Unter Krähen von Ryoko-chan (Shihos Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 13: Versuche -------------------- Erinnert ihr euch daran, dass ich im achten Kapitel meinte, es gäbe jetzt noch vier Kapitel und einen Epilog? Das hier ist das sechs Kapitel und vom Epilog sind wir noch weit entfernt. +kicher+ So kann’s gehen. Dieses Kap ist vielleicht nicht ganz so spannend, dafür gibt’s aber schon morgen das neue Kapitel. Viel Spaß! Ich starrte auf die Kapseln vor mir. Sie waren ordentlich in kleinen, schwarzen Boxen verstaut. 100 Kapseln des neue entwickelten Apoptoxin4869. Sechs Monate nach meiner Ankunft war das Gift fertig gestellt. Sechs Monate von denen ich fast jeden Tag im Labor verbracht und ununterbrochen gearbeitet hatte. Und nun war mein Werk fertig. Die Arbeit meiner Eltern war so gut wie beendet. Zunächst war ich völlig euphorisch gewesen, doch dann … verspürte ich nur noch Leere. Der Zweck dieses Giftes war einzig und allein Menschenleben zu nehmen. Und die Verantwortung dafür, trug ich. Ich hatte es entwickelt. Seufzend schloss ich die Boxen. Nun würden die ersten Versuche und Tests beginnen. Ich blickte auf den Tisch am anderen Ende des Raumes. Dort standen enge Käfige mit kleinen, weißen Mäusen, welche ihr Leben für die Wissenschaft lassen würden. Die Tür ging auf. Ich drehte mich nicht herum, da ich ohnehin wusste, wer eingetreten war. „Ich hab dem Boss Bescheid gegeben, dass es fertig ist. Du sollst morgen mit den Versuchen anfangen.“, sagte mir Gin. Ich nickte, ohne ihn anzublicken. Er hob mein Kinn an, sodass er mir ins Gesicht schauen konnte. „Du siehst müde aus.“ Ich wich seinem Blick aus, starrte auf den Boden. „Das bin ich immer …“, erwiderte ich leise und verfluchte mich auf der Stelle. Warum sagte ich ihm das? Ich hasste es, mir die Blöße zu geben, indem ich zugab wie schwach ich doch war. Ja, die letzte Zeit war besonders anstrengend gewesen. Ich sollte Stress gewöhnt sein, redete ich mir ein. Stattdessen ließ ich mich völlig gehen. Ich schloss die Augen und lehnte mich an Gins Brust. Sofort umschlossen mich seine starken Arme und ich fühlte mich so geborgen, wie schon lange nicht mehr. Vergessen war, dass er mich geschlagen und hinterher ignoriert hatte. Ich verdrängte die Tatsache, dass ich mich, Akemi wegen, hinterher furchtbar schuldig fühlen würde. Sie wusste nichts von dem, was zwischen mir und Gin vorging. Vielleicht ahnte Akemi es … doch ich brachte es nicht übers Herz, ihr davon zu erzählen. Ich wollte sie nicht verletzen oder ihr gekränktes Gesicht sehen, weil ich ihr jahrelang die Wahrheit verschwiegen hatte. Doch irgendwann würde ich meiner Schwester alles beichten, ich nahm es mir fest vor. Um Sechs in der Früh war ich schon im Labor und traf alle Vorbereitungen für die Versuche des Prototyps. Ich legte mir alles zurecht und nach und nach trudelte mein Team ein. Pünktlich um Acht konnten wir beginnen. Gebannt sah ich zu, wie der ersten Maus das Gift mithilfe einer Pipette in den Rachen geflößt wurde. Nur Sekunden später fing die Maus unter heftigen Krämpfen zu quicken an. Sie wandte such hin und her und ich unterdrückte das Bedürfnis die Augen zu schließen. Weitere 10 Sekunden war die Maus endgültig tot und mir speiübel. Und ein Mensch sollte vor seinem Tod die gleichen Qualen durchmachen müssen? Verbittert sah ich zu, wie ein Forscher das tote Tier am Schwanz aus dem Käfig hob und auf ein silbernes Tablett ablegte. Für die Nekropsie* war ich glücklicherweise nicht zuständig. Eine halbe Stunde später lagen die ersten Ergebnisse vor und ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Im Körper der Maus waren keinerlei Spuren des Giftes gefunden worden. Nirgends. Ein Volltreffer! Die weiteren 43 Versuche an den Mäusen verliefen immer gleich: Das Tier starb qualvoll, es wurde seziert und die Ergebnisse waren dieselben wie zuvor. Nach drei Tagen waren noch elf Mäuse übrig. Es war spät am Abend um mein Team war schon längst gegangen, als ich am PC saß und den Tagesbericht schrieb. Hinter mir quiekte es leise und ich drehte mich herum. Ich wollte an diesem Abend noch ein letzten Versuch durchführen. Inzwischen hatte ich mich an die Prozedur gewöhnt und konnte meine Gefühle dabei abstellen, wie man einen Lichtschalter umlegte. Ich flößte der Maus das Mittel ein und wartete. Es geschah … nichts. Stirnrunzelnd trat ich näher an den Käfig ran. Da quiekte – nein, das Tier quiekte nicht mehr, es schien kleine Schreie von sich zu geben und mir trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Entsetzt beobachtete ich die Maus und als sie sich nicht mehr rührte und ich glaubte, sie sei tot, geschah das Unfassbare: Das Tier schrumpfte!! In rasender Geschwindigkeit verkleinerte sich die Maus, die Gliedmaßen, der Kopf… die Haare fielen aus… Geschockt starrte ich auf das nackte, rosafarbige Jungtier. Ich konnte und wollte nicht fassen, was geschehen war. Das Mittel hatte das Tier ins Babystadium zurück versetzt. Das war doch völlig unmöglich! Mit zitternden Händen wollte ich das Jungtier aus dem Käfig heben, als es sich plötzlich regte. Keuchend riss ich die Hand weg. Die Maus lebt noch!? Heftig schüttelte ich den Kopf. Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen hatte, war wissenschaftlich gesehen nicht möglich! Und trotzdem war es geschehen. Die halbtote Maus zuckte noch einige Male, bis sie endgültig starb. Ratlos ließ ich mich auf dem Stuhl nieder. Eigentlich hätte ich diese Beobachtung sofort melden und mein Team herbestellen müssen. Doch stattdessen tat ich nichts dergleichen. Ich fragte mich nur, ob meine Eltern damals ähnliche Beobachtungen gemacht hatten. Doch bisher hatte ich derartiges nicht in den Akten gefunden. Ich griff nach dem alten Ordner und durchblätterte ihn von vorn bis hinten. Fündig wurde ich nicht. Nur hier und da fielen doch tatsächlich Berichte zu fehlen. Das bemerkte ich an der Angabe des Datum. Also wurden Berichte aus diesem Ordner entfernt oder waren erst gar nicht geschrieben worden. Aber wer war für die fehlenden Berichte verantwortlich? Meine Eltern? Ich konnte nur spekulieren. Aber ich musste unbedingt herausfinden, weshalb das Tier sich ins Babystadium zurück verwandeln konnte. Ich griff in den Käfig und nahm das Tier zwischen meine Hände. Da ich nicht wusste, wer für die fehlenden Berichte verantwortlich war, musste ich diese unerwartete Entwicklung vorerst für mich behalten. Wie einen verendeten Fisch entsorgte ich das Tier in der Toilette, ich korrigierte meinen Bericht und verließ das Labor mit klopfenden Herzen. Von jetzt an, musste ich noch vorsichtiger sein. Vielleicht gab es noch eine Person, die von den fehlenden Berichten und dieser seltsamen Nebenwirkung wusste. „Wo ist die elfte Maus?“ Ich zuckte zusammen und drehte mich ruckartig herum. Einer der Forscher stand stirnrunzelnd vor dem Käfig. Schon immer war dieser Mann einer der Aufmerksameren gewesen. Er war mir schon des öfteren als überkorrekt aufgefallen. Natürlich musste ihm die fehlende Maus auffallen. „Das Tier lag gestern Abend tot im Käfig, da habe ich es entsorgt.“, antwortete ich möglichst gelassen. „Entsorgt? Ohne es zu untersuchen?“ Verärgert schüttelte er den Kopf, fragte jedoch nicht weiter nach. Die Versuche an den restlichen Tieren verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Ich forderte weitere Versuchstiere an, welche ich jedoch nicht erhalten würde. „Das Gift wird jetzt seine Bestandsprobe machen.“, erklärte mir Gin einige Tage später. Erstaunt sah ich auf. „Was?“ „Wir werden es an Menschen testen.“, antwortete er gelassen. „Wie bitte?“ Ich glaubte fast, mich verhört zu haben. „Dafür ist es doch noch viel zu früh. Wir müssen noch weitere Experimente durchführen, bevor wir es an Menschen testen!“ Ich dachte nur noch an die geschrumpfte Maus. „Der Boss hat’s angeordnet.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein! Dann sag ihm, es geht noch nicht!“ Gin grinste und brachte mich damit fast auf die Palme. „Es gefällt mir, wenn du so energisch bist!“ Er zog mich an sich, wollte mich küssen. Doch ich wandte das Gesicht ab. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Er schleuderte mich gegen die Wand und ich knallte mit dem Kopf gegen den harten Stein. Gin riss mein Gesicht beiseite und ich konnte seinen Atem an meinem Ohr spüren. Benommen nahm ich seine Worte wahr. „Dein erstes Versuchskaninchen ist ein Mann namens Kiichiro Numabuchi. Er wird morgen hier aufkreuzen, im Glauben, dass er ein neues Medikament testet." Er ließ mich los. „Wehe, du vermasselst es!“ Das waren Gins letzte Worte, bevor er mich allein ließ und ich weinend zusammenbrach. Der Begriff Nekropsie wird für die Sektion/Obduktion von Tieren verwendet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)