La Résistance von Ravn ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ 1 Nachdem die Deutschen 1939 den Krieg begonnen und in die benachbarten Länder eingefallen waren, wie Heuschrecken in ein Maisfeld, bildeten sich in den besetzten Gebieten einzelne, zu Anfang kleine, Widerstandsbewegungen. Vor allem in Frankreich entstand eine Gruppe, die die Deutschen sabotierte wo sie nur konnten. Die Résistance. Sie stoppten Nachschublieferungen für die Deutschen, zerstörten Funkanlagen und verübten Anschläge auf Führungspersonen im dritten Reich. Durch geschickte Propaganda fanden sie bei der unterdrückten Bevölkerung schnell viele Fürsprecher und Unterstützung. Trotz ihrer vielen Erfolge lebten alle Mitglieder in ständiger Angst davor entdeckt und getötet zu werden, was auch das Todesurteil für ihre Familien war. Die Männer und Frauen, die für die Résistance diese gefährlichen Aufträge ausführten und auf den Fahndungslisten der SS standen, hatten meistens nichts mehr zu verlieren. Außer ihr Leben. Sie kämpften für ihre Freunde, für ihr Land aber niemals für sich selbst. Es waren Patrioten. Das mit Raureif überzogene Gras glitzerte schwach im Mondlicht. Die Luft stand still. Nirgends war etwas zu hören oder zu sehen. Die Fenster in dem kleinen Dorf waren dunkel. Über den weiten Feldern hing der Nebel und verlieh den Bäumen in einem nahen Waldstück ein geisterhaftes Aussehen. Obwohl alles ruhig war wälzte Manon sich unruhig in ihrem kleinen Bett umher. Sie konnte nicht schlafen. Irgendetwas hielt sie wach. Etwas störte sie. Nur wusste sie nicht zu sagen, was das war. Neben sich war das leise Atmen ihrer kleinen Schwester und ihres Älteren Bruders zu vernehmen und einen Raum weiter das laute Schnarchen ihres Vaters. All das störte sie normalerweise nie. Außer heute. Ihr war heiß, obwohl sie wusste das Minusgrade herrschten. Ihr Nachthemd war mit Schweiß durchtränkt und sie fühlte sich fiebrig. Manon war in den letzten Monaten, seid die Deutschen im Osten in Frankreich eingefallen waren, immer nervös und darauf gefasst gewesen, eines Tages Hakenkreuzflagen am Horizont zu sehen. Bis jetzt war das nicht geschehen, Gott allein wusste warum. Aber irgendetwas stimmt hier nicht!, dachte sie schwer atmend und drehte sich auf die Seite. Der Mond schien durch das Fenster und beleuchtete ihr Gesicht. Schweißperlen standen darauf und zogen schmalen bahnen über ihre Wange. „Ich halte das nicht aus!“, murmelte sie, schlug die Decke zurück und erhob sich. Sie ging durch den kurzen Flur, griff nach ihrem Mantel und öffnete die Haustür. Die kalte Luft schlug ihr leicht ins Gesicht. Manon genoss die Kälte und setzte sich auf die Bank. Das Dorf lag ruhig vor ihr. Kein Laut war zu hören, außer ihrem Atem, der in silbernen Wolken vor ihrem Gesicht schwebte. Verwundert zog sie die Stirn kraus, als sie meinte einen Schatten an einer Hausecke zu sehen. Als sie jedoch noch einmal hinsah war da nichts. Meine Nerven spielen verrückt!, dachte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Über ihr knarrte ein Dachbalken und dann meinte sie schnelle Schritte zu hören. Manon beugte sich leicht nach vorn und sah um die Ecke. Ein groß gewachsener Mann, gehüllt in einen schwarzen Mantel kam auf ihr Haus zu. Nein! Bitte nicht! Sie betete inständig, dass er sie nicht gesehen hatte, und schlich zurück nach drinnen, auf direktem Weg zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Leise beugte sie sich über ihren Vater, rüttelte an seiner Schulter und flüsterte: „Vater! Vater! Bitte wach auf!“ Müde schlug er ein Auge auf, grunzte verärgert und erwiderte: „Was ist denn los, Manon? Warum bist du so aufgeregt?“ „Bitte steh auf! Da ist ein Mann! Er sieht aus wie ein Deutscher!“ Augenblicklich war ihr Vater hellwach. „Geh und wecke die anderen! Ich wecke Mutter und sehe was er will.“ Sie nickte hastig und ging rasch in ihr Zimmer zurück. „Pierre! Michelle! Wacht auf!“ „Was ist denn los?“, murmelte Pierre schlaftrunken und setzte sich in seinem Bett auf. „Ein Deutscher! Zieh dich an, aber sei leise!“, drängte Manon und rüttelte auch ihre Schwester wach. Sie war gerade 10 Jahre alt und da ihre Eltern jeden Tag arbeiten mussten kümmerte sich Manon viel um sie. „Ein Deutscher?! Was will der denn hier?“, fragte Pierre. „Seid wann bist du so schwer von Begriff? Was werden die Deutschen wohl hier wollen, du Dummkopf?! Geh zu Vater und hilf ihm.“, entgegnete Manon. Sie nahm ihre Schwester auf den Arm und kehrte zu ihrer Mutter zurück. „Kommt her und seid leise!“, flüsterte sie und bedeutete ihnen ans Bett zu kommen. Sie kauerte sich unter das Fenster. Ihr Vater war direkt über ihnen. Mit einer Flinte in der Hand. Pierre erschien in der Tür und hielt eine Axt hoch. „Ist er noch da?“, fragte er. Manon´s Vater zuckte unsicher mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Ich sehe nichts. Bist du sicher, dass du ihn gesehen hast, Manon?“ „Ja, Vater. Er sah genauso aus, wie sie uns immer beschrieben wurden. Ein schwarzer Mantel und diese komische Mütze.“, erklärte sie rasch. Eine Weile sagte niemand etwas, dann geschahen sehr viele Dinge auf einmal. Das Glas zersplitterte und Manon´s Vater stürzte zu Boden. Dann traf ein schwerer Schlag die Eingangstür und ein zweiter Schuss streckte ihren Bruder nieder. Erschrocken schrie Michelle auf und versuchte unter das Bett zu kriechen. Manon warf sich herum und entging knapp einem weiteren Schuss, der sich nur Zentimeter neben ihrem Gesicht in den Fußboden bohrte. Nein, nein! Das darf doch nicht wahr sein! Bitte nicht! Sie sah wie dunkles Blut aus einer Wunde am Hals ihres Vaters sprudelte und wie ihr Bruder versuchte die Blutung an seinem Bauch zu stoppen. Sie kroch zu ihm hinüber, riss sein Hemd in Streifen und presste es auf seinen Bauch. „Bleib liegen!“, flüsterte sie, als ein weiterer Schlag die Tür traf und sie endgültig aus den Angeln hob. „Manon! Michelle! Flieht!“, rief ihre Mutter und schob Michelle auf die Tür zu. Manon erkannte, wie sinnlos es war jetzt anzufangen mit ihrer Mutter zu diskutieren und gehorchte. Im Boden ihres Zimmers war eine Luke eingelassen, unter der sich ein Hohlraum unter dem Haus befand. Michelle und sie stiegen hinab und krochen ein Stück von der Luke weg. Sie verhielten sich vollkommen ruhig und horchten auf die schweren Schritte über ihnen. Von den anderen Häusern drangen ebenfalls Schüsse und Schreie heran. Die Deutschen waren gekommen und hatten sich das Dorf wie ein stählerner Adler, der seine Beute mit der Fangklaue zerquetschte, in ihrem eisernen Griff. Über ihnen wurden einige Stimmen laut und Manon konnte ihre Mutter weinen hören. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen was nicht einmal einen Meter über ihren Köpfen geschah. Tränen rannen ihr über die mit Blut befleckten Wangen. Plötzlich fing ihre Mutter an zu schreien. Manon drückte ihrer Schwester die Hände auf die Ohren und versuchte selbst nicht hin zuhören. Mit einem peitschenden Knall erlosch der Schrei und damit auch das Leben ihrer Mutter. Haltlos zitternd sank Manon nach hinten und lehnte sich gegen die harte Erde. Michelle wippte schluchzend mit dem Oberkörper vor und zurück. Es war nichts zu hören. Offenbar waren die Deutschen aus ihrem Haus verschwunden. „Mutter und Vater sind tot, nicht wahr?“, fragte Michelle nach einigen Minuten. Manon war mehr als erstaunt darüber wie ruhig die Stimme ihrer kleinen Schwester war. Manon nickte, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob Michelle es sah. „Ja. Wahrscheinlich schon.“ „Dann..... dann sind wir jetzt alleine?“ „Ja.... wir müssen weg. Weit weg. Wo sie uns nicht finden. Nur weg von hier.“ Sie selbst hatte Schwierigkeiten nicht sofort wieder anzufangen zu weinen und ihrer Stimme einen einigermaßen kräftigen Klang zu verleihen. „Dann lass uns gehen, Schwester.“ Manon hatte bei weitem noch nicht ganz begriffen was in den letzten Minuten geschehen war und sie glaubte unter Schock zu stehen, denn nur das erlaubte ihr jetzt zu handeln. Sie nickte erneut. „Folge mir.“ Michelle griff nach ihrer Hand und zog sie durch den niedrigen Tunnel. Manon war verwirrt. Sie konnte sich nicht erklären woher ihre Schwester diese Kraft her nahm. Vor allem weil sie gerade fast jeden verloren hatte, den sie je geliebt hatte. Der Morgen graute bereits, als sie in einem nahen Waldstück aus dem Tunnel krochen und sich umsahen. Obwohl dichter Nebel herrschte sahen sie doch, dass einige der Häuser in lodernden Flammen standen. Wieder schossen Manon die Tränen in die Augen, als sie den dunklen Berg auf dem Dorfplatz sah. Sie wollte gar nicht genau wissen was dort lag, aber natürlich hatte sie nicht den geringsten Zweifel an ihrem Verdacht. Die Deutschen – diese Bestien! - hatten einen Großteil der Dorfbewohner ermordet und zu einem Leichenberg aufgetürmt. Manon drehte sich um und stapfte voller Trauer, Zorn und Hilflosigkeit tiefer in den Wald hinein. Michelle hatte Schwierigkeiten ihrer großen Schwester zu folgen. Aber lange konnten sie das Tempo nicht durchhalten. Die Sonne hatte kaum Kraft und leuchtete nur vereinzelt zwischen den dichten Ästen der Bäume hindurch. Der Boden war gefroren und nirgends war eine Spur von Leben zu entdecken. Manon war sich nicht sicher, ob sie verfolgt wurden, aber sie wollte nur so weit weg wie möglich. Als der Abend nahte sahen sie sich nach einem geeigneten Versteck für die Nacht um. Eine gut versteckte Höhle, die unterhalb einer kleinen Anhöhe lag war perfekt für die Beiden. Ein eisiger Wind wehte um die zwei, während sie emsig damit beschäftigt waren Äste von Tannen abzureissen, um die Kälte in der Höhle wenigstens ein wenig zu verdrängen. Sie beide froren erbärmlich. Manon und Michelle kuschelten sich eng aneinander und schließlich vollkommen erschöpft ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)