Eternal Fantasy von Rahir ================================================================================ Kapitel 15: Das Ende -------------------- Vincent und Yuffie umringten ihn und starrten ihn ratlos an. „Ist das gerade… wirklich passiert?“ fragte Yuffie fassungslos. Cloud nickte und wollte etwas sagen- als sein Blick wieder gerade aus schnellte. Er streckte den Zeigefinger aus, brachte jedoch kein Wort heraus. Dann sahen es auch Yuffie und Vincent. Eine Wand aus roter, wabernder Energie, höher als der Himmel und weiter als der Horizont, bewegte sich über das offene Meer auf sie zu. Wie eine Sturmwand aus purer Energie donnerte es auf sie zu. Kurz vor der Insel kam sie zu Halt und tauchte alles in einen gespenstischen, roten Schein. Und dahinter- war etwa nicht mehr das Meer, sondern eine andere Welt. Cid Highwind lümmelte auf seinem Pilotensitz. Die dreckigen Stiefel an seinen Füßen ruhten auf den Armaturen vor ihm. Seine Arme lagen verschränkt auf der Brust, und sein ungeduldiger Blick sprang immer wieder zur Uhr im Cockpit. „Wo bleiben die so lang…“, knurrte er, und die Kippe in seinem Mundwinkel tanzte dabei zornig auf und ab. „Dieser verdammte Cloud… ich glaub, das Mako ist ihm in die Birne gestiegen.“ Schnaubend nahm er die Füße von den Armaturen und wollte aufspringen- erstarrte dann aber mit den Händen auf den Armstützen. Sein Blick ging geradeaus aus dem Sichtfenster hinaus. Eine Wand aus rotem Licht rollte über den offenen Ozean und direkt auf sie zu. Erst kurz vor der künstlichen Insel machte sie halt und ragte wie der größte Wackelpudding des Universums über ihm auf. Die Zigarette in seinem Mundwinkel verlor allmählich den Halt, als sein ungläubiger Blick an der Wand aus pulsierender Energie empor glitt. Schließlich stürzte sie ab, drehte sich mehrmals in Zeitlupe und traf schließlich den ölfleckigen Boden des Cockpits. „Du heilige Scheiße… ich glaub, ich hör mit dem Rauchen auf…“ Nida schüttelte den Kopf wie von Sinnen, während er dem Direktor des Gardens auf die Schulter klopfte. Dieser studierte gerade eine Karte. „Ja, Nida, was gibt es denn…“, erwiderte er genervt. Immer noch traf die Hand stakkatoartig seine Schulter, ohne das ihr Besitzer ein Wort über die Lippen brachte. Schließlich blickte er aufgebracht von seiner Karte auf und wandte sich an den erstarrten Steuermann des Gardens. „Sagen sie gefälligst, was sie wollen und stö- “ Dann traf sein Blick die Wand aus rotem Licht, die sich von hier bis an den Horizont zog und höher, als das freie Auge es erblicken konnte. Augenblicklich verlor auch Kramer die Fähigkeit, sich verständlich zu artikulieren. Seine zitternde Hand tastete nach seiner Brille. Mit einer fahrigen Bewegung zog er sie sich vom Gesicht. Doch die Erscheinung war immer noch da. Cid Highwind erwartete sie bereits auf der Rampe des Schiffes, als Yuffie, Vincent und Cloud heranstürmten. Sein Blick wechselte zwischen den drei, die die Rampe hinauf hetzten, und der Wand aus waberndem Licht, hinter der sich nicht mehr das Meer, sondern eine riesige Stadt inmitten eines ebenen Graslandes abzeichnete. Der ölige Handschuh traf den Schalter zum Schließen der Rampe. Surrend fuhr sie hoch, und dabei wandte er sich an die drei. „Was zur Hölle habt ihr da angerichtet!!“ herrschte er sie an. Cloud konnte sich nicht erinnern, schon einmal Furcht in seinen Augen gesehen zu haben. Oder seinen Mund ohne eine Zigarette darin. „Wir wissen es genauso wenig wie du!“ kam ihm Yuffie mit der Antwort zuvor. Cids Blick, eine Mischung aus Ärger und Beklemmung, sprang zwischen den drei hin und her. Schließlich winkte er leise fluchend ab und lief wieder in Richtung Cockpit. Die ‚Shera‘ hob von der künstlichen Insel aus Schrott ab und wendete scharf Richtung Garden. Dabei spiegelten sich ihre Umrisse auf der Wand aus Energie und ließ glauben, ein weiteres Schiff flüchte vor dem anderen. Die Drei standen hinter ihren mürrischen Piloten und sahen den Garden schnell näher kommen. „Das, was mit dir passiert ist“, flüsterte Vincent zu Cloud, „es ist auch uns anderen allen passiert.“ Cloud nickte langsam. „Ja. Es sagte, ‚wir sind jetzt vollständig…‘“ „Was kann das bedeuten?“ Cloud sah ihn mit einer Mischung aus Ernst und Unsicherheit an. „Ich bin mir nicht sicher… aber ich glaube, es geht jetzt zu Ende.“ Rinoa und Barret klebten am Glas und starrten auf die Wand aus rotem Licht, die nur wenige Kilometer vor Edge-City stoppte. Hinter ihnen standen Reno und Selphie, die ihren Augen ebenso wenig trauten. „Wa-was ist daaaas!?“ stammelte Selphie. Im Raum war es plötzlich ganz still. Fast glaubte sie ihr Herz schlagen zu hören, bis Barrets Knurren die Stille durchbrach. Mit seiner mechanischen Faust schlug er wütend gegen das Glas, dann rannte er in Richtung Treppenhaus. Die anderen sahen ihm verwundert hinterher, nur Selphie starrte durch den Sprung im Glas, den sein Faustschlag hinterlassen hatte, auf die rot wabernde Wand. Hinter ihrer Oberfläche zeichnete sich die Wogen eines rotschimmernden Meeres ab, wo eben noch die Einöde um Midgar gewesen war. Als das Geräusch sich entfernender Schritte an ihr Bewusstsein drang, riss sie sich los von dem unwirklichen Anblick und folgte den anderen. Trotz seiner Masse legte der dunkelhäutige Riese die wenigen Stockwerke bis zum Flachdach des Wolkenkratzers mit erstaunlicher Geschwindigkeit zurück. Die anderen fanden eine schief in den Angeln hängende Tür mit seinem Faustabdruck vor, durch die sie ins Freie traten. Der Wind hier oben zerrte an ihrer Kleidung, als sie von hier aus die evakuierte Stadt überblickten. Aus vielen Gebäuden rauchte es. Liegengebliebene Fahrzeuge lagen wie achtlos weggeworfenes Spielzeug in den Straßen verteilt. Und vor ihnen, um die düstere Vision perfekt zu machen, ragte drohend die Wand aus pulsierender Energie auf, hinter der eine andere Welt beginnen zu schien. Seine Gegensprechanlage schrillte auf und riss Kaiser Larsa aus der Konzentration. Seufzend legte er den Füller neben das Dokument vor ihm und drückte die Taste. „Eure Hoheit… es ist- “, krächzte eine verwirrte Stimme durch die Leitung. „Sind sie wohlbehalten zurück?“ fragte Larsa besorgt. „Ist der Nethizit-Einsatz planmäßig abgelaufen?“ „Nein, ich meine… ja. Aber das ist es nicht- “ Wieder geriet seine Stimme ins Stocken. Larsa verlor allmählich die Geduld. „Was wollt ihr mir nun sagen? Ist es wegen dem Nethizit-Abwurf?“ „Es ist- wie soll ich sagen“, stammelte die Stimme verunsichert, als müsste sie mit drakonischer Bestrafung rechnen. „Seht am besten aus dem Fenster, eure Hoheit…“ Verdrossen schnaubend stieß er sich mit den Füßen ab, und sein Drehstuhl zeigte einen Moment später in Richtung der breiten Glasfront seines Arbeitszimmers. Rötlicher Schein fiel auf seine schreckensgeweiteten Züge. Seine Augen suchten Halt in dem Inferno aus rotem Licht und glänzenden Kristallfacetten, das den Himmel über seiner Stadt dominierte. Doch sie fanden keinen. Im nächsten Augenblick später sprang er auf und lief in Richtung Tür. Inmitten seiner Garde schritt Kaiser Larsa durch den schmalen Aufgang auf das Dach des Draklor-Laboratoriums. Offiziere befehligten ihre Soldaten und gaben sich alle Mühe, ihnen Mut zu machen. Man konnte ihre verunsicherten Augen unter ihren Helmen nicht sehen, doch nur mit reiner Willenskraft gelang es ihnen, die beherrschten Fassaden aufrecht zu erhalten. Festen Schrittes marschierte Larsa mit seinen Wächtern an ihnen vorbei, und die Anwesenheit ihres Kaisers schien ihnen zumindest etwas Mut zurück zu geben. Die Gruppe um Basch stand immer noch beieinander. Nun waren auch Balthier und Fran bei ihnen. „Ich mache euch das Angebot nur einmal. Wir beide verschwinden von hier, und wer will, kann mitkommen. Es kostet auch nichts, ihr müsst es euch nur SCHNELL überlegen!“ Xell blickte Balthier überrascht an. „Hä? Einfach abhauen? Und die Leute hier? Wir müssen ihnen helfen!“ sagte er im Brustton der Überzeugung und ballte die Faust dabei. Balthier schüttelte bedauernd den Kopf, als spräche er mit einem unheilbar Irren. „Wenn du den Helden spielen willst, bitteschön. Ich zwinge niemanden, mitzukommen.“ Xell wollte schon etwas in seiner hitzigen Art erwidern, doch alle verstummten, als plötzlich der Kaiser vor ihnen stand. Basch ging schnurstracks auf ihn zu. „Eure Hoheit… ich habe versagt.“ „Unsinn. Das im Grabe Raithwalls, und… und das hier“, sein beunruhigter Blick traf die Kristallfestung, die wie ein Damoklesschwert über der Stadt hing, „konntet ihr nicht verhindern. Ich mache euch keinen Vorwurf. Aber ich brauche eure Dienste nun dringender denn je.“ „Was soll ich tun, eure Hoheit?“ „Wir müssen herausfinden, ob dieses Ding feindlich ist. Und ob es etwas mit den Monsterschwärmen zu tun hat.“ Basch nickte. Dann wurde er stutzig. „Aber… diese Monster… sie sind doch vernichtet? Der Nethizit hat sie ausgelöscht, oder?“ Larsa schüttelte bedauernd den Kopf. „Wie mir vor kurzem mitgeteilt wurde, haben sich weitere Tore geöffnet. Im ganzen Land. Raithwalls Grab… war erst der Anfang.“ Entschlossenheit verdrängte die Bestürzung in Baschs Miene, und er nickte forsch. „Ich werde für mein Land und für euch tun, was in meiner Macht steht. Gebt mir ein Schiff, und ich starte einen Erkundungsflug.“ „Gerne würde ich das, aber es hat sich einiges getan in der Zwischenzeit. Die gesamte Flotte ist mobilisiert und kämpft an den Grenzen. Es sind nur noch die Schiffe in der Stadt, die für ihre Verteidigung unbedingt nötig sind…“ Balthier hörte sich das alles aus dem Hintergrund an, bis ihm dämmerte, was auf ihn zukam. Was das Schicksal von ihm erwartete. Lautstark seufzend drängte er sich vor und fiel dem Kaiser ins Wort. „Ja, ja, sagt es doch gleich. Ihr braucht einen Helden, und wir alle wissen, wer der ‚Held dieser Geschichte‘ ist, nicht wahr?“ Larsas erstaunter Blick traf ihn, und ebenso die der anderen. „Heißt das, ihr wollt uns helfen? Ihr seid kein Diener der archadianischen Armee mehr. Eure Zeit als Richter liegt lang hinter euch, ich kann euch nur bitten.“ Balthier Ffamran Mid Bunansa stützte seine Hände in die Hüften und nickte lachend. „‘Die Welt retten‘ wird schön langsam ein Hobby von mir! Auf ein weiteres Male kommt es auch nicht mehr an. Komm, Fran.“ Er machte kehrt Richtung ‚Strahl‘, und die Viera folgte ihm. An der Rampe des Schiffes machte er Halt und schaute auf die verwunderte Menge. „Worauf wartet ihr? Etwa darauf, dass ich es mir überlege?“ Dann setzten sie sich in Bewegung und betraten einer nach dem anderen das Schiff. Als letzter kam Basch die Rampe hoch. Im Vorbeigehen legte er Balthier die Hand auf die Schulter. „Das werde ich dir nie vergessen“, sprach er gerührt. „Jetzt werd‘ nicht sentimental. Rein mit dir“, schnauzte er ihn nicht ganz ernst gemeint an, dann ließ er die Rampe hoch. „Kehrt heil und in einem Stück zurück, werter Balthier!“ rief Larsa zu ihm hoch. Dieser winkte lässig zurück. „Keine Sorge, eure Hoheit. Ihr wisst doch, was man über den ‚Helden dieser Geschichte‘ sagt? Er stirbt nie.“ Die Rampe schloss sich, und als sie vor seinem Gesicht in ihrem Mechanismus einrastete, verdrehte er die Augen und dachte: Ich bereue es jetzt schon… Kaiser Larsa und die Soldaten um ihn herum sahen, wie die ‚Strahl‘ in den gespenstisch roten Himmel aufstieg und der Kristallfestung entgegenflog. Das Innere der ‚Strahl‘ war nun erfüllt von jenem roten, unheilverheißenden Licht, dass sich in den Facetten des gigantischen Kristallgebildes brach und einen beunruhigend schönen Rosaschimmer auf alles in dem Schiff warf. Auf die Sitze, auf die Armaturen und auf ihre besorgten Gesichter. Angespannt und zugleich erwartungsvoll starrten sie aus den Sichtfenstern. Bis Richter Basch in ihre Mitte trat. „Ich möchte ein paar Worte an euch richten…“, begann er förmlich. Die ‚Passagiere‘ der ‚Strahl‘ wandten einer nach dem anderen ihr Augenmerk auf ihn, bis er die Aufmerksamkeit aller hatte. „Ihr alle habt mit mir Seite an Seite gekämpft, und dafür möchte ich euch nochmal danken. Aber das hier ist nicht euer Kampf. Ich kann nicht verlangen, dass ihr mir folgt, wohin… auch immer ich gehen werde.“ Er blickte ihn nachdenkliche Gesichter, bis sich Squall Leonhart von seinem Sitz erhob. Sein Blick streifte sämtliche Anwesenden, und er begann nicht zu sprechen, bevor er sich nicht auf wortlose Weise ihrer Unterstützung versichert hatte. Xell… ja, er wird mir überall hin folgen. Auf ihn ist Verlass. Tifa… sie vertraut mir, und ich auch ihr… ich hoffe, das wendet sich nicht gegen uns. Dieser Mann namens Rude… er sucht etwas, und er wird eher sterben, als es aufzugeben. Diese Aeris… es klingt selbst für mich albern, aber das Schicksal hat sie uns geschickt, das spüre ich. „Basch von Ronsenburg. Jetzt hören sie mal zu“, begann er zu sprechen, und etwas Eigenartiges lag mit einem Male in der Luft. Nur selten erhob Squall offen die Stimme, meistens widerstrebte es ihm. Doch er konnte es nicht bestreiten, er war der geborene Anführer. Und seine Worte schafften es wie die kaum eines anderen, verzweifelten Menschen neuen Mut zu geben. Xell erinnerte sich… der Kampf der Gardens, als die galbadianischen SEEDs sie mit ihrer größeren Erfahrung niederzuringen drohten. Squall hatte nicht nur an vorderster Front gekämpft, sondern auch seinen Kameraden und Freunden im Garden allein durch den Klang seiner Worte Kraft verliehen. Eine Kraft, mit der sie schließlich die Angreifer zurückschlagen hatten können, damals. Und nun war wieder so ein Moment. Wenn nicht ein noch bedeutungsvollerer. „Wir alle haben einen langen Weg hinter uns. Ich kenne diese Welt nicht, dieses… Ivalice, Richter Basch. Ich kenne auch nicht die Welt, aus der Tifa, Rude und… Aeris kommen.“ Sein Blick streifte die drei, die ihm aufmerksam zuhörten. „Ich weiß aber, dass wir alle etwas suchen. Und zwar die Menschen, die uns besonders wichtig sind. Manche haben gefunden“, er blickte in Xells optimistisches Gesicht, „und andere… bangen noch immer.“ Dann sah er die schwermütigen Mienen von Rude und Tifa. „Aber eines bezweifle ich keinen Moment: hier endet unsere Suche. Fragt mich nicht, warum, ich weiß es einfach…“ Seine Stimme wurde leise, verlor aber nicht an Eindringlichkeit. „Wir gehen mit ihnen. Dieses Ding da draußen… all die Zufälle, die unsere Wege gelenkt haben bis hierher… es gibt einen Zusammenhang, und den werde ich herausfinden.“ Basch sah ihn ernst an. Das Gesicht des Richters wirkte müder als je zuvor, und seine Augen hatten einen anerkennenden Ausdruck, als er dem SEED zunickte. „Gut. Ich weiß es zu schätzen. Es wäre mir eine Ehre, we- “ Ein plötzliches Manöver des Schiffes riss ihn um ein Haar zu Boden. Gerade noch fand er halt an einer Sitzlehne. Das Schiff geriet ins Trudeln, und alle Blicke richteten sich nach vorne Richtung Cockpit. Dort saß Balthier mit angestrengtem Gesicht hinter dem Steuerknüppel und rang mit einer unsichtbaren Kraft. Basch kämpfte sich durch das jetzt in Schräglage fliegende Schiff nach vorn. „Was ist los?“ fragte er und bekam von Fran auch augenblicklich eine Antwort. „Irgend ein Kraftfeld umgibt dieses Ding!“ rief sie über schrille Warnsignale des Schiffes hinweg. „Wir können nicht näher ran!“ „Wir können auch nicht weg“, knurrte Balthier, der immer noch mit der außer Kontrolle geratenen Steuerung rang. Die Schräglage wurde bedrohlicher, und es wirkte, als zerrten starke Kräfte an dem Schiff, die in entgegengesetzte Richtungen wirkten. „Können wir landen?“ fragte Basch mit besorgter Stimme, als die rote Wand aus Licht immer näher kam. „Wir können… gar nichts, verdammt!“ fluchte Balthier, dem es nicht gelang, die Herrschaft über sein Schiff zurückzuerlangen. Es beschrieb nun einen erzwungenen Bogen zwischen der Kristallfestung, die zu ihrer Linken bedrohlich in den rötlichen Himmel aufragte, und der Wand aus rotem Licht, die wie eine senkrecht stehende Wasseroberfläche vor ihnen pulsierte. Der Bogen verschob sich, und sie hielten unerbittlich auf die Wand zu. Baschs Augen wurden groß. Fran sah verzweifelt, wie ihr Partner das Steuer umklammerte, dem das Schiff nicht mehr gehorchen wollte. Alle drei schrien auf, als das Schiff gegen die Wand prallte- -und hindurch brach. Balthier, Fran und Basch atmeten wie eine Person auf, als die ‚Strahl‘ entgegen ihren Erwartungen nicht zerschellte, sondern plötzlich über eine Stadt flog. Nach wenigen tiefen Atemzügen richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Häuserschluchten unter ihnen, die ihnen so völlig fremdartig schienen. Tifa stürzte ans Bullauge. Tränen der Verwirrung traten in ihre Augen, und sie schüttelte zitternd den Kopf. Squall wandte sich zu ihr um und blickte sie fragend an. Doch bevor er einen Satz an sie richten konnte, stand Rude hinter ihm und deutete mit ergriffener Miene aus dem Sichtfenster. „Das… ist Edge-City. Unsere Heimat.“ Die ‚Strahl‘ flog zwischen den grauen Wolkenkratzern Schleifen, während ihre beiden Piloten versuchten, sich zu orientieren. „Ich will verdammt sein, Fran… in Archadis sind wir jedenfalls nicht mehr.“ Die Viera antwortete nicht, sondern starrte nur betreten auf die kalt und leblos wirkenden Gebäude. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas Ähnliches gesehen. Die kleine Gruppe um Barret, die auf dem Flachdach des höchsten Gebäudes von Edge-City stand, erblickte ein Flugschiff, das in ziellosen Schleifen zwischen den Hochhäusern hindurch flog. Sein Kurs wirkte planlos und verloren. Die Formen des Schiffes waren so andersartig, als gehöre es nicht in diese Welt. Nichts desto trotz begannen Selphie und Rinoa zu winken. Reno schloss sich ihnen an, ohne mit seinem hysterischen Gekicher aufzuhören. Barret schüttelte knurrend den Kopf- bis das Schiff tatsächlich seinen Kurs änderte und auf sie zuhielt. Alarmiert griff er sich an seinen Waffenarm. „Was hast du vor?“ fragte Fran argwöhnisch. „Diese Leute können uns vielleicht sagen, wo wir hier sind“, erwiderte Balthier schulterzuckend. „Oder hast du eine bessere Idee?“ Die Viera schnaubte nur, und so setzte die ‚Strahl‘ zur Landung an auf dem Flachdach inmitten der Wolkenkratzer dieser düster und lebensfeindlich wirkenden Stadt. Barret wollte schon zur Vorsicht mahnen, doch die beiden Frauen und der ehemalige Turk rannten auf das Schiff zu. Squall erstarrte, als er durch das Bullauge ins Freie blickte. Auf der grauen Betonplatte, die das Dach dieses kahl und abweisend wirkenden Gebäudes bildete, sah er vier Menschen. Einen bulligen Mann mit schwarzer Hautfarbe, einen eher schmächtig wirkenden Mann mit langen, roten Haaren- und zwei Frauen. Selphie und- Rinoa. Balthier wollte gerade die Rampe hinuntergehen, als er von insgesamt vier Personen zugleich umgerannt wurde. Niemand schenkte ihm Beachtung, als er am Fuß der Rampe saß und sich den vom Sturz schmerzenden Rücken rieb. „Was ist denn das für ein Benehmen?“ rief er ihnen beleidigt hinterher. Squall stoppte seine schnellen Schritte und blieb fast stehen. Rinoa stand nur wenige Meter von ihm entfernt, doch er wagte es nicht, noch weiterzugehen. Rinoa starrte ihn verloren an. Selphie, die neben ihr stand, sah, wie ihre Lippen zu zittern begannen. Wasser trat in ihre Augen, und sie bewegte kaum merklich den Kopf von links nach rechts. Xell lief zu ihnen und überschüttete sie mit Fragen, doch Rinoa hörte nichts um sich herum. Alles trat in den Hintergrund, selbst das rotglühende Inferno, das diese Welt bedrohte, rückte in weite Ferne. Dann tat sie einen Schritt nach dem nächsten, ganz vorsichtig, als müsste sie befürchten, dass der Untergrund unter ihren Schuhen nachgeben und zerbröckeln könnte. Bis sie vor Squall stand. „Squall…“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme, und erste Tränen liefen über ihr Gesicht. Dann löste er sich aus seiner Erstarrung und trat auf sie zu. Fast gaben ihre Beine unter ihr nach. Die ganze Zeit hatte ihr die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihm Kraft gegeben, doch jetzt, wo es soweit war, schien sie schlagartig zu versiegen. Nichts wünschte sie sich jetzt mehr, als von ihm aufgefangen und umarmt zu werden. Doch stattdessen ergriff er nur ihre Schultern. „Rinoa! Wie… wie kommst du hierher?“ fragte er kopfschüttelnd und verzweifelnd lachend. Es fehlte ihr fast die Kraft zu antworten. Zu ihrer Erleichterung trat nun Selphie an die beiden heran und erklärte die Geschehnisse aus ihrer Sicht, seit sich ihre Wege in den Ruinen von Nabudis getrennt hatten. Sie hörte dies nur am Rande mit, und sie wollte bereits die Arme um seinen Nacken legen- als er einen Schritt zurück trat. Verunsichert blickte sie ihn an. „Ich bin froh, dass ihr in Ordnung seid“, kam über Squalls Lippen, doch sie erkannte die Stimme nicht. Verwirrt starrte sie seinen Mund an und traute ihren Ohren kaum. Als hätte sie etwas gänzlich anderes erwartet. Dann löste sich der Blick seiner blauen Augen von ihr und traf die anderen Personen auf diesem Dach- Reno und Rude starrten sich an wie ihre jeweiligen Spiegelbilder. Dann, einen bedeutungsschwangeren Moment später, fiel Reno seinem Kollegen und besten Freund um den Hals. Seine Sonnenbrille verrutschte dabei, und er erwiderte nur sehr zögerlich diese überschwängliche Geste. Als sich Reno wieder von ihm löste, lachte er ihn wirr an. „Hey, Rude… ich hab übrigens Rufus erwürgt.“ Rude nahm blitzartig seine Sonnenbrille ab. „Du hast WAS??“ „Ja!“ kicherte er, „und dann haben wir Salvatori seinen eigenen Monstern zum Frass vorgeworfen, hi, hi“, kicherte er, und der Wahnsinn sprach wieder aus seinen Augen. Tifa sprang Barret an, und der dunkelhäutige Riese umarmte sie mit einer Behutsamkeit, die man ihm kaum zugetraut hätte. Dabei hob er die um einen Kopf kleinere Frau ein Stück vom Boden hoch. Schließlich setzte er sie wieder ab. „Tifa, verflucht… wir haben dich gesucht“, stammelte er, und in seinen braunen Augen sammelte sich Flüssigkeit. „Cloud… wo ist er?“ fragte sie leise. „Er war doch bei euch, in dieser Ruine?“ „Wir wurden getrennt“, brummte er, und seine alte Bärbeißigkeit kehrte zurück. „Hab verflucht nochmal keine Ahnung, wo er steckt. Aber ich habe dich gefunden, und ich will verdammt sein bis in alle Ewigkeit, wenn mir das mit Spikey nicht ebenfalls gelingt.“ Er bemühte sich zu lächeln, aber seine bekümmerte Miene strafte diese Geste Lügen. Unter all diesen Wiedersehensmomenten stand Balthier mit verschränkten Armen und ungeduldigem Gesicht. „Das ist ja alles wirklich ausgesprochen rührend, aber könnte mir jemand verraten, wo wir hier um alles in der Welt sind?“ fragte er mit hochgezogener Augenbraue. Barret bemerkte ihn nun. „Was is’n das für ein Fatzke?“ fragte er brummend. „Er ist ein, ähem… Freund“, antwortete Tifa sich räuspernd. Barret ging an ihr vorbei und auf ihn zu. Dabei musterte er seine exotische Erscheinung argwöhnisch von Kopf bis Fuß. „Aus welcher Nachbarschaft kommst du her?“ fragte er misstrauisch. „Mein Name ist Balthier Ffamran Mid Bunansa, und ich komme aus Ivalice, mein Herr. Und mit wem habe ich die Ehre?“ fragte er in einem leicht hochnäsigen Ton zurück. „Hä? Für den langen Namen brauchst du statt ´ner Visitenkarte ja ´ne Klopapierrolle!“ lachte er. Dann sprach er ernst weiter. „Ich bin Barret Wallace, und dieses Drecksloch von Stadt ist meine verdammte Heimat. Oder war es zumindest mal. Und was hat di- “ Barrets Blick ging über Balthiers Schulter hinweg und traf die Wand, die immer noch wie ein Vorhang aus Feuer bedrohlich vor der Stadt hing. Und aus der sich jetzt Stück für Stück die gewaltige Kristallfestung schob. Wie ein Wal aus geschliffenem Glas, der der Schwerkraft trotzte, wuchs die in allen Farbtönen schimmernde und glänzende Festung aus dem Wasserfall aus rotem Licht. Ein Brausen stieg aus dem Boden auf, kroch in ihre Füße und bahnte sich den Weg bis in ihre verstörten Gedanken. Barrets Kiefer sank immer tiefer. Seine Augen nahmen einen Ausdruck der Ungläubigkeit und auch der Wut an, als wüchse direkt vor seiner Nase ein Hinweisschild mit der Aufschrift ‚Dunkelhäutige Personen nicht erwünscht‘ aus dem Erdboden. „Zuerst… diese Scheiße und dann das…!?“ Ein ohnmächtiges Schnauben entwich seinen Nasenflügeln, dann ballte er knirschend die metallene Faust. Drohend streckte er sie der gigantischen Erscheinung, die am Himmel über Edge-City entstand, entgegen. Und schuf so eine neue Interpretation von David und Goliath. Alle anderen blickten wie versteinert zu der imposanten und zugleich bedrohlichen Erscheinung empor. Basch murmelte leise Worte. „Also auch hier…“ „He, du, Balthier-Narr!!“ herrschte Barret ihn an. Der Angesprochene wandte sich zu ihm um und tippte sich argwöhnisch auf die Brust. „Meinen sie mich?“ „Ja, Weißbrot. Kann dieses Ding noch fliegen?“ „Dieses ‚Ding‘, mein Herr, ist die ‚Strahl‘, und natürlich kann sie fliegen- “ „Dann bring mich dort hin!“ befahl er förmlich und deutete mit seinem gesunden Arm auf die Kristallfestung, die in einem rötlich glühenden Himmel hing und bizarre Farben auf die bis dahin grauen Hochhäuser warf. Balthier hielt dem Blick des um einen Kopf größeren Mannes stand und verschränkte reserviert die Arme. „Wenn sie wollen, können sie mitfliegen. Wir hatten ohnehin vor, dieses… ‚Objekt‘ zu inspizieren.“ Nacheinander betraten sie wieder das Schiff. Balthier stand an der Rampe und betrachtete im Vorbeigehen seine illustren Passagiere. Basch verlor keine Zeit und war zuerst wieder an Bord. Dann folgte der dunkelhäutige Mann namens Barret, der unablässig vor sich hin fluchte. Ihm folgten auf den Fuß die Frau namens Tifa und die beiden Männer in den dunklen Anzügen. Der Rothaarige von ihnen lachte die ganze Zeit und flüsterte so etwas wie „das wird sicher lustig“, während sich sein glatzköpfiger ‚Zwilling‘ offenbar mehr Sorgen um seine geistige Gesundheit machte als um die Erscheinung am Himmel. Dahinter wiederum schritten der übellaunige Mann mit Namen Squall die Rampe hinauf, gefolgt von den beiden Frauen, von denen besonders die mit den schwarzen Haaren und der blauen Weste ein weinerliches Gesicht machte und Squall von hinten betroffen anstarrte. Der blonde Heißsporn mit Namen Zell oder so ähnlich bemühte sich, sie zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Als alle an Bord waren, ließ er die Rampe hochfahren und sperrte die kalte Welt aus Beton und Stahl, die diese Stadt war, hinaus. Fran blickte mit hochgezogener Augenbraue nach hinten in den Passagierraum, der sich allmählich füllte. Balthier ging an ihr vorbei und ließ sich seufzend auf seinen Pilotensitz fallen. „Wir hätten Platzkarten verkaufen sollen“, seufzte er und startete die ‚Strahl‘. Wie ein Raubvogel aus elegant geformtem Metall erhob sich das Schiff und flog eine Schleife. Und wieder hielt sie direkt auf die Festung aus Glas und Kristall zu. Basch stand wieder zwischen den beiden Pilotensitzen. Die schimmernde Festung, die offenbar die Ursache für all die rätselhaften Ereignisse war, füllte das breite Sichtfenster mittlerweile völlig aus. Bei diesem Anblick wurde dem Richter tatsächlich bange zumute. „Erinnert ihr euch? Damals, als wir die ‚Bahamut‘ ansteuerten?“ Die Viera nickte langsam, und Balthier bejahte lächelnd. „Oh ja. Wie könnte ich das vergessen. Damals wussten wir zumindest ungefähr, was uns erwartet. Aber das hier…“ Kopfschüttelnd blickte er auf das bizarre Gebilde aus Kristallfacetten, spiegelnden Oberflächen und funkelnden Säulen. Bis eine unsichtbare Kraft ihre Hand ausstreckte und erneut den Kurs des Schiffes beeinflusste. „Nicht schon wieder!“ schimpfte Balthier, doch es war das Gleiche. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er den Kurs zu korrigieren, und so merkte er nicht, was sich in undeutlichen Konturen hinter der Wand aus rotem Licht abzeichnete, auf die sie die unsichtbare Kraft zu trieb. Basch sah hin und erspähte die Oberfläche eines Meeres, und darauf ein riesiges Gebilde in Form eines bunt angemalten Schneckenhauses… Wieder durchbrach die ‚Strahl‘ unfreiwillig die Membran zwischen den Welten, doch sie gelangte nicht zurück nach Ivalice. Nun glitt sie über eine fast völlig glatte See dahin, die sich bis zum Horizont erstreckte. Bis auf das schneckenhausförmige Gebilde, das knapp über dem Wasser schwebte. Cloud und seine Freunde hatten sich unter dem Schatten der ‚Shera‘ versammelt und besprachen die Lage. Sie debattierten heftig über die mögliche Bedeutung dieser Erscheinung und was jetzt zu tun wäre. Die SEEDs im Garden verhielten sich auf Befehl ihres Direktors abwartend. Die Situation war unübersichtlich genug, als das Cid Kramer voreilige Schritte setzen wollte. „Wir müssen was tun, verdammt!“ fluchte Cid und schlug sich mit der Faust auf die Handfläche. „Sonst geht noch alles den Bach runter!“ „Und was sollte das sein?“ fragte Yuffie aufgebracht. Cid schnaubte verächtlich. „Was weiß ich… wenn uns nicht bald was einfällt, verschluckt dieses Ding noch die ganze Welt mitsamt uns!“ Cloud hörte nachdenklich zu. Die Diskussion ging im Kreis, und er wurde seiner Rolle als Anführer ihres kleinen Haufens nicht gerecht. Im Hintergrund sah er, wie Shera mit den beiden Kindern abwartend im Schatten ihres Schiffes saßen. Cid hatte ihnen befohlen, dort zu warten. Sollte die Situation gänzlich eskalieren, dann könnten sie zumindest alle schnell mit dem Schiff fliehen. Fragt sich nur wohin, dachte Cloud ernst. Irvine, der wegen seinem Zustand fürs erste aus seinen Pflichten entlassen worden war, saß in einiger Entfernung der Gruppe am Rand des Hofes. Es schien, als würde er sie genau beobachten, doch in Wahrheit ging der Blick seiner blauen Augen in eine unbestimmte Entfernung. Sein Gesicht war leer; es zeigte keinen Ausdruck. Doch tief in seinem Inneren wogten die Wellen des Schmerzes. Auch wenn jetzt nicht der richtige Moment war, er musste ihn zulassen. Der Druck der Ereignisse hatte ihn bisher davor bewahrt, doch nun würde er sich mit dem Verlust des ihm liebsten Menschen auseinandersetzen müssen. Viele schwere Aufgaben und Pflichten hatte er schon bewältigt in seinem Leben; doch ihm schwante, dass die Schwierigste nun vor ihm lag. Und doch sträubte sich alles in ihm. Etwas in ihm wollte nicht wahrhaben, dass Selphie verloren war. Er hatte die Ruinen einstürzen sehen, im letzten Moment, bevor ihn diese rätselhafte Macht in seine Heimat zurückgebracht hatte. Selphie war dort geblieben. Und selbst wenn er zurückkehren konnte, er wagte es nicht, sich ihr Schicksal auszumalen. Bis ihn die in ihm brodelnde Mischung aus seelischem Schmerz, Ungeduld und Selbstvorwürfen aufstehen ließ. Sein Gewehr, das neben ihm an der Wand wie ein treuer Begleiter lehnte, ließ er stehen. Cloud lauschte immer noch der Debatte zwischen Cid und Yuffie. Vincent stand nur schweigend daneben, doch sein flüchtiger Blick sagte vieles. Er drückte die selbe Ratlosigkeit aus, die sich auch Cloud bemächtigt hatte. Nanaki und seine neugefundene Artgenossin Shinaha standen etwas abseits und warteten geduldig. Clouds nachdenklicher Blick fiel auf sie. Sie haben keine Angst, dachte er, was immer auch geschehen wird. Sie haben gefunden, was sie ihr Leben lang gesucht haben. Nur wir Menschen haben immer Angst vor der Zukunft und was sie bringen mag. Und das, obwohl wir nie allein sind. Nanaki war es sein ganzes Leben, und diese Shinaha auch. Vielleicht sind sie deshalb innerlich stärker als wir… Irvine ging geradewegs auf die Gruppe zu. Sein starrer Blick war geradeaus gerichtet, er schien sie gar nicht wahrzunehmen. Verwundert traten sie zur Seite, als er durch ihre Mitte schritt. Am Rande des Außenhofes blieb er stehen und blickte aufs Meer hinaus. Cid blickte ihm mit gerunzelter Stirn hinterher. „Der ist völlig hinüber“, bemerkte er kopfschüttelnd. Yuffie warf ihm einen mahnenden Blick zu ob dieser bei ihm nicht gerade überraschenden Insensibilität. Irvine starrte aufs Meer und auf die rote Wand, die wie ein Vorhang aus Feuer nur wenige hundert Meter vom Garden entfernt hing. Er fragte sich, was sich hinter dieser pulsierenden Oberfläche aus Energie befand. Selbst wenn der Tod auf jeden wartete, der versuchen würde, sie zu durchdringen, die Abwehr gegen diesen Gedanken schmolz in seiner gepeinigten Seele. Hinge diese Wand aus Feuer unter ihm, vielleicht würde er dann einfach die Arme ausbreiten und sich fallen lassen… dann blinzelte er. Er rieb sich die Augen, aber es war immer noch da. Ein Flugschiff brach aus der wie Glut wabernden Oberfläche und hielt auf den Garden zu. Neue Feinde? dachte er alarmiert. Doch es sah nicht feindlich aus… und seine geschwungenen Formen waren eindeutig von Menschenhand geformt. „He!! Was ist das?!“ rief er, und alle drehten sich in seine Richtung um. „Das ist nicht möglich!!“ schrie Squall außer sich. Fassungslos klebte er am Bullauge. Ebenso seine Freunde. Basch stand im Gang hinter ihnen und blinzelte verwirrt. „Was seht ihr da? Was ist da so ungewöhnlich?“ Squall drehte sich zu ihm um, und sein Gesicht drückte eine Mischung aus Verwirrung und Euphorie aus. Irr lachend deutete er aus dem Fenster. „Das da unten… das ist der Balamb-Garden!!“ Basch hob eine Augenbraue. „Und das bedeutet…?“ fragte er vorsichtig. Doch anstatt zu antworten, sprangen Xell und Squall zugleich auf und stießen dabei zusammen. Squall setzte sich schließlich durch und erreichte das Cockpit als Erster. Mit viel Geschick landete Balthier die ‚Strahl‘ neben dem anderen Schiff. Staub wurde aufgewirbelt, und alarmierte SEEDs begannen den nun ziemlich vollen Innenhof zu bevölkern. Zusammen mit Cloud und den anderen bildeten sie ein dichtes und zu allem bereites Spalier um die ‚Strahl‘ und die ‚Shera‘, die nun dicht aneinander parkten. Als sich die Rampe auf den Boden senkte, sahen sie sich einem Dickicht aus schwarzen Uniformen und erhobenen Waffen entgegen. Sie alle senkten sich aber synchron und von einem ungläubigen Raunen begleitet, als Squall Leonhart die Rampe als Erster hinab schritt. Hinter ihm folgten Rinoa, Selphie und Xell, der triumphierend die Faust emporstreckte. Irvine drängte sich durch die Menge und rannte direkt auf Selphie zu. Diese bekam große Augen, die sich augenblicklich mit Tränen füllten, als er ihr um den Hals fiel. Rinoa und Squall standen betreten daneben, als sich die beiden schluchzend umarmten. Dann kamen Tifa und Barret aus dem Schiff. Cloud schüttelte verständnislos den Kopf, bevor er losrannte. Und bald sahen sich Rinoa und Squall umringt von rührenden Wiedersehensszenen. Die allgemeine Erleichterung hing spürbar in der Luft. Sie fühlten, in diesem Moment endeten alle langen Reisen, die mit seiner Entführung begonnen hatten. Die Freunde waren wieder vereint, und der Kreis des Schicksals hatte sich geschlossen. Squall sah sich um. Diese Szenen, die sich unter der ebenso wachsamen wie verwirrten Augen der SEEDs des Garden abspielten, wirkten irgendwie nicht real. Umarmungen, Tränen, hilflos gestammelte Worte der Erleichterung und des versiegenden Schmerzes, der angestaut von der Harschheit einer unerbittlichen Realität nun endlich Erlösung erfuhr… Eigentlich hätte er sich auch freuen sollen. Aber er konnte nicht. Ebenso wenig wie Rinoa, die neben ihm stand und so verloren wirkte wie ein ungeladener Partygast, während alle anderen ungezwungen feierten. Dabei war dies ihre Heimat. Zumindest die seine… Sein Blick fiel zu ihr. Unsicher wie ein scheuer Teenager fuhr sie sich mit zitternder Hand durchs Haar, und blickte abwechselnd auf die überschwänglichen Wiedersehensszenen um sie herum und dann wieder zu Boden. So weit ist sie wegen mir gegangen, bis an ihre Grenze… Und ich schaffe es nicht mal, ihr dankbar zu sein. Es quälte ihn, und er wollte sich schon zwingen, auf sie zuzugehen, ihr etwas zu sagen, ihr irgendwie zu danken, sie zu umarmen. Und so riss er sich los aus der Starre seiner kreisenden Gedanken und trat vor sie hin. „Rinoa?“ Ihr Blick traf sie, und er wirkte einen Moment ängstlich wie von einem Tier, das erstarrt auf der Straße stehend bereits die grellen Scheinwerfer eines LKWs auf sich spürt. „Ja… Squall?“ „Ich…“ Er würgte an den Worten, und gab sich selbst einen Stoß. „Du bist wegen mir… du hast mich gesucht. Und hast mich auch gefunden. Das… das werde ich dir nie vergessen.“ Einen Augenblick lang verfluchte er sich für die Plattheit dieser Worte. Doch Rinoa nickte nur und setzte eine pflichtbewusst dankbare Miene auf. „Ich habe es für dich getan. Ich wollte dich nicht verlieren.“ Ihr Gesicht wurde teilnahmslos, als die Fassade vor ihrem Schmerz sich verfestigte. Sie nickte langsam, wie um ihre vor hilfloser Ohnmacht strotzenden Worte zu bekräftigen. Squall versetzte es einen Stich im Herzen. Cloud und Tifa standen sich gegenüber. Es war wie in Traum. All der Wirbel, all die Ausrufe der aufgebrachten und glücklichen Menschen um sie herum… alles löste sich auf in einen Nebel verschwommener Laute, die von fernen Gefühlen der Freude und der Dankbarkeit kündeten und sich wie ein warmer Regen über die beiden legte. Cloud überwand mit wenigen Schritten die Entfernung, die sie trennte. Diese Schritte schienen ihm wie eine Parabel ihrer ganzen Reise zu sein, und das in diesen Sekunden stattfindende Wechselbad der Gefühle brachte die Quintessenz ihrer gesamten Unternehmung an die Oberfläche seiner gelösten Gedanken. Ganz behutsam legte er seine Hände an ihre Schultern, als wäre er sich ihrer materiellen Existenz nicht sicher. Er atmete beruhigt auf, als er die Wärme ihrer Haut spürte. Sie blickte ihn mit tränennassen Augen an, und dann umarmte er sie. Er drückte sie an sich so fest er konnte, und ihre Finger krallten sich in seine Kleidung. Nie wieder würde er sie loslassen, nie wieder… Als er die Wärme ihrer Umarmung fühlte, wurde er sich wie in einem Gedankenblitz all der Versäumnisse seines Lebens bewusst. Immer hatte er ihre Anwesenheit für selbstverständlich genommen, immer war sie die Stütze in seinem Leben gewesen, wenn die Dämonen der Vergangenheit und seiner eigenen dunklen Persönlichkeit übermächtig zu werden drohten. Sie hatte nicht viel getan, außer da zu sein… und gerade dies war mehr wert gewesen als alle guten Worte dieser Welt. Nie hatte er sich Gedanken darüber gemacht, doch nun war es ihm klar. Es ist nicht selbstverständlich, Menschen um sich zu haben, denen man etwas bedeutet. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Hammerschlag, und er stöhnte einen Moment auf. Er hatte immer in der Erstarrung seiner Gefühle verharrt, hatte hinter einem Panzer seine Angst und seine Verletzlichkeit verborgen. Und Tifa hatte damit zu leben gelernt. Nie war sie zu ihm durchgedrungen. Doch nun hatte er es geschafft. Plötzlich war ihm alles so sonnenklar, was er all die Jahre für sie empfunden hatte. Einen Moment fragte er sich, wieso diese Erkenntnis solange auf sich warten hatte lassen, warum er so lang so dumm gewesen war. Und dann begriff er… Ein Bild tauchte in seinem Geist auf, das Bild einer Person, die ihre Schwäche nach Außen trug und bereit war, alles anzunehmen, was Schutz und Geborgenheit geben konnte. Eine Eigenschaft, die er solange unterdrückt hatte und auch anderen nicht zugestehen hatte wollen. Angesichts dieser Hilflosigkeit hatte er seine starken Arme ausgebreitet und ihr Zuflucht in ihnen geboten. Tifa hatte dies nie versucht, und er hatte es ihr nie angeboten. Doch nun war der Bann gebrochen, und seine wahren Gefühle flossen aus den Scherben seines zersplitterten Schutzpanzers hinaus, den er solange getragen hatte. Dieses Bild… Anne. Anne Almasy. Sie hatte ihm die Augen geöffnet. Und zum ersten Male in seinem Leben sah er Tifa wirklich. Zwei der abgebrühtesten und zähesten Mistkerle im Universum betraten den Außenhof des Balamb-Garden. Cifer, die Hyperion lässig auf der Schulter, hob eine Augenbraue. „Machen die hier ein Volksfest oder was?“ Sephiroth seufzte langgezogen hinter den Strähnen weißgrauen Haares, die vor sein gelangweiltes Gesicht hingen. „Sieht so aus.“ Dann schritten sie weiter, und die SEEDs machten reflexartig Platz und wichen zu beiden Seiten zurück. Und so bekamen sie freien Blick auf die Männer und Frauen, die sich nach ihrer langen und gefahrvollen Reise wiedergefunden hatten, hier, im Außenhof des Garden. Tifa, die sich langsam aus der innigen Umarmung von Cloud löste, verkrampfte sich plötzlich. Ihr tränenverschleierter Blick verengte sich. „Das… das ist doch- “, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Cloud, sie immer noch haltend, wandte sich in Richtung ihres Blickes. Er sah Sephiroth und den blonden, grossschnäuzigen blonden Mann auf sie zukommen. „Äh, ja… das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls hilft er uns jetzt.“ „Er tut WAS?“ fragte sie ungläubig. Direktor Kramer tippte Squall auf die Schulter, der immer noch vor Rinoa stand. Er drehte sich um und blickte in das überraschte Gesicht von Cid Kramer. „Squall… wie um alles in der Welt…?“ „Ich erkläre es ihnen später. Und ja, ich habe auch Rinoa, Xell und Selphie zurückgebracht.“ Kramer schüttelte den Kopf, unfähig ein Wort zu erwidern. „Ein SEED lässt keinen Kameraden zurück. Niemals“, sagte er nicht ohne Stolz und salutierte auf SEED-Weise. Der Direktor salutierte zurück, und Squall tauschte einen Blick der Erleichterung mit Quistis aus, die hinter Kramer stand. Barret, Yuffie und auch Vincent umringten Aeris. Sie winkte ihnen unschuldig zu. „Hallo, Leute.“ Vincent und Barret waren zu überwältigt für eine formulierte Reaktion und blinzelten nur hilflos lächelnd. Yuffie löste sich aus ihrer Starre und umarmte sie. „Aeris, du bist wieder- aber wie, ich meine, das ist doch- “ „Ich weiß es auch nicht genau, glaub mir“, unterbrach sie lachend ihr Gestotter. Die beiden sahen sich an und waren einfach nur glücklich. Dann breitete sich ein leiser Schatten über Yuffies Gesicht aus, als sie ganz leise eine Frage aussprach. „Du- du bleibst doch…?“ Aeris bewegte ihren Kopf mit den braunen Locken, die ihr verspielt in ihr zugleich ernstes und auch gelöstes Gesicht hingen, langsam von der einen Seite zur anderen. Yuffie schluckte einen harten Kloß hinunter, doch Aeris lächelte nur. „Gehen wir doch zu Cloud. Er freut sich bestimmt.“ Umringt von Nanaki und einem weiteren Geschöpf dieser Sorte, wie Cloud verwundert feststellte, herzte er Denzel und Marlene, die ihn gar nicht mehr loslassen wollten. Die kleinen Kinder entwickelten erstaunlich viel Kraft. Nur schwer lösten sie sich von seinem Hals, und sie weinten vor Freude. „Jetzt bleibst du- aber für immer- bei uns“, stammelte Denzel, in dessen Brust immer noch Schluchzen bebte. Cloud nickte den beiden Kindern, die ihn hoffnungsvoll anblickten, zu. „Das verspreche ich.“ Plötzlich ging sein Blick über ihre Köpfe hinweg und fiel auf eine Frau in einem rosafarbenen Kleid, die ihn Begleitung von Yuffie auf ihn zukam. Ohne den Blick von ihr zu wenden, erhob er sich. Der Blick seiner makoblauen Augen ruhte in dem ihren mehrere stille Momente lang, bevor sie etwas sagte. „Hallo, Cloud.“ Die Worte plätscherten wie Wasser in einem lieblichen Teich, und Cloud ging auf sie zu. „Aeris.“ Sie nickte ihm gütig zu, und ihr Lächeln überstrahlte für eine kurze Sekunde sogar den verdunkelten Himmel über ihnen. „Du hast mich zurückgebracht. Weißt du noch?“ Sie schüttelte sachte den Kopf. „Nein, leider… ich habe keine Erinnerung an die Zeit im Lebensstrom. Habe ich das wirklich? Das… ist gut“, meinte sie, und wieder erklang ihr ätherisches Lächeln. Cloud kratzte sich am Kopf und ging in Gedanken die tausend Sachen durch, die er ihr hatte sagen wollen, all die Jahre über, seit ihrem Ableben- Doch er kam nicht dazu. Basch, der etwas abseits stand, drehte sich langsam um. Etwas leuchtete weiß auf auf der Oberfläche des Wasserfalls aus Feuer. Gleißende Umrissen hinzeichnend, brach die Kristallfestung durch die Barriere aus pulsierender Energie und wurde immer größer. Bis sie wie das Versprechen eines zorniges Gottes am Himmel aus schwarzer Tinte über ihnen hing. Alle Köpfe wandten sich empor. Alle Stimmen verstummten. Das Schauspiel aus funkelnden Facetten sich hoch auftürmender Kristallsäulen stach in ihre Augen und ihre Gedanken, als würde etwas Undenkbares, Unmögliches sich auf schmerzhafte Weise den Weg in ihre Wirklichkeit bahnen und zu drückender Realität gefrieren. Dann glühte das gigantische Gebilde auf, heller als die Sonne- in dieser Sekunde sanken alle vor Schmerzen auf die Knie. Die Wirklichkeit nahm harte Schwarzweißkonturen an als würde die ganze Welt zu einer schlecht belichteten Fotografie zerfallen. Brennend drang die Stoßwelle sengender Energie in ihre Köpfe ein und füllte sie mit schrillem Summen, bis sie fast barsten vor Pein. Dieser Schockzustand hielt einen unendlich langen Moment an- bevor er wieder verebbte. Verschreckte Blicke um sich werfend, richteten sich alle wieder auf. SEEDs, Bewohner von Midgar, Ivalice oder des Garden- alle richteten sie ihre Aufmerksamkeit dem imposanten Gebilde aus leuchtendem Glas zu, das unheimliche Farben in den düsteren Himmel warf. „Es geschieht überall…“, murmelte Richter Basch tonlos. Hinter ihm ragte ein Wald fassungsloser Mienen aus dem Menschen im Außenhof heraus. Hastiges Geflüster kroch durch die Menschenmenge wie knisterndes Laub, das der Wind zwischen kahlen Bäumen verteilte. „Was ist das?“ „Hat das… das alles verursacht?“ „Was geschieht jetzt?“ „Wir müssen doch was unternehmen…!“ Inmitten all der aufgewühlten Gesichter stand Aeris und blickte ernst hinauf zu der Festung aus schimmerndem Glas. Sie sprach so leise, dass nur Cloud direkt neben ihr sie verstand. „Das… ist es. Der Grund für alles.“ Cloud wandte sich alarmiert zu ihr um. „Was? Was weißt du über dieses Ding?“ Sie blickte ihn verängstigt an. Falten auf ihrer Stirn und unter ihren Augen untermalten ihr Antlitz des Entsetzens. „Ich… ich weiß es nicht. Ich FÜHLE es! Es… es ist dort drin!“ Cloud packte sie fast ein wenig grob bei den Schultern. „Was ist da drin? Was will dieses Ding?“ Nicht im Stande, es zu benennen, schüttelte sie ängstlich den Kopf. „Ich weiß es nicht… aber es ist dort. Der Planet sagt es mir!“ Cloud wandte seinen scharfen Blick wieder auf die Erscheinung. Dann marschierte er entschlossen los. Squall, Rinoa, Xell, Selphie, Cifer und Irvine aus dem Garden, Barret, Vincent, Yuffie, Sephiroth und Nanaki aus Edge-City und Basch, Balthier sowie Fran aus Ivalice bildeten einen Kreis um Cloud Strife. Er stand in ihrer Mitte, und bei ihm Aeris. Sie sprach nichts, sondern blickte nur zu Boden, doch ihre bloße Gegenwart bekräftigte Clouds Worte. Gewissermaßen sprach er für sie; als wären ihre Gedanken auf rätselhafte Weise verbunden. „Ich kenne viele von euch nicht wirklich. Ich weiß kaum etwas über eure Welten. Und ihr nicht über meine. Aber eines weiß ich genau: ich brauche eure Hilfe! Dies geht uns alle an. Ich spüre es…“ Gedankenverloren ballte Cloud die Faust. Er presste die Augenlider zusammen, als er eine Macht in seiner Brust erzittern spürte. Visionen eines geflügelten Drachens tanzten durch seine Gedanken und hinterließen Schemen auf seiner Netzhaut, wie ein Muster, das sich eingebrannt hatte. Derweil begann das Gemurre. „Er dreht jetzt völlig durch…“ „Ich bin dafür, abzuhauen! Wir haben keine andere Chance!“ „Vielleicht geht es vorbei, wenn wir nur abwarten…“ Schlagartig öffnete er die Augen und sah sich dutzender ungläubiger Blicke ausgesetzt. Dann streckte er den Arm aus und ließ seinen Zeigefinger wie eine Waffe über die Menge gleiten. Manche wichen tatsächlich zurück. „Ihr wisst es, ihr könnt es nicht bestreiten!! Ihr alle…“ Sein forschender, ja stechender Blick musterte jeden einzelnen von ihnen. „Seht ihr es denn wirklich nicht?? ‚Dies ist nur für dich bestimmt‘… Ihr habt diese Worte gehört, richtig!? Ihr alle!!“ Viele der Anwesenden zuckten zusammen, als er diese unangenehme Erinnerung in ihnen ans Licht brachte. „Uns allen ist dies passiert… auch mir! Etwas… hat uns geführt die ganze Zeit. Und jetzt sind wir hier, und…“ Er rang mit den Worten, warf einen ebenso sehnenden wie verzweifelten Blick auf die Festung aus leuchtendem Kristall. Dann sprach er mit sanfter, fast schwach klingender Stimme zu ihnen. „Wir sind alle hier… und das dort… ist unser Ziel. Es liegt dort… und wartet auf uns.“ Alle sahen sich an und wechselten nachdenkliche Blicke mit ihrem Gegenüber. Eine spürbare Befreiung legte sich über sie, als hätte er eine drückende Wahrheit ausgesprochen und endlich ans Licht gebracht. Wie eine Wunde, die erst schmerzhaft aufbrechen musste, um letztendlich verheilen zu können. Balthier seufzte pathetisch, bevor er auf Cloud zuging. „Ich fliege euch hin. Und bis ans Ende der Welt, wenn es sein muss.“ Clouds Gesicht wurde von Erleichterung überflutet. Er fühlte sich diesem Mann, der er gar nicht kannte, auf eine rätselhafte Weise verbunden. Als ob sie Brüder wären… Dann kam eine Dynamik in Gang, die er sich erhofft, aber nicht vorzustellen gewagt hatte. Alle hatten nun das gemeinsame Ziel vor Augen und die innerliche Gewissheit, das dies IHRE Geschichte war, dass ihrer aller Schicksale in das Buch des Lebens eingetragen wurden, in diesem Moment. „Ich nehme Shera und die Kinder mit. Auch Anne“, sagte Cid Highwind, und zum ersten Male in seinem Leben rauchte er nicht dabei. Der Rest der Gruppe begann sich zu organisieren, während Cloud mit dem Piloten sprach. Nanaki und Shinaha waren in seiner Nähe. „Gut“, nickte Cloud. Dann wandte er sich an die beiden vierbeinigen Wesen. „He, ihr zwei!“ Sie wandten sich um und umringten ihn. Aufmerksame Blicke aus roten Wolfsaugen fixierten ihn. Cloud ging in die Hocke, um mit den beiden in Augenhöhe sprechen zu können. „Ich habe eine Bitte an euch. Fliegt mit Cid und den anderen.“ Nanaki hob überrascht eine Augenbraue. „Aber ich möchte an deiner Seite kämpfen. So wie in den alten Zeiten.“ Cloud machte ein beschämtes Gesicht und lächelte vorsichtig. „Ich weiß das zu schätzen, Nanaki. Aber ich möchte, dass ihr auf Shera, Anne und die Kinder aufpasst. Ich bitte euch darum.“ Nanaki tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Shinaha. Dann wandte er sich wieder an seinen Freund. „Gut. Aber versprich mir eines.“ „Und das wäre?“ „Komm zurück.“ Cloud nickte entschlossen und blickte dabei in die intelligenten Wolfsaugen der beiden Geschöpfe. Squall meldete sich ganz förmlich bei seinem Direktor und bei Quistis ab, die anschließend mit ansahen, wie sich nacheinander die ‚Shera‘ und die ‚Strahl‘ vom Boden erhoben. Die SEEDs im Außenhof beschirmten ihre Augen gegen den aufgewirbelten Staub. Dann schwebten die beiden Schiffe dem dunklen Himmel über ihnen entgegen, in dem die Festung aus glänzendem Kristall farbige Schatten wie ein Kaleidoskop des Verderbens warf. Die ‚Strahl‘ war zum Bersten gefüllt. Nie konzipiert als Passagierschiff, drängten sich jetzt insgesamt vierzehn Personen in den Sitzreihen zusammen. In dem Durcheinander aus Beinen und Ellbögen suchte jeder einen Sitzplatz, auf dem er sich bei Bedarf anschnallen konnte. Der Platz neben Aeris war noch leer, als sich eine hochgewachsene Gestalt in schwarzem Leder aus der durch den Gang drängenden Menge schälte und sich neben sie auf den schmalen Sitz fallen ließ. Aeris Augen wurden groß, und eine Mischung aus Unbehagen und Erheiterung breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sephiroth blies sich eine weißgraue Strähne aus dem Gesicht. „Ganz schön eng hier… ich hoffe, der Flug dauert nicht lang.“ Aeris nickte und starrte ihn weiter an. „Äh… ja.“ Sein Blick fiel auf sie; neugierig musterte er sie. „Hm? Sind wir uns nicht schon mal begegnet?“ „Ich fürchte ja…“ Dann fiel der Groschen bei Sephiroth. „Jetzt weiß ich es wieder. Du warst doch mit Zack Fair zusammen, in Midgar damals, stimmt’s?“ Aeris nickte seufzend. „Äh… ja. Du bist übrigens nicht echt“, fügte sie etwas verlegen hinzu. Sephiroth nickte betrübt. „Sieht danach aus. Ich bin nämlich tot, wie alle behaupten. Aber trotzdem hier… seltsam, nicht?“ „Ja, das kenn ich“, erwiderte Aeris hilflos lachend. „Bei mir ist es nämlich genauso. Ich bin auch, äh… gestorben.“ „Ehrlich? Was ist dir denn zugestoßen?“ fragte Sephiroth mit aufrichtigem Interesse. Aeris drehte langsam den Kopf zur Seite und starrte peinlich berührt aus dem Bullauge. Die ‚Strahl‘ schrumpfte immer mehr, als sie in das kristallene, vielfarbige Glühen der Festung eintauchte. Immer mehr schien sie zu wachsen; ihre schiere Größe war überwältigend. Basch stand wieder vorne im Cockpit und blickte ihren beiden Piloten über die Schultern. Sein suchender Blick tastete die bizarren, ja verspielten Formen des eindrucksvollen Gebildes ab. Schließlich entdeckten sie einen ebenen Platz, der an der Oberseite der Festung einen breiten Sims aus leuchtendem Glas bildete. Er deutete auf die Ebene, und Basch landete das Schiff mit Geschick auf der Fläche. Diesmal versuchte keine wie auch immer geartete Kraft sie daran zu hindern. Sanft setzte die ‚Strahl‘ auf, und durch die Fenster des Cockpits sah er die ‚Shera‘, das andere Schiff, in einiger Entfernung der Festung schweben. „So. Da wären wir“, seufzte Balthier und klopfte sich auf die Oberschenkel. Basch nickte ihm ernst zu. „Jetzt müssen wir nur noch schauen, ob auch jemand zu Hause ist.“ Die Rampe glitt herab und setzte mit einem klingenden Geräusch auf der Oberfläche des Gebildes auf. Als erster trat Richter Basch ins Freie. Vorsichtig setzte er seinen gepanzerten Stiefel auf die durchscheinende Oberfläche. Sie fühlte sich stabil an. Während alle Beteiligten, die das Schicksal über weite Umwege hierhergeführt hatte, das Schiff verließen, ließ Basch seinen Blick über ihre Umgebung schweifen. Der Kristall schien von Innen her zu erglühen, und die Farben wechselten langsam durch das gesamte Spektrum. Dieser Ort war schön und bedrohlich zugleich. Und weckte auch eine Erinnerung in ihm… ja, genau, dachte er. Der Megakristh in Giruvegan. Dort hatte er zuletzt eine so berückend schöne und zugleich auch latent unheilschwangere Umgebung erlebt, die selbst ohne die Anwesenheit von Feinden einen stetigen Druck auf die Nerven aller, die in ihren Gefilden gefangen waren, ausübte. Man konnte sich kaum sattsehen an dem Gefunkel aus den Tiefen dieses von Energie belebten Kristalls, und gleichzeitig fühlte es sich an, als würde einen der tödliche Blick einer Spinne einlullen, die bereits erdrückende Fäden um ihr Opfer webt. Und so stand die Truppe versammelt auf dem großen Platz. Einen Eingang in das Innere dieses Gebildes konnten sie keinen sehen. Ratlos blickten sie sich um. „Und was jetzt?“ knurrte Cifer. Endlich würde er Möglichkeit zur Bewährung bekommen, würde er zeigen können, dass er im entscheidenden Moment nicht versagen würde. Doch hier war niemand. Kein Empfangskomitee, keine schnaubenden Monster, kein unheilvolles Gelächter. Nichts, das zur Zielscheibe seiner Aggression werden konnte. Langsam verteilte sie die Gruppe auf der Ebene des Kristalls. An ihren Rändern ging es weit in die Tiefe, etwa einen Kilometer müsste man von hier bis zur Wasseroberfläche zurücklegen, einen todesverachtenden Sprung vorausgesetzt. Cifer stand da, die Hyperion in den verschränkten Händen. Seine Schuhspitze klopfte unablässig auf den gläsernen Boden unter ihm. Bis neugierige Finger nach seiner Waffe tasteten. Erschrocken wandte er sich um, bevor die Hand zugreifen konnte. Der ‚Dieb‘ wich hastig zurück. Cifer richtete sofort die Gunblade auf ihn. „Was zum Teufel- was ist das für ein Fummel?“ Die Gestalt trug einen langen, roten Umhang mit allerlei Verzierungen darauf. Der Umhang bedeckte sogar sein Gesicht, von dem nur leuchtende Augen und graue Haut mit weißen, aufgemalten Streifen sichtbar waren. Das ungewöhnlichste aber waren seine vier Arme. In jeder Hand hielt er eine Waffe. Cifer wich einen Schritt zurück. „Hihihi… diese fehlt mir noch“, begann eine schnarrende Stimme zu sprechen. Mit einer seiner vielen Hände deutete er auf Cifers Waffe. „Soll das ein Witz sein?“ lachte Cifer verächtlich. Dann erstarb sein Lachen, als er eine der Waffen in seinen Händen erkannte. Es war Squalls alte Gunblade. „Jaaa… ich werde es bekommen!!“ zischte das Wesen, und ein Windstoß traf Cifer. Er warf einen Blick über seine Schulter, doch niemand der anderen bekam etwas mit. „Es wird dir niemand helfen!“ kicherte das seltsame Wesen spöttisch, und es klang wie aus einem Blechrohr. „Ich brauche auch keine Hilfe“, rief Cifer und griff mit wallendem Mantel an. Es gab in ihrer und wahrscheinlich in allen Welten keinen zweiten Kämpfer, der seine einhändige Waffe mit einer derartigen Geschwindigkeit und Eleganz führte wie Cifer. Das Licht des Riesenkristalls reflektierte auf seiner umherspringenden Gunblade, als er seinen Gegner von scheinbar verschiedenen Seiten gleichzeitig in Bedrängnis brachte. Das Wesen mit dem roten Umhang brachte all seine Arme und Waffen in Einsatz, doch nur mit Mühe konnte er all die, schnell und schmerzhaft wie Nadelstiche, aufblitzenden Attacken Cifers parieren. Von allen Anwesenden merkte niemand etwas, und als Cifer während weniger Millisekunden zwischen zwei Angriffen nach den anderen schielte, war es ihm, als würden sie sich gar nicht mehr bewegen. Das Wesen kam zunehmend in Bedrängnis. Schon schlitzte Hyperion durch seinen roten Umhang und franste ihn aus. Vor Zorn bebend wich die Gestalt zurück und ließ einen gellenden Pfiff ertönen. Cifer sah sich verwirrt um- und wurde dann von einem riesigen Hund, der scheinbar aus dem Nichts auftauchte, umgerannt. Ächzend kam Cifer auf die Beine. ‚Hund‘ war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, als er sich das hechelnde, vierbeinige Wesen an der Seite seines Gegners anschaute. Es besaß grünes Fell, hatte an einigen Stellen violette Strähnen und trug um den Hals ein ähnliches Tuch mit extravaganten Verzierungen wie auch sein Herr. Auf seiner Schnauze trug es ein kurzes Horn. Während Cifer sich von dem Angriff erholte, tätschelte das rotgewandete Wesen dem Tier den Kopf mit einem seiner vielen Hände. „Gut gemacht, Enkidu… bald gehört uns auch sein Schwert!!“ Cifer schüttelte seinen brummenden Kopf, dann spuckte er geräuschvoll aus. „Jetzt reicht’s mir…“ knurrte er, und eine längst vergessene Erinnerung aus den Tiefen seiner Seele kam empor… Einzelne Regentropfen fielen aus dem düsteren Himmel und wurden immer mehr. Bald regnete es in Strömen, und Bäche trüben Wasser liefen zwischen ihren Schuhen über den gläsernen Boden. Cifer hörte Hufe auf Glas, und als er sich umdrehte, vernahm er das Schnauben eines Pferdes. Blitze zuckten durch die dichten Regenwolken über ihnen, und die Augen des Pferdes leuchteten vor Elektrizität, als wäre die Kraft des Blitzes in ihnen gefangen. Cifer hob seinen Blick und sah den Reiter des Pferdes, das, wie er jetzt merkte, sechs Beine hatte. Er runzelte die Stirn. Der Reiter saß im Sattel des unheimlichen Pferdes und musterte Cifers Gegner mit kalten, roten Augen. Sein Gesicht aus bronzefarbener Haut war eine starre Maske tödlichen Gleichmuts. Elfenbeinfarbener Panzer bedeckte seinen ganzen Körper, und schwarze Hörner ragten von seinem Helm in den von Blitzen durchzuckten, schwarzen Himmel. Cifer erinnerte sich. Odin. Odins Pferd bäumte sich wiehernd auf, und heißer Dampf entwich seinen Nüstern. Es schlug mit seinen Hufen aus, bevor es einen Satz auf das rotgewandete Wesen zu machte. Die Distanz mühelos überwindend, sprang es auf sein Opfer zu, und Odin schwang sein Schwert mit Macht. Ein schrilles Kratzen und Kreischen erklang, als würde sich sein Schwert langsam, aber unerbittlich durch die Struktur der Realität selbst fressen. Das Knirschen durchschnittener Materie verklang in einem gedehnten Echo, bevor es, abrupt und ein sich wiederholendes Hallen hinterlassend, verklang. Rote Schriftzeichen eines fremden Alphabets erschienen vor Cifers Augen, und sein Wiedersacher fiel feinsäuberlich in zwei Teile auseinander. „Zantetsuken… ‘Das Schwert der Vergeltung‘. Ich wusste doch, dass ich dich eines Tages wiedersehe“, lachte Cifer finster. Odin saß immer noch auf seinem Pferd und blickte wortlos ins Leere, nachdem er seinen Gegner zerteilt hatte. Das leise Schnauben des dämonischen Pferdes klang durch die Welt aus Regen, Donner und Blitz, die sie für diesen Kampf eingehüllt hatte. Odin wartete. „Na gut“, seufzte Cifer und genoss die Momente der Überlegenheit. Damals war der Gott des Nordens ihm unterlegen gewesen im Kampf, und seither war seine Seele an Cifer gebunden. All die Zeit hatte er in den Tiefen seines Unterbewusstseins verbracht und auf den Tag gewartet, an dem er um seine Freiheit würde kämpfen können. Dieser Tag war heute. „Ich gebe dich frei.“ Wieder wieherte sein mythisches Pferd auf, und Sekunden später hallten die Hufschläge nach, als er in die Welt zurückkehrte, aus der er stammte. Es kam Squall vor, als zupfte jemand an seinem Ärmel. Ein Fingerknöchel klopfte an den Rand seines Verstandes, und er drehte sich um. Was er sah, war Cifer, der mit erhobener Waffe da stand. Vor ihm kniete eine seltsam gewandete Person, fast völlig eingehüllt in rotes Tuch. Seine Augen weiteten sich, sein offener Mund erstarrte- Gilgamesch. Schwer atmend und rasselnd keuchend, tastete Gilgamesch über den Boden. Sein treuer Begleiter über all die Zeitalter, Enkidu, beschnupperte ihn vorsichtig und winselte dabei mitleidig, als spüre er die Veränderung seines Herrn. Glänzende Waffen lagen über den Boden verstreut. Die zitternden, sich nicht mehr in seiner Gewalt befindlichen, grauen Finger des Wesens tasteten nach ihnen. Doch er bekam sie nicht zu fassen, als verneinten die Relikte unsterblicher Heldensagen aus allen Welten nunmehr seinen Zugriff auf sie. Squall trat vor ihn hin. Das Wesen hob seinen fahrig hin und her zuckenden Kopf, bis er ihn mit leeren Augen ansah. „So sehen wir uns wieder“, murmelte Squall, und der Zorn in den Worten rang an ihren Grenzen wie an Gitterstäben. Doch er ließ sie nicht frei. Nur seine Faust ballte sich und brachte das Leder seiner Handschuhe zum Knirschen. „Was- was- hä…“, stammelte das Wesen hektisch und tastete weiter umher. Dann trat auch Cloud zu ihnen. Die anderen wurden auf das Geschehen aufmerksam. Cloud bückte sich nach dem Meisterschwert und hob es hoch. Die zitternden Finger Gilgameschs reckten sich flehend nach dem Stück Metall, das Geschichte geschrieben hatte. Ein sehnsüchtiges Leuchten glühte in seinen Augen auf, als Cloud Zacks frühere Waffe betrachtete. „Warum das Ganze…“, flüsterte er, während sein trauriger Blick über die verwitterte und zerschundene Oberfläche des Metalls wanderte. Jeder Kampf, jede Begegnung hatte tiefe Spuren auf ihm hinterlassen, und auch nach all den Tragödien, an denen es teilgehabt hatte, war ihm noch immer nicht die Ruhe anhaltender Stille vergönnt. Squall löste sich aus der Starre, diktiert von Erstaunen und auch Entsetzen, ging energisch auf Gilgamesch zu, packte ihn am Kragen seines roten Gewandes und zerrte ihn unsanft auf die Füße. Seine wütenden Augen funkelten ihn drohend an, und Gilgamesch suchte vergebens Gnade in ihnen. „Verdammter Scheißkerl!!“ brüllte er ihn an. „Warum hast du mich entführt?? Warum ihn? Warum das… Ganze!?“ schrie er, und seine Stimme überschlug sich vor Zorn und Mutlosigkeit. „Warum…“, flüsterte er dann kopfschüttelnd und mit hörbarer Vergeblichkeit in der Stimme. In einem Kraftakt, der mehr Angst als Mut aussprach, riss Gilgamesch sich los. Seine Augen tasteten hastig die Menschenmenge um ihn ab. Enkidu suchte Schutz zwischen seinen Beinen. „Ich… wollte eure Waffen!!“ zischte er tonlos. Squall machte eine wegwerfende Bewegung. „Aber warum hast du uns fortgebracht? Was sollte das?? Und was ist das hier für ein Ort?“ Das Wesen machte eine abwehrende Geste mit seinen vielen Händen und wirkte dabei wie eine tanzende Statue. „Eure Waffen… Gilgamesch will sie, ja!! Er… er hat es versprochen, wenn ich helfe.“ Der hohle Klang seiner Worte wechselte zwischen erschrockener Ängstlichkeit und dem pflichtbewussten Eifer eines Kindes. „Wer ist ‚er‘?“ fragte nun Cloud. Gilgamesch schüttelte heftig seinen vermummten Kopf, sah sich ängstlich um und flüsterte fast. „‘Er‘… hat keinen Namen, das hat er nicht! Er… sieht uns…“ Cloud und Squall sahen sich an. Beide hatten keine Geduld mehr, und Cifer schaltete sich ein. „Wir verschwenden doch nur unsere Zeit mit dem Typen, außerdem- “ Der gläserne Boden unter ihren Füßen begann zu zittern. Alarmiert sahen sie sich um. „Er hat uns gehört!“ bellte Gilgamesch trotzig. „Er hat es mir versprochen… ich bekomme eure Waffen, und, und…“ „Und was!?“ brüllte Cloud, als der Kristall immer stärker bebte. „Und, und… er bekommt euch!!“ zischte Gilgamesch wie eine wütende Schlange. Nun erklang deutliches Knirschen aus den Tiefen des Kristalls, als würde ein gigantischer Eisberg langsam, aber sicher bersten. Dann begann es. In ihrer Mitte brach ein gleißender Lichtstrahl durch die Oberfläche des Kristalls und bäumte sich bis ins Universum auf. Die Schwerkraft schien auszusetzen, und alle wurden vom unter ihnen auseinanderbrechenden Boden empor gehoben. Teile des Kristalles trieben auseinander wie Eisschollen, die der unwiderstehlichen Strömung des Meeres folgten. Der Strahl gewann an Breite, und bar jeglicher Handlungsfähigkeit schwebten sie alle im Kreis um den pulsierenden Strahl verteilt. Cloud kämpfte gegen die unsichtbare Umklammerung an, doch es war zwecklos. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie die ‚Strahl‘ kurz vor dem Wegbrechen ihres Landeplatzes eilig startete und sich entfernte. Dann richtete er wieder den Blick auf die gewaltige Säule aus lebender Energie vor ihnen. Licht strömte und floss in Bögen, Schwüngen und Kurven durch die Säule empor und formte bizarre Muster, entstellte Visionen verstörter Gedanken und wirre Reflektionen verdrängter Erinnerungen. Und dann die Stimme… „Ihr seid nun alle hier… Ihr alle!!“ Wie tosende Schockwellen des Urknalls fegten die Worte über sie hinweg, als die Männer und Frauen, unfähig zu irgendeiner Handlung, im leeren Raum schwebten und das Antlitz der Ewigkeit sie streifte wie die kalte Hand eines Gottes. Gilgamesch, auf einem der davon treibenden Kristallsplitter stehend, wurde allmählich durchsichtig. Enkidu, sein treuer Begleiter auf seinen Reisen durch alle Welten, drückte sich winselnd an seine Flanke. Dann schwanden die beiden endgültig… Cloud zuckte und krampfte, doch die unsichtbare Hand hielt ihn fest umschlungen. Dann öffnete er langsam seine zusammengepressten Augen. Er sah es… „Aeris… hilf uns…“, stöhnte Tifa zu Aeris, die wenige Meter neben ihr in der Luft schwebte und ebenso Gefangene dieser Macht war wie sie. Ihre Arme und Beine zitterten vor Anstrengung, doch sie konnte ebenfalls nichts unternehmen. „Es tut mir leid… ich kann nichts tun…“, ächzte sie. Dann drehte sie den Kopf zur Seite, als hörte sie etwas. Bestürzung überflog ihr Gesicht. Dann sah sie wieder Tifa an, und ihre Augen flehten um Verzeihung. „Aeris? Was ist mit dir??“ Ihre Konturen wurden durchsichtig. Sie entschwand langsam, und ihre letzte Geste bat um Verzeihung. Dann war sie weg. Tifa schrie vor Verzweiflung auf. In der riesigen Säule flimmerte es zuerst undeutlich auf. Dann wurde es klarer. Eine Gestalt wurde in ihr sichtbar. Dämonische Engelsflügel, über und über aus violetten Federn, auf ihrem Rücken, gekleidet in eine violette Toga… und mit einer Feder im wirren Haar. Sie lachte kreischend auf. „Kefka war einst mein Name...“, knirschte die Stimme in ihren Gehörgängen und schmerzte sie wie Metallzacken, die über ihre freigelegten Nervenbahnen kratzten. Dann schwand die wie irrsinnig lachende Gestalt. Ihr folgte- Sephiroth, in seiner Beinahe-Gottform. „Und auch als Sephiroth habe ich diese Welt heimgesucht...“ Wieder flimmerte die Vision vor ihren Augen auf, verdrehte und verzerrte sich zu einem Chaos der Farben und Formen. Dann wurde aus ihr eine bläuliche Gestalt. Sie hatte kein Gesicht, das man ein solches nennen konnte, dafür lange, spinnengleiche Krallen. Ein langer, roter Umhang wallte von ihren Hüften, und graue Flügel entwuchsen dem Kopf des bizarren Wesens. „Ein anderer Name war… Artemisia…“, lachte die Stimme in ihren Köpfen höhnend und verächtlich zugleich. Dann wurde aus der Gestalt ein blauleuchtender Engel, mit verkrüppelten Flügeln auf seinem Rücken, umkreist von schwarzen Ringen und bestückt mit herabhängenden missgestalteten Klauen. „Schon als Necron wollte ich diese Welt zerstören… doch es gelang nicht!“ Die Wut in diesen Worten brannte schmerzhaft in ihren Köpfen, während sie immer noch wehrlos im Raum um den zersplitterten Kristall und der Säule schwebten, die ihnen eine Vision des Schreckens nach der nächsten zeigte. Sie wandelte sich als nächstes in ein Symbol, ein Auge aus blauem Licht. „Yu Yevon war meine bisher mächtigste Form… doch auch sie scheiterte!!“ donnerte die Stimme und sprengte damit fast ihre Gedanken und die Grenzen ihres Bewusstseins. Wieder verschwammen die Umrisse der Gestalt zu diffusem Licht, dann formte sich aus dem pulsierenden Durcheinander eine geflügelte Gestalt mit riesigen, maschinenhaften Schwingen. Stockend und zitternd wie steckengebliebene Zahnräder bewegten sie sich in einem unsteten Rhythmus auf und ab. „Ich hatte schon so viele Formen… so viele Namen… immer war ich da, um das Schicksal der Welt zu erfüllen. Doch immer habt ihr Widerstand geleistet!“ Ein letztes Male veränderte sich die Form und gebar eine neue. Die letzte war von ihrem Aussehen weniger schrecklich wie alle zuvor, doch ihre düstere Ausstrahlung übertraf die aller vorigen bei weitem. Ein Mann, ganz in Schwarz, ein Umhang wallte in Fetzen um seine Schultern. Sein Gesicht war weiß, wie auch seine Haare und sein Bart. In seiner Brust glühte ein rotes Licht, das wie ein dämonisches Herz zwischen seinen auseinandergebogenen Rippen pulsierte und pochte. Sein prüfender Blick glitt über die Frauen und Männer hinweg, die vor ihm zwischen den Bruchteilen seiner Kristallfestung schwebten. „Wer bist du“, brachte Cloud mit größter Mühe hervor. „Ich hatte viele Namen… doch in Wahrheit ist er… Garland.“ Wie die Bruchteile eines Asteroidengürtels schwebten sie langsam in Kreis um den Mittelpunkt dieser Ansammlung aus auseinanderdriftenden und sich wieder zusammenziehenden Splittern kristalliner Energie. Die Gestalt im Zentrum von all dem verschränkte die Arme vor der Brust, und über seine Arme hinweg leuchtete das Pulsieren seines glühenden Herzens wie das Licht eines unheilverheißenden Leuchtturms. „Ihr seid nun alle hier… wie ich es wollte!“ Dröhnendes Gelächter folgte, und er streckte seinen finsteren Arm aus. Eine Macht zerrte plötzlich an ihnen, die unwiderstehlich das Leben aus ihnen heraussaugte. Es begann mit Irvine. Unter Schmerzen und Schreien löste sich der Schemen eines Wesen aus ihm. Es war Alexander, die Schutzmacht- und sie wurde aus ihm herausgezogen wie der Korken aus einer Flasche. Es setzte sich mit den anderen fort. Jedem einzelnen wurde unter Qualen die Macht, die in ihm innewohnte, herausgerissen. Shiva, Diabolus, Phönix, Ifrit und all anderen… Farbigen Geistern gleich schwebten die Schutzmächte im Kreis, tanzten um ihn herum und stürzten sich schließlich in sein glühendes Herz. „Ihr alle habt eure Rolle erfüllt. Ihr habt sie zu mir gebracht. Jeder Schritt, jedes Ereignis… ich habe alles gelenkt!“ Wieder hallte sein Gelächter wie ein Wirbelsturm durch das Schreckensszenario aus schwebenden Gefangenen, Bruchteilen des Kristalls und umherschwirrenden Schutzgeistern, die unerbittlich ins Herz des Mannes gezogen wurden. Und die Genugtuung in diesen schwarzen Worten triefte vor Arroganz und Verachtung. „Ihr Menschen seid so leicht zu korrumpieren. Euer Herz drängt immerzu nach Macht und noch mehr Macht. Dieser Rufus Shinra… nur zu leicht erlag er meiner Verführung!“ Während allen von ihnen ihre Schutzgeister entrissen wurden, bäumte sich Sephiroth besonders auf. Mit aller Kraft versuchte er die unsichtbaren Fesseln zu zerreißen. Garlands Blick fiel auf ihn. „Oh ja, du bist wohl meine beste Kreation… völlig wahnsinnig und zugleich voller Eleganz… aber auch du wirst sterben. Nicht mehr als ein Schatten unheilvoller Erinnerung bist du, und vergehen wirst du auch wie einer!“ Der Tanz farbiger Schemen machtloser Schutzgeister kam zu seinem Höhepunkt, und der letzte verschwand in Garlands offener Brust. Nur noch Cloud war im Besitz seiner Schutzmacht. Aus irgendeinem Grund konnte sie sich tief in seinem Inneren vor der forschenden Hand Garlands verbergen. Triumphierend lachte er auf. „Neeiiin!!!“ schrie Sephiroth. Seine Fäuste ballten sich zusammen, und sie erglühten hell. Garland hob eine Augenbraue. „Interessant. Ich habe dich eigentlich nicht so stark erschaffen. Aber was willst du denn gegen mich tun, gegen deinen Schöpfer?“ Sein Gelächter brauste wie ein Sturzbach hämischer Energie durch ihre Köpfe, und Sephiroth riss immer noch an seinen unsichtbaren Fesseln. Garland hatte, was er wollte, das spürte Cloud. Starr vor Entsetzen sah er mit an, wie seine Freunde und alle Menschen hier nach einander zu grauem Stein erstarrten. „Ich benötige euch nicht mehr, aber zumindest werdet ihr der Nachwelt erhalten bleiben… als steinerne Götzen!!“ Erneut klang sein überhebliches Gelächter durch das Pandämonium aus erstarrenden Leibern und umherfliegenden Kristallsplittern. Sephiroth riss sich mit äußerster Kraftanstrengung los. Masamune blitzte auf, und Garlands letzter Gesichtsausdruck war voller Erstaunen- Cloud hatte keinerlei Kraft mehr. Wie eine Leiche lag er auf dem Bruchstück des Kristalls. Doch eine Macht tief aus dem Innersten seiner Seele zwang ihn auf die Beine. Mit schlaffen Armen nahm er sein Schwert vom Rücken. Er stand wieder auf dem Boden, soweit er sah. Dann merkte er die Statuen aus grauem Stein, die wie von einem irren Bildhauer aufgestellt um ihn herum verteilt standen. Die einzelnen Bruchstücke der Kristallfestung bewegten sie wie Blätter auf wogendem Wasser hin und her, und auf ihnen standen seine Freunde- zu Stein erstarrt und ohne Leben. Ihre vor Schmerzen verzerrten Gesichter waren eingefroren zu unveränderlichen Grimassen des Todes. Dann schnellte sein Blick hoch. Garland schwebte immer noch über ihm, seine Säule des Lichts war aber erloschen. „Dieser Narr… sich gegen seinen Schöpfer aufzulehnen… er wäre aber in jedem Falle gestorben… Hä?“ Sein Blick fiel auf Cloud, der ihm trotzig das Schwert entgegen hielt, auch wenn er wusste, dass er mit gottgleicher Macht konfrontiert war. „Du lebst noch? Wie seltsam…“ Dann veränderte sich Garlands Gesicht. „Ah!! Es ist immer noch in dir! Aber…“ Zweifel überflogen seine uralten Gesichtszüge. „Aber nicht mehr lange. Er wird mir gehören!“ Wieder hob er seine Hand und spreizte seine knochigen Finger zu einer Klaue. Cloud spürte es, und es war ihm, als versuche jemand, ihm bei lebendigem Leibe das Herz herauszureißen. Ächzend wich er zurück. „Nein!!!“ Garland stutzte. „Wie ist das möglich? Wie kannst du Wurm mir Widerstand leisten?“ Mit einem Male spürte Cloud etwas auf seinem Rücken… Mit einem ratschenden Geräusch zerriss seine Kleidung. Er schrie auf vor Schmerz, als gewaltige Flügel aus seinem Rücken brachen. Leicht und elegant schwangen sie auf und ab, obwohl sie weit größer waren als er selbst. Mit einem Male fühlte er eine unbändige Kraft in sich aufsteigen, und er verschmolz endgültig mit der fremden Wesenheit, mit Bahamut. „Du kannst das nicht!!“ brüllte Garland ebenso beschwörend wie beunruhigt. „Ein niederer Mensch und eine unsterbliche Schutzmacht können nicht verschmelzen! Nein!!“ Cloud duckte sich, spannte seine Flügel an- und erhob sich. Sein Schwert vor sich haltend, stieg er auf, bis er auf einer Höhe mit Garland war. Seine schlagenden Flügel hielten ihn in der Luft, und Bahamuts Urkraft erfüllte ihn mit gewaltiger Energie. „Das ist für meine Freunde!!“ schrie Cloud und hielt sein Schwert vor sich. Die Verbindungslinien auf seinem Schwert glühten auf, und es teilte sich in seine Einzelteile. Wütenden Geistern gleich stürzten sie sich auf Garland. Schrille, unmenschliche Schreie ausstoßend, nahm er das Gewitter zorniger Klingen auf sich. Glühende Schemen hinterlassend, schossen die Klingen im Kreis und verwundeten ihn hundert- und tausendfach. Schließlich formierten sie sich alle kreisförmig um ihn herum, und Cloud, angetrieben von der Kraft seiner Drachenflügel, schnellte zu jeder einzelnen, packte sie und durchschlug damit Garlands Körper. Sanft und elegant wie ein Dämon des manifestierten Todes setzte er auf dem Boden auf, während auf den Bruchstücken der Kristallfestung um ihn herum die Teile des Kombischwertes herabregneten. Das letzte Teil fing er mit der Rechten auf, und Garland hing schwer getroffen über ihm. Sein schwarzer Körper wand sich und zuckte funkensprühend. Sein Gesicht war zu einer Grimasse der Qualen verzerrt. Dröhnendes Ächzen und Stöhnen hallten durch den Dom aus kreisenden Kristallstücken. „Argh… argh… nein… du kannst mich nicht besiegen!! Niemals!!!“ Er war nicht besiegt. Das dämmerte Cloud und legte sich wie eine drückende Wolke beängstigender Energie über ihn. Garland, zu keinen klaren Worten mehr fähig, streckte beide Arme zum Himmel. Die Erde, der Himmel, alles- Ein Tosen und ein Beben, ein Brausen und ein Donnern erfüllte die gesamte Welt, als Garland seine gesamte uralte Energie konzentrierte, die ihn alle Zeitalter hatte überdauern und ihm immer wieder in neuen Formen hatte erscheinen lassen. Ein Orkan, ein Tornado verdichteter Energie sammelte sich direkt über Cloud. Er blickte empor, in einen nur mehr aus schwarzen, besudelten Wolken bestehenden Himmel. Die Wolken teilten sich- und gaben ein tiefrotes Auge frei, in dessen glühenden Augapfel verfluchte Symbole kreisten und rotierten. Die Iris dieses gigantischen Auges war das Tor zur Hölle, und seine vor Dunkelheit glühende Pupille ihr tiefster und schlimmster Abgrund. Clouds Körperhaare stellten sich auf. Statische Energie hing in der Luft und ließ alles knistern. Die Kraftansammlung in dem Höllenauge schien Garland alle Macht zu kosten. Sein Körper zitterte unkontrolliert, und er schien jede Herrschaft über seinen Angriff verloren zu haben. Das Auge der Hölle entbrannte. Eine Säule schwarzer und heller, gefrierender und verbrennender, gleißender und versengender Energie wuchs aus ihr heraus und raste auf Cloud hernieder. Nichts funktionierte mehr im Balamb-Garden. Keine Maschine, kein Gerät. Die SEEDs waren in die MD-Ebene geflohen, nur Kramer und Quistis harrten schreckensstarr auf der Brücke des Garden aus und sahen mit an, wie eine Säule so greifbar und dicht, so mächtig und bösartig wie alle Höllenreiche, wie alle von Hass und Zerstörungswut erfüllten Gedanken des Universums, aus dem Auge im Himmel entwuchs und das Meer und die Kontinentalplatte und selbst noch den Planeten spaltete und durchschlug. Sie bahnte sich ihren Weg durch den Planeten und trat auf der anderen Seite wieder aus. Er sank. Er sank tiefer. Es zog an ihm vorbei… Gesteinsschichten. Lavaflüsse. Noch mehr Gestein. Dunkelheit… tiefste Dunkelheit. Druck lastete auf ihm. Der Druck eines ganzen Planeten. Schwere. Dichte. Kein Licht. Sein Bewusstsein… es funktionierte mit einem Male so langsam. Eine Umdrehung der Galaxie… ein kurzer Moment nur. Ein Menschenleben… kürzer als ein Gedanke. Seine Gliedmaßen fühlten sich wie Stein an. Langsam, ganz langsam erhob er sich. Seine Augen waren nutzlos. Er sah nichts. Das brauchte er auch nicht, denn rund um ihn war nur Dunkelheit. Er selbst war die Dunkelheit. Die Dunkelheit und der Stein. Sie waren eins. Er stand an einem Abgrund. Tief im Planeten. Er blickte über den Rand. Der Lebensstrom pulsierte. Unter und über ihm erstreckte sich eine Kluft, die sich von der Oberfläche des Planeten bis in sein Innerstes erstreckte. Eine Wunde, so groß wie der gesamte Planet. Er blickte eine Weile in die Tiefe, wo der Lebensstrom wogte und pulsierte. Er war nicht nur grün, wie er es kannte… er war auch blau und ebenso rot. Dann hob sich sein Blick. Vor ihm, auf der rissigen Wand die sich durch den ganzen Planeten erstreckte, erschien ein Gesicht im Fels. Es war riesig, und es drückte Schmerz aus. Unsagbaren Schmerz. Der Planet war tödlich getroffen. Seine Gedanken, langsam wie wandernde Kontinentalplatten, realisierten es allmählich. Garlands Angriff hatte den Planet gespalten. Er würde sterben. Doch noch war nicht tot. „Warum?“ fragte er, und seine Stimme klang mahlend wie uralter Stein, wie dahin kriechender Fels in den Gezeiten der Ewigkeit. Er sah das Gesicht aus Stein an, das im Fels lebte. Es war der Fels und zugleich ein Gesicht. Er verstand es nicht, aber er spürte es. „Ihr habt Schmerzen“, sagte er leise, und es hallte von den über ihm tausende Kilometer aufragenden, auseinander gerissenen Wänden wieder. Cloud nickte langsam. Der Planet benutzte keine Worte, sondern Bilder. Bilder älter als alle von Menschen erdachten Worte. „Ihr?“ Die Frage formulierte sich so langsam wie ein abkühlender Magmastrom in seinem Kopf. Ihr… Dann spürte er ihre Anwesenheit. Sie waren nur schwer zu unterscheiden, doch jeder hatte seinen eigenen, unendlich langsamen Atemrythmus. Jeder von ihnen seine Gedanken und seine Schmerzen. „Ihr seid die drei Welten… ihr seid alle hier.“ Er spürte nun die einzelnen Lebensströme, die in dieser Kugel aus Fels und Stein pulsierten. Die Welten waren verschmolzen worden, und das in jeder Hinsicht. Sie waren eins, und nun sprachen sie zu ihm. Sie baten um Hilfe. „Aber… was soll ich tun. Was kann ich denn schon tun…“ Wieder murmelte der Planet seine leisen und unendlich langsamen Worte. Sie schwangen durch den Stein, durch die Erde und den Fels und gelangten schließlich in Clouds Geist. Es hatte einen Grund… es hatte alles einen Grund. Damals, als er in den Lebensstrom gefallen war und dabei für eine Weile den Verstand verloren hatte. Der Planet hatte seinen Geist in sich aufgesogen und gebrandmarkt. Er war verbunden mit ihm auf alle Zeit. Er hatte ihn wieder freigegeben, damals. Und jetzt brauchte er seine Hilfe. „Ich soll… was?“ Es kam ihm undenkbar vor, unvorstellbar. Und doch war es die einzige Rettung für den Planeten. Und alle Welten. Und für alle Menschen. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Dann trat er nach vor, an den Rand der Kluft. Unter ihm, viele hundert Meter entfernt, wogten und pulsierten die Lebensströme dreier Planeten. Er breitete die Arme aus- und ließ sich fallen. Die ‚Shera‘ schwebte in sicherem Abstand- sofern es so etwas wie ‚sicher‘ überhaupt noch gab auf dieser Welt. Marlene und Denzel vergruben ihre Gesichter in Sheras Rock. Sie weinten leise. Shera starrte mit leeren Augen an die Stelle, an der ihre Freunde die Kristallfestung betreten hatten. Und wo jetzt ein Spalt im Planet klaffte. Anne saß in einer Ecke, die Beine angezogen und das Gesicht auf die Knie gedrückt. Tränen trockneten auf ihren Wangen. Cid saß in seinem Pilotensessel, und seine Augen waren wie tot. Sein Gesicht wirkte grau und wächsern, während er immer noch auf die Stelle starrte, an der ihre Freunde von der Macht des finsteren Gottes versteinert und zerschmettert worden waren. Garland schwebte wie ein verkrüppelter Engel des Todes über der Wunde des Planeten. Schwarze Schwaden des Verfalls troffen aus seinen Wunden, doch er lebte noch. Er hatte fast seine gesamte Kraft aufgebraucht, aber er hatte es überstanden. Bald würde er die Kraft aller Welten in sich aufnehmen, und zu etwas neuem werden. Mit dem Geist dreier Welten in sich würde er eine neue Stufe des Daseins erreichen. Weit jenseits der Grenzen normalen Bewusstseins. Er würde mehr noch als ein Gott sein, er würde Götter schaffen können. Er würde das Universum nach Belieben vernichten- und zu neuem Leben erstehen lassen können. Er würde alles tun können, und nichts würde mehr unmöglich sein für ihn. Der Lebensstrom erwachte. Nun war er nicht mehr nur reine Energie, ein Bewusstsein ohne Inhalt- nun hatte er ein Ziel. Ein brennendes Verlangen. Und eine letzte Bestimmung. Die Arme des Lebensstromes krochen empor, krochen die Wände der tausende Kilometer tiefen Wunde hoch. Wo vorher unendliche Langsamkeit herrschte, kam nun Geschwindigkeit in die wogenden, pulsierenden und bebenden Ströme der Planetenenergie. Wie ein umgekehrter Sturzbach, wie eine Sturmflut aus dem Inneren des Planeten brachen die Lebensströme hervor, gelenkt von Clouds Geist, der in ihnen aufgegangen und verschmolzen war. Garland erstarrte in einer Miene des Entsetzens, als ihn grüne, blaue und rote Flüsse heilender Energie umströmten. Sie kamen aus dem Inneren des Planeten und würden die Wunde heilen- und alles vergiftende auf ihrem Weg verbrennen. Fassungslose Menschen im Balamb-Garden wie auch auf der ‚Shera‘ und der ‚Strahl‘ wurden Zeuge, wie der Planet sich heilte. Fluten klingender Energie füllten die Atmosphäre des Planeten und umgaben die Überreste der Kristallfestung mit heilender Kraft. Die roten Wände wabernder Glut, die die Welten miteinander verbanden, verdampften im leuchtenden Schein des Lebensstromes, der alles Schlechte und Verderbte hinweg spülte. Der Planet heilte sich. Heilte sich von der Wunde, an der er zu Grunde gegangen wäre- hätte nicht Cloud seinen Geist und die darin liegende Macht ihm geopfert. Alles hat seinen Grund. Und seine Bestimmung. Clouds Bestimmung war es, die Planeten- und die drei Welten, die sie beherbergten - zu retten. Er war im Lebensstrom, war Teil von ihm und lenkte ihn mit dem Funken seines Geistes. Die Kristallfestung war weg. Ebenso die Wände aus roter Energie, die, von verderbter Kraft angetrieben, die Welten verschmelzen sollten. Auch die beiden Schiffe waren mit ihnen verschwunden. Nur noch der Balamb-Garden trieb langsam auf die Stelle zu, an der sich die Wunde des Planeten schloss und Wasser in die zurückbleibende Narbe floss. Und bald darauf war das Meer ruhig und friedlich, als wäre es immer so gewesen. Tief, ganz tief im Inneren, wo immer noch der Lebensstrom wogte, der durch das Zusammentreffen mit seinen Brüdern enorm an Macht gewonnen hatte, und der nur dadurch diese schreckliche Wunde hatte heilen können- da pulsierte ein einzelnes Bewusstsein im Lebensstrom. Es lachte, es triumphierte. Es berauschte sich an der neugewonnenen Macht. Selbst Garland, die ewige und immer wiederkehrende Verkörperung des Bösen, hatte ihm weichen müssen. Die Macht, die nun zu seinen Füßen lag, überwältigte ihn. Er griff nach ihr, und sie bot sich ihm dar. Sie vertraute ihm. Sie lag vor ihm wie ein offenes Buch. Warum soll ich sie nicht verwenden? geisterte es durch die Überreste seiner Persönlichkeit. Oh ja… der Planet hat sie mir gegeben. Warum soll ich sie nicht auch verwenden? lachte er. Und lachte immer lauter. Er fühlte den Planeten und seine Verbindung in die anderen Welten. Warum nicht…? Cloud lachte. Er würde herrschen. Wie ein Gott. Wie der Gott aller Götter. Anbeten würden sie ihn. Die Macht über Leben und Tod würde er besitzen, und niemand… NIEMAND würde sich ihm widersetzen können. Nicht Garland, sondern er würde aus dem Kelch der Macht trinken und herrschen. Über die Welt, über das Universum… über alles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)