Basiliskenherz von Rose ================================================================================ Kapitel 1: Basiliskenherz ------------------------- BASILISKENHERZ © Mikau Ein Mensch ohne Herz ist kein Mensch. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz aussprechen musste, damit ich verstand, dass all jene, die mich von seiner Bedeutung überzeugen wollten, einem Irrtum unterlagen. Einen Menschen ohne Herz, den gibt es nicht. Regen – als ich ihn das erste Mal traf, hatte es geregnet. Ein kalter, erbarmungsloser Schauer hatte sich aufgetan, so plötzlich, dass ich mich nicht vor ihm schützen konnte. Ich hatte es eilig, rannte und ließ die Pfützen unter meinen Füßen aufspritzen. Feine Perlen, die die ganze Welt ertränken wollten. Sie hätten es gekonnt. Es musste eine ganze Weile so gegangen sein, bis er vor mir stand, nahezu so unerwartet, wie der Regen gekommen war. Er hielt einen großen, leuchtenden Regenschirm in der Hand, den Kopf gesenkt, sodass ich seine Augen nicht deuten konnte. Er lächelte. Wie ich so stehen blieb, wurde mir bewusst, wie durchnässt ich sein musste. Meine Beine wurden immer schwerer von der triefenden Last und es fröstelte mich. Der Regen ist gewiss ein erbarmungsloser Gegner. Und er ebenso. Das war kein Lächeln. Es erschien mir eher wie eine höhnische, spottende Fratze. Ein leises Lachen rauschte in meinen Ohren, so leise, dass es nur mir gelten konnte. Gleichermaßen verhallte es leise in meinem Herzen, als er an mir vorbei schritt. Er war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war, der Regen aber in seiner ganzen Kälte und Grausamkeit blieb. An diesem Tag entschied ich, dass er ein Herz aus Stein besaß. Der Morgen kannte kein anderes Thema als das Auftauchen des geheimnisvollen Fremden mit dem Herzen aus Stein. Niemand kannte seinen Namen, niemand wusste, woher er kam oder was er hier wollte, doch waren sie alle fasziniert von ihm. Sein undeutbares Lächeln hatte sie in seinen Bann gezogen. Während sie seine Nähe suchten, versuchte er, sie zu meiden. Die Menschen in seiner Gegenwart schienen für ihn nicht mehr als Regentropfen zu sein, die sich über seinen Schirm ergossen und langsam auf dem Boden zerflossen. Keiner von ihnen bemerkte es, doch ich war mir sicher: Er besaß ein Herz aus Stein. Ein Herz aus Stein blieb auf ewig kalt, kalt wie der Regen. Ein Herz aus Stein konnte kein Herz sein. Und ein Mensch ohne Herz konnte kein Mensch sein. Er war kein Mensch. Gerüchte verbreiteten sich schnell über den Jungen ohne Herz und bald begann sich Faszination in Spott zu verwandeln, dann in Wut und schließlich in Hass. Aber je stärker sich die Gefühle der Anderen ins Negative wandelten, desto stärker wurde mein Interesse an ihm. Wie oft trifft man schon einen Menschen ohne Herz? Ich weiß nicht, ob es Schicksal oder Zufall war, aber ich begegnete ihm noch viele Male an dem Weg, an dem wir uns das erste Mal getroffen hatten. Der Regen war gegangen, zurück blieb nur der süße Duft von Melancholie. Vielleicht bildete ich es mir ein, doch etwas an seinem Lächeln hatte sich verändert. Nein, das konnte kein Lächeln sein. Ein Mensch ohne Herz kann nicht lächeln. Ich wagte es nicht, ihn anzureden. Seine eiskalte Aura ließ meinen Atem gefrieren und er prallte ab von dem steinernen Schild, den er um sich errichtet hatte. Es würde schwer, werden, ihn zu erreichen, doch ich musste es tun. Bis ich all meine Scheu überwinden konnte, vergingen Wochen, ewig lange Wochen ohne Regen. Jetzt kam er mit all seinen Fluten zurück. Wiederum blieb ich unvorbereitet. Die Kälte des Wassers ließ mich erschaudern. Derselbe Weg, dieselbe Spannung in der Luft. Ich blickte auf und da stand er mit seinem großen, grellen Regenschirm. Und er lächelte. Meine Beine wurden wieder schwerer, dieses Mal lag es jedoch nicht an der Last der Wassermassen. Ich dachte nicht darüber nach, ging direkt auf ihn zu und sagte entschlossen: „Ich kann dir ein Herz geben.“ Mir stockte der Atem, denn wider Erwarten prallte ich nicht gegen den unsichtbaren Steinwall. Ich war überrascht, dass sich sein Ausdruck, das Lächeln eines Teufels, nicht verändert hatte. Er blickte mich immer noch mit den gleichen klaren Augen an, die ich nie hatte deuten können. Nein, etwas hatte sich verändert. Er reichte mir den Schirm und antwortete. „Danke, aber ich habe ein Herz. Es mag vor langer Zeit versteinert worden sein, doch bedenke immer, dass es keinen Menschen ohne Herz geben kann.“ Mit diesen Worten verschwand er. Ich habe ihn danach nie wieder gesehen. Was mir von ihm blieb, war allein die Erinnerung an einen Moment, in dem der Regen seine Gewalt verloren hatte. Die Erinnerung, ein großer, leuchtender Schirm und ein Stein, den ich am Wegesrand fand, an dem er mich verlassen musste. Ich weiß, dass ihr mir nicht glauben werdet, doch er ließ sein Herz zurück; ein Herz aus Stein an meiner Seite. Ob ich ihm etwas schuldig bin? Nein, es gibt nichts, das ich ihm zurückzahlen müsste. Er hat mein Geschenk angenommen, mein Herz für sein Herz. Denn einen Menschen ohne Herz, den gibt es nicht. --- Danke für's lesen. ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)