Cod3s von _Myori_ ================================================================================ Die Gattin und ihr Diener ------------------------- Mit gezogenem Schwert schaute Ares um die Ecke, gab mir dann ein Zeichen, dass ich ihm folgen sollte und lief bis zur nächsten Kreuzung. Das riesige Kellersystem, das sich unter dem Parkdeck befand, glich einem Labyrinth aus weiß getünchten, nackten Betonwänden, an dessen Decke in regelmäßigen Abständen kalt leuchtende Neonröhren hangen, die im Moment jedoch nur flackernd Licht spendeten oder ganz kaputt waren. Immer mal wieder liefen wir an geschlossenen Türen vorbei, die in demselben Weiß gestrichen worden waren, wie die Wände. Und obwohl ich schon längst vergessen hatte, wo wir genau waren, schien Ares sich perfekt auszukennen. Zielstrebig bog er an jeder Kreuzung ab und sah sich die etlichen Türen nicht näher an. „Wir sollten den Innenarchitekten hierfür verklagen- da ist ja jedes Krankenhaus gemütlicher…“, murmelte ich hinter Ares, als dieser wieder stehen geblieben war, um erneut um die Ecke zu spähen. „Dieser Ort sollte niemals gemütlich wirken.“ Seit langem sah er mich wieder an. Sein Gesicht war ungewöhnlich ausdruckslos und eingefallen. „Das war das erste, was jemand erblickte, wenn man in Olymp aufgenommen worden war.“ Seine Worte sickerten wie zäher Teer durch meine Gedanken und mir wurde erst langsam bewusst, was seine Aussage bedeutete. „Das heißt, dass diese Maschine- dass Memoria hier auch irgendwo ist?“ Mir wurde anders bei dem Gedanken und sofort kamen mir wieder meine bruchstückhaften Erinnerungen in den Sinn, von Ares, wie er vor mir stand, meine Schmerzen… Memoria. Und plötzlich erinnerte ich mich auch daran, wie ich durch diese Gänge gezogen wurde, wie eine dieser Türen geöffnet wurde… Ares schien meine Gedanken zu erraten und machte eine weitläufige Handbewegung. „Niemand verbindet mit diesem Ort gute Erinnerungen, Nero. Hier lag das Zentrum von Olymp, alles wurde von hier aus geregelt. Diese ganzen verschlossenen Räume- zu guten Zeiten waren viele davon Krankenräume für alle Neuzugänge und Verletzte. Wir hatten Ärzte, die für uns arbeiteten, Techniker, für die Instandhaltung etlicher Gerätschaften, Trainingsräume, Schlafräume… das hier war eine kleine Stadt, bestens ausgestattet für ein Leben hier unten.“ Er machte eine kleine Pause und sah wieder den Gang runter, dann schüttelte er den Kopf. „Trotzdem- dieser Ort, das wussten die meisten, war der Ort, den du als erstes sahst und wenn du Pech hattest und nicht auf der Straße umkamst, der Ort, den du als letztes sehen würdest. Diese Gänge sollten Respekt einflößen und die Macht von Olymp unterstreichen und selbst in diesem heruntergekommenen Zustand verfehlen sie ihre Wirkung nicht.“ Ich schwieg, sah ihn nur an und schauderte. Ich verstand, was er meinte, mir ging es nicht anders und dennoch war ich überrascht über den Unterton, der in Ares Stimme mitgeschwungen hatte. Er wusste, wovon er gesprochen hatte und die Angst in seiner Stimme war nicht zu überhören gewesen. Ich trat an seine Seite und stieß ihm leicht den Ellenbogen in die Seite. „Lass es uns hinter uns bringen und diesen Ort wieder schnell verlassen.“ Es schien seine Wirkung nicht zu verfehlen, denn kurz darauf grinste Ares wieder und streckte sich. „Wehe, du beeilst dich gleich nicht.“, brummte er und setzte sich wieder in Bewegung. „Wir sind gleich da, frag mal bei Kore nach, wie die Stimmung so bei ihr is`.“ Persephone fluchte leise vor sich hin. Dass die Kabel auch so weit hinten in diesem verdammten Kasten liegen müssen… Äneas stand neben ihr und leuchtete ihr mit der Taschenlampe spärlich Licht, was aber keineswegs an der Funzel selbst lag, sondern eher daran, dass Persephone schon zur Hälfte in diesem Stromkasten lag und dieser Schacht nicht gerade der breiteste war. Doch irgendwann hatte sie es geschafft, das richtige Kabel anzuzapfen, ließ sich schnaubend im Schneidersitz auf den Boden fallen und legte das Funkgerät neben sich. Sie hoffte nur, dass die Verbindung zwischen ihrem und Ares` Gerät standhielt- immerhin lagen zwischen der fünften Etage und dem Keller schon ein paar Betonmauern… Mit flinken Fingern installierte sie den Virus, der die Stromversorgung unterbrechen würde. Das Netzwerk schluckte ihr Programm, jetzt hieß es warten… Dann endlich, nach zwei Minuten, begann der Generator würgend die Arbeit niederzulegen und Sekunden später war es dunkel um Persephone. Zufrieden nickte sie und grinste Äneas zu, der es bei einem aufgerichteten Daumen beließ. Plötzlich meldete sich piepsend ihr Funkgerät. „Wie sieht` s aus bei euch? Hat alles geklappt?“, ertönte verzerrt Neros Stimme aus dem Gerät. „Alles bestens. Der Notstrom dürfte jetzt auch ausgeschaltet sein. Seid ihr schon da?“ „Ja, gerade eben, wir stehen vor der Tür, aber…“ Sie hörte ein krachendes Geräusch, dann Ares tiefes Gelächter. Persephone verzog das Gesicht. Dass dieser Mann auch immer mit dem Kopf durch die Wand musste! „Ähm… wir sind jetzt drin.“, meldete sich Nero wieder zu Wort. „Ja, das habe ich gehört.“, antwortete sie ironisch. „Und? Was-“ Sie unterbrach sich, als in diesem Moment wieder flackernd das Licht anging. „Kore, was soll der Scheiß?!“, hörte sie Ares durch das Funkgerät meckern- anscheinend war auch dort unten das Licht wieder angesprungen. Von irgendwoher hörte sie das leise Summen eines Generators. Alarmiert tippte sie auf ihrem Laptop herum, sah dann wieder in den Stromkasten und atmete dann etwas erleichtert auf. „Kein Grund zur Panik. Es scheint einen zweiten Notstromkreis zu geben, der über einen anderen Generator läuft. Die Sicherheitsanlage ist aber immer noch ausgeschaltet.“ „…Hoffen wir es.“, antwortete Nero ihr. „Also, was ist jetzt? Habt ihr Judgement gefunden?“, fragte sie aufgeregt. „Ja, ich mein, hier steht ein Computer…“ Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie hatten es tatsächlich geschafft, nach so vielen Jahren. Sie spürte Tränen aufsteigen. Endlich waren sie am Ziel. „Es muss jetzt einfach klappen…“, murmelte sie kaum hörbar. Für einige Minuten kam gar nichts mehr, dann meldete sich Nero wieder. „Ich hab es. Das hier muss Judgement sein!“ Persephone hätte vor Glück aufschreien können. Jetzt liefen die verdammten Tränen doch. „Gut. Sehr gut.“, antwortete sie und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg. Jetzt musste sie nur noch eine Sache erledigen… „Nero, hör mir jetzt genau zu! Du darfst auf keinen Fall den Code bestätigen, wenn du ihn komplett eingetippt hast, verstehst du! Der Code ist nicht vollständig!“ „Nero, hör mir jetzt genau zu! Du darfst auf keinen Fall-“ Danach kam nichts mehr außer Rauschen. Stirnrunzelnd starrte ich das schwarze Funkgerät an. „Persephone?“ Vorsichtig klopfte ich gegen das Plastikgehäuse, dann etwas stärker. Nichts tat sich. Hilflos schaute ich zu Ares hoch. „Die Verbindung scheint unterbrochen zu sein…“ Fluchend nahm Ares das Gerät selber in die Hand und schlug etwas unsanfter als ich mit dem Ding gegen die Tischkante, aber auch das zeigte keine Wirkung. „Na toll…“, knurrte er und schaute zur Decke. Sorgenfalten bildeten sich auf seiner Stirn. „Vielleicht solltest du nachschauen, ob etwas passiert ist.“ Ares schüttelte nur den Kopf. „Auf keinen Fall! Ich lass dich hier nicht alleine.“ „Ares, ich hock hier direkt vor Judgement- ich denke nicht, dass ich mich jetzt noch verlaufen oder mir sonst was passieren kann.“, seufzte ich. „Ich glaube, Persephone braucht dich jetzt dringender und vor allem wollte sie mir doch gerade etwas sagen. Es schien wichtig zu sein.“ Ares schwieg kurz, musterte mich einsichtig, dann wandte er sich in Richtung der Türe, die nur noch in einer Angel im Rahmen hang. Kurz bevor er rausging, wandte er sich noch einmal um. „Nero, das was Kore dir sagen wollte, hatte mit dem Code zu tun. Der Code ist unvollständig und Kore ist einer der wenigen Personen, die den Zusatz kennt. Also, egal was du tust- bestätige den Code nicht! Warte, bis ich wieder da bin.“ Ich nickte- wenn auch etwas widerwillig. Wie kam Persephone an so ein Geheimnis? Doch im Moment war das nebensächlich. Ares warf mir noch einen zögernden Blick zu, dann drehte er sich doch zum Gehen. „Ares!“ Er blieb stehen. „Was?“ „Pass auf dich auf.“ „Immer doch.“, brummte er, dann war er verschwunden. Entsetzt schaute Persephone auf das rauschende Funkgerät. Warum antwortete niemand? „Nero, hast du mich verstanden? Nero?!“ Nervös biss sie sich auf die Unterlippe, legte das defekte Gerät weg und fuhr sich durch die Haare. Wie viel hatte er nun mitbekommen? Was sollte sie jetzt machen? Kurz ließ sie ihren Blick über ihren Laptop streifen, in dem mehrere Fenster geöffnet waren, die alle angaben, dass die örtliche Stromversorgung zusammengebrochen war, zog dann kurzerhand die Kabel und Stecker und klappte den Laptop dann zu. Es war wohl das Beste, sich zu beeilen und Nero und Ares zu folgen. Sie hoffte nur, dass Ares Nero davon abhielt, selbstständig das Programm zu löschen… Lächelnd erhob sie sich und nickte Äneas zu, der nur wenige Meter hinter ihr stand. „Wir sind hier fertig- lass uns zu den anderen gehen.“, sagte sie sanft. Gerade wollte sie sich bücken, um den Laptop aufzuheben, als sie plötzlich Schritte vernahm. Schwere, dumpfe Schritte, von mehreren Leuten! Schnell drehte sie sich zur Tür um und sah in zwei bekannte Gesichter. Nein, verbesserte sie sich zu ihrem Entsetzen, es waren Drei… „Sieh mal einer an. Was für ein Zufall.“ „Persephone, lauf weg!!“ „Fin…?“, keuchte sie schockiert. Das Mädchen wand sich wild in D` s Griff und fluchte und schrie. Persephone erwachte nur schwer aus ihrer Starre, Äneas` Reflexe waren da schneller- keine Sekunde nach dem Erscheinen der Bluthunde, stand er neben ihr und versuchte sie hinter seinen Rücken zu ziehen. „Fin!“ Endlich war sie wieder bei vollem Bewusstsein. „Lasst sie los!“, fuhr sie die beiden an und zog ihr Schwert. Apollon entsicherte daraufhin seine Waffe und zielte. „Verschwinde Persephone! Hades- er wird bald hier sein! Du musst Nero helfen, ich bitte dich!“, schrie Fin mit Leibeskräften und stemmte sich gegen ihren Bewacher. Als wäre ein Blitz durch ihren Körper gefahren, stand Persephone da und starrte sie an. Hades… immer wieder echote hämmernd der Name in ihrem Kopf. Hades. Er war hier. Hades… D verstärkte seinen Griff so stark, dass Finja schmerzvoll wimmerte und zog sie näher an sich heran. „Dich hat niemand gefragt.“, erwiderte er zähneknirschend und richtete seinen Blick wieder auf Persephone und Äneas. Für Sekunden war es still, allein Finjas Schluchzen war leise zu hören, dann ergriff D wieder das Wort. „Hier.“, sagte er zu Apollon und stieß Fin unsanft in seine Richtung. „Nimm sie.“ Immer noch die entsicherte Waffe in der einen, griff Apollon sie etwas umständlich mit der anderen Hand und blinzelte seinen Partner kurz verwirrt an. „Hades wird bald hier sein und dann will ich das hier geklärt haben.“, fuhr D weiter fort und deutete hinter sich in den Gang. „Bring die Kleine zu ihm- lebend, hörst du?“, fügte er zischend hinzu und schaute seinen Partner auf eine Weise an, die jegliches Widerwort im Keim erstickte. Als Apollon zögernd Anstalten machte, mit Fin zu gehen, ging Persephone einige Schritte auf die Drei zu, gefolgt von ihrem Schatten Äneas und richtete ihr Schwert auf Apollon. „Ich sagte: lass sie los…“ Allein die beiden Schusswaffen, die nun sowohl auf sie selbst, als auch auf Fin gerichtet waren, ließ sie in ihrer Bewegung stoppen. „Du warst die ganze Zeit im Nachteil.“, sagte D ruhig, dann nickte er in Apollons Richtung. „Geh jetzt!“ Erschrocken schaute Persephone zu Fin, die nun unter Tränen versuchte, sich zu befreien, doch auch Apollon ließ nicht locker- im Gegenteil. Wütend biss er die Zähne aufeinander. „Und was machst du?“ „Ich kümmere mich um die beiden. Es wird nicht lange dauern.“ „Kommt nicht in Frage!“, rief Apollon und deutete mit dem Lauf seiner Waffe nun auf Persephone. „Wenn einer das Recht hat, sie fertig zu machen, dann-“ „Ich sagte, du sollst jetzt gehen!“ D` s donnernde Stimme hallte durch den leeren Raum. Wieder herrschte Stille, in der Apollon seinen Partner angriffslustig anfunkelte, doch dann gab er sich widerwillig geschlagen und räumte mit Fin im Schlepptau das Feld. Ein letztes Mal rief Fin Persephones Namen, dann war sie verschwunden. Verzweifelt biss sich Persephone auf die Unterlippe. Verdammt. Was hatte sie nur getan? Alles schien schief zu laufen. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach aufzugeben, doch dann fing sie sich wieder. Nein, das wichtigste war nun, Finja zu retten, ehe es zu spät war. „Geh mir aus dem Weg.“, zischte sie und richtete erneut das Schwert auf D. Der zurückgebliebene Wolf lachte nur auf und trat weiter in den Raum. Äneas neben ihr spannte jeden Muskel an, jederzeit bereit, auf ihn loszugehen. „Glaubst du wirklich, dass ich dich so einfach davon kommen lasse? Du hast schon lange deine gerechte Strafe verdient, seit dem Zeitpunkt, an dem du Hades das erste Mal betrogen und verraten hast.“ „Wenigstens bin ich kein willenloser Sklave.“ „Nein.“, lachte D trocken und schüttelte den Kopf. „Nein, das bist du nicht- nicht mehr.“ Wütend verengte Persephone die Augen und schluckte ihre Antwort bitter hinunter. Es hatte keinen Zweck mit ihm zu diskutieren. „Jetzt bist du nur noch ein elendes Miststück, das sich ihrer dreckigen Lust hingibt.“, raunte ihr Gegenüber hasserfüllt, hob seine Waffe an und zielte auf Persephone. „Es wird Zeit, dass du für deine Sünden büßt.“ Keine Sekunde später sprang Äneas auf D zu und stieß seinen Arm zur Seite, sodass sich die abgefeuerte Kugel in die Wand neben Persephone bohrte. Augenblicklich ließ D die Waffe fallen, konterte Äneas` Schlag mit einem gezielten Fausthieb und verwickelte den Hünen in einen Zweikampf. Persephone zögerte kurz, riss sich dann doch von dem Spektakel los und versuchte zur Tür zu gelangen. Weit konnten Apollon und Fin noch nicht gekommen sein… Doch dann war schon alles vorbei. D entschied den Kampf urplötzlich für sich; er hatte es geschafft, Äneas auf Abstand zu bringen und nutzte diesen Freiraum, um Persephone den Weg zu versperren und sie zu packen. Keinen Augenblick später wurde sie mit Wucht gegen die Wand gepresst, dass ihr die Luft aus den Lungen getrieben wurde. D zog eine weitere Beretta unter seinem Mantel hervor und drückte sie gegen ihre Schläfe. Mit dem freien Unterarm lehnte er sich gegen ihren Hals, sodass sie würgend nach Luft rang. „Was jetzt, Persephone?“, zischte er wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht und sah ihr mit sichtlicher Verzückung dabei zu, wie sie vergebens an seinem Arm zerrte, um sich zu befreien. „Du wirst hier nicht lebend rauskommen, das schwör ich dir.“, fuhr er fort und jeglicher Ansatz von Vergnügen in seiner Mimik verhärtete sich zusehend und mutierte zu einer verzerrten Grimasse. Aus tränenden Augen schaute Persephone kurz an ihrem Peiniger vorbei zu Äneas, der wie aus Stein dastand und jeden Muskel anspannte, bereit, D mit bloßen Händen zu erwürgen, würde er nur einen Moment unaufmerksam genug sein, sein Opfer- Äneas` Schützling- aus den Augen zu lassen. Der Druck auf ihren Hals nahm zu und Persephone schloss gequält die Augen. Lange hielt sie das nicht mehr aus… aber was konnte sie denn nur tun? D` s Stimme drang, einem Echo gleich, durch ihre Gedanken. „Du hättest Hades niemals verraten dürfen. Seit du ihn hintergangen hast, bist du nichts mehr für ihn wert. Sein Vertrauen war das Einzige, was dich geschützt hat und das hast du verspielt.“ D lachte kurz und hart auf und schüttelte den Kopf. „Ich habe sowieso nie verstanden, wie er dein falsches Spiel solange ertragen konnte, dass er deine Affären solange dulden konnte… Du gehörtest ihm, Persephone, niemandem sonst und das wusstest du!“ „Du weißt gar nichts…“, krächzte sie leise. Sah sie auf einmal so verschwommen wegen den Tränen oder zeigte der Sauerstoffmangel endlich seine Wirkung? D kam noch näher. „Ach ja? Dann klär mich mal auf! Wie lange zettelst du diesen Putsch schon an? Seit wann planen du und Ares das hier alles? Der Dreckskerl steckt doch auch mit drin, sonst hätte er Nero wohl nicht wieder zurückgeholt. Wer ist der Drahtzieher?“ Die letzte Frage hatte er beinahe geknurrt. Persephone biss verbittert die Zähne aufeinander. Wie zur Aufforderung, schoss D plötzlich in die Luft, sodass Persephone erstickt aufschrie und D den nun warmen Waffenlauf erneut gegen ihre Schläfe drückte und wieder entsicherte. „Ich warte…“ „…Ich.“, presste sie verspätet hervor, doch sie hatte zu lange gezögert. Wütend zog D die dunklen Brauen zusammen. „Verarsch mich nicht! Du wärst dazu nicht in der Lage, du warst immer nur ein Werkzeug und würdest niemals auf eigene Faust handeln… Sag schon, wer ist es? Ares? Oder ein anderer deiner unzähligen Freier? Wer ist so überragend im Bett, dass du für ihn dein Leben opferst? Dass du dich für ihn gegen Hades stellst?“ Sie schwieg, schaute ihn nur mit Tränen in den Augen an und presste die Lippen aufeinander. „Sag es!“, schrie D noch einmal, doch auch diesmal blieb die Antwort aus. Für Sekunden war es still, dann legte sich ein gefährliches Lächeln auf D` s Lippen. „Oder vielleicht sollte ich Äneas mal zu dem Thema befragen.“ Persephones Augen weiteten sich und erschrocken starrte sie zuerst Äneas an, der sichtlich die Fäuste ballte und dann wieder zu D. Sie wusste, was er damit bezweckte und sie ahnte nichts Gutes. Ihr Herz schlug schmerzhaft schneller. „Was sagst du dazu, Äneas? Wen darf ich dafür verantwortlich machen, dass unsere Schlampe hier untreu wurde?“, rief er ihm im bedrohlichen Plauderton zu und deutete mit dem Kinn auf die Waffe an ihrer Schläfe. „Du solltest dich mit der Antwort beeilen, mir schläft langsam der Arm ein.“ Äneas sah man das unwohle Gefühl an. Alarmiert und überfordert sah er immer wieder zwischen D und Persephone hin und her, rührte sich jedoch keinen Zentimeter. Was sollte er auch tun? Sich zu bewegen wäre in dieser Situation das Dümmste gewesen… „Ich verliere langsam die Geduld…“, sagte D drohend. Persephone versuchte sich weiterhin Luft zu machen und zerrte an D` s Arm. „Hör auf damit!“, zischte sie erbost. Durch das aufkommende Adrenalin waren wieder ihre Lebensgeister geweckt. Doch D ließ sich nicht beirren. „Ich dachte, dir würde die Kleine hier was bedeuten, aber ich habe mich anscheinend geirrt…“ Hilflos stand Äneas dort, presste die Lippen aufeinander und schwieg. „D, ich bitte dich, lass den Scheiß…“ Persephone wurde immer flehender und neue Tränen rannen ihr die Wange herunter. „Antworte mir, Äneas!“, brüllte er und Persephone schrie fast im selben Moment zurück: „Du weißt ganz genau, dass er dir nicht antworten kann!“ Für eine Sekunde war es totenstill und D blickte auf die verzweifelte Persephone blinzelnd herab, als verstünde er ihre Worte nicht. Dann schlich sich wieder ein Lächeln in seine Mundwinkel, seine Augen blieben jedoch von dieser Mimik gänzlich unberührt. „Na… wenn das so ist…“ D` s Stimme war noch nicht ganz verstummt, als die Kugel der Beretta donnernd die Luft durchschnitt und sich gezielt in Äneas` Lunge bohrte. D war dafür bekannt gewesen, innerhalb weniger Sekunden töten zu können. Das hier hatte nicht einmal eine gedauert. „… dann habe ich auch keine Verwendung mehr für ihn.“, vollendete er seinen Satz ruhig. Mit geweiteten Augen sah Persephone, wie Äneas, ihr ewiger Begleiter, langsam auf die Knie sank, ohne jegliche Emotion auf seine Brust herabschaute, aus der dunkelrotes Blut quoll und dann zu ihr aufsah. Äneas hatte nicht oft sein Innerstes offenbart, geschweige denn Gefühle gezeigt, doch nun las sie eindeutig Angst in seinen Augen, die jedoch keineswegs ihm selbst galt. Sie kannte ihn, sie kannte diesen Ausdruck, dieses selbstlose Gefühl, weswegen sie ihm so sehr vertraute und es gleichzeitig oft verflucht hatte. Selbst in dem Augenblick seines Todes, fürchtete er sich mehr um sie, als um sich selbst, dachte sie verbittert. Der Blick hielt nur kurz stand, dann erlosch die flammende Angst in seinen Augen und er fiel leblos zu Boden. In diesem Moment erwachte Persephone aus ihrem Tranceähnlichem Zustand- zu spät, wie so oft. Das einzige, was sie nun nur noch tun konnte, war schreien. Schreien und naiv hoffen, dass das Äneas` Lebensgeister ereichte. Dumm. Sie war so dumm. Dumm und Nutzlos. Verdammte Tränen vernebelten ihre Sicht, ihre verdammte Stimme brach nach kurzer Zeit aus Mangel an Luft ab und ihr nutzloser, schwacher Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie wollte atmen, doch sie holte keine Luft. Sie wollte sich befreien, doch ihre Arme hatten alle Kraft verloren. Sie wollte die Augen schließen, doch sie wollten sich nicht von Äneas` Körper trennen, aus dem weiterhin Blut rann. Sie fühlte sich wie ein Geist, ein Wesen ohne Körper, gefangen in diesem einen Moment. D hatte sich unbeeindruckt wieder zu ihr umgewandt und die Waffe nun an ihr Kinn gelegt. „Wo waren wir? Ach ja:“ Warum hatten ausgerechnet ihre Ohren ihren Dienst nicht quittiert? „Du wolltest mir etwas sagen…“ Mechanisch drehte Persephone den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie hatte die Worte gehört, doch ihren Sinn nicht verstanden. Er war wegen ihr tot, hallte es durch ihren leeren Verstand, in dem es einst vor Gedanken nur so gewimmelt hatte. Wegen ihr… Sie sah D nicht- sie starrte ihm ins Gesicht, aber sie sah ihn nicht. Sie versuchte Luft zu holen, was ihr nur schwer gelang und auf einmal umschloss sie eine wohltuende Dunkelheit. Sie erinnerte sich wage daran gehört zu haben, dass Menschen atmen mussten, um zu überleben. Wenn sie das also nicht tat, dann- „Du willst unbedingt sterben oder?“ Wollte sie das? Warum eigentlich nicht? Äneas war wegen ihr gestorben, weil sie Zeus nicht verraten wollte. Wie dumm. War das jetzt noch wichtig gewesen? Es war vorbei. Alles. Sie hatte erfolgreich versagt und ihren Freund getötet. War es da nicht nur gerecht, dass man sie aus dem Spiel des Lebens nahm? Foul. Platzverweis… Die rote Karte vernahm sie in Form des klickenden Geräuschs, als D die Waffe entsicherte. Er würde sie wohl schneller erlösen, als die Folgen der ausbleibenden Luft. Und der Tod kam. Urplötzlich und unglaublich laut. D löste den Griff um Persephones Hals und lies sie kraftlos zu Boden sinken. Er selbst stolperte ein paar Schritte rückwärts und ließ die Waffe, die er in der Hand hielt, ebenfalls scheppernd fallen. Er hustete und aus seinen Mundwinkeln rann plötzlich Blut. Seine Beine knickten ein und mit einem ungläubigen Blick fiel er mit dem Gesicht auf die kalten Steine. Auf einmal erinnerten sich Persephones Lungen wieder an ihre Aufgabe und holten schmerzhaft Luft. Vier, Fünf Atemzüge saß sie nur da, versuchte gegen die Bewusstlosigkeit anzukämpfen und starrte auf D, dessen Rücken sich rot färbte. Dann fiel ihr Blick auf Äneas- und ihr Herz setzte erneut aus. Kraftlos ließ Äneas die Waffe, die er D ganz zu Anfang aus der Hand geschlagen hatte, sinken, rang nach Atem und schaute sie immer noch besorgt an. Er lebte. Er lebte tatsächlich… So schnell sie konnte, krabbelte sie zu ihm hin und half ihm, sich auf den Rücken zu drehen, nur um ihrer aufkommenden Euphorie und wiederkehrenden Lebenskraft einen erneuten Schlag zu versetzen. Unter Tränen sah sie ihm in die glasigen Augen, sah die Schweißperlen auf seiner Stirn und das Blut, das bei jedem quälendem Heben der Brust aus seiner Wunde trat. Er lebte nicht. Er starb auch nicht mehr- sein Herz hatte sich nur noch nicht damit abgefunden, dass es verloren hatte. Vorsichtig nahm sie seine rechte Hand in ihre eigenen und drückte einen Kuss auf dessen rauen Handrücken. Seine Finger fuhren zittrig über ihre Wange, wischten ein paar Tränen weg, strichen durch ihr Haar. Persephones Finger schlossen sich fester um seine Pranke. „Danke…“, ihre Stimme war so schwach, dass sie sich nicht sicher war, ob er es gehört hatte. Er lächelte, sein Blick hellte ein letztes Mal auf, dann schlossen sich seine Lider endgültig. Sein Herz hatte aufgegeben. 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