Eternal Fantasy von Rahir ================================================================================ Kapitel 16: Der Kreis schließt sich ----------------------------------- Cloud lachte. Er würde herrschen. Wie ein Gott. Wie der Gott aller Götter. Anbeten würden sie ihn. Die Macht über Leben und Tod würde er besitzen, und niemand… NIEMAND würde sich ihm widersetzen können. Nicht Garland, sondern er würde aus dem Kelch der Macht trinken und herrschen. Über die Welt, über das Universum… über alles. Wie eine blaugrüne Murmel drehte sich der Planet in seinen Händen. So klein und verletzlich wirkte er... und doch war er riesig und bot Milliarden Lebewesen Heimat im kalten, nur vom Sternenlicht erhellten Kosmos. Und da waren noch mehr. Cloud spürte ihre Verbindung. Viele Welten… noch mehr Lebewesen. Alle in seiner Hand. Alle ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er sorgte dafür, dass lebensspendender Regen vom Himmel fiel. Er sorgte für die Luft, die Mensch und Tier atmeten. Er war der Quell ihres Lebens. Er, der nun in den Lebensströmen aufgegangen war. Etwas streifte sein nunmehr Welten umspannendes Bewusstsein. Etwas irritierte ihn. Was war das…? Erinnerungen? An was? Er war so viel mehr als ein Mensch, seine Gedanken wogten zwischen den Planeten hin und her. Er war in ihnen, und er war sie selbst. Wieder streifte ihn… eine Berührung? Leichter Wind bewegte seine Haare. Er schaute empor in einen Himmel aus grauem Licht, der wie von sanfter Glut erfülltes Wasser hin und her wogte. Unter ihm war Gras, nur undeutlich erkennbar. Grünes Gras, soweit man blicken konnte. Es ging bis an einen fernen Horizont, der zwischen den Schemen von Wolken und trüb leuchtenden Bäumen sich dem Blick entzog. Das Gras wiegte sich sanft unter seinen Schritten. Nicht er bewegte sich, die Welt bewegte sich an ihm vorbei. Entfernungen und Zeit… nichts spielte mehr eine Rolle. Bäume ragten verschwommen aus dem Untergrund und streckten ihre durchscheinenden Äste dem trüb glimmenden Himmel entgegen. Dann sah er… etwas anderes. Cloud ging darauf zu. Es passte sogar nicht in diese friedliche Welt, die nun seine Welt war. Es war ein Fremdkörper, hier in den Ebenen des Lebensstroms. Neugierig und zugleich verärgert trat er näher. Schon überlegte er, es mit einer Handbewegung zum Verschwinden zu bringen, doch irgendwas ließ ihn zögern. Er trat noch näher. Es sah aus wie eine Statue aus grauem Stein. Ihre Oberfläche wirkte kalt und rau wie der Stein, aus dem sie geformt war… doch etwas hielt seinen Blick darauf fest. Er blinzelte. Die Züge des Gesichts… sie kamen ihn vertraut vor. Es waren weibliche Züge. Langes Haar aus Stein umrahmte das Gesicht. Der Mund und die Augen waren weit geöffnet. Cloud legte den Kopf schief. Sie kam ihm bekannt vor. Ein Wort wollte über seine Lippen, doch es blieb hängen. Das beunruhigte ihn; als schützende Hand mehrerer Welten sollte er alles wissen, doch dies widersetzte sich ihm. Zorn stieg in ihm hoch, als er mit dem Wort rang. „T… Ti…“ Es gelang ihm nicht, das Widerstreben zu überwinden. Bis er Schritte hinter sich hörte. Langsam drehte er sich um. „Wer bist du?“ fragte er, und wieder ärgerte er sich, denn dies hier war sein Reich. Eigentlich sollte er hier alles wissen. Die Frau kam mit vorsichtigen Schritten näher. Ihr Gesicht drückte Verunsicherung aus. Hoffend, fast flehend, blickte sie ihn an. „Cloud?“ „Du weißt meinen Namen“, stellte er argwöhnisch fest. Die Frau trug ein rosafarbenes Kleid und darüber eine rote Weste, wenngleich die Farben zu verblassen schienen. „Wer bist du?“ Die Frau schüttelte langsam den Kopf, und ihr Gesicht wurde traurig. „Weißt du das nicht mehr? Weißt du nicht mehr, wer du bist?“ Cloud wandte sich ab. Sein stoischer Blick tastete wieder über die Statue. Er blinzelte, als er weitere Statuen in seiner Umgebung bemerkte. „Ich bin Ich. Ich bin die Kraft in den Planeten. Ich lenke und beherrsche das Leben auf ihnen.“ Die Frau nickte; Bitterkeit umspielte ihre Züge. „Ja. Aber du warst einmal etwas anderes.“ Cloud drehte sich wieder um. Sie waren nun von Statuen umringt. Es waren über ein Dutzend. „Etwas anderes? Ich war immer ich. Und das werde ich auch bleiben.“ Der Blick der Frau wechselte von flehend zu verzweifelt. Eine Träne glänzte auf ihrer Wange auf. „Erinnerst du dich wirklich nicht mehr? An mich und deine Freunde?“ Cloud schüttelte gereizt den Kopf. Allmählich wurde ihm unbehaglich zumute. Seltsame Empfindungen kämpften sich in seinem Inneren an die Oberfläche. „Was bedeutet das? Ich verstehe nicht…“ Sie wurden stärker und wühlten seine Gedanken immer mehr auf. „Damals… du hast mir Blumen abgekauft, in Sektor 7, in Midgar. Weißt du es wirklich nicht mehr?“ Etwas in ihrer Stimme rührte ihn an, und ein Stechen ging durch seine Seele. Mit beiden Händen griff er sich an den schmerzenden Kopf. „Was… was tust du mit mir?“ stöhnte er vor Schmerz. „Erinnere dich… ich bitte dich, erinnere dich“, beschwor sie ihn, und Tränen flossen über ihr Gesicht. Cloud fiel ächzend auf die Knie. Die Frau kniete sich zu ihm hin. Langsam hob er den Kopf und blickte ihr direkt in die Augen. Ihre Augen… „Du… du…“ Seine Lippen zitterten. „…du bist… Aeris?“ Die Frau nickte eifrig, und ihre Tränen wurden von ihrem hellen Lachen überstrahlt. „Ja. Ja, Cloud. Du erinnerst dich.“ Verwirrt und verloren blickte er sich um, als sähe er seine Umgebung zum ersten Male. Dann fiel sein Blick wieder auf die Statuen. Er erkannte sie. Er erkannte seine Freunde, die von einem höllischen Fluch in kalten Stein verwandelt worden waren. Von Angst erfüllt sprang er auf und lief zur ersten von ihnen. „Tifa… Tifa…“, schluchzte er, während seine Hände den rauen Stein liebkosten. Aeris stand neben ihn. „Du kannst ihnen das Leben geben. Du besitzt diese Macht.“ Cloud blickte sie an, hoffnungsvoll, und doch auch ängstlich, als seine frühere Persönlichkeit wieder erwachte. „Kann ich das wirklich…?“ Sie nickte ihm warmherzig zu. Dann wandte er sich wieder an die Statue. Er legte der zu Stein erstarrten Frau die Hände an die Wangen und schloss die Augen. Dann begann es. Helle Strahlen wärmenden Lichts durchbrachen die trübe Wolkendecke. Sie trafen alles, das Gras, die durchsichtigen Bäume, die Statuen… Ein überirdisches Klingen ertönte und füllte die Luft mit seinem süßen Klang. Zu Clouds und Aeris‘ Füßen wuchsen gelbe und weiße Blumen aus dem Boden, wie von einem neu anbrechenden Frühling ins Leben gerufen. Als Cloud seine Augen öffnete, stand eine Frau aus Fleisch und Blut vor ihm. Er spürte die warme Haut ihrer Wangen in seinen Händen. Langsam öffnete sie ihre Augen. Sie blinzelte, dann legte sie ihre Hände auf seine. Eine Träne glänzte im Licht des Lebensstroms auf ihrer Wange wie ein seltener Diamant… „Tifa“, flüsterte er tränenerstickt. Sie versuchte seinen Namen auszusprechen, doch er blieb in ihrem Rachen stecken. Ihre Zunge war vor Rührung noch gelähmt, und so küsste sie ihn nur zärtlich. Rings um sie kam Farbe in die Statuen, während sie sich umarmten und dabei innig küssten. Langsam bewegten sie sich wieder und betrachteten alle erstaunt ihre Gliedmaßen, in die wieder Wärme zurückgekehrt war, in denen wieder Blut floss. Tifa und Cloud lösten sich wieder voneinander, und ihre Augen waren tränennass vor Erleichterung und Glück. Alle ihre Freunde, all ihre Wegbegleiter scharten sich nun um sie, und ihre Gesichter drückten alle eine Mischung aus Erstaunen und Gelöstheit aus. Cloud wandte sich an Aeris. „Du… hast uns wiedermal gerettet. Uns alle.“ Aeris lächelte und schüttelte nur sachte den Kopf. „Nein. Das habt ihr selbst getan. Durch eure Verbundenheit, durch eure Liebe…“ Sie seufzte, und es schien in den Weiten des Lebensstroms widerzuhallen. „Ihr seid nun am Ende eurer Reise. Ihr habt eure Aufgabe erfüllt. Der Planet… ist sehr zufrieden. Er dankt euch.“ Cloud wollte etwas erwidern, doch seine Stimme versagte. Stattdessen liefen unkontrolliert die Tränen über sein Gesicht. Und auch alle anderen waren vom Zauber dieses Moments so ergriffen, dass niemand ein Wort äußern konnte. „Ich… ich muss jetzt gehen. Der Planet… er ruft mich“, flüsterte Aeris, und ihre Stimme war traurig und hoffnungsvoll zugleich. Cloud, unfähig ein Wort zu sagen, streckte die Hand aus. Sie streckte ihm ihre entgegen, und für einen magischen Moment lang berührten sich ihre Fingerspitzen. Clouds Brust erbebte vor Schluchzen, doch Aeris nickte ihm nur zu. Eine einzelne Träne lief von ihrer Wange und traf den Boden zu ihren Füßen, und eine zauberhaft schillernde Blume spross an der Stelle… Sie drehte sich um und ging. Die Reisenden dieser Geschichte bildeten ein Spalier für sie, und ihre ebenso dankbaren wie ergriffenen Blicke folgten ihr. Cloud sah ihr nach. Sie wurde allmählich durchsichtiger, und leuchtende Partikel stiegen von ihren schimmernden Umrissen auf. Dann, als sie fast ganz verschwunden war, blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. Cloud überwand das Schluchzen in seiner Brust und rief ihr mit belegter Stimme etwas zu. „Grüße Zack von mir, Aeris…“ Sie lächelte. Und sie nickte. Und dann ging sie wieder ein in den Lebensstrom. Für immer. Richter Basch blinzelte verwirrt. Für einen Moment lang war er wieder weit weg gewesen in seinen Gedanken, in seinen Erinnerungen. Er räusperte sich und betrachtete noch einmal seine Garderüstung im Spiegel vor ihm. Nur selten hatte er sie bisher getragen. Für ganz besondere Anlässe war sie reserviert, und das heute war wohl einer. Sein Umhang wallte flatternd, als er forschen Schrittes durch die Gänge des königlichen Palastes in Rabanastre ging. Ihm entgegenkommende Bedienstete verneigten sich vor ihm, und er erwiderte diese Geste lächelnd. Sein nachdenklicher Blick fiel durch die Arkaden auf die Wüstenstadt. Auch wenn es mir niemand geglaubt hat… Nach dem Vorfall mit Raithwalls Grab, der Monsterinvasion und der gespenstischen Erscheinung, die Archadis bedroht hatte, hatte er Kaiser Larsa nach seiner ebenso plötzlichen wie unerklärlichen Rückkehr Bericht erstattet. Er hatte ihm aufmerksam gelauscht, doch er kannte den jungen Kaiser gut und durchschaute sein kontrolliertes Mienenspiel. Wenigstens hat er mich nicht für verrückt erklären lassen… Sofort war er auf die Frage nach ein paar Urlaubstagen eingestiegen. Balthier und Fran, die ebenso wie er nach der Begegnung mit dem dunklen Fürsten sich mit ihrem Schiff vor den Toren vor Archadis wiedergefunden hatten, begingen einen wichtigen Anlass. Und den wollte er sich auf keinen Fall entgehen lassen. Der Hohepriester von Rabanastre hielt eine langatmige Rede. Basch hasste sowas. Mühsam unterdrückte er das Gähnen. Dann warf er einen Blick auf Königin Ashelia B’nargin von Dalmasca, die in der ersten Reihe des Festsaales neben ihm saß. Sie lächelte leise seufzend zurück. Die Rede des Hohepriesters langweilte sie zumindest genauso, doch gegen bestimmte Sachen waren selbst Königinnen machtlos. Nach der ermüdenden Zeremonie liefen Balthier Ffamran Mid Bunansa und seine frisch angetraute Frau, Fran, die Viera, durch ein Spalier von Ehrenwachen ins Freie. Beide trugen für sie ungewohnte und dem feierlichen Anlass angemessene Kleidung. Ebenso wie Vaan und Penelo, die zusammen mit Basch und Ashelia am Ende des Spaliers warteten. Basch deutete mit dem Kinn auf das Brautpaar. „Beim nächsten Male seid ihr dran“, sagte er lachend in Richtung Vaan und Penelo. Vaan machte ein gespielt bestürztes Gesicht, während Penelo immer noch gerührt das Brautpaar beobachtete. „Aber wirklich nicht…“ Penelo hörte es und warf ihm einen entgeisterten Blick zu. Vaan zuckte mit den Schultern. „Aber, ich meine, dafür sind wir doch noch, äh… ziemlich jung, oder?“ Hilfesuchend glitt sein Blick zu Basch und Ashe, die lachend die Köpfe schüttelten. Das würde einigen Diskussionsstoff zwischen den beiden geben, das stand fest. Der Festsaal des Balamb-Garden war bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Garden stand nun wieder an seinem ursprünglichen Platz, auf der Insel, die ihm seinen Namen verliehen hatte. Dutzende Pärchen drängten sich auf der Tanzfläche und wiegten sich im Walzerschritt. An allen Tischen wurde gelacht und gescherzt, so auch an ihren, an denen die Ehrengäste dieser Feier saßen. Squalls Blick glitt über seine Freunde, die alle neben ihm am Kopf der Tafel saßen. Direkt neben ihm saß Direktor Kramer mit seiner Frau Edea. Er war immer noch etwas verwirrt von den Geschehnissen der letzten Tage. Squall hatte so gut er konnte versucht, es ihm zu erklären. Doch wie er und seine Freunde praktisch aus dem Nichts im Außenhof des Garden aufgetaucht waren, hatte er selbst nicht verstanden. Nur undeutlich erinnerte er sich an eine Szene in einer gespenstischen Landschaft, an ein Dasein als versteinerte Figur, und an die Frau in dem rosa Kleid… er spürte eine diffuse Dankbarkeit ihr gegenüber, doch der Rest war verloren in den Tiefen seiner Erinnerung. „Uargh!!“ Xell würgte an dem wieder mal zu großen Bissen des Hot Dogs, den er, gierig wie immer, verschlang. Seine Frau Mary schlug ihm heftig auf den Rücken, und der kaum zerkaute Bissen kam zum Vorschein. Die anderen am Tisch mussten lachen. „Du wirst eines Tages noch ersticken!“ rief Irvine schmunzelnd und drückte dabei Selphie an sich, die auch nur lachend den Kopf schütteln konnte. „Wenn dich sonst nichts umbringt, diese Hot Dogs schaffen es irgendwann.“ Xell winkte verächtlich ab. „Blödsinn. Mich haut nichts so leicht um. Apropos hauen…“ Sein ärgerlicher Blick wanderte zu Mary, die immer noch auf seinen Rücken klopfte. Als sie seinen aufgebrachten Blick auf sich spürte, hörte sie schlagartig auf. Dann lachten beide, und die angespannte Stimmung löste sich auf. Squall lächelte, als er sie sah. „Nun…“, begann Direktor Kramer, „auch wenn ich vieles nicht verstehe, was sich hier vor unseren Augen ereignet hat, so bin ich doch über die Maßen froh, dass sie alle wohlbehalten zurück gekehrt sind.“ „Ja…“, antwortete Squall geistesabwesend, während sein Blick wieder über das bunte Durcheinander von tanzenden Pärchen glitt. „Gibt es… gibt es was Neues von Dodonna und seinen Forschungen?“ Kramer rückte sich seine Brille zurecht. „Nein, es bleibt wohl ein Rätsel. Er hofft, herauszufinden, warum sich kein Tor mehr aktivieren lässt, aber es scheint seinen Worten nach ein temporäres Phänomen gewesen zu sein.“ „Das heißt… wir können diese anderen Welten nicht mehr betreten.“ Der Direktor nickte seufzend. „Ja, es sieht ganz danach aus. Was sehr schade ist, denn diese Transportmöglichkeit wäre ein entscheidender Vorteil für unsere SEEDs bei Einsätzen in den verschiedensten…“ Squall ließ ihn noch eine Weile reden. Doch er hörte es nicht mehr. Die Worte des Direktors gingen unter in den sich wie die Tanzpaare drehenden Akkorden und Klängen des Orchesters, die den Walzer ‚Tanz mit dem Balamb-Fisch‘ spielten. Nach einer Weile erhob er sich und ging quer über die Tanzfläche. Mit geschmeidigen Bewegungen wich er den sich im Takt der Musik wiegenden Paare aus, bis er bei einem bestimmten Paar angelangt war. Mit dem Zeigefinger tippte er dem Mann auf die Schulter. Er hatte blondes, kurzes Haar und trug eine offensichtlich nagelneue SEED-Uniform. „Darf ich um diesen Tanz bitten…?“ fragte er verschmitzt. Cifer Almasy musterte ihn mit scharfem Blick. Dann entspannte sich seine Miene, und er lächelte. „Aber gern. Denk nur an dein Versprechen…“, erinnerte er ihn. Squall winkte ab. „Ja, ja.“ Dann ergriff er Quistis‘ linke Hand, legte seine rechte an ihre Hüfte und begann den klassischen Walzerschritt. Der Dreivierteltakt ging sofort in seine Beine. Er hatte nichts vergessen. Quistis war eine ebenso geschickte Tänzerin, und schon drehten sie ihre Kreise unter all den anderen Paaren. „Ich wundere mich immer noch“, sagte er zu ihr, während die Musik den Takt ihrer schwungvollen Bewegungen vorgab. „Ich wundere mich manchmal über mich selbst“, lachte sie. Ihr Gesicht war so gelöst. Squall konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal so befreit erlebt zu haben. „Zum Schluss wirst du noch deinen Spitznamen los“, schmunzelte er. Quistis‘ Gesicht wurde fragend. „Welchen Spitznamen?“ „Äh… vergiss es. Jedenfalls freut es mich, dass ihr euch so gut versteht. Ihr seid ein schönes Paar, wirklich.“ Verlegenheit wie bei einem jungen Mädchen legte sich über ihre sonst immer so ernsten Züge. „Danke“, erwiderte sie etwas verschämt. „Übrigens… hast du schon mit Rinoa gesprochen?“ Diese Erinnerung drängte sich wie eine unangenehme Verpflichtung in seine Gedanken. „Noch nicht. Hast du sie heute schon gesehen?“ „Ja“, erwiderte Quistis nickend. „Ich glaube, sie ist auf dem Balkon.“ Die Tanzmusik verebbte, und die Pärchen klatschten dem Orchester zu. Die beiden lösten sich von einander, und Squall rieb sich betreten den Nacken. „Dann will ich sie lieber nicht warten lassen.“ Quistis nickte ihm teilnahmsvoll zu. Cifer kam wieder zu ihnen und legte beiden seine Arme kumpelhaft über die Schultern. „He, was sind denn das für Gesichter? Bei dir, Squall, bin ich es ja gewohnt, aber denkt daran: wir haben dem größten Arschloch des Universums in den Arsch getreten UND überlebt! Wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist!“ lachte er, und seine altbekannte Überheblichkeit blitzte wieder auf. Beide lachten verlegen, dann ging Squall los. Cifer ergriff wieder Quistis Hände, um den nächsten Tanz zu beginnen. Die Sterne leuchteten klar und rein am Firmament wie Brillanten, als er den Balkon des Balamb-Garden betrat. Eine Frau in einem kurzen, weißen Kleid stand am Geländer und blickte auf das Meer, das ruhig wie Öl dalag. Die Mondscheibe spiegelte sich auf der nur leicht gekräuselten Wasseroberfläche. Genau wie damals, durchfuhr es ihn schmerzhaft. Genau wie damals… Squall ging auf das Geländer zu und stellte sich neben sie. Schweigen herrschte lange Momente, bevor er zu sprechen begann. „Ist ja noch mal gut ausgegangen, das Ganze…“, sagte er leise. Rinoa nickte. „Ja. Das ist es“, erwiderte sie, doch ihre Stimme schien wo anders zu sein. „Wir… ich meine, wir sollten… verdammt“, fluchte Squall. „Ich bin nicht gut in sowas.“ Nun wandte sich Rinoa an ihn und sah ihn mit gedankenvollen Augen an. „Ich weiß… ich meine, ich glaube zu wissen, was du sagen möchtest.“ Squall schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und nickte seufzend. „Ja. Es ist… es war schön. Wunderschön. Ich möchte keinen unserer Momente missen.“ Er lachte bitter auf. „Und trotzdem fühle ich mich mies jetzt, wo ich das sage.“ Rinoa wandte sich wieder dem klaren Sternenhimmel aus schwarzem Samt zu. „Ich weiß, was du meinst. Man will es nicht wahrhaben, man kämpft dagegen an… ich habe für dich gekämpft, Squall, wie noch nie zuvor für etwas anderes. So wie auch du für mich. Aber letztendlich…“ Sie schüttelte langsam den Kopf, und ihre Augen fühlten sich mit bitteren Tränen. „Irgendwann muss man es akzeptieren. Ich habe alles versucht… aber es ist so. Unsere Liebe… du hast recht, sie war wunderschön. Und sie wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Aber- “ Ihr versagte die Stimme. Squall nahm sie aus einem spontanen Impuls in die Arme. Er hörte sie leise weinen, als sie ihr Gesicht in seiner Schulter vergrub. „Aber… es ist vorbei, wolltest du sagen“, flüsterte er ihr ganz leise ins Ohr, während er sie sanft in seinen Armen wiegte. Sie löste sich von ihm und blickte ihn aus geröteten Augen an. Mit fahrigen Bewegungen wischte sie sich das Gesicht ab. „Es ist besser so“, sagte sie dann mit belegter Stimme. „Wir sind einfach zu verschieden.“ Squall wusste, ihr Herz lag in Trümmern in diesem Moment. Und trotzdem war sie so mutig. Von Anfang an hatte er sie dafür bewundert. Und er fragte sich, ob er genauso viel Stärke würde aufbringen können. „Ja. Es ist besser, wenn es auf diese Weise endet. Wir bleiben immer Freunde. Du wirst immer wichtig sein für mich, glaub mir“, sagte er und erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. Es schmerzte ihn, seine innersten Empfindungen nun auszuschütten, vor allem in so einem Moment. Schon nagten Zweifel an ihm, ob sie es falsch verstehen würde. Doch stattdessen wuchs ein behutsames Lächeln auf ihren traurigen Zügen. „Ja. Freunde… das sind wir. Für immer.“ Sie nickte, dann blickte sie wieder in den Sternenhimmel. Er war genauso schön wie damals, als sie nach dem Sieg über Artemisia hier gestanden waren und sich geküsst hatten. Die Sterne waren die selben… doch die Menschen unter ihnen hatten sich verändert. Und würden nie wieder so sein, wie sie waren. Das Fest war immer noch im Gang. Von seinem Büro aus hörte er die Musik, konnte sie förmlich vor sich sehen, die tanzenden Paare… Das mit Cifer und Quistis überraschte ihn ein wenig, doch er vergönnte es ihnen. Sie passten zusammen, in ihrer Art, in ihren Gedanken… nicht so wie er und Rinoa. Er saß an seinem Schreibtisch. Kein Licht brannte, nur das Mondlicht fiel durch die Jalousien in den Raum. Langsam realisierte er es. Es ist vorbei. Endgültig. Er wartete auf den großen Schock, auf den schweren Schlag, doch er kam nicht. Stattdessen… fühlte er Leere. Keine dramatischen Gefühle, keine aufflammende Wut über sich, Rinoa und den Rest der Welt, nur… Leere. Und er wusste nun, warum. Wenn er die Augen schloss, sah er ihr Gesicht vor sich. Ihre schwarzen Haare, ihre braunen, fragenden Augen. Er erinnerte sich an ihre Nacht in Archadis, als sie einander Zuflucht und Geborgenheit in einer schrecklichen, dem Untergang geweihten Welt geboten hatten. Die Buchstaben ihres Namens brannten sich schmerzhaft in sein Bewusstsein. Tifa Lockhart… Er würde sie nie wieder sehen. Dodonna hatte keine Möglichkeit gefunden, ein Tor erneut zu öffnen. Es hing wohl alles mit dem Wesen zusammen, in dessen Träumen absoluter Macht die Welten verschmolzen waren. Mit seiner Macht hatte er die Barrieren zwischen ihnen durchlässig gemacht. Doch dies war vorbei. Er war besiegt, und das war auch die Rettung gewesen für die Menschheit und den Planeten. Doch Squall gelang es nicht, sich zu freuen. Denn es bedeutete auch den endgültigen Abschied von Tifa. Nun empfand er echten Schmerz. Tiefe, seelische Pein, die er eigentlich Rinoa schuldig war. Doch sie galt Tifa, der Frau, die er nur kurz, aber intensiv geliebt hatte. Die Endgültigkeit ihres Abschiedes legte sich wie eine drückende Schwärze über ihn, und erst jetzt merkte er, dass sein Gesicht tränennass war. Er saß nur da, bis selbst die Geräusche des Festes abklangen und schließlich Stille in die Hallen des Garden einkehrte. Zäh und langsam krochen die Gedanken durch seinen schweren Kopf, und immer galten sie Tifa. Er konnte nicht schlafen, er konnte nicht träumen. Er konnte gar nichts mehr. Ein Leben ohne ihr kam ihm so sinnlos, so leer vor. Er konnte einfach nicht mehr. Leise scharrte die Lade seines Schreibtisches, die er im Halbdunkel seines Büros aufzog. Mit behutsamen Bewegungen hob er den Gegenstand darin heraus. Das schwindende Mondlicht brachte die metallene Oberfläche zum Glänzen. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die Pistole im Kaliber .44 und las den Schriftzug, der auf dem Schlitten kunstvoll eingraviert war. ‚Alles Gute zu deiner Ernennung zum Vizedirektor. Von deinen Freunden.‘ Sie hatten ihm diese prächtig mit Goldeinlegearbeiten verzierte Waffe mit der eingravierten Widmung geschenkt, damals, zu seiner Beförderung. Er dachte nur ganz kurz daran, ob sie ihn vermissen würden, bevor der Gedanke wieder von einer Flut dumpfen Schmerzes hinweg gespült wurde. Mit einer routinierten Bewegung zog er den Schlitten zurück. Ein kupferfarbenes Projektil schimmerte in der Kammer. Dann ließ er ihn nach vor schnalzen. Er atmete tief durch, bevor er sich die Waffe an die Schläfe setzte und die Augen schloss. Tifa… Es war still in den Gängen des Balamb-Garden. Angekleckertes Geschirr und verschobene Stühle standen im Mondlicht, das durch die Kuppel des Festsaales hereinfiel, wie längst vergessene Überbleibsel herum. Die letzten Gäste der Feier wankten in Richtung ihrer Quartiere- als ein Schuss die Stille zerriss. Es war morgen, und die Sonne schien auf die grasige Ebene um den Balamb-Garden. Anlässlich des Festes und der ‚Rettung der Welt‘, die sich wieder einmal ereignet hatte, bekamen sämtliche Kadetten und SEEDs den Tag frei. So auch Quistis, die erst gegen Mittag aus dem Schlaf erwachte. Sie kleidete sich bereits an, auch wenn kein Dienst auf dem Plan stand. Gegen manche Gewohnheiten kam man eben nicht an. Verträumt blickte sie auf Cifer, der immer noch schlafend in ihrem Bett lag. Dann befahl sie sich selbst wieder Ernst und verließ ihr Quartier. Ohnehin würde bald der gesamte Garden über sie tuscheln. Die Gänge des Garden waren wunderbar ruhig und von einer Stille erfüllt, die gänzlich ungewohnt war. Zufrieden lenkte sie ihre ziellosen Schritte durch seine Korridore. Außer ihr war noch niemand auf den Beinen. Schließlich kam sie an Squalls Büro vorbei. Reflexartig wollte sie schon eintreten, doch dann entsann sie sich, dass er kaum darin sein würde. Plötzliche Sorge um ihn ergriff sie. Sie hatte ihn am Vorabend nicht mehr gesehen, nach seiner Aussprache mit Rinoa. Ich hoffe, es geht ihm gut… Nachdenklich stand sie vor seiner Tür, bis ihr auffiel, dass sie einen Spalt breit offen stand. Ihre Neugier war geweckt, und sie trat ein. Ihr Blick fiel auf Squall. Sein Kopf lag auf dem Schreibtisch, und in der Hand hielt er eine Pistole. Sie erschrak. „Squall!!“ Er schreckte hoch und sah sich verwirrt um. Wirre Strähnen seines braunen Haares klebten ihm im Gesicht. „Wie? Was…“ Ratlos betrachtete er die Waffe in seiner Hand. Quistis stützte ihre Hände in die Hüften und bedachte ihn mit dem für sie typischen, tadelnden Blick. „Schläfst du gerne an deinem Schreibtisch?“ „Ich… äh…“, murmelte er benommen. „Und was willst du mit der Waffe?“ fragte sie lachend. „Willst du etwa jemanden erschießen?“ Squall betrachtete blinzelnd die Waffe in seiner rechten Hand. Vorsichtig zog er den Schlitten zurück. Die Kammer war leer. Dann roch er an der Mündung. Aus ihr war nie ein Schuss abgegeben worden, und sie war auch nie geladen gewesen… Mit einer so schleißigen Uniform, wie er es bei seinen Kadetten nie dulden würde, spazierte er durch den Garden. Die wenigen Kadetten, die schon auf den Beinen waren und sich auf dem Weg in die Kantine oder zu Dr. Kadowaki befanden, um nach Kopfschmerztabletten zu fragen, salutierten eifrig vor ihm. Er erwiderte nur mit einem müden „Morgen, Leute“. Die Kadetten blickten ihm überrascht hinterher. Die Sonne lachte am Himmel, und der Wind, der sanft über die Alclad-Ebene strich, fuhr ihm durch seine zerzausten Haare. Das Meer glänzte friedlich am Horizont, während er auf den Stufen zum Eingang des Garden saß. Er gähnte noch einmal im warmen Licht der Mittagssonne, die es nicht gänzlich schaffte, seine Müdigkeit zu vertreiben. Dann erinnerte er sich an sein ‚Versprechen‘. Seufzend zog er seine Gunblade. Dann stand er auf und ging müde in Richtung des abgemachten Hügels. Dabei scharrte die Spitze seiner Gunblade über den Boden, die er achtlos nachschleifte. Cifer wartete bereits. Er schien in Gedanken versunken, doch als Squall auftauchte, zog er sofort seine Waffe. Dieser winkte nur ab und hielt sich seinen brummenden Kopf. „Können wir das nicht auf Morgen verschieben?“ fragte er stöhnend. „Auf Morgen? Lieber nicht, denn sonst verschwindest du wieder sonst wo hin, um die Welt oder was weiß ich zu retten. Nein, hier und jetzt. Wie abgemacht.“ Hochmütig lächelnd verschränkte er die Arme und richtete sich auf. Squall nahm seine Gunblade in beide Hände, wie schon so oft. Cifer streckte ihm die Hyperion entgegen. Ihre Blickte schärften sich. Dann begannen sie zu kämpfen. Das Klirren und Krachen ihrer aufeinandertreffenden Waffen hallte über die Alclad-Ebene dahin und verlor sich in der Ferne. Der Kampf war natürlich nicht ernst. Aber ernst genug. Denn sie würden eben auf immer Rivalen bleiben. Immer würde einer das Spiegelbild des anderen sein, und sie würden den anderen auch bis auf alle Zeiten genauso sehr brauchen wie das eigene Spiegelbild. „Fast perfekt…“, rief er. „Aber doch noch ein bisschen nach links, ja?“ Rude, der auf der ebenso hohen wie wackeligen Leiter stand, verschob die schwere Metalltafel an der Fassade unter den Anweisungen Renos ein weiteres Male. Schweißperlen standen bereits auf seiner Stirn. „Passt es jetzt endlich?“ rief er mit leichter Verzweiflung in der Stimme. Seine Arme begannen zu erlahmen. „Die Tafel ist schwer, weißt du…“ „Ja, ja. Nein, doch wieder nach rechts. Nur ein bisschen!“ rief Reno und gestikulierte mit den Armen. „Noch ein bisschen… noch ein bisschen…“ Es kam, wie es kommen musste. Rude verlor mitsamt der schweren Tafel in Händen das Gleichgewicht und kippte von der Leiter. Krachend fiel alles zu Boden. Reno lief erschrocken zu ihm. „Verdammt!“ stöhnte Reno. Rude kam ächzend auf die Beine und putzte sich den Straßenstaub vom Anzug. „Keine Sorge, mir ist nichts- “ „Puh, Glück gehabt“, unterbrach ihn Reno. Dieser strich mit der Hand über die Tafel. „Sie hat keinen Kratzer abbekommen, bin ich froh...“ Rude richtete sich die Sonnenbrille. Gleichzeitig rang er die aufkeimende Wut nieder. Es war ja sowieso zwecklos. Sie blickten auf, als jemand vor ihnen stand. „He, ihr beiden.“ Reno und Rude sahen ihn überrascht an. „Hey, Cloud!“ riefen sie synchron. Dieser ging auf sie zu und warf einen Blick auf die Tafel. „Reno&Rude Inc.“, las er laut vor. Reno platzte fast vor Stolz. „Toller Name für unser Unternehmen, nicht? Ich war gerade dabei, sie zu montieren“, behauptete Reno. Rude warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Ja, und Rude hilft mir dabei. Aber du weißt ja“, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand Cloud zu, „er ist etwas ungeschickt.“ Rude, der die Worte sehr wohl gehört hatte, ballte knurrend die Faust. Cloud nickte schief lächelnd. „Ich verstehe… ist eure Chefin auch da?“ Reno verzog das Gesicht. „Chefin ist wohl der falsche Ausdruck. Sie ist eher… unsere Sekretärin. Wir wissen genau, was wir tun, nicht wahr, Rude?“ fragte er seinen Freund und neuen alten Kollegen. Dieser nickte nur. „Du meinst, sie verhindert, dass eure neugegründete Firma völlig ins Chaos abdriftet?“ fragte Cloud stirnrunzelnd. Reno nickte breit grinsend- bis er die Worte vollends kapierte. Mit einem verlegenen Gesicht rieb er sich den Nacken. „Na ja, so ungefähr.“ „Was macht euer Unternehmen überhaupt?“ fragte Cloud belustigt. Von neuem Enthusiasmus erfüllt, zog Reno seinen Viehstab und schwenkte ihn theatralisch. Rude neben ihm konnte im letzten Moment ausweichen. „Wir sind die schweren Jungs für alle Fälle! Wir greifen ein, wo keine Hoffnung mehr besteht, wir kämpfen für das Gute, oder auch für das Böse, wenn es uns bezahlen kann- “ „Ja, ja“, lachte Cloud und hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja schon gut. Ist Anne denn nun da oder nicht?“ Mit einer eleganten Bewegung steckte Reno seinen Viehstab wieder weg. „Klar. Sie ist oben, im Büro.“ Langsam ging er die Stufen im Innern des schmucklosen Gebäudes hinauf. Es waren nun schon mehrere Wochen ins Land gezogen seit den… ‚Ereignissen‘. Nur wenige Wochen, doch Cloud kamen sie bereits so unwirklich vor. Ist das alles wirklich passiert? Die Bevölkerung von Edge-City war in ihre Häuser und Wohnungen zurückgekehrt, und der Wiederaufbau war im vollen Gange. An einigen Stellen erinnerten ausgebrannte Gebäude an die Monsterplage, doch die Einwohner hier waren zäh. Sie hatten den Meteoreinschlag verkraftet und würden auch hier rüber hinwegkommen. Doch manche Hinterlassenschaften würden bleiben… die in seinem Herzen. Und in denen seiner Freunde. Die Glastür trug einen frisch aufgebrachten Schriftzug. ‚Anne Almasy, Geschäftsführerin‘ Cloud atmete tief durch. Oft schon hatte er dies verschoben. Die Renovierung des 7.Himmels hatte in voll in Anspruch genommen, und dies war nicht die einzige Ausrede sich selbst gegenüber gewesen, doch nun musste er. Er war es ihr schuldig. Mit einem mulmigen Gefühl klopfte er an die Tür. Stille Sekunden lang passierte nichts, dann rief eine gedämpfte Stimme ‚Herein‘. Vorsichtig drückte er den Knauf. Mit konzentrierter Miene blickte sie durch ihre Brille auf den Schirm des Notebooks vor sich auf dem Tisch. Ihre Finger eilten klappernd über die Tastatur. Mit abwesend klingender Stimme begann sie zu sprechen, ohne ihn anzusehen. „Stellen sie die Pakete in das Eck dort, aber bitte vorsichtig. Da sind wahrscheinlich Computerteile drinnen.“ Cloud musste lächeln. Dann räusperte er sich. Anne schaute von ihrem Bildschirm hoch, und sie blinzelte. „Heute bringe ich mal zur Abwechslung nichts…“, schmunzelte er. Anne verwandelte sich. Nun war sie nicht mehr die smarte Computerexpertin, sondern wieder die schüchterne Frau, als die er sie vor ungefähr einem Monat kennengelernt hatte. Mit fahrigen Bewegungen richtete sie sich ihr etwas wirres Haar. „Ähm, hallo, Cloud… ich wusste nicht, ich meine, ich habe dich nicht… erwartet. Nimm doch Platz.“ Ihr Blick sprang hektisch über ihren chaotischen Schreibtisch, dann wieder zu Cloud. Er ging langsam auf sie zu und setzte sich auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch. „Wie ich sehe, läuft der Laden schon“, sagte er lächelnd. „Ja… wir sind ‚im Aufbau begriffen‘, wie man so schön sagt“, erwiderte sie nickend und lächelte dabei scheu zurück. „Schön. Ich hoffe, du kommst mit den zwei Chaoten zurecht“, schmunzelte Cloud. Anne gewann wieder etwas von ihrem Selbstbewusstsein zurück. „Klar, die gehorchen mir schon. Sind halt manchmal etwas überdreht, besonders dieser Reno.“ „Ich hoffe, er nervt dich nicht zu sehr. Hat er dich schon angebaggert?“ „Pausenlos“, seufzte Anne mit einem leicht angewiderten Blick. Dann wandelte sich der Ausdruck in ihren Augen, und ihre sonstige Scheue kehrte zurück. „Du hast übrigens nie zurückgerufen…“ Cloud senkte schuldbewusst seinen Blick. „Ich weiß… es tut mir leid. Aber- “ Er hob den Kopf, schüttelte ihn, machte ein verwirrtes Gesicht- aber es half alles nichts. „Ich… ich muss mit dir reden. Über uns.“ Anne beugte sich über ihren Schreibtisch, ihre Miene wurde hoffnungsvoll. Es tat ihm jetzt schon weh. „Ja…?“ „Wir… wie soll ich sagen…“ Er verdrehte die Augen ob seiner eigenen Wortlosigkeit. Dann stand er auf und begann im Raum auf und ab zu gehen. „Du bist eine wunderbare Frau, und ich finde dich sehr sympathisch… ich mag dich wirklich, aber…“ Annes Augen, in die langsam Enttäuschung Einzug hielt, folgten ihm aufmerksam. „Aber…?“ Vor Wut über sich selbst schnaubend griff er sich mit beiden Händen an den Kopf. Dann ließ er sie in einer Geste der Hilflosigkeit fallen. „Vielleicht habe ich dir zu viele Hoffnungen gemacht“, sprach er ganz leise und mit zu Boden gerichtetem Blick. „Irgendwie hatte ich selbst Hoffnungen… ich weiß auch nicht genau, auf was.“ Anne nickte langsam. Sie wirkte müde, als sie antwortete. „Es ist diese Tifa. Richtig?“ Cloud schloss die Augen. „Ja“, hauchte er. Anne sah sich im Raum um, als wäre sie heute zum ersten Male hier. Dann rückte sie ihr Notebook auf dem Schreibtisch zurecht, obwohl es schon vorher exakt an der Kante ausgerichtet war. Sie begann zu tippen, hörte aber gleich wieder auf. „Na ja… das ist okay“, sagte sie bitter lachend. Cloud hasste sich selbst in diesem Moment. Ohne länger zu überlegen, ging er auf sie zu und ergriff sie an den Schultern. Hilflos und auch verwirrt blickte sie ihn an, wie er so vor ihr kniete. Seine Stimme zitterte, als er zu sprechen begann. „Es ist nicht okay, und wir wissen das beide.“ Sie starrte ihn noch ein paar Momente an, bevor sie beide aufstanden und sie sich in seine Umarmung flüchtete. Nun endlich ließ sie ihren aufgestauten Tränen freien Lauf. Cloud wiegte sie sanft, während er das Schluchzen in ihrer Brust spürte. Behutsam streichelte er ihren Hinterkopf. „Es tut mir leid… es tut mir leid…“, flüsterte er ihr zu, und dann erst merkte er, dass auch er weinte. Die sich dem Horizont nähernde Sonne strich sanft über die grauen Betonblöcke von Edge-City hinweg, um schließlich Annes Büro mit goldenem Licht zu erfüllen. Cloud und Anne lösten sich langsam voneinander. Mit zerstreuten Bewegungen nahm sich Anne ihre Brille ab, holte ein Taschentuch hervor und begann sie zu putzen. Cloud trat einen Schritt zurück. Sein Blick fiel aus dem Fenster auf die Abendsonne. Warm spürte er ihr Licht auf seinem Gesicht, und tiefe Erleichterung durchflutete ihn. „Wir werden immer gute Freunde sein“, sagte er nach einer Weile, denn es schien besser als die Stille zwischen ihnen zu sein. Anne nickte und lächelte dabei, und es wirkte nicht mehr aufgesetzt, sondern frisch und unschuldig, wie die Luft nach einem heftigen Regenguss. „Ja. Wir sind… Freunde.“ „Übrigens… heute Abend findet bei uns eine kleine Feier statt. Wegen der Wiedereröffnung des 7.Himmel, und weil… wir alle noch leben“, fügte er erheitert hinzu. „Wäre schön, wenn du auch kommst. Schließlich warst du auch dabei. Von Anfang bis zum Ende“, sagte er lächelnd, und sie erwiderte es. Das reinigende Gewitter war vorüber, und nun herrschte wieder freundschaftliche Klarheit zwischen ihnen. Donnernd und tosend erwachte Fenrir zum Leben. Das großkalibrige Aggregat spuckte eine dichte Wolke Ruß, die Reno und Rude völlig einhüllte. Ihre Gesichter waren schwarz vor Ruß, während Reno Cloud nach winkte. Mit einem lauten Auspuffknall verschwand er im Dickicht des neu erwachten Straßenverkehrs. „Klar kommen wir zu eurer Feier, Hauptsache es gibt dort geile Mädels!“ Dann hustete er ein schwarzes Wölkchen aus. Rude nahm seine Sonnenbrille ab. Nur der Bereich um seine Augen war noch frei von Ruß. Frohlockend drehte er am Gasgriff. Dieses Spiel mit der Geschwindigkeit, das Eintauchen in den Verkehr… wie sehr hatte es ihm gefehlt! Unter seinem Hintern spürte er die Vibrationen des Aggregates, als er geschmeidig wie ein Hai unter Fischschwärmen durch den dichten Straßenverkehr glitt. Schneller als ihm die anderen Autofahrer den Vogel oder Schlimmeres zeigen konnten, schnitt er ihre Fahrbahnen und tauchte unter dem wütenden Gehupe hinweg. Die Trittbretter von Fenrir sprühten helle Funken, als er wagemutig Kurven schnitt und jede freie Lücke im Verkehrsinfarkt von Edge-City nutzte. Der Wind fuhr ihm durch seine blonden, wirren Haare. Er fühlte sich so frei, so lebendig… dies war das echte Leben, das wusste er. Den blauen Himmel über sich, den Sonnenuntergang wie ein kitschig schönes Panorama im Hintergrund. Sein Herz pochte im Takt des Achtzylinders unter seinem Arsch, und er war einfach glücklich. Mehrmals bog er absichtlich falsch ab, um den Weg zurück zum 7.Himmel möglichst lange zu machen. Wieder bog er auf die Auffahrt der Stadtumfahrung auf und drehte am Gasgriff. Wieder zerrte der Wind an ihm, und wieder durchflutete ihn das Glücksgefühl, das mit nichts zu vergleichen war. Und wieder sang der Motor sein heiseres Lied, als er dem Sonnenuntergang entgegen brauste… Mittlerweile war es Nacht, und die Scheinwerfer von Fenrir warfen lange Kegel bläulichen Lichts auf die nun zur Ruhe gekommenen Straßen. Auch die Luft war nun deutlich kühler, wie er auf seinen unbedeckten Oberarmen spürte. Er fuhr nun deutlich langsamer; Fenrir hatte seinen Auslauf für Heute gehabt. Während er an den gleichförmigen Plattenbauten, die Edge-City dominierten, vorbeifuhr, ließ er in Gedanken noch mal das Geschehen ihrer Rückkehr Revue passieren. Er hatte sich von Aeris verabschiedet, diesmal wohl endgültig. Dann hatten er und seine Freunde sich außerhalb der Stadt in der Einöde wiedergefunden. Dies war wahrscheinlich das letzte Wunder, das Aeris für sie vollbracht hatte. Vielleicht war es auch das letzte Aufflackern seiner Macht gewesen, die ihm der Planet verliehen und ihn fast den Verstand gekostet hatte. Er wollte es auch nicht genauer wissen. Er war einfach nur dankbar. In der Gasse, die den 7.Himmel beherbergte, ließ er sein Motorrad ausrollen. Noch einmal hustete der schwere Motor, als er den Zündschlüssel abzog. Seufzend richtete er sich auf. Die Garage war der einzige Teil des Gebäudes, der einigermaßen in Ordnung geblieben war. Und natürlich Fenrir, sein geliebtes Motorrad, über das ein besonderer Schutzengel gewacht zu haben schien. Sanft strich er über das noch warme Metall, dann verließ er die Garage in Richtung des Lokals. Als er die Tür öffnete, schwappte ihm eine Welle aus Stimmen und Geräuschen entgegen. Seit der Renovierung des Gebäudes war dies wieder der erste offene Tag, und dementsprechend wurde gefeiert. Der 7.Himmel war gut gefüllt. Alle Tische waren voll besetzt, viele mussten stehen, und an der Theke drängten sich die Leute Schulter an Schulter. Suchend streifte sein Blick über die Menge, bis er fündig wurde. In einer Ecke des Lokals stand ein längerer Tisch, und der war reserviert. Im selben Moment bemerkten ihn die Gäste an diesem Tisch und winkten ihn frenetisch herbei. Mit Mühe bahnte er sich einen Weg durch die ausgelassene Menschenmenge. Normalerweise mochte er solche Ansammlungen nicht besonders, und nur mit genügend Alkohol im Blut ertrug er so laute und dichte Menschenmassen, oft zum Leidwesen von Tifa. Doch heute war ein besonderer Tag, und alle seine Freunde waren da. Sie hatten überlebt, und das musste gefeiert werden. „Da ist ja unser Spikey!!“ intonierte Barret aus voller Brust, und Gejohle brandete auf. Besonders Reno, der schon einiges getrunken zu haben schien, obwohl der Abend noch jung war, brüllte aus Leibeskräften. Bis ihm Rude den Ellbogen in die Seite rammte, was ihm ein undeutliches „Was is’n?“ entlockte. Cloud war es peinlich, als dann alle zu klatschen begannen. Yuffie stand auf und wies ihm einen Platz zu. „An den Kopf der Tafel mit dir, du Held!“ kicherte sie. Cloud schüttelte lachend den Kopf und nahm wie angeordnet am Kopfende des Tisches Platz. Dann lief sie wieder eilig zu ihrem Stuhl, der rein zufälligerweise gleich neben dem von Vincent stand. Es wunderte Cloud ausgesprochen, dass er sich zur Teilnahme an dieser Feier an einem so belebten Ort überreden hatte lassen. Tapfer ließ er den ganzen Trubel über sich ergehen, und Yuffie zwinkerte ihm aufmunternd zu. Cloud ließ seinen Blick über die Runde schweifen. Gleich neben ihm saß Barret, mit Marlene auf dem Schoß. Die Kleine lachte glucksend, schon alleine deshalb, weil sie sonst um diese Zeit schon im Bett sein musste. Ebenso wie Denzel, der vergnügt zwischen den Gästen im Lokal umher sauste. Dann glitt er weiter zu Cid und Shera Highwind. Verwirrt sah er, dass er heute gar keine öligen Arbeitshandschuhe trug. In Gedanken fragte er sich, wie Shera das geschafft haben mochte. Er rauchte auch nicht. Manche Dinge hatten sich geändert, das war nicht zu übersehen… Am anderen Ende der Tafel saßen Reno und Rude, und zwischen ihnen ihre neue Chefin. Für Anne war die Arbeit für die W.R.O., die nach dem mysteriösen ‚Verschwinden‘ von Rufus Shinra nun wieder von Reeve Tuesti geleitet wurde, kein Thema mehr gewesen, und da die beiden Ex-Turks ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Erwerbsquelle waren, hatten sie spontan ihre Geschäftsidee zusammen verwirklicht. Cloud wunderte sich immer noch darüber… als Anne seinen Blick erwiderte. Zuerst scheu, doch dann offen und wohlwollend. Er froh darüber, dass sie es so gut verkraftet hatte. Wie auch er selbst, worüber er fast genauso erleichtert war. Dann fiel sein Blick auf Vincent und Yuffie. Sie saßen direkt nebeneinander, was für Vincent ungewöhnlich war. Cloud fragte sich, wie ein solches Naheverhältnis zustande kommen konnte. Alle anderen am Tisch unterhielten sich lautstark, und so wandte er sich an die beiden. „Hey, Vincent“, rief er und zwinkerte dabei Yuffie zu, die verschmitzt kicherte, „ich hoffe, es ist dir nicht zu laut hier drin.“ Vincent nickte schwermütig. „In meinem Sarg war es ruhiger…“ Dann warf er Yuffie einen Blick zu, der mehr aussagte, als Cloud erwartet hätte. „…aber andererseits war ich lange genug in dem Ding drinnen. Etwas Abwechslung schadet nicht.“ Yuffie kicherte warmherzig, und Cloud sah, wie seine Hand nach der ihren tastete. „Und was wollt ihr jetzt so machen? Jetzt, wo alles vorbei ist.“ „Wir- “ begann Yuffie in dem für sie so typischen, schrillen Ton, stoppte aber, als sie merkte, dass Vincent seinen Satz eigentlich noch früher begonnen hatte. Verlegen wandte sie sich an ihn. „Wir wollen ein Unternehmen zusammen gründen. Yuffie hatte die Idee schon früher. Es geht dabei um… Materia.“ Er sprach dieses Wort vorsichtig und leise aus, doch trotz allem verdrehte Yuffie Augen nach oben und biss sich auf die Lippen. Cloud glaubte sie leise stöhnen zu hören. „Jedenfalls braucht sie dafür noch einen Partner. Und das werde wohl ich sein.“ „Das… ist schön. Ich freue mich für euch.“ Clouds Blick fiel dann auf den leeren Stuhl zwischen Vincent und ihm. Tifa würde wohl eine Menge zu tun haben, und allein schon ihr Stolz gebot es ihr, den Laden allein zu schmeißen. Die Nacht verging, und sie unterhielten sich prächtig. Jeder hatte etwas zu erzählen, denn einen Teil dieser Reise hatten sie ja getrennt voneinander unternommen. Cloud hörte aufmerksam zu, sagte aber nur selten etwas. Über Aeris wurde kein Wort verloren. Zu deutlich war noch der Abschied in ihren Erinnerungen, und dieser Ort war eindeutig zu laut für ihr Andenken. Cloud hatte bereits eine Idee gehabt, die sie am nächsten Tag verwirklichen wollten. Doch für heute wollten sie ausgelassen sein. Sie waren es auch alle, besonders Reno, der schon bald lallend unter dem Tisch etwas zu suchen begann. Er glaubte es zwischen den Beinen von Yuffie zu finden, was ihm den Abdruck eines ihrer Tennisschuhe auf seinem Gesicht einbrachte. Den Rest der Nacht verbrachte er schmollend und leise lallend neben Rude. Clouds Blick ging immer wieder zur Theke, wo Tifa wie ein Wirbelwind Krüge entgegennahm und wieder austeilte. Sie fehlte ihm, das spürte er nun besonders. Die Zeit verging, und irgendwann leerte sich das Lokal. Die Gäste wankten heim, und Cloud gähnte heftig. Barret hatte die beiden Kinder schon längst zu Bett gebracht, bevor sie hier auf seinem Schoß eingeschlafen wären. Nur noch wenige Gäste waren außer ihnen hier und unterhielten sich leise. Reno lehnte an Rudes unerschütterlicher Schulter und schnarchte geräuschvoll. Cloud erhob sich von seinem Stuhl und ging zu Tifa, die gerade die Theke von Bier und anderem sauber wischte. Er stand ihr gegenüber und sah sie an. „Tifa.“ „Ja?“ erwiderte sie ohne mit dem Wischen aufzuhören. Cloud legte ihr seine Hand auf die ihre und stoppte sie damit. „Es genügt für heute.“ Sie sah ihn ernst an mit immer noch vor Energie strotzenden Augen. Dieses Lokal war ihr Leben, das wusste er. Momente später aber erlaubte sie der Müdigkeit, sich ihrer Miene zu bemächtigen. „Du hast wohl recht“, antwortete sie leise. Gemeinsam saßen sie auf dem Rand des Flachdaches. Der Aufgang lag immer noch in Trümmer, und nur eine notdürftige Plane würde fallenden Regen am Eintritt hindern. Am Horizont begrüßte die aufgehende Sonne den neuen Tag, und die letzten Sterne schwanden. Es war wunderschön. „Tifa?“ flüsterte er ihr ins Ohr, als sie so Arm in Arm dasaßen. „Ja?“ „Ich war ein Idiot. Die ganzen Jahre über.“ Sie lachte leise und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Nein. Du warst einfach Cloud Strife. Sonst nichts.“ Überrascht blickte er sie an. Sie nickte lächelnd. „Du warst der Cloud… den ich immer geliebt habe.“ Ihr Gesicht wurde ernst, und ihr Blick pendelte zwischen seinen makoblauen Augen. „Ich… liebe dich auch“, flüsterte er zurück, und ihre Lippen trafen sich im Licht der ersten Sonnenstrahlen. Barret, Vincent, Cid und Yuffie übernahmen das Aufräumen. Shera sah nach den Kindern, die allmählich wieder wach wurden. Reno torkelte durchs mittlerweile leere Lokal, und Rude bemühte sich, ihn an möglichen Unsinn zu hindern. Anne saß zusammengesunken auf einem Stuhl und schlief. Nach einer Weile gelang es Rude, die todmüde Anne und den völlig betrunkenen Reno in ein Taxi zu lotsen. Wortkarg wie immer verabschiedete er sich. Cloud lag eine Weile in seinem Bett, mit der schlafenden Tifa an seine Seite gekuschelt. Er selbst konnte nicht einschlafen. Trotz der durchwachten Nacht wollte sich kein Schlaf bei ihm einstellen. Und so betrachtete er Tifa, die an seiner Seite lag und lauschte dem stillen Rhythmus ihrer Atemzüge. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand und durch die Jalousien am Fenster des kleinen Raums hinein blinzelte, standen sie auf. Arm in Arm gingen sie zur Vordertür. Im Vorbeigehen blieben sie kurz stehen. Clouds Blick fiel auf das Meisterschwert, das wieder an seinem Platz in der Vitrine hing. Mehrere Momente des Gedenkens lang hing sein Blick an der schartigen, abgenutzten Waffe, die ihm soviel bedeutete. Er nickte ihr zu wie einem alten Freund, dann verließen sie das Lokal. Die anderen warteten schon auf sie, als sie ins Freie traten. Ebenso Nanaki und Shinaha. Cloud begrüßte sie erfreut. „Schade, dass ihr die Feier verpasst habt.“ Nanaki schüttelte seinen massigen Kopf, so dass sein schwarzes Haupthaar wippte. „Unsere Anwesenheit hätte vielleicht die Gäste verunsichert, nicht wahr, Shinaha?“ Seine neugewonnene Gefährtin mit dem selben feuerroten Fell nickte ihm zu. „Außerdem ist das Schild immer noch da…“, meinte er und deutete mit der Pfote auf den Eingangsbereich. Cloud sah sich verwirrt um, dann bemerkte er es. Eine kleine Metallplakette war am Türrahmen befestigt, so wie auch an vielen anderen Läden in Edge-City. Auf ihr stand: ‚Tiere müssen draußen bleiben.‘ Clouds Blick wurde verlegen, ebenso Tifas. Dann begannen Nanaki und Shinaha zu lachen. Ihre Erheiterung steckte an, und schon lachten alle. Die ‚Shera‘ parkte ein gutes Stück entfernt. Die kleine Gruppe aus einem dunkelhäutigen Riesen, einem mürrisch dreinschauenden Piloten mitsamt seiner Frau, einem Mann mit einem dunkelroten Umhang, dem eine junge Frau mit Stirnband nicht von der Seite weichen wollte, sowie einem illustren Paar mit feuerrotem Fell, einem Mann mit wirren, blonden Haaren und der Frau an seiner Seite, die er liebte- sie alle waren hier. Aus einem bestimmten Grund. Cloud hatte die Idee gehabt, und sie waren alle damit einverstanden gewesen. Noch vor einer Weile wäre ihnen der bloße Gedanke absurd vorgekommen- doch nun war er Wirklichkeit. Von der Anhöhe aus konnte man das alte Midgar gut überblicken. Hier und da zeigten sich grüne Kleckse in den hellgrauen, verwitterten Ruinen, wo die Natur ihr Reich langsam aber beharrlich zurückeroberte. An der Stelle, an der sie nun standen, hatte Cloud einst in einem Akt der Verzweiflung Zacks Meisterschwert in den kahlen Boden hinein gerammt und stehen lassen. Doch das war lange her. Nun standen hier zwei sorgfältig, aber schlicht behauene Steine. Ihre regelmäßigen Formen bildeten einen wohltuenden Kontrast zur wüsten Einöde um sie herum, und gleichsam bildeten sie einen Pol der Ruhe in der Wildnis um Midgar herum. Cloud ging nach vor, kniete sich hin und ließ seine Fingerspitzen über den linken der beiden Marmorsteine gleiten. Dabei bewegten sich seine Lippen und sprachen ein lautloses ‚Leb wohl‘. Dann traf sein Blick den rechten Stein, und auch hier sprach Dankbarkeit aus dem ernsten Blick seiner blauen Augen. Auf dem linken Stein stand eingraviert: ‚Aeris Gainsborough‘ Und auf dem rechten ‚Sephiroth Crescent‘. Und beide trugen den Schriftzug ‚In dankbarer Erinnerung‘. Dann erhob er sich wieder. Er blinzelte in die Sonne und schloss die Augen. Tränen liefen über sein Gesicht, wie er jetzt spürte. Als er die Augen wieder öffnete, sah er das weite Land vor sich, und in seiner Mitte die Stadt Midgar. Einen Moment glaubte er, einen geflügelten Drachen über den Himmel ziehen zu sehen. Doch als er blinzelte, war er wieder weg. Cloud wusste Bescheid. Und er lächelte. Leise knarrend öffnete sich die Tür in den 7.Himmel. Eine vermummte Gestalt, zur Gänze in rotes Tuch gehüllt, schlich hinein. Ihr folgte ein seltsamer Hund, der leise winselte. Die Gestalt schlich auf Zehenspitzen durch das Lokal, und der ‚Hund‘ folgte ihr. Vor einer gläsernen Vitrine blieb sie schließlich stehen. Hastig wandte sie sich um und versicherte sich der Tatsache, dass sie unbeobachtet waren. Dann streckte die mit bunten Verzierungen übersäte Gestalt die Hand nach dem Meisterschwert in der Vitrine aus. Seine farblosen Augen glühten dabei auf vor Habgier. „Oh ja… du wirst Gilgamesch gehören!“ ~ Ende ~ (kleiner Musiktipp für diese Stelle: ‚End Credits‘ vom Advent Children OST :D) Es ist geschafft. Ihr habt das Ende erreicht, und ich hoffe, die Lektüre hat euch ebenso viel Vergnügen bereitet wie mir das Schreiben. Und so möchte ich euch von ganzem Herzen für eure Ausdauer und eure Geduld danken. Diese Geschichte ist ‚Final Fantasy‘ gewidmet und allen, die diese Serie lieben und schätzen. Und somit wohl auch dir ;-) Ich möchte noch ein paar Personen erwähnen, die maßgeblich an der Verwirklichung dieses Projektes beteiligt waren, und sei es nur durch ihre Aufmunterungen und ihre Anregungen. Mein Dank gilt zuerst den aufmerksamen Kritikern, die mehr Anteil an der Entstehung hatten, als sie vielleicht selbst ahnen: Mazaru Fahnm Serith Ashelia Kiki004 Terazuma Inukin Danke für das Lob wie auch die Kritik. Besonders danken möchte ich auch dem ‘Phantom der Oper‘, das durch seine Anstöße einen bedeutenden Anteil an meiner literarischen Entwicklung hatte. Danke. Auch danke ich der ‚Shinra Electrical Power Company‘, ohne deren Strom mein Computer nicht funktioniert hätte ;-) Ich danke auch Square Enix, die Final Fantasy immer wieder neu erfinden. Ebenso danke ich Nobuo Uematsu, der die Welt mit seiner wundervollen Musik bereichert hat und sehr oft meine Inspiration mit seinen Klängen entflammen hat lassen. Und vor allem danke ich dir! 24.01.2008 ~ 17.06.2008 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)