Metamorphosis into Immortality von RinRin (A Vampire's Tale I) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog Wir sind fantastische Wesen von bleichem Äußeren, übermenschlicher Stärke, Schnelligkeit und Fähigkeiten, und bedeutender Anziehungskraft auf jeden, wie wir es wünschten. Wir sind Gestalten, die ich selbst nur aus Legenden kannte. Aber mir wurde es beigebracht, dass wirklich nur das ist, woran wir selbst glauben - und ich lernte an Untote zu glauben. Spätestens als ich selbst dieses Schicksal erfuhr, wusste ich, was es hieß, ein solcher zu sein. Wir sind Unsterbliche, gefangen in der Ewigkeit. Sie ist ein trostloser Kreislauf für uns, kein Anfang und kein Ende. Immer wieder wiederholt sich alles irgendwann von vorne. Es gibt keine Freude, kein Schmerz. Es gibt nur die Ewigkeit. Und wir werden niemals frei von diesen Ketten, mit denen sie uns gefangen hält. Uns umgibt immer diese Stille. In uns tobt die Qual, lodert immer höher und höher wie die Flammen eines Feuers. Wir ernähren uns von Blut, sind immer hungrig auf Verbrechen, sehnen uns nach diesem roten Gesöff. Wir leben im Grunde nur für diese eine Gier, denn der Hunger nach ihr hört nie auf. Die Gier ist die einzig wahre Macht, die uns regiert. Sie ist schändlich und unendlich, uns verzehrend und uns zerstörend. Sie ist unstillbar. Doch wir leben noch für eine andere Gier. Es zieht uns immer näher zur Sonne, doch im Grunde fürchten wir das Licht, das uns irgendwann brennen lassen, das unser Dasein nur noch in Asche und Staub verwandeln konnte. Das Einzige, was uns bleibt, ist die Dunkelheit, die Nacht. Und doch wusste ich in Gedanken, es gab nur eines, was wir befolgen mussten, oder es zumindest versuchen sollten, auch wenn es noch so schwer war. Wir hatten uns dafür entschieden, dieses Leben zu führen. Und wie jede Entscheidung musste auch diese von uns akzeptiert werden: Der Nacht vertrauen, indem wir geschehen ließen, was bestimmt war. Die Nacht fühlen, indem wir in dieses Meer des Nichts eintauchten. Die Nacht war das Einzige, was eine Seele wirklich retten konnte. Als Menschen glaubten wir immer, es würde eines Tages besser werden, aber es war eine Lüge, ein Wunsch, ein Traum, weswegen wir soviel Leid in Kauf nahmen. Und doch konnte uns der Tag, mochte er auch noch so viel Macht haben, im Grunde nie glücklich machen. Um zu leben, musste man vielleicht doch sterben. Diese Gedanken mussten allen gemein sein, die dieses Schicksal für sich aussuchten. Sie hatten es gewagt, in die Dunkelheit einzutauchen. So wie ich es einst tat. Und heute waren wir nur noch eines… Vampire. Und die Wahrheit war im Grunde das reinste Lügengewebe. Denn die Realität war so vollkommen unterschiedlich zu den Gedanken darum. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Soi, das war also der Prolog zu meiner neuen Story. Hierzu muss ich auch noch sagen, dass ich mich für den viel von den Texten zum Musical Tanz der Vampire hab inspirieren lassen. Deshalb kann man zumindest das erste Kapitel auch gern als Songfic bezeichnen.. Wie auch immer, ich hoff der erste Teil gefällt euch. xD Mata ne RinRin Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Soi, hier gibts schon das erste Kapitel. ^^ Ich wünsch euch viel Spaß dabei. mata ne Rin ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 1 Ich beobachtete ihn schon eine ganze Weile, tag ein, tag aus. Er war ein unscheinbarer Junge und doch faszinierte er mich. Er war kein Kind mehr, aber auch nicht so erwachsen, um ihn so nennen zu können. Er hatte schwarzes Haar, so dunkel wie die Nacht und bei Tageslicht so schimmernd und leuchtend, wie ein See in der Nacht unter Mondlicht. Seine braunen Augen konnten so eindringende Blicke auf jeden werfen, den er ansah. Ich selbst konnte, durfte dies bisher nicht selbst erfahren, aber ich spürte es durch andere und konnte es trotz der Entfernung, die ich immer einhielt, zumindest erahnen. Sein ganzer Körper wirkte so scheinbar unschuldig. Er war nicht allzu groß, auf jeden Fall kleiner als ich, aber gut gebaut, dennoch auch wieder zierlicher. Seine Haut musste so sanft sein. Ich wusste das auch nicht, konnte es wiederum nur erahnen. Und er hatte so viel Kummer und Sorgen, die nicht mehr zu beschreiben waren, die ich nicht einmal selbst so genau erfahren konnte, die ihn innerlich zu zerreißen drohten. Er kämpfte jeden Tag aufs Neue damit, auch wenn er schon lange nicht mehr wusste, wieso überhaupt. Er versuchte es einfach tapfer zu ertragen, auf seine ganz spezielle Weise, die ich nur zu deutlich erkennen konnte. Ich sah diese feinen Narben an seinen Handgelenken und ich konnte ihn ein einziges mal dabei beobachten, wie er sich verletzte. Ich spürte diesen Schmerz, den er litt, selbst so stechend in meinem Kopf. Alles in allem faszinierte er mich einfach. Ich konnte nicht einmal sagen, was genau und vor allem warum. Es war einfach so: seitdem ich seine Anwesenheit, seine Gedanken und Gefühle das erste Mal spürte, war ich wie magisch angezogen von ihm. Er war auch nicht das, was ich selbst war, ein Vampir, sonst hätte ich mir alles wohl leicht erklären können. Er war ein gewöhnlicher Mensch. Jeden anderen hätte ich wohl sofort als mein nächstes Opfer ausgewählt, damit ich das Blut desjenigen, der mich so in seinen Bann zog, in meinen eigenen Adern spüren, mich davon stärken konnte. Oder ich hätte ihn gar auch schon als meinen neuen Gefährten auserkoren. Das Leben als Unsterblicher, als zu ewigem Leben Verdammter konnte schließlich so einsam sein. Und eine solch faszinierende Gesellschaft würde vieles erträglicher machen. Aber was ich auch tun wollte, es erschien mir zu falsch, zu egoistisch in Anbetracht der Tatsache, dass ich damit nur mein eigenes Dasein verbessern wollte: Trotz dieser vielen Probleme, die ihn innerlich zerbrachen, war er nun mal doch noch ein Mensch und sein Leben mit seiner ganzer Faszination zu wertvoll. Es wäre zu schade, ihn einfach verschwinden zu lassen, auszulöschen, wie ich es sonst immer zu tun pflegte, um meine Spuren zu verwischen. Andererseits war er auch viel zu sehr Kind, um in das verwandelt zu werden, was mich selbst so viele Tage gequält hatte, es heute noch tat. Natürlich würden für ihn mit einer Verwandlung die Probleme belanglos werden, oder zumindest nicht mehr Teil seines täglichen Lebens, es würde einfach auch erträglicher für ihn werden. Aber der Preis dafür wäre so unbeschreiblich hoch. Ich wüsste nicht, wie er eine solche Verwandlung durchstehen sollte, wie und ob er mit seinem von mir neu verliehenen Schicksal leben konnte. Ich erinnerte mich schließlich noch fast bis ins kleinste Detail an meine eigene: Mir wurde damals keine Wahl gelassen und ebenso wenig wählte mein Schöpfer sich eine von mehreren Möglichkeiten aus. Er tat es einfach. Und seitdem haderte ich viel zu oft mit meinem Schicksal, auch wenn ich wusste, dass ich nichts daran ändern konnte, mich im Gegenteil eher darauf einlassen sollte. Aber genau das zu tun, war schwer - sehr schwer. Ich hatte es mir bis heute immer wieder verboten, jemandem dieses gleiche Schicksal wie mir zu bescheren. Zumindest schwor ich mir immer wieder, es selbst niemals genauso zu machen, wie er es damals tat. Ich wollte immer die Wahl lassen, ob jemand zu dem Gleichen wie ich werden wollte. Aber bevor ich andere vor diese Wahl stellen konnte, musste mir selbst erst einmal klar werden, was ich wollte. Bis heute musste ich mich noch nie mit diesen Gedanken beschäftigen. Natürlich hatte ich viele Persönlichkeiten, wenn auch meistens nur flüchtig, kennen gelernt, doch keine war so voll Faszination wie dieser Junge und hatte mir so deutlich vor Augen geführt, dass ich meiner Einsamkeit überdrüssig war. Nun wurde es also langsam Zeit, mich zu entscheiden, ob ich ihn als meinen Gefährten wollte, ob ich überhaupt meine Einsamkeit wirklich hinter mir lassen wollte, ob ich die Verantwortung als Schöpfer eines Vampirs tragen konnte. Was mich dann noch genauso beschäftigte und nur umso drängender vor Augen hielt, war die Tatsache, dass ich ohnehin nicht mehr an diesem Ort verweilen konnte und wollte. Zumindest konnte ich es nicht mehr lange, bis immer mehr Aufmerksamkeit auf mich gelenkt war. Der Junge lebte zwar am Rande eines kleineren Vorort einer größeren Stadt, in der Anonymität und Tod täglich an der Tagesordnung standen, doch früher oder später würden dennoch immer mehr Fragen und Besorgnis auftreten, wenn noch mehr Menschen verschwanden oder starben. Außerdem konnte ich nicht allzu lange ohne frisches Blut überleben, wenn ich, um diesem Problem zu entgehen, einfach keine Menschen mehr tötete. Und noch ein weiterer, im Vergleich zu dem eher belangloser Grund war die Tatsache, dass ich es in dieser fast zerfallenen einsamen Waldhütte, die ich als Versteck ausgesucht hatte, auch nicht mehr lange aushalten konnte. Sie bot zwar immer noch einigermaßen Schutz vor den so für mich schädlichen, auf Dauer sogar tödlichen Sonnenstrahlen, aber sie war doch nur eine Notlösung, als ich beschlossen hatte, noch etwas länger in der Nähe des Jungen zu sein. Mittlerweile sehnte sich mein Körper aber schon so sehr nach meinem Heim, nach meinem kühlen Sarg, dieser gewohnten Umgebung. Auch heute war es wieder so: Kaum war ich mit Anbruch der Nacht aufgewacht, fühlte mein ganzer Körper sich so warm an, beinahe schon so wie bei einem gewöhnlichen Menschen. Ich hasste es, so aufzuwachen. Ich mochte die Kälte viel lieber, einen Schlaf in ihren eisigen Armen. Es war eben typisch Vampir: Die Sonne konnte, durfte ich niemals wieder lange genießen, also zog es mich zur Kälte hin. Und dies war gleichbedeutend mit dem Verlangen, wieder in mein Zuhause zu wollen. Ich musste unwillkürlich schmunzeln, als ich bemerkte, wie weit meine Gedanken von dem Jungen abgedriftet waren, während ich so unter einem großen und alten Baum stand, durch sein Blätterdach in den Himmel starrte. Dann schüttelte ich den Kopf und vertrieb sie wieder, konzentrierte mich weiter auf den Weg durch den Wald zu dem Grundstück, auf dem der Junge lebte. Schon als ich noch in guter Entfernung dank meiner Kräfte bereits die ersten Lichter des ganzen Dorfes sehen konnte, ich einen Weg in seine Gedanken suchte, durchzuckte mich sofort ein so vertraut gewordener Schmerz. Mir war sofort klar, woher dieser gekommen war: Er versuchte es also erneut, seinen Schmerzen Ausdruck zu verleihen, ihnen zu entfliehen, indem er sich selbst verletzte, versuchte zu sterben. Mein eigener Körper wand sich unter diesem plötzlichen Einfluss, zitterte leicht und verdeutlichte mir so noch mehr meine eigene Schwäche. Ich hatte schon seit zwei Tagen kein Blut mehr bekommen und da war es auch noch viel zu wenig gewesen. Ich schüttelte erneut den Kopf, konzentrierte mich ganz auf meinen Körper und brachte ihn wieder unter Kontrolle. Denn nun irgendetwas bereuen brachte mich nicht weiter. Im selben Moment fasste ich dann den Entschluss, dass ich mich dem Jungen zeigen wollte und mit ihm reden musste. Ich konnte und wollte es nicht mehr ertragen, dass er sich selbst so leiden ließ. Wenn es sonst schon keiner merkte, was er tat und ihn davon abhielt, tat ich es nur zu gerne. Ich streifte mir meinen langen schwarzen Mantel wieder über die Schultern, zog dessen Kapuze weit in mein Gesicht und machte mich auf den Weg, das letzte Stück Distanz zu dem Jungen hinter mich zu bringen. Als ich schließlich auf das Gelände kam, es war bereits nach Mitternacht, verließ ich mich ganz auf meine Sinne, ihn zu finden und hatte auch schnell Erfolg. Er saß in einer der hintersten Ecken einer alten, nicht mehr wirklich genutzten Halle, in der nur noch einige alte Maschinen herumstanden. Die kleine Rasierklinge blitzte trotz der Dunkelheit bedrohlich und ich konnte das Blut, das an ihr klebte deutlich sehen - und riechen. Er selbst war bereits so benommen und in seinen Gedanken versunken, wie in seiner eigenen kleinen Welt, dass er meine Anwesenheit nicht merkte, selbst als uns nur noch ein dünnes brusthohes Holzbrett, das aufrecht an eine Säule gelehnt war, trennte. “Junge… leg die Klinge weg…”, hauchte ich leise in die Dunkelheit. Ich kam mir irgendwie so erbärmlich vor, dass ich nicht einmal seinen Namen wusste, obwohl ich ihn schon so lange beobachtete. Wie erwartet zuckte er sofort erschrocken zusammen und drehte sich schlagartig um. Er zitterte am ganzen Körper - ich konnte nicht ausmachen, ob vor Angst oder wegen seiner Wunden -, hielt die Klinge aber fest umschlossen in seinen blutigen Händen, sah sie als seine einzige, kleine Hoffnung an. “Sssht… Keine Angst…”, sprach ich leise weiter, hob abwehrend meine Arme. “Ich werde dir nichts tun.” Trotzdem ich ihn so versuchte zu beruhigen, sah er mich immer noch angsterfüllt an. Ich konnte die Angst förmlich spüren, hörte seine wirren Gedanken in meinem Kopf, in denen er nicht wusste, ob er versuchen sollte einfach wegzurennen, oder mit der Klinge auf mich loszugehen. Ich konnte es ihm irgendwie auch nicht verdenken, so lange mein eigenes Gesicht noch für ihn verborgen war. Also schob ich die Kapuze langsam zurück und schenkte ihm einen so beruhigenden Blick wie es mir möglich war. “Wer… wer bist… Du?”, stammelte er endlich leise, kaum hatte er mich kurz gemustert. “Was… machst du hier?… Verschwinde einfach wieder… Lass mich allein… Die Mühe, mich zu töten, oder sonst etwas mit mir zu tun, kannst du dir sparen… Das tue ich schon selbst.” Mit jedem Wort, das er weiter sagte, wich die Angst mehr und mehr aus seinen Augen, zumindest versuchte er sie mir nicht mehr zu zeigen. Mir entlockte dies in Seufzen, bevor ich selbst weiter sprach: “Ich bin nicht hier, um dich zu töten.” Zumindest nicht so, wie er dachte, fügte ich in Gedanken hinzu. “Und ich weiß auch, dass du selbst das nicht kannst, und wenn du es noch so oft versuchst.” Daraufhin sah er mich entgeistert an, Panik stieg wieder in ihm auf. “Woher… Woher willst du das wissen? Du kennst mich nicht.”, fragte er mich leise. Oh Junge, ich weiß genug über dich, genug, dass es mich so fasziniert. Ich beobachte dich schließlich lange genug, dachte ich mir sofort, während ich laut etwas ganz anderes meinte: “Deine vielen Narben an den Händen verraten mir, dass du es schon oft erfolglos versucht hast.” Dies entsprach sogar auch noch der Wahrheit. Dennoch sah er mich ertappt, aber auch verunsichert an. “Du hast doch keine Ahnung…”, zischte er leise. Er wollte die Unsicherheit sofort wieder verstecken, zumindest verrieten mir genau das seine Gedanken. “Ich weiß genug…”, murmelte ich leise. “Und ich kann dir sagen, dass ist auch keine Lösung.” Er seufzte und senkte seinen Kopf. Ich wusste auch ohne dass ich seine Gedanken las, dass er noch etwas erwidern wollte, aber nicht wusste, was überhaupt. Er musste sich eingestehen, dass ich recht hatte. Also ließ er die Klinge auf den Boden fallen und gleichzeitig fiel auch mir regelrecht ein Stein vom Herzen. Seine Gedanken waren mir zwar nicht verschlossen, aber ich wusste trotzdem nicht, was ihm noch alles einfallen konnte. Der Junge sank dann schon selbst auf den Boden, zog seine Beine an und verbarg seinen Kopf zwischen den Knien. Er machte sich so klein wie möglich und demonstrierte mir damit noch deutlicher seine Zerbrechlichkeit. Die nächsten Minuten verbrachten wir in einer beinahe erdrückenden Stille. Ich stand unschlüssig einfach nur da vor ihm und beobachtete ihn wie so oft. Er saß stumm auf dem Boden und dachte nach. Seine Gedanken waren dabei so wirr, dass auch mir es schwer fiel sie zu ordnen. Er fragte sich aber immer wieder, was er nur tun sollte, wie er seine ganzen Sorgen und Kummer, seine Erfahrungen und Erlebnisse loswerden, verarbeiten sollte, wenn es schon nichts brachte, sich umzubringen. Selbst dazu hielt er sich zu erbärmlich. Dabei sehnte er sich doch nur nach Geborgenheit, Liebe, glücklichen Momenten, die er nicht sofort wieder bitter bezahlen musste. Mir selbst schmerzte es genauso, ihn nun so sehen zu müssen. Ich wollte ihm helfen, aber ich wusste nicht wirklich wie. In all den Jahren, in denen ich schon das war, zu dem ich gemacht wurde, hatte ich es verlernt jemanden zu trösten. Ich wusste nur, dass ich eine Möglichkeit hatte, ihn von diesem Leiden zu befreien, ihm zumindest ein Leben zu bescheren, in dem er sich darüber nicht mehr allzu viele Gedanken machen musste. Dafür wusste ich nicht, ob es für ihn nicht gerade weniger schmerzlich sein würde. Ich konnte nur für mich selbst sprechen und da bekam ich als Antwort nur, dass ich diesen Schritt ihm selbst überlassen musste. Dafür wiederum musste ich ihm aber erst einmal eingestehen, was ich war. Für den Moment verdrängte ich diese Gedanken wieder, schritt langsam auf ihn zu und ging neben ihm in die Hocke. Er war wieder so in seinen Gedanken vertieft, dass er mich nicht bemerkte. Erst als ich ihm behutsam eine Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen und hob seinen Kopf. In seinen Augen standen die Tränen, die er stumm geweint hatte. Seine Wangen waren feucht von ihnen und seine Augen gerötet. Er sah mich hilflos an, war aber dankbar, dass ich hier war, auch wenn ich ihm ein völlig Unbekannter war. Ich besah mir dann seine blutenden Schnitte an den Handgelenken, die ihn immer noch etwas zittern ließen. Er folgte meinem Blick, sah mich unsicher und ertappt an. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass ich ihn gerade so treffen musste. “Wir sollten das verbinden. Die Schnitte sind nicht zu tief, aber immer noch schlimm genug.”, flüsterte ich leise und suchte schon nach etwas, das ich darum binden konnte. Er nickte stumm und reichte mir dann ein zerfetztes, schon blutiges Stück Stoff, das bis jetzt im Verborgenen lag. Er musste sich damit schon öfter selbst verarztet haben und nun tat ich es damit. Ich riss ein Stück davon ab und band es jeweils um sein Handgelenk. Er beobachtete jede Bewegung meinerseits. Er begann sich wieder wohler in meiner Gegenwart zu fühlen, als vorher noch. Aber vielleicht machte ihm gerade die Tatsache, dass wir uns nicht kannten, es ihm so einfacher, sich fallen lassen zu können. Bei mir brauchte er keine Angst haben, dass ich ihn für irgendetwas verurteilen würde. Schlimmstenfalls würde ich am nächsten Tag wieder verschwunden sein und er mich nie wieder sehen. Ohne weiter zu zögern und um seinem nur in Gedanken geäußerten Wunsch nachzukommen, zog ich ihn weiter behutsam in meine Arme. Es war noch Ausdruck seiner Hilflosigkeit, das wusste ich, aber ich tat es. Er ließ es stumm geschehen, klammerte sich vielmehr noch beinahe an mich. Während er dann immer wieder herzzerreißend in meinen Mantel schluchzte, strich ich ihm wie automatisch über seine weichen, glatten Haare. Es war für ihn ein beruhigendes Gefühl und auch in mir selbst breitete sich dieses Gefühl von Vertrautheit aus, als würden wir uns schon lange kennen. Ich konnte mich selbst auch kaum noch erinnern, wann ich jemals jemanden so nah an mich heran gelassen hatte. Wie er nun aber so in meinen Armen lag, konnte ich seinen Herzschlag deutlich hören, das Blut in seinen Adern rauschte stetig. Es machte mir deutlich, dass ich nun schon die dritte Nacht ohne Blut. In mir schrie es bereits, ich sollte mir endlich das holen, was ich so sehr brauchte. Seine Halsschlagader lag so verlockend vor mir, dass ich meinte sein Blut schon so riechen zu können. Vehement schüttelte ich meinen Kopf. Ich musste mich zusammenreißen. Schließlich wollte etwas in mir ihn trotz all meiner Vernunft als meinen Gefährten. Und darüber müsste ich ja mit ihm noch sprechen. Ich hoffte nur, er hätte sich doch bald soweit beruhigt, dass er sich aus meinen Armen löste und ich meine Triebe noch so lange unter Kontrolle halten konnte. Irgendwann, nach langen Minuten, ich begann mir schon wieder die nächsten Sorgen darüber zu machen, dass es bald hell wurde und ich nicht wusste, ob diese Halle mir auch bei Tageslicht genug Schutz bot, war es endlich soweit. Sein Zittern war verebbt, kein Schluchzen drang mehr in mein Gehör, seine Gedanken waren wieder klarer geworden. Er hatte sich beruhigt und genoss es so noch einen kurzen Moment einfach so in meinen Armen zu liegen. “Du fühlst dich so kalt an…”, murmelte er dann plötzlich. Hätte ich dasselbe nicht auch kurz zuvor in seinen Gedanken gehört, hätte ich es wohl gar nicht mitbekommen, oder wäre von dieser Frage so unvermittelt getroffen worden. So oder so zuckte ich erschrocken zusammen. Damit bewirkte ich aber dann, dass er sich aufrichtete und mich genauer musterte. “Und du bist blass… Geht es dir gut?”, fragte er schließlich besorgt. Dass er meine Kälte trotz des Mantels und meine Blässe trotz der Dunkelheit erkannte, erstaunte mich zwar, aber ich hatte wohl kaum genug Zeit mir noch mehr Gedanken darum zu machen. Ich war ihm auch so nahe, vielleicht auch schon zu nahe, da musste es schließlich so kommen. “Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.”, versicherte ich schnell. Ich wusste sofort, dass er skeptisch war und konnte es ihm auch nicht verdenken. Es war bei Vampiren nun mal so, dass wir mehr Geist als Mensch, deshalb so unnatürlich blass, und wir mehr tot als lebendig waren, deshalb so eine niedrige Körpertemperatur hatten. Wenn wir zu wenig Blut hatten, verstärkten sich diese Äußerlichkeiten nur noch mehr. “Wie heißt du eigentlich?”, riss der Junge mich erneut aus meinen Gedanken. Er schien es so hingenommen zu haben, dass es mir gut ging. “Dai.”, antwortete ich leise. Er nickte und verriet mir dann seinen eigenen Namen: “Ich bin Tooru… Aber ich hasse diesen Namen…” Ich nickte ebenfalls zum Zeichen, dass ich ihn gehört hatte und versank schon wieder in meinen Gedanken. Tooru… Sie hieß er also. Es war ein schöner Name. Er passte zu seinem unscheinbaren Wesen. Dass er ihn aber hasste, passte wiederum zu seinem Charakter, zu dem Kummer und der Tatsache, dass er dadurch nicht mehr so viel Lebensfreude hatte, wie einst vielleicht. Gerade als sich dann wieder so eine erdrückende Stille zwischen uns ausbreiten wollte, stellte ich mit einem erschrockenen Blick auf ein Fenster fest, dass es draußen schon dämmerte. Ich musste gehen, wenn mir an meinem Dasein doch noch etwas lag und ich mich nicht unnötig gefährden wollte. Nicht gerade viel Blut in meinem Körper zu haben und dann noch die Einwirkung von Sonnenstrahlen waren keine gute Mischung. “Verzeih mir, aber ich muss gehen.”, begann ich mich zu verabschieden. “Wir sehen uns wieder, das verspreche ich dir.” Dann war ich auch schon aufgestanden, zog mir die Kapuze ins Gesicht und verschwand in dem anbrechenden Tag. Tooru schrie mir noch nach, wann und wo wir uns wieder sehen würden, aber ich war schon zu weit weg, um ihm Antwort geben zu können. Ich schickte ihm lediglich noch zumindest einen Gedankenstoß, der ihm sagte, dass wir uns bald wieder sehen würden, er musste nur etwas Geduld haben. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Den nächsten Abend wachte ich wieder kurz nach Sonnenuntergang auf, von Hunger nach frischem Blut gequält, und doch schon so geschwächt nun, dass es mir beinahe schwer fiel aufzustehen. Ich überlegte kurz, ob ich doch nicht zuerst meinen Durst stillen, oder gleich zu Tooru gehen sollte. Trotz der Entfernung zu ihm und dass es mir so noch schwerer fiel, suchte ich mir einen Weg in seine Gedanken und stellte so fest, dass er schon den ganzen Tag sehnsüchtig in dieser Halle wartete und immer wieder bezweifelte, dass ich überhaupt kommen würde. Das ließ mich nicht lange weiter überlegen. Ich beschloss zu ihm zu gehen. Eine Nacht würde ich schon noch aushalten, ich musste es einfach. Schon auf dem Weg zu Tooru bereute ich meine Entscheidung für einen kurzen Moment, als ich schreckhaft zusammengezuckt war, als nur eine Eule direkt über mir nach ihrem Gefährten suchte. Ich merkte, wie das fehlende Blut mir wirklich zusetzte, wenn meine Sinne auch nur noch spärlich vorhanden waren. Überhaupt brauchte ich so lange, bis ich schließlich wieder auf dem Gelände war. Und kaum traf ich auf den Jungen - er saß wieder in der Ecke, in der er auch die Nacht zuvor war, in seine Gedanken vertieft -, machte er mir auch deutlich, wie meine Schwäche sich äußerlich zeigte. “Wie geht es dir? Was ist los? Du siehst nicht gerade gut aus.”, meinte er sofort mit einer Spur Sorge, als ich bemerkbar gemacht hatte und er sich sofort umdrehte. Ich konnte nur abwinken und meinte, es gehe mir gut. Ich versuchte zwar alles in mir anzuspannen, aber ich wusste genauso gut, wie er so skeptisch war und dass es eigentlich gelogen war. Aber noch konnte ich ihm einfach nicht sagen, was wirklich los war, wer ich war. Zu meinem Glück drängte er auch wie die Nacht zuvor nicht weiter, sondern nahm es so hin. Er schien es gewohnt zu sein, nie viele Fragen zu stellen, sondern manches einfach so zu akzeptieren, wie es war. Angesichts seinem Kummer konnte ich es ihm nicht verdenken. Manchmal war es wirklich besser, genug an seiner eigenen Last zu tragen, als sich auch noch die anderer aufzubürden. Den weiteren Abend war jedenfalls das Thema, wie es mir ging und warum ich so erbärmlich schlecht aussah, vergessen. Wir lernten uns vielmehr besser kennen. Er erzählte mir endlich, was hinter seinen Problemen steckte, nachdem ich zuvor in seinen Gedanken immer nur Bruchstücke wahrgenommen hatte - genug jedenfalls um mich so in seinen Bann zu ziehen. Sie waren an und für sich vielleicht belanglos, zumindest erträglich. Aber zusammen gesehen sammelte sich doch über so viele Jahre so vieles an, dass dann alles andere als unbedeutend waren. Ich konnte ihn mehr und mehr verstehen und ebenso seine Überzeugung, dass es einfach nicht mehr normal war, dass ein einziger Mensch nur so viel Pech erleben konnte, dass jeder glückliche Moment, war er auch noch so klein und kurz, früher oder später doppelt oder dreifach zurück bezahlt werden musste. Angefangen hatte alles schon in seiner Kindheit. Er hatte seine beiden Eltern früh verloren, hatte keine Geschwister. Er war zunächst ins Heim gekommen, hatte dort dann das Glück - oder wie er heute sagte, das Pech - bald wieder aufgenommen zu werden. Dabei hatte er sich gerade mit den anderen Kindern verstanden, hatte in dem ein oder anderen einen Spielkameraden gefunden - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch das Glück in dieser Familie währte nur kurz. Sie hatten eigene Kinder und so bekam Tooru es immer schmerzlich zu spüren, dass er nicht ihr leibliches Kind war. Sie gewährten ihm keine richtige Schulbildung, er war kaum mehr als eine unbezahlte Hilfskraft. Sie schubsten und kommandierten ihn herum, wie es ihnen passte, wie sie es brauchten. Sie warfen ihm immer wieder vor, dass er doch überhaupt nichts wert war, seine Aufnahme der größte Fehler gewesen wäre, ja sie nicht einmal mehr wussten, wieso sie das überhaupt getan hatten. Er weinte sich nächtelang nur in den Schlaf, doch seinen Eltern fiel nie mehr ein, als ihre Hände ausrutschen zu lassen. Sie waren es auch, die ihm den Namen Tooru gegeben hatten, verdeutlichten ihm damit jedes Mal, wenn sie ihn riefen, wie schwach und wertlos er doch war. Tooru war dann noch nicht einmal volljährig, als er es irgendwann, nach doch schon etlichen Jahren, nicht mehr aushielt und in einer stürmischen Nacht abhaute. Kurz darauf, als er all seine Kräfte dafür genutzt hatte, irgendwie über die Runden zu kommen, traf er auf den Mann, dem dieses kleine Gelände gehörte. Er war Boss einer Hightechfirma, einer regelrechter Kette hiervon und hatte auf seinem kleinen Hof eine kleine Tochtergesellschaft eingerichtet, um so meistens ganz in Ruhe von zuhause arbeiten zu können. Für ein wenig Mithilfe in seinem Wohnhaus, aber auch auf dem kleinen Fabrikgelände, gab er Tooru Essen und einen Platz zum Schlafen. Tooru glaubte schon, jetzt würde alles besser werden, als es wieder genauso anfing wie mit seiner Adoptivfamilie: Er wurde nur herumgeschubst, rackerte sich jeden Tag ab, dass er spät am Abend in sein Bett fiel und am nächsten Morgen immer noch so geschafft aufwachte, dass er nicht wusste, wie er es den Tag zuvor überstanden hatte. Er war wieder nicht mehr als eine kostenlose Hilfe und als mehr sah der Besitzer ihn auch nicht mehr an. Für ihn war es ein leichtes, Tooru für sich tagelang arbeiten zu lassen, und dafür nur einen spärlich eingerichteten Raum seines Hauses und etwas Essen bereitstellen zu müssen. Er spielte so regelrecht mit Tooru. Tooru selbst hatte sich schon so oft überlegt, wieso er eigentlich noch bei ihm blieb, aber die Antwort fand er schon bald: Er wusste nicht, was er sonst anfangen sollte. Es war pures Glück, dass er von der Straße von ihm gefunden und aufgenommen wurde. Und so viel Glück würde er seines Lebens nicht mehr erfahren können. Dennoch… Er hatte schon oft genug seine wenigen Sachen zusammen gepackt, war in die nächste Stadt gegangen, doch immer wieder kam er noch in derselben Nacht oder einer der darauf folgenden zurück. Auch dies war dem Besitzer regelecht egal, er hielt Tooru nicht gefangen, sondern überließ es ganz ihm, wann er kommen und gehen wollte. Das einzige war dann nur, dass Tooru manchmal sein kleines Zimmer belegt vorfand von einem der anderen Mitarbeiter, die in der Firma nur manchmal oder auch dauerhaft halfen. Doch er verübelte es keinem von ihnen, dafür verstand er sich doch zu gut mit ihnen. Er sah in ihnen keine Freunde, mit denen er über irgendetwas, was ihn beschäftigte, reden wollte, aber er arrangierte sich mit ihnen. Da war das Verhältnis zu dem Sohn des Besitzers ein ganz anderes. Er war der einzige Freund, den er vielleicht hatte. Er verbrachte seine wenigen freien Stunden mit ihm, unternahm mit ihm wer weiß was, kam ihm sogar so nahe wie noch nie jemandem zuvor. Sie hatten sich eine einzige Nacht geliebt und Tooru glaubte schon, das sollte ein Punkt in seinem Leben sein, an dem er vielleicht doch einmal glücklich sein konnte. Doch nur wenige Tage später, als sie sich noch öfter näher kamen und dieser Junge es auch genossen hatte - zumindest hatte er das immer gesagt -, tauchte er dann plötzlich mit einer Freundin auf. Tooru glaubte sein Herz würde von ihm eigenhändig heraus gerissen werden, so weh tat es. Er fühlte sich benutzt und wie ein altes nicht mehr funktionierendes Spielzeug weggeworfen. Er wollte schreien, zog sich in den Wald zurück, aber er konnte einfach nichts tun. Er konnte nur stumm zusehen und wieder einmal mehr verschwinden, nur um einige Tage später doch wieder aufzutauchen, als er feststellen musste, dass er trotz allem nirgendwo anders hin konnte. Er hatte es zumindest in gewisser Weise gut dort. Es trieb mir selbst die Tränen in die Augen, als er mir zum Abschluss noch erklärte, dass diese letzte Sache noch gar nicht so lange her war. Er kämpfte immer noch mit den Tränen, wenn er den Sohn und seine Freundin zusammen sah. Als er geendet hatte, war mir eines mehr als nur klar: Tooru hatte es wirklich nie leicht gehabt. Er war jetzt vielleicht gerade mal 20 Jahre alt, vielleicht genauso alt als ich war bei meiner Verwandlung, und an richtig viele glückliche Erlebnisse konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern. Ich konnte ihn auch wiederum nur in den Arm nehmen und so beruhigen. Ich spürte und konnte es auch in seinen Gedanken lesen, dass es ihm gut tat, alles, was in ihm vorging, mal loswerden zu können. Aber dennoch wusste ich, dass seine Gefühle nicht vollkommen verschwunden waren, auch wenn er in mir jemanden gefunden hatte, mit dem er nach langem darüber reden konnte. Sie waren für den Moment nur etwas in den Hintergrund gerückt. Aber wenn ich schon mal erreicht hatte, dass er nicht verzweifelte, war es schon mal ein kleiner Erfolg bei ihm, auch wenn er sich wieder fragte, wieso er sich mir nur so öffnete. Vielleicht lag es wirklich daran, dass ich selbst auch keine leichte Kindheit hatte - angesichts dessen, in welcher Zeit ich aufgewachsen bin, vor mittlerweile auch schon 200 Jahren, war das auch nicht verwunderlich. Jedenfalls fühlte ich mich ihm damit ebenso verbunden, als würden wir uns schon länger kennen. Von einer Ewigkeit konnte ich keinesfalls sprechen, denn für einen Vampir war die Ewigkeit etwas ganz anderes. Aber meine naturgegebene Anziehungskraft musste auch noch ihr übriges bei ihm tun, dass er sich zu mir hingezogen fühlte. Es war kein Vertrauen, das wusste ich, dieses musste vielmehr erst langsam aufgebaut werden und nach seinen Erfahrungen konnte ich schon erahnen, dass er lange brauchte, bis er jemandem richtig vertraute, sich voll und ganz fallen ließ. Genau deswegen verging auch wieder nicht allzu viel Zeit, bis er sich unsicher aus meinen Armen löste und sich in einiger Entfernung von mir setzte. Er ließ sich eben noch nicht ganz fallen, stellte ich ernüchternd fest. Dennoch war ich froh, dass ich nicht abschreckend auf ihn wirkte oder dergleichen, so etwas hatte ich schließlich auch schon erlebt. Je mehr Zeit ich nun aber mit ihm verbrachte, je mehr ich über ihn erfuhr, umso mehr faszinierte er mich immer noch. Schließlich war es wahrlich mehr als erstaunlich, dass er es bis auf diese Ausrutscher, in denen er sich doch mal verletzte und einfach mit allem Schluss machen wollte, so tapfer aushielt, doch immer wieder versuchte, das Beste aus allem zu machen. Ich bereute meine Entscheidung, mich ihm zu zeigen und vielleicht zu meinem Gefährten zu machen, auf jeden Fall kein Stück, auch wenn ich immer wieder daran dachte, dass das Schicksal als Vampir nicht gerade viel einfacher war. Ich erinnerte mich zu gut daran, wie ich mich selbst manchmal noch für das hasste, was ich war. Aber das waren Gedanken, die ich mir in diesem Moment verbot, wollte meine Gedanken lieber auf Tooru konzentrieren und darauf, was er mir noch so alles erzählte, ebenso aber selbst etwas von mir zu erzählen. Die Stunden vergingen so mit diesen Erzählungen, dem Schwelgen in Erinnerungen. Nachdem wir so lange nun miteinander geredet hatten, oder auch einfach nur stumm nebeneinander saßen, war ich noch mehr geschwächt als zuvor schon. Toorus Anwesenheit machte es mir wie in der vorigen Nacht wieder nicht gerade einfacher. Sein Blut riechen zu können, zu erahnen, wie es immerzu durch seine Adern floss, sein Herz dazu brachte in einem immer gleichen Rhythmus zu schlagen, war so beinahe unerträglich für mich. Ich musste mich schon sehr zusammenreißen, nicht doch noch über ihn her zu fallen. In der nächsten Nacht musste ich wirklich wieder jagen gehen, das wusste ich, komme was wolle. Für den Moment war ich dann schon mehr als froh, dass es bald schon wieder dämmern würde und ich einen Grund hatte zu gehen. Genauso schnell wie bei unserem ersten Treffen verabschiedete ich mich von Tooru und ließ ihn verwirrt zurück. Er rief mir wieder nach, was los wäre, wieso ich so schnell verschwand, wieso ich nicht hier bleiben wollte, wo es mir ja nicht so sonderlich gut ging, und ob wir uns wieder sehen würden. Auf seine ersten Fragen konnte ich nicht antworten - noch nicht. Also gab ich ihm wenigstens auf die letzte wieder diesen Gedankenstoß, dass ich wieder kommen würde, ehe ich so schnell es mir noch möglich war zurück zu der Hütte ging. Dort angekommen legte ich mich nur noch schlafen, erholen, damit ich die nächste Nacht noch dazu fähig war, mir ein Opfer zu suchen, ich mich endlich wieder stärken konnte. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Der nächste Abend war wie erwartet die reinste Hölle. Ich hatte den ganzen Tag schon so unruhig geschlafen und kaum war der letzte Sonnenstrahl hinter dem Horizont verschwunden, wachte ich wie automatisch auf. Kalter Schweiß rann mir die Schläfen und Wangen entlang. Mein Körper schrie nun regelrecht nach frischem Blut. Mühevoll erhob ich mich auf meine Beine, stützte mich zuerst nur minutenlang an einer schon etwas morschen Säule inmitten der Hütte. Meine Beine zitterten unter mir und ich hatte schon fast das Gefühl, als würden sie mich heute Nacht nicht mehr tragen wollen. Aber letztendlich musste ich mir nur etwas Zeit lassen. Irgendwann zog ich schließlich doch noch meinen Mantel an, während ich es mir wieder nicht nehmen ließ einen Weg in Toorus Gedanken zu suchen. Er war wieder mehr als nur skeptisch, verfluchte sich selbst dafür, dass er sich mir gegenüber so weit geöffnet hatte, seine Sinne wie benebelt waren, kaum war ich in seiner Nähe. Ich hatte mir so eine Reaktion seinerseits schon fast gedacht, aber ich verstand es auch. Er wusste schließlich nichts über mich. Ich hatte ihm nur das Nötigste erzählt, die halbe Wahrheit, wenn man es so nennen wollte. Vielmehr hatte ich ihm das meiste über mich verschwiegen. Der einzige Trost jedenfalls war, dass er wenigstens nicht mehr auf mich wartete oder irgendeine Reaktion von mir. Er hatte sich es den ganzen Tag sogar verboten. Trotzdem schlief er aber in der Halle, ohne wieder zu wissen, wieso eigentlich. Mit einem Schmunzeln darüber verließ ich die Hütte schließlich und machte mich auf den Weg in die Stadt. Anfangs taumelte ich mehr, als dass ich über den trockenen Waldboden schritt, musste alle paar Meter mal mehr, mal weniger lang stehen bleiben, als vor meinen Augen alles zu verschwimmen drohte. Ich sollte wirklich aufhören, so viele Tage ohne Blut verbringen zu wollen. Zwei Tage waren vollkommen genug. Aber mehr ließen mich nur noch mehr ein Dasein zwischen Leben und Tod führen. Und das hatte ich so schon, auch ohne mein weiteres Zutun. Ich musste nun mal trinken, auch wenn es mir manchmal noch so zuwider erschien. Ich seufzte und konzentrierte mich auf für den Moment wichtigere Dinge. Die Stadt hatte ich schon bald erreicht und suchte mir ein passendes Opfer aus. Nachts trieben sich in den dunklen Straßen die wundersamsten Gestalten herum. Das hatte sich in all den Jahrzehnten nicht geändert und würde es auch in Zukunft nie. Die meisten waren fast schon selbst so gut wie tot, vielleicht nur in einem anderen Blickwinkel, aber nichtsdestotrotz die perfekten Opfer. Genauso wie der Mann mittleren Alters, der mir schon bald über den Weg lief. Er war ein Streuner, ein Verbrecher und fand in seinem Leben keinen weiteren Sinn mehr. Vermissen würde ihn niemand so schnell. Das einzig wirklich positive an ihm war sein Blut. Vielleicht lag diese Einschätzung auch nur daran, dass ich so lange keines mehr schmecken durfte. Aber eigentlich war es auch egal. Ich drängte ihn in eine dunkle Seitenstraße und dann nahm ich mir auch schon, was ich wollte. Es war ein beruhigendes Gefühl, ähnlich einem sexuellen Höhepunkt, als ich diesem Typen meine spitzen Zähne in den Hals rammte und langsam, aber nichtsdestotrotz gierig begann ihn auszusaugen. Er wusste nicht wie ihm geschah und so spürte ich auch kaum Gegenwehr. Bis er merkte, dass er sterben würde, war er schon viel zu schwach, um noch irgendetwas ausrichten zu können, mal abgesehen davon, dass er auch dann keine Chance hatte, dafür war ich schon zu mächtig. Ich vertrieb diese belanglosen Gedanken und konzentrierte mich ganz auf meinen Körper. Ich spürte förmlich, wie mit jedem Tropfen Blut, den ich schluckte, meine Kräfte ganz allmählich zurück kamen, wie ich mit jedem weiteren auch wieder gieriger nach diesem Geschmack wurde. Wenn ich nur danach ging, hätte dieser eine Mann mir lange nicht ausgereicht, um meinen Durst stillen zu können. Aber aus Erfahrung wusste ich, dass es in einer Nacht genug war. Jetzt zog es mich lieber wieder zu Tooru. Beinahe achtlos ließ ich den Körper des Mannes auf den Boden sinken und schloss seine vor Angst weit aufgerissenen Augen. Ich sah noch zu, wie sich seine Bisswunden wie von Geisterhand selbst verschlossen, bevor ich mir das Blut aus den Mundwinkeln wischte, die Kapuze über den Kopf streifte und aus der Seitenstraße ging. Es war alles schon Routine für mich, und doch hatte ich, nachdem dieser Anflug von Hochgefühlen abgeklungen war, meine Bedenken, ob es richtig war und nicht egoistisch, Menschen zu töten, nur um selbst überleben zu können. Dabei hatte mein Schöpfer es mir immer versucht einzubläuen, dass das der Lauf der Dinge war. Als Vampire standen wir weit oben am Ende der Nahrungskette, und nicht wie sonst immer gedacht die Menschen. Als solcher hatte es mir schließlich auch nicht viel ausgemacht, Tiere zu töten oder töten zu lassen, um meinen Hunger stillen zu können. Irgendwo hatte er auch recht gehabt, aber ich sah mich manchmal immer noch viel zu sehr als Mensch, um dies akzeptieren zu können, auch wenn ich wusste, dass ich kein Mensch mehr war. Oh nein, alles andere als das. Andererseits war ich auch nicht fähig, meiner Existenz ein Ende zu bereiten, auch wenn es eigentlich noch so einfach war und keinerlei Hilfsmittel bedurfte, die ich nicht auch ohne weiteres hätte bekommen können. Ich musste nur lange genug meine Zeit bei Tageslicht verbringen, dann wäre mein Ende gekommen. Stattdessen ertrug ich dieses Schicksal einfach. Es war zwar recht einsam, was meine Gedanken gleich wieder zu Tooru und der Vorstellung ihn als meinen Gefährten zu erhalten, zog, aber doch nicht so unerträglich. Vielleicht könnte ich ja eben die Einsamkeit bald hinter mir lassen. Ich hoffte es zumindest. All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich mich lautlos aus der Stadt zurück unter die schützenden Arme des Waldes bewegte. Leise bahnte ich mir einen Weg zu Tooru. Er war richtig erholsam, jetzt wo meine Sinne wieder geschärft waren und ich den kleinsten Laut hören konnte. Ich war noch nicht ganz in der Halle angekommen, da merkte ich schon, dass Tooru schlief. Er hatte einen unruhigen Schlaf, doch ich konnte nicht ausmachen, ob das nur in dieser Nacht so war, oder immer schon, vielleicht davon geprägt, was er alles erlebt hatte. In Träumen setzte man sich mit diesen Erlebnissen immer noch am meisten auseinander, das wusste ich noch zu gut aus der Zeit, aus der ich noch kein Vampir war. Heute hatte ich schon lange nicht mehr wirklich geträumt. Es waren meistens nur Erinnerungen an verstrichene Zeiten, an vergangene Ereignisse, einstige Menschen, Bilder in meinem Kopf, die wie in einer Diashow mal mehr, mal weniger deutlich vor meinem inneren Auge abliefen. Ich verwarf diese Gedanken wieder wie so oft. Dann näherte ich mich Tooru leise, um ihn nicht zu wecken, und beobachtete ihn eine Weile weiter. Er sah so unschuldig aus, wenn er schlief. Nichts deutete sonst auf all die Erlebnisse hin, die er durchmachen musste. Irgendwann flüsterte ich schließlich doch leise seinen Namen. Er regte sich verschlafen, rieb sich die Augen und versuchte sich zu orientieren. Kaum sah er mich, war er hellwach, aber er freute sich mich zu sehen. Das verriet mir das Strahlen in seinen Augen und ohnehin dachte er daran. Er murmelte mir eine leise Begrüßung entgegen, die ich genauso erwiderte. Ehe ich mich dann versah, war er vollends aufgerichtet, hatte mir einen Platz neben sich angeboten und dann stellte er mir schon die Frage, die ich nicht erwartet hatte schon in der dritten Nacht, in der wir uns sahen, hören zu müssen: “Wer bist du, Dai? Wieso sehen wir uns nur nachts und tagsüber höre ich rein gar nichts von dir. Du kommst, wenn es dunkel wird, und gehst, sobald es nur anfängt zu dämmern, bringst mich damit um meinen Schlaf. Gestern noch sahst du so erbärmlich aus. Und heute nicht der blasseste Schimmer davon. Was ist los, Dai?” Ich wusste, dass es keine Anklage sein sollte, er wollte einfach nur wissen, was Sache war. Dennoch konnte ich nur lange seufzen. Ich hatte mich zwar darauf einstellen können, dass irgendwann diese Frage kommen musste und hatte mir gewissermaßen schon überlegt und in meinen Gedanken ausgemalt, was ich wie sagen wollte, wie ich ihm so schonend wie möglich erklären konnte, dass ich ein Vampir war. Doch jetzt, wo genau dieser Augenblick gekommen war, konnte ich mich an kaum etwas erinnern. Natürlich konnte ich versuchen, um die Tatsache herum zu reden, aber Tooru war ein direkter Mensch. Was sich selbst betraf, hing zwar nie etwas an die große Glocke, wenn es nicht sein musste, dafür war er wiederum zu verschlossen, andererseits wollte er die Dinge immer sofort so erfahren, wie sie nun einmal waren, eben ohne große Ausschweifungen. Auch jetzt sah er mich erwartungsvoll an, schien auf alles gefasst zu sein. Zumindest alles menschenmögliche könnte er wohl auch ohne Probleme verstehen. Wie es aber mit so unnatürlichen Dingen war, würde sich zeigen. Ich seufzte erneut, bevor ich langsam begann: “Also, weißt du… Manchmal gibt es Dinge, die einem normalerweise nur fantastisch, nicht reell möglich erschienen waren, weil man einfach nicht wusste, dass es sie doch wirklich gibt. Und manchmal kann sich trotzdem herausstellen, dass es eben diese Dinge doch gibt, sie nicht nur Teil unserer Phantasie, Geschichten oder Träume sind. Aber nur weil wir an ihrer Existenz gezweifelt haben, bedeutet es nicht, dass es sie nicht gibt. Sie waren vielleicht nur gut vor unseren Augen verborgen. Wirklich ist letztendlich nur das, woran wir glauben.” Tooru sah mich immer noch fragend an, als ich eine kurze Pause machte. Er verstand nur annähernd, worauf ich hinaus wollte, aber eine kurze Einleitung brauchte ich irgendwie doch noch, bevor ich mit der Tatsache herausrückte. Ich selbst konnte eigentlich auch nur den Kopf darüber schütteln. Es konnte alles und nichts bedeuten. “Was willst du mir damit sagen?”, fragte Tooru schon, die Verwirrung stand ihm bei diesen Worten nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. “Ich bin ein Vampir…”, flüsterte ich leise, gerade noch so laut, dass ich sicher sein konnte, dass er mich verstand. Und er verstand. Denn kaum war es ausgesprochen, sah er mich so ungläubig an. “Ein… Vampir…?”, wiederholte er sofort langsam. “So wie… Dracula?”, setzte er beinahe scherzhaft hinzu. Vampire existierten für ihn nicht, es war auch nicht anders zu erwarten. Sie existierten nur in diesen Geschichten, die ich nur zu gut kannte. “Ja… Vielleicht nicht ganz so schaurig, wie er immer dargestellt wird, aber ja.”, bejahte ich aber nur so nüchtern wie möglich. Trotz allem Kitsch zeigten diese Geschichten nämlich doch so viel Wahrheit. “Du… bist also ein richtiger… Vampir? Ein Unsterblicher, der sich mit Blut am Leben hält, in einem Sarg schläft, und so weiter?”, fragte er weiter ungläubig. Er versuchte seine Gedanken nun aber zu ordnen, brachte alles zusammen, was er meinte über Vampire zu wissen. Ich nickte und fügte hinzu: “Im großen und ganzen, ja. Aber du darfst nicht alles glauben, was du so in diesen Geschichten gehört hast. Wir schlafen nicht nur in Särgen, vor allem nicht, wenn wir länger unterwegs sind. Und ich verbrenne auch nicht beim kleinsten Kontakt mit Sonnenstrahlen. Das war vielleicht wirklich mal bei den allerersten Vampiren so, aber heute werden wir vorher erst zunehmend geschwächt, dann verbrennen wir…” Tooru nickte. Er hatte aufmerksam zugehört und versuchte sich vorzustellen, wie ich bei Tageslicht aussah, dennoch war er immer noch skeptisch. “Aha…”, meinte er nur leise. Dann hatte er aber auch schon sein rationales Denken wieder zurück. “Damit wäre also erklärt, wieso wir uns nur nachts getroffen haben. Aber… Wow! Das… Ich glaub dir… Denke ich… Aber… Keine Ahnung…. Das muss ich erst einmal verdauen.”, stammelte er vor sich hin, gestikulierte dabei wie wild vor mir herum. Ich nickte erneut. Dass er sagte, er glaubte mir, war schon mal ein Fortschritt, dann war alles in Ordnung und ich konnte ihm ruhigen Gewissens alle Zeit der Welt lassen, sich weiter mit diesem Gedanken anzufreunden. Ich beobachtete ihn also eine Weile und hörte, was er in Gedanken dazu meinte. Alles in allem nahm er die Tatsache relativ gelassen hin. Seine Gedanken überschlugen sich zwar, er wusste nicht, was er zuerst denken sollte, versuchte sich einen Vampir wirklich vorzustellen, diese Vorstellung auf mich zu übertragen. Es fiel ihm schwer, das war ihm anzusehen, aber je länger er es versuchte, mich dabei stumm musterte, umso leichter war es irgendwann. Auf seine Nachfragen hin, erklärte ich ihm näheres zu mir, wie ich lebte, welche Eigenschaften ich als Vampir wirklich hatte, ohne auch nur die kleinste Kleinigkeit davon zu erzählen, dass dazu auch gehörte die Gedanken der Menschen und Vampire mehr oder weniger gut lesen zu können. Schließlich zeigte ich ihm meine Vampirzähne. Er schrak zwar vor diesen weißen stechenden Augen zurück, die dazu immer leider auch gehörten, diesem wilden Aussehen, dass sie einem jeden von uns verliehen, aber schließlich war dies für ihn Beweis genug, dass vor ihm ein Vampir stand. Ich schuf ihm ein vollkommen neues Bild eines Vampirs, das bisher nur von Geschichten, Filmen und Ähnlichem geprägt war. Schließlich erzählte ich ihm auch, wo ich mich derzeit immer nachts aufhielt, ohne ihm dabei einen genauen Standpunkt zu verraten. Genauso erfuhr er aber auch über mein eigentliches Heim, das große, beinahe luxuriös anmutende Anwesen, das sehr zu meinem Glück schon Jahrhunderte lang verlassen und in Vergessenheit geraten war. Was ein paar schaurige Gerüchte auch schon anrichten konnten, die die Vampire, die vor mir dort gelebt hatten, zuletzt mein Schöpfer, verbreitet hatten. Tooru war während meiner Erzählung beinahe so wie ein kleines Kind vor Weihnachten. Er hatte nie erfahren, was es wirklich bedeutete, ein Zuhause zu haben. Umso mehr interessierte es ihn, wieso ich das Anwesen so stark als meines ansah, wo es mir doch im Grunde gar nicht gehörte. Ich hatte ihm daraufhin nur mit der Schulter zuckend erklärt, dass es der einzige Ort war, zu dem ich mich noch hingezogen fühlte. Wenn man so lange lebte, wie ich es schon tat, alles überdauern konnte, zusehen musste, wie sich alles verändert hatte, einschließlich der Umgebung, in der man früher aufgewachsen war, tat es gut, wenigstens einen Ort zu haben, den man noch Zuhause nennen konnte, den man mit Erinnerungen verband, an dem man sich wohl fühlte. “Und wann willst du dorthin zurückkehren?”, fragte Tooru neugierig weiter. “Das weiß ich noch nicht.”, gab ich wahrheitsgemäß zurück. “Das kommt noch auf.” Tooru wollte fast schon fragen, woran ich diese Entscheidung fest machen würde, aber im letzten Moment überlegte er es sich doch anders. Er schien wieder Angst davor zu haben, was ich ihm dann antworten könnte. Stattdessen zögerte er zunächst einige Minuten. Dann atmete er tief ein und fragte die nächste alles entscheidende Frage, die ihm vielleicht auch die vorige beantworten konnte: “Und… Was willst du nun von mir? Soll ich… irgendwie… dein nächstes… nun ja… Opfer sein?” Die letzten Worte stammelte er nur noch immer leiser werdend und rutschte unwillkürlich ein Stück zurück. Deshalb antwortete ich sofort ohne zu zögern: “Nein, keine Sorge. Wenn das meine Absicht gewesen wäre, hättest du das schon lange gemerkt. Außerdem bringt es Unglück, wenn man seine Opfer erst noch näher kennen lernt, weil es dann passieren kann, dass man nicht mehr fähig ist, das zu tun, was man eigentlich wollte und sich letztendlich nur selbst in Gefahr bringt.” Er nickte, war zumindest schon etwas beruhigt. Aber zufrieden stellen konnte ich ihn mit dieser Antwort noch lange nicht. Also fuhr ich langsam fort: “Ich habe dich schon länger beobachtet, bevor ich zu dir gekommen bin. Du hast mich einfach fasziniert, trotz, oder vielleicht auch gerade weil du so viel Kummer hattest, der einfach nicht zu übersehen war, und du das alles trotzdem so relativ gut meisterst.” Kyo zuckte nur mit den Schultern, er wurde leicht rot und versicherte, dass es ja eigentlich kein positiver Eindruck war. “Ja, ich muss auch zugeben, anfangs warst du auch nicht mehr als jeder andere, tatest mir auch leid, aber mit der Zeit… Da… wie soll ich sagen… Habe ich begonnen höhere Erwartungen zu haben…” Ich versuchte den letzten Teil so vorsichtig wie möglich auszudrücken. Ich wollte ja eigentlich nicht gleich alles an einem Abend sagen. Daher strapazierte ich mein Glück schon viel zu sehr damit über, dass ich ihm nun auch noch sagen sollte, was ich von ihm wollte. Aber anlügen konnte ich ihn auch nicht, wenn er schon alles wissen wollte. So wie er mich dabei ansah, blieb mir auch ohnehin nichts anderes übrig. Er sah mich auch jetzt wieder, kaum hatte ich das ausgesprochen, so skeptisch, und mit den letzten Minuten auch wieder ängstlich an. Ich seufzte wie so oft in dieser Nacht und meinte knapp: “Das Leben als Vampir, als Unsterblicher, ewig Lebender ist manchmal sehr einsam - zu einsam.” “Was… ist mit dem Vampir, der dich dazu gemacht hat? Oder gibt es keine anderen Vampire mehr?”, fragte Tooru unvermittelt. Er war trotz der Unwissenheit, was er noch erfahren konnte, doch immer noch neugierig. Aber er wusste nicht, was er in meinen Gedanken damit anrichtete. Bei denen zu meinem Schöpfer wurde ich unwillkürlich ernst, in mir zog sich alles zusammen. Ich wollte nicht an ihn denken. Also antwortete ich ihm nur auf seine Frage nach anderen Vampiren: “Es gibt denke ich noch genug meiner Sorte, aber wir leben im Verborgenen und sind nur schwer zu finden. Selbst Gleichgesinnten fällt es nicht leicht. Und das ist auch gut so. Zu viele Vampire an einem Ort würden zu viel Aufmerksamkeit erregen…” Tooru nickte und fragte dann wieder nach meinem Schöpfer. Es schien ihn brennend zu interessieren, wie ich zu einem Vampir wurde. “Er ist nicht mehr…”, antwortete ich leise, senkte meinen Kopf, um ihm meinen verletzten Blick nicht zu zeigen. “Schon lange nicht.” Ich hoffte, diese Erklärung würde er vorerst so hinnehmen. Über das, was damals mit ihm geschehen war, wollte ich nicht nachdenken, das würde ich noch eine Weile für mich behalten. Doch eigentlich war es schon zu spät. Bei der kleinsten Erwähnung kochte alles in mir hoch. Ich dachte wieder an meine Vergangenheit zurück, als ich noch Mensch war, an diese stürmische Nacht, in der ich ihm das erste mal über den Weg gelaufen war, wie sich alles in meinem Leben innerhalb kürzester Zeit zum Schlechten wendete, wie ich schließlich selbst verwandelt wurde, was danach geschehen war. Es war mir alles noch so gut in Erinnerung, als wäre es erst gestern gewesen. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4 Es war zu Ende des 18. Jahrhunderts. Ich war 20 und meine Eltern lebten mit mir auf meinem Grundstück oder eher gesagt dem meines Vaters - eine typische Situation der damaligen Zeit. Eine Generation lebte neben einer anderen zusammen. Ich saß damals in einem hohen Sessel vor dem Kamin und lies mich wärmen, versuchte mich irgendwie von dem anstrengenden Arbeitstag zu erholen. Draußen tobte ein wilder Sturm, der mich immer wieder beunruhigt einen Blick nach draußen werfen ließ. Mein Vater saß mir im Rücken über einen Tisch über Arbeit gebeugt. Er war immer der Meinung gewesen, dass ich nicht fähig war einen eigenen kleinen Betrieb zu führen. Umso mehr strengte ich mich immer an, um ihm das Gegenteil zu beweisen. Ich schaffte es auch, dass ich ihm und meiner Mutter das Dach über dem Kopf sichern konnte, als mein Vater sich Hals über Kopf in Schulden verstrickt hatte und keinen Ausweg mehr fand, als entweder meine Hilfe anzunehmen, oder unseren ganzen wenigen Besitztümer zu verlieren. Er warf mir zwar dennoch immer vor, ich würde es sonst zu nichts weiter bringen, wenn er nicht auch ein Auge darauf haben würde, aber ich überhörte es irgendwann schon. Ihm fehlte einfach ein Enkel, ich selbst hätte ihm schon lange eine Schwiegertochter vorstellen sollen, aber ich hatte andere Interessen. Außerdem glaubte ich viel zu sehr an die einzig wahre große Liebe und auf diese wollte ich nun einmal warten. Aus diesem Grund machte ich mir nicht viel aus seinen Vorhaltungen, versuchte stattdessen ihn als Sohn, als Hofbesitzer stolz zu machen, auch wenn es mir nicht immer so gelang, wie ich es gedacht hatte. Meine Mutter lag an diesem Abend im Schlafzimmer und schlief. Sie war schon immer eine so zierliche Person gewesen und hatte jeden Virus eingefangen. Und auch in diesen kalten Novemberwochen war sie wieder erkrankt. Doch das war nicht das Schlimmste. Sie war hochschwanger. Es sollte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Geburt sein würde. Und in dieser kalten Gewitternacht war es schließlich so weit. Plötzlich hörten mein Vater und ich diesen markerschütternden Schrei. Mein Vater wusste sofort Bescheid, was los war und warf mir nur noch wie ein Wilder Anweisungen entgegen. Ich konnte nicht anders als zu gehorchen und den Arzt zu rufen, der endlos lange Minuten später auch eintraf. Er untersuchte meine Mutter und wies mich irgendwann an aus seiner Praxis noch das ein oder andere Medikament zu holen. Und so fand ich mich wenige Minuten später, ob ich wollte oder nicht, in der kalten Nacht wieder. Ich war schon vollkommen durchgeweicht durch den Regen und zitterte am ganzen Leib vor Kälte, als ich die Praxis erreichte. Schnell hatte ich alles zusammen, was er wollte, und machte mich auf den Rückweg. Es regnete immer noch in Strömen, immer wieder durchzuckten grelle Blitze den Nachthimmel und dieser ohrenbetäubende Knall im selben Moment ließ auch mich zusammenzucken, erschrocken umdrehen und mich vergewissern, dass der Blitz nicht gerade direkt um mich herum eingeschlagen hatte. Ich presste die braune Papiertüte an meinen Körper, versuchte den Inhalt darin zumindest etwas zu schützen, während ich weiter gegen den Regen ankämpfte. Und dann, ich kam gerade an eine Kreuzung, an der ich rechts abbiegen musste, sah ich sie unter schützenden dicht gewachsenen Nadelbäumen direkt vor mir auf der anderen Straßenseite. Es war eine schemenhafte Gestalt, kaum mehr als ein Schatten. Ich erkannte nur ein einzig schwarzes Etwas. Ich verlangsamte unwillkürlich meinen Schritt, als ich meinen Blick nicht von dieser Gestalt lassen konnte. Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr weitergehen, sondern stand wie erstarrt da. Sogar den Regen ignorierte ich, diese dünnen Rinnsalen, in denen das Wasser von meiner Kleidung auf den Boden tropfte. Langsam und genau musterte ich einfach nur diese Gestalt - ich konnte damals nicht ausmachen, ob Mann oder Frau. Heute wusste ich, dass er es war, mein späterer Schöpfer. Er trug einen knielangen schwarzen Mantel mit Kapuze, die er weit in sein Gesicht gezogen hatte. So konnte ich sein Gesicht nicht sehen, trotzdem spürte ich, dass sein Blick direkt auf mich gerichtet war. Ich fühlte mich wie angezogen von ihm und konnte mir nicht erklären, wieso. Ich kannte ihn noch nicht einmal, ich hatte ihn noch nie gesehen. Für den Moment vergaß ich alles um mich herum, den Regen, die Blitze, dass ich nur noch mehr durchnässt wurde. Dann schlug der Blitz zwischen uns auf dem Boden ein und ich musste vom grellen Licht geblendet meine Augen zusammen. Als ich sie wieder öffnete, stand er nicht mehr dort. Im selben Moment kam es mir schlagartig wieder in den Sinn, dass ich nach Hause musste. Ich ignorierte die Gestalt und welche Gedanken ich mir darum gemacht hatte, und widmete mich meinem Heimweg. Ich spürte zwar noch lange einen Blick in meinem Rücken, auch wenn ich nicht mehr wusste, wo er nun war, denn ich wagte nicht mehr mich umzudrehen. Zu Hause angekommen war immer noch alles wie vorher: Mein Vater stand vor dem Schlafzimmer, ging unruhig davor auf und ab, und der Arzt kümmerte sich um meine immer noch laut stöhnende Mutter. Kaum sah mein Vater mich, nahm er mir sofort die Tüte ab und stürmte regelrecht in das Zimmer. Er sprach einige Worte mit dem Arzt, der die Tüte und den Inhalt davon sofort zu sich nahm und meinen Vater wieder aus dem Zimmer lotste. Es vergingen weitere, endlos lange Minuten. Mein Vater hatte in seiner Sorge nichts besseres zu tun, als mir vorzuwerfen, ich hätte mich ruhig beeilen können. Ich verschwieg ihm besser, dass ich aufgehalten worden war. Denn wenn ich auch nur das kleinste Wort von der Gestalt erwähnt hätte, hätte er auch erfahren, dass diese nichts gemacht hatte, außer dort zu stehen und mich anzusehen. Und davon konnte man sich ja wirklich nicht ablenken lassen. Oh ich konnte mir damals die Worte meines Vaters fast schon denken. Vielleicht auch deswegen verschwieg ich ihm diese Begebenheiten besser. Außerdem gab es genug anderes in diesem Moment, was viel wichtiger war. Irgendwann ebbten die Schreie meiner Mutter ab. Kein Laut war mehr zu hören aus dem Zimmer. Mein Vater bekam es sichtlich mit der Angst zu tun, als sich erst weitere Minuten später langsam die Tür öffnete und der Arzt schweißgebadet heraus trat. Er schüttelte nur den Kopf und sowohl mein Vater als auch ich wussten, was er damit meinte. Er konnte meiner Mutter nicht mehr helfen, genauso wenig wie dem ungeborenen Kind. Mein Vater nahm die Nachricht im ersten Moment gut auf, doch schon als der Arzt weg war, ließ er all seine Gefühle zu - und an mir aus. Natürlich gab er mir die Schuld daran. Hätte ich mich mehr beeilt, wäre das nicht geschehen. Erst am nächsten Tag, als ich noch mal selbst mit dem Arzt gesprochen hatte, erfuhr ich, dass auch das, was ich holen musste, nicht mehr wirklich geholfen hätte. Heute wusste ich, dass es damals normal war, dass schon die kleinste Erkältung zum Tode führen konnte. Die Ärzte standen dem so machtlos gegenüber, denn sie waren noch lange nicht so ausgebildet. Der Fortschritt in der Medizin kam schließlich erst mit der Zeit. Heute hätte meine Mutter wohl ohne weiteres überleben können. Mein Vater sah es jedenfalls selbst nicht ein, dass man nicht mehr tun konnte, und er konnte wohl auch nicht ahnen, wie sehr ich noch weiter darunter litt, dass er mir nun alle Schuld gab. Wir stritten uns jeden Tag, mal mehr, mal weniger. Das war seine Art mit seiner Trauer umzugehen: mit Wut und Verachtung. Ich selbst hatte vollkommen allein mit meiner zu kämpfen. Meine Mutter war mein ein und alles. Das schlechte Verhältnis, das ich schon immer zu meinem Vater hatte, machte sie mit ihrer Liebe und Fürsorge zu mir wett. Ich fühlte mich regelrecht allein gelassen, als sie gestorben war. Fast jeden Abend, nachdem mein Vater von der Arbeit erledigt in das Haus kam und wir wie immer wegen meist Banalitäten gestritten hatten, verzog ich mich aus dem Haus und verbrachte meist stundenlang draußen. Irgendwann stand ich dann auch immer vor ihrem Grab. Ich unterdrückte meine Tränen und fragte mich wieder und wieder, womit ich das alles verdient hatte. Gleich seit dem ersten Abend, an dem ich so auf dem dunklen Friedhof stand, sah ich allerdings ihn wieder unter meinem Tränenschleier im Schatten der Bäume. Ich war beinahe wütend, denn schlagartig fiel mir wieder ein, wie er auch in der Nacht des Todes meiner Mutter so da stand, mich einfach nur beobachtete. Vielleicht hatte mein Vater ja doch irgendwie recht gehabt, damit, dass ich mich hätte beeilen müssen. Ich verwarf diesen Gedanken so schnell wie er gekommen war wieder. Es machte keinen Sinn, über dieses “was wäre, wenn” nachzudenken. Ändern würde es an den Tatsachen sowieso nichts mehr. Ich versuchte diesen Mann einfach zu ignorieren, auch wenn ich mich unter seinem bohrenden Blick mehr als nur unbehaglich fühlte. Und doch musste ich immer zu ihm sehen, mich vergewissern, ob er noch da war. Es war wie als wenn ein unsichtbares Band mich zu ihm zog, eine Stimme in meinem Kopf drängend meine Gedanken auf ihn lenkte. Ich wusste kaum, wie mir immer geschah. Es war immer wieder dasselbe. Er stand jedes mal dort, wenn ich selbst auch war, nur nachts, an der immer gleichen Stelle im sicheren Schatten der Bäume. Tagsüber war von ihm nichts zu sehen. Ich erwischte mich deshalb selbst dabei, dass ich immer nur noch nachts auf den Friedhof ging, alles in mir wollte ihn wieder sehen. Es vergingen noch weitere Tage, Wochen, bis er mich irgendwann ansprach. Es war der Beginn einer komisch wirkenden Freundschaft, denn unsere Treffen waren immer nachts, immer heimlich und er hatte mir verboten, von ihm zu erzählen. Ich hatte wesentlich länger gebraucht ihn nach dem Grund hierfür zu fragen, als Tooru. Ich war nur froh, meine Sorgen und Kummer bei ihm loswerden zu können, und er suchte in mir genauso Gesellschaft. Schon bald hatte er mir schließlich erzählt, was er war: Ein Vampir, ein Kind des Mondes, wie er so schön zu sagen pflegte, einsam und unsterblich. Er erzählte mir überhaupt so vieles von sich, langsam und mit jedem Treffen mehr. Kaoru… Das war sein Name. Er war Jahrzehnte älter als ich, vielleicht ein paar Jahrzehnte mehr, als ich es heute war, und er war so mächtig, mächtiger als ich es mir nur erahnen konnte, als Mensch noch überhaupt nicht fassbar für mich war. Es verging ein Jahr, in dem wir uns immer nur nachts trafen, die ganze Nacht hindurch miteinander sprachen. Ich wusste, was er war, aber es jagte mir keine Angst ein. Vielleicht war ich naiv, aber ich stellte mir nie die Frage, was er von mir wollte, ob ich nicht irgendwann genauso wie seine Opfer enden würde. Denn ich wusste natürlich, wie er sich am Leben erhielt. Und doch gab es gerade einen Moment, in dem ich mich das alles auf einmal fragen musste, im Stillen, ohne es jemals laut gesagt zu haben. Ich beobachtete ihn ein einziges mal mit Schrecken, wie er seinen Durst an einem Menschen stillte, ihn aussaugte und den toten Körper dann wie ein wertloses etwas auf dem Boden zurückließ. Er sah den Schrecken in meinen Augen, entschuldigte sich unendlich oft dafür und versicherte mir, dass ich niemals so enden würde - zumindest nicht haargenau so. Damals wusste ich noch nicht, was er damit meinte. Doch schon wenige Wochen später sollte ich es erfahren. Es war in der Nacht, als mein Vater schließlich meiner Mutter in den Tod folgte, dahingerafft von Trauer und Verzweiflung über ihren Tod. So sehr ich ihn auch das letzte Jahr über begann zu hassen, dafür dass er mir an allem die Schuld gab, mich als undankbaren, unnützen Sohn sah, ich versank in Verzweiflung und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte meine Familie verloren, meine Besitztümer würden auch bald folgen, denn mein Vater, der sich seit dem Tod meiner Mutter wieder mehr um den Hof gekümmert hatte, hatte sich wieder in Schulden verstrickt. Ich sah keinen Sinn darin, noch einmal den Hof zu retten, ich sah keinen Sinn mehr in meinem weiteren Leben. Und genau diese Tatsache nahm Kaoru als Grund genug, als Erlaubnis dafür her, mich ebenso in einen Vampir zu verwandeln. Ich sagte zwar keinen Ton darüber, sah ihn nur so hilflos an, erklärte ihm, dass mein Vater trotz allem immer noch mein Vater war und ich ihn als den letzten Teil meiner Familie ansah. Den Rest las er in meinen Gedanken. Er brachte mich in meiner Trauer weg von meinem Zuhause, der Stadt, in der ich aufgewachsen war, hin zu seinem Heim, dieser alten fast zerfallenen und deshalb verlassenen kleinen Burg, in der ich heute noch lebte. Sie war damals schon so gewaltig, so beeindruckend. Kaoru ließ mir kaum Zeit über mein Erstaunen nachzudenken, sondern wies mich an, ich solle mich ganz wie Zuhause fühlen und es mir gemütlich machen. Anfangs hatte ich den Eindruck, als würde er mich nur einfach trösten und auf andere Gedanken bringen wollen, brachte mich deswegen in sein Zuhause, auch wenn ich damals nicht wusste, wie lange wir dorthin brauchten, wo es war. Vielleicht wollte er mir einfach einen Tapetenwechsel gönnen, damit ich nicht ständig durch mein Zuhause an meine Familie erinnert werden würde. Den Rest dieser Nacht schlief ich schließlich in einem noch gut erhaltenen Zimmer der Burg. Und ich musste gestehen, so gut wie damals hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Das Bett war so weich, so gemütlich. Es lenkte mich zumindest in dieser Nacht von allem Kummer ab, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufstehen wollte. Erst Mittag erhob ich mich endlich, ausgeschlafen wie noch nie, und sah mich in dem noch intakten Teil der Burg um. Ich wusste, dass Kaoru sich nicht vor Sonnenuntergang blicken lassen würde, auch wenn alle Vorhänge zugezogen, alle Türen geschlossen oder Wege mit Steinbrocken bis zur Decke verrammelt waren, und so alles abgedunkelt war. Aber ich wagte auch nicht, ihn zu suchen. Der Gedanke an den Anblick, ihn in einem Sarg liegend vorzufinden, ließ es mir doch eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Also setzte ich mich einfach nur in einem großen, geräumigen Raum in einen Sessel und dachte nach, nahm mir irgendwann noch das erste Buch, das ich in diesem ebenfalls dort stehenden Wandregal fand. Er sagte zwar, ich sollte mich wie zu Hause fühlen, aber dennoch sah ich es als unhöflich an, mich zu weit umzusehen oder sonst etwas zu tun. Ich blieb dann einfach den Rest des Tages in diesem Zimmer, las ein Buch nach dem anderen, oder dachte einfach nur nach, und wartete auf den Abend. Wie erwartet stand er erst kurz nach Sonnenuntergang hinter mir. Er kam gerade, als ich wieder in meinen Gedanken versunken war, immer wieder seufzte und nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Ich konnte schließlich nicht den Rest meines Lebens hier mit einem Vampir zusammenleben. Mal abgesehen davon, dass wir vollkommen unterschiedliche Leben führten - er schlief tagsüber, während ich wach war, arbeiten sollte und dergleichen; ich schlief wie es das Normalste auf der Welt war nachts, während er durch die Nacht strich und sich von Menschen ernährte. Er war unsterblich, mein Leben würde irgendwann vorbei sein. Aber ich hatte auch Angst vor seiner Blutgier, Angst davor, dass er irgendwann doch noch über mich herfiel. Ich ahnte nicht, dass es eigentlich schon zu spät war. Kaoru setzte sich damals mir gegenüber auf das Sofa und beobachtete mich einfach nur. Seine Worte, die er dann zu mir sagte, waren mir noch so gut im Sinn. “Du leidest sehr unter dem Verlust deiner Eltern, nicht wahr?”, sprach er leise. Es war mehr eine rhetorische Frage, als dass er wirklich eine Antwort darauf erwartete. Daher nickte ich nur kaum merklich, sah ihn lange an. “Ich weiß, dass du keinen Sinn mehr in deinem Leben siehst. Vielleicht mag es auch so sein, wenn man seine Eltern und alles, woran einem etwas lag, verloren hat, oder nur kurz davor ist zu verlieren, und man auch keinen mehr hat, der einem Rückhalt gibt.”, begann er unvermittelt. Ich sah ihn zunächst verwirrt an, fragte mich, ob ihm mein Gesichtsausdruck so ein offenes Buch war, oder woher er sonst so viel wissen wollte. Dies war dann der Moment, da er mir offen sagte, dass er die Gedanken von Mensch wie Vampir lesen konnte. Gerade die von Menschen lagen ihm wie auf dem Präsentierteller zu Füßen, denn die meisten Vampire konnten ihre Gedanken vor ungewollten Blicken verschließen. Ich nickte stumm. Im Grunde war es mir in diesem Moment aber unwichtig, dass er meine Gedanken las und wusste, was in mir vorging. Helfen konnte er mir ja doch nicht. Das dachte ich zumindest, bevor er weiter sprach: “Jedenfalls werde ich dir nach allen schlimmen Erlebnissen noch einen anderen Blickwinkel auf die Dinge zeigen, ein anderes Schicksal, durch das du im Grunde ewig leben kannst - Fluch und Segen zugleich. Es ist jedoch faszinierend zu sehen, wie sich alles um dich herum verändert. Da rückt jede deiner Sorgen in den Hintergrund, vergisst sie vielleicht auch schon. Nachdem ich schon so lange darüber nachdenke, werde ich dich verwandeln, genug Zeit verbringst du ohnehin schon mit mir. In deiner Verzweiflung nun ist der beste Zeitpunkt dafür gekommen. Die Dunkelheit, die Nacht kann nur noch deine Seele retten.” Es traf mich im ersten Moment wie ein Schlag. Immer wieder klangen mir seine Worte wie ein Echo nach. “Aber…”, fing ich stammelnd an. “Ich weiß doch noch nicht einmal, ob ich das wirklich will. Ich habe darüber nie nachgedacht, auch wenn ich schon so lange Zeit mit dir verbringe.” “Ich weiß. Aber du hast nichts zu verlieren, das denkst du selbst doch. Ich zeige dir nun nur die weiteren Alternativen auf. Oder willst du lieber, das alles so bleibt, wie es ist? Glaubst du, das wäre dir nun genug? Ich glaube nicht, dass dir das genug ist. Du weißt schon viel mehr über dieses andere Leben, dass ich dir verleihen kann.”, erwiderte er nüchtern, sah mich aber bestimmt an. Und er hatte zweifellos recht damit. Tief in mir sehnte ich mich nach einem Ende meiner Qualen, sehnte mich nach einem Leben fernab von allem und jedem. Verlieren konnte ich schon mal nichts mehr. Und seine Worte allein klangen schon wie ein Rausch, der mich betrunken machen sollte, dem ich nicht widerstehen wollte und konnte. Aber dennoch war in mir auch noch ein anderer Teil. Ich konnte nicht so schnell entscheiden, ob ich dieses Schicksal wirklich wollte. Ich hatte immer gern gelebt, auch wenn ich wiederum nicht jede Sekunde voll und ganz ausgekostet hatte, und vielleicht wäre alles auch noch anders geworden. Während ich so in meine Gedanken versunken da saß, merkte ich nur flüchtig, wie Kaoru sich erhob und sich hinter mich stellte. Meine volle Aufmerksamkeit erhielt er erst, als ich seinen Atem hinter mir spürte, er wie zärtlich meine Haare nach hinten streifte, meinen Hals freilegte. “Kaoru…”, wisperte ich leise. “Ich… ich weiß nicht, ob ich es wirklich will…” “Du wärst ein schöner Vampir. Schön und mächtig, wenn du erst einmal so alt bist, wie ich.”, flüsterte er mir weiter ins Ohr, hatte sich schon hinab zu mir gebeugt. “Der Nacht kann man vertrauen wie niemand anderem. Die Welt im Tageslicht hat keinen jemals glücklich gemacht. Deshalb fühl die Nacht, die wahre Wirklichkeit.”, fuhr er fort. Seine Worte waren noch mehr Rausch, vielleicht schon so stark, wie es sich anfühlen würde, ein Vampir zu sein. Schon in diesem Moment spürte ich, wie so eine unnatürliche Atmosphäre uns umgab, unnatürlich, angesichts dessen, dass er ein Vampir, ich Mensch war. Es war fast schon wie zwischen zwei Verliebten, die sich jeden Moment lieben würden. Schon allein mit seiner Nähe verstärkte er dieses Gefühl, diese Gedanken nur noch mehr. Heute wusste ich, dass es seine im Vampir angeborene Anziehungskraft war, die er in diesem Moment nur noch mehr auslebte. Er wollte erreichen, dass ich aus freien Stücken ein Vampir sein wollte, zumindest gewissermaßen aus freien Stücken. Genauso wusste ich allerdings auch, dass ich nicht alles auf sein Vampirdasein schieben konnte. Ich fühlte mich so schon zu ihm hingezogen. Er hatte in mir etwas ausgelöst, nachdem er ein Jahr für mich da war, mir zuhörte, mich tröstete. Ich ignorierte eventuelle Bedenken vollkommen. Er war ein Vampir, und? Er war ein Mann, und? Er war für mich da gewesen - das ganze letzte Jahr. Und in dieser - aus seiner Sicht - kurzen Zeit, war er so bedeutend für mich geworden und ich mochte ihn wirklich sehr. Vielleicht sollte ich alleine deswegen ebenfalls ein Vampir werden. Gefährten konnten leicht auch Liebende werden und als Vampire waren wir fernab von Vorurteilen. Ich schüttelte den Kopf, wusste nicht einmal was ich hier eigentlich dachte. Im selben Moment wurde ich hochrot, als mir bewusst wurde, dass Kaoru alles mitbekommen haben konnte, wenn er meine Gedanken in diesen Momenten las. “Es ist in Ordnung, Daisuke.”, flüsterte Kaoru, gab mir die Bestätigung, dass er meine Gedanken gelesen hatte. Gleichzeitig gestand er mir schließlich noch selbst, dass auch ich bei ihm Interesse geweckt hatte, wie es schon lange kein Mensch, geschweige denn ein Vampir getan hatte. Ich seufzte laut, schloss die Augen, und dachte darüber nach. Diese Tatsache ließ alles in einem völlig anderen Licht erscheinen. Ich hatte wirklich nichts zu verlieren, sondern vielmehr zu gewinnen, vielleicht war es Ablenkung genug, vielleicht ein kompletter Neuanfang. Und einen Neuanfang konnte ich wirklich gebrauchen. Zumindest dachte ich damals so, heute wusste ich, dass diese Entscheidung doch zu übereilt war. Gegen die sich entwickelnden Gefühle konnte ich nichts tun, das wusste ich heute, aber auch als Mensch hätte ich ihm nahe sein können, hätte in Ruhe darüber nachdenken können, was ich wollte. Kaoru hatte mich letztendlich regelrecht überfallen. Für ihn stand es schon fest, dass er mich verwandeln wollte, und so wie er mich ansah, wie er schon hinter mir in der richtigen Position stand, hätte er mich wohl auch ohne mein “ja” verwandelt. Ich jedenfalls schloss meine Augen und seufzte leise. Also sollte es einfach so geschehen. Ich dachte es nur, aber ich wusste, dass Kaoru es schon erfahren würde. Kaum war es gedacht, versenkte er auch schon seine Zähne in meinem Hals. Ich spürte einen kurzen Schmerz, riss meine Augen weit auf und krallte die Finger in die Armlehnen. Ich schrie kurz auf, verstummte aber ebenso schnell wieder. Und dann wusste ich nichts mehr. Die nächsten Minuten, oder vielleicht waren es auch nur Sekunden, waren weg. Ich wusste nicht, was ich während meiner Verwandlung fühlte, welche Schmerzen ich vielleicht noch empfand. Das Nächste, an das ich mich erinnerte, war dass ich ein lautes Grollen hörte. Es stammte von mir. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und versuchte mich zu orientieren. Ich lag nun auf dem langen Sofa, Kaoru saß in dem Sessel, in dem ich zuvor war, und richtete seinen Blick starr auf mich. Die Farben waren nun so intensiver, ich erkannte jede Kleinigkeit in dem Raum. Auch meine anderen Sinne waren schärfer geworden, aber erst Minuten später strömten plötzlich alle Einflüsse auf mich ein. Ich glaubte mein Kopf würde platzen. Ich wusste nicht, wohin ich mit diesen Einflüssen sollte und schrie einfach nur, kniff die Augen zusammen, presste meine Hände auf die Ohren und rollte mich auf dem Sofa zusammen. Es waren so unbeschreibliche Schmerzen, die mich alle auf einmal beherrschten, jede einzelne Faser meines Körpers schien ich zu spüren. Kaoru reagierte sofort. Er zog mich auf die Beine und lotste mich über zahllose Stufen hinab in den Keller, zu den Särgen, die dort standen. Hier unten war ich schon weit mehr geschützt und von allem abgeschirmt. Ich seufzte erleichtert auf und ließ mich dankbar an den Steinsockel, auf dem sein Sarg stand, gelehnt nieder. Er kniete sich einfach einige Minuten stumm neben mich. Irgendwann, ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, streckte er mir dann seinen Arm hin und wies mich an zu trinken. Ich musste mich stärken. Ich zögerte noch einen Moment, sah ihn unsicher an. Doch nach seinem weiteren Drängen griff ich seinen Arm und biss ihn schließlich ins Handgelenk. Kaoru stöhnte selbst auf, vor Wohlgefallen, denn er lächelte dabei. Ganz langsam begann ich zu schlucken, immer mehr von seinem Blut in mir aufzunehmen. Ebenso langsam rann sein Blut mir die Kehle hinab. Es war wider meiner Erwartungen kalt, aber nichtsdestotrotz wie Balsam. Ich spürte förmlich, wie es sich in meinem Körper verteilte, wie ich mehr und mehr gestärkt wurde. Es war ein noch so unbeschreibliches Gefühl. Aber es war gut, es war beruhigend. Und ich spürte förmlich, wie sich jede Faser meines Körpers nach diesem Geschmack sehnte. Ich wurde immer gieriger danach und Kaoru musste seinen Arm irgendwann regelrecht wegziehen, damit ich von ihm abließ. Diesen Moment konnte ich jedenfalls nie wieder vergessen. Es war der erste Moment da ich Blut trank, etwas dass ich ab sofort fast jede Nacht tat, auch wenn es mir anfangs so zuwider war, einen lebenden Menschen einfach so auszusaugen. Ich streikte, wer weiß wie oft, und ließ es soweit kommen, dass Kaoru mich regelrecht zwingen musste. Er wusste, dass ich noch lieber seines trank, auch wenn es ihn selbst schwächte. Manchmal ließ er es zu, manchmal zwang er mich von einem Menschen zu trinken. Sein Blut war aber nur ein Grund, wieso ich auf ihn angewiesen war. Vielmehr bedeutete er mir auch als Freund etwas. Ich entwickelte mit der Zeit schließlich noch mehr so viele, so starke Gefühle für ihn, die ich als Vampir so intensiver spürte, als ich es jemals gedacht hatte. Oh ja, ich liebte ihn wirklich und er mich. Wir genossen unsere Zweisamkeit über Jahre, Jahrzehnte hinweg. Er war alles, was ich hatte. Aber so sehr ich seine Nähe genoss, ohne Probleme und Sorgen war diese Zeit auch nicht. Ich haderte schon bald mit meinem Schicksal, fragte mich, ob es richtig gewesen war, ob es das alles wert gewesen war, ob ich nicht zu schwach gewesen wäre, und nicht einfach hätte abwarten sollen, was die Zeit ergeben hätte. Kaoru holte mich immer wieder aus diesem tiefen Sumpf der Verzweiflung heraus, redete mir ein, dass ich die Entscheidung nicht allein gefällt hatte. Er wollte es auch so, er wollte mich verwandeln, um nicht länger sein Dasein als einsamer Vampir fristen zu müssen. Einsamkeit war das letzte, was ein Vampir ertragen konnte. Sie war das einzig wirklich schmerzhafte, das auch nicht mit der Zeit verheilte. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. In dieser Nacht meiner Verwandlung hatte er selbst wieder eine Phase, in der er geplagt war von seiner Einsamkeit, und hätte mich auch ohne mein Zustimmen verwandelt. Seine Worte wirkten immer wieder, so erstaunlich es war. Vielleicht begann ich auch deshalb so viel für ihn zu empfinden, weil er mich genau kannte. Meine Gedanken konnte er zwar nicht mehr lesen, denn ich lernte sie zu kontrollieren, sie zu verschließen vor ihm und anderen Vampiren. Aber dennoch schien er mich irgendwann auch fast schon genauso gut zu kennen, wie ich mich selbst. Ich lernte auch noch eine ganz andere Tatsache, die mein Dasein bestimmen sollte: Die Grenze zwischen Freude und Trauer war ein schmaler Grad, der nur zu leicht überschritten werden konnten. Trotz der Probleme und meiner Deprimiertheit empfand ich in dieser Zeit immer eigentlich Freude. Doch ohne wirklich tiefe Trauer ging es nun mal nicht. Und diese kam viel zu schnell. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5 Es verging über ein Jahrhundert, seit ich nun ein Vampir war. Vielleicht war ich zu dieser Zeit zu sehr mit meinen eigenen ab und an vorkommenden Sorgen beschäftigt. Vielleicht konnte er seine Gefühle nur gut verstecken, so wie er bereits seine Gedanken so gut wie vollkommen vor mir verschließen konnte. Was er nicht wollte, das ich wusste, konnte ich auch nicht erfahren. Jedenfalls ahnte ich in dieser Zeit nie wirklich, wie Kaoru auch immer mehr mit seinem eigenen Dasein haderte. Zumindest dachte ich niemals wirklich daran, dass ihn sein Leben so sehr beschäftigte, wie es das letztendlich tat. Und doch konnte ich ihn nur zu leicht verstehen. Er war sehr viel länger als ich auf dieser Welt, hatte alles erlebt, alles gesehen. Er zeigte auch mir, was zumindest in Japan so vor sich ging, brachte mich an Orte, die ich nur vom Hören kannte, die fernab meines Verstandes waren. Er zeigte mir auch die Umgebung, in der er selbst einmal gelebt hatte. Wir verweilten nicht lange dort, auch wenn es mich brennend interessierte, wer er einmal war. Doch sehr zu meinem Bedauern kehrten wir bald wieder auf das Anwesen zurück. Schon damals war es nicht mehr wirklich dieses einer Burg gleichende Gebäude, sondern war vielmehr mit den Jahren immer mehr verfallen, dass es nun mehr einer großen Villa glich. Uns machte es nichts aus, solange wir noch den ein oder anderen Raum hatten, an dem wir uns aufhalten konnten - und solche hatten wir immer noch zu genüge. So verstärkte sich für die wenigen Menschen, die sich doch noch einmal hierher verirrten, nur der Gedanke, dass die Burg unbewohnt war und ihr eigenes Schicksal mit der Zeit erfahren würde. Meist kam es ohnehin nicht so weit, dass sie irgendetwas ausplaudern konnten. Schließlich nutzten wir unsere Chance, wenn wir unsere Opfer schon auf dem Präsentierteller vor uns hatten. Doch das waren belanglose Dinge. Schon seit wir nach unserer Reise, die uns beiden als Ablenkung gereichte und uns nicht nur in diesem alltäglichen Trott wieder finden ließ, zurückgekehrt waren, hatte sich Kaoru verändert. Er war sein Leben seit diesem Zeitpunkt endgültig leid. Natürlich gingen wir so gut wie jede zweite Nacht jagen, aber oft musste ich schon alleine gehen. Kaoru gab mir auch immer weniger von seinem eigenen Blut. Wenn ich gewusst hätte, wohin sein Verhalten irgendwann hinführen würde, ich hätte mich gesträubt zu lernen mich selbst zu versorgen. Denn nichts anderes war es letztendlich: Kaoru wollte, dass ich für mich selbst sorgen konnte, dass ich alleine klar kam. Er selbst stand die ganzen weiteren Nächte meist nur auf dem großen Balkon der Villa, der sich an einem der Zimmer im Obergeschoss befand. Anfangs zwar nur ab und zu, doch irgendwann war es zur Gewohnheit geworden, dass er dort nur noch seine Zeit verbrachte. Er starrte einfach nur in die Nacht, über den Wald, die Lichter der Städte in unserer Umgebung, dem Horizont entgegen. Sein Blick schweifte weit in die Ferne. Er schien damit seine Sinne jede Nacht aufs Neue auszureizen. Was er in diesen Stunden dachte, konnte ich nicht im leisesten Hauch erahnen. Seine Gedanken waren noch mehr verschlossen vor mir, als sie es sonst immer waren. Heute konnte ich nur mutmaßen. Ich pflegte ihn immer in Ruhe zu lassen, wusste, dass er die Ruhe brauchte. Ohnehin wagte ich ihn kaum zu stören, nachdem er mich einmal in so barschem Ton angewiesen hatte zu gehen. Es tat ihm zwar sofort unendlich leid und er folgte mir, als ich mich von seinen Worten verletzt wieder auf den Weg nach unten gemacht hatte, aber dennoch. Ich wollte keinen Streit mit ihm. Wenn er nun mal seine Ruhe haben wollte, dann sollte es so sein. Nur gelegentlich ging ich zu ihm, blieb in sicherer Entfernung stehen, um mich zumindest zu vergewissern, dass er noch da war. Ich wusste zwar, dass er meine Anwesenheit schon spürte, als ich noch vor der Tür zu dem Zimmer stand, zu dem der Balkon gehörte, aber ich zog mich immer schnell zurück, als ich ihn unverändert dort stehen sah. Die ersten Nächte konnte ich sein Seufzen förmlich hören, als er bemerkt hatte, dass ich hinter der Tür stand, aber irgendwann schien es ihm egal geworden zu sein. Er kannte mich, ich machte mir schließlich auch nur Sorgen. Doch in dieser einen Nacht war etwas anders. Sie begann wie jede andere. Wir wachten beinahe zeitgleich nach Sonnenuntergang auf und unser erster Weg führte uns in die nächste Stadt, um unseren Durst stillen zu können. Kaum waren wir dann wieder zurück gekommen, war er auch bald schon wieder auf dem Balkon verschwunden und verweilte dort den Rest dieser Nacht. Es war dann noch vielleicht einige Minuten Zeit, bis die Sonne aufgehen würde. Von Kaoru hatte ich die letzten Stunden wie sonst auch nichts mehr gesehen. Etwas in mir sagte mir allerdings doch, dass ich zu ihm gehen und ihn bitten sollte, mit nach unten zu gehen. Langsam ging ich also die knarrenden Stufen hinauf, näherte mich immer weiter dem Balkon. Schon bevor ich Tür öffnete, spürte ich immer mehr, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich konnte ihn nicht mehr spüren. “Kaoru?”, flüsterte ich leise, während ich durch das Zimmer lief. Ich erkannte nichts auf dem Balkon, denn die seidenen Vorhänge des Fensters wehten durch die offenen Türen. Ich bekam ein beklemmendes Gefühl, atmete nochmals tief ein, bevor ich nach draußen trat. Aber von Kaoru war keine Spur zu sehen. “Kaoru?!“, rief ich beinahe schon panisch, horchte vollkommen auf meine Sinne, ob er nicht doch irgendwo in der Nähe war - ohne Erfolg allerdings. Dafür aber erkannte ich sechs, sieben Meter vor mir auf der Steinbrüstung einen faustgroßen Stein, der auf einem Stück Pergament lag. Ich schluckte schwer und ging langsam darauf zu, legte den Stein beiseite und las. Mein geliebter Dai, Bitte verzeih mir, aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Ich kann und will einfach nicht mehr so weiter machen, wie ich es bisher tat. Vielleicht verstehst du es, irgendwann oder schon heute, aber ich habe viel mehr erlebt. Ich habe nicht nur Gutes erlebt, sondern ebenso viel Schrecken in den Augen der Menschen gesehen, der nicht nur von der Angst über ihren bevorstehenden Tod durch mich herrührte. Ich bin froh, dass du in meiner Einsamkeit bei mir warst. Aber Einsamkeit ist nicht alles. Es frisst mich auf, ewig leben zu müssen. Natürlich ist es mir bewusst, dass ich dich selbst immer wieder davon überzeugte, dass auch dein Leben als Vampir lebenswert ist. Ich versuchte mir das auch selbst immer einzureden, aber nun kommt es mir doch nur alles als große Lüge vor. Es ist eine Lüge, die ich nun nicht mehr länger aufrecht erhalten kann und will. Eines bin ich dir aber noch schuldig: Eine Erklärung, wieso ich mich gerade jetzt dazu entschlossen habe, wo ich diese Gedanken doch schon länger in mir trage. Wir waren an dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, an dem mein Leben seinen Lauf nahm. Ich bin mit so vielem aus meiner Vergangenheit konfrontiert worden, habe mich an vieles zurückerinnert. Und ich habe so vieles erfahren, was ich nicht glauben konnte, was sich damals anders gestaltet hatte. Dai, meine Vergangenheit ist eine einzige Lüge. So vieles hat sich nun, nach Jahrhunderten von Jahren, als anders herausgestellt, als es wirklich war. Ich habe mich damals aus den falschen Gründen für den Tod entschieden, hatte falsche Vorstellungen von dem, wie meine Familie meinen Namen in Ehren halten würde. Frage mich nicht, wie ich die Wahrheit nun erfahren habe. Vielleicht wusste ich sie schon immer tief in meinem Unterbewusstsein, vielleicht lag sie in dieser vertrauten Luft, vielleicht sah ich sie auch in den Gedanken meiner Nachfahren. Wichtig ist letztendlich nur das, was ich gedacht hatte, wie naiv ich doch war, wie blind ich gewesen sein musste, nicht zu erkennen, was mir vorgemacht wurde. Und ich hatte mir wirklich viel vormachen lassen, nicht nur von meinem eigenen Schöpfer, sondern auch von meiner Familie, die mich letztendlich in den Tod getrieben hat. Für dich ist es belanglos, was genau damals war. Wichtig ist nur, dass ich nochmals dorthin zurück muss, mich vergewissern, dass das, was ich gesehen habe, nun die einzig richtige Wahrheit ist. Reine Formsache, wenn du es so nennen willst, denn ich habe keinerlei Zweifel daran, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Ich habe lange darüber nachgedacht. Wie das letzte Teil eines Puzzles hat sich nun alles, worüber ich sonst nur Fragen über Fragen hatte, zu einem einzig großen, deutlichen Bild zusammen gefügt. Aber dennoch brauche ich wirkliche Gewissheit. Vielleicht gibt es noch mehr, was ich damals nicht gesehen habe. Und was ich danach tun werde, weiß ich heute schon: Ich will kein weiteres Dasein hier auf Erden fristen. Ich kann nicht mit dieser Schande, diesen Vorwürfen, die mich innerlich schon die letzte Zeit fast aufgezehrt hatten, weiter leben. Bitte verzeih mir, aber ich werde gehen. Ich will noch ein letztes Mal das Meer sehen, will sehen, wie die Sonne am Horizont, weit hinter dem Meer aufgeht. Ich weiß, du wirst mich niemals vergessen, das werde ich dich auch niemals. Ich möchte, dass du auf meinem Anwesen bleibst. Es ist auch dir zum Zuhause geworden und hier wirst du immer in Sicherheit sein. Ich bin überzeugt davon, dass du soweit bist, für dich selbst sorgen zu können. Du wirst wieder einen Gefährten finden, dessen bin ich mir genauso sicher. Bitte such mich nicht. Versink nicht in Trauer, sondern fühl wenigstens du weiterhin die Nacht, fühl sie so, wie wir es zusammen immer taten. Dein dir treu ergebener Freund Kaoru. Immer wieder las ich diesen Brief erneut durch, auch wenn es mir immer schwerer fiel. Die Tränen standen mir in den Augen, verschleierten meinen Blick. Ich sah ihn heute noch vor meinem inneren Auge, spürte das Papier immer noch zwischen meinen Fingern, als hätte ich ihn immer noch in meiner Hand. In meinen Gedanken bildete sich dazu nur noch ein einziger Satz: Kaoru war von mir gegangen. So schmerzhaft es war, kam mir dann, nach etlichen Minuten, in denen ich mich regelrecht an diesen Gedanken gewöhnen musste, noch ein anderer Gedanke: Er ließ mich einfach im Stich. Diese Worte von diesem Brief waren das einzige, das ich noch von ihm hatte. Es tat innerlich so weh, ich wusste nicht, wie ich diese Schmerzen überhaupt in Worte fassen konnte. Kaoru war ein Teil von mir - wortwörtlich, denn sein Blut floss schließlich in meinen Adern. Er war es, der mich verwandelt hatte. Er war es aber auch, der für mich all die letzten Jahre da war, meine Einsamkeit erträglich machte. In mir gingen so viele Gedanken, so viele Gefühle auf einmal durch den Kopf. Ich empfand Wut, Hass, Verzweiflung, aber auch Verständnis, Liebe. Ich fühlte mich von ihm verlassen, aber ich wusste, dass ich genauso handeln würde. Er musste einfach klären, was ihn wirklich ausmachte. Die Vergangenheit gehörte zu einem wie ein Schatten. Man musste ewig mit ihm auskommen, das hatte ich schon früh von meiner Familie gelernt. Da war es das Mindeste zu verlangen, dass man alles über sie wusste. Und gehörte das nicht dazu, wenn man jemanden liebte? Konnte Liebe doch nur bestehen, wenn man denjenigen nicht erdrückte, ihn gehen ließ, wenn er es musste? Und musste man, um zu leben, nicht erst sterben? Er war nun doch schon lange genug gestorben, hatte sein Leben hinter sich gelassen, um nun wieder zu leben, das zu erfahren, was sein Leben ausgemacht hatte. Bis ich so denken konnte vergingen Jahre. Und bis dahin fühlte ich mich so verlassen, wusste kaum, was ich tun sollte. Ich versuchte mir das alles immer wieder einzureden - bis heute - und hatte damit sogar mehr oder weniger Erfolg. Natürlich war es die erste Zeit schwer gewesen, was anderes war auch nicht zu erwarten, wenn man denjenigen, den man so sehr liebte, verloren hatte, aber ich wusste es zu ertragen. Mit der Zeit gewöhnte ich mich einfach daran, konnte mich mit dem Gedanken, der Gewissheit anfreunden, dass ich ja nichts mehr ändern konnte. Kaoru wollte, dass ich ihn nicht suchte, und ich gehorchte ihm letztendlich. Ich erwischte mich zwar immer wieder dabei, wie ich mich doch schon fast auf den Weg zu ihm machen wollte, zumindest zu dem Ort, wo er aufgewachsen war, aber irgendwas hielt mich dann doch immer zurück. Es waren meine eigenen Gedanken, in denen ich mich tagtäglich selbst wieder damit auseinandersetzte, ob ich mich richtig entschieden hatte, zu einem Vampir zu werden. Was aus Kaoru wurde, wusste ich dann letztendlich nicht. Ich wusste nicht, ob er erfahren hatte, was er wollte. Ich hatte nur eines Nachts diesen Traum, spürte diese Hitze, Flammen stiegen meterhoch in die Luft. Dann war dort nur noch Asche. Kaoru musste den anbrechenden Tag abgewartet haben. War so lange dort sitzen geblieben, bis ihn die Sonne langsam zerfraß. Es musste ein langer, quälender Tod gewesen sein. Denn schon damals hatten sich unsere Körper zumindest soweit an die Sonne angepasst, dass wir nicht sofort verbrannten, wenn der kleinste Strahl auf uns schien. Es war noch nicht so wie heute, wo wir gut einige mehrere Minuten in der Sonne verbringen konnten, aber es war ein Anfang - ein Anfang dafür, bald doch nicht nur in der Dunkelheit gefangen zu sein, und ein Anfang dafür, noch länger und quälender sterben zu können. Dieser Traum zeigte mir jedenfalls Kaorus Ende, und den Anfang meines Leben als einsamer Vampir. Mit einem langen Seufzen beendete ich meine Gedanken, ließ die Kurzfassung meines Lebens an Kaoru und meine Vergangenheit wieder Erinnerung tief in meinem Bewusstsein sein. Tooru sah mich ohnehin schon unsicher, aber keinesfalls besorgt an. Als ich ihn dann selbst ebenso wieder ansah, lächelte er mich an und fragte doch, was ich gedacht hatte. Ich winkte nur ab und erklärte, dass es ein Teil meiner Erinnerung war, Erinnerungen, die ich ihm gegenüber noch nicht zeigen wollte - dafür waren sie immer noch zu schmerzhaft. Ich hatte zwar verarbeitet, dass Kaoru nicht mehr war, hatte es hingenommen, aber das bedeutete nicht, dass es nicht noch wehtun musste. Meine Zurückhaltung machte Tooru zwar noch neugieriger, aber er akzeptierte es so. Er wusste selbst gut genug, wie es war, wenn man über bestimmte Dinge nicht reden wollte. Stattdessen fragte er mich erneut, was er nun für eine Rolle spielen würde bei der Tatsache, dass ich so einsam war. Kaum hatte er jedoch diese Frage ausgesprochen, sah meinen viel sagenden Blick, als ich meinen Kopf wieder hob, wusste er die Antwort bereits selbst schon. Die Angst packte ihn wieder, er fragte aber dennoch langsam, mehr um Gewissheit zu haben, als aus sonst einem Grund: “Du… willst mich also… auch zu einem… Vampir… machen?” Ich nickte kaum merklich und erklärte, als er schon wieder ein Stück zurück gewichen war, dass ich das eigentlich wollte, aber ich wollte nicht über ihn hinweg entscheiden. “Wenn es dein wirklicher Wille ist zu sterben, wie du es schon so oft versuchst hast, dann helfe ich dir dabei. Ob du damit dann wiederum ein neues Schicksal erhalten möchtest, liegt genauso bei dir.”, erklärte ich ihm weiter. Tooru sollte die Wahl haben zwischen mehreren Möglichkeiten, eine Wahl, die sich mir nie wirklich gestellt hatte. Und gerade weil ich wusste, dass es eine Entscheidung war, die niemals wieder rückgängig gemacht werden konnte, erwartete ich nicht sofort eine Antwort. Ich war schon Jahrzehnte lang allein, was änderten dann daran noch ein paar Tage mehr? Ich wunderte mich daher nicht, dass Tooru eben dies verlangte: “Ich… Das kann ich nicht entscheiden… Nicht so schnell… Du weißt ja schon selbst gut genug, dass ich mir vielleicht nichts lieber wünschen würde, aber jetzt… Wenn sich meine Hoffnung endlich erfüllen würde, weiß ich nicht, ob ich es wirklich will… Ich brauche mehr Zeit dazu.” Er sah mich dabei so flehend an, hatte immer noch zumindest etwas Angst, dass meine Worte nur leer dahin gesagt waren und ich mir auch ohne sein Einverständnis das nehmen würde, was ich wollte. Aber ich nickte und gewährte ihm die Bedenkzeit nur zu gern. Ein Stein fiel ihm vom Herzen und hastig versicherte er mir, dass er sich nicht allzu viel Zeit lassen wollte. Ein, zwei, drei Tage sollten ihm ausreichen. Ich wiederum war zwar skeptisch, ob er sich nicht selbst unter Druck damit setzte, wenn er ein Limit setzte, aber ich nickte zustimmend, schlug ihm stattdessen lieber einen Treffpunkt vor, an dem ich die nächsten Nächte warten würde: Es gab eine alte zerfallene Ruine im Wald. Sie war mir des Öfteren auf meinem Weg zu Tooru oder in die Stadt aufgefallen. Und auch Tooru wusste sofort, was ich meinte, wo sich diese Ruine befand. “Wenn du dorthin kommst, egal mit welcher Entscheidung, ist es gut. Aber auch wenn nicht, ist es das. Dann hast du mich das letzte mal gesehen und ich bitte dich nur, nie ein Wort darüber zu verlieren, was du heute Nacht erfahren hast.” Der Junge nickte schnell, beinahe ergeben, und versicherte mir mehrmals, dass er nichts sagen würde und dass er sich beeilen würde, zu einer Entscheidung zu kommen. Dann war es auch wieder an der Zeit, mich zu verabschieden. Es würde ohnehin bald wieder hell werden. Ich spürte seinen Blick noch lange in meinen Rücken, als ich im Wald unter dem sicheren Schutz der Bäume verschwand und nicht mehr als ein Schatten meiner selbst war. Tooru legte sich bald schlafen, genau wie auch ich mich in der Hütte angekommen auf meinen Schlafplatz niederlegte. Ich schlief mit dem Gedanken ein, dass es eine der letzten Nächte hier sein würde, er mit dem Gedanken daran, was er in dieser Nacht erfahren hatte, etwas, wovon er nicht einmal in seinen leisesten Träumen hatte ahnen können. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6 Der nächste Abend begann so wie es langsam schon zur Routine für mich geworden war: Kaum war die Sonne verschwunden, hatte alles in Dunkelheit getaucht, wachte ich auf, fluchte über die Wärme und vertrieb diesen Gedanken so schnell wie er gekommen war wieder. Diesen Abend zog ich mich schneller an und machte mich so bald wie möglich auf den Weg zu dieser alten Ruine. Es war eine kühle Nacht, wolkenlos und sternenklar. Dazu war es finster und stockdunkel. Kurzum, es war genau eine solche Nacht, wie ich sie liebte. Ich sog jeden Luftzug tief in mich ein, nicht nur, um die Nacht genießen zu können, sondern auch um mich zu beruhigen. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, aber nichtsdestotrotz war mir die Neugier regelrecht ins Gesicht geschrieben und ich wollte so bald wie möglich dort sein. Ich bewegte mich schnell durch den Wald, schwebte so gut wie über dem Boden. Manchmal konnte es schon praktisch sein, ein Vampir zu sein - nach dem Motto, höher, weiter, schneller ist am Besten. Ich schüttelte den Kopf. Solch belanglosen Gedanken hatte ich immer wieder zu genüge. Ich wusste, dass sie zum Leben dazu gehörten, aber ich hasste sie, speziell in solchen Momenten, in denen ich angespannt war und viel lieber über andere Dinge nachdachte. Außerdem erhoben sich schon bald beinahe gespenstisch direkt vor mir auf einer kleinen Anhöhe große Steinbrocken. Die Ruine. Sie war ringsum umgeben von großen, mächtig wirkenden Eichen zu ihrem Schutz und war so nur schwer zu finden, wenn man nicht wusste, wo sie sich befand. Mit diesen nun überall herum liegenden, meist zerstörten Steinquadern musste einst eine prächtige, majestätische Burg erbaut worden sein. Heute war davon nicht mehr viel übrig außer ein paar Bruchstücken von Wänden, die einzelne Räume erahnen lassen konnten und all die Jahre Wind und Wetter standgehalten hatten. Ich schloss meine Augen, um alle Eindrücke auf mich einwirken zu lassen. Es gab sogar noch einige Räume, die Kerker, die das, was hier einst geschehen war, mehr oder weniger unbeschadet überstanden hatten. Ich machte mir schließlich keine weiteren Gedanken darüber, sondern suchte mir einen Platz bei einem ebenfalls so gut wie zerstörten Brunnen im einstigen Garten inmitten der Burg. Hier war ich durch weitere Eichen und Sträucher, einige Steinsäulen und zumindest mannshohe Reste der Steinwände etwas versteckt und würde nicht sofort erkannt werden. Ich selbst aber konnte den Großteil meiner Umgebung über den leicht abfallenden Hang einsehen, oder zumindest mit meinen Sinnen erfassen. Während ich so auf dieser mit Moos bewachsenen Mauer des Brunnens saß, musste ich eingestehen, dass ich wirklich nicht die kleinste Idee hatte, ob Tooru schon in dieser Nacht kommen würde, ob er schon so weit war, eine Entscheidung gefällt zu haben. Zumindest wusste ich dann nicht, ob sie seinen wirklichen Willen widerspiegelte, oder nicht viel mehr von Druck und Angst geprägt war. Und ob ich dann mit diesen Vorstellungen seinem Wunsch nachkommen konnte und wollte. Ich verbot mir so oder so einen Weg in seine Gedanken zu suchen, auch wenn es mir ein leichtes gewesen wäre. Je größer die Distanz, umso schwieriger wurde es. Aber hier war ich eigentlich näher bei ihm als in der Hütte. Aber ich wollte, dass er mir selbst sagte, was er wünschte, ob er nun von mir in einen Vampir verwandelt werden wollte, oder gar dass ich ihn töten sollte, indem ich von ihm trank, oder er nichts von alle dem wollte, sondern einfach nur weiterleben. Vielleicht war es auch einfach Schutz für mich selbst, dass ich seine Gedanken nicht lesen wollte. Mir lag viel an ihm, auch wenn ich ihn kaum kannte, ich mich genau genommen aus purer Faszination zu ihm hingezogen fühlte. Nur deshalb war es mir überhaupt auch in den Sinn gekommen, ihn zu meinem Gefährten zu machen. Ich schüttelte den Kopf, um mich selbst von dem Gedanken zu lösen, dass es nur Faszination war. Ich wollte ihm wirklich helfen und das konnte ich nur auf diese zwei Wege: entweder ich verwandelte ihn in einen Vampir, oder ich tötete ihn. Wenn er meine Hilfe nicht wollte, konnte er ja immer noch Möglichkeit Drei wählen: weiterleben. Ich atmete tief ein. Ich bezweifelte es ja ohnehin, dass er diese Nacht schon zu mir kommen würde. Zumindest schätzte ich ihn so ein und hatte am gestrigen Abend das Gefühl bekommen, dass er diese Entscheidung wirklich nicht schnell fällen konnte. Natürlich konnte ich mich auch irren, aber selbst wenn, war es immer noch in Ordnung. Ich wollte ihn ja keineswegs zu etwas zwingen, oder ihn unter Druck setzen. Wenn er bereit war, war er bereit. Ich sollte mir darüber nicht mehr so viele Gedanken machen. Nur deshalb hatte ich ihm die alte Ruine als Treffpunkt vorgeschlagen. Wenn er kommen wollte, konnte er das gerne tun, wenn nicht, konnte er es genauso gut lassen und musste mich nie wieder sehen. Und ich selbst würde diese Tage schon noch aushalten, bevor ich endlich wieder den Heimweg zu meinem Anwesen antreten konnte. Und nach dem, was ich so von ihm erfahren hatte, wie ich ihn mittlerweile einschätzte, würde er zu seiner Entscheidung stehen, egal, wann und wie schnell er sie gefällt hätte. Das sollte ich neben allem auch nicht vergessen. Ich sollte einfach abwarten, was mir die nächsten Nächte brachten. Und damit ließ ich die Sorgen und Bedenken hinter mir und dachte über andere Dinge nach, hörte in die Nacht hinein. Irgendwann später in dieser Nacht, es musste schon weit nach Mitternacht sein, lag ich ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt auf dieser breiten Mauer, die das Innere des Brunnens ausmachte. Plötzlich hörte ich es - ein leises Rascheln, das immer näher kam. Ich lauschte angespannter in die Dunkelheit, bereit jeden Moment aufzuspringen und mich über Baumwipfel zu hangeln und so besser zu verstecken, für denjenigen, der dort kam, nur ein Vogel in der Nacht war. Dann hörte ich aber schon die schnelle Atmung, den stetigen Herzschlag, und beides war mir so vertraut geworden, dass ich dies nur einem zuordnen konnte: Es war Tooru. Er bahnte sich langsam einen Weg durch dichtes Gestrüpp, vorbei an den uralten Bäumen und kam der Ruine immer näher. Kaum sah er sie schließlich vor ihm, machte sein Herz einen Sprung und er blieb kurz stehen. Er schluckte schwer, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und durch den einstigen Torbogen lief. So wie ich immer noch auf der Mauer lag würde er mich schon bald finden, wenn er nur weiter gerade aus ging. Zumindest soweit führte ich ihn Gedanken und half ihm so etwas, mich schneller finden zu können. Kaum war dieser Gedanke beendet, hörte ich ihn auch schon mit leiser Stimme fragen: “Dai…?” “Ja…”, murmelte ich ihm als Antwort, bevor ich meine Augen öffnete und mich aufsetzte, ihn einfach nur musternd ansah. Er stand einige Meter vor mir, inmitten einiger größerer Steinbrocken. Er trug schwarze Stiefel, ebenso schwarze ausgewaschene Jeans und darüber ein schlichtes graues Hemd, das er nur teilweise geschlossen hatte und mir so einen guten Blick auf den wohlgeformten Körper darunter gestattete. Eine Hand hatte er tief in der Hosentasche vergraben, die andere hing schlaff an seiner Seite und hob eine schwarze Jacke und eine schlichte schwarze Tasche. “Ich hab nicht wirklich gewusst, ob ich irgendetwas brauche oder so… Jedenfalls hab ich mein mir wichtigstes Zeug zusammen gepackt…”, erwiderte er irgendwie beschämt, als er meinen Blick auf die Tasche bemerkte. Ich lächelte und erwiderte: “Das ist okay. So stellt wenigstens keiner Fragen, wenn es so aussieht, als hättest du nun wirklich deinen eigenen Weg eingeschlagen.”, meinte ich noch mit der Schulter zuckend. Außerdem gehörte es wohl dazu, dass er seine persönlichen Sachen bei sich haben wollte. Mir war dies nicht mehr vergönnt gewesen. Kaoru hatte mich damals so schnell von meinem einstigen Zuhause weggebracht, dass ich außer der Sachen, die ich trug, nicht mehr viel bei mir hatte. Ich verwarf diese Gedanken an damals wieder und widmete mich Tooru. Wie er jedenfalls so da stand wirkte er einerseits vollkommen gefasst und sicher, entschlossen. Ein zweiter Blick sagte mir aber, dass er erschöpft war. Das viele Nachdenken hatte ihm tiefe Augenringe beschert. Was mich aber mehr erfreute war die Tatsache, dass er akzeptierte, was ich war. Denn von dieser Angst, die ihn gestern immer wieder befallen hatte, war nicht mehr der kleinste Hauch zu spüren. Und er hatte natürlich eine Entscheidung gefällt. Mein Herz schlug fast ein wenig schneller, als mir im selben Moment bewusst wurde, dass die Chancen dafür, dass er mein Gefährte wurde, wieder höher wurden. Wir sahen uns noch einige Momente länger an, bis ich mich schließlich ganz von der Mauer erhob und auch vor ihm stand. “Ich freue mich, dass du hierher gekommen bist.”, begann ich lächelnd. “Auch wenn ich ehrlich gesagt noch nicht damit gerechnet hatte. Damit fällt aber die Wahl darauf, dass du weiterleben willst wie bisher, scheinbar schon mal weg. Würde ich mal meinen.” Tooru nickte zustimmend. “Genau das soll es auch bedeuten. Aber ich habe ja nichts zu verlieren. Und noch länger nachzudenken würde mir nichts bringen, außer dass es mir noch schwerer fiel, mich zu entscheiden.”, fügte er nachdrücklich hinzu. Auch in seiner Stimme klang so viel Entschlossenheit mit, dass ich nicht wagte, weiter an seiner Entscheidung zu zweifeln, sondern sie so hinzunehmen, wie er sie mir in wenigen Minuten mitteilen würde. Ich atmete nochmals tief ein, bevor ich die alles entscheidende Frage stellte: “Und wofür hast du dich entschieden, Tooru?” Kaum hatte ich das letzte Wort gesprochen, sah er mich so viel sagend an, so flehend, dass ich beinahe schon erahnen konnte, was er wollte. Er war nur durch seine Gesichtsausdrücke wie ein offenes Buch. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er genauso gut wie ich wusste, dass er etwas wollte, und nur ich fähig war ihm das zu geben. Er musste sich daher ja mir gegenüber öffnen. Nur noch als Bestätigung meiner Beobachtung sprach er schließlich: “Ich will, dass du mich zu dem machst, was du bist. Ich will ein Vampir sein!”, und ging damit ein paar Schritte auf mich zu. Mein Herz tat einige Sprünge, als ich es wirklich hörte, meine Wünsche und Sehnsüchte in Erfüllung zu gehen schienen. Ich freute mich wirklich über diese Entscheidung, so wie ich es schon lange nicht mehr wirklich tun konnte. So sehr ich mich aber auch freute, ich sah es als meine Pflicht an, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und auch ihm noch mal die negativen Seiten vor Augen zu führen. “So sehr mich diese Entscheidung auch ehrt, aber ich hoffe, sie ist gut überlegt. Und ich habe dir nicht zu wenig über die Schattenseiten erzählt.” Tooru schüttelte vehement den Kopf. “Doch, das hast du. Und ich habe lange darüber nachgedacht, habe alles gegeneinander abgewogen. Und ich bin zu keinem anderen als diesem Ergebnis gekommen.”, antwortete er mir völlig bestimmt. Ich konzentrierte meine Sinne doch auf diesen einen Satz, seine Empfindungen dabei - und ich konnte nicht den kleinsten Hauch von Skepsis entdecken. “Gut. Ich habe verstanden. Dennoch, Folgendes darfst du niemals vergessen, ja du wirst es später sogar niemals, denn es wir dir immer nachhängen, wie dein eigener Schatten: Du wirst niemals altern, sondern immer so jung bleiben, wie du es jetzt bist. Du wirst immer so aussehen wie jetzt. Natürlich kannst du deine Frisur verändern, die Haare färben oder dergleichen, aber das war es. Du bleibst immer der gleiche. Du wirst nie wieder einen Tag mit seinen sonst immer so wärmenden Sonnenstrahlen genießen können. Diese paar Minuten, die du bei Tageslicht verbringen wirst, kann man keinesfalls als Genuss bezeichnen. Die erste Zeit als Vampir solltest du Tageslicht sowieso eher ganz meiden. Sich an das grelle Licht zu gewöhnen braucht Zeit, sehr viel Zeit. Doch diese Zeit hast du auch. Denn das Wichtigste ist: Du wirst ewig leben. Kleinere Wunden und auch solche, von denen du meinst, ein Mensch wäre daran schon lange gestorben, verblassen bei dir in Windeseile und lassen alles so zurück, als wäre nie etwas geschehen.” Ich wusste, dass das alles wie ein riesengroßer Vortrag klang, aber er musste sein. Tooru hatte zugehört, das konnte ich aus dem Seufzen schließen. Er ging die letzten Schritte schließlich auf mich zu, bis uns nur noch ein Hauch von Luft trennte. Ich konnte seinen Atem schon auf meiner Haut spüren, seinen Herzschlag laut und deutlich hören. Als er mir seine Hände auf die Schultern legte und mich eindringend, flehend ansah, verstärkte sich dieses Gefühl nur noch. “Ich will, dass du mich zu einem Vampir machst. Ich habe sonst nichts zu verlieren. Als Mensch will ich sterben, dann kann ich doch wenigstens zusehen, was ich aus meinem sonst so trostlosen Dasein danach anfange. Vielleicht wird es als Vampir ja mal besser. Aber auch wenn nicht unbedingt, schlimmer als was ich schon erlebt hab, kann es nicht werden. Und außerdem… Ich bin ja nicht allein. Ich habe doch dich, der mir hoffentlich noch lange als Freund erhalten bleiben wird. Ich habe zwar sonst nicht viel mehr Ahnung von dem Leben als Vampir, ja kenne dich noch nicht einmal richtig, aber ich weiß doch, dass ich gerade dich die erste Zeit brauchen werde.”, meinte er schließlich voller Überzeugung. Ich wusste nicht, was ich noch weiter dagegen halten sollte. Ich hatte ihm noch einmal alles wichtige gesagt, was ich meinte, was gesagt werden musste. Und er wusste, was er wollte und was das alles für ihn bedeutete. Was wollte ich dann noch mehr? Besser konnte es wohl kaum noch kommen. Ich bekam schon genau das, was ich mir für den Moment schließlich wollte: Ich erhielt einen Gefährten, konnte die Einsamkeit endlich wieder hinter mir lassen. “Na schön, du hast mich überzeugt. Dann werde ich deinem Willen nachkommen.”, erklärte ich schließlich. Tooru nickte und fragte leise: “Okay… Wird es… wird es sehr wehtun?” Ich konnte daraufhin nur den Kopf schütteln. Ich wusste es nämlich nicht. Ich wusste von allem vor meiner Verwandlung und allem danach. Aber ich konnte mich nicht mehr an diesen einen Moment erinnern, was ich selbst dabei gefühlt habe. Genau so erklärte ich es ihm, es brachte schließlich nichts, ihn jetzt anzulügen oder unnötig falsche Erwartungen zu wecken: “Ich weiß es leider nicht… Ich kann dir nur versichern, dass ich die ganze Zeit bei dir sein werde.” Der Junge nickte wieder und versuchte seine Sicherheit, die er so lange vor mir gezeigt hatte, nicht zu verlieren, trotz der Unwissenheit darüber, was ihn nun in den nächsten Minuten genau erwartete. Ich ließ ihm einen Moment seine Gedanken noch einmal zu sammeln, sich irgendwie auf alles einzustellen, was ihn erwarten konnte. Ich selbst setzte mich schon wieder auf die Mauer und beobachtete ihn, versuchte mir alles an seinem Äußeren zu merken, den letzten Moment, den er noch Mensch vor mir war. Ihn trennte nun nur noch ein Hauch von Schicksal von seinem neuen Dasein. Es vergingen schließlich nicht viele weitere Minuten, bis er bestimmt erklärte: “Gut, ich denke ich bin bereit.” Dann setzte er sich neben mich und sah mich an. Mehr konnte er nicht tun, jetzt lag es an mir, das zu tun, was nötig war. Und ich nickte ergeben. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Soi, das war also Kapitel 6, nachdems diesmal wieder länger gedauert hat mit hochladen... Nya, hab jetzt noch eins übrig, dann wars das auch schon mit dieser Story... ^^" Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7 Vorsichtig zog ich ihn zu mir, legte eine Hand an seine Kehle und drückte seinen Kopf sanft zurück. Er folgte meiner Bewegung und zog ihn schon selbst weiter in den Nacken. Er entblößte mir so seinen Hals, die Adern darunter, durch die das Blut nur noch mehr zu pulsieren schienen, als ich mit meinen Fingern sanft darüber strich. Es schien genau zu wissen, dass es das letzte mal durch diesen Körper floss. Ich näherte mich dann mit meinem geöffneten Mund seinem Hals. Meine spitzen Zähne wuchsen wie automatisch, kaum roch ich sein frisches Blut. Alle meine Sinne konzentrierten sich auf meine Lippen, meine Zunge, die in wenigen Sekunden sein junges Blut kosten durften. Ich wollte keinen noch so kleinen Moment davon verpassen, und alles in mir sehnte sich schon so danach, seinen Geschmack zu erfahren. Jedes Blut schmeckte anders und ich wollte, dass sich der Geschmack Toorus in meinen Verstand presste. Ich wollte ihn nie wieder vergessen, genauso wie meine Faszination für ihn selbst nie abklingen sollte. Ich hatte zwar noch nie jemanden verwandelt, geschweige denn dabei zugesehen, aber ich wusste instinktiv, was ich tun musste. Ohne weiter zu zögern versenkte ich dann unendlich langsam meine Zähne in seinem Hals. Ich spürte regelrecht, wie sie eine Hautschicht nach der anderen durchbohrten, immer näher der Ader darunter kamen. Schon der erste Schluck seines Blutes, der meine Kehle hinab floss, erweckte ein belebendes, wohltuendes, stärkendes Gefühl in mir. Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an, nach längerer Zeit wieder junges Blut kosten zu dürfen, zu spüren, wie es meinen Körper mehr und mehr stärkte. Das Blut von jungen Menschen, war noch so unbeschreiblich rein und konnte einen Vampir richtig in Ekstase versetzen. Es war zwar nicht mehr zu vergleichen mit dem reinsten Blut von Kindern, aber es war immerhin etwas, das in diese Richtung ging. Ich konnte mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte mal das Blut eines jungen Mannes oder einer jungen Frau getrunken hatte. Ich hatte meine Prinzipien und wollte nie ein Leben von jungen Menschen auslöschen, wenn es Aussichten darauf gab, dass ihnen noch ein langes Leben bevorstand. Und wenn es noch so belebend sein wollte. Ich schüttelte in Gedanken meinen Kopf. Das waren belanglose Dinge. Tooru war in diesem Moment sehr viel interessanter für mich. Und sein Blut schmeckte mir besser als alles zuvor. Vielleicht wollte ich das auch nur so sehen, weil ich ohnehin so angetan war von ihm, aber im Endeffekt war es auch egal. Ich ließ mir unendlich viel Zeit, ihn auszusaugen, stets darauf bedacht auch keinen noch so kostbaren Tropfen zu verlieren. Ich wollte nichts falsch machen und womöglich den Moment verpassen, wenn sein Herz stehen blieb. Ich wusste, dass ich nicht zu viel von ihm trinken durfte, bevor ich ihn noch ganz tötete. Ich musste genau diesen Moment abpassen, wenn sein Herz den letzten Schlag tat. Ich verdrängte dann, auch wenn es mir noch so schwer fiel, meine Gedanken über diesen Blutrausch und konzentrierte mich auf Tooru selbst. Schon als ich nur mit meinen Zähnen angesetzt hatte und schließlich den ersten Schluck von ihm nahm, zog er sich schmerzerfüllt zusammen. Ich sah seine Finger, die sich in die Kante der Mauer krallten, bis sich schon das Weiße seiner Knöchel zeigte. Er musste bereits jetzt schon unendliche Schmerzen haben, aber er ertrug sie tapfer. Ohnehin wurde er mit jedem weiteren Schluck, den er verlor, mehr und mehr zu schwach, um irgendetwas zu tun. Seine Atmung verlangsamte sich, sein Herz schlug weniger. Er sank immer weiter zurück in meinen Arm, den ich wie beschützend unter seinen Rücken hielt. Es dauerte nicht lange, bis er sein Bewusstsein verlor. Ich erkannte es, als seine Augen sich langsam schlossen und sein Körper vollends auf meinem Arm unter seinem Rücken ruhte. Ab diesem Zeitpunkt würde es nicht mehr lange dauern, bis auch sein Herz aufhörte zu schlagen. Ich tat noch ein paar weitere, langsame Schlücke, dann war es soweit. Ich zog sofort meine Zähne aus seiner Haut, leckte sanft über den Biss und nahm den letzten Tropfen Blut von ihm auf. Dann hörte sein Herz auf zu schlagen. Ich ließ ihn vorsichtig auf die Mauer gleiten, hob seine Beine auch hoch, dass er ruhig vor mir lag. Und so beobachtete ich ihn einfach nur. Seinen so makellosen Körper zierten nun zwei blutige kleine runden Wunden am Hals. Er sah nicht so aus, als würde er so gut wie tot sein, vielmehr als würde er nur schlafen. Natürlich wusste ich es aber besser. Ohne zu zögern biss ich mir selbst inmitten meines Handgelenkes. Ich schmeckte noch sein eigenes Blut auf meinen Lippen, vermischt nun mit meinem eigenen. Ich hielt mein Handgelenk über seinen Mund und benetzte seine Lippen mit etwas von meinem Blut, ließ einige Tropfen in seinen Mund fließen. Dann zog ich mich zurück auf die Figuren, die einst die Mitte des Brunnens zierten, saß dabei etwas erhöht und blickte auf ihn hinab. Ich hatte meinen Teil zur Verwandlung erbracht. Jetzt konnte ich nur abwarten und seinen Körper den Rest selbst erledigen lassen. Was nun passieren würde, wusste ich nun nicht mehr und deshalb beobachtete ich ihn umso gespannter. Die Minuten vergingen. Und es geschah rein gar nichts, nicht der kleinste Laut war zu hören. Es war beinahe gespenstisch. Ich machte mir schon Sorgen, ob ich nicht doch etwas falsch gemacht hätte. Wieder wurde mir dabei bewusst, dass ich noch nie eine Verwandlung vollzogen hatte. Ich wusste ja im Grunde nicht sicher, wie es funktionierte. Vielleicht hätte ich ihm doch ohne das kleinste Zögern von meinem Blut geben sollen, ihm mehr davon geben, oder gar doch mehr oder weniger von ihm trinken. Ich wusste es einfach nicht. Doch dann hörte ich das leise Stöhnen. Sofort sah ich auf Tooru und stellte erleichtert fest, dass er sich etwas regte. Im selben Moment begann er zu schreien, regelrecht zu kreischen. Es war so laut und unnatürlich, dass es mir durch Mark und Bein ging. Dazu vermischte sich dann noch das Geheule von Wölfen, das Gezwitscher und Gerufe von Nachtvögeln, die damit ebenso aufgescheucht wurden. Tooru drehte und wand sich vor mir. Er musste Höllenqualen und Schmerzen durchleben. Seine Augen starrten dennoch ausdruckslos in die Nacht über ihm. Der Schweiß stand ihm in großen Perlen auf der Stirn. Ich hatte erneut Panik, dass ich etwas falsch gemacht hatte. Ich musste mir schon selbst die Ohren zuhalten, weil ich seine Schmerzensschreie nicht mehr hören konnte. Dann sah ich ganz plötzlich selbst vor meinem inneren Auge Bilder vorbeiflackern. Irgendetwas in mir sagte, dass alles in Ordnung war. Denn ich sah mich schließlich selbst, bei meiner eigenen Verwandlung, spürte, dass ich damals selbst genauso litt wie Tooru es jetzt tun musste. Immer wieder hörte ich die beruhigenden Worte Kaorus in meinen Ohren: “Sshht, Dai… Es wird alles wieder gut. Gleich ist es vorbei. Die Verwandlung zu einem Vampir ist schmerzhaft. Ich kann nicht mehr tun, als einfach abzuwarten.” Dazu spürte ich sanfte Berührungen auf meiner Stirn und auf meiner Hand, wie er mich sanft streichelte. Ich wusste nicht, woher dieses Wissen so plötzlich kam. Doch ich vermutete, dass es schon immer irgendwie tief in mir geschlummert haben musste, wartete vielleicht nur darauf, zum Vorschein gerufen zu werden. Wie es auch immer war, ich konnte meine Panik so vergessen. Aber Tooru so vor Schmerzen aufschreien zu hören, war trotzdem nicht tröstlich. Ich sprang von der Figur, auf der ich gesessen hatte, und kniete mich neben Tooru. Ich strich ihm beruhigend über den Kopf, sprach dieselben Worte, wie ich sie einst von meinem Schöpfer gehört hatte, hoffte Tooru würde mich hören und es würde ihm helfen. Irgendwann, nach weiteren langen Minuten, beruhigte er sich schließlich langsam. Ich meinte, dass es das nun gewesen sein musste. Zumindest sah ich schließlich durch seinen offenen Mund, wie seine Eckzähne wuchsen und mir nur Sekunden später diese typischen Vampirzähne entgegen blitzten. Ebenso verschwanden auch die Bisswunden, die bis eben noch an seinem Hals waren. Er stieß noch einen letzten spitzen Schrei aus, dann verstummte er, lag still und mit geschlossenen Augen vor mir. Wieder konnte ich die Minuten zählen, bis er endlich seine Augen langsam öffnete, sich versuchte zu orientieren und mich schließlich sah. “Hallo, Tooru.”, flüsterte ich leise, wollte ihn nicht erschrecken. Ich lächelte ihn beruhigend an und half ihm sich langsam aufzusetzen. “Wie geht es dir?” Tooru schwieg zunächst, schien erstmal überlegen zu müssen, was er mir als Antwort geben konnte. Ich konnte nur noch bruchstückhaft wahrnehmen, was er dachte. Das war der Preis dafür, dass wir in unserem Blut vereint waren, er ein neuer Vampir durch mein Blut geworden war. “Ich… ich weiß es nicht.”, meinte er schließlich langsam. Das Sprechen fiel ihm noch schwer. Seine Stimme klang noch tiefer und rauer als sie es sonst war. Aber ich wusste, dass sich das mit der Zeit wieder geben würde. “Ich fühl mich benommen... Und… und mir ist schwindlig, alles dreht sich.”, meinte er schon weiter. Ich nickte. “Gut, das ist für den Moment normal. Du musst erst einmal trinken, um zu Kräften zu kommen. Hier, nimm von mir.” Dann streckte ich ihm mein Handgelenk, in das ich mich vorher selbst gebissen hatte und dessen Wunden schon wieder verschwunden waren, entgegen. Er sah mich unsicher an, wusste scheinbar nicht genau, was er tun sollte. “Beiß einfach zu und saug. Es ist in Ordnung.”, erklärte ich ihm. “Aber…”, setzte er an. “Schwächt dich das nicht selbst, wenn ich dein Blut trinke?” Ich schüttelte verständnisvoll den Kopf und konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Er war wieder so gut wie der Alte, wenn er schon alles hinterfragte. “Nein, nein. Es ist gut so, vorerst. Du musst etwas trinken, aber du bist noch nicht soweit, selbst auf die Jagd zu gehen. Also nur zu.” Um ihm zu verdeutlichen, dass ich keine Widerrede zulassen würde, streckte ich ihm mein Handgelenk noch weiter unter die Nase, dass er unwillkürlich den Geruch meines Blutes einatmen musste. Genau das tat er auch. Doch die Reaktion darauf war nicht wie erhofft, dass er von mir trank, sondern er zuckte erschrocken zusammen, hielt sich dann mit von Schmerz verzogenem Gesicht die Ohren zu, kniff die Augen zusammen. Der Grund dafür war mir sofort klar, als ich ein paar Bruchstücke seiner Gedanken aufnehmen konnte: Ich hatte vollkommen vergessen, dass alle seine Sinne schärfer geworden waren, er alles viel intensiver wahrnahm. Und der Geruch von Blut, noch dazu von einem Gleichgesinnten, hatte in ihm irgendetwas ausgelöst, dass alle Einflüsse unserer Umgebung, die ich schon lange nicht mehr hörte, sie zumindest gekonnt verdrängen konnte, ungehindert auf ihn einströmten. Ich verfluchte mich für meine Dummheit, denn ich hätte das ahnen müssen, dass es Tooru genauso ergehen könnte. Schließlich war es bei mir genauso gewesen: Erst Minuten später, als meine Verwandlung abgeschlossen war, ich zumindest mein Bewusstsein wieder erlangt hatte, waren auch meine Sinne soweit. So plötzlich und unerwartet konnte ich jedes Tier in meiner Umgebung so gut wie noch nie hören. Ich spürte den leichtesten Windzug auf meiner Haut. Ich sah so vieles auf einmal, erkannte selbst Dinge, die meterweit entfernt waren noch so deutlich, als würde ich direkt davor stehen. Ich dachte, ich würde wahnsinnig werden. Ich wusste nicht, wohin ich mit diesen ganzen Einflüssen sollte. Ich war einfach gesagt gnadenlos überfordert. Zum Glück war Kaoru damals bei mir. Er brachte mich in den Keller seines Hauses, abgeschottet von allem, dämpfte damit jeden Ton, den ich zuvor nur gehört hatte, jeden Geruch, der mir in die Nase stieg, und meine Augen mussten sich nur noch an die Dunkelheit gewöhnen. Genau das musste ich nun auch mit Tooru machen, ich musste ihn irgendwohin bringen, wo alles nicht mehr gar so voller unterschiedlicher Laute war, er nicht die Gerüche der Natur riechen musste. “Es tut mir so leid, Tooru. Komm, lass uns zu den Kerkern gehen. Dort müsste alles besser sein und wir sind geschützt vor der Sonne.”, meinte ich also. Letzteres war für den Moment zwar noch nicht allzu wichtig, es dauerte noch etwas, bis es dämmern würde, aber ich wollte nun nichts mehr riskieren. Für den Moment war es ohnehin noch sinnlos, weiter zu ziehen. Tooru nickte auch schon. Ihm schien alles recht zu sein, Hauptsache sein Kopf müsste nicht mehr alles auf einmal verarbeiten. Ich erhob mich dann zuerst und half Tooru stützend ebenfalls auf. Ich griff noch seine Tasche, bevor ich ihn langsam den Weg hinab in das schützende Gewölbe der Ruinen führte. Es war zwar auch hier und dort zerstört, aber im Vergleich zum Rest der Burg erstaunlich gut erhalten. Ich fand daher schnell einen Platz in einer der dunkelsten Ecken, wo kein Fenster und sonst kein Loch waren, durch das Licht herein scheinen konnte, und wir nicht mehr allzu viel der Umgebung wahrnehmen konnten. Tooru war sichtlich erleichtert, als er an der Wand hinabrutschte, nicht nur geschwächt von den Einflüssen, sondern auch, weil er noch nichts getrunken hatte. Schon als ich ihn auf mich gestützt hierher gebracht hatte, spürte ich es bereits, dass er endlich etwas trinken musste. “So, und jetzt trink erst einmal!”, befahl ich ohne weiter zu zögern, kniete mich neben ihn und hielt ihm - nun vorsichtiger als zuvor - mein Handgelenk hin. Dieses mal sog er ebenso vorsichtig den intensiven Geruch ein. Er war ihm schon vertrauter und er gewöhnte sich langsam daran. Beinahe begierig leuchteten seine Augen auf, als er mit seinen Händen um mein Handgelenk griff. Er schenkte mir einen unsicheren Blick, den ich nur zu gut verstehen konnte. Es war alles noch so neu für ihn, aber er würde sich daran gewöhnen, wenn er erst einmal den Geschmack frischen Blutes auf seinen Lippen schmeckte. “Es ist in Ordnung.”, flüsterte ich ihm wie beschwörend entgegen. “Es ist noch ungewohnt, ich weiß. Aber das wird es nicht immer sein.” Tooru nickte, zögerte aber noch einen Moment. Er sog noch einmal begierig meinen Geruch auf, dann versenkte er endlich seine Zähne in meinem Fleisch. Es war selbst für mich ein so unbekanntes, aber schönes Gefühl, dass ich leise aufstöhnte. Es fühlte sich gut an, wie der Anfang eines langen, intensiven Rausches, den man nie wieder so schnell vergessen würde. Ich spürte wie Tooru anfangs nur langsam einige Tropfen Blut aus mir saugte. Aber je mehr seine Kehle benetzte, umso mehr packte ihn die Gier, der immer währende Durst nach Blut. Ich spürte, wie er immer schneller trank. Ich musste ihn irgendwann regelrecht stoppen, drückte dazu seinen Kopf mit sanfter Gewalt zurück, um zu verhindern, dass er mich mehr schwächte als gut für mich war. Als er seinen Kopf hob, mich entschuldigend ansah, sah ich es in seinen Augen, dass er nun vollends zum Vampir geworden war. Die Gier stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er sich noch den letzten Tropfen von seinen Lippen leckte. Dazu erklärte er murrend, dass er mehr wolle. “Es reicht vorerst, Tooru. Zu viel des Guten ist auch wieder schlecht für dich. Außerdem musst du lernen, wann Schluss ist.”, erklärte ich ihm bestimmt, ließ keine Widerworte zu. Er seufzte zwar und zog einen Schmollmund, sah wie ein typisches Kind aus, dem die Mutter etwas verboten hatte, aber er akzeptierte es letztendlich. Er vertraute ganz mir und meinen Erfahrungen. Ich wusste wohl noch am Besten, was gut für ihn war und was nicht. Gleichzeitig kam mir der Gedanke, dass ich wirklich in gewisser Weise sein Vater geworden war und ihm das Leben als Vampir näher bringen sollte. Sicherlich würde ich dafür sehr viel Geduld benötigen. Aber allein die Tatsache, dass meine Einsamkeit der Vergangenheit angehörte, war mir das wert. “Du solltest jetzt schlafen. Die Sonne geht bald auf. Nächsten Abend machen wir uns dann auf den Weg in mein Heim.”, meinte ich schließlich, als meine innere Uhr mir bedeutete, dass es nur noch wenig Zeit bis Sonnenaufgang sein würde. Tooru nickte mit einem Strahlen in den Augen. Er freute sich sichtlich darauf, zu erfahren, woher ich kam. Ich konnte nur hoffen, diese Freude würde noch länger währen. Sie war regelrecht erfrischend angesichts der Tatsache, dass das Leben als Vampir alles andere als fröhlich war, ich für meinen Teil zumindest oft genug mit diesem Schicksal haderte. “Ich hätte noch eine Bitte, Dai…”, riss Tooru mich aus diesen Gedanken, verhinderte damit, dass ich wieder in diesen Sumpf verzweifelter Gedanken fiel. Ich sah ihn erwartend an und bedeutete ihm so fortzufahren. “Jetzt, wo ich schon ein Vampir sein werde, ein neues Leben anfange und alles Übrige hinter mir lasse… Kann ich da nicht auch einen neuen Namen bekommen? Ich hasse Tooru schließlich so sehr…” Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, verstand ich seine Bitte doch nur zu gut. Wenn er wirklich schon alle unliebsamen Dinge hinter sich ließ, gehörte sein Name zwangsläufig ebenso dazu. Mir gefiel er zwar, aber das wagte ich nicht zu sagen. Es war allein seine Entscheidung. “Also gut.”, erwiderte ich stattdessen. “Hast du schon eine Idee?” Er schüttelte den Kopf. “Hm…”, machte ich und begann dann genauso zu überlegen wie er. Nach einigem Nachdenken und Umsehen in diesem dunklen Raum hatte ich schließlich einen Einfall. “Du solltest deine Wurzeln, woher du stammst, was dich zu dem gemacht hat, was du heute bist, eigentlich nie ganz vergessen. Die Vergangenheit gehört zu dir wie dein Schatten. Wie wäre es daher mit… Kyo? Nach deiner Heimatstadt Kyoto.” Tooru war sofort Feuer und Flamme für diesen Namen, mit leuchtenden Augen stellte er sich mit diesem Namen vor - und die Vorstellung gefiel ihm sichtlich. “Also… Dann heißt du nun Kyo.”, verkündete ich beinahe feierlich. Er wisperte ein leises “Danke.”, bevor er es sich neben mir auf dem Boden gemütlich machte. Er murmelte sich noch einige Male seinen neuen Namen vor, schien sich mehr und mehr an diesen Klang gewöhnen zu wollen, bis er irgendwann mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen war. Ich beobachtete ihn selbst auch noch einige Minuten, musterte jeden Gesichtszug ganz genau, sah ihm zu, wie sein Brustkorb sich langsam hob und wieder senkte. Er war als Vampir noch schöner als ich gedacht hatte. Seine Anziehung wirkte allein schon im Schlaf und ließ meine Gedanken abschweifen und mir wer weiß was ausmalen. Doch der einzig wichtige Gedanke war nur einer: Meine Einsamkeit gehörte der Vergangenheit an. Vor mir stand nur noch die unendliche Zukunft. Und was mich von dieser erwartete, würde ich schon sehr bald sehen. Mit der Freude darüber, einen neuen Gefährten zu haben, schlief ich schließlich kurz nach ihm ein, im Bewusstsein eines letzten Gedanken: Tooru war in dieser Nacht gestorben. Doch Kyo war als Vampir in diesem Moment neu geboren. ~~~~~ O W A R I ~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Soi, das wars also vorerst mit Metamorphosis into Immortality… ^^ Hab schon beim Schreiben eigentlich nicht vorgehabt eine lange Story draus zu machen und daran hab ich mich also auch gehalten, zumindest soweit, was Metamorphosis selbst angeht XDD Nya, aber es gibt noch ne Fortsetzung von der Geschichte um Dai ^^ Titel davon: Never forgotten Past - A Vampire's Tale II Wer also wissen will, wies weiter geht, muss sich noch bisschen gedulden. Die Fortsetzung steht zwar schon soweit (aufm Papier halt, heißt ich muss das irgendwann noch abtippen und so und überhaupt noch bissel weiterschreiben -__-)… Wer wissen will, wann es weitergeht, soll sich halt bei mir melden, dann schreib ich denjenigen, oder einfach meine Stories im Auge behalten, ob was neues dazu kommt… ^^ Na denn… Ich hoff, diese Story hat euch soweit gefallen und ich krieg noch abschließend den ein oder anderen Kommi xD Und an dieser Stelle auch DANKE an alle, die schon Kommis hinterlassen haben! ^^ Mata ne, Rin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)