Tausend Gründe von ReiRei-chan (- Ja und Nein zu sagen -) ================================================================================ Kapitel 3: Weil sie mich hassen wird ------------------------------------ „Nate?“ Langsam hebe ich den Kopf, meine Hände fest in den Stoff meines Shirts gekrallt. Noch immer fühle ich mich wie betäubt. Betäubt von einem tiefen Schmerz, der mich zu zerreißen droht. Lukas steht vor mir, die Augen sorgenvoll auf mich gerichtet, die Schultern beinahe schuldbewusst eingezogen. Seine ganze Gestalt wirkt krumm und klein. Wir haben einen Fehler begangen. Schon wieder. „Ich mag es“, flüstere ich leise. „Wirklich.“ Er nickt. Ich höre sein stummes Flehen, aber ich kann nicht darauf antworten. Zu viel geht mir gerade durch den Kopf. Ich mag es wirklich, wenn wir miteinander schlafen, aber auch auf den Verdacht hin, dass sich tiefere Gefühle bei mir entwickeln werden, kann ich es nicht verantworten Melanie noch mehr zu schaden. „Tut mir leid.“ „Nate, bitte…“ Doch ich schüttle mit dem Kopf. Ich habe ein Ziel vor Augen. „Du hast es selbst gesagt“, erinnere ich ihn mahnend. „Wenn ich mich gegen dich entscheide, dann gibt es dich für mich nicht mehr. Halte dich dran!“ Damit erhebe ich mich wie benommen von meinem Bett, streife mein Shirt über, schlüpfe in meine stets gebundenen Schuhe und verlasse mein Zimmer. Als die Tür hinter mir zu fällt, ist es beinahe als wäre eine große Last von mir gegangen. „Mum! Ich bin noch mal kurz weg!“ Noch nie ist mir ein Gang so schwer gefallen. --- „Oh! Jonnyboy!“ Sie strahlt mich überrascht an. Ihre Lippen sind rot geschminkt und ihre Haarpracht ist in einem Gummi gefangen. Nie sah sie schöner aus. Ein wenig verwirrt, dennoch souverän in ihrem Auftreten. „Ich muss mit dir reden.“ „Okay… ich denke, dass Nina auf mich warten kann, oder?“ Das angesprochene Mädchen hinter ihr nickt, zieht sich in Melanies Zimmer am Ende des Flures zurück. Wieder eine Tür die zugeht. Wann geht endlich wieder eine auf? „Komm rein. Wir gehen ins Wohnzimmer“, bestimmt sie, lässt mich eintreten und marschiert mir voraus in den geräumigen Raum, dessen breite Fenster zur offenen Straße hin zeigen. Ich kann Lukas an einer Mauer stehen sehen. „Was ist los?“ Mein Blick wandert zu ihr und mein Herz schmerzt. Ich werde sie verlieren. Aber ich weiß auch, dass ich keine Wahl habe. Ich habe einen Fehler gemacht und wenn ich nicht ehrlich zu ihr bin, werde ich ihr nie wieder ungerührt ins Gesicht sehen können. Alles was ich will ist eine Chance. „Ich habe mit Lukas geschlafen. Zweimal.“ Ihre Hand, gerade angehoben um eine Strähne fort zu streichen hält mit einem ohrenbetäubenden Klirren ihrer Armreife inne. Die grünen Augen weiten sich leicht, die roten Lippen bleiben offen. Ihre Schultern sinken ein, sie wird unter meinen Augen klein. „Es war ein Fehler. Beide Male und… Melanie ich…“ „Nein“, spricht sie, dabei ist ihre Stimme leise, zittert unter der Anstrengung ruhig zu bleiben. Eine Träne blitzt in ihrem Augenwinkel auf. Ich höre wie mein Herz zerspringt. Alles was ich will ist eine Chance. „Wann habt ihr miteinander geschlafen?“ Ich schlucke nervös. „Das erste Mal vor drei Wochen. Als ich nicht auf der Party war.“ Meine Hände werden warm, ich schwitze. „Und das zweite Mal… gerade eben.“ Ihr Kopf ruckt hoch, in ihren Augen sehe ich tiefe Bestürzung und einen unglaublichen Schmerz. Verrat. Sie erkennt es als das was es ist. Und diese mentale Ohrfeige schmerzt mehr als ihre flache Hand auf meiner Wange. „Nein!“, kreischt sie und ich höre wie eine Tür aufgerissen wird. Dann ist Nina schon im Raum, hält Melanie vor einem weiteren Schlag zurück. „Wie konntest du mir das antun? Für wen hältst du dich eigentlich?“ „Melanie, ich…“ „Raus! Raus hier! Ich will dich nicht mehr sehen, verschwinde!“ Tränen laufen ihr über die Wangen, ihr Make-Up verschmiert, doch ihre Augen strahlen so intensiv wie immer. Sie ist wütend, verletzt und vor allem enttäuscht. Nichts kann wieder gut machen, was ich getan habe. Was wir getan haben. Lukas und ich. Mit einem gebrochenen Herzen verlasse ich ihr Haus, weiche Lukas aus, der auf mich zukommt, mich in den Arm nehmen will. Nichts wird helfen. Weder seine Zärtlichkeit, noch seine Liebe. Der Verlust von Melanie ist mehr als ich ertragen kann. Ich weiß, dass sie mich hassen wird. Doch ich will die Hoffnung nicht begraben, dass es nur einen geringen Augenblick lang andauern wird. --- Woche um Woche verbringe mit einem sinnentleerten Alltag, bestehend aus Schule, Hausarbeiten, Familientreffen und Partys mit Freunden. Auch wenn ich lache und scherze, nichts ist mehr wie vorher. Melanie fehlt. Sie war meine beste Freundin, zu keinem anderen Menschen hatte ich eine solch starke Verbindung. Wir hatten denselben Humor und wir konnten über alles reden. Wann immer ich Probleme hatte, war sie es, die mich in den Arm genommen und mich sanft in den Schlaf gewiegt hat. Wie oft waren wir gemeinsam unterwegs? Eine Zahl, die so unendlich erscheint. Leise klopft es an meiner Tür. Ich blicke auf. „Jonathan, my dear?“ Meine Mutter kommt herein, setzt sich neben mich, legt einen Arm um meine Schultern und streicht mir sanft durch die Haare. Ich kann ihr Parfüm riechen. „Something went wrong, no?“ Ich nicke. „Ich hab sie verletzt.“ „Your father told me.“ Erschrocken sehe ich sie an. „And you should have done what he said to you. That would have been the best.” „Ja, ich weiß. Ich dachte nur nicht, dass ich noch einmal mit ihm schlafen würde.“ Nun lacht meine Mutter. „Don’t worry, Darling. She will talk to you. Just wait.” Als sie geht wünsche ich mir, dass ich ihre Zuversicht teilen kann. Nicht mit Melanie zu reden ist die Hölle für mich. Auch wenn ich mir in der vergangenen Zeit sicher geworden bin, dass das mit mir und Lukas mehr ist als nur Verlangen. Jeden Tag streunt er um unser Haus herum und jeden Tag ertappe ich mich bei dem Gedanken wie es ihm wohl ergeht. Schließlich habe ich auch ihn wochenlang nicht mehr gesehen. Es wäre ein weiterer Verrat an Melanie, deren Segen mir für eine Beziehung immer sehr wichtig war. In diesem Falle mehr als jemals zuvor. Wenn sie nur mit mir reden würde. --- Musik: James Blunt - Goodbye my Lover Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)