Darkness of the Phoenix von _Nira_ (Die Gefahr wohnt in deiner Seele) ================================================================================ Kapitel 15: Im Zwiespalt ------------------------ Drei Tage später durfte Jess das Krankenhaus verlassen. Die anderen freuten sich, dass ihre Teamchefin wieder auf den Beinen war und Miena erzählte Jess von Hillarys Anruf, als sie in der WG ankamen. „Ich wusste, dass das gut ankommt!“ freute sich Jess. „Wir finden die Idee auch nicht schlecht. Hoffentlich können wir das durchziehen – das wird bestimmt toll“ meinte Irina. Plötzlich klingelte es an der Tür. „Ich geh schon hin!“ sagte Miena und stand auf. Eine Weile hörte man sie und noch jemanden reden, dann wandte sich die Blonde um und rief nach Jess. Verwundert stand sie auf und ging in den Hausflur. „Alex…“ sagte sie monoton. „Komm, wir gehen ein Stück“ erwiderte er nur. Jess zögerte einen Moment, willigte dann aber doch mit einem Nicken ein, schnappte sich ihre Winterjacke und zog sich die Schuhe an. Eine ganze Weile liefen die beiden schweigend in der Stadt nebenher, bis Jess plötzlich stoppte. Alex drehte sich um und sah sie an. „Der Arzt hat gesagt, dass er dieses seltsame Gegenmittel von einem ’jungen Herren’ in die Hand gedrückt bekommen hat. Ich gehe mal davon aus, dass du das warst“ sagte sie kühl. „Jess, ich wollte nicht, dass du auf den Gedanken kommst, dass ich dich auf diese Weise zurückhaben will – das verlange ich überhaupt nicht! Ich habe sogar deinen Teamkolleginnen gesagt, dass ich nichts hätte, was dir helfen könnte“ erklärte Alex. Jess schwieg. Die eiskalte Mauer, die sie Alex gegenüber während der WM gezeigt hatte, fing nun an zu bröckeln. Die unterdrückten Gefühle kamen hoch. „Du hast mir während der Weltmeisterschaft das Herz gebrochen und ich dachte, ich könnte es einfach so wegstecken… ich hab mich wohl geirrt“ meinte sie nun und schluckte hart. Alex seufzte. „Hör zu… ich liebe dich und ich erwarte überhaupt nicht, dass du mich zurück willst – das Einzige, was ich mir wirklich wünschen würde, ist, dass du mir verzeihst“ Jess sah ihn an. Ihre blauen Augen musterten ihn kurz und sie wog Pro und Contra ab. Sollte sie wirklich zwei Jahre – zwei wunderbare Jahre – ihres Lebens einfach so wegwerfen? Immerhin war Alex der Erste in ihrem Leben, der über ihren Ruhm hinwegsah und sie so nahm, wie sie war. Er sah nicht die Teamchefin des ehemaligen Weltmeisterteams oder die Spitzenbladerin aus Russland, sondern einfach so, wie sie wirklich war. Jess schnaufte. „Alex… ich weiß im Moment überhaupt nicht, was ich denken soll. Ich bin vor drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden und hab mir über uns den beide den Kopf zerbrochen. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie es weitergehen soll. Du kennst mich gut genug, um zu wissen, dass ich konsequent bin und für mich der Schlussstrich eigentlich feststeht. Aber… ich weiß nicht, ob ich es so dieses Mal durchziehen kann“ erklärte sie wehmütig. „Ich lasse dich am Besten einfach mal die nächsten Tage oder Wochen in Ruhe, damit du über alles nachdenken kannst. Und egal, wie du dich entscheidest, ich bin immer für dich da“ sagte Alex lächelnd und nahm sie in den Arm. Jess seufzte schwer und ließ die Umarmung zu. Es tat ihr irgendwo weh, als er sich umdrehte, verabschiedete und ging. „Was bin ich nur ein Weichei geworden…“ schnaufte sie und stapfte durch den Schnee, der auf den Gehwegen teilweise noch lag, nach Hause. Sie wurde in der Haustür schon von ihren Teammitgliedern gelöchert, aber ihr schwirrte zu viel im Kopf herum und sie hatte keine Lust auf lange Erklärung. Mit einem „Später“ verschwand sie in ihrem Zimmer, schloss die Tür ab und schmiss sich auf ihr Bett. Jess blieb einen Moment darauf liegen, setzte sich dann wieder auf und seufzte schwer. Ungewollt bahnten sich einige Tränen den Weg über ihre Wangen. >Chiara hat Recht gehabt, als sie sagte, dass ich das mit Alex nicht so verdrängen sollte. Es hat mich wieder eingeholt und jetzt weiß ich nicht mehr was ich glauben oder machen soll< dachte sie und lehnte sich gegen die Wand. Das Turnier, was eigentlich geplant war – daran dachte sie im Moment nicht einmal. Ihr drohte die Decke auf den Kopf zu fallen und ihr Leben schien plötzlich so durcheinander. In diesem Moment fiel etwas mit einem vernehmlichen Knall von ihrem Schreibtisch. Jess raffte sich auf und kniete sich auf den Boden. Die Kette mit dem Anhänger, der Ice Dranzer zeigte war heruntergefallen. Sie besah den Phönix einen Moment und einige vage und verschwommene Erinnerungen schossen durch ihren Kopf. Und dann fiel ihr wieder ein, wo sie diese Kette schon einmal gesehen hatte. Jess stand auf und lief zu ihrem Schrank. Zwischen diversen Lexika, Romanen und anderen Werken, suchte sie nach etwas ganz bestimmten. Im untersten Fach lag ein in dunkelblau gehaltenes langes Fotoalbum. Sie pustete kurz den Staub davon herunter und schlug es auf. Hier hatte sie noch ein paar ganz alte Bilder, die vor ihrer Geburt und in ihrem ersten Lebensjahr gemacht wurden. Jess schlug es auf und überflog die alten, teilweise fleckigen Fotos und blieb ein paar Seiten später an einem ganz bestimmten Bild hängen. Es zeigte ihre Mutter und ihrem Vater, die beide lächelnd und Arm in Arm dastanden. Die Teamchefin schnaufte schwer. An ihre Mutter konnte sie sich teilweise noch ein bisschen erinnern. Jess wurde damals nur gesagt, dass ihr Vater sie und ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt verlassen hatte. Jess wollte sich eines Tages auf die Suche nach ihm machen und ihn zur Rede stellen. Vielleicht hätte sie das auch schon früher getan, aber sie hatte ja nicht einmal einen Namen! Sie musterte das Foto eine Weile und besah die Kette, die ihre Mutter um den Hals trug und legte ihre eigene daneben. Tatsächlich glichen sich die beiden Schmuckstücke wie ein Haar dem anderen. „Dann steht es fest… Nach dem Turnier mache ich mich auf die Suche“ murmelte Jess entschlossen. Wenigstens konnte sie sich so etwas von dem Desaster mit Alex ablenken. Doch, die Tatsache, dass die Kette von ihm war, wühlte alles wieder auf. >Ich mache mir später darüber Gedanken< dachte sich Jess. Ein paar Tage vergingen, in denen Miena, Irina und Stefania sich Sorgen um Jess machten, denn ihre Teamchefin hatte sich in ihrem Zimmer eingesperrt und schon seit einiger Zeit keinen Bissen mehr herunterbekommen. „Wo soll das hinführen? Am Ende verhungert sie uns noch!“ meinte Irina besorgt. „Dann trete ich die Tür ein!“ beschloss Miena sofort. „Was sollen wir denn machen? So kenne ich sie eigentlich gar nicht… Normalerweise redet sie über ihre Probleme. Es ist das erste Mal, dass sie sich so abkapselt und mit keinem spricht“ sagte Irina und seufzte schwer. „Das mit Alex scheint sie wohl sehr mitzunehmen“ überlegte Miena nun. Plötzlich kam jemand die Treppe herunter und alle drei drehten sich um. Jess betrat gähnend die Küche. Es war noch früher Vormittag und allem Anschein hatte sie bis eben geschlafen. „Jess? Alles okay?“ fragte Stefania. „Ja, geht schon“ erwiderte die Teamchefin. „Du erklärst mir jetzt SOFORT was der ganze Zirkus überhaupt soll! Tagelang hast du dich in deinem Zimmer eingesperrt, wir werden hier fast krank vor Sorge und du hältst es nicht einmal für Nötig uns zu sagen, was eigentlich los ist!“ sagte Miena wütend. „Ich weiß… ich hätte es nicht machen sollen, aber es ging nicht anders“ antwortete Jess und setzte sich. „Ich habe Zeit zum Nachdenken gebraucht und um einen klaren Kopf zu kriegen. Und jetzt, wo ich alles mit mir selbst ausgefochten und meine Entscheidungen getroffen habe, kommt auch endlich der Appetit wieder zurück.“ „Und? Wie sieht deine Entscheidung aus?“ fragte Irina interessiert nach. „Egal, wie ich es drehe und wende, ich liebe Alex immer noch – selbst nachdem, was er mir während der Weltmeisterschaft angetan hat. Ich will die zwei Jahre nicht einfach wegwerfen, dafür sind sie mir zu wichtig“ erwiderte Jess. „Heißt also folglich, dass du zu ihm zurückgehst, oder?“ hakte Miena nach. Jess nickte leicht. „Eigentlich verstößt es gegen einen meiner Grundsätze, aber ich kann nicht anders.“ „Mensch, warum hast du denn nichts gesagt… Wir hätten dir auch beistehen können“ sagte Miena nun mit einer Mischung aus Vorwurf und Besorgnis. „Ich wollte das wirklich mit mir selbst klären. Anders hätte ich das nicht regeln können. Tut mir Leid – ich wollte euch nicht so in Sorge versetzen“ meinte Jess entschuldigend. „Hey, vergeben und vergessen. Jetzt geht’s dir ja wieder gut und das ist die Hauptsache“ lächelte Stefania zurück. Eine Weile herrschte Schweigen. „Übrigens, Hillary hat angerufen. Die Bladebreakers sind der Ansicht, dass wir vielleicht doch die BBA dazu ziehen sollten, denn so eine Turnierorganisation sei nicht ganz ohne. Und wirklich Erfahrung hat keiner damit von uns“ sagte Miena nun. „Wir können ja einfach mal nachfragen. Falls die das ablehnen, müssen wir das Turnier so klein wie möglich halten. Es geht ja auch um Versicherung und so weiter, falls was passieren sollte“ meinte Irina. „Hier in Moskau gibt es doch eine BBA-Zentrale. Da könnten wir uns ja informieren. Schlecht wäre es auf jeden Fall nicht und wir würden uns eine massige Arbeit sparen“ grübelte Stefania. „Okay, dann gehen wir dahin und fragen mal“ beschloss Jess und stand auf. „Ja, aber ich würde mich an deiner Stelle mal umziehen. Im Schlafanzug da aufzukreuzen macht sicherlich keinen guten Eindruck“ sagte Irina lachend. Jess grinste. „Da hast du Recht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)