Different von Rici-chan (HoroxRen - dieses Mal in erstaunlicher Zusammenstellung! abgebrochen) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog Er war in einer ganz schönen Scheiße gelandet. Qualmend, immer noch unruhig wartend, sah er sich um, und entdeckte immer wieder dasselbe. Junge dünne Menschen, alte dicke Menschen, junge dicke Menschen und alte dünne Menschen. Dazu noch ein paar, die anscheinend nicht mal Essen konnten… oder scheißen? Selten hatte er so viel Elend gesehen. Es ging diesen Leuten hier gut, sie hatten ein Dach über den Kopf, genügend Nahrung und Trinken ebenso. Aber anscheinend kamen sie mit der Realität nicht klar. Waren schon so von der Werbung und von anderen Dingen infiltriert, geschändet und getrieben, das sie ihr eigenes Bewusstsein verloren hatten. Sie wirkten nur noch wie seelenlose Puppen, nur auf die nächste Mahlzeit oder die nächste Waage achtend. Erbärmlich. Er hatte absolut nichts hier zu suchen. Er war hier völlig fehl am Platz! Wütend einen noch tieferen Zug ausstoßend entdeckte er verwundert, dass die nun auch schon wieder alle war. Genervt ließ er die noch leicht qualmende Zigarette in seinen notdürftigen Aschenbecher fallen – hier waren es die Überreste seines Cappuccinos. Und er hasste das Getränk doch, wie konnten andere Leute es nur trinken? Alleine schon der Geruch… „Hier, für Sie.“ Seine Ungeduld nicht versteckend nahm er das altertümliche Telefon und fragte sofort:“Wollt ihr mich verarschen? Was soll ich hier?“ „Aber…“ erklang eine sanfte Stimme am anderen Ende. Knurrend ließ der andere diese ausreden. Schließlich war es seine Schwester. „Dort gibt es eine gute Akkupunkturtherapie. Versuch es wenigstens, ja? Deine Reha wird da auch weitergeführt. Und du solltest etwas Kontakt…“ „… zu anderen Menschen haben, ich weis… aber nur 2 Wochen, klar?“ „Nein, wies es aussieht über 1 Monat, ansonsten erkennt man noch keine Wirkung…“ „Willst du mich killen?“ stöhnte er, während am anderen Ende ein glucksender Laut kam. „Nein, du überlebst das schon, und nimm zu, ja?“ Dann war Schluss. Er gab der etwas sehr, sehr fülligen Frau den Telefonhörer zurück, während er den Reflex, sich die Hände zu waschen, ziemlich unterdrückte. Wenn einer von diesen kranken Bastarden das Ding vor ihm angefasst hatten… „Wie es aussieht ist alles geklärt… Mr. Czaijka bringt sie zu ihrem Zimmer.“ Mit den Augen rollend nahm er es hin. Den dieser Kerl, der nun vor ihm stand, brachte sicher die dreifache Masse von ihm auf… und das reine Muskeln. Er fürchtete sich weis Gott nicht, aber anlegen wollte er sich mit dem Riesenkerl auch nicht. So ließ er seinen Vorrat an Zigaretten doch lieber in der Hosentasche. „OK.“ Und so rollte er, für ihn persönlich, der Hölle entgegen. Ein blauhaariger Junge kam kurz darauf aufgeregt zur Schwester gelaufen. Er wirkte recht schlaksig, hatte dennoch eine gesunde Farbe und wollte auch nicht so recht in die Menge der Essgestörten und Behinderten hineinpassen. Doch hatte selbst er seinen Grund hier zu sein. "Ich hab wieder einen!" Gab jener nur freudig grinsend von sich. Das Grinsen wirkte etwas schief, war unter dem Personal aber schon wohl bekannt. "Wirklich? Dann zeig mal her..." Die füllige Schwester brachte ihm ein herzliches Lächeln entgegen und schien völlig interessiert am neusten Fund des Jungen. Jener öffnete nun langsam seine hohlen Hände, worauf der kleine Marienkäfer auch gleich hinauskrabbelte und sich seinen Weg über seinen Handrücken bahnte. "Der ist aber süß! Bring ihn besser schnell wieder nach Hause... seine Eltern machen sich bestimmt Sorgen um ihn..." Wieder lächelte die Schwester herzlich und strich dem großen Jungen über die Wange. Dann sah die Schwester noch einmal kurz auf das kleine Insekt. "Hast du denn schon gezählt wie alt er ist?" Erschrocken darüber, dass er das völlig vergessen hatte machte sich der Junge auch gleich daran die schwarzen Punkte auf dem roten Panzer zu zählen. "... vier... fünf... Fünf! Er ist Fünf!" Gab er schließlich stolz bekannt und grinste wieder sein schiefes Grinsen. Die Schwester lächelte wieder und kniff ihm wieder zärtlich in die Wange. "Das hast du toll gemacht... Und schau mal, du bist dann genau viermal so alt wie er!" Wieder völlig fasziniert von dieser neuen Tatsache schaute er erst verblüfft und lachte dann. "Ja, da muss er noch wachsen... dann ist er sicher bald genauso alt wie ich!" Die Schwester machte sich nicht die Mühe ihm erklären zu wollen, dass sie irgendwann nicht gleichalt waren, da er ja selbst immer älter wurde. Davon abgesehen, dass Insekten selten über ein Jahr lebten. Doch sich hatte sich daran schon lange gewöhnt, lächelte nur und bejahte. Schließlich schickte sie ihn nochmals raus um den kleinen Käfer wieder zu seiner Familie zu bringen. Als der Junge außer Sicht- und Hörweite war seufzte sie nur. Eine andere Schwester kam vorbei und musterte sie fragend. "Was ist los?" Jene sah kurz von ein paar Akten auf, seufzte erneut und sah in die Richtung in die ihr Schützling verschwunden war. "Der Kleine wieder... es macht mich immer traurig..." Die angesprochene wusste genau von wem die Rede war, immerhin war im gesamten Personal, vor allem unter den Schwestern, sehr wohl bekannt. Jene seufzte ebenfalls: "Ich weiß Bea... Vor allem die Eltern tun mir Leid, das wünsche ich niemandem..." Leicht den Kopf schüttelnd ging jene Schwester nun auch weiter ihrer Wege. +*+*+ Kapitel 1: 1 Kapitel -------------------- 1 Kapitel Immer noch rauchend, im Geiste sowohl in der mageren Realität, schien der Junge nun aus dem Fenster zu blicken, so gut es eben ging. Seine Sicht wurde von einem gewissen Gestrüpp versperrt, was sich Baum nannte. Wieso hatten die hier überhaupt so viel Grünzeug? Ein riesiger Rasen tat sich vor ihm auf, der anscheinend nicht wie früher in der Schule mindestens wöchentlich gemäht wurde. Viele Blumen und kleine Beete zierten den Streifen rund um das Gebäude, was in dem hellen Sonnenlicht Besucher sicher blendete… Vielleicht hieß es deswegen ´Sonnenschein´? Alleine der Name hatte ihm nicht gefallen, aber diese neue Therapie schien wirklich nur hier statt zu finden. Die Zeit zu überstehen war nicht das Problem, der Muskelmann von vorhin musste mehr als einmal japsen wegen den vielen Büchern, die er mit sich schleppte. Sein Grinsen musste er sich dabei verkneifen, schließlich war er hier vielleicht schneller, aber sicher nicht kräftiger als Mister Supermann in Spe. Allerdings sah er hier nirgends einen Zigarettenautomaten! Wütend fuhr er sich durch die Haare, ehe er die Asche des Restes aus dem Fenster kippte. Leider traf er dabei niemanden. Also musste er es sich einteilen, wozu er bisher noch nie gezwungen war. Ein verdammtes Laster sollte der Mensch doch haben dürfe, oder? Schließlich war er doch genug bestraft… Und wo war sein Möchtegern Bettnachbar? Innerlich kam ein Horrorszenario nach dem nächsten durch seine Gedanken. Mit was würde er es zu tun haben? Einen potenziellen Selbstmörder? Einer, der Scherben schluckte? Mit Hodenkrebs? Hier schien alles möglich, oder? Aber er schien wenigstens gehen zu können, er oder sie, wohlgemerkt. Obwohl ein Kerl sicher besser wäre, als ein überfürsorgliches Mädchen. Mit Dicken und Dünnen wussten die meisten umzugehen, mit Behinderten dagegen nicht. Wie jämmerlich, wenn man es genau betrachtete. Was soll´s. Wo blieb dieser… Mensch denn? Alleine kam er nicht in die obersten Regale, und anscheinend sollte er heute bereits alles auspacken, und wollte es auch, denn wenn er eins nicht leiden konnte, dann aus Koffern zu leben! Aber kaum war er fertig mit dem fluchen und vor sich hin murmeln, öffnete sich schon die Tür. Verantwortungsbewusste hatte der Junge, der im Herzen noch immer ein Kind war, das kleine Tierchen sicher nach draußen in seine Heimat, das hohe Gras, entlassen. Als er dabei auf ein kleines Kleeblatt stieß, vergaß er auch gleich alles um sich herum und suchte fieberhaft nach einem Vierblättrigen. Vielleicht konnten ihn seine Eltern oder seine große Schwester dann wieder besuchen... Zu allem Bedauern fand er leider keins und ging so unverrichteter Dinge wieder zurück, denn langsam spürte er Hunger. Vielleicht konnte er vor dem Essen auch noch etwas mit seinem Game Boy spielen, darauf freute er sich immer wieder. Als er wieder in die Eingangshalle trat sah er auch gleich auf die Uhr, es blieben noch ein paar Stunden bis zum Essen, leider. Doch in Vorfreude auf sein Lieblingsspiel lief er dennoch gleich schneller zu seinem Zimmer. Er öffnete die Tür gewohnt schwungvoll und warf sie mehr hinter sich zu. Kurz erschreckte er sich dann, als er einen fremden kleinen Mann in seinem Zimmer sah. Irritiert starrte er jenen direkt an, mit einer Mischung aus Angst und Verwirrung. "Was machst du hier? Wer bist du? Ich kenne dich nicht..." Fremden gegenüber war er schon immer recht scheu gewesen. Dies war auch deutlich daran zu erkennen dass er einen Sicherheitsabstand hielt und sich nahezu an die Tür drückte als könne er noch weiter zurückweichen. Gleichzeitig trieb ihm auch ein grässlicher Gestank die Tränen in die Augen. So etwas hatte er hier noch nie gerochen, woher kam das? „Die Frage lautet eher: was machst du hier? Ich wohne jetzt für eine Weile hier, also?“ meinte der Rollstuhlfahrer eher genervt. Noch erkannte er nicht, dass er keinen normalen Jungen vor sich hatte. Das er schüchtern… wenn nicht sogar verängstigt zu sein schien, musste noch lange nichts bedeuten. Seine Zigarette war gerade zu Ende, sodass er noch ein letztes Mal daran zog und sie dann aus dem Fenster schnippte, weiter abwartend, was passierte. Vorerst rollte er sich aber ein Stück zurück und machte dann eine Wende, um diese großen blauen Kerl unter die Luppe zu nehmen. Und stutzte dann. Irgendetwas stimmte nicht… oder irrte er sich? „Warum bist du den hier in dieser Reha gelandet?“ Jener unscheinbare Junge bemerkte nun auch was Ren in der Hand hatte und war nahezu entsetzt als er die Kippe einfach so aus dem Fenster warf. Entrüstet stürzte er auch auf das Fenster zu und sah hinunter. Aus der Höhe konnte man locker nach draußen Springen, da es nur etwas höher als das eigentliche Erdgeschoss war, damit darunter noch Platz für Kellerfenster war. "Nein! Was tust du? Wenn es so stinkt kommen sie nicht wieder... " Tottraurig und vorwurfsvoll blickte er seinen scheinbar neuen Zimmergenossen mit großen Augen an. Wie sollten die Armen Marienkäfer auch den Weg zu ihm zurück finden wenn es unter seinem Fenster und in dem Zimmer nun so ekelhaft stank? Jegliche anderen Fragen waren inzwischen schon wieder vollkommen aus seinem Bewusstsein getilgt. Er lebte für den Moment, wortwörtlich. Erschrocken rollte der im Moment Kleinere ein kleines Stück zurück, als der Junge nun einmal zum Fenster stürmte. Nein, nicht Junge, sondern Mann! Der Kerl war sehr viel größer als er! Alleine sein Gesicht wirkte schief… Und von was verdammt redete er da? „Wer soll bitte wieder kommen? Vögel?“ fragte er stumpfsinnig. „Außerdem wird man doch wohl noch mal eine rauchen dürfen!“ Kurze Stille entstand. „Wer bist du den nun eigentlich, Schlaumeier?“ Der junge Mann schüttelte daraufhin nur den Kopf und hustet kurz als ihm eine neue Wolke des beißenden Qualms in die Nase stieg. So wedelte er nur recht hilflos vor seinem Gesicht mit der Hand um den Geruch zu vertreiben. Das mochte er definitiv nicht. "Nein! Die Marienkäfer!" Er sprach das Wort mehr wie ein Kind aus, als ein Erwachsener Mann, dennoch entsprach es seinem Wesen. Dann stutze er kurz, war es doch lange her, dass ihn jemand nach seinem Namen gefragt hatte. Hier kannte ihn immerhin jeder, nur ein weiteres Zeichen dafür, dass es ein Fremder war. Doch nun legte er sein leicht schiefes Grinsen wieder auf. "Horokeu Usui... du kannst auch Horo sagen..." Nahezu freudestrahlend gab er diese Information nun preis. Hätte der im Moment Kleinere noch geraucht, wäre die Zigarette ohne einen Zug abgebrannt. Seine Gedanken waren erst leer, verdutzt, bis er laut meinte: „Marienkäfer?! Um so einen scheiß machst du dir Gedanken? Bist du fünf oder was??“ Entsetzt sah er ihn an, zugleich wütend und mehr als genervt, dass ihm so ein Kindskopf begegnete! Und mit diesem Kerl musste er sich nun ein Zimmer teilen? Stöhnend sank er zurück. Was sollte das denn werden? Das schiefe Grinsen ließ ihn dann die Hutschnurr hochgehen. „Man! Bist du doof oder so etwas?“ sprach er ohne nachzudenken aus, sich den Kopf haltend. Wie sollten sie miteinander aus kommen? Der angesprochene stutzte da kurz. Und wurde plötzlich still. Er hatte das schon oft gehört, vor allem bevor er hier war. So fasste er sich langsam und schluckte kurz. Es tat dennoch weh es wieder zu hören. Was war so falsch an ihm? "Ich bin nicht doof..." Ein beinahe verletzter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit und ließ ihn auch gleich ernster wirken. Dennoch hatte er kindlich beleidigt das Gesicht abgewandt. Ihm gefiel auch der Ton mit dem der Fremde da mit ihm sprach überhaupt nicht. Er mochte ihn nicht. Er spürte wie ihm die Tränen kamen und wischte sich schnell übers Gesicht um sie zu verstecken. Schließlich hatte er seiner Mutter versprochen nicht zu weinen, wenn sie nicht da waren. Er ging langsam noch ein paar Schritte weg von Ren, er wollte nicht noch mehr beleidigt werden. Der Mann war böse. Er verjagte die armen Marienkäfer und beleidigte ihn. Er mochte ihn definitiv nicht. Zudem stank es noch immer so ekelerregend im Zimmer. //Ach du Scheiße…// Immer noch entsetzt, und vor allem wirklich an ein Kleines Kind erinnert, blieb der Schwarzhaarige noch auf der Stelle. Was sollte das werden? Wie sollte er mit einem… geistig Behinderten auf Höhe eines Fünf Jährigen klar kommen? Vieles konnte man ihm nachsagen, das er rauchte und unhöflich war, verletzend, sarkastisch und direkt, aber eines war er nicht: sich seines eigenen Charakters nicht bewusst. Selbst wenn er es nicht wollte, würde er diesen… Horo? ... verletzen, oder gar beleidigen. Und vor allem, wollte er das theoretisch sogar, wenn er dieses kindische Gesicht sah… Kleine Kinder musste man einfach nerven und ihnen klar stellen das sie nicht machen konnten was sie wollten. Trotzdem würde er ärger bekommen, und musste sich wohl entschuldigen… „Entschuldige, ja? Ich wollte dich nicht beleidigen. Und deine…“ Er traute sich gar nicht, das Wort auszusprechen, so sehr gruselte er ihn, weil das so verdammt süß war. „… Marienkäfer werden sicher morgen wieder kommen, ich rauche ja ab morgen draußen und nicht hier, ja? Irgendwie müssen wir ja miteinander auskommen… Apropos solltest du mit beim einpacken helfen, eigentlich. Wenn du nicht willst, versteh ich das…“ Wow, er war richtig stolz auf sich, das er das so diplomatisch sagen konnte. Fast schon stolz reckte er sich. Es war alles halb so schlimm! Wahrscheinlich musste er ihm nur Süßigkeiten kaufen, dann war alles wieder Heile … Wenn er nur endlich aufhören könnte da halb zu weinen! „Man, hör auf mit weinen, bist du ein Baby? Ich hab doch gesagt, es tut mir leid!" Noch immer beleidigt und verletzt stand der große kleine Junge von ihm abgewandt da und versuchte sich, seiner Mutter zuliebe, zusammenzureißen, was ihm nach einiger Konzentration auch gelang. So wischte er sich nur noch ungeduldig übers Gesicht ehe er sich wieder herumdrehte. Er hatte ihn ja währenddessen gehört. Und er fühlte sich etwas besser, immerhin schien der böse Mann nicht vollständig böse zu sein. Dennoch würde er sich noch vor ihm hüten, sonst tat er aus Rache den armen Marienkäfern vielleicht noch etwas an. Langsam nickte er so, ehe sich jedoch ein etwas fragender Ausdruck auf sein Gesicht legte. "Warum soll ich dir denn helfen? Kannst du nicht stehen?" Eine naive Frage. Von einem kindlichen Verstand, der aus der Tatsache, dass Ren im Rollstuhl saß, noch nicht mehr schloss, als dass er in einem Stuhl saß mit dem man bequem umher rollen konnte. Ein Spielzeug genaugenommen. Die Schwestern fuhren öfter einige Patienten in solchen Stühlen umher, aber die konnten eigentlich alle selbst laufen, waren nur zu bockig oder zu schwach. Er selbst durfte hin und wieder auch mit einem umherfahren. Es machte wirklich Spaß, also warum war jemand so böse wenn man in so einem lustigen Stuhl sitzen durfte? Der im Moment anscheinend wenigstens geistig Ältere schaute diesen Kerl kurz an, ehe er lachen musste. So eine Frage war in seinem Leben noch nicht aufgetaucht! Das Lachen hatte nichts Freundliches an sich, es war eher sarkastisch und fast traurig. „Nein… ich kann nicht stehen, ich bin querschnittsgelähmt, Großer. Das heißt…“ erzählte er weiter als würde er es einem Kind erklären, welches er ja anscheinend vor sich hatte, „ das ich nicht laufen oder stehen kann, weil meine Beine taub sind. Ich kann sie weder bewegen noch fühle ich etwas mit denen.“ Er deutet auf seine inzwischen ziemlich schlaffen Gliedmaßen. Oft blickten ihn Leute an ohne etwas zu sagen, starrten einfach nur und er konnte das Mitleid in ihren Augen sehen. Sowas kotzte ihn an! Aber dieses… Kind hier stellte wenigstens offen und ehrlich, wenn auch ziemlich unsinnige, Fragen. Dieses trockene Lachen hatte ihm zuerst Angst gemacht, weshalb er aus Angst vor Gefahr noch weiter zurückgewichen war. Doch er spürte nun auch die Traurigkeit die von dem anderen ausging, auch wenn er es selbst nicht erklären konnte, wusste er dass keine wirkliche Gefahr von ihm ausging. So traute er sich langsam wieder heran und setzte sich ihm gegenüber auf sein Bett. Er begutachtete die Beine des anderen, wo die Erklärungen doch recht kinderfreundlich gehalten waren. So konnte auch er langsam verstehen. "Aber sie sehen nicht anders aus als meine! Warum funktionieren sie dann nicht wie meine? Oder werden meine auch noch so?" Völlig erstaunt mit weit aufgerissenen Augen deutete der große kleine Junge zwischen seinen und den Beinen des Fremden hin und her, ehe er ihn mit den großen runden Augen fragend und fast schon erschreckt musterte. Immerhin hatte ihm das noch niemand gesagt, dass er einmal so werdn würde. Auch konnte er sich sonst nicht erklären warum der andere so sein sollte. "Wurdest du verhext?" Eine einfache naive Frage und doch haftete wohl mehr Wahrheit an ihr, als an den meisten sterilen, klinischen Berichten jeglicher Spezialisten. „Mhh, verhext?“ meinte der Querschnittsgelähmte etwas zu sich selbst. Traf das zu? „Könnte man so sagen. Und nein, deine werden nicht so…“ Fälle zu nennen, das es bei ihm auch gegeben falls passieren könnte, waren hier unnötig. „Wie soll ich dir das erklären…“ murmelte er dann weiter vor sich hin. Wie erklärte man einem sichtlichen Kind, was für andere schon vorneherein klar war? Vor allem, hörte er den nie mit Fragen auf? Seine Geduld kannte auch Grenzen. „Ich hatte einen Unfall, und da wurde meine Wirbelsäule verletzt. Die hier den Kopf runter verläuft.“ Beim sprechen deutete er es mit dem Finger an, indem er seinen Nacken abwärts deutete. „Das kann tödlich sein, aber bei mir war es nur eine Querschnittslähmung, die dabei heraus kam.“ NUR war gut. Er wäre lieber gestorben, als so von allen von oben herab betrachtet zu werden! Unwillkürlich ballte er die Hand und sein Blick wurde finsterer. Der Junge hörte aufmerksam zu, war es doch echt interessant was der Fremde ihm da erzählen konnte. Soviel Mühe hatte lang niemand mehr mit ihm gemacht. Man hatte schon vor einiger Zeit aufgehört zu versuchen ihm neue Dinge beizubringen, seinen Geist anzustrengen und zu fördern. Als man dabei auf eine Blockade traf hatte man es schnell aufgegeben. Seither war er hin und wieder der Laufbursche für die Schwestern oder einfach der große, kleine Junge, der von allen nur mitleidig belächelt wurde. 'Die armen Eltern...' Auch wenn es die Schwestern es nicht ahnten, er hörte es jedes Mal, wenn sie es sagten und wenn nicht, dann sah er es in ihren Augen, klar und deutlich. Kinder sind nicht dumm. "Das muss ein schlimmer Unfall gewesen sein...." Stellte der überhaupt nicht dumme Junge nachdenklich fest. Doch schließlich lächelte er den armen Verhexten an, diesmal nicht ganz so schief wie sonst. Er schien schon fast zu strahlen. "Aber es ist schön, dass du nicht tot bist. Das ist doch toll! Sonst könntest du gar nicht mehr in dem tollen Stuhl herumfahren!" Ein einfaches naives Lächeln und so einfache Worte, und doch meinten sie das wichtigste. Er lebte, war das nicht die Hauptsache? Der Schwarzhaarige dagegen wusste das ja nicht, das dieser Kerl, dieser Horo, so behandelt wurde; ihm war es eine Selbstverständlichkeit, das Leuten, die etwas nicht wussten, genau jenes erklärt wurde. Er war selbst eben so erzogen worden, und dazu noch viel zu früh erwachsen gewesen. Vor ihm wurde keine Realität versüßt. Und der Kerl vor ihm hatte mehr Jahre auf dem Buckel als er selbst! Da musste man sich weis Gott nicht zurück halten… So antwortete er mehr in Trance. Diese Worte hatte er schon oft gehört. Und die darauffolgenden auch. „Ja, es war ein schlimmer Unfall… und nein, ich freue mich nicht, dass ich nicht tot bin.“ Seine Tonlage war so trocken wie die Sahara Wüste, und er blickte dann mit der Erwartung zu dem Blauhaarigen, das jener sicher mehr als erschrocken gucken würde. Wenn er nämlich das nicht erwartete sagte, das er dabei am liebsten gestorben wäre, wurden die meisten bleich und fingen an zu stottern, zu stammeln und sich heraus zu reden. Das alles sei doch nicht so wild, er werde schon sehen, pah! Als ob einer von ihnen schon jeweils in dieser Lage gewesen wäre! Ihn auch nur einen hauch verstehen würde! „Ich kann diesen Rollstuhl überhaupt nicht leiden! Ich würde ihn am liebsten durch die Kante schmeißen! Weißt du wie es ist, nicht mal eigenständig auf das verdammte Klo gehen zu können? Nie das Regal zu erreichen, was man wollte? Das alle einen von oben herab ansehen und ich hab nicht mehr mitgezählt wie viele Gebäude eine Treppe haben, die ich ohne Hilfe nicht rauf komme? Das ich nicht mal eine Braut flachlegen kann, geschweige den anständig scheißen…? Darf man sowas überhaupt leben nennen?“ Irritiert von vielen Worten dessen Bedeutung er nicht kannte sah er seinen armen verhexten vielleicht Freund weiter an. Wie er sich immer weiter hinein steigerte und vor sich hin fluchte. Und doch verstand er soviel. Er war nicht glücklich. Nicht glücklich in dem tollen Stuhl zu sein. Nicht glücklich zu leben. Einige der Gründe hatte er erfassen können, so beschränkte er sich darauf. "Aber ich kann dir doch was aus dem Regal geben... oder dich die Treppe hochziehen... ich bin ganz stark!" Gab er dabei nicht ohne Stolz gleich wieder on sich und straffte seinen Rücken. Dabei fiel auf, dass er durchaus eine sehr männliche, ansehnliche Statur hatte. Nur wollte der Verstand nicht recht dazu passen. Unter anderen Umständen wäre er vielleicht Student gewesen, hätte eine Freundin nach der anderen. Ein normaler junger Mann. Doch er hielt kurz inne, scheinbar um zu überlegen ehe er weitersprach. "Ich hatte auch mal einen schlimmen Unfall... ich weiß es nicht mehr, das haben mir nur die Schwestern gesagt... darum bin ich glaube ich auch hier... sie sagen man kann jetzt Magneten an meinen Kopf machen!" Dabei strahlte er wieder, als wäre das eine Fähigkeit, der Supermanns gleich. Kurz darauf verfiel er in leichtes Gelächter über sich selbst, ehe er sich wieder fing. Er hielt inne als wäre ihm wieder etwas eingefallen. "Ach ja... wenn du tot bist... müssen die anderen Menschen, dann nicht noch tiefer zu dir runter gucken? Du liegst doch dann in einem Grab oder? Und wird deine Mama nicht traurig sein? Meine sagt immer sie ist froh, dass ich nicht gestorben bin..." Er lachte wieder, diesmal sanfter. "... aber sie weint auch immer, wenn sie das sagt..." fügte der große, kleine Junge schließlich nur noch nachdenklich hinzu. Der Chinese war so gefangen gewesen von seiner eigenen Rede, und dann fast schon so perplex von der Dummheit des Gegenübers, das er einfach mal sprachlos war. Dieser Blauhaarige Kerl sollte das für ihn tun? Ja, klar, das konnte jeder, aber nicht er selbst! Und genau diese fehlende Eigenständigkeit machte ihn doch so wütend. Und er hatte langsam keinen Nerv mehr dafür, diesem Kind etwas zu erzählen. Genauso wenig interessierte er sich für dessen Krankengeschichte! „Dann bist du wohl Super-Metall-Mann, was?“ sprach er eher sarkastisch. „Und nein, wenn ich Tod wäre, wäre meine Seele im Himmel und dann könnte ich auf euch alle runter spucken.“ Mit einem Grinsen musste er sich das vorstellen, da würde er so manchen gerne mal Kleber in die Haare schmieren… Aber nun hatte er langsam wirklich genug. Musste er hier Psychiater spielen? Sich die Sorgen eines Kindes anhören? Und dem Kleinen zu erklären, das seine Mutter wahrscheinlich log und ihn am liebsten Tod anstatt so behindert gehabt hätte, wäre für ihn sicher der Schock seines kindlichen Lebens gewesen. „Mich interessiert nicht, was deine Mutter sagt, verstanden? Meiner war es egal, ob ich lebe oder sterbe, weder weint sie noch lacht sie, alles klar? Und wenn du mir jetzt nicht helfen willst den Koffer auszupacken, dann verzieh dich. Im Gegensatz zu dir brauche ich dann etwas um in die dämliche Kantine zu kommen.“ Erst legte sich noch ein Lächeln auf die Lippen des Jungen, doch schnell war es wieder zu einer angsterfüllten Fratze verzogen. Ihm gefiel dieser Ton nicht. Er hatte etwas Böses, Unheilvolles. Erschrocken schreckte er so zurück und brauchte etwas ehe er wusste was der andere von ihm wollte. Verschreckt nickte er nur und ging schnell zum Koffer des anderen. Aus Angst er könnte ihm weh tun, wenn er nicht tat was er ihm sagte. Oder ihn wohl noch anschreien. Etwas unbeholfen nahm er nun einfach Sachen aus dem koffer und verteilte sie scheinbar wahllos im Schrank. Der einzige Gedanke der ihm jetzt durch den Kopf ging war Flucht. Er hatte es gewusst. Dieser Junge war böse und gemein. Und er hatte Angst vor ihm. Am besten kam er ihm nie mehr zu nah, sonst verhexte er womöglich auch noch seine Beine. Er schauerte bei dem Gedanken und verließ auch fluchtartig den Raum als er den Koffer in Windeseile geleert hatte. „Heh, heh…“ wollte er ihn aufhalten, als er die ganzen Sachen so in Windeseile willkürlich in den Schrank packte. Wie sollte er da oben an die Shirts rankommen? Und Bücher packte man nicht zu den Schuhen! Aber dieser Kerl gehorchte anscheinend einfach nicht. Und war dann schon verschwunden. Hatte er ihm etwa wirklich Angst gemacht? Irgendwie hatte er daraus ein gutes Gefühl erwartet, so wie wenn man das Kartenhaus eines anderen zerstört. Aber er fühlte eigentlich nur… Mitleid. Und das war selten bei ihm. Andere kleine verzogene Bälgen hatte er schon auf der Hinfahrt erschreckt und das Fürchten gelehrt, sie waren natürlich fast schreiend zu Mama und Papa gelaufen und sowas. Das hatte Spaß gemacht, so verzogen wie sie waren. Aber hier… das machte überhaupt keinen Spaß. Missmutig drehte er sich in seinem Stuhl und rollte zum noch offenen Schrank hin, kramte sich mühevoll ein Buch heraus und legt es wenig später auf den Nachtschrank. Eigentlich war Essenszeit… obwohl er eher Hunger auf eine Zigarette hatte. Aber mit denen musste er ja sparsam umgehen. Und er hörte die Worte seiner Schwester noch halb im Ohr, er müsse ja etwas essen und zunehmen. Ja, ja. So rollte er außerhalb des Zimmers und zog nach einer Drehung des Rollstuhls die Tür hinter sich zu. Nun war er ganz alleine in dem Flur, und wusste zugegebener weise nicht recht, wo er lang musste. Schulterzuckend rollte er Richtung des nächsten Fahrstuhls; irgendwo würde er schon landen. Wenn er das Essen verpassen würde, wäre es ihm nur umso rechter. Der Verängstigte Junge hatte sich zunächst nach draußen geflüchtet, natürlich zu seinem momentanen Lieblingskleefeld. "Er ist so gemein... er macht mit Angst..." Teilte er so gerade dem interessierten Weißklee mit, welcher sich nur wie in Zustimmung leicht im Wind wiegte. Der große, kleine Junge hockte weiter neben seinem Freund und stocherte monoton in die Erde, schien sich zu sammeln. Auch wenn die Schwestern vor ihm eine sorgsame Wortwahl hatten, hatte er hin und wieder doch dieses oder jenes "böse Wort" aufgeschnappt. Auch wenn er nicht immer genau wusste was sie hießen kannte er doch das ungefähre Anwendungsgebiet. "Er ist so ein... A... A-arsch!" Schließlich brachte er das ungewohnte Wort nun doch noch über die Lippen. Verfiel darauf aber gleich in kindisches Gekicher darüber, dass er es wirklich gesagt hatte. Der Weißklee nickte weiter zustimmend. So langsam hatte er sich selbst wieder etwas aufgemuntert und den bösen Jungen im lustigen Stuhl schon wieder fast vergessen. Als er die Eingangshalle wieder betrat stellte er fest, dass es nun auch Essenszeit war, also machte er sich auf zum Speisesaal. Immerhin wollte er nicht wieder von den Schwestern ausgeschimpft werden, warum er denn nicht beim Essen war. +*+*+ Kapitel 2: 2 Kapitel -------------------- 2 Kapitel Wo war er nun wohl gelandet? Der Schwarzhaarige saß in seinem Rollstuhl und war wohl oder übel in einer völlig falschen Umgebung gelandet. Das war weder die Kantine, noch die Reha, noch anscheinend für die Essgestörten. Hier waren Schwerstbehinderte und Verrückte anscheinend ebenso. Oder hatten sie nur Schmerzen? Die lauten Schreie hätten von beidem kommen können. Mehr interessiert und nicht verängstigt, folgte er dem Gang bis zum nächsten Fahrstuhl. Dort gab es nur dieses Stockwerk und das Erdgeschoß. Na wenigstens das. Er irrte jetzt schon über eine halbe Stunde hier herum, und es fing an zu nerven. Aber hatte er jemanden gefragt? Nein. So konnte er dem Essen gut entgehen oder sich wenigstens verspäten. Und er bekam einen guten Überblick über den Gebäudekomplex, der Größer war als gedacht. Und sehr billig. Dadurch, dass er schon in mehreren Zentren war, wusste er, dass so eine zusammenpferchen von unterschiedlichen Krankheiten Geld- und Zeitmangel bedeutete. Und vor allem wurden die meisten nicht richtig behandelt. Das konnte ja etwas werden… Erstaunlich lustlos rollte er dann auf den gepflasterten Weg entlang, nahm keine Notiz von der Natur, die ihn umgab. Die Bäume, die Sträucher und der Rasen wuchsen ungeachtet weiter, wurden ignoriert. Endlich kam der Chinese hier ans Ziel, der Eingang, durch den er dann fuhr, war der Flur zur Kantine. Mit einem Aha-Effekt rollte er dann in die ebenso recht schäbige Halle. Der blauhaarige Junge war in jener bereits eingetroffen und hatte sich sein Essen geholt. Heute gab es sein Lieblingsgericht, das durfte er sich ja keinesfalls entgehen lassen. So inzwischen wieder strahlend schlang er seinen Reis in sich hinein, ehe er wie zufällig zur Tür blickte. Es waren wie gewohnt natürlich auch ein paar Aufsichtsschwestern anwesend, immerhin musst darauf geachtet werden, dass gewisse Patienten überhaupt aßen, andere wiederrum nur das Richtige und bei noch anderen musste darauf geachtet werden, dass sie sich nicht selbst mit dem Besteck die Augen ausstachen oder ähnliches. Er hatte schon einige solcher Fälle beobachtet in denen die Schwestern, manchmal auch mehrere auf einmal, eingreifen mussten. Doch hatte er meist nur erstaunt zugesehen und weiter gegessen. Doch dieses Mal erstarrte er wirklich. Für die meisten kaum wahrnehmbar, für ihn aber überdeutlich kam nun der böse Junge im rollenden Stuhl in den Raum. Er spürte eine Gänsehaut über seinen Körper fahren, wieder und wieder. Er konnte den Blick nicht abwenden und klammerte sich Hilfe suchend an seine Schüssel ehe er schließlich unruhig auf seinen Kinderstäbchen herum kaute. Hoffentlich sah er ihn nicht, hoffentlich verhexte er ihn nicht. Solche Angst hatte er noch nie verspürt und er vergaß darüber auch sein Essen, was bisher ebenso noch nie vorgekommen war. Ren dagegen hatte dieses Kind nicht bemerkt und kümmerte sich auch nicht darum. Er hatte nämlich ein ganz anderes Problem. Er kam gerade so an das Besteck heran, aber zu der Essensausgeberin musste er sich den Nacken verrenken, zudem konnte er die angebotenen Gerichte nicht wirklich erkennen. Da er der anscheinend letzte war, der zum Essen kam, hielt er wenigstens niemanden auf. Seufzend ließ er sich so nun einfach das Tagesgericht geben und nach kurzem schauen fand sich sogar eine Praktikantin, die dieses für ihn zu einem Tisch brachte. Ansonsten hätte er sich in seinem Rollstuhl nur dreckig gemacht. Als er dann endlich an einem leeren Tisch saß und die Praktikantin genervt wegschickte, war das Essen schon kälter. Es stellte sich als ein übliches japanisches Mahl heraus und das störte ihn so wenig. Er aß der Nachtisch, der zwar grausig aussah aber wenigstens etwas schmeckte, und etwas Reis dazu. Neben ihm begann sich der Saal langsam zu leeren, was ihm nur Recht war. Während des Essens hatte er ziemlich erbärmliche Gestalten gesehen, die einem ja den Appetit verdarben, sofern jener vorhanden war. Er hoffte vor allem, das er nun nicht jeden Tag würde Hilfe brauchen um sein Essen auszusuchen. Wenn man das alles Essen nennen würde… Die nächste Herausforderung bestand, zu seinem Zimmer zurück zu finden. Sollte er wieder um Hilfe fragen? Nein, einmal am Tag war mehr als genug. Was dann? Er würde es schon finden. Und er hatte es nicht eilig den kleinen dummen Jungen wieder zu sehen… Der, als Ren sich mit dem Rollstuhl drehte, etwas weiter von ihm entfernt dasaß und von zwei Schwestern umgeben war. Was war den da los? Hatte der Gute sich verschluckt? Die Zwei aufmerksamen Schwestern kannten dieses zu groß geratene Kind schon sehr lange und wussten so sofort wenn etwas nicht stimme. So hatten sie sich zu ihm gestellt und lächelten ihm aufmunternd zu: "Was ist denn? Magst du dein essen heute nicht? Dabei habe ich der Köchin extra gesagt, dass du das immer so gern isst..." Der Angesprochene reagierte sofort auf den gespielt traurigen Ton und schüttelte nur schnell den Kopf. "Nein! Ich... ich... " Er hatte sich schon soweit in seine Fantasievorstellungen und Ängste hinein gesteigert, dass er kaum mehr richtig antworten konnte. Gleichzeitig wollte er die Schwestern natürlich auch nicht enttäuschen, die nun schon eine Art Mutterersatz für ihn darstellten. So kamen ihm bei seinen verzweifelten Versuchen sich mitzuteilen langsam die Tränen. Auch sah er immer wieder etwas verstört in Rens Richtung um sich zu vergewissern ob er ihn schon bemerkt hatte. Oder ob er schon dabei war ihn zu verfluchen oder sich andere gemeine Sachen ausdachte. Dabei schreckte er regelrecht zusammen als er bemerkte, dass der ihn ebenso ansah. Die Schwestern hatten natürlich keinn Probleme seinen Blicken zu folgen, vor allem wo sich der Saal immer weiter leerte. Eine der beiden richtete sich schließlich seufzend wieder auf. "Herr Tao also... " Sie strich ihrem kleinen Schützling noch kopfschüttelnd kurz beruhigend über den Kopf, wobei sich jener auch gleich an sie lehnte. Wobei sie aber noch weiter in Rens Richtung blickte ehe sie sich ihrer Kollegin zuwandte. "Gehst du zu ihm, Angela?" Jene seufze ebenso aber nickte auch langsam und machte sich in Rens Richtung auf. Die verbleibende Schwester setzte sich nur zu ihrem kleinen Junge und nahm ihn schließlich mütterlich in den Arm um ihn zu beruhigen. Jener drückte sich dabei auch gleich schutzsuchend an ihre Brust und klammerte sich fest. Es ergab ein sonderbares Bild einen eigentlich erwachsenen jungen Mann auf diese Weise an einer Frau hängen zu sehen. Unter anderen Umständen wären einen wohl durchaus unanständige Gedanken gekommen, zumal das Gesicht der beiden im Moment nicht sah. Doch für die meisten, die schon länger hier waren, war es schon lange kein seltenes Bild mehr. Man kannte den "kleinen Horo" und sein einfaches Gemüt nur zugut. Ren konnte schon sehen, das dass Ärger geben würde. Unmerklich verspannt wartete er aus der Ferne betrachtend, was da mit diesem Horo abging. Er schien… Angst vor etwas, nein vor ihm zu haben. War er so schlimm gewesen? Aber nicht doch. Mit leicht verkniffenem Ausdruck wartete er ab, bis die eine Frau zu ihm herüber kam. Währenddessen knuffte der gute Horo die Brüste der anderen ab. Na toll. Er fand das ganze irgendwie unappetitlich. Die Frauen waren relativ normal, nicht mal besonders hässlich, aber so wie er sich an ihr wie an Mama hielt… absolut widerlich. Irgendwie… pervers. Er hätte bestimmt noch mehr Wörter gefunden, wenn die andere Frau ihm dann nicht die Sicht versperrt hätte. „Herr Tao, was haben sie den mit Horo gemacht?“ Völlig nicht scheinheilig hob er die Schultern. „Aber nichts Verehrteste, was soll ich mit so einem kleinen blöden Jungen den gemacht haben, das er so ist? Anscheinend ist er bereits von Geburt an pervers gewesen.“ „Herr Tao!“ meinte die andere mehr als entrüstet. „Sowas sagt man nicht! Horo kann nichts für seinen Zustand! Genauso wenig wie sie etwas für ihre Beine können.“ „Bla, bla.“ Irgendwie hatte er schon immer Probleme mit Respektpersonen gehabt. „Ich hätte ja vielleicht verdammt anders reagiert, wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass ich bei einem Suppenkasper bin! Sie behandeln ihn ja noch mehr wie ein Kind, wie soll er da erwachsen werden?“ „Er kann doch gar nicht…!“ „Wer hat das bewiesen, mhh? Hören sie auf ihn so zu behandeln! Und nun könnten sie mich freundlicherweise durchlassen, ich muss mein Zimmer irgendwie wieder finden, in dem ich ja nun nicht rauchen darf, damit die armen Marienkäfer auch ja zurück kommen!“ Die andere Frau war so entsetzt, das sie ihn für den Moment nicht aufhalten konnte. Die andere etwas kräftigere Frau kam nun hinzu und versperrte ihm den Weg. „Wohin so eilig?“ „Wahrscheinlich aufs Scheißhaus, wenn sie mir keinen Einlauf geben wollen. Kann ich durch?“ „Na, na, nicht so hastig. Zuerst wollen wir mal klären, was sie dürfen, was sie können, und was sie auf keinen Fall hier tun dürfen.“ „Bei ihrem allerliebsten Schatz oder wie? Der denkt sowieso, ich verhexe ihn.“ „Jedenfalls…“ begann die Schwester nun und zählte auf, was man mit dem armen Horo nicht machen dürfe. Ren lehnte sich auf die eine Seite seines Stuhls, dann auf die andere, und die Weiber waren immer noch nicht fertig! Unwillkürlich schaute er zu den kleinen großen Jungen, der noch immer leicht verstört am Tisch saß. Wenn dieser nicht wäre… könnte er hier die Tage ganz normal über die Runden bringen, aber nein, da musste man ihm so einen Stein in den Weg stellen… Eben dieser starrte noch mehr vor sich hin, bemühte sich nun aber auch sichtlich die Tränen zurückzuhalten, immerhin war er getröstet worden. Und aus seiner Sicht bildeten die Schwestern nun eine scheinbare Schutzmauer gegen den bösen Rollstuhl-Mann. "Keine Angst... Wenn es dir heute Nacht zu unheimlich wird komm einfach zu uns. Du weißt doch noch wo unser Zimmer ist, ja?" "Hmm..." Die Worte der Schwester hatten ihm nun etwas Trost und Sicherheit gespendet. Es war gut zu wissen eine Zuflucht zu haben. So wischte er sich inzwischen etwas gefasster über die noch feuchten Augen und beruhigte sich langsam wieder. Hin und wieder warf er auch einen Blick zu der Szenerie, die sich ihm bot. Er konnte die verärgerten Stimmen schon fast hören und empfand auch eine gewisse Schadenfreude, dass Ren nun eine Art Strafe bekam. Jedoch zuckte er auch wieder zusammen, als jener zu ihm herüber blickte und wandte schnell schuldbewusst den Blick ab. Hatte er seine Gedanken gelesen? Hörte er sie womöglich? Im Moment traute er ihm so ziemlich alles zu. Endlich, endlich waren die Schwestern fertig und sahen ihn abwartend an. „Was?“ meinte er nun nur noch genervt. „Na“ fing die Schwester an „du wirst schön tun was wir gesagt haben, und entschuldigst dich bei ihm, sofort!“ „Sagt mal, sonst noch was? Ich bin nicht er, redet mit mir gefälligst wie mit einem normalen Menschen!“ Wie behandelten sie ihn den hier? Als wäre er 5 und nicht fast 18! Fuchsig wollte er diese Schwestern von sich stoßen und endlich wieder Freiraum, Luft, einatmen. Aber er konnte das nicht. Dazu war er gefesselt. Er konnte sich nicht gegen diese Personen wehren. Das einzige, was ihm blieb, war seine Stimme. Dabei waren sie jetzt inzwischen ganz allein in der Kantine. „Na hören sie mal!“ meinte die Schwestern nur entsetzt. Ren holte tief Luft. „Nein, jetzt hören sie mal. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Ich entschuldige mich bei ihm, befolge ihre verblödeten Regeln, dafür lassen sie mich die Zeit über in Ruhe, ja?“ Die Schwestern sahen sich an, anscheinend nachdenkend. Ren hoffte nur genervt, das sie ja sagen würden und ihn endlich in Ruhe lassen würden. „Und wenn würde ich mich später entschuldigen, da der Kleine sowieso denken würde, ihr hättet mich dazu gezwungen…“ Wobei, fiel ihm ein, konnte er überhaupt so weit denken? War es ihm nicht theoretisch egal, wann wer was sagte? Besagter Kleiner beäugte die Szene noch immer misstrauisch und rechnete schon fast damit, dass die lieben Schwestern zu Steinstatuen wurden, bei den giftigen Blicken die Ren ihnen zuwarf. Es erinnerte ihn an eine alte Geschichte die er einmal gehört hatte. Es handelte sich wohl um eine Legende aus einem fernen Land, irgendwo auf dem anderen Ende der Welt oder so, bei der es eine böse Kreatur gab, die Menschen mit ihren Blicken zu Stein werden lassen konnte. Er meinte sich zu erinnern, dass dieses Monster Makuse hieß. Dabei kam ihm die Idee, dass Ren vielleicht sogar wirklich dieses Monster war. Er erschreckte sich bei seinem eigenen Gedanken, dass er womöglich mit der leibhaftigen Reinkarnation von Makuse zusammenwohnte, und erschauerte. Erneut zuckte er nun zusammen als er Rens Blick auf sich spürte. Hatte er ihn durchschaut? Dass er seine wahre Gestalt erkannt hatte? Gedankenleser oder nicht. Er nahm sich nun vor ihn innerlich immer bei seinem richtigen Namen, Makuse, zu nennen, als Zeichen dafür, dass er ihn durchschaut hatte und er ihn nicht hinters Licht führen konnte. Somit legte sich auch ein entschlossener Ausdruck auf sein sonst so kindliches Gesicht. Allein jener Ausdruck ließ ihn nun schon seines körperlichen Alters entsprechend wirken, was er selbst natürlich nicht bemerkte. Er wusste nicht was die Schwestern ihm aufgetragen hatten zu tun, so dachte er auch nicht weiter darüber nach und stand schließlich auf und verließ die Kantine recht schnell. Jedoch nicht ohne Ren, oder Makuse, immer wieder misstrauische Blicke zuzuwerfen. +*+*+ Makuse=Medusa Kapitel 3: 3 Kapitel -------------------- 3 Kapitel Natürlich würde sich Ren nicht für sein Verhalten bei Horo entschuldigen. Wieso sollte er denn? Er war ein erwachsener (wenn man den einen Monat bis zu seinem 18 Geburtstag nicht mit rechnete) Mensch, hatte versucht vernünftig mit ihm zu reden. Und nur, weil er die armen Marienkäfer verjagt hatte, würde er sicher nicht auf Knien angekrochen kommen! Ganz zu schweigen, das er sich höchstens über den Boden ziehen konnte. Auf den Knien kriechen konnte er ja nicht einmal… Da der Blauhaarige einfach verschwunden war, blieb ihm nichts anderes übrig als das die Schwestern, welche ihn nun schon sicher als schwarzes un - rehabilitierbares Schaf gebrandmarkt hatten, zu folgen und schließlich bei einem der Ärzte zu landen, die sich seine Akte ansehen würden und natürlich irgendetwas fragen würden. So fand er sich unverhoffter weise (wer ahnte schon, das man so schnell zu einem Mediziner kam?) bei einem langsam in die Jahre kommenden Arzt wieder, der aber noch weniger Interesse an seiner Gesundheit zeigte wie sein linker Zeh. „Schauen wir mal… ja, Herr Tao, sie haben anscheinend eine Lähmung des…“ Als ob er das nicht wüsste. Da die Ärzte aber die Befehlsgewalt in dieser Anstalt hatten, während die Schwestern nur ausführende Instrumente waren, ließ er ihn ausreden. „…Sie scheinen noch Reflexzonen zu haben und schon relativ gut wieder klar zu kommen. Blasenkontrolle haben sie wieder, während sie die Technik für das andere auch können… „ Wieso musste er ihn daran erinnern? Er fand es nicht lustig, sich vorher immer unvorhergesehen in die Hosen zu machen, nachdem er keinen Katheter mehr hatte. Diese Ding, was sie in seinen Schwanz gesteckt hatten, und der Beutel voller Urin, der ständig an seinen noch nicht gewöhnten Rollstuhl hing. Ständig war er mit dem Gerät irgendwo angeeckt, hatte falsch gelenkt, oder kam einfach keine Treppen hinauf und musste sich so andere Wege suchen, die seine Augen inzwischen leicht fanden. Wenn solche Wege vorhanden waren. „…leichte Gefühle in den Beinen haben sie also noch? Gut, das ist wirklich gut. Sie werden wie markiert nicht mehr laufen können, keinesfalls ohne Hilfsmittel. Aber sie sind noch jung, vielleicht können sie eines Tages mit dem Rollator oder mit Krücken gehen.“ Das allein wäre ja nun schon ein Traum. Ren war nicht dumm. Er hatte sich, aus Langeweile und notwenigem Zeitüberfluss, genauestens mit seiner Krankheit beschäftigt und Nachforschungen angestellt. In dem Fall einer Querschnittslähmung hatte es ihn noch gut getroffen, schließlich hätte er an deren Stelle auch nicht einmal mehr seine Hände bewegen können. So blieb ihm ja noch etwas künstlerische Freiheit. Dennoch war es scheiße. Und noch schlimmer. „Gut, wie erwartet werden sie morgen die Therapie starten. Muskelkontraktionen werden mit kleinen Stromstößen projiziert, ebenso werden sie Akupunktur-Therapien haben. Bei letzterem müssen sie aber wirklich entspannt sein, ansonsten bringt ihnen das nichts. Also, keinen Stress, ja?“ Was würde er außer dem dämlichen Blauhaarigen schwachsinnigen Baby den für Stress haben? Das die Schwester ihn misshandelten? Seine Gedanken weiter für sich behaltend nickte er nur. Als ob er eine Maschine wäre. Wenigstens schien der Kerl mit en Augenringen zu wissen, was er sagte. „Gut… die Zonen haben wir schon überprüft… das wär´s dann für heute. Die nächsten Untersuchungen stehen nach Ende der Therapien fest. Bis dahin viel Erfolg und das sie sich hier wohl fühlen. Werden sie Besuch bekommen?“ Die Frage war so klar zu beantworten. „Nein.“ Ihn würde niemand besuchen. Nicht sein Vater, der den Unfall verursacht hat, nicht sein demenzkranker Opa oder seine Mutter, die ihn jahrelang ignoriert hatte. Seine Schwester dagegen… hatte nicht das Geld ihn zu besuchen. Nicht, nachdem sie verstoßen worden war. „Gut. Bei weiteren Fragen bin ich gerne für sie da. Anscheinend haben sie ja sonst alles. Finden sie zu ihrem Zimmer?“ „Denke schon, wenn ich den nächsten Fahrstuhl finde.“ Unerwarteter weise lachte der Arzt bei diesem sarkastischen Kommentar. „Nein, das stimmt. Einfach Richtung Kantine, neben der Treppe ist einer, 1 Etage. Die Zimmernummer haben sie ja noch?“ Wieder ein Nicken. Dann war er entlassen. Für heute. Noch war er allein. Noch war der Böse andere im lustigen Stuhl nicht da. So wog er sich auch noch in Sicherheit und schaute nahezu verträumt aus dem Fenster. Wie meist wenn er diesen friedlichen wilden Garten betrachtete vergaß er alles um sich herum. Er konnte sich schon vorstellen wie die Sonne in ein paar Stunden untergehen würde, wie alles in tiefes rot und orange getaucht wurde. Wie viel anders die Welt dann doch aussah, als wäre sie eine neue Unbekannte. Wie auch sonst merkte er nicht wie er bei dieser Vorstellung immer träger und ruhiger wurde, ehe er schließlich, noch immer halb aus dem Fenster gelehnt, einschlief. Er war gleichermaßen leicht zu beruhigen als auch aufzuregen, dieser Umstand machte ihn wohl zu einem so speziellen Fall. Das hob ihn mehr oder weniger von den anderen geistig benachteiligten ab. Die meisten hier kannten ihn schon so lange, dass sie sich kaum mehr vorstellen konnten, wie er in seinem Alter wirklich sein sollte. Lediglich sein reiner Anblick, die Momente in denen er nicht sprach oder sein kindlich schiefes Lächeln auflegte, ließen auf einen völlig gesunden jungen Mann schließen. So brachen auch die Dämmerung und die Nacht schneller herein als es der Junge für möglich gehalten hätte. Die Untersuchung hatte länger gedauert als erwartet. Draußen wurde es bereits etwas dunkel, alles war in dem warmen orangen Ton der untergehenden Sonne gefangen. Alles schien zu brennen. Glücklicherweise fand Ren den beschriebenen Fahrstuhl und sogar daraufhin sein Zimmer. Seine Gedanken waren dieses Mal leer, wie an fast jeden Abend. Er war den Rollstuhl und das ganze Theater um seine Person nicht gewöhnt und es ermüdete ihn noch ziemlich. So rollte er ohne Erwartung in das Zimmer – und entdeckte den blauhaarigen Kerl an der Fensterbank. Schlafend. Erstaunlicherweise störte ihn das nicht. Weder das friedliche Gesicht, noch das er sich erkälten könnte. Sollte er doch machen was er wollte. War er seine Mutter? Ren selbst wollte sich nur waschen und dann in das frisch bezogenen Bett und schlafen. So wie er die Klinik kennen lernen würde, wurden sie sicher zu einer unmenschlichen Tageszeit geweckt. Also, besser ab in die Federn. So rollte er zu dem Schrank, wo seine Sachen immer noch unordentlich herum lagen, sich stapelten und fast heraus fielen. Das würde er morgen machen müssen. Wenigstens waren seine Schlafsachen erreichbar. Also packte er sie und rollte vor die Bad Tür, öffnete sie, rollte zurück und dann hinein, machte innen Licht und schloss die Tür hinter sich. Wie für Kinder üblich erwachte der Junge schließlich nach einigen Stunden schlaf wieder, scheinbar putzmunter. Er streckte sich etwas und zuckte etwas als er spürte, dass ihm diverse Stellen schmerzten. Dass dies durch seine denkbar ungünstige Schlaflage bedingt war, kam ihm natürlich nicht in den Sinn. Ebenso nahm er auch nicht die kleinen Anzeichen wahr, die ihm eigentlich hätten zeigen sollten, dass er inzwischen nicht mehr allein in seinem Zimmer war. Wie z.B. der offene Schrank. Mit einem langen langen Gähnen zog er so die Bade Tür auf um die Toilette zu benutzen. Wie duschte man, wenn man nicht stehen konnte? Diese Frage hatte sich Ren am Anfang gestellt, als er weder mit dem Rollstuhl noch mit seiner Umgebung etwas anfangen konnte. Die Lösung war relativ simpel. Man duschte um sitzen. Natürlich wenn die entsprechende Vorrichtung vorhanden war. Zu Beginn brauchte Ren noch Hilfe, um sich selbst aufzustützen. Inzwischen hatte seine Armmuskulatur zugelegt und die wenige Muskelmasse an seinen Beinen abgenommen. Etwas stolz konnte er sich dann allein versorgen, wenn er sich einmal dreckig oder verschwitzt fühlte. Weit war er in seinem Ritual allerdings noch nicht gekommen, als Horo hinein kam. Gerade eben hatte er seine Schlafsachen platziert, die Handtücher zu Recht gelegt und sich das Oberteil aus gezogen. Von der Seite konnte der Blauhaarige ihn nun betrachten, wenn er wollte, oder eher musste, da er fast in Ren hinein lief. Das Bad war dank der vielen Hilfseinrichtungen leider etwas kleiner gehalten als die herkömmlichen, und trotz aller Technik nahmen die Rollstühle noch eine Menge Platz weg. Erschrocken hielt sich Ren daher an seinem fahrbaren Untersatz fest, genervt nicht einmal in dem Bad seine Ruhe zu haben. „Hallo auch, hat man hier auch einmal Privatsphäre?“ meinte er nun laut, fühlte sich zu gleich entblößt. Der Kerl vor ihm war geistig nicht auf der Höhe, aber wenigstens hatte er einen angemessenen Körper. Narben von Operationen und ein riesiges Tattoo schlängelten sich über seinen mageren Körper. Es war eine Sache, wenn Schwestern einen versorgten. Wenn wildfremde Leute einen halb nackt betrachteten, war das mehr als nur unangenehm. Angewurzelt blieb der Angesprochene nun stehen und starrt sein Gegenüber an. Makuse. Dies war das erste was ihm zu diesem Blick oder eher Anblick einfiel. Die Narben die vollzählig auf dem schmächtigen Körper verteilt waren sahen für ihn weniger wie Zeichen einer leidvollen Vergangenheit, sondern wie Kampfspuren längst vergessener Helden. "Mak-" Schnell hielt er sich beide Hände vor den Mund. Beinahe hätte er sich verraten, verraten, dass er seine wahre Gestalt kannte. Völlig bleich im Gesicht wich er zurück, aus Angst nicht aus Ekel, wie man vielleicht vermuten könnte, und schloss die schützende Tür zwischen ihnen wieder. Erst als er noch ein paar Schritte zurückgewichen war traute er sich wieder zu atmen. Langsam beruhigte sich sein rasendes Herz auch wieder. Er hatte ihn gar nicht kommen hören. Konnte er sich nun auch schon lautlos anschleichen? Um seine Opfer zu überfallen? Scheinbar angestrengt überlegte er, kam jedoch zu keinem neuen Schluss. Dass er zuvor wohl nur zu tief geschlafen hatte kam ihm auch hier wieder nicht in den Sinn. Doch plötzlich fiel ihm noch etwas auf. Erschrocken stürzte er zum Fenster und lehnte sich auf die Fensterbank. "Menno... " Gab er schließlich nur beleidigt von sich, an die Dunkelheit gerichtet. Er hatte den Sonnenuntergang dieses Mal verpasst und es ärgerte ihn. Jetzt musste er wieder bis morgen Abend warten. Dass ein Sonnenaufgang ebenso spektakulär sein konnte wusste er hierbei leider auch nicht. Und wenn hätte er sich nur noch mehr geärgert, dass er all die schönen Sonnenaufgänge verpasst hatte seitdem er hier war... „Mak…?“ sprach der Chinese diese komische Aneinanderreihung von Wörtern nach. Was wollte dieser Blechkopf sagen? Mak…? Makrele? Nein, das schien alles nicht zu passen. Vor allem nicht, wenn er selbst im Bad bei einem fast intimen Moment erwischt wird. Seufzend fuhr er sich durch die Haare und fuhr mit seiner angefangenen Tätigkeit fort. Anscheinend würde der Blauschopf nicht so schnell wieder in dieses Bad treten. Es sei denn, er überschätzte auch hier wieder die kindliche Intelligenz des körperlich Größeren. Aber er wollte ja hier nicht ewig halbnackt herum sitzen. Wenig später duschte Ren sich so ab. Das warme Nass fühlte sich gut auf seiner Haut an und auf seinen tauben Beinen. So konnte er sich wenigstens wieder vorstellen, wie es wäre wenn sie wieder seinem Körper zugehörig waren. Auch wusch er sich nur allzu gerne den Schweiß der langen Reise ab. Nachdem er damit fertig war und sich neu ankleidete, was alles länger als eine halbe Stunde dauerte, da er sich selbst aus dem Rollstuhl hinaus und hinein hieven musste, rollte er dann aus dem warmen Bad heraus und das angenehm temperierte Zimmer. Mal sehen, was der Metall-Mann so trieb. Dieser hatte die Geräusche aus dem Badezimmer weitestgehend ignoriert und war kurz darauf ins Bett gegangen. Abwesend starrte er die Wand vor sich an ehe ihn das Geräusch der Tür aufschrecken ließ. Schnell stellte er sich schlafend um dem legendären Zorn Makuses zu entgehen. Darin war er bereits geübter als man glauben mochte. So kannte er bereits genau die passende Atemsequenz und wusste einen Mittelweg zwischen Steifheit und zu viel Bewegung zu finden. Dennoch lauschte er aufmerksam auf alle Geräusche im Raum, unwissend was genau er glaubte zu erwarten. Schlief der Kerl etwa wirklich? Aufmerksam betrachtete Ren die Uhr in ihrem Zimmer, eine stinknormale blaue Uhr, deren Ticken laut in dem einsamen Zimmer widerhallte. Leer bis auf sie beide. Gut, um diese Zeit sollten kleine Kinder doch schon im Bett sein. Zufrieden, das er sich nicht mehr auf irgendeine Art und Weise vor dem Schlafen mit irgendwelchen Sachen herumplagen musste, rollte er zu seinem Bett. Draußen war es zwar schon dunkel und die weiße Wäsche und die Wände gaben dem ganzen Raum eine Art traurige Irrealität, während er nur die kleine Nachttischlampe an hatte. Dieses wenige Licht nutzend, mehr aus egoistischen Gründen das der Blauhaarige nicht aufwachte, schob er sich in das Bett. Dort legte er seine Beine so hin dass er sie nicht zu sehr in der Nacht abwinkelte. Wenn sie unterversorgt waren und er das natürlich nicht merkte, konnten sie schließlich im schlimmsten Falle absterben. Obwohl das wahrscheinlich auch sein Gutes hatte. So bekam er wenigstens Prothesen und würde garantiert wieder laufen lernen, oder nicht? Nein, falsch. Da seine Nervenbahnen einfach nicht mehr das taten was sie sollten, könnten sie nicht einmal ein Stück Holz bewegen. Er würde und wird nicht mehr laufen können. Keinesfalls ohne Hilfsmittel. Er langte nach der kleinen Lampe und löschte sie. Er würde theoretisch noch lesen, aber er hatte gerade einmal NUR fünf Bücher dabei. Und er würde hier über einen Monat bleiben. So wie er sich kannte würde diese Lektüre höchstens eine Woche reichen, mit Aufteilung Zwei. Und da er heute relativ ermüdet von der ganzen neuen Situation war, sollte er die Müdigkeit nutzen und schlafen. Er versuchte es wenigstens. Er wand sich etwas hin und her, immer wieder nach der passenden Lage suchend. Das er seine Beine nicht bewegen konnte, hatte seine Schlafhaltung ebenso wie sein ganzes Leben verändert. Früher schlief er in Embryonalhaltung – weis der Kuckuck warum – aber nun musste er seine Beine, die er kaum spürte, gerade lassen, damit er sich überhaupt im Schlaf bewegen konnte. Die Augen ruhte er in dieser Nacht zumindest aus. Sein Geist arbeitete und versuchte sich in Fantasien zu flüchten. Wenn er schlief, kamen die Alpträume wie bestellt. Unfähig sich zu rühren musste er mit Riesen kämpfen, von denen er Schmerzen im Nacken bekam wenn er versuchte sie anzusehen. Einer dieser Riesen hatte ein kindliches Lachen, fasste nach ihm, als wäre er ein Spielzeug. „Was zum spielen!“ rief es mit hoher Stimme aus, während das Holzpferd in seiner anderen Hand herunter fiel und ihn zerquetschte. Der kleinere Riese lachte und schwarze große Kulleraugen guckten ihn dann verwirrt an. „Kaputt gemacht?“ Ren sah an sich herab, wohl wissend, dass das mal wieder nur ein Traum war. „Nö“ meinte er nur. Schließlich waren nur seine Beine Matsch. Sie waren zu großen Blutflecken geworden, ihm blieben nichts als Stümpfe übrig. So fühlte es sich jedes Mal und jeden Tag an. Als würden seine Beine nicht existieren. Als wären sie nicht da. Es war noch während Ren seinen Traum durchlebte und sich etwas unruhig im Bett hin und her drehte, als die zweite Person im Zimmer schleichend und unsicher den Raum verließ. Zuvor hatte er allein hier gelebt, da konnte er kommen und gehen wann und wohin er wollte, jedoch war er sich unsicher was Ren nun dazu sagen würde, bzw. was geschehen würde, wenn er ihn versehentlich wecken würde. Um diesem Problem zu entgehen tat er alles extra leise und konnte das Zimmer so unbemerkt und nahezu lautlos verlassen. "Ah ja... genau so.. gut machst du das..." Ein genussvolles Stöhnen erfüllte den kleinen Raum, während die Frau ihren Körper weiter lustvoll hin und her wandte. Immer schneller ging die Bewegungen, immer hechelnder der Atem und auch die Lautstärke selbst schien anzusteigen. Ohne dass einer der beiden Beteiligten etwas davon mitbekam wurden die Augen, welche durch den schmalen Spalt an der Tür spähten von Sekunde zu Sekunde immer größer. Der Besitzer eben jener hatte so etwas noch nie gesehen und war wie vom Donner gerührt und merkte in seinem Schockzustand kaum wie das Paar zum Orgasmus kam. +*+*+ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)