du es mitbekommen hast. Ich bin durch die Hölle gegangen. Mein Leben ist verkackt. My lifestyle is secondhand. Ich bin nicht wie die anderen und das hast du immer gewusst. Aber du hast nie gewusst, dass er mich schlägt. Dass er mir wehtut. Er kam jede verdammt Nacht zu mir und hat mich vergewaltigt. Vergewaltigt und geschwängert und bevor er dasselbe wieder tut und vielleicht auch noch mit meinem Kind setz ich dem allen ein Ende. Mein Leben ist kaputt. Ich habe hier keine Existenz mehr. Mein Leben ist nichts wert. Nicht mal einen einzigen Cent. Du weißt nicht wie das ist. Ich vermisse Daddy. In diesem einem Buch hier steht meine ganze Lebensgeschichte. Jeder Tag erzählt seine eigene Geschichte. Jede Seite zeigt eine andere Welt. Ich liebe dich Mama, aber hier hält mich nichts mehr. Ich bin kaputt. Ich bin im Arsch. Mein Leben ist zerstört und das alles wegen diesem einen Mann. Lebewohl. Please, don’t forget me. In love your little Kaitlin.“ * Die Seiten waren nass von den Tränen, die auf sie getropft waren, während Kai geschrieben hatte. Sie wusste, wie dieses kleine schwarze Buch sich fühlen musste. Durchweicht bis auf die letzte Seite. Genau wie sie, wenn es draußen regnete. Kaitlin legte das Buch auf ihren Schreibtisch, nahm ihr schlafendes Baby und lief aus dem Haus. Sie lief die Straßen entlang. Sie lief einfach irgendwohin. Sie lief und lief, wo immer ihre Füße sie hintrugen, bis sie an einer alten baufälligen Brücke ankam. Unter der Brücke führten die Eisenbahnschienen entlang. Als das junge Mädchen auf ihre Uhr schaute wusste sie, dass in ein paar Minuten ein Zug kommen musste. Sie setzte sich auf das Geländer und sah nach unten. Sie ließ ihr Kind nicht los. Alles was sie wollte war ihrem Leiden ein Ende zu setzen, aber sie wollte ihren kleinen Sohn nicht alleine in dieser furchtbaren Welt lassen. Dann hörte Kaitlin den Zug kommen. ‚Das ist mein Zug…’, schoss es ihr durch den Kopf und sie stellte sich langsam auf das wackelige Geländer. Sie sah den Zug kommen. Er war nicht mehr weit entfernt. Kai schloss kurz ihre ausdruckslosen Augen, bevor sie tief einatmete. „I have to say my last goodbye. Goodbye sweet world. Your fallen angel.” Und mit diesen Worten sprang sie und erwischte den Zug. Der Zugführer war total geschockt, als er dieses junge Mädchen mit ihrem Baby fallen sah und zog die Bremse ran. Er wusste es war zu spät, aber das war seine Pflicht. Sofort rief er die Polizei und den Notruf, doch für die beiden jungen Menschen kam jede Hilfe zu spät. * Tränen rennen meine Wangen hinunter. Sie fließen wie Sturzbäche, als ich das alles las und von Zeile zu Zeile und von Seite zu Seite wurden es immer mehr. Ich habe nie gewusst was meine kleine Prinzessin durchgemacht hatte. Wie konnte dieser Mann, von dem ich dachte, er sei ehrlich und nicht wie die anderen, meiner kleinen Tochter so etwas antun. Wut steigt in mir auf. Wut und Hass. Nachdem ich meinen geliebten Ehemann verloren hatte, sollte ich jetzt auch noch meine einzige Tochter verloren haben?! Ich sollte alles in meinem Leben verloren haben, was mir wichtig ist oder war und dazu auch noch meinen Enkel, von dem ich nie etwas wusste?! Das ist zu viel. Ich stehe auf. Ich lege das Buch zur Seite und gehe aus dem Zimmer. Ich gehe ins Wohnzimmer. Ich habe ein Geheimversteck. Ich gehe zu diesem, öffne es und hole eine Waffe hinaus. Ich sehe sie an. Mein Kopf ist wie leergefegt und alles was ich noch fühle ist Hass. Hass und Wut und Schmerz und Rache. Ich laufe ins Schlafzimmer. Dieses perverse Arschloch merkt nichts. Er schläft tief und fest. „Hey Schatz!“, wecke ich ihn vorsichtig. Ich halte die Waffe auf ihn während er aufwacht und mich verschlafen ansieht. Er will etwas sagen, aber dazu kommt er nicht. Er ist geschockt. „Das ist für meine Tochter, du Schwein!!“ schreie ich ihn an und drücke ab. Ich Drücke nicht nur einmal. Nein, zweimal, dreimal, viermal. Er liegt dann nur noch regungslos da und ich sinke zu Boden und wieder fließen die Tränen. Das ist mein Ende. Ich habe wie meine kleine süße Tochter keinen Grund mehr zum Leben, halte mir die Waffe an den Kopf und drücke ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)