Kirika von -Leon- (Ein Schicksal zweier Lebewesen) ================================================================================ Kapitel 7: Der Friede und die Suche ----------------------------------- Zweite Chronik: Menschsein Die Jahre vergingen, und langsam wuchs ihrer beider Kind in seiner neuen Welt heran. Die Liebe und Zuneigung, welche ihm von seinen Eltern, insbesondere seiner Mutter, zuteil wurde, war etwas, dass sich wohl leider viele andere Kinder nur wünschen konnten. Auch seinem Namensgeber lernte es bald kennen, wenngleich Kirika damals natürlich noch zu jung war um die Ereignisse wirklich zu begreifen – den Grund weswegen er den Namen hatte den er hatte lernte Kirika erst viele Jahre nach seinem ersten Treffen mit den Bronzedrachen bewusst. Es waren glückliche Jahre für die beiden Eltern, wohl die glücklichsten in ihrem ganzen bisherigen Leben. Sie hatten ein gemeinsames Kind, ein Kind entstanden aus ihrer Liebe. Aus ihrem freien Willen, in Freiheit. Und so erreichte Kirika unter viel Pflege das Alter, in welchem er Dinge bewusst zu lernen begann, von sich aus wirklich versuchte sie zu erlernen, dazu in der Lage ist sich selbst auszudrücken. Kirika wuchs sehr nach seinem Vater auf, von seinem Aussehen glich er diesem zum verwechseln, wäre da nicht der gewaltige Altersunterschied gewesen. Seinen Charakter jedoch erbte er zu einem großen Teil von seiner Mutter – er war sehr still, genoss gerne einfach die Ruhe, die Geräusche der Natur. Nicht das er nicht sprechen konnte, er war durchaus sprachbegabt, meisterte die Sprache der Drachen bereits in einem sehr jungen Alter, doch zog Kirika es einfach vor nur zu sprechen wenn es notwendig war, nur wenn er gefragt wurde – wenn es möglich war, so antwortete er oft einfach nur mit schlichten Gesten wie Kopfnicken oder Schütteln. Der heranwachsende Junge war also vom Aussehen her der menschlichen Gestalt seines Namensgebers sehr ähnlich, doch vom Charakter selbst grundverschieden – denn der Bronzedrache war ein begeisterter Redner, sprach oft viel mehr als für ihn selbst gut war, wie Thessana und Densharr schon oft festgestellt hatten. Aber dies störte seine Eltern nicht, für sie war es vollkommen in Ordnung. Sie wollten ihrem Kind keine Vorschriften machen, wollten, dass Kirika sich entwickeln konnte wie er es selbst wollte. Und entwickeln wollte sich der Junge, auf seine Art und Weise. Oft saß er stundenlang vor den unterschiedlichsten Büchern, las diese ohne sich von ihnen abzuwenden oder auch nur ein Wort dabei zu sprechen, ohne sich von irgendjemanden vom Lesen abbringen lassend. Auch was ihm seine Eltern beibrachten verweigerte er nicht, von seiner Mutter lernte er das Kochen und die Arbeit im Haushalt, Dinge welche Kirika sehr gerne tat, von seinem Vater den Umgang mit den verschiedensten Waffen, wie man jagte und auf andere Weise Nahrung und dergleichen beschaffen konnte. Mit der Zeit wuchs Kirika zu einem jungen Mann heran, das Alter erreichend, welches seine Eltern damals gehabt hatten, als sie auf diese Insel gekommen waren. Deren Leben hatte damals erst wirklich begonnen, und so waren Thesanna und Densharr durchaus gespannt darauf, wie sich das Leben ihres Kindes von diesem Zeitpunkt an entwickeln würde. Aber was auch kommen sollte, sie waren fest entschlossen ihrem Kind zur Seite stehen, ihm zu helfen wo sie nur konnten – nicht wie ihre eigenen Eltern damals, welche ihnen alles verbieten und vorschreiben hatten wollen. Kirika hatte sich über die Jahre herausgeputzt, doch immer noch war er sehr wortkarg und pflegte auch keine ernsthaften Kontakte zu den anderen Kindern im Dorf. Oft war Kirika alleine im Wald unterwegs, öfter noch am Strand oder den Klippen. Er mochte das Meer, fand es beruhigend, angenehm. Manche seiner Wanderungen brachten ihn weit weg von seinem Heimatdorf, erstreckten sich über mehrere Tage hinweg. Dies waren Zeiten, in welchen er die Ruhe suchte, Zeit zum nachdenken brauchte. Doch dachte er niemals über etwas bestimmtes nach, er selbst wusste eigentlich gar nicht weswegen er solch lange einsame Ausflüge machte. Irgendwie hatte er das Gefühl als fehlte etwas, etwas in ihm, doch wusste er einfach nicht was. Er hatte, in seinen Augen, alles was man sich nur wünschen konnte. Ein gutes unbekümmertes Leben, liebevolle Eltern ... was sollte er mehr brauchen, es gab nichts, dass fehlte. Das Wetter, welches in den letzten Tagen herrlich gewesen war, begann einer starken Schlechtwetterfront zu weichen – dies war offensichtlich, für jeden der seinen Blick gen Himmel wandte und zumindest ein wenig Ahnung von dem Leben auf dieser Insel hatte, und so auch für den jungen Kirika, welcher wieder einmal auf einer seiner langen Wanderungen war. Umkehren hatte nur wenig Sinn, war er doch einige Tagesreisen von seinem Heimatdorf entfernt, zumal er noch nicht das Bedürftnis verspürte, wieder dorthin zurückzukehren. Nun, es war nicht sonderlich schlimm, musste er doch nur nach einem geeigneten Unterschlupf ausschau halten. In diesem Gebiet war er zwar erst selten gewesen, aber wie er wusste waren in dem Gebirge nahe am Wasser unzählige natürliche Höhlen. Er wanderte an den Klippen entlang, sein Blick immer wieder von dem noch ruhigem Meer zu den neben ihm liegenden Bergen schweifend, suchend nach einer Möglichkeit des Unterschlupfes. Aber wider Erwarten war keiner zu entdecken, das Unwetter jedoch unweigerlich immer näher kommend. Die Windstärke hatte bereits begonnen merklich zuzunehmen, und auch die Temperatur war bereits ein klein wenig abgefallen. Kirika begann sich ein wenig Sorgen zu machen, doch fern von Ernsthaften – er war zuversichtlich etwas zu finden, und selbst wenn nicht, so würde er es überleben, es wäre nur ein wenig unangenehm, mehr nicht. In der Tat fand er kurz darauf etwas, doch nicht aus der gesuchten oder gar erwarteten Kategorie, nicht einmal in der erwarteten Blickrichtung. Als er wieder einmal das immer unruhiger werdende Meer fasziniert beobachtete bemerkte er dort an den rauhen Klippen, etwa 20 Meter unter sich, den Körper einer Person. Es sah nicht so aus als würde sie noch am Leben sein, sofern dies auf diese Distanz zu beurteilen war. An und für sich war dies kein seltenes Bild, wurden doch immer wieder die Leichen von Schiffsbrüchigen hier an die Klippen geschwemmt – oder, in dem Fall, dass sie zu dem Zeitpunkt da sie die Klippen der Insel erreichten noch keine Leichen waren, wurden sie von den Klippen zu welchen gemacht, indem die Wellen deren Körper bestäntig gegen den unnachgiebigen Stein schleuderten. Aufgrund dieser und noch einiger weiterer Tatsachen, wie beispielweise dem herrannahendem Sturm, sagte all das logische Denken Kirika´s, dass er einfach weitergehen sollte, den Körper dort unten einfach lassen sollte wo er war. Er wollte weitergehen, machte einige Schritte, bevor er sich an den Kopf fasste, diesen abfällig über sich selbst schüttelte und sich daran machte die steilen Klippen hinunter zu klettern. Es war kein leichter Abstieg, in der Tat sogar sehr gefährlich. Der Stein war nass und der starke Wind machte das Unterfangen auch nicht leichter. Aber trotz aller Widrigkeiten schaffte der Junge den Abstieg, erreichte den Körper, welchen er von oben gesehen hatte. Es war der einer Frau, eines Mädchens, und schien in gutem Zustand zu sein – nicht zertrümmert von den Klippen und Wellen. Vorsichtig fasste er ihr an den Hals, fühlte einen sehr schwachen, doch noch vorhandenen, Puls. Sie war am Leben, noch zumindest, denn wenn er sie nicht rechtzeitig vor der Ankunft des eigentlichen Sturmes hier wegbrachte, so wäre nicht nur sie, sondern auch er bald nicht mehr im Reich der Lebenden. In diesem Moment durchstieß der erste Blitzschlag den Himmel, Donnergrollen erfüllte die Luft. Mit rasanter Geschwindigkeit nahm die Intensität der Wellen zu, sie peitschten gegen die Klippen, als wollten sie diese zum Einsturz bringen. Nur unter größten Anstrengungen schaffte Kirika es, sich selbst und das unbekannte Mädchen wieder hinauf auf die Insel zu bringen, zwei Mal bei diesem Versuch den Halt verlierend und um ein Haar in die tobenden Wogen des Meeres stürzend. Regen hatte eingesetzt, durchnässte den Jungen binnen kürzester Zeit bis auf die Haut. Aber trotzdem gab er nicht auf, dass Mädchen weiterhin zu tragen, sah sich hektisch nach einer Möglichkeit des Unterschlupfes für sie um, denn im Moment waren sie dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Es war, ironischer Weise, ein Blitz, welcher schlussendlich eine Höhle nahe ihrer Position enthüllte, in welcher die beiden, das Mädchen immer noch ohne Bewusstsein, Schutz finden konnten. Vollkommen am Ende seiner Kräfte lies Kirika sich an einer der Wände niedersinken, das Mädchen vorsichtig neben sich ablegend. Aufgrund seiner Erschöpfung dauerte es eine kleine Weile, bis er überhaupt die Kälte, welche in seinem durchnässten Körper vorherrschte, bemerkte. Er blickte zu dem Mädchen und bemerkte, dass auch sie am ganzen Körper zitterte. Seufzend blickte er sich in der dunkeln Höhle um, doch wusste er bereits, dass er hier kein brennbares Material finden würde – und all das Holz außerhalb der Höhle war bereits zum derzeitigen Zeitpunkt zu nass um als Feuerholz verwendet werden zu können. Abermals sah er zu dem Mädchen, berührte mit seiner Hand sanft ihren Körper. Ihm selbst war aufgrund der Nässe kalt, doch im Vergleich zu ihr, war sein Körper extrem warm. Wieder stieß Kirika ein tiefes Seufzten aus, bevor er sich seiner nassen Kleidung entledigte, und bei ihr, so ungerne er dies auch machte, selbiges tat – würden sie ihre nasse Kleidung anbehalten, würden sie sich am Ende beide noch eine heillose Unterkühlung zuziehen. Dies getan, etwas tiefer in der Höhle wo die Lichtverhältnisse nicht so gut waren, zog er ihren Körper nahe an den seinigen, aufdass er sie mit seiner Körperwärme so gut es ging auch aufwärmte. Und so, in dieser Position, wurden langsam aber sicher die Augenlieder des Jungen schwer, schwer von den Anstrengungen des Tages, und bald waren sie tief und fest geschlossen. Ein angenehmes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Wärme, die Nähe einer Person. Sie schmiegte sich an ihn, an seinen Körper. Für einige Augenblicke genoss Kirika dies einfach nur, das Gefühl, den Frieden, die Ruhe – doch dann fielen ihm mit einem Mal wieder die Ereignisse des letzten Tages ein. Reflexartig riss er seine Augen auf und blickte an sich herab. Da war sie, das Mädchen, welches er am gestrigen Tage vor den Wogen des Meeres gerettet hatte. Sie schien noch immer nicht wach, offensichtlich war sie direkt von ihrer Bewusstlosigkeit in einen festen Schlaf gefallen, zog sich jedoch trotzdem von sich aus eng an ihn heran. Er konnte ein genüssliches Seufzten von ihr vernehmen, als sie sich enger an ihn heranschmiegte, fast als wäre sie eine Katze oder dergleichen. Eine seltsame Situation, eine seltsame Position, in welcher er sich befand, zumindest empfand er dies so. Sein erster Gedanke war sich ihr zu entziehen, und wenn es nur war um ihr und auch sich die hoffentlich getrockneten Kleider wieder anzuziehen, doch sie verhinderte diesen Versuch unbewusst indem sie im Schlaf nach ihm griff und sich weiter an ihn heranzuog. Ihm blieb wohl nur sanfte Gewalt um sich zu befreien, doch als er sie, ihr friedliches schlafendes Gesicht, anblickte, konnte er es nicht übers Herz bringen, und so verweilte er wo er war – nach einer Weile begannen sich auch seine anfänglichen Verspannungen zu lösen. Sie war süß, wirklich sehr hübsch, wie Kirika feststellte, als er das immer noch schlafende Mädchen betrachtete. Bevor er es selbst realisierte strich er ihr sanft durch das helle Haar, strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht heraus. Es war ein angenehmes Gefühl und auch dem Mädchen schien es ihrem Gesichtausdruck nach, und insbesondere dem entspannten Seufzten, nicht zu missfallen. Die Frage, worüber sie wohl gerade träumte, schlich sich in Kirika´s Kopf hinein, während er seinen Blick auf das bildhübsche Mädchen gerichtet hatte, aber noch bevor er sich wirkliche Gedanken über diese Frage machen konnte, begann sie verschlafen ihre Augen zu öffnen. Zuerst schien sie nicht wirklich irgendetwas mitzubekommen, sich immer noch halb in ihren Träumen befindend, doch es dauerte nur wenige Augenblicke bis das Mädchen bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Die Person, der sie unbewusst in die Augen sah, die Nähe zu dieser, das Gefühl von Haut auf Haut – Kirika konnte förmlich ihre Gedankengänge an ihrem sich rasant verändernden Gesichtsausdruck ablesen. Schnell setzte er zu einer Erklärung, einer Entschuldigung, an, doch das Mädchen lies ihm nicht genügend Zeit um diese vorzubringen. Mit einem leichten Aufschrei sties sie sich von dem Jungen ab, verdeckte so weit dies möglich war mit ihren Händen ihren entblösten Oberkörper und wandte zudem Kirika den Rücken zu. Es dauerte eine ganze Weile und benötigte viele Worte bis Kirika das Mädchen über die Situation aufgeklärt hatte – und insbesondere bis sie ihm glaubte, dass er wirklich nichts getan und die Sache mit der Kleidung notwendig gewesen war. Nun, letzteres Thema wurde genauer ausgedrückt zu diesem Zeitpunkt eher pausiert, und zwar durch das Magengrollen des Mädchens – etwas, dass ihr deutlich unangenehm war, wohl fast mehr noch als die Tatsache, dass sie immer noch mit dem Rücken zueinander nackt dasaßen. Der Sturm draußen tobte immer noch mit unverminderter Stärke, und es hatte nicht den Anschein, als würde dieser bald ein Ende nehmen. Glücklicherweise war es, zumindest im Moment, nicht notwenig die Höhle zu verlassen, hatte Kirika doch in seiner Wandertasche zumindest noch eine Kleinigkeit zu essen dabei. So erhob er sich und holte die Nahrung aus seinem Gepäck, wobei er feststellen musste, dass ihrer beider Kleidung immer noch zu nass zum tragen war – kein Wunder, bei der durch den Sturm herrschenden Luftfeuchtigkeit. Trotzdem, zumindest sein robenartiger Umgang war soweit getrocknet, dass man ihn zumindest verwenden konnte um sich damit zu bedecken, und so brachte er Nahrung und Umhang mit und übergab beide dem fremden Mädchen – es war schwierig zu sagen, worüber sie sich mehr freute. Ab diesem Zeitpunkt nahmen ihre Gespräche normalerere Züge an, wenngleich deutlich war, dass die ganze Situation, und vor allem die Art auf die sie die letzte Nacht verbracht hatten, dem Mädchen unangenehm waren. Hauptsächlich sprach der sonst wortkarge Kirika, über sich selbst oder sonstige belanglose Dinge, das Mädchen stellte ab und zu Fragen oder lauschte einfach nur schweigend, von sich selbst erzählte es nichts, nicht über ihre Vergangenheit, verriet ihm nicht einmal ihren Namen – nicht das Kirika sie danach gefragt hätte. Bald kam die Nacht, und immer noch hielt das Unwetter sie in der Höhle ohne Feuer oder sonstige Annehmlichkeiten gefangen. Sie beide legten sich schlafen, an der jeweils anderen Wand der Höhle. Es war kalt, der Stein, die Feuchtigkeit der Luft – immer noch war ihre Kleidung nicht getrocknet. Kirika hatte dem Mädchen seinen Umhang zum schlafen überlassen, wenngleich dieser wohl eher zum Schutz vor ihrer Blöse wie zum wärmen dienlich war, denn er war alles andere als warm und dick. Der Junge versuchte trotz des harten und kalten Bodens zu schlafen, doch musste er bald feststellen, dass er am ganzen Körper zitterte. Er wusste nicht wie lange er bereits dalag, zu schlafen versuchte, als er unvermittelt etwas sanftes weiches an seinem Rücken spürte, ein Stück Stoff über seinen Körper geschlagen wurde. Er öffnete die Augen, obwohl er wusste, dass er außer Dunkelheit nichts sehen würden, obwohl er ohnehin wusste, was gerade geschah. Mit einer schüchternen Stimme bat das Mädchen ihn, sich nicht umzudrehen, sich ihr nicht zu entziehen. Er konnte deutlich am Zittern ihres Körpers, sogar an ihrer Stimme, bemerken, dass auch sie fror. Und so verbrachten sie eine weitere Nacht eng aneinander geschmiegt, diesmal jedoch sie ihn in den Armen haltend, sie von sich aus ihren Körper an den Seinigen ziehend. Als Kirika am nächsten Morgen wieder erwachte wurde er im von Sonnenstrahlen, welchen ihren Weg in die Höhle gefunden hatten, und von Vogelgezwitscher begrüßt. Der Sturm hatte sich über die Nacht hinweg gelegt wie es schien, war bezauberndem Wetter gewichen. Bezauberndes Wetter, doch unfähig mit der Schönheit des Mädchens, welches immer noch friedlich eng an ihn gedrückt schlief, mithalten zu können. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Gesichtszüge, während er ohne es selbst zu bemerken ihrer gestrigen Anweisung zuwider handelte, sich zu ihr umwandte und vorsichtig das zersauste Haar aus ihrem Gesicht striff. Nicht lange blieb ihm jedoch dieser friedliche, wunderhübsche Anblick, denn schon bald öffnete das Mädchen verschlafen wie am Tag zuvor ihre Augen. Abermals schrak sie zurück, zog den Umhang dicht an ihren Körper heran um diesen zu bedecken, doch wandte sie sich diesmal nicht von ihm ab. Statt dessen brauchte sie offensichtlich einige Momente um sich wieder daran zu erinnern, was letzten Abend geschehen war. Momente die ohne ein Wort verstrichen, bevor sie sich vielmals hektisch bei ihm für das gestern Abend geschehene zu entschludigen begann, selbst hochrot im Gesicht seiend. Auch Kirika´s Worte, dass es in Ordnung sei, dass das wirklich nichts Schlimmes, in der herrschenden Situation sogar mehr als nur verständlich, war, halfen nichts, um ihren offensichtlichen Schuldgefühlen ein Ende zu bereiten, oder diese auch nur zu mildern. Ihre Kleidung war endlich weit genug getrocknet um sie wieder tragen zu können, und so konnten sie sich endlich halbwegs normal begegnen, wenngleich immer noch die letzten beiden Nächte mehr als nur deutlich im Hinterkopf beider vorhanden waren. Da sich das Wetter wieder normalisiert hatte, konnte sich Kirika auch endlich auf den Weg nach Hause machen, schließlich machten sich seine Eltern vermutlich langsam Sorgen wenn er nicht bald zurückkehrte. Aber gerade als er gehen wollte, wurde sein rechter Arm von hinten erfasst, erfasst von dem Mädchen, welches ihm seit zwei Nächten Gesellschaft leistete. So lange sie auch brauchte um es zu artikulieren, sie wollte nicht, dass er ging, sie hier alleine zurücklies. Diese Reaktion wunderte Kirika sehr, war er doch in dem letzten Tag zu der Annahme gekommen, dass sie auch von dieser Insel war da sie Drakonisch problemlos verstand und selbst sprechen konnte, eine Sprache, welche soweit er wusste auf den anderen Kontinenten nicht allzuweit verbreitet war unter Nichtdrachen. Aber ihr flehender Blick hielt ihn davon ab zu widersprechen, ihren Worten nicht folge zu leisten. Es war ohnehin nicht so, als mochte er sie oder ihre Anwesenheit nicht – nur war es irgendwie einfach seltsam nun noch länger beieinander zu bleiben, wieder einmal besonders im Rückblick auf die letzten beiden Nächte. Aber dem Mädchen schien es wichtig, wichtiger als alles andere, dass er zumindest noch ein wenig bei ihr blieb und so leistete er ihrer Bitte mit einem leichten Lächeln folge. Sie blieben in der Höhle, ein beständiges kleines Feuer Wärme und Licht spendend, und Kirika sorgte mit der Jagd auf Kleingetier für etwas Essen – wie sich herrausstellte aß das Mädchen mit dem größten Appetit alles was er ihr gab, wenngleich sie bereits von vergleichsweise kleinen Mahlzeiten immer bereits satt war. Das Mädchen verbrachte fast die ganze Zeit über in der Höhle, wartete dort geduldig während der Junge auf Nahrungssuche war, fast als hätte sie Angst davor die schützenden Wände zu verlassen. Einen großen Teil der Zeit verbrachten die beiden mit reden, oder eher Kirika, denn weiterhin sprach das Mädchen nur wenig, schien allerdings sehr interessiert an jedem seiner Erlebnisse und jeder seiner Geschichten zu sein. Als schließlich der Abend des ersten Tages herreinbrach saßen sie gemeinsam schweigend am Lagerfeuer, ihre Blicke auf das sich vor der Höhle erstreckende weite Meer und dem sternenklaren Himmel gerichtet. Alles war so friedlich, schien so natürlich, fast wie wenn sie sich bereits jahrelang kennen würden. Da war dieses Gefühl der Vertrautheit, welches Kirika umschloss und nicht mehr loslassen wollte. Es war ein angenehmes Gefühl, ein Gefühl, welches der Junge noch niemals zuvor gespürt hatte, ein Gefühl, welches stärker wurde wann auch immer er seinen Blick zu dem schweigsamen Mädchen wandern lies. Der Mond stand bereits hoch am Himmel, seit Stunden saßen sie einfach nur friedlich nebeneinander und genossendas Bild und die leisen Geräusche der Natur. Keiner der beiden hatte auch nur ein Wort bezüglich einer Nachtruhe verloren, keiner von ihnen dachte daran. Es war das Mädchen, welches ohne jede Vorwarnung die Ruhe durchbrach. Sie stellte Kirika eine Frage, fragte ob er wüsste wie es wäre wirklich fliegen zu können, wirklich frei zu sein, frei zu tun und lassen was man selbst wollte, ohne auf den Rest der Welt achten zu müssen – ob es möglich sei seinem eigenen Schicksal zu entkommen. Kirika, erstaunt über diese plötzliche Frage, noch dazu über eine dieser Art, wusste anfänglich nichts zu antworten – doch kam die Frage ihm irgendwie sehr bekannt vor, wie wenn es eine Frage wäre, auf welche er selbst eine Antwort suchte. Und genau dies antwortete er schließlich auch, dass er es nicht wusste, aber unbewusst wohl selbst schon immer nach der Antwort auf diese Frage gesucht hatte. Sicherlich, er war eigentlich frei zu tun und zu lassen was er wollte, seine Eltern liesen ihm jede Freiheit die er wollte – doch trotzdem, irgendwie, fühlte er sich nicht, als wäre er wirklich frei, als ob er wirklich all das machen konnte was er wollte. Langsam nickte sie, sagte, dass sie dies auch tat – dass sie von Herzen hoffte, dass es eine positive Antwort auf diese Frage, Fragen, gäbe. Und dann küsste sie ihn. Ohne jede Vorwarnung, ohne zuvor auch nur ein einziges Anzeichen dafür gezeigt zu haben, ohne einen Moment zu zögern. Das Mädchen küsste den Jungen, ihre Lippen so unendlich sanft wie eine Engelsfeder. Im ersten Moment wusste der Junge nicht, was er mit diesem unerwarteten Empfinden anfangen sollte, wie er reagieren sollte, doch dann schloss er einfach seine Augen und genoss das Gefühl ihrer Lippen auf den Seinigen – lies den Dingen ihren natürlichen Lauf. Sie gaben sich einander vollkommen hin, geistig wie auch körperlich, zwei Personen, die sich erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal getroffen hatten. In diesem Moment wussten sie, dass sie vielleicht nicht gefunden hatten, was sie gesucht hatten, doch trotzdem etwas, dass weit wichtiger als alles andere war. Als Kirika am nächsten Morgen erwachte, war das Mädchen bereits wach, lag eng an ihn geschmiegt, Körper an Körper. Diesmal war sie es, welche Haarsträhnen sanft aus seinem Gesicht strich. Ihr sanfter Gesichtsausdruck war schöner als die aufgehende Sonne. Mit leiser Stimme flüsterte sie ihm zu, dass sie ihn liebte, sie ihn liebte und es ihr leid tat. Mit diesen Worten küsste sie ihn ein weiteres Mal sanft auf die Lippen, und Kirika wusste, dass er das gefunden hatte was ihm gefehlt hatte ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)