Unexpected Twist von RaspberryDevil ================================================================================ Kapitel 10: Konfrontation ------------------------- Ja, das gibt es auch noch. Denn egal wie sehr mir Vieles im Nachhinein missfällt, so werde ich das hier nicht abbrechen. Viel Spaß mit dem bisher längstem Kapitel? ____________________________________ Erschöpft lies sich Ian auf sein Bett fallen – dass diese Frau sie auch immer so belästigen musste. „Versuch doch einfach mal das Positive an der ganzen Sache zu sehen: Ihr seid eurer Tante wichtig, sonst würde sie euch nicht besuchen.“ Saburos aufmunternde Worte verfehlten ihre Wirkung und so seufzte der Japaner, als Ian weiterhin ohne irgendeine Reaktion auf seine Worte zu zeigen auf dem Bett lag. „Ich werde dann mal gehen“, meinte er leise, aber noch laut genug, damit Ian ihn hören konnte. Er glaubte zwar, dass der andere ihm nicht zuhörte, wollte aber auf Nummer sicher gehen. Doch zu seinem Erstaunen reagierte Ian, richtete sich auf – wenn auch etwas schwerfällig – und klang mit seiner Bitte etwas verzweifelt. „Tu mir den Gefallen und bleib noch etwas, ja?“ Mit einem Nicken, welches Ian dazu veranlasste, sich wieder hinzulegen, setzte Saburo sich auf die Bettkante, den Blick auf den Jüngeren gerichtet. „Du solltest dir wirklich keine Sorgen machen“, versuchte er ihn zu überzeugen. Ian schüttelte daraufhin nur den Kopf. „Ich weiß ja, dass ich froh sein sollte, solch eine Familie zu haben“ „Aber?“, hakte er Japaner nach. Es kam oft vor, dass die Beiden über ihre Familie redeten, nicht zuletzt wegen ihrer sexuellen Ausrichtung. Aber selten fühlten sie sich so unwohl dabei, wie Saburo es gerade tat. Doch genau deswegen wollte er, dass der andere fortfuhr, damit sie es hinter sich hatten; danach würde es ihnen besser gehen. „Langsam spüre ich den Druck“, antwortete Ian ihm zögerlich. „Haben dich deine Eltern nicht schon immer unter Druck gesetzt?“ Es war keine Frage, dennoch stellte er sie so der Höflichkeit wegen, um Ian das Gespräch einfacher zu machen. „Schon, aber nun werde ich langsam älter und weiß nicht so recht, was ich tun soll. Vaters Geschäftsposition rückt immer näher und ich weiß, dass ich nicht bereit dazu bin.“ Saburo überlegte, wie er darauf antworten sollte, ohne etwas Unsinniges zu sagen, aber am Ende fiel ihm nicht besseres als der Standartvorschlag ein . „Wieso sagst du es ihm dann nicht so?“ „Weil ich ihm das nicht antun kann. Wenn Vater rauskriegt, dass ich keine Frau heiraten werde um die Familie fortzuführen, wird er schon enttäuscht genug sein.“ Langsam hörte Saburo die Müdigkeit in den Worten des anderen heraus, trotzdem wollte er das Gespräch nicht beenden; ihre folgenden Gedanken sollten ausgesprochen werden, wenn sie beide ihre Ruhe haben wollten. „Musst du dann überhaupt das Geschäft fortführen, wenn du keinen Nachfolger hast?“ „Ja, so ist es vorgesehen. Wer nach mir die Firma übernimmt, ist nicht von Belang. Wir sind kein Unternehmen mit Familientradition, jeder könnte es fortführen. Aber die Familie hat Vorrangstellung.“ Und so führten sie ihr Gespräch fort, redeten über Vorteile sowie Nachteile seiner Entscheidung und deren Konsequenzen bis sich Saburo sicher war, dass er Ian alleine lassen und sich ohne Probleme auf den Weg machen konnte. Im Wohnzimmer verabschiedete er sich schließlich noch von Manabu und Jamie, die sich über irgendetwas unterhalten hatten, aber verstummt waren, sobald sie seine Schritte gehört hatten. „Soll ich dich nach Hause fahren – wohnst ja in derselben Richtung.“ Dankend nahm Saburo Jamies Angebot an und nachdem beide sich von dem Jüngsten unter ihnen verabschiedet hatten, verließen sie die Wohnung. Manabu ging kurzerhand die Treppen zu Ians und seinem momentanen Zimmer hoch, nur um seinen Gastgeber schlafend vorzufinden. Nachdem er selbst im Bad gewesen war und sich umgezogen hatte, weckte er Ian sachte, trug dieser doch noch immer seine Straßenkleidung. „Ist Jamie schon weg?“, fragte Letzterer als er sich müde aufrichtete. Seine Haare waren zerzaust, seine Kleidung vom Liegen zerknittert und für einen Moment wirkte er so zerbrechlich, dass er Manabu Leid tat. „Er fährt Saburo nach Hause.“ Nickend nahm Ian dies zur Kenntnis bevor er sich schlussendlich auch ins Bad verzog bevor er sich umzog. Ein „Gute Nacht“ war das Einzige, was man von ihnen in dieser Nacht noch gehört hatte. ~*~ „Ist dies nicht ein schöner Tag? Was kann man sich mehr wünschen als ein gemeinsames Frühstück mit der Familie?“ „Dass du still bist, liebe Schwester.“ Ian wusste zuvor nicht, was schlimmer als die Besuche seiner Tante Kathleen sein konnte. Jetzt wusste er es. Ein Frühstück mit ihr, seinen und Jamies Eltern war etwas, dass seine Nerven strapazierte und den Wunsch erweckte, sich einfach in eine Ecke zu verkriechen. Er wusste nicht, wie er das hier überstehen sollte, auch wenn ihm klar war, dass er es am Ende so oder so tat. „Sie hat recht. Wir waren schon lange nicht mehr so beisammen. Es ist schon beinahe Schade. Aber erzählt doch mal, was in letzter Zeit so alles passiert ist. Ich habe gehört, dass ihr Besuch aus Japan habt?“, unterbrach Jamies Mutter ihre Geschwister mit einer Neugierde, die erahnen ließ, von wem Jamie seine direkte Art hatte. „Ja. Die Geschwister Hotaru und Manabu. Während er noch schläft hat Samantha mit Hotaru bei Freunden übernachtet.“ „Er schläft noch? Das ist aber reichlich unhöflich“, meinte Ians Vater dazu nur, während die anderen Erwachsenen teils nur schmunzelten. „Ihm ging es heute morgen nicht so gut, deswegen schläft er sich etwas aus“, log Ian, um Manabus ersten Eindruck nicht mit Vorurteilen zu behaften; ihr Vater nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. Nach einem langen Gespräch, dass hauptsächlich um die Schule ging, eröffnete sich den Jungen langsam Kathleens Plan – immerhin war sie es, die dieses Frühstück in die Wege geleitet hatte. „Hast du dir schon Gedanken um Ians Nachfolger gemacht, Bruder?“ Der Grünhaarige warf seiner Tante einen mehr als ärgerlichen Blick zu, den diese aber gekonnt ignorierte. Und zu allem Übel mischte sich noch Jamies Mutter, die übrigens auf den Namen Madison hörte, ein. „Jamie hat mir erzählt, dass du schon jemanden gefunden hast.“ Bei der Erwähnung seines Namens ahnte der Blonde, dass er sich auf etwas gefasst machen konnte; Ians darauffolgende Frage, die gezwungen freundlich wirkte, unterstützte diese Vermutung nur „Ach, was hat er denn noch so erzählt?“ „Nicht viel, nur, dass ihr euch gut ergänzt“, trällerte Madison weiter, ohne ihrem Sohn, der inzwischen aufgestanden war, Beachtung zu schenken. „Ihr entschuldigt mich kurz?“, unterbrach Jamie die Frauen nun und sah zu, dass er schnellstmöglich verschwand. Ian ließ ihn aber nicht so einfach davon kommen und verließ mit den selben Worten die gemeinsame Runde. „Du solltest deinen Sohn besser erziehen“, war der einzige Kommentar seitens Ians Vater zu dem plötzlichen Verschwinden. ~*~ An diesem morgen wurde Manabu von einem lauten Poltern geweckt, kurz gefolgt von dem Aufreißen und Zuknallen seiner Tür. Es verstrich ein Moment, ehe er begriff, dass jemand das Zimmer betreten hatte und so richtete er sich träge auf um den Eindringling zu erspähen. Als er nach ein paar verschlafenen Sekunden bemerkte, dass es sich dabei um Jamie handelte, wunderte er sich nicht wirklich. „Oh, habe ich dich geweckt?“, fragte er leicht aus der Puste und an der Tür, die Hand deren Griff umfassen, gelehnt. „Nein, siehst du nicht, wie munter ich schon bin?“, wollte er ihm antworten, beließ es aber bei einem Nicken, und einem anschließendem Gähnen. Manabu rieb sich den Schlaf aus den Augen und als sein Blick zur Uhr huschte, um zu sehen, wie spät es war, runzelte er die Stirn. „Ihr habt mich solange schlafen lassen?“, fragte er sichtlich verwirrt, wäre er doch sonst seit mindestens zwei Stunden auf den Beinen. „Wir dachten, wir tun dir das Familientreffen lieber nicht an.“ Grummelnd streckte der Jüngere sich, ehe er aufstand, im nächsten Moment allerdings zusammenzuckte, als jemand auf der anderen Seite der Tür lautstark am Türrahmen klopfte. „Jamie, komm da sofort raus“, hörte man Ian zischen, sehr zur Verwunderung von Manabu, der den anderen immer als sehr besonnen eingeschätzt hatte. Der Blonde antwortete nicht, stattdessen lehnte er sich weiterhin gegen die Tür, damit Ian bloß nicht herein kam. „Mach sofort auf, Jamie Joel“, rief er nun verärgert, was Manabu allerdings zum Schmunzeln brachte. „Joel?“, fragte er und man sah ihm anhand dem Funkeln in seinem Augen an, dass ihn diese Information sehr amüsierte. „Nur weil der Name Jamie für ein Geschlecht nicht eindeutig genug ist“, murmelte der Blonde genervt, mochte er seinen Zweitnamen doch nicht besonders. Manabu, dem letzteres sicherlich auffiel, ließ das Thema fallen und wandte sich lieber anderen Sachen zu. „Wenn es dir recht wäre, würde ich gerne ins Bad.“ „So? Du kannst doch einfach –“ Bevor Jamie seinen Satz – der mit Sicherheit mit einem anzüglichen Kommentar geendet hätte – beenden konnte, griff Manabu nach seinen Schultern und zog ihn mit einen Kraftaufwand, den man von ihm nicht erwartet hätte, von der Tür weg, sodass Ian sie im nächsten Moment öffnen konnte. „Gern geschehen“, meinte Manabu daraufhin nur, stieg über den mittlerweile auf dem Boden liegenden Jamie, quetschte sich an Ian vorbei und ging ins Bad. Dort ließ er sich auch alle Zeit der Welt, duschte erst einmal in Ruhe, putze sich die Zähne und betrat mit einem Handtuch um der Hüfte, da er seine Kleidung liegen gelassen hatte, das Gästezimmer. „Wollt ihr eure Rangelei vielleicht im Nebenzimmer fortführen?“, murrte er, als er die Cousins am Boden liegend, der Jüngere den Älteren im Schwitzkasten habend, vorfand. „Du musst was an deiner morgendlichen Grundhaltung ändern“, japste Jamie, ehe er den Moment nutze, um sich aus dem Griff des anderen zu befreien. „Genervte Kommentare sind doch schon eine Verbesserung im Vergleich zu vorher“, meinte Ian nur während er sich ebenfalls aufrichtete und so tat, als wäre nichts geschehen. Der Schwarzhaarige ignorierte dies einfach nur, ging zum Schrank und griff nach frischer Kleidung. „Würdet ihr mir den Gefallen tun und ins andere Zimmer gehen?“, fragte Manabu, nicht unbedingt freundlicher als zuvor, als die beiden anderen keine Anstalten machten, dass Zimmer zu verlassen. „Also eigentlich –“, fing Jamie an, wurde aber wieder unterbrochen, indem er von Ian an der Schulter gepackt aus dem Raum gezogen wurde. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, zog Manabu sich um während Jamie ein „Ihr gönnt mir auch gar nichts“ murmelte. „Du verlangst einfach zu viel“, erwiderte sein Cousin, der sich nun beruhigt auf dem Weg nach unten machte. Nachdem sich Manabu nach unten begeben hatte, wurde er freundlich von den Erwachsenen begrüßt, was sein Bemühen, nicht unfreundlich zu wirken, verstärkte, aber nicht gut genug war, um Ians Mutter zu überzeugen. Eine mütterliche Umarmung und keine Sekunde später saß er am Tisch zwischen Kathleen und Ian sowie mit einer Kanne extra starkem Kaffer vor sich. „Wie lange bleibt ihr noch?“, fragte Ians Vater schließlich, nachdem Manabu die halbe Kanne – er hatte schon versucht, sich zusammenzureißen – leer getrunken hatte. „Wir bleiben noch diese Woche“, antwortete Manabu ihm höflich. Franklin, so der Name von Ians Vater, hatte seinen vollkommenen Respekt, erweckte er in ihm doch den Eindruck eines strengen Mannes, der viel im Leben erreicht hat und genauso viel von anderen erwartete. „Wir wären eigentlich auch erst Ende dieser Woche zurückgekommen. Aber die Geschäfte liefen so gut, da dachten wir uns, dass es nicht schaden kann, früher Heim zu kehren. Zudem wollte meine Frau unbedingt Samanthas Brieffreundin kennen lernen“, meinte Franklin ehe er selbst einen Schluck Kaffee nahm. „Außerdem hat unser Jamie ja heute Geburtstag“, fügte Ians Mutter hinzu und sah den Blonden mit einem freundlichen Lächeln an, welches ihm allerdings unterschwellig sagen wollte, dass es nichts nützen würde, zu protestieren; sie würden seinen Geburtstag feiern. „Ach, ich weiß noch, als ihr beide geboren wurdet. Und nun wirst du schon 22. Die Zeit vergeht wie im Fluge“, seufzte Kathleen nostalgisch. „Das liegt daran, dass du selbst keine Kinder hast. Sonst würdest du wissen, wie langsam die Zeit eigentlich vergeht“, erwiderte Ians Mutter, die nebenbei angemerkt Ines hieß, in aller Ruhe. „Glaub mir, darüber bin ich froh“, meinte ihre Schwägerin nur, lachte leicht, wandte sich dann aber wieder ihrem kalt gewordenem Kaffee zu. Manabu musste zugeben, dass die Familie, wenn auch eine etwas seltsame Atmosphäre herrschte, ganz nett war. Ines war freundlich und bedacht, während ihr Mann sich trotz distanzierte Haltung um Gastfreundschaft bemühte. Kathleen war wie immer; selbst wenn ihre Geschwister anwesend waren, schien sie sich nicht zu bemühen, ihre übermütige Haltung zu ändern. Jamies Eltern hingegen waren das Gegenteil von dem, was er erwartet hätte. Seine Mutter schien von der guten Laune her wie Jamie zu sein, sein Vater hingegen war ein stiller Genosse. Die ganze Zeit über hatte er nur still da gesessen, seinen Kaffee getrunken und den Gesprächen gelauscht. Manabu kümmerte sich nicht weiter darum, trank lieber noch eine Tasse Kaffee während er den regen Diskussionen zwischen den Familienmitgliedern Beachtung schenkte. Auch wenn sie teilweise sehr unterschiedlicher Meinung waren und es so schien, als würden die Diskussionen jeden Moment eskalieren, hatte die Familie einige Gemeinsamkeiten – so liebten sie es zum Beispiel, Manabu aus der Fassung zu bringen. „Jamies Vater ist etwas introvertiert, mach dir darum aber keine Sorgen. Er wird dich als Schwiegersohn sicher akzeptieren.“ Und wieder, aufgrund des passenden Timings, verschluckte der junge Japaner sich an seinem Kaffee und erregte die Aufmerksamkeit der anderen. „Schwester, musst du den armen Jungen so erschrecken?“, fragte Madison, die aber genau wie die anderen nichts mitbekommen hatte. Ian, der ihm inzwischen auf dem Rücken klopfte, war seiner Tante einen genervten Blick zu, was sie aber trotzdem nur mit einem Schulterzucken quittierte. „Alles klar?“, flüsterte Ian Manabu, der inzwischen aus Scham errötet war, zu. Ein Nicken und ein leises Danke war die Antwort, welche Ian ein kurzes Schmunzeln entlockte, ehe er sich aufrichtete. „Ist es in Ordnung für euch, wenn wir erst einmal nach oben gehen?“, wollte er, an die Erwachsenen gerichtet, wissen. Diese wollten nun eigentlich noch für Jamies Grillparty – Ines bestand darauf, mit der Familie zu feiern, egal was Jamie dazu sagte – die Planung beginnen, doch da diesmal sogar Jamies Vater das Wort für die Kinder erhob, ließen sie sie gehen. ~*~ „Alles Gute.“ Überrascht sah Jamie zu Manabu, der neben Ian auf dem Sofa Platz genommen hatte. „Ich kam noch nicht dazu, dir zu gratulieren“, erklärte Manabu dem verwundertem Jamie, als wäre es etwas Selbstverständliches. „Danke.“ Ein Lächeln formte sich kurz danach auf Jamies Gesicht und beinahe hatte Manabu das Gefühl, er würde für ein Mal nicht anzüglich sein. Falsch gedacht. „Und wo ist mein Geschenk“, grinste er und beugte sich zu Manabu hinunter. „Seine Anwesenheit sollte dir genügen“, mischte Ian sich ein bevor der Japaner auch nur irgendwie antworten konnte. „Wie du meinst.“ Maulend ließ sich Jamie neben Manabu nieder, sparte sich jeden weiteren Kommentar, einfach weil Ian ihn mit diesem mahnenden Blick ansah, den er abgrundtief hasste. Heute Abend konnte ja was werden, dachte sich Manabu nur, in der stillen Hoffnung, das etwas geschehen möge, damit er am Abend nicht ganz so verloren wirken würde. Einen Moment lang schwiegen die drei, da jeder seinen eigenen Gedanken nachging. Doch die Stille hielt nicht lange an und wurde von keinem anderen als Jamie unterbrochen; allerdings mit einem Satz, den keiner der anderen Beiden erwartet hätte. „Tut mir Leid.“ Es klang ein wenig kleinlaut – was daran liegen könnte, dass er gen Boden starrte – aber es waren aufrichtige und ernst gemeinte Worte. Verwundert wurde er von den Anderen angesehen, wussten diese doch nicht, worauf er anspielte. Dies wurde dem Blonden bald klar, als er keine Reaktion erhielt, weswegen er seufzend zu Ian sah. „Das wegen dem Nachfolger. Ich hätte Mum gegenüber nichts erwähnen sollen.“ Die Verwunderung wich nicht von ihrem Gesicht – während Manabu nicht wusste, was er meinte, weil er nicht dabei gewesen war, war Ian erstaunt darüber, dass Jamie sich dafür entschuldigte. „Ich weiß ja, dass das Thema bei dir sehr heikel ist“, fügte der Ältere schließlich noch hinzu, ehe er seinen Blick abwandte. „Vergeben und vergessen.“ Man sah Jamie seine Erleichterung an, als Ian diese Worte sprach, doch kurz danach schnappte er empört nach Luft, als Ian fortfuhr. „Aber sieh mal an, mit dem Alter wird man wohl doch weiser. Dann ist die Hoffnung bei dir nicht so ganz verloren.“ Ein kurzes Lachen folgte, in das Manabu einstimmte – schon alleine weil Jamies empörter Gesichtsausdruck zu köstlich war. „Ihr seid unmöglich.“ „Sagt der richtige“, kam es gleichzeitig von Ian sowie Manabu und für einen kurzen Augenblick hatte Letzterer das Gefühl, dass der Abend doch ganz annehmbar werden könnte. ~*~ Die Feier war nett gewesen. Wirklich. Ians Familie hatte ihn äußerst freundlich behandelt und sogar mit Jamies Vater hatte er eine interessante Diskussion geführt. Im Großen und Ganzen hatte er diesen Abend genossen, was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass niemand über ihre Zukunft sprach. Oder, dass weder Kathleen noch die Mädchen, welche gegen Mittag aufgetaucht waren, etwas angestellt hatten. Nicht, dass sie es erwartet hätten, immerhin waren Ians Eltern anwesend, aber man wusste ja nie und Vorsicht konnte nie schaden. Es war kurz vor elf, als Manabu Ian hatte etwas fragen wollen, was er über den Blonden erfahren hatte, doch fand er ihn nirgends. Jamie hatte ihm später erzählt, dass Ian mit Saburo, der mit seinem Bruder von Kathleen eingeladen worden war, hinauf ins Gästezimmer gegangen war. Manabu war froh, dass er im Laufe des Abends seiner Müdigkeit nicht nachgegeben hatte, da er sonst Wohl oder Übel in eine peinliche Situation geraten wäre. Zudem hätte er sonst auch den nachfolgenden Moment verschlafen. Zu seinem Bedauern, wie er zugeben musste. Nachdem Manabu seine Suche aufgegeben hatte, fand er sich in Jamies Zimmer wieder, was ihn ebenso sehr überraschte wie damals Ians Raum; er war schlicht. Das einzige, was herausstach war das Schachbrett am Fenster. Sein erster Reflex war der Gang zum Bücherregal. Schon bei Ian hatte der Japaner gelernt, dass Bücher etwas interessantes über ihre Besitzer verraten konnten. Und das taten sie auch. Zu seiner Überraschung bestand die Hälfte der Büchersammlung aus Jura-Lektüre – allem Anschein nach stimmte das, was er von Jamies Vater erfahren hatte; Jamie studierte Jura. Voller Neugierde oder vielleicht auch Unglaube, zog er ein Buch aus dem Regal und öffnete es, nur um es nach dem Lesen des ersten Satzes gleich wieder zu schließen. Das war für seine Verhältnisse eine etwas zu schwere Kost, mit der er sich nun nicht beschäftigen wollte. Ein weiterer Blick ins Regal ließ ihn noch den ein oder anderen Sciencefictionroman entdecken, weckte aber sonst nicht seine Neugierde. Dennoch wandte er sich erst ab, als sich zwei Arme von hinten um seine Hüfte legten. „Machst du das öfters?“, raunte Jamie in sein Ohr, sichtlich amüsiert darüber, den Anderen in seinem Raum vorzufinden. „Genauso oft wie ihr euch von hinten heranschleicht“, antwortete Manabu trocken, was dem Blonden ein Lachen entlockte . „Hast du getrunken?“, wollte Manabu schließlich wissen, als sich der Griff um seine Hüfte ein wenig verstärkte. „Nur angestoßen“, säuselte Jamie, ehe er ihn dichter an sich zog. „Wer's glaubt...“, murmelte Manabu, ließ seine Nähe aber dennoch zu – genauso wie die darauffolgenden Berührungen. Und er genoss jede einzelne Sekunde davon. ~*~ Er musste zugeben, dass das Rascheln der Bettdecke eine angenehmere Art des Aufwecken war als laute Mädchenstimmen oder das Zuknallen einer Tür. Es war sogar so angenehm, dass er beinahe wieder eingeschlafen wäre, wenn sich der warme Körper nicht von ihm entfernt hätte. Müde schaute er zum Blonden, der seinen Blick noch nicht bemerkt hatte, hinauf. Also erhob er seine von Schlaf getränkte Stimme, um auf sich aufmerksam zu machen. „Wo willst du hin?“ Ruckartig hielt Jamie in seiner Bewegung inne, sah auf den anderen mit einem Lächeln auf den Lippen herab. „Nirgendwo. Schlaf weiter.“ Seine Stimme war ungewohnt ruhig, die kurze Berührung seiner Finger auf Manabus Wange sanft und die Wärme des Betts so angenehm, dass Manabu der Aufforderung mehr oder weniger freiwillig nachkam. Er schloss nur einen Moment seine Augen, bevor er wenige Minuten später seelenruhig weiterschlief ~*~ In vollkommener Ruhe saßen Ian und Manabu am Küchentisch, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Zuvor hatte Manabu von Ian erfahren, dass Jamie seine Eltern zum Flughafen hatte fahren müssen, wegen irgendwas, dass er selbst nicht verstanden hatte, da Jamie viel zu vage geredet hatte. Manabu hatte dies nur nebenbei registriert, genauso wie die Tatsache, dass die Mädchen, Lionel und Ians Eltern sowie Tante gegen Mitternacht nach Hause gefahren waren. Der Umstand, das seine Schwester nun wer weiß was von ihm dachte – und die Eltern seines Gastgebers, aber das konnte ihm egal sein, da er sie nach dieser Woche sowieso nie wieder sehen würde – erzeugte ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend. Schließlich beschloss Ian ein Teil seiner Gedanken zu offenbaren. „Hey...“ Fragend sah Manabu auf, als sein Gegenüber anfing zu reden. „Sag, du und Jamie, habt ihr...“ Ian ließ den Satz absichtlich unbeendet, vermied jeglichen Augenkontakt und widmete sich lieber dem Kaffee vor seiner Nase während Manabu noch überlegte, was er meinte. Als er es dann aber realisierte, sah Manabu ihn verlegen beinahe erschrocken an. „N-nein, nein.“ Da der Ältere merkte, wie unangenehm dem anderen das Thema zu sein schien, hatte er vor, es bei einem Nicken belassen, doch wegen der peinliche Stille, die ihnen bevorstand, wollte er die Atmosphäre ein wenig lockern. „Ich dachte nur, da Jamie recht... direkt sein kann.“ Noch immer hatte Ian ihn nicht ins Gesicht geschaut, sonst hätte er gemerkt, wie der andere langsam in seinem Stuhl zusammensank während ihm die Röte immer weiter ins Gesicht stieg. Manabu hatte normalerweise kein Problem, über seine sexuelle Orientierung oder seine Partner zu reden, aber wenn es ein wenig... intimer wurde, so wurde es ihm dann doch unangenehm. „Jetzt bring den Kleinen doch nicht so in Verlegenheit“, lachte Saburo leicht als er die Küche betrat und neben Ian Platz nahm. Als der Angesprochene aufsah und ihm beim Anblick des Jüngeren bewusst wurde, welchen Effekt seine Worte gehabt haben, lächelte er entschuldigend, hielt es aber für besser, nichts dazu zu sagen. Der ungesunde Rotton wich langsam und sobald der Schwarzhaarige einen Blick auf Saburo warf, setzte dieser sein Vorhaben um – ganz ohne Absicht, Manabu in Verlegenheit zu bringen – und gab Ian einen Guten-Morgen-Kuss. Es war wohl ihre Art ihm zu zeigen, das Manabu es nicht unangenehm sein musste, den Abend mit Jamie verbracht zu haben, hatten sie doch das Gleiche getan. Und Manabu wusste nicht, ob er beruhigt oder beleidigt sein sollte – nur weil er jünger war, mussten sie ihn bei diesem Thema nicht mit Samthandschuhen anfassen. Dennoch zeigte er Saburo mit einem Nicken, dass er ihm dankbar für diese Geste war während Ian schamvoll – er war kein Freund von Liebesbekundungen vor anderen Leuten, auch wenn es gute Freunde waren – zur Seite sah. „Ich habe gehört wir verbringen den Tag heute hier?“, begann Saburo ein neues Thema, weil es ihm ein wenig Leid tat wie unbehaglich die Situation für die Zwei war. „So?“ Das war das erste Mal, dass Manabu davon hörte, dementsprechend schien er ein wenig überrascht. „Verzeih', hab ich ganz vergessen, zu erwähnen.“ Langsam hatte sich Ian auch wieder gefasst und schenkte seinem Gast ein Lächeln. „Wir dachten, wir gönnen uns einmal eine Pause von den Anderen.“ Es klang nach einer wirklich netten Abwechslung; dachte er zumindest. Nachdem Manabu darauf hingewiesen wurde, dass Jamie sowohl für ihn als auch Saburo frische Kleidung hingelegt hatte (Ian selbst hatte immer seine eigene Kleidung im Gästezimmer deponiert, nur für den Fall der Fälle) zog sich Manabu ins Bad zurück. Als er frisch geduscht und umgezogen die Küche betrat erhob sich Saburo und tat es dem Jüngeren gleich, allerdings nicht ohne Ian zu sagen, er solle den anderen doch nicht necken. Eine spaßhafte Äußerung, die Angesprochenem und Gemeintem aus unterschiedlichen Gründen die Röte ins Gesicht trieb. „Idiot“, murmelte Ian leise, als Saburo den Raum verlassen hatte. „Dennoch magst du ihn“, merkte Manabu ganz unbefangen an. Darauf erhielt er keine Antwort. Es war auch nicht nötig. Auch so wusste Manabu, dass er Recht hatte, war es bei ihm doch auch nicht viel anders. Seufzend gab er der Erkenntnis nach. Eigentlich wollte er eine hübsche Amerikanerin kennen lernen – er war ja auch nur ein Kerl – aber jetzt war es anders gekommen. Nicht, dass er sich beschweren würde. Zuhause in Japan hatte er schon lange keine Beziehung mehr mit einem Jungen gehabt und teils hatte er sich auch keine Mühe gegeben, weil er sich im Notfall seinen Eltern gegenüber nicht erklären wollte. Wobei... konnte man überhaupt sagen, dass er und Jamie nun eine Beziehung führten? Soweit er Jamie kennen gelernt hatte, war er sehr offen und ehrlich gesagt sah er nicht nach dem Typen aus, der sich auf eine Fernbeziehung einlassen wollen würde. Wollte er selbst es überhaupt? Das war eine ganz andere Frage, der er sich noch stellen musste. „Woran denkst du?“ Ian riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. „Was?“ „Entschuldige, du sahst nur so aus, als hättest du dir über etwas Ernstes den Kopf zerbrochen.“ „Nicht so wichtig“, murmelte Manabu. Er wollte ungern darüber reden. Zumindest nicht jetzt. Mit Sicherheit würde er Ian später um Rat fragen. Später, nicht jetzt. „Geht es um Jamie?“ Aber allen Anschein nach fand Ian, dass jetzt ein guter Zeitpunkt war. Und ah, da war er wieder, der ungesunde Rotton auf Manabus Wangen. „Möglicherweise.“ Das klang eindeutig, zumindest für Ian. „Mach dir keine Sorgen. Das gibt sich alles von selber.“„Das sagst du so einfach.“ Und dennoch war Manabu für diese Worte dankbar. Es würde sich schon alles irgendwie ergeben. Selbst wenn nicht, so wollte er doch zumindest heute, nur für diesen Tag, nicht an die Zukunft denken; und wenn er so zu Ian blickte, schien er das gleiche zu beabsichtigen. ___________ Ein Jahr für dieses bescheidene Kapitel /D Danke fürs Lesen. Es folgt noch ein Kapitel (was Plottechnisch noch nicht ganz steht) und ein Epilog (Der inhaltlich feststeht). Habt noch 'nen schönen Tag Wir sehen uns dann in einem Jahr wieder Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)