Cod3s von _Myori_ ================================================================================ Es -- Ich hatte Glück gehabt- verdammtes Glück, dass ich gar nicht verdient hatte. Ich wusste nicht mehr, wie ich die Heimfahrt überstanden habe, ich wusste noch, dass ich die ganze Zeit über meine schmerzende Nase in einen Stapel Taschentücher gedrückt hatte und Fin neben mir sich irgendwelche Lügen ausdachte, um Herrn Conner davon abzubringen, allzu viele Fragen zu stellen. Man fuhr mich ins Krankenhaus, um dann festzustellen, dass meine Nase nicht gebrochen war, sondern nur größere Blutgefäße geplatzt waren. Ich habe das alles nur verschwommen mitbekommen, so als wäre ich nicht ganz in meinem Körper oder auf dieser verdammten Welt… Doch nun stand ich bei Fin zu Hause im Badezimmer und starrte mich in dem großen Spiegel an. Meine Nase war angeschwollen, bläulich verfärbt und tat höllisch weh. Ich hatte mir mein blutverschmiertes Hemd ausgezogen und mir vorsichtig das Gesicht gewaschen. Nun schaute mich eine groteske Gestalt mit schrecklich aussehender Nase, tropfnassen Haaren und glasigen Augen aus dem Spiegel an. In dem Moment wurde mir wieder bewusst, was ich getan hatte… und ich hasste mich dafür. Ich hätte beinahe einen Menschen getötet- wieder! – einfach so, ohne ihn zu kennen oder ihn auch nur näher anzuschauen. Ich ballte die Hände, mit denen ich mich am Waschbeckenrand abstützte, zu Fäusten und starrte weiter in den Spiegel. Ich hätte ihn unter meinen Füßen zerdrückt, wäre Fin nicht gekommen und … ich hatte Spaß daran gehabt! Mir kam Fins Ausdruck wieder in den Sinn, damals, als sie mich zum ersten Mal gesehen hatte- diese Angst in ihren Augen. Ja- was anderes hatte ich nicht verdient, ich war nichts weiter als ein Irrer, vor dem man sich fürchten musste. Du bist ein Mörder! ,schrie eine Stimme in meinem Kopf, die mich schmerzhaft an Fin erinnerte. Du bist gefährlich- Für Jeden! Ich schüttelte den Kopf, um diese Stimme wieder loszuwerden, doch sie schrie nur noch lauter in mir. Kannst du dich noch an seine Augen erinnern? Die Tränen der Angst dort drin? Er hat dich angefleht, aber du hast nur gegrinst und ihn weiter leiden lassen. Erinnerst du dich an das Gefühl, das du dabei empfunden hast? Dieser berauschende Moment? Das war Überlegenheit…das Gefühl von Macht. Ich schlug mir die Hände auf die Ohren, in der Hoffnung diese Stimme zu dämpfen. Mein Puls wurde immer schneller bei den Bildern, die mir jetzt durch den Kopf rasten- doch schlimmer war das, was ich dabei empfand… ein unglaubliches Hochgefühl durchströmte mich und ehe ich komplett in diesem zu versinken drohte, kniff ich die Augen zusammen und presste mir noch stärker die Hände an den Kopf. …Hör auf… Aber warum denn? , säuselte die Stimme. Hast du es denn nicht genossen- dieses Gefühl? Natürlich hast du es! Und das ist auch gar nicht schlimm… so bist du nun halt mal. Das Hochgefühl verschwand und machte einem unangenehmen Knoten in der Magengegend platz. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag deutlich durch meinen Körper schlagen. …Nein! Das ist nicht wahr! ... Die Stimme wurde immer süßer und sanfter und ich hatte das Gefühl, dass jemand um mich herumschlich. Du bist kaltherzig… unberechenbar… …Hör auf… Ich fühlte mich gefangen. … grausam… gnadenlos… Ich will das nicht hören… … du bist und bleibst ein Mörder! Das bin ich nicht!! Schlagartig riss ich die Augen auf und starrte wieder in den Spiegel. Da sah ich mich, breit grinsend und mit böse funkelnden Augen. Mein Spiegelbild lachte. Glaubst du wirklich, dass du deine Vergangenheit ablegen kannst? „Egal was ich war- ich bin es nicht mehr…“, flüsterte ich mit zitternder Stimme. Ich schaute sehr amüsiert. Natürlich…, pflichtete ich mir zynisch bei. Diese Fin hat einmal mit dem Finger geschnippt und dich zum Guten bekehrt. Aber glaub mir, so leicht wirst du dein altes Ich nicht los! Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte, meinen Puls wieder zu beruhigen. „Halt den Mund…“ Wieder sah ich mich lachen. Deine Drohungen sind lächerlich! Du begehrst das Gefühl, dass ich dir zeigte, viel zu sehr, als dass du irgendetwas gegen mich tun würdest. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du wieder zur Besinnung kommst. Und dann bist du wieder der Mistkerl, der Menschen umbringt… Ich spannte jeden Muskel an und hörte erneut mein Herz rasen- diesmal vor Wut. Mein Spiegelbild verzog sich zu einer grausam, grinsenden Fratze. Denn das ist das einzige, was du kannst!… In der nächsten Sekunde schnellte meine rechte Faust in die Höhe und fuhr in das Glas. Es klirrte und scharfe Glasscherben fielen aus dem Rahmen in das Waschbecken. Ich hörte, wie mein Atem schwer und tief ging und nun schaute mich aus den Resten des Spiegels ein blasser Mann mit geschwollener Nase und Schweißperlen auf der Stirn an. Ich brauchte einige Sekunden, um mich – mein jetziges, wahres Ich- dort drinnen zu erkennen. Dann flachte die Wut ab und Verzweiflung und Verbitterung schlugen über mir zusammen. Ich stolperte zurück, vergrub die Hände in meinen Haaren und starrte die armselige Gestalt im kaputten Spiegel an, die zitternd und mit Tränen in den Augen vor mir zurückwich. Irgendwann hatte ich die gegenüberliegende Wand im Rücken, an der ich mich herunterrutschen ließ. Dumpf vor mich hinstarrend, zog ich die Beine heran und legte meine Stirn auf meine Knie. Nur weit entfernt und ganz leise hörte ich das Klopfen an der Tür und Fins fast hysterisch klingende Stimme, die meinen Namen rief. Ich reagierte nicht… Es war ein Fehler gewesen, Nero allein zu lassen- das wurde mir in dem Moment klar, als ich das Geräusch von splitternden Glas aus meinem Badezimmer vernahm. „Nero ?“ Ich presste mein Ohr an die Tür, doch auf der anderen Seite war es still geworden… zu still und das machte mich noch nervöser. Wieder rief ich seinen Namen und wieder kam keine Antwort. Verzweifelt fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen und schaute auf die Klinke herab. In der ganzen Aufregung hatte ich diese ganz vergessen… Vielleicht… Mit zitternden Händen drückte ich sie herunter- und sprang fast einen Meter von der Tür weg, als diese auch tatsächlich aufging. Ich war wohl nicht die einzige, die an manche Sachen nicht dachte… „Nero, ich komm jetzt rein!“ Als ob seine Privatsphäre jetzt eine Rolle spielt…! , schalt mich meine innere Stimme ungeduldig und ich ging unverzüglich ins Bad. Das erste, was ich sah, war der zerbrochene Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Im Rahmen hangen noch ein paar Bruchstücke, der Rest lag im Waschbecken und über den Boden verteilt. Mein Herz schlug schneller. Was war hier passiert und vor allem- wo war Nero?! Ich drehte mich um meine eigene Achse und stieß einen entsetzten Schrei aus, als ich ihn zusammengekauert neben der Tür, durch die ich gekommen war, entdeckte. Er hatte sein Gesicht in seine Arme vergraben und die Beine an den Körper gezogen. An den Fingerknöcheln der rechten Hand klebte Blut. Mein Blick suchte kurz wieder den Spiegel, dann ließ ich mich vor Nero auf die Knie fallen. Er hatte kein einziges Mal aufgesehen und hätte ich nicht gesehen, dass er flach geatmet hat, wäre ich vermutlich auf den Gedanken gekommen, dass er tot sei. „N- Nero… was ist mit dir?“ Ich streckte die Hand nach ihm aus, doch ehe ich ihn berührte, sah er auf und ich zog die Finger wieder etwas zurück. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich fühlte mich an die Nacht zurück erinnert, in der ich ihn gefunden hatte, an den Zustand, in dem er sich befunden hatte- doch das war nicht mit dem zu vergleichen, was ich nun in seinem Gesicht sah: Seine Haut hatte alle Farbe verloren, die Lippen waren nichts weiter als ein dünner, blassbläulicher Strich in seinem Gesicht und in seinen Augen sah ich … ich sah gar nichts. Ich wurde das schmerzende Gefühl nicht los, dass ich einen Toten anschaute. Ich brauchte einige Sekunden. Nur zögernd nahm ich sein Gesicht in meine Hände, immer in der Befürchtung, dass er im nächsten Moment einfach leblos vor mir zusammensackte. „Nero…“ Meine Stimme war nicht mehr, als ein Hauch. „Mein Gott- was ist passiert?“ In seinen Augen regte sich etwas. Sein Blick richtete sich auf mich. Ich rutschte auf Knien noch näher zu ihm und strich ihm seine schwarzen Haare aus der Stirn. Ich spürte, wie mir heiße Tränen über meine kalten Wangen flossen und streichelte ihn über seine. „Sieh mich an Nero … bitte.“, flehte ich und ging mit ihm auf Augenhöhe. Und tatsächlich- ein wenig Glanz kehrte in seine Augen zurück. „Fin…“ Seine Stimme war brüchig und dünn, aber ich hörte sie und das zauberte mir wieder ein Lächeln auf die Lippen. Doch das verschwand auch so schnell, wie es gekommen war, als Nero nun weiter sprach: „Geh… bitte.“ Mein Körper fühlte sich taub an, meine Hände begannen wieder zu zittern. „Was?“ „Ich bin ein schlechter Mensch, Fin. Ich… ich bin eine Gefahr für dich.“ Ich schüttelte energisch den Kopf und umfasste sein Gesicht noch stärker. „Red keinen Unsinn!“ Neros Augen glänzten jetzt noch mehr. Plötzlich spürte ich seine kalte Hand auf meinem Arm. „Du hast gesehen, was ich getan habe. Du selbst hast gespürt, wozu ich in der Lage bin.“ Seine Stimme hatte etwas Beschwörendes angenommen. „Das warst nicht du, Nero.“, sagte ich verzweifelt, doch nun schüttelte er den Kopf. „Doch, Fin.“ Seine Hand verkrampfte sich. „Ich hatte mich dort nicht unter Kontrolle, aber das war ich- mein wahres Ich.“ Ich fasste ihn noch mehr in meinen Blick. „Dann werde ich dir helfen, es zu kontrollieren.“ Nero schwieg für Sekunden. Er schien ernsthaft darüber nachzudenken. „Das wirst du nicht schaffen…“, antwortete er dann. Ich lächelte bitter. „Vielleicht.“, sagte ich ernst. „Aber dann habe ich es wenigstens versucht. Ich werde nicht zulassen, dass du dich von deiner Vergangenheit übermannen lässt. Du weißt nicht, wer oder was du damals genau warst. Du hast die Möglichkeit ein neues Leben zu leben- und dafür werde ich sorgen! Du kannst von vorne anfangen, Nero.“ Mein Gesicht war jetzt nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt. Neros Blick hatte sich verändert. Ich entdeckte Unverständnis, aber auch Hoffnung in seinen Augen. „Du musst nur deine Vergangenheit hinter dir lassen. Denke nicht daran, was du getan hast- es ist vergangen und du kannst nichts mehr ändern. Du bist jetzt hier… bei mir!“ Seine Augen wurden feucht. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“, antwortete er mit belegter Stimme. Ich nickte und legte meine Stirn an seine. „Doch“, hauchte ich. „Und ich werde dir dabei helfen. Das verspreche ich…“ Im Nachhinein konnte ich nicht sagen, warum ich das getan habe, was ich nun im nächsten Moment tat. Vielleicht war es so etwas wie eine Verstärkung meines Versprechens, unser persönliches Ritual, um es auf Ewig gültig zu machen. Vielleicht aber war es auch eine ganz natürliche Reaktion auf die Nähe, diese lächerlichen Zentimeter, die ich von Nero nur noch entfernt war. Egal was es war- ich sehnte mich nach ihm. Meine Hände, die seine Wangen berührten, waren mir zu wenig, ich wollte mehr… mehr von ihm. Ich schloss meine Augen und sog seinen Duft und seine Wärme auf, die wieder in ihm hoch kroch. Ich spürte seinen heißen Atem, der gegen meine Lippen blies und es war mir so, als würde mein ganzer Körper unter dieser Hitze erzittern und dahinschmelzen und im nächsten Moment wurde sein Atem durch meine Lippen versiegelt. Von da an war mir alles egal. Ich spürte, wie Neros Hand irgendwann meinen Arm losließ und mir über die Haare strich. Seine andere Hand wanderte auf meinen Rücken und zog mich mit sanfter Gewalt näher an sich heran, um dann mit mir zur Seite wegzukippen. Ich schlang beide Arme um seinen Hals, damit wir unseren Kuss nicht unterbrechen mussten. Irgendwann- nach unendlichen Stunden, wie mir schien- hatte er mich auf den kalten Fliesen des Badezimmerbodens gelegt und hang über mir. Erst jetzt bemerkte ich seinen nackten Oberkörper und erneut begann ich mit den Fingerspitzen über seine Muskeln zu streichen. Ich genoss jede lange Sekunde dieses Moments. Unser Kuss war sanft, aber intensiv und unglaublich zärtlich… unglaublich fordernd! Nero fuhr vorsichtig meinen Hals entlang, immer tiefer und schob fast zögerlich den Träger meines Kleides zur Seite. Mein Herz machte einen Satz und hätte ich in der Sekunde meinen Atem vollkommen unter Kontrolle gehabt, hätte ich wahrscheinlich wohlig geseufzt. Was ich in der einen Sekunde nicht konnte, tat ich in der nächsten- ich machte von meiner Lunge Gebrauch… Das simple und einfache Klingeln der Haustür riss mich aus meinen schon fast feucht fröhlichen Träumen und Nero von mir runter. Erschrocken sogen wir die Luft ein (ich, weil ich mit dem Klingeln nun wirklich nicht gerechnet hatte und Nero wahrscheinlich wegen etwas anderem…) und starrten uns an. Mein Herz raste und dementsprechend ging mein Atem. Grimmig schaute ich zur Tür. Egal wer da am Eingang stand, wie konnte es derjenige wagen, mich… „Scheiße…!“ Verwirrt blickte ich wieder zurück. Nero hatte sich aufgerappelt und saß nun einen guten Meter von mir entfernt auf dem Boden, die Hand vor den Mund geschlagen und knallrot. Ich blinzelte kurz, verstand dann doch und spürte selber die Wärme in mein Gesicht aufsteigen. Verlegen rückte ich mein Kleid wieder zurecht und ehe ich etwas sagen konnte, dröhnte wieder die Haustürklingel. In einem Anflug von blanker Wut stand ich auf. „Wir… reden gleich weiter- okay?“ Nero nickte verlegen und sein Gesicht glich farblich dabei einer Himbeere mit blauer Nase. Wütend ging ich zur Tür. Vermutlich war es nur so ein Staubsaugervertreter mit diesem typischen falsch-freundlichem Grinsen im Gesicht. Der wird sich gleich wünschen, einen anderen Beruf gewählt zu haben, dachte ich zähneknirschend. Wieder klingelte es. „Ich komme!!“, schrie ich die Tür an, riss die Klinke runter- und wurde im nächsten Moment aschfahl. Ich hatte einem Mann die Tür geöffnet, von dem ich dachte, ihn nie wieder sehen zu müssen. Er lächelte. „Guten Abend, Finja.“ Ich spürte, wie mein Herz mir den Dienst versagte. Ich starrte zu dem Mann auf und atmete nicht. Dieses Gesicht… diese Augen… meine Knie begannen zu zittern. Der Mann fragte weiter. „Ist Nero da?“ Bei dem Satz taute ich auf. Ohne groß zu überlegen schlug ich die Tür zu, doch er stellte seinen Schuh in den Türrahmen und stoppte diese. Ich drehte mich auf dem Absatz um und rannte davon, doch ich kam nicht weit. Nur wenige Schritte später stand der Mann hinter mir und hielt mich am Arm zurück. Ich sah keine andere Möglichkeit, als zu schreien und so Nero vor dem Mann zu warnen. Ich holte Luft, aber der Mann war wieder schneller. Blitzschnell drückte er mir seine freie Pranke auf Nase und Mund, sodass ich nur noch das Leder seines Handschuhs roch und zu einem mageren Wimmern imstande war. „Schhhh. Wer will denn gleich losbrüllen.“, ertönte seine tiefe Stimme direkt neben meinem Ohr. Sein Arm, der zuvor meinen eigenen malträtiert hatte, schlang sich um meinen Bauch und zog mich von den Füßen. Hilflos strampelte ich in der Luft. Mein Herz stand kurz davor, mir aus der Brust zu springen. „Wir wollen unseren Nero doch überraschen, oder? Da wird er sich bestimmt drüber freuen…“ Der Mann setzte sich in Bewegung und ich hörte, wie die Tür hinter uns leise ins Schloss fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)