Weihnachtliche Wanderungen von Ryourin (Mello (Matt, Near)) ================================================================================ Kapitel 1: 59 Tage ------------------ A/N: Die Geschichte ist in der Zeit nach Ls Tod angesiedelt, als Mello abhaut. Ich schätze, das merkt man auch so, aber ich erwähne es trotzdem mal; dementsprechend sollte man sich nicht über die Präsenz von Weihnachtsfeiern wundern, wir befinden uns hier also noch in England. ;) ** Mello hatte die Tage, die er bereits in dieser siffigen Baracke ausharrte, gezählt. Es waren 59 Tage, die er zumeist damit verbrachte, Debatten mit sich selbst zu führen, die schimmligen Wände anzustarren und über seine Situation nachzudenken, und all dies für gewöhnlich zur gleichen Zeit. Da war er nun, weg von Wammys, und er vegetierte in einer widerwärtigen Absteige vor sich hin; besessen von der wahnwitzigen Idee, Near zu schlagen und den Platz des weltbesten Detektivs für sich einzunehmen, und zwar alleine. Er wusste nicht, wie Roger überhaupt auf die Idee gekommen war, dass er und Near sich Ls Titel teilen würden. Wahrscheinlich ging die Schnapsidee auf Wammys Konto, zumindest konnte Mello sich niemand anderen vorstellen, der trotz überragender Intelligenz eine derartige Naivität an den Tag legen konnte, wenn es um die Bewohner des Waisenhauses (präziser: Mello) ging. ER und Near? Allein der Gedanke war absurd. Zumindest ein Teil seines Wunsches war in Erfüllung gegangen: Alleine war er tatsächlich, wenn er die Ratten in seiner Bude außer Acht ließ (die generell auch seinen Bedarf an sozialer Interaktion vollkommen stillten). In den letzten 59 Tagen hatte er jedoch durchaus seine Schwierigkeiten gehabt, sich mit dieser kleinen Veränderung in seinem Leben zu arrangieren. Nein, er vermisste niemanden aus dem Irrenhaus, das er so überstürzt verlassen hatte. Er war froh, den leidigen Wettstreit mit Near nicht mehr über ein triviales Medium wie Schulnoten austragen zu müssen. Noch weniger vermisste er die Anstandswauwaus, die so viel Zeit damit verbrachten, ihn für seine Eskapaden zu rügen; die Langeweile, die das Waisenhaus abgesehen von dem immerwährenden Kampf zwischen ihm und Near mit sich brachte; das Gefühl, Zeit zu verschwenden, die er so viel produktiver nutzen könnte (Noten, pah!); oder gar die Gesellschaft anderer. (Und gar nicht Matt. Niemals Matt.) Dennoch tat er sich schwer, sich an das Fehlen der vielen kleinen Details, die sein Leben so lange bestimmten, zu gewöhnen. Seine Bruchbude stank penetrant nach dem Geruch von altem Frittenfett, den der Imbiss gegenüber beständig in sein Schlafzimmer wehte; seine Dielen waren zerschlissen und voller Staub, ansonsten allerdings ungewohnt leer; sein Kühlschrank besaß kaum anderen Inhalt als billige Tafeln mäßig schmeckender Schokolade; und sein Schlafzimmer wurde nicht von zwei Personen geteilt. An Tagen wie diesen, an dem die verdammten Fritten ihn besonders belästigten, er im Flur nur über seine eigenen Füße stolpern konnte und nachts nur von seinem eigenen Atem gestört wurde, missfiel ihm der Verlust altbekannter Dinge besonders. Es plagte nicht nur sein Gemüt, dass er sich fieberhaft den Gestank von altem Zigarettenrauch herbeiwünschte. Oder einen Flur voll von unnützem Spielzeug, einen Kühlschrank voller Kuchen und einen Zimmernachbarn, der ihn nachts mit lautem Schnarchen wachhielt. Nein, am meisten plagten diese aussichtslosen Bedürfnisse seinen Stolz. Er war zu stolz, um sich all dies laut einzugestehen, und zu antriebslos, sich seines irrationalen... was, Heimwehs? anderweitig zu entledigen (in anderen Worten, sich hemmungslos zu betrinken). Natürlich kam zu all den anderen Faktoren, die ihm generell ständig auf den Geist gingen, auch noch der unüberhörbare Klang des x-ten Weihnachtslieds dazu. Die Geräusche weihnachtlicher Lebendigkeit drangen offenbar selbst durch geschlossene Fenster. Wenn er einen Blick hinauswarf, konnte er durch die schmale Gasse, in der er hauste, die angrenzenden, großen Straßen beobachten und einen Haufen grenzdebil lächelnder Paare sehen, die gegenstandslose Unterhaltungen führten und sich ihren Weg durch die überfüllten Straßen bahnten. Geschmückt war die (frustrierende?, fragte sein Gehirn) Aussicht von ekelhaft grellen Weihnachtsmännern in Übergröße und der besagten Musik, die ihn früher oder später sicherlich irre machen würde. Allen Klischees zum Trotz war es Mello scheißegal, daß er keine der schwachsinnig grinsenden Turteltauben (wie zum Teufel hatte sich eigentlich das in sein Vokabular geschlichen?!) dort draußen war. Die wirren Gedanken, die ihn so unbarmherzig triezten, hatten heute eher zufällig ihren Zenit erreicht, zumindest sagte er sich das. An den blinkenden Weihnachtsmännern lag es wohl kaum. Ein Seufzen unterdrückend (so weit kam es noch!) stand er auf, griff nach seiner Lederjacke samt Schlüssel und verließ das Haus. Weit ging er nicht. Er bedachte den Zigarettenautomaten vor sich einen Moment lang mit einem skeptischen Blick, zog sich dann aber eine Packung irgendeiner Sorte, die er nicht einmal kannte, um sich kurzerhand eine Zigarette anzustecken. Er zog daran, atmete aus, und starrte einen Augenblick lang die Rauchwolken an, die seiner Lunge entwichen; es schmeckte widerlich, weckte in ihm einen schwer zu unterdrückenden Hustenreiz und roch nicht nach alten Freunden, die er verdammt noch mal vermisste, auch wenn er sich dagegen wehrte. „Scheiße“, fluchte er ohne ersichtlichen Grund. Mello spürte noch kurz die Wärme des Glimmstängels, bevor er ihn auf den Boden warf, die Kippe mit seinem Stiefel wütend (aus welchem Grund?, fragte sein Hirn) zertrat und die verbliebene Packung einsteckte. Die Zigarette brachte nur den faden Beigeschmack alter Erinnerungen an rote Haare und gestreifte Pullover, und irgendwie war Mello sein Verlangen nach diesen Dingen lieber gewesen als die farblosen Erinnerungen. Gereizt machte er sich auf, durch die vollgepackten Straßen zu stapfen und... was auch immer zu tun, sich weniger zu bemitleiden, sich abzulenken (sich zu betrinken, zu vergessen). Das Klischee verlangte von ihm eigentlich fast, an einem Spielzeugladen vorbeizukommen. Die Schaufenster waren dekoriert mit widerlich glitzerndem Lametta und, wie konnte es auch anders sein, fetten Weihnachtsmännern, deren hohle Blicke ihm aus steifen Gesichtern entgegen starrten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte er sich nicht davon abhalten, das Schaufenster zu begutachten. Legokästen, Bauklötze, eine Weihnachtsversion von Optimus Prime – Übelkeit stieg in ihm hoch, während er den (mit einer Weihnachtsmütze bekleideten, gute Güte) Roboter eingehend betrachtete und steigerte sich, als sein Blick auf ein Puzzle fiel. Es lag nur an der Widerwärtigkeit der Schaufensterauslagen, versicherte er sich. Trotzdem war er eine Viertelstunde später mit einer Tüte (mit einem Puzzle) bepackt, als er den kitschigen Laden verließ. Sein nächster Gang führte ihn in seine Stammkneipe. „Chocolate Martini“, brummte er dem Barkeeper zu, der seine mürrische Bestellung schulterzuckend aufnahm. „Ziemlicher tussige Wahl“, merkte eine Stimme an. Der Kerl neben ihm am Tresen warf ihm ein schiefes Grinsen zu und ignorierte den feindseligen Blick von Seiten Mellos. „Wie Irish Coffee“, gab Mello scheinbar ungerührt zurück, nachdem er das Getränk seines Nebenmanns bemerkte. Leises Unbehagen und angestaute Wut ballten und vermischten sich in ihm, doch er war zuweilen ebenso beherrscht wie cholerisch. So auch heute, zum Glück dieses Kerls. „Zugegeben.“ Das forsche Grinsen blieb weiterhin an dessen Gesicht getackert. Unmut mischte nun ebenfalls in seinem Magen mit, aber er blieb sitzen, aller Vernunft zum Trotz. (Manche der kleinen Dinge waren gleich geblieben, und es gefiel ihm.) Mello wollte paradoxerweise nichts anderes als seine Ruhe; sein Gegenüber hatte offensichtlich vor, seinem Vorhaben den Garaus zu machen. „Verpiss dich.“ Mellos Stimme war leise, drohend, erzielte aber nicht die erhoffte Wirkung. „Sonst? Ziehst du mir dein Spielzeug über den Schädel?“, war die prompte Antwort. Und ein weiteres süffisantes Grinsen, eine Hand, die eine vage Bewegung in Richtung seines Puzzles machte. Der unverhohlene Spott in der Stimme des Kerls ließ seine Innereien (in Brusthöhe, merkte sein Hirn an) schmerzhaft verkrampfen. „Zu schade drum“, sagte Mello, erhob sich, und rammte seine Faust mit ausdrucksloser Miene in das Gesicht seiner neuen Bekanntschaft. Seine Knöchel waren mit Blut befleckt, das Gesicht des Typen war unter Schmerzen verzerrt- augenblicklich brach Tumult los, als das rote Blut seine Knöchel hinab rann. Rot- rot wie- seine Gedanken wurden unterbrochen, als er einige unangenehme Gestalten auf sich zukommen sah. Darauf konnte er jetzt beileibe verzichten, also machte er sich aus dem Staub, bevor man ihn rauswerfen konnte. Auch, wenn feige Flucht eigentlich nicht seine Art war (Und warum bist du dann hier?, fragte sein Hirn beiläufig). In der dunklen Gasse vor seiner Tür kramte er erneut eine Zigarette hervor und steckte sie an. Er zog einmal daran und beobachtete die Schwaden des Qualms, die in der kalten Luft verpufften; dann sah er hoch zu seinem Küchenfenster. Wie viele Tage würde er hier noch verbringen (Alleine, fragte sein Hirn)? Mehr als 59, dessen war er sich sicher. An die 365 Tage bis zum nächsten Weihnachten dachte er nicht. ** A/N, die Zweite: Ich habe mich beim Schreiben dieses Dings hier kontinuierlich selbst irritiert. Erst hab ich überlegt, inwiefern Weihnachten überhaupt so in Japan verbracht wird, dann hab ich Lebkuchen erwähnt (in Japan!)... dann fiel mir auf, daß das hier in Winchester bzw. England spielt. Ich bin manchmal sehr geistreich. Ansonsten war es beabsichtigt, offen zu lassen, in welcher Beziehung Mello und Matt (bzw. Mello und Near) zueinander stehen. Im Übrigen kann ich mir zwar bestens vorstellen, dass Mello an Festen jeglicher Art Leute prügelt und sich ebenso besäuft/besaufen will, trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob er nicht zu OOC geworden ist. Letztendlich bedanke ich mich dann mal bei Mellos Hirn für die geistreichen Randbemerkungen. (Und ich konnte mir den/die/das Transformers-Cameo nicht verkneifen. °_°) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)