Tempted to touch von desertdevil6 ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Anmerkung des Autors: Tut mir wirklich leid, dass es so lange mit diesem Kapitel gedauert hat. Eigentlich sollte es ja schon ein Weihnachtsgeschenk an euch werden, aber da hatte ich so viel Stress und bin echt zu nix gekommen. Deswegen jetzt also als verspätetes Neujahrspräsent ^^ Hoffe es gefällt. Hab mir wirklich Mühe gegeben und es sogar etwas länger als geplant geschrieben. Viel Spaß jedenfalls beim Lesen. ***Tempted to touch XV*** Die Konferenz war in vollem Gange und Davon schaute bestimmt schon zum zwanzigsten Mal auf die riesige Wanduhr, die noch ein Überbleibsel aus Zeiten des Drachenvolkes war. Denn um das ovale Ziffernblatt wanden sich zwei schlangenähnliche Drachen. Sie stellten gemeinsam mit den gezackten Zeigern das Herz eines anderes großen Drachens dar, der auf den Hinterbeinen stand und mit den Vorderklauen sein »Herz« umrahmt hielt, während er den Kopf zur Seite gelegt hatte und mit seinem linken Auge den Betrachter aufmerksam anfunkelte, fast so, als wäre er lebendig. Davon war schon immer von dieser Uhr fasziniert gewesen, doch heute schien dieser Drache ihn zu verhöhnen, indem er die Zeit extra langsam vergehen ließ. Rein gefühlsmäßig kam es ihm nämlich vor, als säße er schon zwölf Stunden in dieser großen Konferenzhalle, dabei waren es erst drei! Konzentrieren konnte er sich auch kaum, was hauptsächlich daran lag, dass seine Gedanken sich ausschließlich mit Yume beschäftigten und mit der Situation von heute morgen. Kurzfristig hatte er ein zweites Zimmer organisiert, dass gar nicht weit von dem anderen weg lag und war mit seinen Sachen umgezogen. Dabei hatte Yume ziemlich traurig ausgesehen, aber es hatte ihn nicht zurück gehalten, obwohl seine innere Stimme lautstark protestiert hatte. Bisher war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, dass der Kleine ihn wegen der Sache im Bad nicht abstoßend finden könnte. Aber wenn er sich jetzt zurück erinnerte, hatte er keine Abscheu in den bernsteinfarbenen Augen erkennen können, was das betraf. Eher war Interesse und Neugier in Yumes Gesicht zu lesen gewesen, was Davon bis zum jetzigen Zeitpunkt erfolgreich ignoriert hatte. Ob er nicht vielleicht doch überreagiert hatte? Diese Frage drängte sich ihm plötzlich auf, doch er schüttelte unmerklich den Kopf, ohne es so recht zu merken. Nein, bestimmt nicht! Es war alles in Ordnung so wie es war, sagte er sich selbst, zwar wenig überzeugt, aber er hatte nun auch keine Zeit mehr weiter darüber nachzusinnen, denn der Großfürst von Achar begann in diesem Moment seine Ausführungen. Zu Beginn waren sie sich alle vorgestellt worden. So lief es immer, obwohl der Großteil der Fürsten schon über Jahre derselbe war und sie sich alle kannten, so stellte die Begrüßung so etwas wie eine Zeremonie dar. Es saßen knapp dreißig Leute um den riesigen ovalen Tisch, der mitten in einem Saal stand, der sonst auch für feierliche Anlässe genutzt wurde. Jeder der dreißig Anwesenden hatte eine kurze Zusammenfassung über die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung seines Herrschaftsbereiches zu geben. Bei den meisten handelte es sich um ältere Herren und dementsprechend waren auch die Berichte. Großfürst von Achar war der vorletzte Sprecher und Davon war zum Glück schon dran gewesen. Bei der Aussicht auf die letzten Berichte, war er überhaupt nicht mehr motiviert. Erneut glitt sein Blick zur Uhr. Wieder erst zwei Minuten vorbei. Innerlich seufzte er schwer, stützte den Kopf auf einer Hand ab und versuchte wenigstens interessiert auszusehen. Währenddessen hockte Yume einsam auf dem Bett, in dem Zimmer, in dem Davon ihn zurückgelassen hatte. Traurig starrte er auf das Frühstück, das ihm gebracht worden war, aber Appetit, geschweige denn richtigen Hunger verspürte er keinen. Er vermisste Davons Gegenwart jetzt schon und das schlug ihm schwer auf den Magen. Noch immer verstand der Kleine nicht, wieso der Mann ihn allein gelassen hatte. Nur wegen der Sache im Badezimmer? Dabei war sich Yume noch nicht einmal bewusst, was er überhaupt falsch gemacht hatte und das betrübte ihn am meisten. Schwer seufzend schaute er zur Tür und hoffte immer noch, dass der andere zurückkam. Aber als er über eine halbe Stunde trübselig die Tür angestarrt hatte, raffte er sich auf. Bestimmt war Davon schon längst Arbeiten, oder auf so einer Konferenz, wie er ihm während der Reise erzählt hatte. Die meiste Zeit würde der andere auf solchen Sitzungen sein, hatte er ihm erklärt und nun konnte Yume sich nicht mal darauf freuen, wenn die zu Ende waren, weil der Mann ja dann nicht zu ihm kam, sondern in sein Zimmer ging. Er fragte sich warum er dann überhaupt mitkommen musste, wenn sie sich sowieso kaum zu Gesicht bekommen würden. Nachdenklich strebte Yume zu seinem Gepäck und suchte sich etwas Vernünftiges zum Anziehen heraus. Es waren alles Sachen, die Davon vor einiger Zeit für ihn hatte anfertigen lassen. Abermals seufzte der Kleine schwer. Ob er wollte oder nicht, er wurde immer wieder durch Kleinigkeiten an den anderen erinnert, obwohl er gar nicht an ihn denken wollte. Das machte ihm alles zusätzlich schwer. Fertig angezogen, wartete er ungeduldig hin und her gehend, dass Lano kam und ihn zum Rausgehen abholte. Aber nach einer halben Ewigkeit, in der der andere Junge sich nicht hatte blicken lassen, verließ Yume schließlich auf eigene Faust das riesige Zimmer. Ihm war unglaublich langweilig. Lano war bestimmt mit Heron unterwegs und hatte ihn dabei sicherlich ganz vergessen. Aber die ganze Zeit nur warten, dass mal jemand an ihn dachte, wollte der Silberschopf auch nicht. Ihm war zwar nicht ganz wohl dabei einfach allein durch diesen großen Palast zu spazieren - vor allem nicht, weil Davon ihm das eigentlich untersagt hatte - aber nur auf dem Zimmer hocken, darauf hatte er auch keine Lust. Gewissenhaft schloss der Kleine hinter sich die hohe Tür ab und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche, bevor er erst einmal den langen Gang hinunter starrte. Yume war sich nicht sicher, aus welcher Richtung sie gestern gekommen waren, weil er da so müde und erschöpft gewesen war, dass er gar nichts mehr richtig wahrgenommen hatte. Unschlüssig sah er von einer Richtung in die andere und seufzte leise. Dann wählte er einfach den Gang rechts von sich. Er würde schon irgendwo ankommen. Und wenn nicht, dann ging er eben zurück. Eigentlich wollte er bloß in den Garten unter einen der hohen Bäume. In der Natur fühlte er sich nämlich wohl und konnte sich besser entspannen, als in einem dunklen Raum. Allerdings stellte sich das Unterfangen den Garten zu finden, als schwieriger heraus, als Yume gedacht hatte. Die Gänge waren wie ein Labyrinth. Außerdem sahen viele gleich aus, oder zumindest ziemlich ähnlich, sodass der Kleine bald überhaupt nicht mehr wusste, wo er sich befand. Nicht mal an den Rückweg konnte er sich erinnern. Verzweifelt drehte er sich im Kreis und versuchte sich zu entsinnen, wo er hergekommen war. Unsicher ging er zurück zu dem Gang, aus dem er gekommen war, konnte sich aber bei der nächsten Abbiegung beim besten Willen nicht mehr erinnern, wo es lang ging. Verzagt knetete der Kleine seine Finger, kaute auf seiner Unterlippe herum und schaute sich immer wieder um, um vielleicht einen Hinweis zu finden, wo er lang musste. Wäre er doch bloß im Zimmer geblieben! Yume bereute es jetzt zutiefst, Davons Worte missachtet zu haben. Er war nun einmal ziemlich orientierungslos, aber hier sah alles so gleich aus. Er fürchtete sich sogar ein bisschen, denn die Gänge waren nicht besonders hell und Fenster gab es auch keine. Das fiel ihm jetzt erst so richtig auf, vorhin war er noch voller Enthusiasmus gewesen und hatte darauf nicht geachtet. Außerdem… ihm war in der ganzen Zeit nur wenige Personen begegnet. Es waren Leute in sehr edler Kleidung gewesen, deswegen hatte er sich auch nicht getraut an sie heran zu treten. Und selbst wenn… es wäre ihm ja schlecht möglich gewesen zu fragen… Mit gesenktem Kopf stand Yume an einer Abbiegung und überlegte unsicher, welchen Gang er denn nun nehmen sollte, als er plötzlich Schritte vernahm. Sofort schaute er auf. Eine Gestalt in hellen Gewändern kam auf ihn zu. Als sie nah genug war, erkannte Yume eine schlanke hoch gewachsene Frau mit langen blonden Haaren. Obwohl er noch nicht viele Frauen zu Gesicht bekommen hatte, fand der Kleine sie atemberaubend schön und Yume schluckte, als sie vor ihm stehen blieb und ihn eingehend musterte. Es war kein herablassender oder verächtlicher Blick. Dennoch fühlte der Silberschopf sich sofort unwohl. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe herum, senkte den Kopf und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Bestimmt hielt die Frau ihn für unhöflich, weil er sie nicht grüßte… »Schon gut… ich weiß, dass du nicht sprechen kannst.« Ruckartig schnellte Yumes Kopf in die Höhe und er starrte die Frau ungläubig an. Er öffnete reflexartig den Mund, um etwas zu sagen, doch kein Ton kam über seine Lippen. Ein leicht trauriges Lächeln lag auf den Gesichtszügen der Frau. »Es ist nicht gut, dass du hier bist.« Sie wandte sich um und schaute den Gang hinunter, aus dem sie gekommen war. »Du solltest nicht allein durch den Palast laufen. Das ist gefährlich. Davon ist ein Narr, wenn er glaubt, das Achitos nicht erkennt, was du bist…« Der letzte Satz war so leise gezischt worden, dass Yume ihn nicht richtig verstanden hatte. Doch ehe er sich irgendwie verständlich machen konnte, packte ihn die blonde Frau am Arm und zog ihn bestimmt mit sich durch die Gänge. Der Kleine war so perplex, dass er überhaupt nicht daran dachte sich zur Wehr zu setzen. Erst als er in ein Zimmer geschoben wurde, stieg Panik in ihm auf und er wollte sofort wieder zur Tür raus. »Beruhige dich, Junge. Ich werde dir nichts tun…«, redete die Frau gleich auf ihn ein, als sie Widerstand spürte. »Ich schließe die Tür nicht ab. Du bist kein Gefangener. Ich würde nur gern ein bisschen mit dir reden.« Freundlich lächelnd schob sie ihn weiter zu einer bequemen Sitzgruppe und bot ihm mit einer einladenden Handgeste einen Platz an. Yume fühlte sich völlig überrumpelt. Sollte er überhaupt hier sein? Und warum wollte diese Frau etwas von ihm? Vertrauen tat er ihr nicht, aber sie hatte Davon erwähnt und die Art wie sie es getan hatte, hatte auf den Kleinen leicht empört gewirkt, fast so, als wären sie alte Freunde… Aber wenn der Mann so eine Frau kannte, warum wollte er dann ihn an seiner Seite haben? Der Junge verstand das nicht und seine Verwirrung sah man ihm auch deutlich an. Zögerlich setzte er sich auf den angebotenen Platz, faltete die Hände im Schoß und starrte auf seine Finger. Sie wollte also mit ihm reden? Aber er konnte doch nichts sagen, wegen seiner Stimme! »Keine Angst, mein Kleiner. Ich kann dich auch verstehen, ohne dass du etwas laut sagst«, erklärte sie und tippte sich mit einem Finger an die Schläfe. »Du musst nur denken, was du mir sagen willst, dann verstehe ich dich. Übrigens… ich bin Nahi…« Leicht beugte sie sich vor und reichte Yume die Hand, bevor sie sich mit raschelnden Kleidern ihm gegenüber in einen Sessel setzte und elegant die Beine übereinander schlug. Nachdenklich ruhte ihr Blick dann auf ihm und Yume leckte sich nervös über die Lippen. Hatte er das richtig verstanden? Sie konnte Gedanken lesen? »Nicht lesen… ich kann hören was du denkst. Das ist ein Unterschied«, folgte prompt die Belehrung und Yume bekam sofort rote Wangen. Es war neu für ihn, dass ihn jemand ohne Probleme verstand. Eine ganze Weile herrschte Schweigen und Yume fühlte sich immer noch völlig unsicher. Aber anscheinend wollte diese Frau, Nahi hieß sie ja, erinnerte sich der Kleine, das er mit dem »Gespräch« begann. Langsam hob er den Blick wieder und musterte die Frau. Sie schaute ihn ebenfalls an, doch diesmal war es ihm unerklärlicherweise nicht unangenehm. Er überlegte, was er sagen beziehungsweise fragen konnte. Vorhin auf dem Gang hatte Nahi so ein paar Bemerkungen gemacht, die ihm nun durch den Kopf gingen. /Woher kennen Sie Davon?/ Das war es, was ihn schon die ganze Zeit beschäftigte. Obwohl er im Moment nicht schlau aus dem anderen wurde, fühlte er sich Davon doch sehr nahe und da bereits so viele Missverständnisse zwischen ihnen passiert waren, flammte eine kleine Flamme der Angst auf, dass der Mann ihn vielleicht doch nicht mehr wollte, wenn er die Wahl zwischen einer Frau und Yume hatte. Ein Lächeln erschien auf Nahis feinen Zügen und sie lehnte sich ein Stück zu ihm vor. »Wir kennen uns aus unserer Jugendzeit. Als Davon das erste Mal das Mittelreich besuchte, wollten unsere Väter uns sofort miteinander verkuppeln und wollten, dass wir heiraten.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Der liebe Davon war gar nicht so abgeneigt. Aber neben meiner Fähigkeit zu hören was Andere denken, kann ich auch ab und zu einen Blick in die Zukunft werfen. Und da habe ich gesehen, dass das Schicksal etwas ganz anderes für ihn bereithält.« Nun lehnte sie sich wieder zurück und lachte glockenhell, sodass Yume sich entspannte und die lockere Atmosphäre zu genießen begann. »Ich habe seinen Antrag abgelehnt und du kannst dir gar nicht vorstellen, was für ein Gesicht er da gemacht hat.« Jetzt schlich sich auch ein Lächeln auf Yumes Züge und er versuchte sich vorzustellen, wie geschockt Davon bei dieser Nachricht gewesen war. /Wie war Davon, als er jünger war?/ Yume konnte sich den Mann gar nicht anders vorstellen, als er jetzt war. Außerdem wusste er so gut wie gar nichts über ihn, nicht zuletzt aus dem Grunde, dass er ihn ja nicht fragen konnte. Und bisher hatte sich einfach noch nicht die richtige Möglichkeit ergeben. Nahi verstummte und musterte ihn nachdenklich, sodass Yumes Anspannung ein wenig zurückkehrte. »Hm… Wie lange kennt ihr euch denn schon?« Mit der Gegenfrage hatte der Kleine nicht gerechnet, aber selbst wenn… er hätte es auch so nicht genau sagen können. Gedankenverloren sah er auf seine Knie, aber da er noch nie ein richtiges Gefühl für Zeit besessen hatte und es auch eine Zeit gab an die er sich nicht erinnern konnte, zuckte er nur mit den Schultern. /Es ist viel passiert… ich weiß nicht genau…/, dachte er dann ziemlich spät und sah wieder auf, hoffend, dass es für Nahi nicht so wichtig war. »Hm…« /Ich weiß es wirklich nicht genau… aber am Anfang war er ziemlich grob zu mir. Nach einigen Wochen hat sich das geändert/, begann Yume dann einfach zu erzählen. Vielleicht konnte Nahi sich ja dann eine ungefähre Vorstellung darüber machen, wie lange er schon an Davons Seite war. Es war nicht so, dass er ihr haltlos vertraute, aber er spürte nichts Schlechtes oder Gefährliches an ihr und sie war ihm nach dem ersten Schreck sogar sympathisch. /Ein Drachen hat ihn damals verletzt und er hat mir erlaubt, dass ich ihn pflegen durfte… danach hat er mit mir einen Ausflug gemacht und mir sogar einen kleinen Drachen geschenkt…/ Bei der Erinnerung daran wurde Yume ganz warm und die Wärme, die er empfand spiegelte sich auch auf seinen zarten Zügen wieder. /Aber dann ist etwas Schlimmes passiert…/ Der Kleine wollte gar nicht daran denken. Er fröstelte und das schöne warme Gefühl, was er eben noch empfunden hatte, verschwand ganz schnell wieder. /Ein Drachen war verletzt… ich wollte ihm bloß helfen… aber da hat mich Davons Drachenmeister überwältigt. Erst hat er mir wehgetan und mich dann auf ein Pferd gebunden…/ Yume wusste nicht, warum er das Nahi alles erzählte. Es war eigentlich überhaupt nicht so wichtig und sie war ihm ja auch noch ziemlich fremd. Aber sie war die einzige mit der er sich, seit er denken konnte, einigermaßen normal unterhalten konnte. /Ich hab nur gebetet dass Davon mich findet… weil ich ihn in der Zwischenzeit sehr gemocht habe… er war immer nett zu mir und ich durfte sogar mit im Bett schlafen../ Ein trauriges Lächeln legte sich um seine Mundwinkel. /Doch als er mich dann gefunden hatte… war er noch gemeiner als am Anfang. Ich.. er wollte mich sogar töten. Aber das hat irgendwie nicht geklappt und deswegen hat er mich jeden Tag gequält. Dann kann ich mich lange an nichts erinnern, aber danach… Davon war wieder wie ausgewechselt, aber seitdem hatte ich eine ganze Weile Angst vor ihm. Jetzt nicht mehr… aber seit wir hier sind, verhält er sich ganz komisch. Er hat sogar ein eigenes Zimmer genommen, obwohl wir zuerst in einem waren…/ Ein fragender Ausdruck lag in Yumes Augen, so als hoffte er, dass Nahi ihm dabei weiter helfen konnte. Sie hatte ihm aufmerksam zugehört und schüttelte nur leicht den Kopf. »Da habt ihr beide ja schon ziemlich viel durchgemacht…«, seufzte sie und strich sich mit einer Hand eine blonde Strähne aus der Stirn. »Es scheint mir, dass Davon sich von Grund auf geändert hat. Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, ist ziemlich viel Zeit vergangen. Früher war er ein richtiger Draufgänger und ist sogar durchs Fenster in mein Zimmer eingestiegen, nachdem ich seinen Antrag abgelehnt habe, um mich zur Rede zu stellen um nach den Gründen zu fragen.« Nahi schmunzelte bei dieser Erinnerung. »Beim letzten Treffen vor fünf Jahren haben wir uns nicht direkt unterhalten, aber da erschien er mir sehr verdrossen und ist auch ziemlich unfreundlich mit seinen Leuten umgegangen. Außerdem war er da allein. Bei unserem ersten Treffen war er mit seinem Vater und seinem älteren Bruder Karon hier.« /Davon hatte einen Bruder?/ Überrascht weiteten sich Yumes Augen, bevor er leise seufzte. Je länger er sich mit Nahi unterhielt, desto mehr stellte er fest, wie wenig er Davon eigentlich kannte. Er wusste praktisch nichts über ihn. Bisher hatte es aber auch nie so richtig die Möglichkeit gegeben sich besser kennen zu lernen. Jedenfalls nicht von Davons Seite aus. Der andere hatte so viel zu tun und in der Zeit vor der Reise war Yume mit sich und seinen Empfindungen noch nicht klar gekommen. Nahi merkte natürlich sofort, wie es Yume ging und bot ihm etwas zu trinken an, um den Kleinen etwas abzulenken. »Davon ist manchmal ein bisschen stumpfsinnig, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Früher war das wohl anders, aber seit er allein ist, hat sein Verdruss über viele Dinge sicherlich noch dazu beigetragen. Du solltest dir das nicht so zu Herzen nehmen…« Aufmunternd lächelte sie Yume an. Dankbar nahm der Kleine das Wasserglas und trank einen Schluck, hielt es dann fest in seinem Schoß und starrte nachdenklich vor sich hin. /Warum ist er denn jetzt alleine?/ »Das weiß ich auch nicht.« Nahi stand auf und warf ihr Haar zurück über die Schulter. »Es gibt nur Gerüchte darüber. Am besten du fragst ihn irgendwann mal selbst danach.« Während sie sprach, ging sie zu einem kleinen Schrank und holte eine Dose Kekse heraus, die sie dem Jungen dann anbot. Mit einem scheuen Lächeln nahm Yume sich einen und biss hinein. Die Süßigkeit schmeckte einfach nur köstlich, sodass er den zweiten Bissen auch gleich noch verschlang. Da das Frühstück eher dürftig ausgefallen war, bekam der Kleine jetzt richtig Hunger und nahm auf Nahis Angebot gleich noch zwei Kekse an denen er genüsslich herum knabberte. Dabei vergaß er sogar ein wenig seine trüben Gedanken. »Schön… wenigstens schaust du jetzt nicht mehr so traurig…« Sanft wuschelte sie ihm durch die Haare, bevor Nahi sich wieder in den Sessel setzte. Die Keksdose hatte sie auf das Tischchen zwischen ihnen gestellt, sodass Yume bequem heran kam. Eine ganze Weile herrschte ein angenehmes Schweigen, bis Yume den Blick von Nahi bemerkte, der ihn etwas verunsicherte. Sie schien noch irgendetwas wissen zu wollen und überlegte anscheinend, ob sie ihn fragen sollte… /Was ist?/ Hätte er sprechen können, hätte sich die Frage ziemlich kläglich angehört. Doch sein Gesichtsausdruck musste wohl Bände sprechen, denn sein Gegenüber lächelte nun wieder. »Du bist ja so süß… kein Wunder, dass Davon sich in dich verguckt hat.« Sofort röteten sich Yumes Wangen vor Verlegenheit und er senkte den Kopf, damit man es nicht so sah. »Yume…? Darf ich dich etwas fragen?« Nahi war wieder ernst geworden. »Wenn es dir vielleicht unangenehm ist, brauchst du mir auch nicht zu antworten, in Ordnung?« Yume wusste zwar nicht, was sie von ihm wollte, fühlte sich auch immer noch unsicher, aber er nickte zustimmend. »Also gut… Du… weißt du woher du kommst? Ich meine, wo du gelebt hast, wer deine Eltern sind?« Mit den Fragen, die Nahi aussprach, hatte er sich selbst schon des Öfteren beschäftigt, doch er hatte keine Ahnung und das erfüllte ihn mir großer Traurigkeit. Ohne ein Wort zu sagen, schüttelte der Kleine den Kopf und sah Nahi auch nicht an. Dieses Nichtwissen belastete ihn, aber wie sehr, das wollte er eigentlich nicht so zeigen. Gerade jetzt, wo ihn jemand direkt darauf ansprach, bedrückte ihn das alles noch mehr. /Ich.. ich kann mich nur erinnern, dass ich lange Zeit ein Sklave war und irgendwann hat mich Davon gekauft…/ »Ein Sklave…«, wiederholte Nahi und war erstaunt. Sie wusste zwar aus ihren Einblicken in die Zukunft, dass Davon dem männlichen Geschlecht nicht abgeneigt war, aber da taten sich ja ganz andere Erkenntnisse auf. Und wenn Davon sich diesen süßen Kleinen auf einem Sklavenmarkt gekauft hatte, war das bestimmt nicht sein erster Junge gewesen, aber das behielt sie wohlweißlich für sich. Was sie jedoch am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass Yume überhaupt nichts über sich und seine Vergangenheit wusste. Sprechen konnte er auch nicht und die typische Aura eines Drachenkindes haftete ihm ebenfalls nicht an. Das konnte nur bedeuten, dass sich jemand wirklich Mühe gegeben hatte den Kleinen zu schützen. Wahrscheinlich lag ein Zauber auf ihm, aber damit kannte Nahi sich nicht im Geringsten aus. »Du bist etwas ganz Besonderes, Yume…«, sprach sie ihn dann wieder direkt an und Yume schreckte ein wenig aus seinen Gedanken. Verständnislos und gleichzeitig fragend sah er sie an, weil er nicht wusste, was sie damit meinte. »Meine Güte, Davon dieser Esel hat dir ja gar nichts erklärt…«, seufzte Nahi theatralisch und hätte ihn dafür am liebsten erwürgt. Obwohl natürlich die Möglichkeit bestand, dass Davon noch nichts von Yumes wirklichen Wesen wusste, was natürlich erklären würde, warum er den Kleinen mit ins Mittelreich geschleppt hatte, an den ungünstigsten und gefährlichsten Ort, den es für den Jungen überhaupt gab. Aber daran glaubte sie nicht. Davon war clever und wusste bestimmt längst Bescheid. Allerdings erklärte das nicht Yumes Hiersein. Dann konzentrierte sie sich jedoch wieder auf den Kleinen. »Also… du stammst von einem sehr, sehr alten Volk, dem Drachenvolk ab«, begann sie langsam und es fiel ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. Schließlich wollte sie den Jungen nicht mit der Wahrheit überrennen, sondern es ihm schonend beibringen. »Dieses Volk lebte einst friedlich zusammen mit uns Dämonen, bis der Herrscher des Mittelreiches die Drachenmenschen als gefährlich einstufte. Der Unterdrückung folgte ein erbarmungsloser Krieg… den die Dämonen leider sehr überlegen gewannen…« Es ging nicht… man konnte solche Dinge nicht schonend beibringen. Egal, wie man es formulierte. In den Ohren des Betroffenen würde es immer grausam klingen. Mitfühlend sah sie Yume an, der die Information noch gar nicht richtig zu begreifen schien. »Du bist der Letzte von deinem Volk… So sieht es jedenfalls aus. Es ist schon ziemlich lange her, aber der Hass der Dämonen auf das Drachenvolk hat sich immer noch nicht gelegt, erst recht nicht im Mittelreich. Der jetzige Herrscher ist nicht besser als seine Vorgänger und auch wenn du nicht die typische Aura eines Drachenmenschen besitzt, so reicht allein schon dein Aussehen und die Farbe deiner Augen aus, um jedem klar zu machen, was du bist.« Nahis Worte waren immer eindringlicher geworden. Es war eindeutig eine Warnung, doch Yumes Kopf war wie in Watte gepackt. Er war der Letzte…? Es hatte Krieg gegeben und alle… seine Eltern und vielleicht seine Geschwister… alle sollten tot sein? Tränen traten ihm in die Augen und sein Herz schmerzte furchtbar, sodass er sich an die Brust fasste und seine Hand dort in den Stoff verkrallte. Er hatte ja nicht erwartet, dass seine Vergangenheit wie aus dem Bilderbuch war, aber das neue Wissen tat ihm mehr weh, als die Ungewissheit, die ihn des Öfteren gequält hatte. »Oh Yume, Kleiner… es tut mir so leid…«, rief Nahi aus und eilte an seine Seite, kniete sich vor ihn hin und zog ihn in ihre Arme. Sanft streichelte sie über seinen Kopf und versuchte ihn wenigstens ein bisschen zu trösten. Sie konnte sich gut vorstellen, wie der Kleine sich fühlte. Wusste man nicht, wer man war und zu wem man gehörte, hatte man wenigstens noch die Hoffnung auf eine gute Nachricht. Aber diese Hoffnung hatte sie dem Jungen nun auch noch genommen und deswegen fühlte sie sich nun schuldig. Fest klammerte sich Yume an die Frau und weinte hemmungslos. Die Tränen perlten ihm nur so über die Wangen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Jetzt hatte er gar nichts mehr. Die einzige Person in seinem Leben, bei der er sich wohl fühlte war Davon. Doch der Mann hielt ihn nun auch wieder auf Abstand. Der Kleine fühlte sich leer und erschöpft. Wer wollte ihn denn? Wo gehörte er hin? Gab es für ihn überhaupt einen Platz in dieser Welt? Wenn die Dämonen ihn jagten, weil er zu einem besonderen Volk gehörte, warum wollte ihn Davon dann unbedingt bei sich haben? All diese Fragen und noch einige mehr gingen Yume im Kopf herum, aber er vermochte keine einzige zu beantworten. Noch immer rannen ihm Tränen über die Wangen, doch er drückte sich von Nahi ab und bedeutete ihr, dass er auf sein Zimmer wollte. Sie konnte ja nichts dafür, dass die Dinge eben so waren wie sie waren, aber Yume wusste noch nicht, ob er ihr für die Aufklärung über einen Teil seiner Vergangenheit dankbar sein sollte, oder nicht. Bedrückt erhob sich die Blondhaarige und bedauerte, dass sie dem Kleinen gleich die ganze Wahrheit gesagt hatte. Es war hart solche Dinge zu erfahren und vielleicht hätte Davon das besser übernehmen sollen. Aber sie fürchtete, dass dieser es nicht rechtzeitig tun würde bzw. hatte er es nicht rechtzeitig getan, sonst wäre Yume sicherlich nicht allein durch den Palast gelaufen. Wäre er nur der falschen Person in die Arme gelaufen, hätte das böse Folgen haben können. Deswegen hatte sie es für richtig gehalten dem Jungen wenigstens die Situation zu schildern. Leider war es ihr dadurch auch nicht erspart geblieben dem Jungen einen Teil seiner Vergangenheit zu offenbaren. Sie seufzte schwer, strich Yume noch einmal sanft durch die seidigen Haare und brachte ihn dann zurück in sein Zimmer. Der Raum war leer. Das war nicht gerade tröstlich. Schön wäre es gewesen, wenn Davon da wäre, doch dieser saß bestimmt noch in der Begrüßungsveranstaltung. »Yume? Möchtest du vielleicht, dass ich noch bei dir bleibe? Dann bist du nicht so allein…«, fragte sie deswegen, doch der Kleine schüttelte unmerklich den Kopf. Er antwortete auch nicht auf die Abschiedsworte, sondern schloss bloß die Tür, sowie Nahi aus dem Raum getreten war. Ohne die Füße zu heben, mit zusammengesunkenen Schultern und hängendem Kopf ging Yume zum Bett und krabbelte unter die große Decke. Er fröstelte, rollte sich zu einer Kugel zusammen und wollte nichts mehr hören und sehen. *** Endlich. Endlich war diese langweilige erste Konferenz vorbei und Davon war bereits am Überlegen, wie er dem ganzen das nächste Mal aus dem Weg gehen konnte. Vielleicht schickte er einen Stellvertreter, oder ließ sich gleich ganz entschuldigen, denn es war einfach nicht zum Aushalten. Die Zeit verging nicht und jeder einzelne dieser Fürsten – die schon fast Schimmel angesetzt hatten so alt waren sie zum großen Teil – hielt sich und seine Ländereien für das Wichtigste. Entsprechend waren auch die Ausführungen – wie eingeschlafene Füße! Davon fühlte sich so richtig ausgelaugt, dabei war es erst Nachmittag. Von dem allgemeinen Gemurmel begleitet trat Davon durch die große Flügeltür aus dem Saal. Er brauchte erst einmal ein bisschen frische Luft. Vorher wollte er jedoch nach Yume sehen. Vielleicht war der Junge ja noch auf seinem Zimmer, obwohl… wenn sich Lano um ihn kümmerte, saßen die beiden bestimmt auch irgendwo draußen. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, kam ein verzweifelt aussehender Lano um die Ecke. Davon runzelte die Stirn, versuchte aber sich nicht gleich Sorgen zu machen, sondern sich zuerst anzuhören, was der kleine Dämon ihm mitteilen wollte. Bevor Lano jedoch losredete, packte er ihn am Arm und zog ihn durch eine der vielen Seitentüren, hinaus auf den nächsten Balkon. Die Fürsten verließen nämlich allmählich nach einander den großen Saal und die mussten ja nicht unbedingt mitbekommen, was für Probleme er gerade hatte. »Was ist denn nun los?«, fragte Davon unfreundlich, nachdem er sich noch einmal versichert hatte, dass sie nicht durch irgendwen belauscht wurden. Inzwischen traute sich Lano gar nicht mehr zu ihm hoch zu schauen und da Davons Geduld heute nicht mehr die Beste war, schnauzte er den Jungen an. »Verdammt jetzt rede endlich!« Heftig zuckte der Kleine zusammen, aber das machte Davon auch nicht geduldiger. »Ich.. ich wollte mit Yume rausgehen… aber er war nicht da… «, stammelte Lano eingeschüchtert. »… ich war vielleicht ein bisschen spät… aber dann hab ich nach Yume gesucht und versucht ihn draußen zu finden, weil er ja immer gerne draußen ist... doch ich konnte ihn nicht finden… niemand hat ihn gesehen…« Vor Verzweiflung hatten sich schon Tränen in Lanos Augen gesammelt, doch das konnte Davon auch nicht beruhigen. Es war die Hiobsbotschaft schlechthin!!! Und jede einzelne Zelle seines Körpers war nun in absoluter Alarmbereitschaft. Er musste Yume so schnell wie möglich finden! Dass ihn jemand entführt hatte, glaubte er nicht, denn im Mittelreich gab es keinen sichereren Ort als den Palast. Trotzdem schlug Davon das Herz bis zum Hals und er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst und die Hände hatte er zu Fäusten geballt. »Verflucht! Ich hab dir gesagt, du sollst dich um Yume kümmern! Wozu bist du überhaupt mitgekommen???«, fuhr er Lano dann an und wenn er sich nicht so eisern beherrscht hätte, wäre ihm vor Wut beinahe die Hand ausgerutscht. Verdammt, verdammt, verdammt! Wie sollte er den Jungen nur wieder finden, ohne groß die Aufmerksamkeit der Palastwachen, oder schlimmer noch, Achitos Augenmerk auf sich zu lenken? Noch während Davons Gedanken sich überschlugen und er überlegte, wo er denn am besten mit der Suche anfing, trat eine weitere Person auf den Balkon. Auf den ersten Blick erkannte er die blonde Frau und knurrte unwirsch. »Was willst du denn hier, Nahi? Ich habe jetzt keine Zeit!«, sagte Davon schlecht gelaunt, wofür eigentlich nur die Sorge um Yume ursächlich war. »Lano… du suchst noch mal draußen alles ab. Ich kümmere mich um den Palast«, wies er den Jungen an, ohne Nahi noch Aufmerksamkeit zu schenken, und wollte sich gerade an ihr vorbei drücken, als sie ihn am Arm festhielt. »Du brauchst deinen Kleinen nicht mehr zu suchen. Ich habe ihn zu seinem Zimmer gebracht«, erklärte sie mit einem ernsten Seitenblick auf Davon. Dabei musste sie ihren Kopf leicht in den Nacken legen, denn der andere war viel größer als sie selbst. Vor Überraschung weiteten sich Davons Augen und er glaubte sich verhört zu haben. Ohne Nahi aus den Augen zu lassen, drehte er sich vollständig ihr zu und musterte sie abschätzend. »Er ist im Palast herumgeirrt«, fuhr Nahi dann erklärend fort. »Ich kannte ihn aus einer Vision, deswegen wusste ich, dass er zu dir gehört. Allerdings hätte ich dich nicht für so unglaublich leichtsinnig gehalten ihn mit hierher zu bringen…« Ihre Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden und zum Schluss war sie nur noch ein leises Zischen. Seine innere Anspannung und der Aufruhr, sowie die Sorgen, die er sich um Yume gemacht hatte, fielen mit einem Mal von ihm ab und wurden durch Erleichterung ersetzt. Als Nahi jedoch weiter sprach, kehrte zumindest ein Teil der Spannung wieder zurück. »Hör zu… ich bin dir dankbar, dass du ihn gefunden und zurückgebracht hast, aber der Rest geht dich herzlich wenig an!«, konterte Davon und hatte vor, Nahi möglichst schnell los zu werden. Die Ereignisse der Vergangenheit waren für ihn Grund genug. Auch wenn er es sich nicht eingestand, hatte ihn Nahis Ablehnung seines Antrags damals ganz schön gekränkt und da war er mehr als nachtragend, obwohl er es im Moment gar nicht mehr so schwer nahm. Hauptsächlich wegen Yume. Aber es gefiel ihm nicht, dass sie mit seinem Kleinen zusammengetroffen war. Er kannte Nahi. Sie war sehr redselig und an ihrem Blick konnte er erkennen, dass sie ihm gleich nichts Gutes mitteilen würde. »Es geht mich schon etwas an, wenn du so jemanden wie den Jungen einfach durch den Palast spazieren lässt. Das ist nicht nur leichtsinnig, sondern auch mehr als dumm. Wenn du dem Kleinen wenigstens ein bisschen was von seiner Vergangenheit erzählt hättest, dann wäre er sicherlich nicht mal auf die Idee gekommen überhaupt sein Zimmer zu verlassen!«, warf sie ihm vor und Davon knirschte mit den Zähnen. »Du hast ihm doch wohl nicht alles erzählt?«, fragte er und seine schlechte Vorahnung bewahrheitete sich, als Nahi nickte. »Natürlich hab ich das. Er hat ein Recht die Wahrheit zu erfahren!« »Aber doch nicht so!« Davon war auf einmal furchtbar wütend auf die blonde Frau, die nicht mal einen Meter von ihm weg stand und am liebsten hätte er sie im Moment erwürgt. »Wie konntest du ihm das erzählen? Es gab einen Grund, warum ich ihm das alles noch nicht offenbart habe«, zischte Davon zwischen zusammengebissenen Zähne. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammen gezogen und er erdolchte sein Gegenüber schier mit Blicken. Während Davons und Nahis Gespräch allmählich in einen Streit ausartete, wälzte Yume sich in dem großen Bett hin und her und bekam einfach nicht die Bilder aus dem Kopf, die sich durch Nahis Erzählungen in seine Gedanken geschlichen hatten. Immer wieder drängte sich ihm auf, wie seine Eltern vielleicht gestorben waren, seine Geschwister und viele andere, die wie er waren. Tränen kullerten über seine blassen Wangen und Yume fasste sich mit einer Hand an die Brust, in der Nähe seines Herzens, weil es einfach nur schmerzte. Es schmerzte so sehr, dass er anfing leise zu schluchzen. Die Tränen wollten gar nicht mehr aufhören zu fließen, aber als sie nach einer halben Ewigkeit doch einigermaßen versiegten – wahrscheinlich weil er sie alle ausgeweint hatte, dachte der Kleine – rappelte er sich auf und tapste niedergeschlagen ins Badezimmer. Seine Augen und auch seine Wangen brannten und waren ganz gerötet von den vielen salzigen Tränen. Mit kaltem Wasser wusch Yume sich das Gesicht, seufzte schwer und ging zurück ins Zimmer. Er wollte sich gerade wieder aufs Bett setzen, als er aus dem Augenwinkel etwas auf sich zufliegen sah. Für ein Ausweichen war es jedoch zu spät und so plumpste kurz darauf eine kleine schwarze Kugel in seinen Schoß, die er erst erschrocken von sich stoßen wollte. Doch dann stellte der Kleine überrascht fest, dass es sein kleiner Drache war, der nun seine Farbe in einen hellen ockerfarbenen Ton geändert hatte und mit großen funkelnden grünen Augen zu ihm aufsah. Überrascht starrte Yume einfach nur zurück und war im ersten Moment so überfordert, dass er ganz still sitzen blieb und gar nichts tat. Dann legte sich seine Verblüffung jedoch ganz schnell. Freudig schloss er seinen Drachen in die Arme, knuddelte ihn und vergaß dadurch womit er sich bis eben noch gedanklich fertig gemacht hatte. Der Kleine wollte auch gar nicht wissen, wie sein kleiner Freund hierher gekommen war. Er war so glücklich, nicht mehr allein zu sein, dass ihn das überhaupt nicht interessierte. Umsichtig setzte er das Tier auf der Bettdecke ab, ging erneut ins Badezimmer und kehrte mit einer handtellergroßen wassergefüllten Schüssel zurück, die er dem Drachen hinhielt, denn die Haut des Kleinen hatte sich ganz heiß angefühlt. Ein freudiges Quieken war zu hören, als das Tier sich regelrecht auf das Wasser stürzte. Das ließ Yume lächeln und er beobachtete den Kleinen und brachte das Wasser wieder weg, als der Drache fertig war. Dann setzte er sich wieder auf das Bett und betrachtete seinen kleinen Freund. Jetzt war er doch ein bisschen neugierig, wie das Tier hierher gekommen war, immerhin war es ein weiter Weg von Davons Festung bis ins Mittelreich. Große grünlich schimmernde Augen beobachteten ihn und Yume war sich unsicher, was das Tier nun von ihm erwartete. Zögerlich streckte er eine Hand aus, weil er den Kleinen streicheln wollte, doch der Drache machte überraschenderweise einen Satz zurück und Yume zuckte ebenfalls erschrocken zurück. Verwundert musterte er das Tier und seufzte leise, war sich nicht sicher, wie er sich dem Tier nähern sollte. Eigentlich fürchtete er sich nicht, spürte instinktiv eine tiefe Verbundenheit, doch das Verhalten des kleinen Drachens verunsicherte ihn. Yume wollte, dass das Tier ihm vertraute. Vielleicht hatte der Drache noch Hunger und wollte deswegen keine Streicheleinheiten? Yume legte den Kopf schief und zupfte nachdenklich an einem Zipfel der Bettdecke. Dann schaute er sich um, aber das Tablett mit dem Frühstück war in seiner Abwesenheit bereits weggebracht worden. Schade eigentlich. Er hatte kaum etwas davon angerührt, sodass der kleine Drache bestimmt satt geworden wäre. Der Junge spielte schon mit dem Gedanken nach der Küche zu suchen, erinnerte sich im gleichen Moment wieder an sein Herumirren in dem großen Palast und verwarf die Idee ganz schnell wieder. ~Tut mir leid. Musst du noch ein bisschen warten~, dachte Yume und sah mit einem bedauernden Blick zu dem Tier. Abermals seufzte er, wollte sich gerade hinlegen, um mit dem Drachen auf Augenhöhe zu sein und ihn besser beobachten zu können, als dieser sich auf die Hinterläufe stellte und das Maul aufriss. Zuerst fragte sich Yume, was das sollte. Dann flog plötzlich ein kleiner Feuerball in seine Richtung. Entsetzt riss der Junge die Arme hoch, um wenigstens sein Gesicht zu schützen und war erstaunt, als er gar nichts spürte. Langsam und ängstlich ließ er die Arme sinken und traute sich schließlich auch die Augen zu öffnen, die er panisch zusammengekniffen hatte. Vorsichtig schaute er zu dem Drachen, der ihn seinerseits interessiert mit großen Augen musterte. Irgendwie schien das Tier sehr aufgeregt zu sein, denn es krabbelte flink von einer Seite zur anderen und wieder zurück, während es ihn nicht aus den Augen ließ. Yume hatte keine Ahnung, was das nun schon wieder sollte. Er wurde aus dem Drachen nicht schlau, blieb jedoch ruhig sitzen, um nicht noch eine Attacke auf sich zu riskieren. Aufbringen wollte er den Kleinen nämlich ganz und gar nicht. Dazu hatte er viel zu großen Respekt, auch wenn es nur ein kleiner Drache war. Als das Tier dann ein Stück auf ihn zukrabbelte und mit dem Kopf wippte, weil es ihm anscheinend irgendetwas zeigen wollte, traute Yume sich einen Blick auf seine Hände zu riskieren. Einen Moment war er einfach nur geschockt, als er blaue Flammen um seine Finger schlängeln sah und sprang auf. In einer Abwehrreaktion wedelte er panisch mit den Händen und versuchte die Flammen loszuwerden, doch der darauf folgende Knall und das leichte Zittern des Bodens unter seinen Füßen ließen den Kleinen erschrocken zusammenzucken und inne halten. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den großen schwarzen Fleck an der Wand, die sich auf der anderen Seite des Bettes befand und von dem noch kleine Rauchschwaden aufstiegen und einen unangenehmen Geruch im ganzen Raum verbreiteten. Unweigerlich begann Yume am ganzen Körper zu zittern. Was hatte er nur getan? Abwechselnd schaute er zu dem Fleck und auf seine immer noch in blaue Flammen gehüllten Hände. Das war doch unmöglich… das konnte doch nicht er gewesen sein… oder doch? Aber wie war so was nur möglich? Ungläubig starrte er auf seine Finger und fiel auf die Knie. Die Flammen fühlten sich kühl auf seiner Haut an, fast wie Balsam. Es war dem Jungen unbegreiflich, wie so etwas sein konnte. Nachdem er die Flammen eine ganze Weile gemustert und sein Kopf allmählich auch begriffen hatte, dass er nicht verbrennen würde, wurde der Kleine ein wenig neugierig. Vorsicht stand bei ihm aber immer noch an erster Stelle, doch nun keimte Faszination in Yume auf. Langsam streckte er seine Arme vor sich und hielt die Handflächen Richtung Fenster. Eine ganze Weile stand er so da, doch es passierte nichts. Ratlos starrte der Kleine auf seine in bläuliche Flammen gehüllten Finger, bewegte sie ein bisschen und kaute auf seiner Unterlippe herum, unsicher, was er als nächstes tun sollte. Irgendwie musste das doch auch wieder ausgehen… Einer plötzlichen Idee folgend, tapste der Kleine ins Badezimmer, drehte den Wasserhahn auf und hielt seine Hände unter den Strahl. Doch die blauen Flammen züngelten nach wie vor leicht weiter, flackerten kurz, bevor sie etwas größer wurden, als wollten sie ihn verhöhnen. Nun war der Kleine noch ratloser als vorher schon. Das war definitiv kein normales Feuer! Soviel war sicher. Aber was sollte es sonst sein? Seufzend setzte er sich auf den breiten Rand der Badewanne und überlegte, während er die Hände weiterhin hochhielt, weil er nicht aus Versehen etwas anbrennen wollte. Aber Moment! Wenn er die Flammen mit Wasser nicht löschen konnte, dann brannte vielleicht auch nichts anderes an, wenn er es berührte? Yume stand auf und ging zum Handtuchhalter. Vorsichtig berührte er eines der hellen Tücher mit einem ausgestreckten Finger, um ihn, falls es Feuer fangen sollte, gleich zurückziehen zu können. Doch nichts dergleichen geschah. Die Flammen blieben weiterhin auf seine Hände beschränkt. Das fand Yume total seltsam und nach einigem Zögern strich er sich mit einer Hand die Hose glatt. Auch dort passierte nichts und das ließ ihn erleichtert aufatmen. Gut… er wusste nun, dass nichts anbrennen würden, wenn er es berührte. Nachdenklich ging er zurück in das große Zimmer, wo der kleine Drache aufgeregt auf dem Bett herum wuselte. Das Tier schien sich sehr zu freuen und Yume bedachte seinen Freund mit einem ratlosen Lächeln. Vielleicht konnte der Drache ihm ja weiter helfen. Schließlich hatte er ihm das Feuer ja auch gezeigt. Unsicher stand er vor dem Bett und tat etwas, was er bisher noch nie gemacht hatte. Er richtete eine Frage an das kleine Energiebündel. /Wie geht das wieder aus?/ Hilfesuchend hielt Yume seine Hände vor sich. Der Drache legte den Kopf schief, schüttelte ihn kurz, bevor er sich mit einem Vorderbein über denselbigen rieb. Zuerst verstand der Kleine nicht, was sein Freund meinte, doch dann erinnerte er sich an Nahi, und was sie ihm erzählt hatte. Hm… konnte es sein, dass seine Gedanken viel mehr Kraft besaßen, als Worte? Skeptisch betrachtete er die bläulichen Flammen, die immer noch seine Hände einhüllten. Dann formulierte Yume gedanklich das Wort /aus/. Kaum hatte er es zu Ende gedacht, erloschen die Flammen. Beeindruckt starrte der Kleine auf seine Hände, die nun wieder ganz normal waren, bis plötzlich die Zimmertür schwungvoll aufgerissen wurde und ihn erschrocken zusammenzucken ließ. Der Drache war ebenfalls zurückgezuckt, hatte sich fluchs unter der Bettdecke versteckt und schaute nur vorsichtig mit einem Auge darunter hervor. Tbc… 05/01/2011 © by desertdevil Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)