Espressosorbet von Baph ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Adrien schlenderte durch die Einkaufsstraße. Eigentlich, so überlegte er, war sein selbst gewählter Beruf gar nicht so schlecht – bis auf diese eine Sache. Er hatte viel Bewegung und genug Zeit, um sich der Muße hinzugeben. Entgegen dem, was allgemein als „typisch männlich“ angesehen wurde, machte er gern Schaufensterbummel, gerade jetzt, zur Weihnachtszeit, genau wie er gern stundenlang in Cafés saß und las oder Menschen beobachtete. Aber zurück zum Tagesgeschäft. Noch hatte er sich seine Freizeit nicht verdient, und er musste die Augen offen halten. Da drüben, die junge Frau mit den beiden Kindern, sie wäre sicher leichte Beute. Aber nein, das brachte er dann doch nicht übers Herz – vermutlich hatten sie schon so wenig Geld. Also weiter Ausschau halten. In der Menge, die zwischen den Geschäften kreiste wie Wasser in einer Flusskurve gab es genug passende Opfer, denn er war ein Profi. Aber er wählte ungern Personen, die aussahen, als hätten sie es ohnehin schon schwer genug. Am liebsten waren ihm diese gestressten Managertypen, die ohne einen Blick für die Schönheit der weihnachtlichen Dekoration durch die Menge eilten. Da hatte er kein schlechtes Gewissen, wenn er sie um ihr Geld erleichterte, immerhin hatten sie genug davon. Und, als hätte er mit seinen Gedanken das Stichwort gegeben, tauchte schon so ein Schnösel im dreiteiligen Nadelstreifenanzug auf. Er stürmte in eine Parfumerie und kam keine zehn Minuten später schon wieder heraus, einen Beutel, in dem sicher ein ebenso teures wie geschmackloses Parfum lag, wild schwingend, als wollte er damit die anderen Passanten niederschlagen, sollten sie sie auf die Idee kommen, sich ihm in den Weg zu stellen. Adrien postierte sich vor einem nahen Schaufenster und studierte die Auslagen. Seinen halbvollen Kaffeebecher hielt er locker in einer Hand, trank jedoch nicht daraus. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie der Schnösel den Gehweg entlang hastete und näher kam. Er wich niemandem aus, sondern pflügte die Menschen mit seinem übergroßen Ego beiseite. Wunderbar, das würde es noch einfacher für ihn machen. Wie er es geplant hatte, stießen sie mit voller Wucht zusammen, und der Kaffee ergoss sich über den geschmackvollen Anzug. Während Adrien sich wortreich entschuldigte und ein Taschentuch hervorholte, huschte sein Blick über die Taschen – wunderbar, er war sogar zu dumm, seine Geldbörse in die Innentasche zu stecken. Er überhörte die Beschimpfungen, mit denen der Schnösel ihn übergoss, und machte sich mit einer Hand eifrig daran, den Kaffee von seinem Jackett zu wischen, während er mit der anderen die prall gefüllte Börse aus der Tasche zog und unter seinem weiten Pullover in den Gürtel steckte. Das alles dauerte nicht mehr als ein paar Sekunden, denn es waren oft geübte Handgriffe. Der Schnösel machte sich wütend von ihm los und verlangte das Geld für die Reinigung des Jacketts von ihm. Verdammt. Das war der kritische Punkt. Er konnte ihm das Geld nicht geben, dann würde er sofort merken, dass seine Geldbörse gestohlen worden war. Er stotterte etwas von wenig Bargeld und wich ein paar Schritte zurück, aber der Schnösel packte ihn am Ärmel und hielt ihn fest. Adrien sah sich Hilfe suchend um, aber die Passanten, die sich nach ihnen umsahen, waren zu sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um sich mit ihm aufzuhalten. Langsam schrie der Schnösel sich in Rage. Es schien ihm gar nicht so sehr um das Geld zu gehen; stattdessen ergoss sich der Ärger von Wochen über Adrien, der immer noch versuchte, sich von ihm loszumachen und hoffte, dass ihm jemand zu Hilfe kommen würde. Und tatsächlich blieb jemand auf der anderen Straßenseite stehen. Er trug keinen Schal, sodass über seinem schwarzen Mantel deutlich sein weißer Kragen zu sehen war. Ein Priester? Dann sollte er gefälligst seiner Pflicht zur Nächstenliebe nachkommen und ihn aus den Klauen des rasenden Schnösels befreien. Und tatsächlich überquerte er die Straße und kam direkt auf sie zu. Ohne ein Wort legte er eine Hand auf den Arm des Schnösels, und unter seiner Berührung wurde die schmerzhafte Umklammerung um Adriens Arm locker. „Was gibt es denn?“, fragte er mit sanfter Stimme. Der Schnösel war offenbar katholisch erzogen worden, denn er ließ Adrien sofort los und nahm Haltung an. Sollte der gesenkte Kopf etwa eine Verbeugung andeuten? „Dieser... Bursche da hat meinen Anzug mit Kaffee befleckt, Vater. Und jetzt will er nicht mal die Reinigung bezahlen.“ Hatte der Schnösel tatsächlich befleckt gesagt? Adrien verdrehte die Augen. Dann wandte der Priester sich ihm zu. „Ich... ich habe kein Geld bei mir“, murmelte er mit dem angemessenen Maß an Verlegenheit. Der Priester nickte, griff in die Innentasche seines Mantels und zog einen Geldschein hervor, den er dem Schnösel wortlos in die Hand drückte. Dieser wand sich vor Verlegenheit. „Bitte... Vater, das ist doch nicht nötig...“ Der Priester lächelte mild. „Keine Angst, mein Sohn. Dieser Missetäter wird seine Schulden bei der Mutter Kirche abarbeiten.“ Der Schnösel murmelte ein paar Dankesworte und eilte davon. Bevor Adrien jedoch aufatmen, geschweige denn sich davonmachen konnte, sah ihm der Priester fest in die Augen. Aus seinem Gesicht war jede Freundlichkeit verschwunden. „Vielen Dank... Vater.“ Adrien rang sich zu einem Mindestmaß an Respekt durch. „Lass den Unsinn. Du wirst sehen, dass ich dir keinen Gefallen getan habe. Wie heißt du?“ „Andreas Meininger“, log er routiniert. Der Priester musterte ihn. „Claudius Labeo“, antwortete er dann. „Und Andreas ist nicht dein richtiger Name, genauso wenig, wie du den Kaffee aus Versehen aus Versehen verschüttet hast. Du bist ein Taschendieb. Ich habe dich beobachtet.“ Verdammt. Adrien hatte nie wirklich geglaubt, dass er erwischt werden würde; das passierte nur Junkies, die das Geld für den nächsten Schuss brauchten. Er hingegen war immer planvoll und kontrolliert vorgegangen... und dann war er ausgerechnet einem Geistlichen ins Netz gegangen. „Komm“, sagte Labeo, und Adrien tappte ihm betreten nach. Der Priester schlug ein scharfes Tempo an, und eine Weile eilten sie schweigend nebeneinander her. Dann ergriff Labeo erneut das Wort. „Du kannst deine Schuld bei mir begleichen, indem du heute bei mir übernachtest. Stell keine Fragen, tu einfach was ich dir sage, und ich werde darauf verzichten, dich bei der Polizei anzuzeigen.“ Adrien stolperte. „Bei dir übernachten?“ Unwillkürlich nahm er die vertrauliche Anrede auf. „Bist du einer von denen, die sich an kleine Jungen ranmachen, oder was?“ Labeo warf ihm einen Seitenblick zu. „Dann hätte ich mir wohl kaum dich ausgesucht. Nein, es ist eine Art... Test.“ Er verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Du brauchst keine Angst um deine Jungfräulichkeit zu haben.“ Langsam brach die Dunkelheit herein. Die Winterdämmerung legte sich wie eine graue Decke über die Stadt, und das Wohnviertel, in das Labeo ihn geführt hatte, lag da wie ausgestorben. Adrien wägte das Für und Wider ab. Natürlich könnte Labeo ihn anzeigen. Aber er hatte keine Zeugen dafür, dass Adrien den Schnösel bestohlen. Natürlich war es eine allgemein bekannte Vorgehensweise von Taschendieben, die Kleidung ihrer Opfer zu beschmutzen, aber so stark die Indizien auch sein mochten, es gab keine Beweise. Als hätte Labeo seine Gedanken gelesen, sagte er: „Übrigens habe ich gefilmt, wie du den Mann beraubt hast.“ Aus seiner Manteltasche holte er eine kleine Digitalkamera. „Morgen früh kannst du das Video löschen, und wir werden sicher gehen, dass ich keine Gelegenheit habe, eine Kopie anzufertigen. Ich will nicht, dass du vor Gericht kommst, ich will nur, dass du mir heute Nacht Gesellschaft leistest und genauso wenig daran interessiert bist, darüber zu reden, wie ich.“ Adrien seuftze. „Na gut. Aber vorher will ich das Video sehen.“ Labeo zeigte ihm den Film, ohne die Kamera aus der Hand zu geben. Es war wirklich erstaunlich, wie gut die Qualität der Bilder war – alles war darauf zu sehen, sogar die flinke Bewegung, mit der die Börse des Schnösels unter Adriens Pullover gewandert war. „Dann schlage ich vor, du sagst mir deinen richtigen Namen. Als Zeichen dafür, dass ich dir vertrauen kann.“ Adrien runzelte die Stirn. „Warum sollte ich das tun?“ Labeo sah ihn kalt an. „Weil du nicht willst, dass ich mit diesem Video zur Polizei gehe.“ Adrien rang einen Augenblick mit sich, dann sah er ein, dass er keine andere Wahl hatte, wenn er den Priester nicht erschlagen wollte. „Adrien Marais“, knurrte er. „Sehr gut. Ich hoffe, du magst Bœuf Stroganoff.“ „Kommt auf die Beilage an.“ „Ich hatte an Gemüsereis gedacht, aber ich glaube, im Tiefkühlschrank sind noch ein paar Pommes Frites vom Besuch meiner Nichte.“ Klang da etwa Spott in seiner Stimme mit?“ „Schade, ich hatte eher an weiße Trüffel gedacht.“ „Oh, da hat wohl jemand vor kurzem einen Feinkosthändler überfallen.“ Adrien blieb stehen. „Sollte ein Priester nicht eigentlich freundlich sein? Ich mache bei deinem Spielchen mit, weil du mich in der Hand hast, aber das heißt nicht, dass ich mir alles von dir gefallen lasse. Du könntest mir ruhig etwas Respekt erweisen.“ Labeo musterte ihn ausdruckslos, dann zuckte er mit den Schultern und ging weiter. „Respekt muss man sich verdienen. Jetzt komm.“ Sie durchquerten einen Park, der in der Winterdämmerung wie ausgestorben da lag. Der Schnee knirschte unter Adriens Schuhen. Er war noch nicht dazu gekommen, sich feste Stiefel zu besorgen, und die Kälte drang durch die dünnen Sohlen. Labeo sah ihn von der Seite an, und ausnahmsweise war sein Blick sanft, beinahe freundlich. „Du zitterst“, stellte er fest. Adrien schluckte die spitze Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag. „Mir ist kalt“, antwortete er nur. Labeo erwiderte nichts, und sie gingen schweigend nebeneinander her. Vor ihnen lag eine flach abfallende, von Reif bedeckte Wiese, an deren unterem Ende ein Teich lag. Im Sommer war es hier sicher voll von Pärchen und picknickenden Familien, aber jetzt war außer ihnen niemand hier, und die Stille war so tief, wie sie es nur in einer Dezembernacht sein konnte. Das letzte Licht hing jetzt in den Wolkenstreifen, die vor dem farblosen Horizont tiefrot glühten. Für einen Augenblick glaubte Adrien, dass es dieses Licht war, das sich im Teich spiegelte, aber dann entdeckte er am anderen Ufer des Teichs eine Gruppe Kinder, die Laternen in den Händen hielten, kicherten und sich in der Dunkelheit beinahe gegenseitig umschubsten. Sie folgten dem Weg, der um das Ufer herumführte, und als sie sich der Gruppe näherten, schauten die Erwachsenen, die etwas abseits standen, auf und nickten ihnen zu. Adrien erwiderte den Gruß, aber Claudius, der sehr gerade ging, schaute stur nach vorne, den Mund zu einem harten Strich gespannt. Dann stieß eine der Frauen einen leisen Ruf aus, und Getuschel brach aus. Als sie ein paar Meter weit gegangen waren, hörte Adrien einen geflüsterten Satz, der ihn genauer hinhören ließ. „... soll sie angefasst haben.“ Er verlangsamte seinen Schritt, um die Antwort darauf zu hören. Eine Frau erwiderte, ohne ihre Stimme allzu sehr zu dämpfen: „Man sollte ihm die Arbeit mit Kindern verbieten.“ Adrien blieb stehen und drehte sich zu ihnen um, aber Labeo fasste ihn am Ärmel und zog ihn weiter. Sein Gesicht war wie aus Stein, und Adrien, der ihn nicht noch mehr in Verlegenheit bringen wollte, folgte ihm. Da sagte jemand aus der Gruppe: „Eine Schande, dass er sich einfach so mit seinem Stricher hier blicken lässt.“ Da riss Adrien sich los und stürmte auf die Gruppe zu. „Können Sie sich nicht wenigstens die Mühe machen, zu warten, bis er Sie nicht mehr hört?“, fauchte er. Sie musterten ihn überrascht, und eine Frau ergriff das Wort. „Gehören Sie zu ihm?“ fragte sie und zeigt mit dem Finger auf Claudius, der unbeweglich auf dem Weg stand. In der Dunkelheit konnte Adrien nicht erkennen, ob er ihnen das Gesicht oder den Rücken zukehrte. „Warum reden Sie über uns?“, fragte er wieder, und das nahm die Frau wohl als ausreichende Antwort. „Sie sollten sich nicht mit ihm einlassen, es sei denn, Sie sind genauso wie er.“ Dieses genauso sprach sie mit einer solchen Verachtung aus, dass es Adrien kalt überlief. „Was soll das heißen?“ Die Stimme der Frau wurde schärfer. „Das heißt, dass er seine Vertrauensposition gerne ausnutzt, vor allem bei kleinen Jungen!“ Adrien zuckte zusammen, und unwillkürlich fiel ihm sein erster, unbedacht geäußerter Verdacht wieder ein. „Haben Sie dafür irgendwelche Beweise?“ Mit bittere Miene schüttelte die Frau den Kopf. Der Mann neben ihr sagte: „Da muss man gar nichts beweisen, man sieht ja, wie er die Jungen ansieht.“ Adrien beachtete ihn nicht, sondern wandte sich an die Frau. „Können Sie mit ihrer Verachtung nicht wenigstens warten, bis sie Gewissheit haben?“ Sie sah ihn überrascht an, ihre Augen wurden groß, und die Härte verschwand aus ihrem Gesicht. Er wandte sich von ihr ab, bevor sie zurückkehrte. Den Rest des Weges schwieg Labeo, als hätte er vergessen, dass Adrien bei ihm war, und das war ihm nur Recht. Er war nicht stolz auf seinen Auftritt, aber auch er hatte seine Grenzen. Labeos Wohnung lag in einem renovierten Altbau und war furchtbar klein, aber gemütlich. Es gab ein kleines Vorzimmer, das an jeder Seite eine Tür hatte. Durch die eine betrat man die Wohnung, die drei anderen führten ins Bad, in das Wohnzimmer mit Kochecke und ins Schlafzimmer. Das Wohnzimmer gefiel Adrien auf Anhieb. Der Boden war mit alten Dielen ausgelegt, und an der Wand zum Schlafzimmer gab es einen echten Kamin, in dem die Holzscheite schon bereit lagen und nur darauf zu warten schienen, dass jemand sie anzündete. Davor standen zwei Sessel und ein kleiner Tisch. Zwischen den Fenstern mit ihren dunklen Vorhängen stand ein schmaler Kiefernholztisch mit zwei alten, grob reparierten Stühlen. Jeder freie Fleck Wand war mit Büchern bedeckt. Das einzige, was hier auf die Berufung des Besitzers hinwies, war die wunderbar geschnitzte Figur eines Heiligen, die auf dem Kaminsims kniete. „Ich sehe, es gefällt dir“, stellte Labeo fest, als er einen Wandschirm beiseite rückte und die Kochecke dahinter freilegte. Adrien verstand, warum er sie verdeckte: ihre weiße, geradlinige Funktionalität hatte nichts mit der einfachen, aber stimmungsvollen Einrichtung des Wohnraums gemeinsam. Adrien nickte, streifte sich die Schuhe ab und trat ins Wohnzimmer. Labeo schaltete das Licht in der Kochnische an. „Sieh dich nur um. Ich bereite in der Zwischenzeit das Essen vor.“ Er öffnete den Kühlschrank und holte die Zutaten heraus: zarte Filets, den man beinahe ansah, wie sie auf der Zunge zergehen würden, Vollkornreis, frische Möhren, Paprika, Zwiebeln, Tomaten und Zucchini. Adrien runzelte bei diesem Anblick die Stirn. „Wieso hast du für zwei eingekauft?“ Labeo schenkte ihm ein freudloses Lächeln. „Glaubst du, ich hätte dich ganz spontan eingeladen, weil du mir so sympathisch bist?“ Adrien überging die Beleidigung. „Soll das heißen, du hattest das alles geplant? Für heute?“ Gleichgültig wandte Claudius sich dem Reis zu. Sein Schattenriss hob sich scharf vom grellen Licht der Leuchtstoffröhre über der Arbeitsplatte ab. „Natürlich für heute, sonst würde das Fleisch schlecht werden.“ „Was soll das? Wieso hast du mich gezwungen, hierher zu kommen?“ Labeo hörte auf, die Zucchini zu schneiden, und stand einen Moment reglos da, die Schultern verkrampft. Dann drehte er sich zu Adrien um, und nur in dem Moment, in dem das Licht von der Seite auf sein Gesicht fiel, war zu erkennen, wie es in ihm arbeitete. „Sagen wir, es ist eine Probe. Ein Test für mich. Ich will mir selbst etwas beweisen. Aber das braucht dich nicht zu kümmern, ich habe dir gesagt, dass es eine harmlose Sache ist.“ Er schwieg einen Moment. „Wenn du willst, kannst du das Feuer im Kamin anzünden, und hier unten im Schrank sind Kerzen.“ Adrien beschloss, es vorerst bei dieser Antwort zu belassen. Obwohl diese Situation ihn sehr wohl betraf, hatte er das Gefühl, dass die Gründe des Priesters ihn nichts angingen. Für ihn war seine Freiheit Grund genug. Auf dem Kaminsims fand er Streichhölzer, die in respektvoller Entfernung zu der Heiligenfigur lagen. Er verteilte die Kerzen in die Ständer, die überall im Zimmer standen, und entfachte das Kaminfeuer. Inzwischen brieten auch die Filetspitzen im Zwiebelsud, und ein köstlicher Duft zog durch das kleine Zimmer. Er überlegte, ob er seinem Gastgeber Hilfe anbieten sollte, aber Labeo arbeitete so konzentriert, als führte er einen komplizierten wissenschaftlichen Versuch durch, und so sah Adrien sich die Heiligenfigur auf dem Kaminsims näher an. Der Mönch war sehr dünn, und seine Tonsur kaum mehr als ein spärlicher Kranz dünner Haare. Die Hände mit den mageren Fingern hatte er vor der Brust gefaltet, und die herabgerutschten Ärmel, entblößten ebenso schmale, von Wunden oder Narben übersäte Arme. Seine Waden und Füße unter dem zerrissenen Saum der Kutte sahen regelrecht zerrissen aus, als wäre er über Dornen gelaufen. Aber sein Gesicht zeigte keine Schmerzen. Es war aufwärts gewandt, der Mund leicht geöffnet, die Mundwinkel ein wenig gehoben. Die Augen waren geöffnet, die Brauen gehoben, und alles drückte freudige Überraschung und Erleichterung aus. Um die ganze Figur war die Kette eines einfachen Rosenkranzes geschlungen, dessen schimmerndes Kreuz auf der Seite des Heiligen lag. In den Sockel waren Worte geschnitzt, aber es war zu dunkel, um sie zu lesen. Er trug eine Kerze herbei, und jetzt konnte er erkennen, dass die Figur San Juan de la Cruz darstellte – den Heiligen Johannes vom Kreuz, wie er sich mithilfe seiner wenigen Spanischkenntnisse zusammenreimte. „Lies, was auf der Unterseite des Sockels steht.“ Labeo war hinter ihn getreten, ohne dass Adrien es bemerkt hatte. Er stellte die Kerze auf den Kaminsims und hob die Figur vorsichtig an. In das glänzend polierte Holz war in Gold die Strophe eines Liedes oder eines Gedichts eingelegt. Hilfos sah er auf. „Ich verstehe nur sehr wenig spanisch.“ Labeo sah ihn wieder mit diesem beinahe freundlichen Blick an. „Doch je mehr ich nahe kam / diesem Ziel, das ich ersehnte desto / tiefer ich mich wähnte / und ich fand mich matt und lahm. Doch zuletzt ich ganz verzagte / sprach: Wer wäre da genug? Sieh' da ging so hoch mein Flug / dass ich endlich es erjagte“, zitierte er aus dem Gedächtnis. Adrien schwieg überrascht und musterte den glatten, reglosen Heiligen in seinen Händen, als könnte er sich auf einmal bewegen. Dann stellte er ihn zurück auf den Sims. Labeo reichte ihm ein Buch. „Falls der Heilige Johannes dich interessiert“, sagte er, dann kehrte er zu seinen Filetspitzen zurück. Adrien, dessen Füße immer noch eiskalt waren, setzte sich in einen Sessel, streckte die Beine zum Feuer hin und schlug das „Lexikon der Heiligen“ auf, das Labeo ihm gegeben hatte. Im Register fand er Johannes vom Kreuz und las den Artikel über ihn, bis Labeo ihn zum Essen rief. Während sie, einander gegenüber sitzend, schweigend aßen, fragte er sich, warum Labeo sich ausgerechnet diesen Heiligen ausgesucht hatte. Laut dem Nachschlagewerk hatte er einen neuen Orden gegründet, hatte Probleme mit der religiösen Führung Spaniens gehabt und war sogar verhaftet worden. Bald nach seiner Entlassung war er den Strapazen der Haft erlegen. Was ihn aber eigentlich aus dem endlosen Strom der Heiligen heraushob, waren seine mystischen Lieder, aus denen eine außerordentliche, kompromisslose Liebe zu Gott sprach. Das bekannteste, „Die dunkle Nacht“, war in dem Buch zitiert worden, und tatsächlich war es voller Sehnsucht und Zärtlichkeit, ohne jedoch nur eine Spur weltlichen Begehrens aufzuweisen. Es war schwer, den Eindruck, den das Lied des Heiligen auf ihn gemacht hatte, in Worte zu fassen, aber Adrien fand die Melodie der Worte leicht und anmutig, als könnten sie sich jeden Augenblick vom Blatt lösen und in einem klingenden, leuchtenden Reigen aufsteigen, um ihrem Verfasser zu folgen. Labeo hingegen schien mit diesem Heiligen nichts gemeinsam zu haben als den Glauben. In seinem Wesen schien weder die Begeisterung noch die überragenden Liebe des Heiligen Johannes zu liegen. Sein Gesicht war streng und freudlos, seine Augen stumpf und seine Bewegungen die eines von langer Krankheit geschwächten Mannes. Allerdings, so erinnerte sich Adrien, kannte er den Priester kaum, der ihm da gegenüber saß, und er zählte selbst nicht zu den Menschen, die einem Fremden sofort ihr innerstes offenbarten. Und eigentlich ging es ihn auch gar nichts an. Labeo schien zu spüren, dass Adrien ihn ansah, und blickte auf. „Ist etwas?“ Adrien spürte, wie er rot wurde. „Ich – ich habe Durst. Könnte ich ein Glas Wasser haben?“ Der Geistliche nickte. „Natürlich. Entschuldige, ich trinke immer erst nach dem Essen.“ Er stand auf und brachte Adrien ein Glas, aus dem er gierig trank. „Das Essen ist ausgezeichnet“, sagte er wahrheitsgemäß. Das ehrliche, aber beiläufige Kompliment hatte eine überraschende Wirkung auf seinen Gastgeber: sein Gesicht verlor an Härte, und er begann, mit Adrien zu plaudern. Von dieser plötzlichen Veränderung überrascht, ließ er sich auf die Unterhaltung ein. Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, kochte Labeo eine Kanne würzigen Kräutertees, und sie zogen vor den Kamin, um ihr Gespräch fortzusetzen. Irgendwann im Laufe des Abends ging Adrien dazu über, seinen Gastgeber mit dem Vornamen anzureden, was ihm ganz natürlich schien und den Geistlichen nicht zu stören schien. Claudius erzählte ihm von seinen Wallfahrten und Reisen zu den Wirkungsorten berühmter Heiliger. So hatte er beinahe ganz Europa gesehen, und mit leuchtenden Augen erzählte er von der Kathedrale des Heiligen Jakob, den eisigen Quellen in Lourdes, dem Stift in Melk, den Meteoraklöstern in Griechenland und dem ärmlichen, gänzlich unwichtigen Karmeliterkloster Durvelo in Andalusien, wo der Heilige Johannes mit der Reform seines Ordens begonnen hatte. Dort hatte er einen Kunsthandwerker mit der Fertigung der Figur beauftragt, die jetzt auf seinem Kaminsims stand. Angesichts der angeregten, beinahe vertrauten Stimmung traute Adrien sich, die Frage zu stellen, die ihm den ganzen Abend nicht aus dem Kopf gegangen war. „Wieso ist es gerade der Heilige Johannes, der dir so viel bedeutet?“ Claudius lächelte, ein schmaler, geschwungener Bogen. „Sieh dir dir Figur, ihre Hände, noch einmal genau an.“ Adrien tat, wie ihm geheißen, und entdeckte, dass der Heilige die Hände nicht zum Gebet gefaltet hatte, sondern ein Kruzifix an die Brust drückte wie andere Männer ein Bild ihrer Geliebten am Herzen trugen. „Die Kraft und Unerschütterlichkeit, mit der der Heilige Johannes Gott geliebt hat, hat mich immer beeindruckt“, sagte Claudius. „Ich habe ihn darum beneidet, weil ich von Anfang wusste, dass ich dazu niemals fähig wäre.“ Er starrte blicklos ins Feuer, und sein Gesicht verfinsterte sich. „Ich wusste immer, dass ich keine Wahl haben würde, als ihm nachzueifern und meine ganze Sehnsucht auf den Herrn zu richten. Meine Art zu lieben war immer unmöglich...“ Adrien, der nicht mit einem so intimen Geständnis gerechnet hatte, sah verwundert auf, und Claudius erwiderte seinen Blick ebenso überrascht. Offenbar hatte er nicht vorgehabt, so tiefgründig zu werden. In diesem Augenblick, in dem sie einander mit völliger Offenheit ansahen, bemerkte Adrien, dass Claudius' Gesicht im Laufe des Abends schön geworden war. Alles Kalte und Asketische war von ihm abgefallen, die Wangen hatten sich gerötet und die Augen waren lebendig. Strähnen des dunklen, vorher streng zurückgekämmten Haares waren ihm in die Stirn gefallen und berührten seine dichten, geraden Brauen. Sein Mund war nicht mehr angespannt, und Adrien dachte, dass die Psalmen, die von seinen Lippen gesungen wurden, besonders klangvoll sein mussten. Dann erhob Claudius sich. „Ich... ich denke, es ist Zeit, schlafen zu gehen.“ Wortlos holte er aus dem Schlafzimmer eine Matratze und Bettzeug. Er legte es vor den Kamin und lächelte Adrien zu, aber er war immer noch unsicher. „Dann... gute Nacht. Wenn irgendetwas ist, weck mich nur, ich schlafe ohnehin unruhig.“ Er verstummte, machte aber keinen Anstalten, sich zurückzuziehen, sondern sah nur immer Adrien an, mit einem traurigen, wehmütigen, sehnsüchtigen Blick, der ihm zu Herzen ging. Unwillkürlich machte er einen Schritt auf Claudius zu und streckte die Hand nach ihm aus, aber der wich zurück, als hielte Adrien ihm eine giftige Schlange hin. „Entschuldige bitte, ich bin heute Abend heute nicht ganz bei mir. Nimm es nicht persönlich.“ Mit diesen Worten verschwand Claudius in seinem Zimmer. Adrien blieb zurück, verwirrt, aber nicht verunsichert. Er fühlte sich sicher in Claudius' Wohnung, und so traf er seine Vorbereitungen für die Nacht und suchte in den Regalen nach einem passenden Buch, um sich in den Schlaf zu lesen. Die Interessen seines Gastgebers waren deutlich zu erkennen: ein ganzes Regal war alten Sprachen gewidmet, und auf dem untersten Brett stapelten sich Partituren geistlicher Musikstücke. Aber Adrien hatte mit Aramäisch und Altgriechisch nie viel am Hut gehabt, und entschied sich lieber für eine Kurzgeschichtensammlung. Als er das Buch herauszog, fiel ihm hinter der Reihe der Bücher ein flacher Stapel Papier auf. Er zog es hervor, ohne überhaupt daran zu denken, dass die Seiten dort mit Absicht versteckt worden sein konnten. Er hielt es für eine vergessene Zeitschrift oder etwas Ähnliches... was an sich auch nicht falsch war. Völlig perplex starrte er auf das Titelblatt des Magazins, auf dem ein junger, muskulöser Mann in eindeutiger Haltung posierte. Er blätterte in der Zeitschrift, als könnte das ganze sich als ein Irrtum entpuppen, eine Zeitschrift über Theologie oder Politik oder Rosenzucht in einem falschen Umschlag, aber es war und blieb homosexuelle Pornographie, die er da in der Hand hielt. Hitze stieg ihm ins Gesicht, als er sich die Bilder ansah, gegen seinen Willen fasziniert. Dann ließ er die Zeitschrift sinken, wobei ein paar Blätter heraus rutschten und zu Boden fielen. Gehörte das wirklich Claudius? Dieser ernste, strenge, geradezu asketische Mann mit seiner Bewunderung für einen frühneuzeitlichen Reformer? Aber dann fiel ihm die Begebenheit im Park ein... und die Worte, die Claudius gesagt hatte, bevor er Adrien eine gute Nacht gewünscht hatte. Meine Art zu lieben war immer unmöglich. In Adriens Vorstellung begann ein Bild, sich abzuzeichnen. Ein Junge, der im Haushalt katholischer Eltern aufwuchs. Er wollte Priester werden, und die Eltern bestärkten und ermutigten ihn in seinem Wunsch. Als ihm klar wird, dass er vom eigenen Geschlecht angezogen wird, hält er es geheim, um seine Eltern nicht zu enttäuschen und seinen Berufswunsch nicht aufs Spiel zu setzen. Und so nimmt sein Leben seinen Lauf, während er ständig acht geben muss, sich nicht zu verraten. Schließlich arbeitet er mit der Gemeinde, und da sind diese frischen, schönen, arglosen Jungen, und der tägliche Umgang mit ihnen facht die mit Gebeten und Beichten eingeschläferte Begierde wieder an... Natürlich war es völlig unvorstellbar, dass Claudius sich jemals tatsächlich der Misshandlung oder Nötigung schuldig gemacht hat. Aber seine Blicke, die Art, wie er auch die unschuldigsten Berührungen vermied, mussten irgendwann auffallen. In einem plötzlichen Aufwallen von schlechtem Gewissen stopfte er die Zeitschrift zurück ins Regal und bückte sich nach den losen Seiten. Aber sie gehörten nicht zu der Zeitschrift. Stattdessen handelte es sich um ein paar unlinierte, ein wenig vergilbte Seiten, die mit einer engen, zittrigen Schrift bekritzelt waren. Adrien rang mit sich. Er sollte sie zurücklegen. Er sollte vergessen, was er gesehen hatte, und sich schlafen legen, damit er morgen alles für einen Traum halten konnte. Aber dann siegte die Neugier, und er nahm die Seiten mit zum Feuer, legte einen Holzscheit nach, damit es heller brannte, und begann zu lesen. Es war eine gut geschriebene, aber inhaltlich mittelmäßige pornographische Erzählung, die sich darin erschöpfte, dass zwei Männer in den unterschiedlichsten Situationen miteinander schliefen; eindringliche, verzweifelte, rohe Szenen, die Adrien das Blut ins Gesicht jagten... und nicht nur dorthin. Auffallend war die beinah sklavisch befolgte Rollenaufteilung: der Protagonist, aus dessen Sicht erzählt wurde, war ein hilfloser junger Mann, sein Gegenspieler, gleichzeitig Peiniger und Geliebter, verfügte über ihn wie über eine Marionette, auch wenn es gegen den Willen des Protagonisten geschah. Natürlich genoss er es am Ende immer, aber offenbar hatte der Verfasser seiner Hauptfigur weder Selbstachtung noch einen eigenen Willen zugestanden; er trug nicht einmal einen Namen. Der höhnische, lieblose, aber unersättliche Widerpart wurde nur Pik König genannt. Die Erzählung hörte irgendwann einfach auf, und Adrien hatte den Verdacht, dass es keine zusammenhängende Geschichte sein sollte, sondern eher eine Art Tagebuch... Der Verfasser schien sein eigenes, verteufeltes Begehren in der Gestalt von Pik König personifiziert zu haben, dem er hilflos ausgeliefert war. Der Verfasser... Claudius. Aber wann hatte er aufgehört zu schreiben? Die Zeitschrift war Jahre alt gewesen, er wusste nicht genau, wieviel. Sein Blick fiel auf den Heiligen Johannes und das Kruzifix, dass er wie ein Bild des Liebsten an die Brust drückte. Ja, er hatte die Zeitschrift und seine Geschichte hinter den Büchern begraben und versucht, seine Liebe nur auf Gott zu richten, sie von allem, was er für unrein und unwürdig hielt, zu reinigen. Er las die Geschichte noch einmal, und diesmal fielen ihm die Sätze ins Auge, in denen Pik Königs Äußeres beschrieben wurde. „Er war nicht groß ... gerade seine Zierlichkeit machte es so schwer, sich ihm zu widersetzen … sein dunkelblondes, goldenes Haar, dessen Duft allein schon genügte, um meine Gegenwehr zu schwächen... seine spöttischen braunen Augen...“ Es klang, als hätte er sich Adrien als Vorbild erwählt. Natürlich war diese Erzählung schon vor Jahren entstanden, aber die Ähnlichkeit war unübersehbar. Hatte Claudius ihn deswegen hergebracht? Ein Geräusch schreckte ihn auf. Claudius stand in der Tür, jetzt in einem blütenweißen Schlafanzug, und der Blick, mit dem er Adrien ansah, verriet ihm, dass der Geistliche ganz genau wusste, was er da in der Hand hielt. Jeder Versuch, die Situation zu entschärfen, war zum Scheitern verurteilt. Adrien dankte Gott, dass er sich wenigstens so weit zugedeckt hatte, dass Claudius nicht sah, wie sein Körper auf die Geschichte reagiert hatte. Nachdem sie eine Weile reglos verharrt hatten, streckte Claudius die Hand aus. „Gib mir das.“ Seine Stimme war tonlos, bebte aber wie ein Damm, der kurz davor war, zu brechen. Adrien reichte ihm die Seiten, und als ihre Fingerspitzen sich dabei streiften, überkam ihn plötzlich Lust, Claudius zu sich herunterzuziehen und ihm zu zeigen, dass es Pik König wirklich gab. Aber Claudius Blick nagelte ihn fest, und Adrien fand es unmöglich, das Ausmaß der Verzweiflung, der Scham, des Zorns und des Begehrens nachzufühlen, das darin lag. „Claudius...“ Der Geistliche zuckte zusammen, rührte sich aber nicht und erwiderte auch nichts. Adrien setzte erneut an. „Warum bin ich hier? Wozu hast du mich hergeholt?“ Claudius verzog das Gesicht, dann holte er tief Luft, und sein Körper entspannte sich ein wenig. „Weil ich mir beweisen musste, dass ich es fertig bringe, dich nicht anzurühren.“ Seine Mundwinkel zuckten, als wollte er noch mehr sagen, aber dann ging er mit ungelenken Schritten wieder in sein Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Adrien stand auf, suchte seine Sachen zusammen und verließ die Wohnung. Er konnte die Tür im letzten Moment aufhalten und wieder hineinschleichen. Er suchte nach Papier, fand aber nur einen Block mit Notizzetteln in der Küche. Er beschrieb eine ganze Menge von ihnen in dem Versuch, sich zu erklären, aber es war nur sinnloser Wortbrei, und er warf sie weg. Dann nahm er einen neuen und schrieb nur: Ich gehe nicht, weil ich wütend bin, aber ich sehe, dass meine Gegenwart dir wehtut. Wenn du mich suchst, weißt du, wo du mich findest. Damit war alles gesagt, und er verließ die Wohnung jetzt endgültig und ließ die Tür leise ins Schloss gleiten, um Claudius nicht zu stören. Eine Woche später, am 24. Dezember, saß Adrien seit beinahe zehn Jahren das erste Mal wieder in einem Gottesdienst. Er war lange gelaufen, um in diese Kirche zu kommen, und jetzt versuchte er, sich auf die Worte der Predigt zu konzentrieren. Aber er war nervös, obwohl er sich immer wieder sagte, dass er dazu keinen Grund hatte. Er hatte sich gründlich auf diese Begegnung vorbereitet, indem er tagelang in der Universitätsbibliothek gesessen und gelesen hatte. Immer noch schwirrte ihm der Kopf von den klangvollen Versen und großen Ideen, aber immerhin war er mit dem Gesamtwerk des Heiligen Johannes vom Kreuz jetzt einigermaßen vertraut. Die Predigt war vorbei, der Priester spendete den Weihnachtssegen und die Gemeinde begann, sich zu zerstreuen. Adrien, der in der hintersten Bank saß, wartete, bis die Kirche leer war, das flache, rechteckige Paket mit verschränkten Armen an die Brust gedrückt. Schließlich kam der Diakon zu ihm, jetzt in sehr weltlichen Jeans mit Wattejacke. „Entschuldigen Sie, aber wir müssen die Kirche jetzt schließen.“ Adrien erhob sich. „Ich würde gern mit dem Priester, Claudius Labeo, sprechen.“ Der Diakon hob die Schultern. „Herr Labeo verlässt die Kirche durch die Sakristei. Kommen Sie mit hinaus, dann zeige ich Ihnen den Eingang.“ Schweigend wartete Adrien, bis das Kirchenportal verschlossen war. Die Kälte des Schnees drang durch seine Sohlen, und er trat unruhig von einem Bein aufs andere. Dann führte der Diakon ihn zum Ausgang der Sakristei, wünschte frohe Weihnachten und ging. Adrien postierte sich ein Stück entfernt hinter einem Baum, so dass er sehen konnte, wenn die Tür sich öffnete, ohne dass er selbst sofort entdeckt werden würde. Kurz darauf war es so weit. Claudius trat heraus, streng und gleichgültig wie immer. Adrien sammelte seinen ganzen Mut und trat hinter dem Baum hervor. „Hallo, Claudius.“ Der Geistliche zuckte zusammen, als hätte Adrien ihm einen Schlag versetzt. Er starrte ihn an wie einen Geist, und die Muskeln seines Kiefers verspannten sich. Adrien streckte die Hand aus, in der er das Paket hielt, und rang sich ein Lächeln ab. „Fröhliche Weihnachten.“ Claudius verharrte einige Augenblicke reglos, dann gab er sich einen sichtlichen Ruck, brachte die wenigen Schritte, die sie voneinander trennten, hinter sich, und nahm das Geschenk entgegen. Aber anstatt es zu öffnen, starrte er es an, als überlegte er, ob nicht etwas Gefährliches darin sei. „Mach es auf“, sagte Adrien, und er war überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Claudius warf ihm noch einen Blick zu, dann löste er das Packpapier, ließ es achtlos zu Boden fallen und musterte das schmale Buch mit dem verblichenen grünen Leineneinband. Adrien kannte die Worte in Goldprägeschrift, die er jetzt las: Worte von Licht und Liebe. Mit zitternden Fingern schlug Claudius das Buch auf, strich über die Titelseite. Adrien las sie über Kopf: Johannes vom Kreuz: Worte von Licht und Liebe. Kleinere Schriften und Briefe. „Was willst du, Adrien?“, fragte er, ohne ihn anzusehen Adrien lächelte. „Ich will – dein Freund sein. Dir die Last, die du trägst, etwas leichter machen. Aber ich bin mir im Klaren darüber, dass du von der Idee möglicherweise nicht so begeistert bist.“ Claudius schloss das Buch, strich zärtlich über den Einband und sah Adrien mit einem Blick an, der ihn Überwindung kostete. „Ich könnte dir einen Kaffee anbieten.“ Als Claudius die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, fühlte Adrien sich nicht gerade, als würde er nach Hause kommen – aber er betrat die Wohnung wie jemand, der das Haus seiner lange zurückliegenden Kindheit besucht und findet, dass sich dort nichts verändert hat. Claudius kochte in einem kleinen Kupfertopf arabischen Kaffee, und Adrien entzündete ein Feuer im Kamin. „Ich will dir eine Geschichte erzählen“, sagte Adrien, als sie, jeder mit einer Tasse, in ihren Sesseln saßen. „Vielleicht kommt dir ja das eine oder andere daraus bekannt vor.“ Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse, sammelte seine Gedanken und begann dann seine Erzählung. „Meine Mutter starb, als ich zehn war. Mein Vater liebte mich, aber er war sehr streng, und es war gut für uns beide, als ich mit zwölf in ein Internat kam. Mein Vater hatte Beziehungen, und so schaffte er es, mich in einer Jesuitenschule unterzubringen, obwohl ich dafür eigentlich nicht gut genug war.“ Claudius blickte überrascht auf, sagte aber nichts. „Das erste Jahr dort war ich eigentlich glücklich, denn wenn die Jesuitenpadres auch nicht nachlässiger waren als mein Vater, war ich doch mit Gleichaltrigen zusammen, von denen einige gute Freunde wurden. Einen von ihnen mochte ich besonders. Er war, obwohl drei Jahre älter als ich, in meiner Klassenstufe. Er hatte Schwierigkeiten mit den Regeln, und ich hatte oft das Gefühl, dass er mir etwas verheimlichte, aber das beeinträchtigte unser gegenseitiges Vertrauen nicht. Er war sehr kreativ, spielte Cello im Orchester der Schule und lernte Sprachen beinahe im Schlaf. Als wir in der zehnten Klasse waren, sprach er fließend Aramäisch. Ich hingegen... ich war immer durchschnittlich. Aber er hat nie auch mich herabgesehen, sondern mich immer als ebenbürtig angesehen. Einmal fragte ich ihn, warum er mit mir befreundet sei, obwohl ich mich geistig nicht mit ihm messen konnte und dazu noch jünger war. Da lächelte er und sagte: 'Du hilfst mir, zu verstehen, worum die Padres so viel Wirbel machen.' Damals verstand ich ihn nicht... Aber am Ende der Sommerferien bekam ich einen Brief von ihm. Er schrieb mir, dass er mir etwas mitteilen müsse und damit nicht bis zum Beginn des neuen Schuljahres warten wollte, damit ich die Möglichkeit hätte, die Schule zu wechseln. Ich erschrak, und der Rest des Briefes war nicht gerade dazu angetan, mich zu beruhigen. Denn er schrieb, dass er sich in mich verliebt habe...“ Er brach ab, räusperte sich und nahm einen Schluck Kaffee. Claudius sah ihn mit einem Blick an, als bedauerte er, Adrien so gut zu verstehen. Seine Hände zitterten. „Ich war ratlos. Ich wusste nicht, was ich tun oder lassen sollte. Es war undenkbar, meinen Vater einfach so, ohne Begründung, um einen Schulwechsel zu bitten, und genauso unmöglich war es, ihm davon zu erzählen, was mein Freund mir geschrieben hatte. Außerdem wurde mir langsam klar, dass ich ihn nicht verlieren wollte, auch wenn ich nicht wusste, ob ich seine Gefühle erwiderte. Also kehrte ich in die Schule zurück. Wir hatten erst am Abend des ersten Unterrichtstages Zeit, in Ruhe miteinander zu sprechen. Er war genauso verlegen wie ich, aber fest entschlossen, sich zu erklären, und so erzählte er mir, dass ihm in den Ferien klar geworden war, was er für mich empfand, und sich schweren Herzens dafür entschieden hatte, mir zu schreiben. Er wollte, so sagte er, mir seine Liebe nicht aufdrängen. Ich bat ihn um Bedenkzeit, versicherte ihm aber, dass ich seine Ehrlichkeit und Selbstlosigkeit zu schätzen wusste.“ Adrien seufzte. Er war selbst überrascht, wie sehr diese alte Geschichte noch an ihm nagte, aber die Erinnerung war daran durch die letzten Ereignisse lebendiger geworden, als sie es die letzten Jahre gewesen war. „Er war sehr geduldig mit mir. Schließlich war ich gerade erst vierzehn geworden und hatte überhaupt keine Erfahrung. Aber zwei Monate später waren wir ein Paar, und blieben es bis zum Ende des zwölften Schuljahres.“ Claudius starrte ihn an. Der Kaffee in seiner Tasse war vergessen. „Was geschah dann?“ Seine Stimme war nur ein raues Krächzen. Adrien hob die Schultern. „Ich weiß nicht, wie, aber mein Vater erfuhr davon. Ich glaube nicht, dass es die Padres waren, die uns verraten hatten. Es war immerhin ein Internat voller Jungen in der Pubertät. Wir waren nicht die ersten und sicher auch nicht die letzten, und sie pflegten diese Art von Regelbrüchen immer erst mit den Schülern zu besprechen. Ich glaube, es war ein Mitschüler, der meinen Freund um seine Begabung beneidete. Auf jeden Fall teilte mir mein Vater am Ende der Sommerferien mit, dass er vom meinen 'Umtrieben', wie er es nannte, wusste, und dafür gesorgt hatte, dass mein Freund von der Schule verwiesen worden war. Es wäre ihm niemals gelungen, wenn mein Freund nicht so oft bei Regelbrüchen erwischt worden wäre, und auch so muss er eine Menge Einfluss geltend gemacht haben, um die Schulleitung davon zu überzeugen, auf ein solches Genie wie meinen Freund zu verzichten. Er hatte wohl auch die Eltern meines Freundes unterrichtet, denn auf keinen der zahlreichen Briefe, die ich ihm schrieb, erhielt ich eine Antwort, und ich will bis heute nicht glauben, dass er mich so leicht vergessen hat. Das ganze letzte Schuljahr über hoffte ich auf eine Reaktion oder eine Nachricht von ihm. Ich bestand mein Abitur mit Ach und Krach, und als ich nach Hause kam, erwartete mein Vater, dass ich ihm dafür dankbar sei, dass er mich 'wieder auf den rechten Weg gebracht' hätte. In der darauffolgenden Nacht lief ich von zu Hause fort. Ich hinterließ meinem Vater eine Nachricht, in der ich ihm erklärte, warum ich ging, aber nicht, wohin. Ich kam bei einem Bekannten unter, suchte mir eine Arbeit...“ Er verstummte und starrte in den Kaffeesatz auf dem Boden seiner Tasse. Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als Claudius flüsterte: „Also bist du es wirklich.“ Adrien sah ihn an. „Ja. Ich konnte es zuerst auch nicht glauben, aber als ich die Geschichte gelesen habe...“ Er lächelte schief. „Ich bin überrascht, dass du dich noch an die Nacht im Schulgarten erinnerst.“ Zu seiner Überraschung lachte Claudius. „Wie könnte ich das vergessen? Es waren zehn Grad unter Null, und mein Rücken war noch eine Woche später von der Hecke zerkratzt.“ „Wann hast du angefangen, zu schreiben?“ „Nachdem meine Eltern mir verboten hatten, dich jemals wieder zu sehen. Ich musste irgendwohin mit meinem Verlangen, und ich konnte mir keinen anderen vorstellen als dich...“ „Was ist damals passiert? Wieso hast du so plötzlich aufgehört?“ „Meine Mutter hat meinen Vater überredet, mich nicht einfach auf eine andere Schule zu schicken. Stattdessen schickten sie mich auf Reisen. „Du bist nach Santiago de Compostela gepilgert.“ Claudius nickte. „Ja. Ich bin den ganzen Weg gelaufen, von der Haustür meiner Eltern bis zu den Stufen der Kathedrale. Die Einsamkeit und die Bedeutung meiner Reise war wie eine Kur, als wären Trauer und Sehnsucht Gifte, deren Wirkung langsam nachließ. Als ich von der Schule verwiesen wurde, dachte ich, dass ich nie die Kraft haben würde, meinen Berufswunsch zu verwirklichen und Priester zu werden, aber als ich Santiago erreichte, dachte ich, dass ich es vielleicht doch schaffen könnte. Ich entschloss mich, Spanien zu bereisen. Dieses Land mit seinem tief verwurzelten Glauben erschien mir als einzige Möglichkeit, mir meiner Berufung wieder sicher zu werden. Ich sah Toledo, Madrid, Valencia und Saragossa und zahllose andere Städte. Schließlich kam ich nach Granada, und von dort war es nicht weit bis nach Durvelo. Ich schlief eine Nacht bei den Mönchen, die dort noch immer leben, und am nächsten Morgen war ich mir sicher, dass ich mich der Herausforderung des Priestertums stellen wollte.“ Adrien schwieg eine Weile nachdenklich. „Ich sehe, ich war voreilig“, sagte er dann. „Ich wollte deine Bemühungen nicht so erschüttern, und ich will nicht von dir verlangen, dass du dein Leben für mich änderst. Vielleicht ist es besser, wenn ich jetzt gehe.“ Claudius nahm seine Hand. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Hast du vergessen, dass die Pilgerfahrt nach Santiago nur die erste von vielen war? Ich habe es geschafft, das Zölibat nicht zu brechen, aber ich habe immer darum kämpfen müssen. Ich bin zu jedem Heiligtum in Europa gelaufen, weil ich dich nicht vergessen konnte.“ Adrien blickte ihn an. „Was willst du jetzt tun? Jetzt, wo du mich wieder hast.“ Claudius lächelte. „Ich könnte eine ganze Reihe spitzfindiger Argumente vorbringen, dass es keine Sünde wäre, mit dir zu schlafen. Aber weißt du, was ich wirklich glaube? Dass wir uns nach all den Jahren wiedergesehen haben, war ein Zeichen.“ Adrien hob die Brauen. „Ein göttliches Zeichen? Warum gerade jetzt?“ Claudius zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, und selbst wenn nicht, es ist mir auch egal. Ich liebe dich, und ich nichts von dem, was ich je geglaubt habe, sagt mir, dass dies eine Sünde ist.“ Adrien lächelte. „Ich bin froh, dass du keine Skrupel hattest, mich zu erpressen. Aber warum bist du nicht einfach zu mir gekommen?“ Claudius seufzte. „Ich war mich nicht sicher. Ich habe mich nicht getraut, es zu glauben, aber genauso wenig wollte ich dich ein zweites Mal verlieren.“ Wieder schwiegen sie eine Weile, die Hände immer noch zwischen den Sesseln in festem Griff verschränkt, und Adrien rang mit sich. Sollte er seinen Gedanken aussprechen? Es würde komisch klingen, aber Claudius' freimütiges Geständnis ermutigte ihn. „Schlaf mit mir, Claudius.“ Sein Freund sah ihn überrascht, aber auch ein bisschen spöttisch an. „Jetzt gleich?“ „Natürlich jetzt gleich. Immerhin habe ich seit neun Jahren keinen Mann angerührt.“ Claudius wurde ernst. „Wirklich? Du hast die ganze Zeit...“ „Na und? Du doch auch.“ „In der Tat.“ Claudius erhob sich. „Dann haben wir wohl keine Zeit mehr zu verlieren, oder?“ Nach einem kurzen Abstecher in die Kochecke führte er Adrien in sein Schlafzimmer, dass eingerichtet war wie eine Mönchszelle. Die Wände waren weiß gestrichen, auf den Dielen lag eine Matratze, und die Fenster sahen nackt aus ohne Vorhänge. Dies war eine Zelle, eine Stätte der verbotenen Begierde, deren Kargheit die Qualen des schlechten Gewissens noch verstärken sollte. Adrien fand es sehr passend, dass sie diesen Raum jetzt einer anderen Bestimmung zukommen ließen. Er setzte sich auf die Matratze und klopfte neben sich auf die Decke. Claudius setzte sich neben ihn, und Adrien legte den Kopf auf seine Schulter. Einen Augenblick später lag er auf dem Rücken, Claudius über ihm, und war einer Flut von gierigen, überwältigenden Zärtlichkeiten ausgesetzt. Mit zitternden Fingern schob Claudius sein Hemd hoch und tauchte die Zunge in Adriens Bauchnabel, während die schlanken Finger sich mit den Brustwarzen beschäftigten. Zufrieden stellte Adrien fest, dass sie in all den Jahren nichts von ihrer Geschicklichkeit verloren hatten. Ob Claudius sich noch an die eine Stelle erinnerte, die besonders empfindlich war? In diesem Moment küsste die Beuge seines Ellenbogens, und damit war auch diese Frage beantwortet. Adrien stöhnte und vergrub die Hände in Claudius' Haar, um ihn zu sich herab zu ziehen. Diesmal bekam widmete die geschmeidige Zunge sich seiner Brustwarze, und glücklich wölbte er sich seinem lange vermissten Freund entgegen. Obwohl er seine Berührungen so lange vermisste hatte, erinnerte sein Körper sich noch sehr genau an die Genüsse, die noch vor ihm lagen. Claudius schien es ähnlich zu gehen, denn er rückte ein wenig von ihm ab und zog erst sich selbst, dann Adrien vollständig aus. Ihn nackt zu sehen, machte Adrien nur noch gieriger, und er griff nach der Flasche Olivenöl, die Claudius in Ermangelung einer Alternative aus der Kochnische mitgebracht hatte. „Du oder ich?“ Claudius schenkte ihm ein betörendes Lächeln. Von dem strengen, kalten Priester war keine Spur mehr geblieben. „Ist doch egal. Immerhin ist die Nacht noch lang. Andererseits... wenn ich es mir aussuchen kann...“ Er nahm Adrien die Flasche weg, öffnete sie und goss etwas von der goldenen Flüssigkeit auf seine Hand. „...dann du.“ Er legte seine Hand um Adriens Glied und rieb, aber bevor er viel mehr davon spürte als einen kurzen Funkenstoß, war es schon vorbei. Als Claudius seinen enttäuschten Gesichtsausdruck sah, legte er die Arme um ihn und ließ sich langsam auf ihm nieder. So hatten sie sich schon früher häufig geliebt – einander Auge in Auge gegenüber und auf gleicher Höhe. Adrien versuchte vergeblich, sich zu zügeln. Er explodierte nach den ersten paar Stößen, und Claudius ging es nicht anders. Trotzdem dachte er nicht daran, sich zurückzuziehen, sondern ließ seine Bewegungen nur langsamer werden. Dabei kostete er genießerisch von Claudius' glatter Haut und wurde mit einem ausgedehnten, gierigen Kuss belohnt. „Fester...“, hauchte Claudius, und Adrien erfüllte seine Bitte gern. Sein Freund schien schon am Rand des zweiten Höhepunkts zu stehen, und Adrien trieb ihn hinüber, indem er seine Stöße heftiger werden ließ und ihn mit der Hand rieb. Claudius schrie vor Lust, als er sich ergoss, und Adrien zog sich aus ihm zurück, um ihm ein paar Momente der Ruhe zu gönnen. Aber offenbar lag das nicht in Claudius' Interesse. Er küsste Adrien zärtlich, dann wanderten seine Lippen und seine Zunge den Hals hinab, kosteten von seiner Brust und nippten von seinem Bauch, bis er ihn mit dem Mund umschloss. Adrien lehnte sich zurück, schloss glücklich die Augen und überließ sich Claudius kundigen Liebkosungen. Sie ließen erst voneinander ab, als es dämmerte. Adrien war erschöpft wie seit Jahren nicht mehr, und trotzdem verschwendete er keinen Gedanken daran, zu schlafen. Stattdessen stand er vor dem Fenster und beobachtete in eine Decke gehüllt den Sonnenaufgang. „Du solltest dir etwas anziehen, sonst erkältest du dich“, sagte Claudius, als er zu ihm trat. Er selbst trug bereits seinen schwarzen Anzug und den weißen Kragen. Sein Haar war noch feucht von der Dusche. Adrien wandte sich zu ihm um. „Was hältst du davon, wenn wir einen Spaziergang machen und Brötchen holen? Ich habe Hunger.“ Claudius küsste ihn und streichelte seinen Rücken. „Was immer du willst. Ich musste neun Jahre darauf warten, dir deine Wünsche erfüllen zu können.“ Adrien lehnte sich an ihn. „Und ich musste neun Jahre darauf warten, dich herumkommandieren zu können.“ Sein Freund lachte leise, dann schob er ihn von sich. „Ab unter die Dusche mit dir.“ Als sie die Wohnung verließen, küssten sie sich, und traten dann gemeinsam hinaus in die heilige Ruhe des ersten Weihnachtstages. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)