Close the Door von -Ray- ================================================================================ Kapitel 16: Kapitel 16 ---------------------- Close the Door Kapitel 16: Mein Vater war nicht zu Hause, als ich die Wohnung betrat, aus den Schuhen schlüpfte und meine Jacke an einen der vielen Haken hängte. Ich brachte meinen Rucksack in mein Zimmer und stellte die Tüte mit den erledigten Einkäufen auf die Arbeitsplatte in der Küche. Nach wenigen Minuten hatte ich alles, bis auf das Gemüse und den Reis, verstaut. Schnell bereitete ich etwas zu Essen zu, nahm mir einen Teller voll und ließ den Rest auf der Herdplatte stehen. Gerade als ich mein Zimmer betrat und die Tür hinter mir schloss, öffnete sich die Haustür und mein Vater betrat die Wohnung. Er begrüßte mich nicht, sondern trat direkt ins Wohnzimmer, wahrscheinlich um sich etwas zu Essen zu holen und den Fernseher anzuschalten. Ich hörte trotz der geschlossenen Tür, wie er eine Plastiktüte auf den Boden in der Küche abstellte. Glasflaschen klirrten aneinander. Kurz schloss ich die Augen und schluckte den Bissen, den ich im Mund hatte mühsam runter. Scheiße... Dann stellte ich den halbvollen Teller auf meinen Schreibtisch. Der Appetit war mir vergangen. Die gestrige Begegnung mit meinem Vater hatte mich hoffen lassen. Anscheinend hatte ich mich zu Früh gefreut. Wusste ich doch ganz genau, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte… -- Seto betrat sein Büro, schloss die Tür hinter sich und ließ seinen Kopf niedergeschlagen an das dunkle, massive Holz sinken. Er schloss die Augen. Verdammt! Was hatte er nur getan? Was sollte sein Mitschüler jetzt nur von ihm denken? Er schluckte. Stieß sich von der Tür ab und drehte sich um, um zu seinem Schreibtisch zu gehen. Er setzte sich auf seinen Bürostuhl, nahm die Notebooktasche auf den Schoß und holte den tragbaren Computer hervor. Und jetzt? fragte er sich in Gedanken. Joseph war ihm während der Schule die ganze Zeit über aus dem Weg gegangen. Verständlich nach der Aktion des gestrigen Abends. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Wie hatte er ihn einfach küssen können? Nicht das er es nicht gewollt hatte…doch…wie tief wollte er noch sinken? Wie mies war das denn bitte? Er hatte die Situation voll und ganz ausgenutzt! Ohne Skrupel hatte er sich Joseph mehr oder weniger an den Hals geschmissen und ihn geküsst…und das nur, weil er von dessen emotionalen Ausbruch so durcheinander gewesen war. Es war einfach passiert, ohne dass er es vorher durchdacht hatte. Und trotzdem. Er hatte die Situation ausgenutzt. Wie musste Joseph sich nach der Aktion jetzt fühlen? So viel zum Thema Vertrauen und Freundschaft. Mit Freundschaft hatte seine Tat wenig am Hut… -- So leise wie möglich drehte ich den Schlüssel in meiner Zimmertür um. Dann ließ ich mich erleichtert zu Boden sinken und lehnte mich kurz an das helle Holz. Mein Vater wütete wie so oft im Wohnzimmer. Ich hatte nicht wirklich das Bedürfnis an diesem Ausbruch teilzunehmen. Noch war er nicht auf die Idee gekommen in mein Zimmer zu platzen und seine Wut wie so oft an mir auszulassen. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Morgen war Samstag. Das Wochenende stand vor der Tür… Zwei ganze Tage allein mit meinem Vater in einer zirka 50 qm großen Wohnung. Das klang nach verdammt viel Spaß! Seufzend stemmte ich mich nach oben und schleppte mich mit wenigen Schritten zum Bett. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt. Die Erkältung und die Geschehnisse der letzten Woche nagten an meinen Kräften und ich fühlte mich alles andere als fit! -- „Was gedenken Sie nun zu tun, Mister Kaiba?“, fragte er leise. Hilflos zuckte der Angesprochene mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Roland.“, antwortete er. Seto fuhr sich seufzend durch die Haare. Sein Bodyguard stand mit verschränkten Armen vor ihm und sah ihn abwartend an. „Ich habe keine Ahnung, was zwischen Ihnen und dem jungen Mann vorgefallen ist, doch was ich mit Sicherheit weiß ist, dass es nur sehr wenige Möglichkeiten gibt, wo er jetzt stecken könnte. Und die Möglichkeit die mir im Moment im Kopf schwirrt, bereitet mir Magenschmerzen. Also…was soll jetzt passieren?“ Seto schwieg. Er wusste genau worauf der Ältere hinauswollte, doch im Moment konnte er ihm keine zufrieden stellende Lösung des Problems mitteilen. Er wusste schlichtweg nicht, was er jetzt machen sollte. Und natürlich bereitete die Vorstellung, dass Joseph wieder bei seinem alkoholkranken Vater wohnte, ihm Übelkeit, doch was verdammt noch mal sollte er jetzt tun? „Wenn ich eine Lösung hätte, Roland, würde ich sie dir mitteilen. Doch ich weiß es nicht!“, antwortete er bissig. Dass er ins Du übergegangen war, passierte öfters. Gerade wenn es um Emotionen ging, sie nicht einer Meinung waren, oder Roland ihm Vorträge hielt, wechselten sie in die persönlichere Anrede. „Vielleicht solltest du hinfahren und dich entschuldigen. Das ist immer noch besser als tatenlos in deinem Büro herumzusitzen und dir den Kopf zu zerbrechen!“, erwiderte der Bodyguard und wandte sich um, um den Raum zu verlassen. „Das kann ich nicht.“, widersprach Seto sofort. Nein! Das ging nicht…zumindest noch nicht… Er wusste nicht, wie er sich bei Joseph entschuldigen sollte. Ihm fehlten schlichtweg die Worte. „Gut! Dann denke dir etwas Besseres aus! Aber solltest du in nächster Zeit nicht endlich in die Gänge kommen, werde ich die Sache eben selbst in die Hand nehmen!“, bellte der Ältere und verließ dann Grußlos das Zimmer. Seto stöhnte auf, ließ sich in seinen Bürostuhl zurücksinken und raufte sich die Haare. Er wusste, sein Beschützer hatte recht… Doch wie sollte er das Ganze denn retten? -- Erleichtert atmete ich auf, als ich hörte wie mein Vater sein Schlafzimmer ansteuerte, sich ächzend aus der Kleidung befreite und sich dann ins Bett legte. Die Matratze quietschte leise, als er sich mehrere Male von einer Seite zur anderen wälzte. Dann war nur noch das monotone Schnarchen zu vernehmen. Er schlief seinen Rausch aus. Gott sei Dank! Leise stand ich auf, trat aus dem Zimmer und schlich mich ins Bad. Schnell verrichtete ich meine Notdurft, wusch mir die Hände und putzte die Zähne. Dann ging ich in die Küche, griff nach einer Wasserflasche und verbarrikadierte mich erneut in meinem Zimmer. Es war kaum auszuhalten. Dieser stetige Adrenalinpegel in meinem Körper ließ mich kaum zur Ruhe kommen. Ich fühlte mich eingeengt und eingesperrt in diesem Raum. Früher hatte ich mein Zimmer als eine Art Zufluchtsort angesehen. Jetzt empfand ich es als Gefängnis. Kaum setzte ich einen Schritt vor das Zimmer, wurde ich mit der Angst konfrontiert, meinem Erzeuger über den Weg laufen zu können. Sobald ich die Tür meines Zimmers geschlossen hatte, drehte ich den Schlüssel zweimal im Schloss herum. Ich schaffte eine Mauer…jedoch nicht nur zwischen mir und meinem Vater sondern auch zwischen mir und dem Rest der Welt. Betrat ich einmal diese Wohnung, gab es keine Fluchtmöglichkeiten mehr. Ich gab meine Freiheit komplett auf. Für ein Leben, dass ich nicht wollte. Für eine Familie, die keine war. Ich fühlte mich allein. Noch Einsamer als je zu vor. Seit ich die Villa der Kaibas verlassen hatte, war ich in ein tiefes Loch gestürzt. Ich fühlte mich, als befände ich mich im freien Fall. Man wusste, irgendwann würde es zum Aufprall kommen, konnte aber nicht sagen, wann und wo es geschehen würde. Man konnte auf seine Situation keinen Einfluss nehmen. Man fiel… und es gab keine Möglichkeit dem Ganzen zu entfliehen. Das einzige was einem blieb war der Fallschirm. Doch den bekam ich im Moment nicht geöffnet. Stattdessen raste ich unaufhörlich Richtung Boden und wollte mich so gern mit aller Macht auf den Aufprall vorbereiten, doch wusste ich genau…ohne Hilfe gab es für mich keine Chance zu überleben… Ich wusste…irgendwann würde mein Vater mich wieder wahrnehmen. Und er würde mich spüren lassen, was es bedeutete, sich gegen seinen Willen zu stellen. Ich war davon gelaufen, hatte mich gegen ihn gewehrt und sogar Unterstützung, in Form von Roland, gegen ihn in diese Wohnung gebracht. Mir war klar, dass trotz der recht positiven Aufnahme, diese Sache noch längst nicht ausgestanden war. Ich überlebte das Wochenende ohne bleibende Schäden davon zu tragen. Zwar war ich übermüdet, hatte seit anderthalb Tagen nichts mehr gegessen und hatte zwei neue Blutergüsse im Bauchbereich, doch mein Vater hatte mich im Großen und Ganzen verschont. Als mein Wecker klingelte um mich aus dem Bett zu werfen, drehte ich mich nicht noch einmal um, sondern schaltete ihn aus und stand auf. Ich ging ins Bad, duschte, putzte mir die Zähne und zog mich in meinem Zimmer an. Dann griff ich nach meinem Rucksack, warf ihn mir über die rechte Schulter und ging kurz in die Küche um nach etwas Essbarem zu suchen. Ich fand lediglich einen schon leicht eingedellten Apfel auf der Anrichte. Ich schnitt das faulige Stück weg und biss probehalber in die Frucht um deren Haltbarkeit festzustellen. Er war essbar. Also verließ ich die Wohnung, schloss die Tür hinter mir und stopfte mir, während ich die Treppe nach unten ging, den Apfel nach und nach in den Mund. Nach wenigen Bissen hatte ich ihn verschlungen und lediglich den Stiel noch in der Hand. Als ich das Haus verließ, schluckte ich den letzten Bissen und warf den Stiel ins Gebüsch neben dem Treppengeländer. Langsam trottete ich zur Straße vor, hob dann den Blick und blieb abrupt stehen. Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich das Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkannte. Die Person auf der Fahrerseite stieg aus und winkte mich näher. Unschlüssig blieb ich an Ort und Stelle und überlegte. Was hatte das zu bedeuten? „Komm Joseph, ich fahr dich zur Schule.“, rief Roland mir zu. Misstrauisch runzelte ich die Stirn. Meinte er es ernst? Konnte ich ihm Vertrauen? Sollte das hier keine Entführungsaktion werden, um mich wieder zurück in Kaibas Villa zu sperren? „Keine Angst, ich werde dich zu nichts zwingen.“, erriet Roland meine Gedanken und winkte mir erneut auffordernd zu. Schließlich setzte ich mich in Bewegung, überquerte die Straßenseite, umrundete die schwarze Limousine und setzte mich auf den Beifahrerplatz. Roland stieg ebenfalls wieder ins Auto, ließ den Motor an und fuhr los. Schweigend saßen wir einige Minuten nebeneinander bevor Roland das Wort ergriff: „Ist alles in Ordnung?“ „Ja, im Moment schon.“, erwiderte ich und sah ihn kurz an. „Entschuldige meinen Ausbruch letzte Woche. Ich wollte dich damit nicht ängstigen.“, erklärte er leise. „Schon okay.“ Ich schlug die Augen nieder und sah unsicher auf meine Hände. Was wollte er wirklich von mir? Wollte Roland tatsächlich nur wissen ob alles in Ordnung war? Nach wenigen Minuten kamen wir vor dem Schultor an. „Danke.“, sagte ich leise und wollte gerade die Tür öffnen, als Roland mir die Hand auf die Schulter legte, um mich noch einen Moment zurückzuhalten. „Joseph, ich weiß nicht was zwischen dir und Seto vorgefallen ist. Ich weiß nur eins: Mein Chef ist seit du verschwunden bist total durch den Wind und zu nichts zu gebrauchen. Und du wohnst wieder bei deinem alkoholkranken Vater. Sowohl die eine als auch die andere Tatsache bereiten mir Kopfschmerzen und Übelkeit. Was auch immer zwischen euch geschehen ist, ändert nichts an der Möglichkeit für dich, in der Villa zu wohnen. Das was mir wichtig ist, ist dass es dir gut geht. Ich will nicht, dass du weiterhin verletzt wirst, vor allem, da es nicht sein muss. Denk darüber nach, okay? Und wenn du es übers Herz bringen solltest, dann rede mit Kaiba…“ Kurz hob ich den Blick. Seine Worte hatten mich verwirrt und auf der anderen Seite ein wohliges Gefühl in meiner Magengegend geschaffen. Es war schön zu hören, dass Roland etwas an mir lag. Ich sah ihm in die Augen, sah, dass es ihm wirklich ernst war und lächelte leicht. Dann nickte ich, stieß die Tür auf und stieg aus dem Auto. Er nickte mir ebenfalls zu, startete den Motor und fuhr dann langsam davon. Unschlüssig sah ich der schwarzen Limousine nach. Ich wusste nicht, was jetzt zu tun war. Ich wusste nur eins: Freiwillig ein Gespräch mit Kaiba zu beginnen stand für mich außer Frage. Die Angst vor einer erneuten Enttäuschung war viel zu groß… Schließlich drehte ich mich um, mischte mich unter meine Mitschüler und ließ mich vom Strom mit ins Gebäude ziehen. -- Es war klar gewesen, dass ich ihm nicht ewig entfliehen konnte. Schon als ich auf dem Weg zur Toilette war, hatte ich gewusst, dass er mir folgen würde. Mit verschränkten Armen stand er direkt neben der Tür und beobachtete mich schweigend. Ich ignorierte ihn, wusch mir die Hände und trocknete sie mir mit den Papiertüchern ab. Ich spürte seinen Blick auf mir, wusste, dass er mich schon eine geraume Zeit beobachtete. „Was willst du von mir?“, fragte ich ihn leise und drehte mich schließlich zu ihm um. „Reden.“, antwortete er schlicht und sah mich an. Ich konnte den Ausdruck seiner Augen nicht deuten. „Ich wüsste nicht worüber…“ Mit diesen Worten brach ich den Blickkontakt ab und wandte mich zur Tür. Gerade als ich sie öffnen wollte, trat er einen Schritt zur Seite und versperrte mir somit den Weg ins freie. „Aber ich.“, erwiderte er und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter um mich zurück zu halten. Ich sah auf, starrte stumm in die tiefblauen Augen meines Gegenübers und schüttelte leicht mit dem Kopf. „Lass mich vorbei.“ „Nein.“ Schweigend sahen wir uns an. „Joseph…“ „Nein! Ich will es nicht hören!“, unterbrach ich ihn rüde und stieß seine Hand von meiner Schulter. Ich ertrug die Berührung im Augenblick nicht. Er zuckte leicht zusammen. „Geh aus dem Weg!“, forderte ich ihn erneut auf. Er senkte den Blick und trat zur Seite. Schnell stieß ich die Tür auf, und verließ den Raum. Seto sah mir traurig nach. „Es tut mir leid…“, flüsterte er leise. Ich hörte ihn nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)