Winter sleep von _Cloe_ ================================================================================ Winter sleep ------------ Sein Körper bebte kaum merklich, als die starken Arme ihn dazu zwangen, sich auf die recht harte Bank niederzulassen. Schon immer hatte er gewusst, dass es irgendwann enden würde. Seine Suche würde enden, sein Ziel erreicht sein. Hier ging also alles zu Ende. Er würde nun sterben... Der Gedanke daran ließ ihn schaudern, doch es bereitete ihm keine Angst. Er vernahm leise Worte seines Butlers, hob darauf den Kopf. Sein Blick fiel auf die fast schon verschwörerisch grinsenden Lippen, die jedoch die übliche Belustigung verloren hatten. Vielleicht, weil dies das letzte Mal sein würde, dass sie miteinander sprachen. Das letzte Mal als Meister und Butler. In wenigen Sekunden nur noch Räuber und Opfer. Ihre Rollen waren schon immer klar definiert gewesen. Nie hatte sich auch nur etwas dazwischen geschlichen, nicht eine Bewegung hatte diese „Beziehung“ zwischen ihnen durchbrochen. Ciel war für Sebastian nie etwas anderes gewesen als Herr und gleichzeitig sein „Opfer“. Ob er wohl wusste, dass es dem jungen Earl nicht so ging? Natürlich war Sebastian sein geschätzter und perfekter Butler. Der immer über ihn wachte, ihm half und jeden Befehl treu und unterwürfig ausführte. Der ihn vor jedweder Gefahr beschützen sollte. Dennoch... Etwas in ihm wehrte sich gegen dieses widerliche „Rollenspiel“. Etwas, das er anfangs nie ganz hatte einordnen können. Es nie definieren wollte und doch hatte es überhand genommen und von seinem Geist Besitz ergriffen. Ob Sebastian davon wusste? Konnte er eigentlich Ciels Gedanken lesen? Das hatte sich der Earl oft genug gefragt, es jedoch nie gewagt, diese Frage an seinen Diener zu richten. Erneut sprach dieser zu ihm, doch er nahm es einfach nicht wahr. Konnte nicht ein Wort verstehen. Dennoch spürte er, wie er instinktiv antwortete, als wären sein Körper und Geist selbst jetzt schon getrennt und er hätte keine Kontrolle mehr über sich selbst. Sein Blick wanderte erneut über diese Lippen. Zu gerne hätte er es getan, doch nie gewagt. Er wollte nicht, dass irgendetwas seine Arbeit störte und so etwas würde gewiss alles verändern. Zumal er nicht einmal wusste, ob es einem Menschen überhaupt vergönnt war, einen Dämon zu küssen. War nicht gerade dies sein Todesurteil? Der Kuss eines solchen Wesens, das die ganze Zeit über nach seiner Seele gierte. Fast versetzte es Ciel einen Stich, wenn er nur daran dachte. Doch wieso? Schmerzte es so sehr, zu wissen, dass er einfach nur eine weitere wertlose Seele war, die dieser Dämon verschlang, ehe er sich auf die Jagd nach der nächsten machte? Wenn er tief in seinen Geist eintauchte, wusste er, dass er diese Frage nur bejahen konnte. Schon so lange hatte er sich danach verzehrt, mehr für den Dämon zu sein als bloß „Nahrung“. Doch nie hatte er auch nur einen Finger gerührt, um sein Ziel zu erreichen, das ihm längst wichtiger gewesen war als seine törichte Rache. Was dachte Sebastian nun von ihm? War er bereits voller Vorfreude, dass er nun bekommen würde, wofür er so lange auf Erden gewesen war? Es machte Ciel mit jeder Sekunde noch verrückter, nicht zu wissen, was in diesem Wesen vor sich ging. Doch er würde dies wohl nie erfahren, hatte Sebastian doch nie etwas von sich offenbart oder wie er über ihn dachte. Immer wieder hatte er den eifrigen, treuen Butler gespielt und kaum einmal mehr von sich gezeigt, mehr von dem Dämon im Butlerkostüm. Schlanke Finger glitten über seine Wange, holten den Jungen wieder in die Realität, die ihn einmal mehr schmerzte. Die Berührung schien zärtlicher als alles, was er bis dahin gespürt hatte. Sebastian entfernte nur seine Augenbinde und doch lag etwas Zartes darin, das dem Jungen zum Blinzeln brachte, während er sich bemühte, nicht noch mehr Schwäche zu zeigen. Dennoch konnte er sich dem Brennen in seinen Augen nicht verwehren oder gar dem Gefühl, als würde man seine Kehle zuschnüren. In diesem Zustand würde er nicht ein Wort herausbekommen, egal was er vorhatte zu sagen. Doch würde es denn irgendetwas bringen, wenn er etwas sagte? Es war doch sowieso gleich vorbei. Er spürte den Schmerz in seinem rechten Auge, wo Sebastians Zeichen saß. Es würde schmerzen, das wusste der Earl. Doch war dieser Schmerz überhaupt vergleichbar mit dem Stechen in seiner Brust oder der Art, wie sich sein Herz zusammenzog bei dem Gedanken an jenen Butler, der bis zum Ende bei ihm gewesen war? Sein Blick wandte sich von diesen Lippen und dem Lächeln ab, das ihn einmal mehr irritierte, weil er nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Er wollte ihn nicht ansehen, wollte nicht einmal mehr seinen Gefühlen erliegen. Sie machten ihn lächerlich schwach, verdeutlichten ihm, dass er nicht so kalt war, wie er immer vorgab. Dass sich erneut Gefühle in seinem tot geglaubten Herzen gesammelt hatten. Leider nur für die falsche Person. Manchmal verliebte sich ein Entführungsopfer in seinen Entführer. War dies auch bei ihm der Fall? Sebastian bedeutete sein Tod und doch hatte er Gefühle für ihn entwickelt. Und nun würde er sterben, ohne jemals auch nur ein Wort darüber verloren zu haben, geschweige denn zu wissen, was dieser Mann über ihn dachte. Ob er nur ein weiteres Opfer auf seiner langen Liste war oder doch mehr... Der Earl versuchte die Stimme zu erheben und sein eigenes Räuspern machte ihm dabei peinlich bewusst, dass seine Stimme längst versagt hatte. So auch seine Seele in wenigen Augenblicken... „Worauf wartest du?“, wollte er wissen, konnte dabei einen Unterton nicht verbergen, der ihm gänzlich unheimlich war. Er hasste sich für solche Schwäche. „Nun gib ihn mir schon, deinen Kuss des Todes...“ Niemals hätte er gedacht, dass einmal solche Worte über seine Lippen kommen würden, doch nun hatte er bewiesen, dass es doch möglich war. Er spürte Sebastians Blicke auf sich, erwiderte sie jedoch nicht, sondern sah überall hin, nur nicht zu dem Mann, der ihn einmal mehr durcheinander brachte, seinen Geist gänzlich verwirrte. Erneut fuhren die schlanken, geschickten Finger über seine Wange, als sich der Dämon zu ihm hinabbeugte, seine Wange mit einem kurzen, brennenden Kuss benetzte. Ehe er sich weiter vorbeugte und ihre Lippen miteinander verschloss. Es fühlte sich wahrlich seltsam an, einerseits wahnsinnig gut und süchtig machend wie eine Droge, doch auf der anderen Seite hatte er das beklemmende Gefühl, aus seinem Körper gerissen zu werden. Als würde seine Seele geradewegs von diesen verführerisch sündigen Lippen aufgesaugt werden und darin verschwinden. Vielleicht war es gar nicht einmal so schlecht. Von dem Mann, dem seine unschuldige Liebe galt, getötet zu werden. Niemand sonst hatte dieses Recht, niemand sonst sollte seine Seele und sein Herz bekommen. Nur ihm würde er dies schenken, selbst wenn er nicht einmal die Gewissheit hatte, ob er dem Dämon überhaupt etwas bedeutete. Eine Träne rann beinahe wie von selbst über seine Wange, als er spürte, wie ihn die Dunkelheit zu übermannen drohte. Überall bildeten sich bunte Punkte vor seinem inneren Auge, die sich langsam schwarz zu färbten drohten und es war ihm, als würde eine gewaltige Flutwelle ihn hernieder drücken. Nicht einmal nach Luft konnte er mehr schnappen, denn auch diese wurde ihm verwehrt. Wie in einer Art Trance spürte er, dass sein Körper immer mehr zusammensackte, während sein Arm, der eben noch wie in einem unsagbaren Verlangen nach dem Anderen gegriffen hatte, ebenfalls herab sank. So fühlte sich also der Tod an. Langsam und schleichend und gleichzeitig glaubte Ciel, es könnte nicht schmerzhafter sein. In diesem Dämmerzustand hörte er sich selbst leise Worte wispern, in den Kuss hinein, die von diesem beinahe aufgesogen wurden. Er glaubte, dass sich die Lippen des Dämons zu einem Lächeln formten, doch er konnte nicht sagen, ob es nicht doch Einbildung war. Nun starb er also, ohne zu wissen, ob seine Liebe je erwidert worden wäre. Nur sein Stolz hatte ihn daran gehindert, sich diese Schwäche einzugestehen und auf ein wenig Glück zu hoffen. Doch einem Ciel Phantomhive ging sein Stolz nun mal über alles. Nun, fast alles. „Mein geliebter Butler...“ Er vernahm ein Schmunzeln, doch vielleicht träumte er auch schon. Konnten Tote überhaupt träumen? „Törichter Narr.“, wisperte die honigsüße Stimme seines Liebsten, in dessen Armen er nun lag. Fast so, als wolle er ihn sanft in den Schlaf wiegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)