Darkness of the Phoenix von _Nira_ (Die Gefahr wohnt in deiner Seele) ================================================================================ Kapitel 22: Wiedersehen macht Freude - und kaputte Schränke ----------------------------------------------------------- Zwei Tage später rang Jess sich dazu durch Miena endlich zu besuchen. Sie war sehr nervös und auch ihrer Tochter Kayla entging das nicht. „Mama, was ist denn los?“ fragte sie neugierig. „Ich bin ein bisschen aufgeregt. Wir besuchen jetzt jemanden, den ich seit Jahren nicht gesehen habe“ erwiderte Jess nur, als sie vor der Haustür standen. Vorsichtig klingelte sie. Es dauerte nicht lange, bis jemand die Tür öffnete. Die beiden Frauen, sahen sich eine ganze Weile vollkommen perplex an. „Jess? Bist du das?“ fragte die Blonde vorsichtig. „Miena!“ rief Jess nur glücklich. Ein gewaltiger Freudenschrei der beiden war die Folge und sie umarmten sich überglücklich. „Man, wo hast du denn gesteckt?! Ich hab ewig nichts mehr von dir gehört!“ sagte Miena sofort. „Ich von dir auch nicht. Man, ich bin so froh dich zu sehen!“ erwiderte Jess glücklich. >Mama ist ja schlimmer, wie ich an Weihnachten< dachte Kayla sich, die daneben stand und nichts mehr verstand. „Komm doch rein“ bot Miena an und die beiden betraten das Haus. „Sag mal, wo ist denn Alex? Seit ihr nicht mehr zusammen?“ Miena war eben erst aufgefallen, dass er fehlte. Jess seufzte schwer. „Später“ erwiderte sie einfach nur. Miena nickte nur und ließ es erst mal auf sich beruhen. Dann schweifte ihr Blick zu Kayla. Miena grinste. „Jess, ist das deine Tochter?“ fragte die Blonde neugierig. „Ja, warum?“ wollte Jess wissen. Miena ging zur Treppe und blieb davor stehen. „Ashley, kommst du bitte?“ rief sie nach oben. „Ja, Moment!“ kam eine Stimme aus dem oberen Geschoss. Kurz darauf hörte man jemanden die Treppe herunterkommen und ein Mädchen, etwa in Kaylas Alter stand schließlich am Fuß der Stufen. „Oh, wir haben ja Besuch“ sagte die kleine Blondhaarige. Sie hatte auch lange Haare, wie ihre Mutter und ihre Augen waren fast schwarz, dennoch mit einem gewissen Braunton. Jess schaute etwas ungläubig drein. „Das ist deine Tochter?“ fragte sie. „Ja, das ist Ashley“ nickte Miena grinsend. „Hallo“ sagte Ashley freundlich. „Hey, das ist ja klasse! Und ich dachte schon, dieser Besuch wird für mich voll langweilig“ freute sich Kayla plötzlich. Miena musste lachen. „Man, die Kleine nimmt echt keinen Blatt vor den Mund“ „Nein, nicht wirklich“ sagte Jess etwas zerknirscht. Ashley war gleich Feuer und Flamme. „Hey, kommst du mit nach oben?“ fragte sie sofort. „Klar!“ grinste Kayla zurück. „Mama?“ Bittend sah die Jüngere Jess an. Diese lächelte. „Los, geh schon!“ „Ja!“ Und ehe sich die beiden besten Freundinnen versahen, waren ihre Töchter im oberen Stockwerk verschwunden. Ein kurzes Schweigen herrschte. „Man, ich bin echt froh, dich wieder zu sehen“ sagte Miena dann. „Und ich erst“ „Komm, wir setzen uns ins Wohnzimmer“ schlug die Blonde vor. Die beiden setzten sich auf die Couch. „Wie kommt’s dass du hier in Japan bist?“ fragte Miena interessiert. „Seltsame Aneinanderreihung von Zufällen… Alex hat mich letzte Woche verlassen und als ich durch die Stadt gelaufen bin, war Kai plötzlich da. Er sagte mir, dass du hier lebst und auch dass du wieder einen Partner hättest“ erzählte Jess. Miena nickte kurz. „Ist auch schon wieder eine Zeitlang vorbei“ sagte sie schließlich. „Hm“ machte Jess nur und seufzte. „Wieder was gemeinsam“ „Wie immer“ lachte Miena zurück. „Sag mal, was hast du die letzten Jahre gemacht?“ fragte Jess interessiert. „Viel. Beruflich ist momentan aber flaute“ erzählte Miena. „Was machst du denn?“ hakte Jess interessiert nach. „Ich bin Ärztin. Das Krankenhaus konnte uns nicht mehr beschäftigen. Aber, ich habe schon eine neue Stelle in Aussicht“ erwiderte Miena. „Und was ist mit dir?“ „Abteilungsleiterin für Turnierorganisation bei der BBA“ sagte Jess. „Ach was“ war Mienas Reaktion. „Ja, aber ich kann den Posten nicht halten, weil Kayla nicht den ganzen Tag alleine bleiben kann“ sagte Jess nun. „Ja, das ist mir klar“ nickte Miena verstehend. Während sich die beiden Frauen über die letzten Jahre unterhielten, war Kayla zusammen mit Ashley in deren Zimmer. Kayla war erstaunt, dass überall wo sie hinsah nur irgendwas zum Thema Beyblade entdeckte. „Man, du bist ja richtig vernarrt darauf“ war ihre erste Reaktion. „Ja, sehr sogar. Ich bin fast die Beste an meiner Schule und ich hab vor demnächst auf ein Turnier zu gehen!“ sagte Ashley grinsend. „Bei mir ist das ganz anders. Wenn du als Mädchen bei mir an der Schule mit einem Beyblade ankommst, wirst du ausgelacht. Ich halte das sowieso für den typischen Männerkram. Außerdem… kann ich das gar nicht“ erwiderte Kayla. „Ach, das ist doch gar nicht schwer. Außerdem, glaub ich, dass dir das sogar im Blut liegt“ meinte Ashley nun und verursachte damit einen ziemlich verwunderten Blick bei Kayla. „Wie kommst du denn darauf? Wir kennen uns erst seit einer Viertelstunde!“ sagte Kayla ratlos. „Ich zeig dir mal was“ Damit stand Ashley auf und ging zu ihrem Schreibtisch, kramte einen Moment in einer Schublade herum und hielt Kayla dann ein Foto unter die Nase. Sie betrachtete das Bild genauer, konnte aber immer noch nicht wirklich damit etwas anfangen. Auf dem Foto waren sechs Teenager abgebildet. Die sechs Mädchen erkannte Kayla nicht wirklich – zumindest nicht alle. „Das da ist meine Mutter“ sagte Ashley und zeigte auf die Blondhaarige, die im Vordergrund stand. „Und daneben steht deine Mama“ erzählte sie weiter. „Was?“ fragte Kayla verwirrt. „Ja, da bin ich mir ganz sicher. Meine Mama war mal Weltmeisterin im Beybladen gewesen, aber das ist schon ein paar Jahre her!“ erklärte Ashley. Kayla drehte das Foto um und sah sich das Datum an. Schnell rechnete sie im Kopf zurück und kam zu dem Schluss, dass ihre Mutter zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt gewesen war. „Jess war damals Teamchefin, so wie ich das mitbekommen hab“ sagte Ashley weiter. „Mama hat mir nie was davon erzählt“ murmelte Kayla. „Vielleicht wollte sie, dass du von selbst darauf kommst. Aufs beybladen, meine ich“ spekulierte Ashley. „Ja, kann sein“ erwiderte Kayla und setzte sich aufs Bett. In dem großen Zimmer war in der hinteren Ecke eine Beyarena in den Boden eingelassen. Daneben stand der Schrank. Ashley überlegte kurz. „Willst du es vielleicht mal probieren?“ fragte sie dann. „Ich kann das doch gar nicht“ gab Kayla zurück. „Versuch’s! Und glaub mir, wenn du den Bogen einmal heraus hast, macht das einen Heidenspaß!“ machte Ashley ihr Mut. Sie holte ihren Beyblade und den Starter vom Schreibtisch und zeigte Kayla stolz den eisblauen Blade. Auf dem Bitchip prangte ein schwarzer Wolf mit weißen Flügeln und silbrigen zarten geschwungenen Linen auf dem Körper. „Das ist Black Wolborg Storm“ stellte Ashley vor. „Der ist aber schön“ sagte Kayla und nahm den Blade vorsichtig in die Hand. Ashley bereitete den Starter vor, nahm Kayla dann den Blade wieder ab und legte ihn in den Starter. Dann gab sie Kayla alles in die Hand und fing an zu erklären. „Wenn du den Beyblade in die Arena geschossen hast, lässt du es am besten ganz locker angehen. Versuch ihn Runden drehen zu lassen und die Geschwindigkeit zu regulieren. Ach ja, und zieh nicht allzu fest an der Reißleine. Der Blade hat nämlich ganz schön Power“ Kayla nickte verstehend und stellte sich an die Arena. Sie hielt den Starter hoch und zog einmal kräftig an der Reißleine. Der Blade landete in der Arena, aber Kayla hatte ihre Gedanken überhaupt nicht sortiert und der kleine Kreisel schoss erst in Zickzack Linien durch Arena und flog schließlich aus dieser heraus. Mit einem lauten Krachen landete der eisblaue Beyblade im Schrank. Das Chaos war beachtlich. Diverse T-Shirts und Jeans fielen aus dem klaffenden Loch. „Ich sagte, IN der Arena und nicht außerhalb, damit du meine Einrichtung demolieren kannst“ kam es zerknirscht von Ashley. „Er WAR doch in der Arena“ sagte Kayla kleinlaut. Der laute Krach hatte auch Jess und Miena aufgeschreckt. „Ich ahne schlimmes“ sagte Miena nun. „Ich auch“ kam es von Jess und die beiden liefen hoch. Als Miena hochkam und das Chaos sah, schaute sie ihre Tochter mit hochgezogener Augenbraue. „Was haben wir vereinbart?“ fragte Miena lauernd. „Ja, ich weiß. Keine Kämpfe oder irgendwelches Training außerhalb der Arena – ausgenommen draußen“ gab Ashley kleinlaut von sich. „Das war nicht ihre Schuld“ mischte Kayla sich ein. „Ich hab den Beyblade abgeschossen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das ging hier gleich alles zu Kleinholz verarbeitet“ Jess und Miena warfen sich verwunderte Blicke zu. „Oh man, was für ein Chaos… Mama, können wir morgen irgendwo einen neuen Schrank kaufen? Der hier ist wohl hinüber“ meinte Ashley und legte leicht den Kopf schief. „Ja, tut mir wirklich leid“ sagte Kayla entschuldigend. „Ach was. Sie hätte sowieso einen neuen gebraucht“ meinte Miena gelassen. „Na dann mach ich mir keine Sorgen“ sagte nun auch Jess. Kayla sah etwas abwesend auf die Arena. >Das war ein irres Gefühl. Schade nur, dass ich es nicht halten konnte. Es war wirklich wahnsinnig toll…< dachte sie sich. „Willst du noch zum Abendessen bleiben?“ fragte Miena dann. „Nein, ich denke nicht. Kai und ich wollen noch was vorbereiten wegen Morgen“ erwiderte Jess. „Ach ja. Morgen ist das große Treffen! Ich freu mich schon total darauf“ sagte Miena. „Nicht nur du. Und stell dir vor: Irina und Stefania kommen auch!“ grinste Jess. „Das ist nicht dein Ernst!“ meinte Miena freudig. „Doch, mein voller Ernst. Die nehmen sich beide frei und kommen morgen hier her!“ erwiderte Jess. „Super!“ freute sich Miena. „Mama, können wir noch bleiben? Wenigstens für eine kleine Weile noch“ bat Kayla. Jess sah kurz auf ihre Armbanduhr. „Gut, eine Stunde aber noch. Dann müssen wir los“ entschied sie. Kayla lächelte glücklich. „Danke!“ Jess und Miena verließen das Zimmer von Ashley. Sie gingen hinunter und machten es sich im Wohnzimmer bequem. Jess seufzte schwer. „Ich hätte gerne gewusst, was aus Tala geworden wäre, wenn er damals nicht bei diesem Unfall gestorben wäre“ sagte sie plötzlich. „Ja, darüber hab ich auch schon oft nachgedacht. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen…“ gab Miena ehrlich zu. Ihr wurde selbst nach all den Jahren immer noch schwer ums Herz. „Wie kommst du eigentlich damit klar, dass Alex dich verlassen hat?“ fragte sie, um das Thema zu wechseln. „Gar nicht. Ich verdränge das Thema einfach, weil ich anderes im Kopf habe, als mich damit auseinander zu setzen“ erwiderte Jess. „Ich bin damals fast daran kaputt gegangen. Ich hab mir solche Vorwürfe gemacht, als René mich damals betrogen und ich ihn hochkant aus der Wohnung geschmissen habe. Ich dachte erst, ich hätte Schuld gehabt, aber dann ist mir klar geworden, dass es nur an ihm lag“ erzählte Miena. „Wo hast du denn den Typen aufgegabelt?“ fragte Jess interessiert. „Ich war mit einer Arbeitskollegin in Deutschland und da hab ich ihn kennengelernt. Er ist halb deutsch und halb spanisch“ erzählte Miena weiter. „Das heißt… Ashley ist halb spanisch, halb russisch UND halb deutsch?“ fragte Jess erstaunt. „Ja, schon seltsam, aber es hat sich so ergeben“ erwiderte Miena schulterzuckend. „Alex hat nie was gesagt, sonst hätte ich mich wenigstens darauf einstellen können, dass er mich verlässt. Es kam viel zu plötzlich“ sagte Jess schwermütig. „Wenn ich Kai nicht getroffen hätte, würde ich mir wahrscheinlich jetzt noch den Kopf darüber zerbrechen. So lang ich hier bin, hab ich wenigstens etwas Ablenkung und es gibt mir keine Gelegenheit die ganze Sache in mich hineinzufressen“ Miena nickte verstehend. „Du hast Kayla wohl nichts über deine ehemalige Beybladekarriere erzählt, oder?“ fragte sie schließlich. „Nein, nicht wirklich. Sie sollte von selbst aufs beybladen kommen. Ich hätte ihr das dann schon gesagt. Nur, ich wollte nicht, dass sie sich das dann als Last aufbürgt, es unbedingt lernen zu müssen, nur weil ich mal so gut war“ erwiderte Jess. „Ashley war sofort Feuer und Flamme, als sie das erste Mal davon gehört hat und ehe ich mich versah, kam sie mit Beyblade und Ausrüstung nach Hause. Ich hab ihr Black Wolborg Storm gegeben, nachdem ich gesehen habe, wie gut sie das kann und dann natürlich auch erzählt, dass ich damals Weltmeisterin war“ erzählte Miena. „Und seit dem ist sie nicht mehr davon abzubringen!“ Jess lachte. „Das hab ich mir fast gedacht. Ich werde Kayla schon sagen, was damals war. Aber, sie soll erst mal das Gefühl dafür bekommen. Ice Dranzer wird sich nicht so leicht von einem unerfahrenen Beyblader kontrollieren lassen“ „Ja, aber du hast Ice Dranzer doch damals gebeten, als Bitbeast deines Kindes zurückzukehren, oder? Also, denke ich, dass er schon Rücksicht auf Kaylas Spielkünste nehmen wird. Du warst ja auch irgendwann mal Anfänger, in dem Alter“ meinte Miena. „Ja, stimmt“ Jess erinnerte sich kurz zurück. Dunkel erinnerte sie sich noch an ihre ersten Versuche, den Beyblade in der Arena zu schießen. „Aber, wenn ich mal daran denke, dass wir damals in dem Alter schon auf den ersten Turnieren waren, muss ich unwillkürlich Schmunzeln“ „Wir waren ja damals richtig gut. Mit 15 und 16 die erste WM gewonnen“ sagte Miena. „Das waren noch Zeiten“ grinste Jess. Noch eine Weile redeten die beiden über die alten Zeiten, dann war es Zeit für Jess zu gehen. Sie klopfte oben an die Zimmertür und öffnete diese. „Kayla? Komm, wir wollen gehen“ sagte Jess. „Aber, Mama!“ protestierte sie sofort. „Kein aber. Morgen könnt ihr euch ja wiedersehen“ erwiderte Jess. „Ja, ist gut“ schmollte Kayla. „Hey, wir sehen uns morgen bestimmt. Zieh nicht so ein Gesicht“ sagte Ashley aufmunternd. Kayla grinste. „Ja, ist gut. Bis morgen!“ verabschiedete sie sich. Jess hatte sich das Auto von Kai geliehen, mit dem die beiden nun zurückfuhren. Auf der Fahrt war es still, bis Kayla das Schweigen durchbrach. „Warum hast du mir nie gesagt, dass du mal in einem Weltmeisterteam warst?“ fragte sie interessiert. „Ich hätte es dir gesagt, wenn du mit dem Beybladen angefangen hättest. Ich hab mir gedacht, dass du dich sonst so gezwungen fühlst, wenn du weißt, dass ich mal Teamchefin eines Weltmeisterteams war“ erwiderte Jess ruhig. „Wenn wir zuhause sind, zeig ich dir was. Vielleicht kannst du es ja dann besser verstehen“ Kayla sah ihre Mutter verwundert an. „Ja, ist gut“ sagte sie einfach nur. Zehn Minuten später waren sie bei Kais Haus – Jess bezeichnete es eher als Villa, sie selbst wohnte nur in einem „Haus“ – angekommen und sie parkte das Auto in der Auffahrt. Die beiden gingen hinein und Jess verschwand gleich in der Küche, in der sich auch Kai befand, der gerade interessiert die Tageszeitung durchblätterte. „Hi. Und wie ist es gelaufen?“ fragte er. „Super. Ich hab mich wirklich gefreut, sie wieder zu sehen und sie sich auch“ erwiderte Jess und lächelte. „Hat noch jemand angerufen?“ „Nein, alles beim Alten“ erwiderte Kai nur. „Hör zu, ich geh nach oben und häng mich noch ein bisschen vor meinen Laptop. Kannst du dich vielleicht so lang um Kayla kümmern?“ fragte sie. „Ja, kann ich machen“ erwiderte Kai. „Gut, dann bis später“ sagte Jess nur und ging. Kayla kam in die Küche. „Onkel Kai, spielst du mit mir Schach?“ fragte sie. „Du kannst Schach?“ stellte er verwundert die Gegenfrage. „Sehr gut sogar“ grinste sie zurück. „Wenn du gegen mich gewinnst, reden wir noch mal darüber“ meinte Kai nun, stand auf und holte aus dem Schrank im Wohnzimmer ein schon etwas älteres Schachspiel. Jess saß in der Zeit am Schreibtisch und schrieb diverse E-Mails an ihre Firma und den Geschäftsführer, damit dieser über ihren bevorstehenden Rücktritt als Abteilungsleiterin Bescheid wusste. Nachdem das erledigt war und sie ihren Laptop zugeklappt hatte, kam sie zum Nachdenken. Jetzt drangen sich wieder alle Erinnerungen an Alex und dessen überstürztes Gehen auf. Es war ganz still um Raum und das war die Art von Stille, die Jess brauchte um ihre Gedanken ordnen zu können. Aber, in diesem Moment wollte sie das nicht. Es tat ihr weh, an Alex zu denken. Sie wollte ihn einfach vergessen, aber so leicht war das leider nicht. Immer wieder gingen ihr die schönen Zeiten durch den Kopf, wie sie alle drei gelacht hatten. Ja, dieses schöne Familienleben, was sie sich immer gewünscht hatte, weil sie es selbst nie hatte – und nun hatte Alex das, was für Kayla bestimmt war, so eiskalt zerstört. Kayla hätte in einer intakten Familie mit Mutter und Vater, viel Verständnis und Liebe aufwachsen sollen. Doch, es sollte wohl nie so sein. Jess atmete tief durch, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Es war so unfair. Alex war so unfair. Immer noch diese quälende Frage nach dem Warum, die sich einfach nicht beantworten ließ. „Mensch Alex… Du zerstörst mir mein Leben“ hauchte sie verzweifelt und jetzt liefen die ersten Tränen ihren Wangen hinunter. Sie benetzten die Rückseite des Bildschirms. >Nein, ich darf mich davon nicht so herunterziehen lassen! Jetzt bin ich erst mal hier und ich sollte mich erst mal auf andere Dinge konzentrieren< dachte sie energisch. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie wischte sich die Tränen weg. Sie sah zur Tür und beschloss nachzusehen, was Kayla und ihr lieber „Onkel“ denn so machten. Jess musste schmunzeln. Die Bezeichnung „Onkel Kai“ war einfach zu niedlich. Langsam stand sie auf und ging die Treppe hinunter. Sie lauschte, hörte aber nichts. Was auch immer die beiden taten, es war eine sehr ruhige Beschäftigung. Und als sie im Wohnzimmer ankam wusste sie, warum. Kai und seine Nichte saßen sich gegenüber und die Blicke auf das Schachbrett vor ihnen vertieft. Kai setzte eine Figur um. „Schach“ sagte er nur. Kayla blieb ungewöhnlich ruhig. Sie überlegte ein paar Sekunden, nahm dann ihre Dame in die Hand, schmiss die von Kai und setzte sie direkt vor seinen König. „Schach Matt“ grinste sie. Kai staunte nicht schlecht. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. „Jetzt hab ich dich reingelegt“ sagte Kayla gespielt frech. „Respekt. Das hab ich jetzt wirklich nicht erwartet“ sagte Kai immer noch erstaunt. Kayla drehte sich zur Tür. „Hallo Mama. Ich hab gerade Onkel Kai im Schach geschlagen. Toll, nicht?“ fragte sie breit grinsend. „Ja, wirklich super“ lobte Jess ihre Tochter. Kai lächelte. Er konnte Kayla gut leiden. Sie war zwar ziemlich stürmisch und dergleichen, dennoch auf eine Art, mit der auch er umzugehen wusste. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker schon früh. Jess und Kai wollten die ‚Villa’ noch etwas herrichten, bevor die ersten Gäste kamen. Am frühen Mittag kam schon Miena zusammen mit Ashley vorbei. „Hey!“ freute sich Jess und umarmte ihre beste Freundin. „Schön dich zu sehen! Und seit ihr bereit für den großen Ansturm?“ fragte Miena interessiert. „Auf jeden Fall“ erwiderte Jess lächelnd. Kayla war auch schon länger auf den Beinen und hatte ungeduldig auf Ashley gewartet. Die beiden begrüßten sich kurz, bevor sie sich ins nächste Stockwerk machten um sich dort in Ruhe auszutauschen. „Schön, dass die beiden sich so gut verstehen“ meinte Miena grinsend. „Die sind uns echt verdammt ähnlich“ sagte Jess lachend. „Kannst du mir vielleicht noch was helfen?“ Miena schaute sie an. „Immer gern“ Zusammen richteten die beiden noch das Wohnzimmer mit dem großen Esstisch her. Die beiden waren ziemlich aufgeregt, denn sie hatten beide ihre ehemaligen Teamkameradinnen lange nicht gesehen. „Hast du wirklich von anderen in all den Jahren nichts gehört?“ fragte Miena und stellte ein Glas auf den Tisch. „Nur von Irina. Ich hab in der Zeitung gelesen, dass sie in Amerika als Beybladetechnikerin arbeitet und einen neuen Blade entwickelt haben soll“ sagte Jess. „Von Stefania hab ich nie was gehört. Und die anderen drei, die damals nach unserer letzten WM das Team verlassen haben, sind auch wie vom Erdboden verschluckt.“ Miena nickte. „Ich hab auch nichts gehört und sie auch nirgendwo gesehen. Ich hoffe, wenn Stefania und Irina kommen, können sie uns vielleicht mehr sagen“ „Hören wir auf Trübsal zu blasen. Ich freu mich auf nachher und ich bin gespannt, was die anderen so erzählen!“ grinste Jess zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)