Teitan Academy von Rye (Wer braucht nen Untertitel bei dem Titel?^^) ================================================================================ Kapitel 1: Von Schatten und Robotern ------------------------------------ Mein Name ist Ai Haibara, Ai wie Leid, nicht wie Liebe. Mein Haar ist rotblond und etwa schulterlang, meine Augen türkisfarben und meine Statur recht zierlich. Ich bin Schülerin der Teitan Academy, der westlichsten Schule von Beika City. Allerdings bin ich erst seit einer Woche hier, davor habe ich mein ganzes bisheriges Leben im besten Krankenhaus der einzig verblieben Stadt der Menschheit verbracht. Warum, ist eine private Angelegenheit und ich möchte das nicht preisgeben. Begnügt euch damit, dass ich nicht gerne hier bin, keine Freunde habe und meine Eltern... Jedenfalls ist das die Schule mit den meisten Gerüchten über höchst merkwürdige Geschehnisse, was wohl daran liegt, dass die gesamte Anlage der Schule direkt vor der Brücke, die zum großen Wald führt, errichtet wurde. Dass das nicht nur bloßes Getratsche ist, habe ich schon an meinem ersten Tag gemerkt, denn ich hatte auf ein Mal einen zweiten Schatten. Dieser zeigte sich nur wenn ich allein war, was recht oft der Fall war. Er wirkte unförmiger wie mein Schatten, hatte spitze Ohren und das Seltsamste war, dass da wo die Augen sein sollten, 2 weiße kreisrunde Löcher mich anstarren. Der Schatten konnte sich selbstständig bewegen, sogar einen Mund formen, der sich mir als weißes Halbmondlächeln offenbarte. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass der Schatten mich sehen kann. Aber trotz allem hatte ich nicht, wie man vermuten sollte, auch nur die leiseste Angst vor ihm. Ich habe in meinem 13 jährigen Leben schon die verrücktesten Sachen erlebt, da kann mich ein Schatten, der aus seinem Körper Worte formen konnte, nicht wirklich aus den Schuhen hauen. So waren wir auch in der Lage uns zu unterhalten, obwohl „unterhalten“ nicht wirklich unsere Konversation widerspiegelt. Ich hatte nach vier Tagen genug von dem Schatten, der mir folgte wie... ein Schatten eben. Ich bin nicht wirklich gut mit Vergleichen, entschuldigt bitte. Den Lehrkörpern konnte ich mich nicht anvertrauen, da der Schatten immer im nächsten Moment verschwand, wenn ein anderer Mensch auftauchte. Also stelle ich eines Nachts eine Lampe auf, schaltete sie ein und stellte mich meinem zweiten Schatten. Ich fing mit einer Frage an: „Hallo. Kannst du mich verstehen?“ JA Dieses Wort hat der Schatten mit seinem Körper gebildet, indem er sich ausdehnte und die Buchstaben als weiße Formen auf der Wand präsentierte. „Was willst du von mir?“, führte ich die Befragung fort. Sein Körper wurde ballonförmig und zeigte mir wieder nur ein Wort: HILFE „Hilfe?“, wiederholte ich verständnislos seine Antwort, ohne eine Vorstellung davon, wobei ein Schatten Hilfe gebrauchen könnte. FLUCHT „Wohin möchtest du denn fliehen?“, hakte ich weiter nach. Diesmal zeigte der Schatten mit seinem Zeigefinger auf ein Fenster in der Nähe. Draußen war im fahlen Mondschein der Haido Wald zu sehen. Der Wald, der für alle Menschen tabu war. Schatten 2, so nannte ich ihn, konnte nur da existieren, wo Schatten war. Die Brücke, die über die zwei Kilometer lange Annan Waters Schlucht führte, hatte auf beiden Seiten eine Allee aus Laternen, die die Brücke voll ausleuchteten. Er war in der Schule gefangen, denn er konnte auch nicht das Wasser überwinden. Er brauchte jemanden, der für ihn hinüber lief und ihm seinen Schatten als Transportmittel zur Verfügung stellte. Aber kein Mensch durfte die Brücke betreten, geschweige denn überqueren. Ich konnte ihm nicht helfen, oder doch? „Ich werde dir einen Roboter bauen, der dich auf die andere Seite bringen wird!“, versprach ich Schatten 2, der mir darauf wieder sein Halbmondlächeln zeigte. Aber am nächsten Tag stellte sich heraus, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie und womit ich einen Roboter bauen konnte. Sie kreuchten und fleuchten zwar in jeder Ecke und in allen Formen durch die Gebäude, aber das half mir nicht weiter, da keiner von ihnen darauf einprogrammiert war, einen Schatten in den Haido Wald zu bringen. Auf meinen Streifzügen durch die Schule ging ich durch die Fakultät der Robotic und machte da die entscheidende Entdeckung für unser Problem. In einem der Gänge gab es eine Tür auf der stand: ZUTRITT VERBOTEN! ROBOTERTEILAUSLAGERUNG Schatten 2 und ich sahen uns an. Das klang doch viel versprechend, nicht wahr? Ein Verbotsschild hatte noch keinen aufgehalten und die Tür war nicht verschlossen. Ich betrat den dunklen Raum mit den herum liegenden und hängenden Roboterteilen, die übrig geblieben waren. Es wirkte wie ein Kühlraum mit den Einzelteilen von Robotern. Ich blickte schnell in alle Winkel des Zimmers, nicht gewillt länger als nötig hierzu bleiben. Und ich merkte, dass mir das Glück hold war. Eine Pappkiste mit der Aufschrift NR 4869 lag auf dem untersten Regal an der Wand. Ich klemmte sie mir unter den Arm, verschloss die Tür und hastete den Gang hinunter in mein Zimmer, mein lachender zweiter Schatten als treuen Wegbegleiter. Dort angekommen, öffnete ich die Kiste und legte alle Bauteile von NR 4869auf den Tisch. Es waren nicht viele: Ein kastenförmiger Ober-und Unterrumpf, ein Arm an der eine Zangen geformte Hand war, zwei Beine mit zwei Plattfüßen dran befestigt, ein ovaler Kopf mit Lüftern als Ohren, einer Antenne darauf und zwei Linsen aus Plastik als Augen. Weiterhin waren noch zwei kleine Engelsflügel aus Aluminium dabei, deren Zweck mir nicht recht einleuchten wollte. Der Zusammenbau gestaltete sich, zu meiner angenehmen Überraschung, einfacher als ich angenommen hatte. Ich brauchte kein Werkzeug, sondern musste nur die Körperteile in ihre vorgesehenen Plätze einfahren lassen. Unter den aufmerksamen weißen Augen von Schatten 2 bastelte ich den Roboter zusammen. Am Ende des sechsten Tages konnte ich das Ergebnis meines Werkeln bewundern. Es sah zwar, von den Flügeln am Rücken mal abgesehen, krude und plump aus, aber so waren alle Roboter die ich bisher gesehen habe. Ich drückte auf den roten Knopf auf seiner Brust, so gespannt wie mein zweiter Schatten was geschehen würde. Es summte, brummte und ich hörte es auch knistern. Der Roboter hob ruckartig den Kopf, sah mir von dem Tisch, auf dem er saß ins Gesicht und sagte in einer künstlichen, quietschenden Stimme: „Hallo Mama!“ Zuerst wollte ich ihm widersprechen, dann dachte ich mir, was es schon groß ausmachte, wenn mich ein Roboter für seine Mutter hielt. Im gewissen Sinne stimmte das ja sogar. „Danke, dass du mich zusammengebaut hast!“, fuhr er fröhlich fort und hüpfte auf den Boden. „Kein Problem.“, schmunzelte ich, nur um ihm kurz darauf bedauernd mitzuteilen; „Es tut mir Leid, dass ich deinen zweiten Arm nicht finden konnte, Robot.“ Was Namen angeht, bin ich so gut wie bei meinen Vergleichen. „Mach dir keine Sorgen, Mama! Du hast mich super hin gekriegt!“, munterte mich der Roboter auf. Es war das erste Mal in dieser Woche, das ich überhaupt lächelte. Am nächsten Morgen gingen wir zu dritt zur westlichen Pforte, um Robot seine wichtige Aufgabe zu erklären. Wir sahen im rosaroten Licht der aufgehenden Sonne auf die leere Brücke. Schatten 2 versteckte sich vor der Sonne in dem meinigen. Robot gluckste und bei jedem Schritt gaben seine Gelenke ein kleines Quietschen von sich. „Robot, ich brauche dich für eine bestimmte Sache. Und zwar musst du Schatten 2 über die Brücke in den HaidoWald bringen.“, erklärte ich dem Roboter mit den klappernden Engelsflügelchen seine Bestimmung. Robot stellte sich im frischen Morgenwind stramm auf und posaunte voller Stolz: „Natürlich Mama! Ich bin gut im Laufen!“ „Es ist ein langer Weg, was, wenn du runter fällst?“, fragte ich ihn in seinem strotzenden Selbstvertrauen. Die steinerne Brücke hatte kein Geländer und auch wenn sie recht breit war, Robot sah nicht gerade nach einem ausdauernden Läufer aus. Robot kratzte sich mit seinem linken und einzigen Arm am Kinn und murmelte ein „Hmmm...“, als er über meine Frage nachdachte. „Nun, du weißt es nicht, wenn du es nicht probierst!“, antwortete Robot zuversichtlich und klopfte sich auf die blechende Brust. Er war gut anderthalb Kopf kleiner wie ich, seine fast schon kindliche Art wirkte unschuldig und vertrauend. Ich fühlte mich ein wenig schuldig bei dem Gedanken, ihn in den finster wirkenden Wald zu schicken, bei all den Dingen, die ich über ihn gehört hatte. Der kühle Wind wehte durch meine Haare und vertrieb die düsteren Gedanken. Ich schaute Robot dankend an, während Schatten 2 vorsichtig aus dem meinen lugte. „Gut, dann werden wir heute Mitternacht loslegen.“, fasste ich den Entschluss von uns drei so ungleichen Gestalten zusammen. Der nächste Tag war erst wenige Minuten alt und die Wolken verdeckten den Mond am Himmel, während Robot, Schatten 2 und ich auf der Treppe standen, die zur Brücke führte. Wir standen auf der letzten Stufe, vor uns die rohe Erde, nackt und dreckig, so völlig anders wie die blinkenden und blank polierten Böden meiner Stadt. Ich hatte noch nie einen Fuß auf Erde gesetzt. Robot sprang ohne Bedenken wie ein kleines Kind in den Dreck, anstatt einem klackenden, machte es ein matschiges Geräusch. Er drehte sich auf der Achse zu mir um, die Plastikaugen schienen zu funkeln. Schatten 2 schien außer sich vor Freude zu sein, seinem Gefängnis zu entkommen, er verdrehte sich zu abenteuerlichen Figuren und Formen, die ich noch nie gesehen habe. DANKE Es war das letzte Wort, das mir mein zweiter Schatten formte, ehe er in den von Robot übersprang. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, dass mir etwas fehlte. Robot lenkte mich mit seiner Frage an mich ab. „Ich soll also immer geradeaus laufen?“ Ich nickte dazu nur, wissend, dass er mich verstehen würde. „Soll ich wieder zurück kommen?“, fragte er mich weiter. Ich öffnete leicht den Mund, nicht wissend, wie ich ihm antworten sollte. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Robot geduldig und brav meine Antwort abwartete. „Nur wenn du es willst.“, gab ich nach einer schweigsamen Weile leise von mir. Da war es wieder, dieses Gefühl, dass mir etwas fehlt. Robot legte seinen Kopf leicht schief und sprach kein Wort. „Ich hoffe, dass eure Reise gut verläuft.“, wünschte ich ihnen, als ich die Stille zwischen uns nicht mehr aushielt. Robot hob langsam seinen verbliebenen Arm, als er von mir Abschied nahm. „Also dann, wir machen uns auf den Weg, Mama!“ „Auf Wiedersehen, Robot. Auf Wiedersehen, Schatten 2.“, verabschiedete ich mich von den zwei wunderlichen Wesen. Eigentlich wollte ich Lebewohl sagen, aber diese Worte blieben mir im trockenen Halse stecken. „Auf Wiedersehen, Mama!“, rief mir Robot zu, während er winkend über die feuchte Erde zur Brücke lief. Seine Plattfüße machen dabei dieselben matschigen Geräusche wie zuvor. Auch Schatten 2 winkte mir mit seinem typischen Halbmondlächeln zu. Ich ging die sauber gewienerten Stufen der Treppe bis zur Pforte hoch, nicht fähig, meine Hand zum Winken zu heben, als ich den beiden nach sah. Oben starrte ich ihnen nach, wie Robot weiter lief, ein Wanderliedchen in seiner künstlichen Stimme trällernd. Die grellen Lampen der Laternen tauchten die kahle Brücke in ein Bad aus Licht, so dass Schatten 2 sich ganz eng an Robots Füße quetschen musste. Ich stellte mir vor, wie Robot sich selbst für sein gutes Laufen lobte und Schatten 2 ermutigte, nahe an ihm dran zu bleiben. Erst jetzt wurde mir klar, was dieses dumpfe Pochen in meiner Brust bedeutete, ich vermisste die Zwei. Schatten 2 und Robot waren meine ersten Freunde hier an der Teitan Academy, die ich gefunden habe. Ansonsten kannte mich hier niemand. Und nun schaue ich meinen einzigen Freunden hinterher, wie sie über die Brücke liefen und den dunklen Wald erreichten. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie Robot den Waldsaum aus dicken, knorrigen Bäumen betrat, wie ihn Dutzendweise Schatten erwarteten und wie Schatten 2 sich freudig mit seiner Familie und Freunden wiedervereinigte. Ich blicke noch Minuten später auf das winzig wirkende Ende der langen Brücke, irgendwo im Innern hoffend, dass Robot als kleine wankende, klappernde und singende Gestalt wieder im Schein der Laternen auftauchen würde. Aber nichts, außer dem heulenden Wind der kalten Nacht und fernen Vogelschwärmen am Horizont. Ich habe noch nie ein Tier gesehen, das nicht künstlich war. Wie eigenartig, dass mir das nun durch den Kopf ging. Ich konnte mir auch denken, dass Robot seine Entscheidung getroffen hatte, wahrscheinlich lief er weiter in den Wald auf der Suche nach einem zweiten Arm. Ein trauriges Lächeln blitzte in meinen sonst so beherrschten Gesichtszügen auf. Da knarrte hinter meinem Rücken die Tür. Ich erschrak nicht, als mir die Stimme eines Lehrers an die Ohren drang. Wie gesagt, dazu habe ich schon zu viel gesehen, um mich noch vor einem Lehrer aus Fleisch und Blut zu fürchten. „Was machen Sie um diese Stunde noch hier draußen, Miss...äh?“, wollte eine näselnde, klebrig klingende Stimme von mir wissen. Es war Shiratori-sensei. „Haibara, Sir. Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe mich auf dem Weg zur Toilette verlaufen.“, log ich, ohne mit der Wimper zu zucken, den hochgewachsenen, schlaksigen Mann an, der in Anzug und Krawatte vor mir stand. An seiner Seite einen kleinen, fliegenden, kugelrunden Roboter, der offensichtlich eine Uhr war und mich verärgert aus seinem einen Auge anglotzte. „Nun, das kann ja mal passieren, Miss Haibara. Aber kommen Sie nun wieder rein. Morgen fängt wieder der Unterricht an, da sollten Sie sich tüchtig ausschlafen.“, verlangte Shiratori-sensei in einem befehlenden Ton von mir. Ich folgte ihm in den Gang, auf der Schwelle der Pforte drehte ich mich aber nochmal zum Wald um. Im letzten Licht des Mondes und von dem Strahlen der Laternen überdeckt, wirkte es so, als würde Haido aus dem Inneren leuchten. Anstatt bedrohlich und finster wirkte dieses Bild in meinen Augen nun einladend und geheimnisvoll. „Eines Tages werde ich auch über diese Brücke laufen!“, schwor ich mir in Gedanken. Ich würde Robot und Schatten 2 sicher wiedersehen. Als das Schloss der schweren Tür zuschnappte, wusste ich zudem mit absoluter Sicherheit, dass das nicht die spannendste Woche in meinem Leben in der Teitan Academy sein würde. Die Schule war riesig und ich hatte längst nicht alles erkundet, war nicht allen Gerüchten auf den Grund gegangen, hatte nicht all das getan, was sich bisher kaum einer getraut hatte. Meine Zukunft strahlte in einem Glanz, den ich vor einer Woche noch verloren geglaubt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)