Schwan und Wolf von --Tina-- ================================================================================ Kapitel 2: Tauschwert für mein Leben ------------------------------------ „Was ich auf den Ausflügen mache? Jagen.“, erklärte Sina verschmitzt und ihre scharfen Eckzähne lugten bei dem darauf folgendem Lächeln unter ihren Lippen hervor. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich ihre spitzen Eckzähne sah. Wieder spannte sich mein gesamter Körper an, diesmal nicht aus Reflex sondern aus wirklicher Angst. Das so unschuldig wirkende Mädchen war ein Vampir! Eine genau so dunkle Kreatur, wie auch wir Werwölfe und wie es in so vielen Geschichten zu hören war, sind sich unsere beiden Völker nicht gerade freundlich gesinnt. Vampire sind trotz ihres meist eher ätherischen Aussehens blutsaugende Monster und Ein-Mann-Armeen. Ich hatte schon einmal etwas mit einem Vampir zu tun gehabt. Damals, zwei Jahre nach dem Biss des Werwolfs, zog ich mit meinem kurzfristigen Weggefährten Christopher durch die Gegend. Wir trafen auf einen Vampir-Einzelgänger und der Streit war eigentlich vorprogrammiert. Seine Gewandtheit, Kraft und Schnelligkeit trafen auf unsere Kampfeslust, Stärke und Ausdauer. Am Ende gab es auf beiden Seiten Tote. Der Vampir und mein Reisegefährte starben, während ich mir wie so oft etliche Verletzungen zugezogen hatte. All diese Erinnerungen kamen wieder hoch und machten die zierliche Frau zu einer großen Bedrohung, die man entweder ausschalten oder aus dem Weg gehen musste. Ich hatte das Mädchen eindeutig unterschätzt, hatte mich durch dieses unschuldige Aussehen einlullen lassen und erst jetzt wurde mir die Gefahr bewusst, in der ich schwebte. Angespannt fixierte ich die Frau, während ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte und mein Atem wieder viel zu schnell ging. Ich wollte mich aufsetzen und aus dem Bett springen, die Tür war nicht weit weg und ich würde es vielleicht schaffen. Doch bevor ich auch nur den einen Fuß unter der Decke hervorgeholt hatte, war das Vampirmädchen in beeindruckender Geschwindigkeit bei mir und drückte mich zurück in die Kissen. Gegen Sina hatte ich in meinem angeschlagenen Zustand keine Chance und das gefiel mir gar nicht. Drohend knurrte ich, doch sie zeigte keine Angst, trat nur ein paar Schritte von dem Bett zurück, in Richtung Fenster. Bei der Aktion war sie nur knapp meiner Hand entkommen, mit der ich rein instinktiv nach ihr geschlagen hatte. Leise knurrend, richtete ich mich wieder in dem Kissen auf und betrachtete die Vampirin mit zusammen gekniffenen Augen. Mittlerweile hatte ich auch herausgefunden, was mich an ihr irritiert hatte. Sie roch völlig neutral. Menschen stanken immer leicht nach Schweiß, Deodorant oder irgendwas anderem, doch diese Frau roch wie jeder andere Vampir nach nichts. Denn Vampire hatten keinen Eigengeruch, nahmen nur langsam den Geruch ihrer Umgebung an, was auch den Duft nach Rosenblüten im Wald erklärte. Wieso war mir das nicht eher aufgefallen? Innerlich schüttelte ich über meine Unaufmerksamkeit den Kopf, das war wirklich ein Anfängerfehler gewesen. „Ich will dir nichts tun, glaub mir doch.“, sagte Sina fast flehend und schob schmollend die Unterlippe vor. Misstrauisch legte ich den Kopf schief und schaute mir die Frau an. Wie dieses unschuldig wirkende, zarte Mädchen ein blutrünstiges, Menschen tötendes Monster sein sollte, ging mir einfach nicht in den Kopf. „Dir ist schon klar was ich bin, oder? Unsere Familien sind nicht gerade gut aufeinander zu sprechen.“, erklärte ich. Auch wenn ich jetzt mit ihr sprach, hieß es noch lange nicht, dass ich ihr vertraute. Mein Körper war immer noch angespannt und ich verfolgte jede Bewegung dieser Frau, so dass ich mich jederzeit verteidigen konnte, sollte Sinas Stimmung von neugierig zu aggressiv umschlagen. Doch sie machte keine Anstalten wieder näher zu kommen, hatte sich sogar ganz bis zum Fenster zurückgezogen, was mir den Weg zur Tür offen hielt. „Schon, aber ich habe noch keinen Wolf getroffen.“, meinte Sina und kaute gespannt auf ihrer Unterlippe, die Eckzähne waren wieder in normaler Größe zu sehen. Dabei wippte sie wie ein kleines Kind auf den Fußballen und spielte mit den Falten ihres Rockes. Kurz wanderte mein Blick zu der Tür, die einladend offen stand. Doch schnell schaute ich wieder zu dem Vampirmädchen zurück und ich ließ mir ihren Satz noch mal durch den Kopf gehen. Sie konnte noch nicht so alt sein, denn auch wenn sich Vampire und Werwölfe aus dem Weg gingen, so kam es doch gezwungenermaßen zu Begegnungen. Wenn Sina noch nie einen meiner Art getroffen hatte, so war sie entweder erst vor kurzem gebissen worden, oder hatte sehr behütet gelebt. „Dann bin ich also dein Forschungsobjekt?“, fragte ich missmutig und immer noch schwang dieses dumpfe Grollen in meiner Stimme mit, dass gestandene Männer dazu brachte vor Angst zu zittern. Verdammt, ich war doch kein Versuchskaninchen, wenn diese verzogene Vampirgöre etwas über Werwölfe lernen wollte, sollte sie sich ein Buch kaufen. Obwohl so Bücher nicht gerade viel Wahrheit enthielten, so waren nicht nur Silberwaffen tödlich für meine Rasse, wie ich gestern fast eindrucksvoll bewiesen hätte. Andererseits musste ich zugeben, dass ein paar Fragen zu beantworten ein sehr geringer Preis für mein Leben war. Energisch schüttelte Sina ihren Kopf wegen meine Frage, dass die Strähnen ihres kurzen Haares nur so flatterten. Dann hielt sie inne, um entschuldigend mit der Schulter zu zucken und kleinlaut zu sagen: „Na gut, vielleicht ein kleines bisschen.“ Beschämt schaute sie mich unter ihren langen Wimpern her an und gegen meinen Willen musste ich auflachen, wirkte ein einem Werwolf gegenüber verlegener Vampir zumindest für mich völlig irreal. Eine halbe Sekunde später wünschte ich mir, ich hätte nicht mal ans Lachen gedacht, denn meine Seite strahlte glühende Flammen aus Schmerzen in alle Richtungen aus. Dort wo mich das Messer des Rudelführers der anderen Werwölfe getroffen hatte, musste sich immer noch eine tiefe Wunde befinden, waren doch gerade mal ein paar Stunden seit meiner kleinen Konfrontation mit dem Rudel vergangen. Entgegen der weitläufigen Meinung verwandeln Werwölfe sich nicht nur zu Vollmond, doch eine Auseinandersetzung fand meist in der menschlichen Form statt, weswegen letzte Nacht auch eher Faustschläge und Fußtritte auf beiden Seiten eingesteckt und ausgeteilt wurden. Während ich noch damit beschäftigt war meine Atmung und damit auch die Schmerzen wieder unter Kontrolle zu bekommen, merkte ich trotz der zusammen gekniffenen Augen etwas neben mir. Wenn die Vampirin jetzt ihre Neugierde verloren hatte, hatte ich ein ziemliches Problem. Doch bevor ich auch nur die Augen öffnen konnte, legte mir Sina mitfühlend ihre kleine, warme Hand auf die nackte Schulter. Ja, ihre Hand war warm. Ich weiß nicht, woher die Menschen diesen Unsinn haben, dass ein Vampir ein ausgesaugter und toter Körper sein soll. Wie sollte so was auch funktionieren? Tot ist tot, da hilft auch kein magischer Speichel eines Jahrhunderte alten Wesens. Nein, es ist wie bei uns Werwölfen, beide Rassen werden gebissen und verwandeln sich in etwas, das keine natürliche Todesursache kennt. Der einzige Unterschied in der Lebenserwartung war wohl, dass Werwölfe wegen ihrer impulsiven Art schnell in tödliche Auseinandersetzungen gezogen wurden. Eigentlich erstaunlich wie sich die beiden Völker bei so viel Gemeinsamkeiten bei ihren Begegnungen immer gegenseitig an die Gurgel gehen mussten. Langsam öffnete ich die Augen und knurrte wieder auf, doch die Vampirin hatte schon die Hand von meiner Schulter genommen. „Geht’s wieder?“, fragte Sina mit einem erstaunlich warmen Ton und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesichtfeld herum. Reflexartig griff ich zu und hielt ihr Handgelenk fest, die Zähne leicht gefletscht. Das war einfach der Wolf in mir, ich hatte lieber einen Sicherheitsabstand zu allen Menschen und zu einem Vampirmädchen erst recht. Ich war nicht umsonst ein einsamer Wolf, ein Einzelgänger. Sina bleckte die Zähne und die spitzen Eckzähne lugten bedrohlich unter ihren Lippen hervor. So etwas wie Angst blitzte in ihren Augen auf und sie entriss mir ihr Handgelenk, um ein paar Schritte zurück zu springen. „Ich wollte nur nett sein.“, schmollte sie, als sie einen sicheren Abstand zwischen uns beide gebracht hatte und nur langsam wich der drohende Ausdruck aus ihrem Gesicht. Dabei rieb sie ihr rechtes Handgelenk, während sie mich immer noch etwas wütend anfunkelte. Einen Moment tat mir leid, dass ich ihr wehgetan hatte, aber wirklich nur einen winzigen Augenblick. Verdammt, ich ließ mich schon wieder von dem verletzlichen und kindlichen Auftreten der Vampirin einlullen. War die Naivität bei ihr nur gespielt oder war sie wirklich so unschuldig, wie sie wirkte? Ich wusste absolut nicht, was ich von ihr halten sollte. Es war, als hätte sie zwei Wesenszüge in sich, die gar nicht zusammen passten und andauernd um die Vorherrschaft kämpften. Das naive, kleine Mädchen stand im völligen Gegensatz zu dem berechnenden und vorsichtigen Vampir. Was für ein anstrengendes aber auch interessantes Wesen die Frau doch hatte! Und vielleicht war es das, was mich dazu brachte ihr zu antworten. Ich konnte nichts dafür, ich stand einfach auf Herausforderungen. „Also Kleines, was willst du wissen?“, fragte ich betont herablassend. Ich trieb ein gefährliches Spiel, aber ich wollte wissen wie die Frau mit Provokationen umging und dadurch herausfinden mit was für einer Person ich es zu tun hatte. Dann wusste ich auch endlich, wie ich es anstellen musste, um wieder von hier verschwinden zu können, denn einfach gehen lassen würde mich die Vampirin wohl nicht. „Ich würde an deiner Stelle nicht so überheblich sein, Thomas. Schließlich musst du es noch mindestens einen Tag mit mir aushalten, bevor du wieder vollständig auf den Beinen bist.“, erklärte die Frau ernst und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Die leise Drohung, dass sie bis zu meiner Genesung die Überlegene von uns beiden war, war nicht zu übersehen. Damit war auch geklärt, was für ein Wesen Sina hatte. Unter dem Mantel von kindlicher Naivität lag eindeutig eine selbstbewusste Frau verborgen, die wusste was sie wollte. Ich sollte mich wirklich mit weiteren Provokationen zurück halten. Doch das Positive war, dass es für sie einen triftigen Grund gab mich letzte Nacht zu retten und mein Leben nicht durch verloren gehendes, kindliches Interesse in Gefahr geriet. Ein beruhigender Gedanke nicht in den Händen einer Göre im Frauenkörper zu sein und ein wenig nahm mir diese Erkenntnis die Anspannung. Sina legte wieder den Kopf schief und betrachtete mich mit einem Ausdruck irgendwo zwischen erstaunt und nachdenklich. Sie musste sich bestimmt fragen, wieso ich nach einer Drohung lockerer wurde und ich konnte nicht anders als wölfisch zu grinsen. „Ich will wissen, welche der Geschichten über Werwölfe stimmen. Und zu deiner Beruhigung: Wenn du wieder fit genug bist, kannst du gehen wohin du willst. Ich kann meine Neugierde befriedigen und du hast einen Ort wo du in Ruhe wieder gesund werden kannst. Wir haben also beide etwas davon.“, legte Sina in einem geschäftsmäßigem Ton die Karten offen auf den Tisch. Wenn das wirklich ihre Absichten waren, hörte sich das für mich akzeptabel an. Ich würde zwar die ganze Zeit auf der Hut sein müssen, aber für ein, zwei Tage ein Dach über dem Kopf zu haben, schien mir momentan ziemlich verlockend zu sein. Denn die Vorstellung mich hier aus dem Bett zu quälen und die fünf Kilometer bis zur Stadt zu laufen, behagte mir gar nicht. Fünf Kilometer hören sich immer so wenig an, doch wenn der Körper bei jedem Schritt weh tut und man vor Müdigkeit die Augen kaum offen halten kann, können fünf Kilometer ganz schön lang werden. Also nickte ich leicht, was Sina richtigerweise als Zustimmung für ihren Vorschlag auffasste und so wieder ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zauberte. „Oh, ich habe so viele Frage!“, rief Sina überdreht und setzte sich wieder auf ihre Fensterbank, das Buch dabei aus versehen hinwerfend. Mit einer verschämten Geste nahm sie das Buch wieder hoch und legte es neben sich auf das Polster. Und da war wieder die kindliche Seite der Vampirfrau, langsam drehte sich mir von dem ganzen hin und her der Kopf. Nur mühsam konnte ich mir das Lächeln verkneifen, sah die ihre unbeholfene Art einfach zu niedlich aus. Was dachte ich da? Vampire waren nicht niedlich, sondern tödliche Gefahren, da machte dieses kleine Vampirmädchen keine Ausnahme. „Wie alt bist du? Wann wurdest du gebissen? Tut das auch so weh, wie bei Vampiren? Hast du eine Veränderung seitdem bemerkt?“, rasselte Sina ihre Fragen herunter und ich hatte Mühe alle mitzubekommen, war ich doch auch mit dem Beobachten der Frau beschäftigt. Auch wenn wir einen momentanen Waffenstillstand geschlossen hatten, hieß es noch lange nicht, dass ich meine Vorsicht vergaß. Wusste sie eigentlich, was für dunkle Erinnerungen sie damit ausgrub? „Nun, ich bin mit 26 auf einem Survival-Urlaub gebissen worden, das war vor ungefähr zehn Jahren und natürlich tat es weh. Meine Sinne sind verbessert, meine Instinkte bestimmen mein Leben mehr und ich gerade andauernd in Schwierigkeiten.“, zählte ich langsam auf, immer wieder Pausen machend, um zu überlegen. Einerseits wollte ich die Vampirin nicht verärgern, andererseits aber auch nicht zu viel von mir verraten. Die Erinnerungen gehörten mir und es gefiel mir nicht gezwungen zu sein, diese mit jemandem zu teilen. Müde rieb ich mir über die Augen und konnte mir gerade noch ein Gähnen verkneifen. Die kurzen Augenblicke, die ich benötigte mir über die Augen zu wischen, hatte Sina genutzt, um fast lautlos wieder an mein Bett zu treten. Erschrecken musste sich in meinem Blick gezeigt haben, denn das Vampirmädchen lächelte beruhigend, um sich dann näher herunter zu beugen. Ich hielt den Atem an und versuchte ihre Absichten zu erkennen. Wollte sie mich gerade angreifen oder nach meinem Befinden sehen? Wie sollte ich bloß durch dieses Mädchen durchblicken? Sina schloss ihre Augen, blieb regungslos neben meinem Bett knien und einen Moment war es totenstill in dem Zimmer. Ich traute mich nicht auch nur einen Finger zu bewegen, sondern beobachtete jede Regung in ihrem Gesicht. Ich hörte ihre seltenen Atemzüge und ruhigen Herzschläge, draußen sangen Vögel und das Gebälk des Hauses arbeitete. Eigentlich alles natürliche Geräusche, die mich beruhigen sollten, doch gerade diese Stille machte mich verrückt. „Dein Herz rast aber! Genau so schnell wie bei einem Menschen.“, staunte das Vampirmädchen. Sie sah ehrlich überrascht aus und schaute mich jetzt mit großen Augen an. Eigentlich verstand ich sie, schließlich war es eine logische Schlussfolgerung, von ihren verlangsamten Vitalfunktionen auch darauf zu schließen, dass ich so funktionierte. Außerdem, welcher Vampir hatte sich in der Hinsicht schon mal Gedanken gemacht? Begegnungen zwischen Werwölfen und Vampiren ließen eben keine Zeit zum um so etwas zu überprüfen. Das Mädchen beugte sich noch näher zu mir herunter und ich grollte finster auf. „Du bist müde. Schlaf! Später reden wir weiter.“, befahl Sina regelrecht und ich spürte ihren Atem auf meiner Haut, so nah war sie mir mit ihren gefährlichen Eckzähnen. Gerade meinte ich es nicht mehr aushalten zu können und wollte sie gewaltsam auf gebührenden Abstand bringen, da stand sie auf. Mit einem kecken Lächeln drehte sich das Vampirmädchen um und tänzelte Richtung Tür. Sie winkte mir noch mal zu, bevor sie die Tür von außen schloss und sich über den Flur entfernte. Ich muss zugeben, ein paar Augenblicke starrte ich einfach nur mit offenem Mund auf das Holz der Tür. Dieser ständige Wechsel zwischen naiv-kindisch und berechnend, war verwirrend und anstrengend. Aber ich musste zugeben, dass ihre Art sie ans Ziel brachte, schließlich hatte sie bekommen, was sie wollte. Aber so ungern ich es auch zugab, Sina hatte Recht. Ich war müde, ich konnte meine Augen kaum noch offen halten, denn die Heilung meines Körpers benötigte so ziemlich alle Kraft, die ich aufbringen konnte. Und während ich mir einen Fluchtplan zurechtlegte, wie ich ohne von dem Vampirmädchen getötet zu werden von hier weg kam, driftete ich in einen erholsamen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)