Six Months - Die Symphonie deines Herzens von *Fane* (The-Bella-und-Edward-All-Human-Story) ================================================================================ Kapitel 8: Reprise: Zerrissen - Teil 1 (Bella) ---------------------------------------------- tut mir leid, dass ich es nicht mehr vor dem we geschafft hab, war krank und das we gar nicht da -.- aber jetzt ;) die reprise beginnt!!!! ^^ :love: Musik: Bon Iver - Skinny Love http://www.youtube.com/watch?v=UrMmr1oMPGA A walk to remember (Score) - Star Gazing http://www.youtube.com/watch?v=OEFc1mLXRVw&feature=PlayList&p=C2D9B3C720EBABB8&playnext=1&index=16 => Das zweite Lied bzw. Instrumentalstück ist für eine spezielle "Klavierstelle" gedacht.... :) ----------------- Bild zum Kapitel: http://img688.imageshack.us/img688/4389/bannerrepriseteil1.jpg Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür und rutschte daran herab, bis ich saß. Ich wusste gar nicht, warum mir plötzlich die Tränen kamen, doch sie flossen meine Wangen durch den Schweiß entlang, während ich die geballte Faust an die Stirn gelegt hatte. Mein Kopf dröhnte, meine Nase schmerzte, mein Hals pochte. Es hatte sich kein bisschen verbessert. Was sollte ich machen, wenn es nicht bald, sehr bald, schlagartig besser wurde? Ich hörte Schritte im Treppenhaus. Es mussten nicht seine sein, doch… Wie konnte er nur? Wie konnte er sich hier Zugang verschaffen und meinen können, dass ich gepflegt werden wollte, wie ein kleines Kind?! Er verstand gar nichts. Ich wollte Abstand, nicht Nähe. Ich wollte Distanz und keine Freundschaft. Wann kapierte er das endlich? Ich blickte an mir herab und erfühlte meine durchnässten Haare auf meinem heißen Gesicht. Ich schämte mich. Und ich hasste ihn. Er machte alles nur noch schlimmer. Warum mischte er sich immer wieder ein? Das Weinen hatte die Schmerzen nicht gelindert, im Gegenteil. Ich wusste nicht, wie ich atmen sollte, dass der Schmerz weniger werden würde. Ich schluckte die Pillen und legte mich erschöpft ins Bett. Erschöpft von allem. Doch müde war ich nicht mehr. Es war längst Mittag. Mein Blick schweifte im Raum umher und ich betrachtete den dampfenden Kochtopf. Schließlich raffte ich mich auf. Es war albern, nicht wenigstens zu schauen, was er gemacht hatte. Und Hunger hatte ich eigentlich auch ziemlich… Ich lugte in den Topf mit warmer Suppe und nahm den Löffel der daneben lag, um zu probieren. Gar nicht schlecht, lobte ich unwillkürlich. Sie schmeckte salzig, doch viel schmeckte ich sowieso nicht, von daher… Ich rührte darin herum. Möhren? Kohlrabi? Die hatte er geschnitten?, bemerkte ich. Ebenso fielen mir die zwei Einkaufstüten vor dem Kühlschrank auf. Ich warf einen Blick hinein. Baguette, Obst, Weingummi, Jogurt, Weichkäse, Schokolade, zwei Flasche Traubenschorle. In Gedanken versunken nahm ich mir einen tiefen Teller, gab etwas Suppe mit einer Kelle hinein und setzte mich aufs Bett. Hm, überlegte ich innerlich und betrachtete die Suppe, die wirklich gut tat und angenehm auch mir einwirkte. Na ja, eigentlich… Schlürfend begutachtete ich die Wohnung und daraufhin den anderen tiefen Teller mit Wasser, der auf dem Nachttischchen stand. Ich runzelte die Stirn und griff nach dem Handtuch, welches ich neben mir bemerkte. Es war nur an einer Stelle leicht feucht. Ich hielt überrascht inne. Hatte er… Kopfschüttelnd nahm ich einen weiteren Löffel und besann mich eines Besseren. Es war mir egal, was er aus welchen Motiven getan hatte, aber ich hatte ihn ausdrücklich gebeten, sich raus zu halten und er hatte das nicht respektiert. Er hatte mich einfach bevormundet. Ich hatte nicht darum gebeten. Ich schlief am Samstag viel und war Sonntagmorgen auch schon wieder einigermaßen fit. Das hieß, dass das Fieber deutlich runter gegangen war und mein Kopf insgesamt nicht mehr so dröhnte. Alles andere war nahezu unverändert. Ich fühlte mich gut genug, wenigstens ein paar Texte durchzuarbeiten. Ich konnte mich nicht gänzlich auf die faule Haut legen. Krank hin oder her. In der Uni fragte niemand, warum man die Aufgaben nicht gemacht hatte oder dies oder jenes nicht wusste. Ausreden gab es nicht. Mein Hals besserte sich wegen des, zugegeben sehr eklig schmeckenden, Kräutersirups. Auch die Suppe hatte ich ununterbrochen gegessen. Mir war nicht nach kauen und trockenem schlucken. Ich hatte den ganzen Sonntag überlegt, ob ich meiner Mutter Bescheid sagte. Sie sollte mich schließlich auch informieren, sobald etwas mit ihr war. Aber das galt im Umkehrschluss nicht für mich, entschied ich letztlich. Meine Mutter hatte Krebs und ich einen Schnupfen. Außerdem würde sie sich nur unnötig Sorgen machen. Montag ging ich, schlapp, aber fieberlos, wie gewohnt zur Uni. Mir tat der Kopf noch etwas weh und Schnupfen hatte ich auch noch, aber ansonsten war alles halb so wild. Edward erkundigte sich nach meinem Befinden. „Gut“, hatte ich gesagt. Ich gab ihm das Fieberthermometer und Flasche mit der Kräutermedizin zurück und das war’s. Mehr redeten wir nicht miteinander – abgesehen von den paar Sätzen zu unseren Versuchen. Okay, wenn ich so darüber nachdachte, musste ich fairer Weise sagen, dass Edward schon versucht hatte, mit mir ins Gespräch zu kommen, doch ich blockte mit Absicht alles ab. Er glaubte doch nicht ernsthaft, dass ich darüber einfach so hinwegging? Es wäre besser für ihn, für mich, für uns, wenn wir das so handhabten wie zu Beginn: Wir schwiegen uns an, weil wir wussten, dass wir uns nicht leiden konnten. Letzteres änderte sich auch nicht durch seinen guten Willen am Wochenende. So sprachen wir die ganze Woche kaum ein Wort und sahen uns – glücklicherweise – auch nicht häufiger als in den Laborstunden. Am Wochenende würde ich meinen Dad treffen. Endlich. Nach so langer Zeit. Darauf würde ich mich freuen und Edward außen vor lassen. Ich war noch etwas blass, ein wenig, aber ansonsten sah ich normal aus wie immer. Gesund und munter. Mein Vater würde nichts merken. Ich schaute noch mal in den Spiegel und ließ den Blick über die Wohnung schweifen. Ordentlich und sauber. Dad würde- Es klingelte. Ich lächelte breit und drückte ungeduldig auf. Das letzte Mal hatte ich ihn vor fünf Jahren gesehen. Kurz vor dem Ausbruch von Mums Krankheit. Ich hörte jemanden die Treppen hoch stapfen. Es war irgendwie ein vertrautes Gefühl, obwohl er mir in den letzten Jahren eigentlich – zwangsläufig – fremd geworden war. Das war nicht so, weil wir keinen Kontakt mehr wollten oder uns nicht leiden konnten, sondern einfach bedingt durch die Tatsache, dass mehr als telefonieren oder einander schreiben nicht drin war. „Hallo mein Schatz, ich freue mich total dich zu sehen“, lächelte er über beide Ohren, als er an der Tür ankam. „Hey Dad, ich mich auch“, grüßte ich und umarmte ihn. Er war nicht der Typ, der großartig Emotionen nach außen projizierte. Umso mehr beglückte es mich, dass er sich wirklich offen freute mich zu sehen. Er war sogar richtig schick angezogen. Er trug eine Anzugjacke mit passender Hose und einem Pullover darunter. „Du glaubst gar nicht, wie stolz ich auf dich bin“, offenbarte er mir, als ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Er schaute sich um. „Ich kann nicht fassen, wie viel du erreicht hast. Trotz aller Umstände.“ Er strahlte mich an. Ich erwiderte es einen Hauch matter. Wir setzten uns an den Tisch und ich goss uns einen Schluck Wasser ein. „Du bist wirklich groß geworden“, sagte er und musterte mich. Ich lachte leise. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit“, meinte ich nickend. „Das stimmt. Tja, meine Kleine ist eine erwachsene Frau geworden…“, säuselte er für ihn ungewohnt. Er war sonst nicht so theatralisch… „Ich habe auch noch was für dich“, fuhr er fort, bevor ich darauf eingehen konnte. Ich hätte aber auch nicht gewusst, was ich dazu sagen sollte. Ich runzelte die Stirn, während er in seiner Jacke kramte. Er holte ein kleines, dunkelblaues Säckchen aus Samt heraus und reichte es mir. „Dad, was ist das?“, fragte ich mit zusammen gezogenen Augenbrauen misstrauisch und rührte es nicht an. „Ich habe dir nie wirklich was geschenkt. Das ist quasi für alle Geburtstage, dein Abitur und deinen Studienplatz und alles zusammen. Dafür ist es kläglich, aber ich hoffe trotzdem, dass du es magst“, erklärte er. „Nun schau schon rein, ich möchte wissen, was du sagst.“ Erwartungsvoll blickte er mich an. Ich musterte ihn und tat ihm den Gefallen. Der Inhalt kippte aus dem umgekehrten Beutel und etwas Silbernes plumpste in meine Handfläche. „Dad…“, stieß ich langsam hervor und sah es mir näher an. Es war ein Armband, schmal und dezent. Kleine, an der Spitze schief gezogene, Herzen waren an einem Bogen miteinander verbunden. Ein zweites klitzekleines Herz war ebenfalls darüber angebracht. Es glänzte matt. „Wow, Dad, das ist… ich, ähm… danke, aber das- das war doch nicht nötig-“ Er winkte ab. „Lass gut sein, Bella. Ich möchte dir einmal etwas schenken, bitte nimm’ es an.“ Ich legte das Armband über mein Handgelenk und blickte lächelnd auf. „Danke, es ist wirklich toll.“ Wow… „Warte, ich helfe dir…“ Er streckte die Arme aus und pfriemelte am Verschluss herum, bis es endlich klappte. „Danke, das ist wirklich schön“, bedankte ich mich noch mal. Es musste – vergleichsweise – ein Vermögen gekostet haben. „Ich bin so froh, dass es dir gefällt“, seufzte er lächelnd. „Ich habe blind auf die Meinung der Verkäuferin vertraut.“ Ich lachte in mich hinein. „Sie bekommt einen Orden. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Danke.“ Wir lächelten uns eine schweigende Minute an. „Ich habe Hunger, wie sieht’s bei dir aus? Kennst du ein gutes Restaurant hier in der Nähe?“, fragte er mich dann. „Ähm, nein- ich-“ „Wir schauen einfach mal“, sagte er im Rausch puren Aktionismus – so hatte ich ihn nicht in Erinnerung gehabt – und ging vor zu Wohnungstür. Ich hatte meinem Dad bereitwillig Rede und Antwort gestanden. Wie es in Deutschland war, wie mein Studium dort verlief, wie es hier war, ob ich mich zurechtfand, wie es meiner Mutter und Phil erging… „Und wie sind die Leute in deinem Studium so? Sind die nett?“, fragte er sein Steak kauend. So redselig hatte ich ihn selten bzw. nie erlebt. Er war nie ein Mann großer Reden gewesen, aber ich glaubte, dass es einfach an der Tatsache lag, dass wir uns ewig nicht mehr gesehen hatten und dies eine der wenigen Chancen war, die wir hatten, um uns wieder hauchdünn anzunähern. Die tausende Kilometer lagen immerhin immer zwischen uns. „Ja, ich denke schon…“, gab ich lediglich zu verstehen. Ich hatte den Kopf ein wenig unmanierlich auf die Hand gestützt und stocherte in meinem Salat herum. Seit der Erkrankung von letzter Woche, war mein Appetit nicht mehr allzu groß. „Hast du denn schon ein paar Freunde gefunden?“, wollte er weiter wissen. „Nicht besonders... viele…“ Mir kam Edward in den Sinn, obwohl ich ihn nicht als „Freund“ bezeichnen würde. Er war der, mit dem ich am meisten Kontakt hatte, so vielleicht. Doch ich hoffte, dass sich gezeigt hatte, dass es dabei blieb, endgültig. Er brauchte nicht nett zu mir sein oder mich bemuttern, geschweige denn irgendetwas anderes. Er sollte einfach seine Arbeit machen und fertig. Andere Freunde hatte ich hier allerdings auch nicht gefunden – was aber auch daran lag, dass ich nicht gesucht hatte. „Ähm, ich meine, sie sind alle ganz nett dort“, wand ich wirsch ein, als ich zu lange pausierte und es auffällig wurde. „Ist was mit dir? Du siehst blass aus? Bist du krank?“, fragte er direkt, ohne Umschweife. Seit wann war er so aufmerksam? So kannte ich ihn gar nicht… so hatte ich ihn, wenn ich darüber nachdachte, die gemeinsamen Jahre mit ihm nicht kennen gelernt… oder hatte ich es nur nie bemerkt? Eigentlich war ihm so etwas nie wirklich aufgefallen… „Nein, ich war gerade nur… was hattest du gesagt?“, fragte ich irritiert nach. Er grinste leicht schief. „Nein, schon gut. Kannst du mir kurz zuhören? Es ist wichtig“, bat er, legte die Gabel erst zur Seite und nahm sie dann doch wieder. Er wirkte schlagartig nervös. „Ja, klar“, meinte ich nickend und legte selbst mein Besteck zur Seite, um meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu signalisieren. „Tut mir Leid…“ Er schmunzelte leicht und trank einen Schluck, ehe er mit der Sprache rausrückte: „Bella, versprich mir, dass du nicht sauer bist, dass ich es dir nicht eher gesagt habe und so… ich habe mir gedacht, seit du mir mitgeteilt hast, dass du dich für diese Stipendiensache beworben hast, dass ich es dir lieber persönlich sage und so und vorher- vorher-“, druckste er herum, „da- na ja, ich wusste nicht, ob ich es dir schreiben sollte oder lieber anrufen oder…“ Er warf mir einen flehenden Blick zu. „Ich hab mich schon etwas gedrückt und die Sache lange heraus geschoben und so… „Ich reiße dir schon nicht den Kopf ab. Was gibt es denn?“, meinte ich lächelnd und war jetzt wirklich neugierig, was es für Neuigkeiten es gab, die ihn auf einmal so stottern ließ. Nickend trank er noch einen Schluck und verschränkte die Finger ineinander, dessen Hände er auf den Tisch gelegt hatte. Er starrte darauf. „Ja, also Bella… ich- ich habe eine neue Partnerin…“ Er mied meinen Blick. Es wirkte, als würde er rot werden. „Aber das ist doch großartig! Das freut mich für dich“, sagte ich strahlend. Ich gönnte es ihm so sehr. Seit Mum hatte er kaum eine Frau an seiner Seite gehabt (von der ich wusste). Aber warum machte er so ein Geheimnis daraus? „Kenne ich sie vielleicht sogar?“ „Ähm, danke, äh ja, vielleicht, also…“ Er blickte kurz peinlich berührt lächelnd auf. „Kennst du noch die Clearwaters? Aus dem Reservat? Freunde der Blacks?“ „Ja, ich erinnere mich schwach. Mit Jacob Black und Leah Clearwater und- wie hieß der kleine Junge noch?“, fragte ich nach, während mir Bilder von früher, als ich noch in Forks lebte und dort zur Grundschule ging, ins Gedächtnis kamen. „Seth hieß er- heißt er“, korrigierte er sich, immer noch sichtlich aufgeregt. „Ja, der ist aber nicht mehr so klein… Er studiert auch mittlerweile und ist weggezogen, genau wie Leah. Ja, ja, ähm, was ich eigentlich sagen wollte… Bella… du- du bist mir aber nicht böse?“ Ich holte Luft, um sofort zu verneinen, doch er sprach weiter: „Ich möchte mich nämlich nicht mit dir streiten, nicht jetzt, wo du mal in Amerika bist…“ „Wie gesagt, ich reiße dir nicht den Kopf ab. Nun raus mit der Sprache!“, forderte ich und grübelte schon die ganze Zeit, was er mir sagen wollte, das ihn so aus der Fassung brachte. „Jaah… gut… Sue und ich, wir sind zusammen, weil- also nicht weil- Harry, ihr Mann, ein guter Freund von mir, ist an einem Herzinfarkt gestorben und ich war dann viel bei ihr… und auch wegen der Kinder… das ist schon länger her, weißt du und ich hab ihr geholfen und…“ Er nestelte an der Serviette vor sich herum. Glaubte er, ich verurteilte ihn, weil er mit einer Frau zusammen war, dessen Mann sein bester Freund und schon lange Zeit verstorben war? Liebe ging nun mal seltsame Wege… Nein, da kam noch etwas, war ich mir sicher. Ich schwieg – und wartete. „Sue… sie ist auch bei mir eingezogen…“ Das konnte auch noch nicht alles sein, sonst hätte sich sein Gesicht nicht schlagartig verfärbt. Er hatte den Blick weiter gesenkt. „Und du… du hast eine zwölf Monate alte Halbschwester“, nuschelte er so eben verstehbar. „Was?“, stieß ich unwillkürlich hervor und machte große Augen. Er zuckte leicht zusammen. „Ich habe eine- eine Schwester? Eine- Halbschwester?“ Nun begann das Stammeln bei mir auch schon. Aber ich war auch dermaßen verblüfft, dass ich danach erst mal nichts mehr raus bekam und ihn nur überrascht mit offenem Mund anstarrte. Zwölf Monate war sie schon? „Ja… sie heißt Zoey und…“ Er schaute kurz auf und gleich wieder herab. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Ich war ihm nicht böse, nein, überhaupt nicht. Ich freute mich sehr für ihn, dass er wieder eine Familie gefunden hatte. Doch das kam jetzt etwas… unerwartet. Ungewohnt. Das wollte ich ihm auch mitteilen: „Dad, das ist wirklich toll. Tut mir leid, ich- ich freue mich riesig für dich und- na ja, ich bin nur gerade etwas überrumpelt.“ „Ja, das ist völlig in Ordnung!“, sagte er hastig und wedelte beschwichtigend mit den Armen. Ich musste unweigerlich lachen – und das tat, nach den letzten Wochen, richtig gut. Was hatte er erwartet? Dass ich ihn anschrie? Wie er noch mal Vater werden konnte? Wie er mir das erst jetzt sagen konnte? Vermutlich. Vermutlich hätten viele auch so reagiert, doch ich war über so eine Wendung in seinem Leben viel zu erfreut, als dass ich ihm jetzt Vorhaltungen machen konnte oder wollte. Er lächelte unsicher hoch. „Willst du Fotos sehen?“, fragte er zögerlich. „Klar!“, stimmte ich sofort zu. „Hast du welche dabei?“ Er nickte und sein ganzer Stolz breitete sich plötzlich in seinem Gesicht aus. Er legte drei Bilder, die er gerade aus seinem Portmonee gezogen hatte, vor mir auf den Tisch. Zwei Fotos nur von Zoey, im Säuglingsalter und ein scheinbar aktuelleres, und auf dem dritten Sue und Zoey im Sandkasten. Die Kleine hatte strahlend blaue Augen, feine schwarzfarbene Haare und lachte mit aufgerissenem Mund in die Kamera. Sie sah Sue sehr ähnlich, von meinem Dad hatte sie vom Aussehen her erst mal weniger. Leah und Seth kamen ja eher nach ihrem verstorbenen Vater. „Sie ist wirklich niedlich“, begutachtete ich sie. „Lerne ich sie mal kennen?“ „Ja, sicher, wenn du das möchtest… du kannst gerne irgendwann vorbei kommen… hör mal, Bella, ich wollte dir das alles wirklich schon eher erzählen-“ „Dad, lass gut sein. Ich freue mich sehr. Und ich würde sie sehr gerne treffen, wenn ich in nächster Zeit mal nicht so viel zutun habe.“ Ich bemerkte grinsend, wie er heimlich tief durch atmete. Es war noch wirklich nett mit ihm gewesen. Er schenkte mir Zoeys Fotos, die ich später dann in einem Bilderrahmen auf meinen Nachttisch stellte, und wir schlenderten danach noch etwas durch Seattle, bevor es dunkel wurde. Ich genoss diese unbeschwerte Zeit mit ihm, denn sie war kurzweilig und leider nur sehr selten. Am Abend holte ich den Stoff nach, den ich sonst in der Zeit mit Dad gelernt hätte. „Oje“, entfuhr es mir, als ich bemerkte, dass der abgearbeitete Stapel Texte wesentlich kleiner war, als der noch zu lesende. Ich zog mich um und schlüpfte in bequemere Klamotten. Sofort begann ich mit der Zusammenfassung der bereits durchgearbeiteten Themen. Wenn du dich weiter so kaputt machst, endet das noch böse, sagte plötzlich Edwards Stimme in mir. „Schwachsinn“, murmelte ich zu mir selbst. „Das Fieber ist längst weg und mir tut nichts mehr weh. Jeder wird mal krank, das hat damit nichts zu tun.“ Das stimmte auch. Ich hatte mich durch das schlechte Wetter einfach erkältet. Und was du sagst, fauchte ich Edward innerlich an, kann mir gestohlen bleiben. Ich achtete schon auf mich – schließlich wollte ich selber nicht krank werden und eine Nachtschicht brachte mich nicht um. „Bella?“ „Hm?“ „Kann ich dir was zeigen?“ Ich drehte den Kopf in Edwards Richtung und schaute auf sein Reagenzglas. Es war wie üblich, mithilfe Phenolphthaleins, pink gefärbt. Bei einer alkalischen Lösung nicht weiter auffallend – vor allem einfach und banal. Was war daran interessant?, fragte ich gedanklich. „Nein, nicht das hier“, meinte Edward und hielt das Reagenzglas aus meinem Sichtfeld. Widerwillig sah ich ihn durch die Schutzbrille an. „Sondern?“ „Etwas anderes, nach dem Seminar“, bat er. „Wieso sollte ich?“, entgegnete ich schnippisch und kondensierte weiter. „Bitte Bella, es wird nicht lange dauern.“ Er schaute mir unentwegt von der Seite ins Gesicht. „Was soll ich mir ansehen?“, fragte ich weiter stur und würdigte ihn keines Blickes. „Würdest du einfach kurz mitkommen? Es wäre mir wichtig, bitte.“ Sein Ton klang ernst und flehend. Es wirkte nicht, als wollte er mich auf den Arm nehmen. Eigentlich hatte ich nach der Krankengeschichten keinen Grund, ihm einen Gefallen zu tun, doch ich ließ mich breit schlagen und meinte lediglich: „Kurz.“ Er nickte. „Danke.“ So kleinlaut hatte ich ihn noch nie erlebt, fiel mir auf und blickte verstohlen zu ihm herüber. Er widmete sich wieder der Lösung und seine Mimik war entspannt und unscheinbar. Er grinste nicht mal gewinnend. Ein wenig irritiert, da ich so viel Menschlichkeit nicht von ihm erwartet hätte, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Versuch. „Wo gehen wir hin?“, wollte ich sofort wissen, als wir gemeinsam das Labor verließen. Edward lief vor. „Vertrau mir.“ „Ja, das habe ich vor zwei Wochen auch getan“, murmelte ich. Ich bemerkte, wie er kurz über die Schulter nach hinten blickte. Er sagte nichts. Als wir in einen mir wohl bekannten Flur bogen, blieb ich stehen. „Edward!“, sagte ich entrüstet und obgleich in normaler Lautstärke hallte es im Flur. „Ich dachte, es ging ums zeigen! Nicht ums hören!“ Wir waren zweifelsohne auf dem Weg zur Aula. „Brauchst du wieder meine Meinung für Eigenkreationen? Edward, dafür habe ich-“ „Komm bitte mit. Es dauert nicht lange“, meinte er ruhig. „Umso länger wir hier stehen-“ Er brach ab, da ich schon mit einem verdrießlichen „Schön!“ weiter gegangen war und mit ihm an der Aula ankam. Ich versuchte keine Schnute zu ziehen, doch war mir nicht sicher, ob das gelang. Meine Lust, nett zu ihm zu sein, sank so tief, wie wir Stufen hinab zur Bühne– sehr tief. Er setzte mich wieder verkehrt auf die schmale Klavierbank. „Warum darf ich nicht richtig herum sitzen?“, sagte ich bissig. „Die meisten achten zu sehr auf das Visuelle und hören dann weniger. Aber es steht dir natürlich frei, dich umzudrehen“, erklärte Edward gelinde. Allein schon aus Trotz tat ich das dann auch. Er schmunzelte mit einem gehobenen Mundwinkel und wandte dann den Kopf zu mir. „Lass dich einfach darauf ein, wie damals, als ich dich nach deiner Meinung gefragt habe“, instruierte er mich und setzte sich dann mehr auf die Kante der Bank. Er streckte einen Fuß zum Pedal aus, legte ganz leicht die Finger auf und konzentrierte sich merklich, ehe er zu spielen begann. Zuerst fiel mir sein Blick auf, sein Gesicht. Alle Anspannung wich und er schien verändert. Ganz umhüllt von den Tönen, er gab sich nur ihnen hin und schien in eine andere Welt zu gleiten… abzudriften. Das übertrug sich wie von selbst auf die Tasten und die Melodie. Ich wusste, was er mit der visuellen Ablenkung meinte. Die fließenden, harmonisch ineinander übergehenden Bewegungen hypnotisierten mich und machten mich benommen. Die Melodie wurde zweitrangig – allerdings wusste ich, warum das jetzt verstärkt der Fall war. Die Musik hatte einen faden Nachgeschmack und war zeitweise bitter. Sie war unangenehm, gut gespielt, aber unangenehm. Ich starrte einfach nur auf seine Hände, die die Tasten überflogen. Er verstummte relativ abrupt. Ich hatte den Kopf immer noch herab geneigt und hob ihn, während Edward mich beobachtete. „Und?“, fragte er nur. „Das klingt… hart“, urteilte ich Schultern zuckend. Was wollte er hören? Eine fundierte Meinung wohl kaum. „Nein. Es klingt verschlossen und widerständisch“, war Edward anderer Meinung. „Wie auch immer“, meinte ich. „War’s das?“ Ich machte Anstalten aufzustehen. „Warte“, bat er und hielt mich am Arm. Ich setzte mich wieder. „Das, was du gehört hast, ist so, wie ich mir dich in Noten vorstelle. So, wie du auf mich wirkst und für mich klingst“, lüftete er das Geheimnis. Verdutzt sah ich an – auch etwas gekränkt. Das gerade klang scheußlich. War das eine neue Art und Weise mir zu sagen, dass er mich nicht leiden konnte? Entgegen seiner Freundlichkeit vorhin? Ich überlegte, ob ich nicht einfach wütend aufstehen und wortlos gehen sollte. Allein die Tatsache jedoch, dass ich noch darüber nachdenken konnte, zeigte mir aber, dass das nicht mein erstes, affektives Bedürfnis war. So wartete ich und er bat wieder zu lauschen. Dieses Stück war nicht fröhlicher oder munterer, aber… bezaubernd. Ein eingehende Melodie, die das, was ich mit den Augen wahrnahm übertraf. Zu eindringlich diese Aneinanderreihung der Töne. Ganz sanft legte er die Klänge übereinander und formte weiche Übergänge. Letztlich ließ er die Melodie ausgleiten. Ich saß kerzengerade und hatte für kurze Momente die Augen geschlossen. Nun fragte Edward wieder: „Und?“ „Das war… wunderschön“, so meine Bewertung. Ich schaute Edward neben mir mit einem kleinen Lächeln an. „So stelle ich mir dich vor“, erklärte er nachträglich, „wie du eigentlich bist.“ Ich senkte den Blick und ließ die Mundwinkel fallen. „Ähm“, machte ich und schüttelte zum eigenen wach werden in kurzen Intervallen den Kopf, „klingt netter.“ „Ja, finde ich auch.“ Er lächelte breit. Ich neigte den Kopf, um seinem Blick zu entweichen und mied sein Gesicht. „Ich muss los, bis morgen“, sagte ich dann eilig, nachdem ich meine Uhr am Handgelenk bemerkt hatte und stand hastig auf. Ich drehte mich nicht mehr zu ihm um. Ich dachte nicht mehr lang – nicht mehr bewusst – über die in Verlegenheit bringende Situation am Klavier nach, sondern kümmerte mich um die anstehenden vorweihnachtlichen Tests in gut einem Monat. Mr. John war heute wieder nicht da gewesen, doch laut Information am schwarzen Brett fehlte er nur heute und ich hoffte, dass sich meine Sorge nicht bestätigte. Wenn er weiterhin dem Kurs fern blieb, betete ich für eine gleichwertige Vertretung, sonst müssten Edward und ich viel mehr Schriftliches, in unserer Freizeit, zusammenverfassen. Darauf konnte ich gut verzichten. Die Tests vor Weihnachten waren einmal zur Selbsteinschätzung wichtig und ein andermal flossen sie prozentual in die Gesamtnote der Module ein. Daher konnte ich mich jetzt nicht stundenlang mit Edward für irgendwelche Sonderarbeiten treffen, weil Mr. John krank war. Schließlich war die Laborsache nur einer meiner Kurse – wenn auch ein wichtiger. Beängstigend stellte ich am nächsten Morgen fest, dass Mr. Pomary wieder hinter dem Pult stand. „Entschuldigen Sie“, sagte ich, nachdem ich schnurstracks auf ihn zugelaufen war. Edward war schon da, „ist Mr. John nächste Woche auch noch abwesend?“ „Ich denke, sie werden es erfahren, wenn es soweit ist“, meinte er kühl und drehte sich von mir weg. Na toll, dachte ich prompt und schlurfte zu meinem Platz. „Er wird länger nicht da sein. Vermutlich dieses Jahr komplett“, antwortete Edward mir, ohne von dem Versuchsaufbau, mit dem er gerade beschäftigt war, aufzusehen. Ich sah ihn entgeistert von der Seite an. „Was?“ „Mein Vater hat mir berichtet, dass er wohl etwas langwieriger krank sei und die Fakultät schon seit letzter Woche angestrengt einen Ersatz sucht, da alle ‚gleichwertigen’ Professoren zeitgleich diesen Kurs anbieten“, erzählte er mir. „Und?“, forderte ich ihn auf. „Und? Haben sie jemanden?“ Ich breitete meine Unterlagen auf meiner Tischhälfte aus und schaute Edward gespannt an. „Es ist nicht so einfach, einen Dozenten hier zu ersetzen“, meinte er, tätigte den letzten Handgriff und wandte sich dann mir zu. „Alle Professoren haben langjährige Praxiserfahrungen, viele Zusatzqualifikationen und kommen von den besten Universitäten und Lehrzentren des Landes. Es bewerben sich hier viele Lehrende mit ausgezeichneten Qualitäten. Ein Aufnahmeverfahren dauert wochenlang.“ „Und jetzt?“ Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, grummelte ich innerlich und zog meine Laborkleidung an. „Und deshalb werden wir so schnell keinen Ersatz bekommen. Nicht mehr in diesem Jahr. Zumindest wird dann im nächsten Jahr jemand Neues kommen, wenn Mr. John, dann immer noch nicht wieder da sein sollte“, überlegte Edward. Seufzend setzte ich mich zu ihm und tat verstimmt – obwohl das eine mittelschwere Katastrophe war… auf jeden Fall, wenn das wieder Extraarbeiten mit Edward zu Hause anfertigen und Thesenblätter einreichen bedeuten würde… Mr. Pomary bat uns zu beginnen. Für diese Woche hatten wir noch genug zu tun. Die Versuchsreihe der letzten hatte sich bei allen, wegen der vielen Auswertungen, in die Länge gezogen. Das hieß für mich, dass ich mich nicht mit Edward treffen musste – vorerst nicht. Edward suchte mich am Freitag in der Mittagspause überraschend in der Bibliothek auf. Und was er sagte, war keineswegs eine positiv Überraschung. „Sie haben jetzt endgültig ausgehangen, dass die Laborgruppen unseres Kurses die Themen im Selbststudium machen müssen“, teilte er mir mit und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Ich blickte von meinem Buch auf. „Wir müssen Mr. John vor der Versuchsdurchführung eine Planung senden und danach eine umfassende, wöchentliche Abschlussarbeit mit Analyse und Auswertung.“ Ich biss mir von innen auf die Unterlippe, um nicht zu seufzen oder gar lauthals zu schreien. Wie viel Pech konnte ich haben, dass ich den Laborkurs bekam, dessen Dozent längerfristig krank wurde und mir dann noch der fürchterlichste Laborpartner zugeteilt worden war? „Na klasse“, murmelte ich. „Und was schlägst du vor?“ Warum fragte ich eigentlich? Ich wusste doch, worauf das hinaus lief. „Ich hole dich morgen früh ab und wir bearbeiten das erste Thesenpapier. Ich habe mir die Aufgaben schon notiert.“ Er erhob sich. „Neun Uhr wieder?“ „Bis morgen“, stimmte ich indirekt zu und widmete mich meinem Buch. Edward verschwand kurz nickend. Wenn ich ehrlich war, war ich nicht mal so angesäuert hinsichtlich des morgigen Treffens. Nicht so, wie ich nach seinem „Einbruch“ sein sollte. Einzig und allein die viele zusätzliche Arbeit machte mir Sorgen. Wir mussten uns viel mehr selbst aneignen und das kostete Zeit, die ich vor den Tests eigentlich nicht aufbringen konnte… Da ich aber letztens auch schon auf die Nacht ausgewichen war, würde ich das heute wieder so handhaben, um etwas Zeit aufzuholen, die ich morgen bei Edward verplemperte. Gut, das war nicht ganz richtig, wir taten was für den Laborkurs, aber mir kam es dennoch so vor. Auch wenn es schon spät war, und der Freitag sich immer zog, ging ich danach noch einkaufen. Das Wetter war trocken und der Schneefall hatte Ende November auch noch nicht eingesetzt. Eine gute Gelegenheit somit. Ich hatte mich zu Hause dann am Tisch häuslich eingerichtet, las ein Buch nach dem anderen und tippte mir die Finger wund. Mit gerunzelter Stirn griff ich nach meinem fiependen Handy. Jetzt noch? Um viertel nach eins? „Schatz? Du bist noch wach?“, war das erste, was meine Mutter sagte. „Ja, du scheinbar auch“, meinte ich erfreut, dass ich ihre Stimme hörte. „Ach, ’tschuldige, Zeitverschiebung.“ „Eigentlich hatte ich dir nur eine SMS schreiben wollen, aber ich dachte, ich schaue ob dein Handy noch an ist… Lernst du etwa noch?“, wollte sie wissen. „J- Nein, ich habe eben aufgehört und jetzt mach ich mich gerade bettfertig“, log ich ohne nachzudenken. Sie würde sich sorgen. Und das war eine Notlüge. Ich hatte sie nicht mal bewusst gefällt. „Du überanstrengst dich aber nicht oder? Und du schläfst und isst auch genug, nicht wahr?“ Ich spürte sofort die Sorge in ihrer Stimme. Unweigerlich. „Ja, natürlich, Mum. Ist bei dir denn alles okay?“ „Ja, Bella, deshalb wollte ich dich auch unbedingt noch sprechen!“ Sie wirkte gar aufgeregt. „Es ist nur ein kleiner Erfolg, aber meine Werte haben sich leicht verbessert! Sie sind etwas anstiegen! Ich bin so froh.“ „Mum, das ist ja großartig! Ich freue mich so sehr!“, strahlte ich am Telefon. Sie würde Hoffnung schöpfen, bald waren die Behandlungen beendet und wenn die letzten Untersuchungen unauffällig ausfielen… dann hatte sie den Krebs endlich besiegt. Ich würde es ihr so sehr wünschen – uns allen auch. Sie berichtete mir noch in Kurzform von ihrem Arzttermin heute und verabschiedete sich dann. Bei ihr war alles in Ordnung. Es ging ihr zunehmend besser. Meine Entscheidung hierher zu kommen, bereute ich nicht. Nicht so sehr, wie noch in Deutschland oder an dem Kinoabend. Wenn es ihr gut ging, war ich glücklich. Egal, wo ich war. ---- Freie mich über kommis :):):):)^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)