Six Months - Die Symphonie deines Herzens von *Fane* (The-Bella-und-Edward-All-Human-Story) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Ich werde auch bei dieser Geschichte vor jedem Kapitel Musiktitel posten, die meiner Meinung nach sehr gut zu dem jeweiligen Teil passen. Wer mag, kann sie sich gerne als Untermalung anhören ^^ Musiktipp: Ludovico Einaudi - Primavera http://www.youtube.com/watch?v=IYCL8ONwH5M Das Bild zum Kapitel: http://img62.imageshack.us/img62/740/bannerprolog.jpg Ich strich andächtig mit den Fingern über die weißen und schwarzen Tasten, deren Berührung eigentlich noch unerlaubt war. Eine angespannte Stimmung lag im Raum – zumindest bezogen auf diejenigen, die noch nie dabei gewesen waren und den Dozenten begierig anstarrten. Lächerlich. „Es kommt Ihnen sicher lange vor, aber in der nächste Woche beginnt das Semester und dann haben wir lediglich wenige Monate, ach was, eher Wochen- nein mir kommt’s wie Tage vor…“, dramatisierte Mr. Cato, der neben dem Flügel, mit dem Rücken zu mir, stand. „Wie auch immer, es bleibt wenig Zeit dieses Konzert vorzubereiten, auch wenn es Ihnen noch weit weg erscheinen mag.“ Ich legte die Hände auf die Tasten, während Mr. Cato ein paar Nachzügler ihre Instrumente und Plätze zuwies, bis das komplette Konzertorchester und ein paar Sängerinnen und Sänger anwesend waren. Er herrschte auch die Zuspätkommer an, sich noch nicht an ihrem Instrument zu vergreifen. Ich kannte viele der Stücke schon – um nicht zu sagen alle, in denen ich mitspielte. Andere interessierten mich auch nicht sonderlich. Die Partituren hatte ich bereits in den Ferien bekommen, denn meine pianistischen Teile waren essentiell wichtig. Das wusste ich, das wusste Mr. Cato, das wussten alle hier. Natürlich. Ich schnaubte lächelnd auf. Natürlich wussten sie das. Ich schloss leicht die Lider und ließ die Hände über den Tasten schweben, während ich die einzelnen Passagen durchging. Mein Spiel war lautlos. Die Reden des Dozenten waren mir zu Genüge bekannt. „Der Ouvertüre folgt dann die Symphonie mit einem Gastorchester einer anderen Universität“, fuhr Mr. Cato fort. Ich öffnete die Augen und steckte die Hände zurück in die Hosentaschen, während ich die Tasten vor mir ansah und mir die mit Händen gespielten Töne darauf vorstellte. „Das wird der Höhepunkt dieses Abends – zumindest abgesehen von den Solistenleistungen.“ Auffällig drehte sich Mr. Cato zu mir um. Durch die Bewegung von ihm aufmerksam geworden, schaute ich reflexartig hoch. Er lächelte erwartungsvoll. Ich erwiderte selbiges. Natürlich legte er große Stücke auf mein Solostück dieses Semester. Die Musikform hatten wir bereits gewählt – ebenfalls eine Symphonie, allerdings eine andere Gattungsart – und mit dem komponieren hatte ich bereits begonnen. Eine Symphonie war gleichermaßen langweilig, wie anspruchslos, für mich zumindest, doch ich wusste, dass es gut beim Publikum ankam – auch wenn mir selbst das entscheidende, leidenschaftliche in solch einer Komposition fehlte. Doch Mr. Cato war in dieser Hinsicht nicht bereit, etwas anderes zu akzeptieren, da solches nicht in die Ausgestaltung des Programms bzw. der Programmreihenfolge sowie der Erwartungen des Zuhörers passte. Mr. Cato kam mir in vielerlei Hinsicht sehr entgegen, doch es gab Punkte da kannte er kein Pardon. „Das heißt: Alle Konzentration auf die Symphonie. Sie wird das Vorzeigestück dieses Konzertes – und wir müssen uns vor der anderen Universität behaupten. Dessen sind Sie sich bitte bewusst“, sprach er energisch weiter. Die „University of Washington“ war nicht bekannt für den musischen Bereich. Für die naturwissenschaftlichen Fächer schon, aber für den künstlerischen Part weniger – das hatte sich geändert, als ich mit dem Studium begonnen hatte. Seitdem wurde den, wenn auch dennoch nicht vielen, Musikstudenten mehr Aufmerksamkeit geschenkt. „Zu Ihrer Erinnerung, schlagen Sie bitte die Seiten vierzig bis zweiundvierzig in Ihrem Lehrbuch auf“, forderte der Dozent auf. „Wenn Sie keines parat haben, hier vorne liegen noch welche.“ Einen Seufzer unterdrückend nahm ich mein Buch hervor. Ich wusste was kam und kannte es zu Genüge. „Ruhe“, verlangte Mr. Cato und begann aus der Literatur zu zitieren: „Die Symphonie ist eine Bezeichnung für eine sich über die Jahrhunderte verbreitete Musikform mit dominant orchestralen Charakter. Sie gliedert sich in der Regel in vier Teile, hingegen für den ersten Teil die Sonatenhauptsatzform nahezu ausschließlich ihre Nutzung erfährt…“ Ich schaltete ab und ließ das Buch etwas sinken. In Gedanken referierte ich den Vortrag selbst – und in manchen Punkten treffender, als Mr. Cato es tat. Meine Gedanken kreisten um Ideen für meine Komposition. Ich kannte den Rest der gerade von Mr. Cato vorgetragenen Erklärung… Die Sonatenhauptsatzform als Struktur des ersten Symphonie-Satzes enthielt vier Teile: Exposition, Durchführung, Reprise und Coda – zumindest im Falle des Stückes, was wir aufführen würden. Ich glitt mit den Fingern die Tasten lautlos entlang. Genauso war es im Leben: Anfang, Mitte, Ende. Und wenn man Glück hat noch ein krönender Abschluss. Kapitel 1: Exposition: Carpe Diem - Teil 1 (Bella) -------------------------------------------------- So ihr lieben! Es geht los! ABER: Noch zwei wirklich wichtige Vorworte... Zu den Kapiteln bzw. -namen: Die Struktur der Kapitel ist parallel zu dem letzten Zeilen des Prologs, nämlich der Struktur des ersten Satzes einer Symphonie: Exposition, Durchführung, Reprise, Coda. Analog zum Inhalt. Daher gibt es in der gesamten FF auch nur vier Kapitel (abgesehen von Prolog und Epilog, die aber kurz gehalten sind). Um die Lesefreundlichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern werde ich nicht ein komplettes Kapitel, was bei mir so 35-40 Seiten hat, posten, sondern dies in 3-4 Teile aufteilen und an geeigneten Stellen einen "Cut" setzen. Ich denke, dass das in diesem Fall am besten wäre und ihr euch hoffentlich damit arrangieren könnt. Das vielleicht im Hinterkopf behalten, wenn die einzelnen Teile vielleicht nicht so "rund" sein sollten, denn eig. ist das Kapitel ja als Ganzes zu sehen, nur poste ich eben wg. der Menge anders. 1. Teil der Exposition, die Einleitung zu SM: Also... ich hab mir vor dem posten hier lange gedanken gemacht, wie ich den ersten Teil der Exposition ändern bzw. überarbeiten kann, da beim wettbewerb kritisiert wurde, dass es zu undynamisch ist - ich habe kürzungen vorgenommen, aber nicht in gänze... und zwar ist das problem, dass ich bellas lebenswelt und vergangenheit in dtld vor allem in diesem ersten teil darstellen will, weil die details in diesem ersten teil für bellas verhalten hinterher sehr wichtig sein werden. Einige Leser meinten, in diesem kapitelteil wären zu viele infos und zu schleppend von der dynamik her. Andere wiederum meinten, dass es aber für die weiteren teile bzw. kapitel sehr wichtig sei, das alles zu wissen... entscheidet selbst, aber ich möchte an dieser stelle nur sagen, dass das sich diese erklärungsflut nicht durch die kapitel zieht und bella auch in diesem teil noch auf edward trifft ;) lange rede, kurzer sinn, dieser teil soll wirklich eine einleitung sein und keine sorge, ihr bekommt dynamik genug =) Musiktipp: Fink - Nothing Is Ever Finished http://www.youtube.com/watch?v=tlshUrAEXaw Was ich an dem Lied mag, ist, dass es ein bisschen beschaulicher, "eintöniger" und auch wenig "wehmütig" ist. Ich fands passend für einen Abschied und Neubeginn. ----------------------------------------------------------- Bild zum Kapitel: http://img821.imageshack.us/img821/8652/bannerexp2.jpg Meine Mutter seufzte. „Ach Bella…“ „Mum“, sagte ich sanft und strich ihr über den Arm. „Sechs Monate ist eine lange Zeit“, murmelte meine Mutter. „Und Amerika ist so weit weg…“ Ich lächelte milde und sah sie mitfühlend an. Ich konnte verstehen, dass sie sich sorgte und traurig war, dass ich vorübergehend ging, doch ich wusste auf der anderen Seite auch, dass ich ihre Unterstützung hatte. „Ich schau noch mal, ob ich alles habe, ja?“ Ich wartete auf die Reaktion meiner Mutter, doch sie nickte nur nachdenklich, wenn auch mit leicht gehobenen Mundwinkeln und erwiderte nichts weiter. Es war der Vorabend meiner Abreise. Ich würde Deutschland für ein Auslandssemester verlassen. Ich vermutete, dass ich minder aufgeregt war, wie meine Mutter. Natürlich war ich nervös, aber ich freute mich viel zu sehr, als das die Angst in mir hoch kriechen konnte – zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Ich schaute mich in meinem Zimmer um, in dem ich mich in die Mitte stellte und um mich selbst drehte. Es wirkte unbewohnt und leer gefegt. Ich hatte nie viele Sachen besessen. Wenn man viel umzog, lernte man, sein Hab und Gut, auf das Wichtigste zu begrenzen. „Bella? Phil holt was vom Italiener, was möchtest du haben?“, rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. Ich musste schmunzeln. Das tat er nur, bei ganz besonderen Anlässen. „Wie immer!“, rief ich zurück. Sie würde wissen, was ich meinte. Ich mochte Phil. Er war der zweite Mann meiner Mutter und vom Charakter her sehr ruhig. Ich konnte gut mit ihm reden. Er war Maurer, bekam leider nur schwerlich einen Job, sodass er oft seinen Arbeitgeber wechselte und wir ständigen innerhalb von Deutschland gezogen waren. Ich hatte früh gelernt zu verlassen und zurückzulassen. Als dann feststand, dass ich mich an der Realschule für das Abitur qualifiziert hatte, sicherte meine Mutter mir zu, nicht mehr so oft umzuziehen, damit ich während dessen nicht mehrmals das Gymnasium wechseln musste. Das ging ein Halbjahr lang gut, im nächsten zogen wir zwei Mal um – das letzte Mal, dorthin wo wir jetzt auch wohnten, jedoch aus anderen Gründen: Meine Mutter erkrankte an Brustkrebs. Deshalb hatten wir es bis jetzt, vier Jahre lang, geschafft, an einem Ort zu bleiben, damit meine Mutter die Ärzte nicht wechseln musste. Ich schaute mich weiterhin im Zimmer um, doch es lagen kaum noch Dinge darin, die ich hätte mitnehmen können. Daher kam ich zu dem Schluss, dass ich nichts vergessen hatte. Lediglich eine vertrocknete Pflanze auf der Fensterbank und ein paar ältere Kleidungsstücke würde ich zurücklassen. Ich stapfte die Treppen herunter und fand meine Mutter, ein paar Tränen verdrückend, in der Küche. Das tat sie in letzter Zeit häufig und ich konnte es ihr nicht einmal verübeln. „Ach Mom…“, sagte ich leise und nahm sie in den Arm. Sie hatte sich in den letzten Jahren vielen Chemo- und Hormontherapien, Bestrahlungen und Operationen unterzogen und war nun kurz vor der Gesundwerdung – zumindest war die Behandlung bald beendet und bisher sah es gut aus, dass die Krebszellen nicht mehr in ihrem Körper waren. Das hieß aber nicht, dass es ihr gut ging und sie wieder topfit war. „Ich weiß ja, dass das eine große Chance für dich ist“, meine Mutter setzte sich auf einen Stuhl und schluchzte laut, „und ich bin auch sehr stolz auf dich, dass du dieses großartige Stipendium bekommen hast und ich dürfte auch nicht weinen und das tut mir alles leid, so kurz vor deiner Abreise…“ „Mach dir keine Sorgen, Mum, wirklich“, meinte ich zu ihr und umarmte sie von der Seite. Seit sie so schwer an Krebs erkrankt war, hegte ich den Wunsch Medizin zu studieren und weiter an dieser Krankheit zu forschen, die meine Mutter unverschuldet so viele wertvolle Jahre ihres Lebens gekostet hatte und immer verfolgen würde. Es war ein tagtäglicher Kampf, dem sie sich stellen musste und immer stellen würde – wenn nicht mehr körperlich, dann mental. Biologie hatte mich schon immer interessiert, doch der konkrete Berufswunsch hatte mich erst mit der Erkrankung meiner Mutter gepackt – so abstrus das klingen mochte. Ich wollte auch keine praktizierende Ärztin werden, sondern forschen, weiterentwickeln und entdecken. Ich wusste, dass ich zum praktizieren nicht geeignet war. Nicht, weil ich es praktisch nicht konnte, sondern wegen meiner Einstellung. Ich hielt jetzt noch, auch wenn es meiner Mutter von mal zu mal besser ging, alles von ihr fern. Ich nahm ihr alles ab und sie immer in Schutz. Das mochte man auch verurteilen können, aber ich wusste, wie körperlich und psychisch labil meine Mutter durch den Krebs und auch schon vorher gewesen war, und konnte es nicht ertragen, sie irgendwelche arbeiten erledigen zu lassen. Das war übertrieben, doch ich war mir sicher, es tat ihr gut. Sie beschwerte sich darüber auch nicht mehr, weil sie wusste, dass ich es nur gut meinte und meist putze, kochte oder wusch sie, wenn ich in der Uni war und es ihr körperlich einigermaßen gut ging. Das konnte ich ihr nicht untersagen. Sie wusste, wie viel sie sich zumuten konnte. Wenn ich jedoch da war, erledigte ich das alles. Als Ärztin würde ich wissen, dass meine Patienten dem harten Alltagsleben in der Regel viel mehr ausgesetzt waren. Meine Erfahrungen waren damit unvereinbar. Das konnte ich nicht. „Es tut mir leid, dass ich dir das alles nie erleichtern konnte. Die Realschule, das Abitur und dann das Studium hier. Ich hätte es dir in so vielen Dingen gerne abgenommen, du musstest immer zurückstecken“, wisperte sie und schnäuzte in ein Taschentuch, das ich ihr gereicht hatte, „und glaub’ mir, wenn ich es irgendwie gekonnt hätte, hätte ich es getan.“ Ich sagte nichts und drückte ihre nasse Wange an meine. Ich wusste genau, was sie meinte. Das waren Themen für die sie sich bei Gelegenheit immer wieder bei mir entschuldigte und es kam von Herzen, denn ändern hatte sie es nie gekonnt. Sie meinte zum einen die Zeit. Zeit hatte sie mir nie viel geben können oder hatte ich mir mit Müh’ und Not welche freischaufeln müssen. Phil war den ganzen Tag über arbeiten, weshalb ich mich um die Wohnung und den Haushalt gekümmert hatte. Einkaufen, Abwasch, alles was dazugehörte. Ich ließ nicht zu, dass meine Mutter das tat, wenn sie mal zu Hause war. Die Therapien setzten ihr immer sehr zu. Natürlich kümmerte ich mich auch um sie. Was blieb war die Zeit, in der Phil zu Hause war und die Abende und Nächte sowie Teile des Wochenendes. Mehr Zeit hatte ich nie für die Schule oder die Uni und diese nutze ich dann auch komplett. Ich war früher sehr gerne ins Kino gegangen oder auch mal schwimmen, aber das ging jetzt nicht mehr. Aus zeitlichen Gründen und dem zweiten großen Thema, weshalb sich meine Mutter immer schlecht fühlte: Geld. Meine Mutter hatte mich vergleichsweise früh bekommen und keine Ausbildung abgeschlossen. Daher jobbte sie bis zu ihrer Krankheit nur etwas und Phil verdiente noch nie gut – wenn er einen Job hatte. Die vielen Umzüge machten es auf der einen Seite nicht einfacher, auf der anderen war das bleiben an einem Ort genauso katastrophal. Seit der Erkrankung waren wir nicht mehr umgezogen und Phil musste viel öfter außerhalb seines Berufsfeldes jobben, um uns über Wasser zu halten. Und das Geld, was wir hatten, gaben wir dann für die Medikamente meiner Mutter aus, die die Krankenkasse nicht bezahlte, da sie „nicht zwingend“ notwendig waren, doch den Heilungsprozess verbessern konnten. Danach kamen die Ausgaben für meine schulische und berufliche Ausbildung. Meiner Mutter waren diese Prioritäten schon immer unangenehm gewesen, weil sie mir gerne eine gute bzw. einfachere Zukunft ermöglicht hätte. Mir hatte das nie etwas ausgemacht. Während des Abiturs hatte ich nebenbei einen Wochenendjob gehabt und jetzt neben dem Studium arbeitete ich auch viel, um mir dieses zu finanzieren. Phil und meine Mum konnte ich damit nicht belasten. Ich war froh, dass sie mir dazu überhaupt die Möglichkeit ließen, denn sie hätten auch verlangen können, dass ich eine Ausbildung begann und auszog. Auch schon damals, als die Entscheidung anstanden hatte, dass ich aufs Gymnasium überwechselte. Wir zogen alle an einem Strang, weil sich jeder von uns bewusst war, dass sonst alles auseinander fiel; die ganze Harmonie zwischen uns. Wir hatten nur uns. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz ich bin, was du alles erreicht hast, obwohl es uns oftmals nicht so gut ergangen ist“, sagte meine Mutter herzzerreißend und strich mir über das Haar, „und, dass du dieses Stipendium bekommen hast…“ „Ich verspreche dir, ich werde dieses Semester sehr viel lernen und alles mitnehmen was ich kann, um es gut zu nutzen. Ich werde keinen Tag unausgefüllt lassen, sei dir dabei sicher.“ Ich küsste ihre Wange. Diese sechs Monate sollten ein Meilenstein in meiner beruflichen Zukunft werden und ich würde alles dafür tun, dass das gelang. Den Erfolg war ich meiner Mutter schuldig. „Vielen Dank und einen angenehmen Flug“, sagte die Frau am Schalter, die mir das Bordticket reichte. Ich ging zu meiner Mum zurück, die mit Phil wartete. Die Augen meiner Mutter waren rot aufgequollen, obwohl sie sich, das wusste ich, sehr zusammen riss. Ich schaute zu Phil auf. „Du passt mir doch gut auf sie auf, nicht wahr?“ Er lächelte. „Natürlich, keine Sorge.“ Er nahm mich in den Arm. „Mach’s gut, Bella und alles Gute dort drüben.“ „Danke“, sagte ich ausatmend und widmete mich dann meiner Mutter. „Bella, bevor ich ‚tschüß’ sage“, ihre Stimme zitterte merklich, „haben Phil und ich noch was für dich.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen und beobachtete, wie sie in ihre Tasche griff und mir etwas Quadratisches in die Hand gab – unverpackt. „Wir dachten Geschenkpapier würde jetzt nur stören“, erklärte Phil. Meine Mutter war diesem nicht mächtig. Ich machte große Augen, als ich auf meine Hand blickte. „Eine Digitalkamera?!“, staunte ich, als ich die Verpackung erkannte. „Es ist nur eine ganze einfache. Wir dachten, wenn wir dir schon nicht viel helfen können, dann kannst du damit wenigstens Erinnerungen für dich und für uns einfangen“, redete Phil wieder, hatte einen Arm um meine Mutter gelegt und sie an sich gedrückt. „Gefällt es dir?“ „Ihr… Phil, ich…“, druckste ich herum. Ich wollte nicht, dass sie mir für unsere Verhältnisse so große Geschenke machten. „Ich weiß, was du sagen willst, Bella“, sprach meine Mutter endlich und nahm meine Hände, die immer noch die Kamera hielten. „Nimm es bitte einfach an und freue dich, ja?“ Ihre Stimme wurde zum Schluss hin piepsiger und eine Träne kullerte ihre Wange herab. Ich lächelte breit, doch angesichts unserer finanziellen Lage und Phils auslaufenden Vertrags in drei Monaten, war es gekünstelt. „Bella und noch etwas“, meine Mutter klang nun etwas gefasster, „ich sage dir das mit Absicht erst jetzt, weil es jetzt sowieso schon zu spät für dich ist, abzusagen.“ Sie hob ein wenig die Mundwinkel. Die Lippen zusammengepresst. „Egal, was mit mir ist, wir werden dich benachrichtigen, wie wir das verabredet haben, aber: Du fliegst unter keinen Umständen eher zurück.“ Ich blickte ihr konzentriert in die Augen und versuchte mir eine kluge Strategie zu überlegen, wie ich sie wieder davon abbringen konnte… „Bella“, sagte meine Mutter eindringlich und rüttelte an meinen Händen. „Ich möchte nicht, nicht mal eine Sekunde, dass du dich auf irgendeine Art und Weise schuldig fühlst, dass du gegangen bist – und dann auch nur für ein Semester. Du kommst nicht zurück, wenn hier irgendwas ist“, verdeutlichte sie. Ihre tränennassen Augen starrten mich an. Ich wusste, worauf sie anspielte; nämlich auf unser Gespräch am Ende des ersten Semesters… „Bella? Du hast Post bekommen“, verkündete meine Mutter und reichte mir einen Brief der eindeutig von der Uni war. „Hm“, machte ich irritiert. „Eine Mahnung wegen eines Buches? Eigentlich habe ich keine mehr hier… und die Bescheinigungen für das nächste Semester sind auch vorgestern gekommen“, murmelte ich zu mir selbst, während ich den Brief aufriss. Geneigt ging ich zum Sofa und las die Zeilen. „Und?“, fragte meine Mutter. „Ach“, ich sah lächelnd auf, „eine Mahnung. Habe wohl beim Abgeben vor ein paar Tagen doch ein Buch vergessen. Ich geh mal eben im Zimmer nach dem Buch schauen…“, log ich und stand sogleich, den Brief in die Hosentasche pressend, auf. Ich rauschte um die Ecke ins Zimmer. Meine Mutter rief mir noch etwas hinterher, doch ich hatte die Tür rasch geschlossen und mich dann aufs Bett gesetzt. Ich hatte noch nie ein Buch einer Bibliothek vergessen, das wusste sie eigentlich sehr genau. Ich fand mich relativ überzeugend… Glaubte sie mir? Nahm sie mir das ab? „Bella?“, klopfte sie an. „Sagst du mir bitte die Wahrheit, was in dem Brief stand?“ Tat sie nicht, dachte ich grummelig. Ich öffnete die Tür und reichte ihr den Brief. Ich wusste, dass sie nicht locker lassen würde und ich wollte ehrlich zu ihr sein. „Aber…“, nuschelte sie noch beim Lesen, „das ist doch großartig, findest du nicht?“ „Ja… toll… bestimmt ganz gut“, wog ich mich um eine Antwort. Die Tür fiel ins Schloss. Phil war von seiner Frühschicht heim gekommen. Ab und zu musste er auch am Wochenende arbeiten, wenn es dringende Aufträge waren. „Guten Morgen meine zwei Hübschen, ich habe Brot mitgebracht“, rief er in die Wohnung und man hörte, wie er seine Jacke ablegte und die Schuhe abstreifte. „Wo seit- ach da“, meinte er, als er einen Blick in mein Zimmer geworfen hatte. „Was schaut ihr denn so?“ Er runzelte die Stirn und meine Mutter reichte ihm wortlos den Brief, doch ihre Augen strahlten. Phil überflog den Zettel rasch und schaute zu mir auf. „Herzlichen Glückwunsch! Das ist aber eine Ehre!“, freute er sich. „Ach, da mach ich ja nicht mit.“ Ich zuckte mit den Schultern und machte eine wegwerfende Bewegung. „Bitte?!“, platze meine Mutter hervor. „Natürlich! Das ist doch eine super Chance. Dich hat das doch schon immer interessiert und mit der Sprache hättest du doch auch keine Probleme-“ Ich machte ein ernstes Gesicht, einen Hauch vorwurfsvoll. „Wegen mir? Kommt nicht in Frage Bella!“, widersprach sie, als sie meinen Blick richtig deutete. „Du bist- was steht da“, sie nahm Phil den Brief ab, „unter den zehn ausgewählten Erstsemestern, die in das Programm zur Auswahl aufgenommen werden“, zitierte sie. „Das hört sich doch super an“, fand auch Phil, der meiner Mutter über die Schulter sah. „Bezahlte Auslandssemester. Vollstipendien, Studiengebühren, Wohnmöglichkeit, Kostenübernahme-“ „Ja, das mag ja sein-“, begann ich. „‚Es besteht die Möglichkeit, sich innerhalb des Programms für einzelne Auslandssemester zu bewerben, aber auch für mehrere sowie für komplette Studienabschlüsse in Amerika’“, las meine Mutter vor. „Ich denke wir frühstücken“, versuchte ich mich durchzusetzen, nahm Phil das Brot und meiner Mum den Brief ab und stiefelte in die Küche. Ich zerknitterte den Brief und warf ihn in den Hausmüll. Verstanden sie nicht, dass ich das nicht konnte? Weggehen, wenn meine Mutter krank war? Zu studieren, wenn sich beide dafür krumm legen mussten, dass ich noch zu Hause wohnte und kein eigenes Einkommen hatte, war schon unangenehm, aber dann ganz gehen? Klar, ich würde sie finanziell entlasten, aber wie sollte Phil den Haushalt und die Betreuung meiner Mutter allein bewerkstelligen. Selbst wenn das Auslandsjahr erst ein paar Semester später war. Heute war sie etwas besser drauf, doch morgen stand die nächste Chemotherapie an… Ich konnte meine Mutter nicht allein lassen, wo sie doch den Krebs noch nicht überwunden hatte. Ich glaubte auch nicht, dass ich gehen würde, wenn sie geheilt wäre, war ich felsenfest der Überzeugung, während ich den Tisch deckte. „Mal im ernst“, kam es von meiner Mutter, als sie zu mir in die Küche stieß. „Du bist wegen deinen super Leistungen in dieses Programm aufgenommen worden. Natürlich nimmst du den Platz an und vielleicht klappt es nach den weiteren Verfahren sogar. Das wäre doch toll. Das ist eine super Chance, die wir dir sonst nicht bieten könnten.“ Ihre Stimme wurde zum Ende hin leiser. „Mum, ich will nicht gehen, wenn es dir so schlecht geht“, murmelte ich und setzte mich, mit der Butterdose in der Hand, an den Tisch. Phil stellte sich zu ihr und legte die Hand auf ihre Schulter. Sie seufzte und setzte sich über Eck zu mir, bevor sie meine Hände nahm. „Schatz, aber das ist doch genau der Fehler. Es geht um deine Zukunft und ich möchte, dass du das nutzt-“ „Stell dir mal vor, ich wäre bis zu meinem Abschluss in Amerika? Das kann ich nicht, Mum.“ Warum verstand sie mich nicht? Ich würde in dem Fall gerne für sie zurückstecken, denn wie sollte ich mich drüben auf das Studium konzentrieren, wenn ich wusste, dass Phil den ganzen Tag arbeiten musste und meine Mutter hier allein hockte und es ihr schlecht ging? „Aber das wäre doch optimal für dich. Du hättest mit der Sprache keine Probleme und die Forschung drüben ist doch gut oder nicht? Hast du nicht mal erwähnt, dass-“ „Ja, ja, das ist sie“, unterbrach ich meine Mutter niedergeschlagen. Wie konnte ich ihr das begreiflich machen? Das war keine Option für mich, weil ich mich immer schlecht fühlen würde. Sie stand auf und holte den Brief aus dem Müll, strich ihn glatt und setzte sich wieder zu mir. „Hier steht doch…“, begann sie grübelnd und fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang. „Hier steht, dass du auch nur ein Semester machen könntest, im fünften Semester. Bella, bis dahin wird es mir wieder besser gehen. Bitte, tue mir den Gefallen und melde dich dort an. Im Moment ist es sehr schwierig und ich danke dir sehr, wie viel du für mich, für uns, tust, aber du musst auch mal an dich denken und ich bestehe darauf, dass du dich wenigstens für dieses fünfte Semester anmeldest und es versuchst.“ Sie sah mich strikt an, als ließe sie keine Widerworte zu. Ich senkte den Blick und atmete tief ein und aus. Der Gedanke an ein paar Wochen Studium in Amerika hellte sich in meiner Brust auf – doch das beißende Gefühl im Magen verstärkte sich zusehends. „Ich…“ „Du solltest das tun, Bella“, fand Phil. „Du hast so viel Talent – und es verdient. Melde dich wenigstens an und mach dieses Bewerbungsverfahren.“ Ich schaute mit verzerrtem Blick zu Phil auf, dann zu meiner Mutter. Warum macht ihr mir Hoffnungen, die ich nicht haben will?, war in meinem Gesicht zu lesen. „Unter einer Bedingung.“ Ich wartete ab, doch keine Regung verzeichnete sich in den Gesichtern der beiden. „Falls es wirklich so weit kommt, dass ich im fünften Semester in Amerika studiere, möchte ich, dass ihr mich bei allem informiert, was hier passiert. Wenn es dir schlechter geht oder was auch immer.“ Ich blickte meine Mutter bedeutungsvoll an. „Und“, setzte ich hinzu, „wenn irgendetwas mit dir ist und ihre Hilfe benötigt, hält mich kein Studium der Welt mehr dort und ich werde zurückfliegen.“ Die beiden sahen sich an und schließlich nickte meine Mutter. Ich tat es ihr gleich. „Das ist unfair. Das war meine Bedingung und ihr habt mir zugesagt“, erwiderte ich grimmig. „Warum sagt ihr mir das jetzt?“ „Ich möchte es dir nicht per SMS schicken. Dann nimmst du mich sowieso nicht ernst. Wenn wir merken, dass du doch dazu neigst zurück zu fliegen, dann informieren wir dich auch nicht mehr oder lügen“, sagte Mutter mit einer künstlich harten Stimme, die sie sonst nicht besaß. Auch solche Manöver passten gar nicht zu ihr. „Nein! So war das nicht vereinbart!“, meinte ich entrüstet. „Dann fliege ich nicht.“ Ich verschränkte stur die Arme, wissend, dass wir drei alle wussten, dass das gar nicht zur Debatte stand. Ich würde fliegen. Es war alles geregelt und es gab jetzt kein zurück mehr. Meine Mutter griff in ihre Handtasche und reichte mir einen Brief. „Hier, steck’ ihn ein. Lies ihn bitte erst im Flugzeug. Er ist nicht von uns“, sagte sie knapp und beendete damit das Thema von gerade. Ich steckte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen weg. „Auf Wiedersehen, Bella“, sagte meine Mutter und schloss mich mit weiteren Tränen in den Augen in die Arme. Ich schaute sie strafend an, wärmte die Diskussion von eben nicht wieder auf, denn insgeheim hofften wir alle, dass in den nächsten sechs Monaten nichts geschah… Sobald ich an meinem Platz saß, mich angeschnallt, die Jacke verstaut und das Handgepäck zwischen die Füße gelegt hatte, kramte ich den Zettel meiner Mutter neugierig raus. Ich konnte es gar nicht abwarten ihn zu lesen. Der Umschlag war komplett weiß und offenbarte mir nichts. Ich achtete nicht auf das, was um mich herum passierte und stutzte zuerst, als ich den Briefkopf sah. Polizeiwache Forks. Liebe Bella! Ich gratuliere dir sehr herzlich zu dem Stipendium für das Auslandssemester. Deine Mutter hat mich informiert und ich freue mich sehr und bin sehr stolz auf dich. Wie du weißt, lebe ich noch in Forks, auch noch in dem gleichen Haus von damals und würde mich sehr freuen, wenn du dich in dem halben Jahr mal bei mir meldest. Bei der Gelegenheit möchte ich dich sehr gerne wieder sehen. Wenn du Hilfe brauchst, Seattle ist ja nicht weit weg, sag mir Bescheid. Ich hoffe, dass du gut in Amerika zurechtkommst und das Jahr nutzen kannst. Dein Vater Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch. Ein ungewöhnlicher Brief. So… es passte nicht zu meinem Vater. Obwohl, überlegte ich, ich hatte ihn so lange nicht mehr gesehen, dass ich das vielleicht gar nicht mehr beurteilen konnte. Ich hatte bis zu meinem neunten Lebensjahr bei meinem Dad gewohnt und sprach daher auch fließend Englisch, jedoch genauso gut Deutsch, da meine Mutter beides mit mir gesprochen hatte. An einem, wie üblich für Forks, verregneten Tag, trennten sich meine Eltern und ließen sich dann auch scheiden. Meine Mutter hatte neun Jahre ausgeharrt, wie sie mir später erzählte und versucht sich einzugestehen, dass dies nicht das Leben gewesen war, was sie führen wollte. Sie fühlte sich immer noch schuldig mir gegenüber, weil es uns danach nicht gut ergangen war. Meinen Dad hatte ich seit der Trennung meiner Eltern zweimal gesehen. Der Flug war zu teuer, als dass wir oder Charlie es öfter hätten finanzieren konnten. Hinzu kam, dass ich seit der Krebsdiagnose meiner Mutter, nicht mehr fort wollte. Das hatte ich meinem Vater nie so direkt gesagt, aber ich vermutete, dass er es ahnte. Ich hatte ihn ab und an angerufen und zu Weihnachten, meinem Geburtstag und anderen Festen schickte er mir immer eine Karte und meist eine Geschenk. Ich mochte ihn, auch wenn wir nicht mehr viel Kontakt hatten oder haben konnten. Auch meine Mutter verstand sich noch mit ihm. Beide hatten keinen Rosenkrieg ausgetragen oder etwas in der Art. Mein Vater war zwar nicht begeistert gewesen, doch letztendlich war es eher im Einvernehmen geschehen. Er war eher von der ruhigen Sorte und hätte meine Mutter, allein schon wegen mir, niemals eine Szene gemacht. Der Brief verschwand in meiner Tasche. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt ihn in Forks zu besuchen, genau genommen hatte ich es ernsthaft vor gehabt, aber, dass er das von sich aus anbot, ließ mich lächeln. Hauchzart begann das Kribbeln in meinem Körper und streute sich in all meine Glieder. Freude machte sich in mir breit, die ich zuvor nicht in dem Ausmaß hatte empfinden können. Denn jetzt konnte ich nichts mehr ändern. Die Maschine rollte schon und mit ihr ein Teil meines Gewissens fort. Es konnte nicht mehr in der Form aufkommen wie vorher, weil jetzt alles seinen Weg ging und alles beschlossen war. Ich durfte mich freuen. In mich hineingrinsend, sah ich rechts aus dem Fenster, wie das Flugzeug sich vom Erdboden entfernte. Das würden meine sechs Monate werden und ich würde jeden Augenblick ausfüllen, um der Zeit gerecht zu werden, in der ich meine Mutter nicht sah. Das Flugzeug stieß sanft durch die Wolkenbank. Ich nahm meine beiden Koffer vom Gepäckband und stiefelte weiter in die Ankunftshalle. Kurz schloss ich die Augen und atmete tief die Luft ein, die kühl von den Türen hereinwehte. Es war Anfang September, in zwei Woche begannen meine Seminare, und das Wetter hielt sich auf milde 10 Grad. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke höher zum Kinn und sah mich um. Ein Taxi würde mich abholen und zu meiner Bleibe für die nächsten Monate bringen. „Miss Swan? Richtig?“, erklang die herrliche englische Sprache, die ich so liebte und durch meine ersten Lebensjahre beherrschte. „Ja“, nickte ich dem Mann zu, der ein Schild für mich hoch hielt. Ich ging ihm hinterher und beobachtete die Gegend rund um Seattle mit wachsender Neugier. Eine Zeit lang mein neues zu Hause… Piep, erklang mein Handy. Ich kramte es aus der Vordertasche meines Rucksacks heraus und las die SMS von meinem Dad: Willkommen in Amerika. Mehr stand dort nicht. Ich lächelte wieder. Dass er daran gedacht hatte… Zunächst machten wir Halt bei der Universität, genau genommen an dem Verwaltungsgebäude, wo ich weitere Unterlagen und meinen Schlüssel für die Wohnung bekam. Mit einem großen braunen Umschlag bepackt, den Schlüssel in der Hosentasche, ging ich zu dem Taxi zurück. Nur wenige Minuten weiter kamen wir an einem großen hellen Haus an, von welchen ich schon viele hier in der Umgebung gesehen hatte. Suchend betrat ich das Gebäude. Untergebracht war ich in einem der Studentenwohnheime auf dem Campus der Universität. Es war nicht luxuriös, doch ich mochte mich absolut nicht beklagen. Ich schloss die Wohnung auf, welche befand sich im ersten Stock. Wow, dachte ich prompt, so ein großes Zimmer, geschweige denn eine kleine eigene Wohnung, hatte ich nie besessen. Ich machte die Tür hinter mir zu und ließ den Blick schweifen. Spärlich eingerichtet aber groß, zumindest gemessen an dem, was ich gewohnt war. Ich erkannte ein Bett rechts hinten in der Ecke des quadratischen Raumes mit einem Nachttischchen. Am Fußende begannen zwei bodentiefe Fenster, ehe die kleine Küche an der gegenüberliegenden Wand stand. Herd, Ofen, kleiner Kühlschrank, eine Anrichte, fertig. Daneben war ein Kleiderschrank hingestellt worden und so endete die Wandseite auch schon fast. In der Ecke war ein kleines hockerartiges Möbelstück, auf dem ein Fernseher stand. Rechts, neben dem Nachttisch waren zwei leere Regale. Mitten im Raum stand ein größerer Tisch, der gleichzeitig als Schreib- und Esstisch zu dienen schien. Direkt am Eingang links war noch ein Bad mit Dusche und Toilette; rechts eine Abstellkammer. Als ich alles besichtigt hatte, allzu viel war es ja nicht, stellte ich als allererstes den Fernseher unten in die Abstellkammer. Den würde ich nicht brauchen. Da hatte ich keine Zeit für, schließlich wollte ich hier etwas lernen und keine amerikanischen Late-Night-Shows studieren. Ich schloss die Kammertür, stemmte die Hände rechts und links in die Hüften und atmete zufrieden aus, als ich mir die Wohnung anschaute. Es war nichts besonderes, doch ich fand es toll. Ich verbrachte die nächsten Tage damit, die Wohnung herzurichten, meine Sachen auszupacken, einzuräumen und die Gegend mit meiner neuen Digitalkamera etwas zu erkunden. Vor allem aber musste ich Kleidung kaufen. Ich hatte mein Geld in Deutschland gespart und meine alten Hosen etc. angezogen, weil man mir sagte, dass ich so etwas in Amerika billiger bekam. Dafür hatte ich dann viel mehr Bücher und Uni-Materialien aus Deutschland mitgenommen, dessen Stoff ich jetzt in der freien Woche wiederholte, wenigstens teilweise. Das Wohnheim füllte sich nach und nach immer mehr. Die Studenten kamen von ihren Eltern wieder, von ihren Jobs oder aus dem Urlaub. Mit ein paar Leuten hatte ich ein oder zwei Worte gewechselt, aber niemand war dabei, der, wie ich, im fünften Semester Medizin studierte. Ich hatte auch in Deutschland angerufen und bei meinem Vater in Forks. Alles war ruhig und unbedenklich und ich arbeitete mich nach und nach durch den braunen Umschlag. In einem weiteren, kleineren Umschlag, darin waren Jobangebote. Ich würde dieses Semester nicht arbeiten. Ich bekam einen kleinen Betrag für die Lebenshaltungskosten vom Stipendium und damit würde ich auskommen. Ich war kein verschwenderischer Mensch und so konnte ich einmal nur studieren, ohne Jobs, ohne alles. Lagepläne, Modulbücher, Stundenplanvorschläge… das alles erschlug mich, doch schaffte es nicht, mir das Lächeln von den Lippen zu zaubern. Ich war überrascht von mir selbst, wie entspannt ich eigentlich war. Ich war in Amerika! Doch so sehr, wie ich es erwartet hätte, überwältigte es mich nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht das erste Mal hier war und es einfach war, als wäre ich seit meinen ersten neun Lebensjahren nie weg gewesen… Hey Mum. Wie geht es dir? Ich habe mich in der Woche vor dem Semester gut eingelebt und jetzt starte ich in die erste Vorlesungswoche. Ich bin absolut gespannt, weil ich direkt heute Morgen meine Laborübung habe. Ich bin froh, dass ich die von der biologischen Fakultät zusätzlich nehmen durfte und alles geklappt hat. Kuss, vermisse dich, Bella Mist, mist, mist, fluchte ich innerlich und versuchte mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Ich war alle Räume in der letzten Woche abgegangen und hatte Skizzen angefertigt, damit ich nicht zu spät kam – wie es das Schicksal so wollte, wurde mein erstes Seminar in Amerika morgens räumlich verlegt. Ich rannte mit der Karte durch die Gänge und war schon fünf Minuten zu spät, obwohl ich extra früh da gewesen war. Ich verglich das Schild neben der Tür mit dem auf meinem Lageplan: Übereinstimmung! Ich klopfte. „Entschuldigen Sie, ich habe den Raum-“, begann ich, doch der Dozent, der an der Tafel schrieb, wimmelte mich ab, während mich alle anderen Studenten anstarrten: „Setzen Sie sich.“ Ich holte Luft, um noch etwas nachzufragen, besann mich aber, angesichts der sowieso schon peinlichen Lage, eines besseren und ließ den Blick zu einem freien Platz an den Labortischen schweifen. Im zweiten Gang ganz hinten schien noch einer – der einzige – frei zu sein. Ich bahnte mir durch die vielen Taschen und Füße und dazugehörenden Beine ungelenkig den Weg zu dem freien Platz. Während dessen erkannte ich Namensschilder auf den Tischen – auf dem freien war jedoch keiner. Ich setzte mich trotzdem dorthin und kramte sofort in meiner Tasche nach Zettel und Stift. „Isabella Swan“, murmelte mein einziger Sitznachbar, ich saß ganz am Ende, vor sich her. Als ich aufblickte, erkannte ich ein Papier in seinen Händen. Es zeigten sich mir tief grüne Augen in einem formvollendeten, aber leicht markantem Gesicht. Solch eine satte Farbe, doch keineswegs künstlich wirkend. Seine Hautfarbe war von einem karamellfarbenen Ton, aber so weich fließend, wie Milch. Die Mundwinkel waren einen Hauch gehoben, aber es wirkte nicht allzu freundlich. Es war eher ein… abschätziges Lächeln, grübelte ich. „J-“, brachte ich hervor und räusperte mich. „Ja?“ „Ich schätze mal, das bist du.“ Er hielt das Schild mit meinem Namen in der Hand hoch und stellte es vor mich. Seine Stimme klang warm, aber der raue Unterton machte sie unglaublich ausdrucksvoll. „Edward, hallo“, grüßte er und hielt mir die Hand hin. Sein Unterton wechselte in… gleichgültig? Es klang merkwürdig. Perplex schüttelte ich sie. „Hi.“ Dann nahm er keine Notiz mehr an mir und widmete sich der Tafel. Ich tat selbiges. Komischer Name und komischer Typ, dachte ich kurz, bis ich endlich mit den Aufzeichnungen anfing. „Mit Ihrem neuen Laborpartner neben sich werden Sie dieses Semester die Versuche zusammen durchführen und auswerten-“ Mein Blick glitt verstohlen nach rechts. Er war mein Laborpartner? Ich seufzte innerlich, wusste aber nicht mal, woher das rührte. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, aber definieren konnte ich nichts. Ich krakelte rasch weiter auf dem Zettel, während der Dozent den Rahmen unseres Seminars erklärte. Edward schrieb nichts auf und sein Buch war ebenfalls verschlossen. Sein Blick wirkte von der Seite her gelangweilt. Ich schaute mich kurz unauffällig um, um die Situation etwas zu analysieren. Ich war in Amerika, in einem Biologieseminar, und fühlte mich in diese ganze Situation plötzlich wie reingeworfen, doch ich bemerkte, dass ich mich sofort wohl fühlte und mir nicht fremd vorkam. Ich war in meinem Element. Nach einem plötzlichen Klopfen trat ein blonder Mann ein. Ich machte große Augen, denn ich kannte diese Mann… ich war mir sicher, dass ich dieses Gesicht schon mal gesehen hatte; auf dem Rücken eines Buches… mehrerer Bücher… „Entschuldigen Sie, Mr. John, ich muss Ihnen eben meinen Sohn entwenden. Wäre das möglich?“, fragte er und blickte freudig in meine Richtung. Ich spürte wie mir Hitze durch den Körper schoss, vor Überraschung. „Ja, natürlich, kein Problem. Die Einführung kennt Ihr Sohn ja schon“, meinte Mr. John zugestehend. Unerwartet kramte Edward neben mir seine Sachen zusammen. Ich beobachtete ihn mit leicht gerunzelter Stirn. Hatte er nicht in meine Richtung gesehen, sondern in- „Wie unhöflich mich nicht vorzustellen“, fand der gerade eingetretene Mann und richtete sich an uns Studierende. „Carlisle Cullen, Leiter des Uniklinikums und Dozent an dieser Universität in der medizinischen Fakultät.“ Er lächelte herzlich in die Runde. Cullen? Carlisle Cullen?! Und Edward war sein Sohn?! „Und Mr. Cullen ist Teilhaber dieser Universität und Forschungsleiter. Er hat zahlreiche Preise und Sonderauszeichnung für die Forschung in den verschiedensten Gebieten der Medizin erlangt“, pries Mr. John ihn wie einen Hauptgewinn an. Mr. Cullen senkte lächelnd den Blick. Er wollte das alles eigentlich nicht proklamieren, schoss es mir durch den Kopf. Edward war mittlerweile, ich hatte es gar nicht wirklich realisiert, aufgestanden und durch die Reihe zu ihm geeilt. Perplex starrte ich ihm und seinem Vater nach. Ich kannte Mr. Cullen deshalb, weil ich viele Bücher von ihm besaß und dasselbe Lächeln und dieselben klaren blauen Augen viele Buchumschläge bzw. Buchrücken zierten. Er wirkte sehr nett und gelassen. „Miss Swan?“ Ich zuckte aus meinen Gedankengängen zusammen. „Sie müssen dann heute allein beginnen oder sich einer anderen Zweiergruppe anschließen, wenn Sie Fragen oder Probleme haben“, teilte mir der Dozent mit und widmete sich, nach einem kurzen bejahen meinerseits, wieder seiner Tafel, ehe er eine Reihe Zettel und Skripte austeilte und bei mir zuletzt stehen blieb. „Entschuldigen Sie, Miss“, wisperte er, während die anderen mit dem Lesen begannen. „Ich habe sie noch gar nicht in den USA willkommen geheißen. Man sagte mir Sie wären die Stipendiatin aus Deutschland für Medizin, die aber auch Biologiekurse belegt?“, fragte er, nun um einiges freundlicher als zuvor, nach. „Ja, das ist richtig“, lächelte ich. „Vielen Dank.“ „Ich hoffe Sie leben sich hier gut ein, wir sind auf Ihre Arbeiten hier außerordentlich gespannt. „Ach und“, er gab mir die gleichen Zettel in der zweiten Ausführung, „würden Sie diese Mr. Cullen geben?“ Nachdem ich genickt hatte, ging er davon. Merkwürdig irritiert verließ ich das Seminar. Jetzt musste ich erst mal diesen Cullen-Sprössling finden, damit er seine Sachen bekam. Doch wo sollte ich nach ihn suchen? Wo waren die Biologiestudenten zu der Zeit? Ich sah in ein paar Gängen und größeren Vorlesungsräumen, in denen er sich vielleicht gleich aufhalten könnte, nach. Da ich jedoch nur wenig Zeit hatte, bis das nächste Seminar begann, fand ich ihn nicht. Das zweite Seminar verlief gut, weniger aufregend wie das erste. Der Dozent begrüßte mich offiziell vor den anderen Seminarteilnehmern und schien sehr nett. Es wirkte fast, als bekäme ich einen Bonus, weil ich eine Austauschstudentin war… Ich grübelte abseits von den Themen, die ich schon kannte und gerade am Pult referiert wurden, darüber, ob ich Edward auf eine bestimmte Sache ansprechen sollte… Wenn ich ehrlich war, machte es mir „Sorgen“, dass er der Sohn von Carlisle Cullen war. Ich nahm mir vor, ihn in der Mittagspause in der Mensa zu suchen – und zu finden. Ich schnappte mir ein Brötchen aus der Cafeteria und sah mich um, doch das „finden“ erwies sich als nicht so einfach. Ich lief in das erste Stockwerk, wo noch weitere Sitzplätze der Mensa waren. Viele, sehr viele Gesichter schauten mich an, nicht jedoch Edwards, ärgerte ich mich. Gerade wollte ich die Treppen wieder heruntergehen, als ich im vorbeigehen ein Plakat bemerkte, welches gerade an die Wand geklebt wurde. Zwei Wörter hatten mich stehen bleiben lassen: Edward Cullen. Ich blickte auf zu dem Titel: Klassisches Konzert der Symphonien. Darüber in klein: Die Musikfakultät präsentiert. Ab der Hälfte, unterhalb dessen, waren Namen aufgelistet – auch Edwards. Und das nicht klein, im Gegenteil: Vergrößert und Gelb auf dem dunklen Hintergrund, der orange umrahmt war, hervorstechend. Musikfakultät??, schoss es mir durch den Kopf. Ich bemerkte, wie rechts neben mir, ein paar Treppenstufen weiter unterhalb, ein Mädchen ein weiteres Plakat an die Wand pappte. „Ähm, entschuldige“, sprach ich sie an und sie reagierte auch. „Kennst du den?“ Ich zeigte auf seinen Namen. Sie zog die Augenbrauen hoch und ihr Gesichtsausdruck war etwas angewidert. „Machst wohl Witze, oder?“ Sie schnaubte, warf das lange braune Haar über die Schulter und ging weiter. „He, warte-“ Das Mädchen drehte sich noch mal, zusehends missmutig, zu mir um. „Bist’ wohl nicht von hier, wie?“ „Nein, ähm, tut mir leid, also kennst du ihn?“, fragte ich noch mal nach. „Klar.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Natürlich, jeder kennt ihn hier. Entweder durch seinen Vater oder die Musiksache-“ „Studiert er hier Medizin?“, unterbrach ich sie etwas unhöflich, doch ich bemerkte ihre Unruhe, dass sie eigentlich weitermachen wollte, und sprach sie einfach direkt darauf an. „Nein, wie kommst du denn darauf?“ Sie blickte mich entgeistert an. „Er ist ein großartiger Pianist und schnippelt keine Menschen auf.“ Sie hielt ihre Materialien entschuldigend hoch, obwohl sie auch genervt wirkte, und verabschiedete sich. Ich ging die Treppen wieder hinab. Diese Information bestätigte nur meinen Eindruck von ihm. Ich schüttelte zu mir selbst den Kopf. Mein erster Tag und so ein Durcheinander und Desaster. Möglicherweise hatte ich den desinteressiertesten Kursteilnehmer als Laborpartner abgekriegt. Ich verzerrte innerlich das Gesicht. Wie sollte ich das vor mir selbst rechtfertigen – und vor meiner zu Hause sitzenden Mutter – wenn ich in diesem mir so wichtigem Kurs versagte? Ich musste ihn suchen, nein finden. Ich ging weiter die Gänge auf und ab, ohne Erfolg, bis ich an einer großen Tür vorbei kam, dessen Flügeltüren weit in den ausgestorbenen Gang geöffnet waren. Einen Augenblick nicht an meinen Laborpartner denkend, spähte ich hinein. Es war eine Art Aula oder Saal. In jedem Fall fiel der Raum mit stufenweise angelegten Sitzplätzen in einem dunkleren Holz ab, bis zu einer Bühne auf der bislang noch nichts stand – abgesehen von einer Gruppe Studenten mit Plakaten und Blättern um sie herum. „Edward“, murmelte ich zu mir selbst. Auch ihn erkannte ich dort unten. Er redete gerade mit jemandem, vermutlich mit einem Dozent der Musik. Entschlossen ihn zur Rede zu stellen, stiefelte ich die Treppen sorgsam hinab. Ich wartete etwas abseits und nachdem Edward sich aus den Fängen des Dozenten gelöst hatte, schritt ich auf ihn zu. „Hey“, begann ich, als er mich erkannte und hielt ihm die Zettel hin. „Die soll ich dir von Mr. John geben.“ „Ah gut, danke“, meinte er, nahm sie unwirsch und wollte sich weg drehen. „Warte kurz“, bat ich. Er wandte sich wieder um. Sein Gesicht erschien mir weniger einladend. „Ähm, ich- also, du studierst Musik, nicht wahr?“ Ich ließ den Blick kurz schweifen. „Ja, und?“, fragte er kalt. „Hör zu…“ Wie sollte ich ihm das sagen, ohne, dass es arrogant klang?, fragte ich ich gedanklich dazwischen. „Ich weiß nicht, warum du den Laborkurs belegst und ob dir das Seminar überhaupt wichtig ist, aber-“ „Keine Sorge, ich nehme es ernst“, entgegnete er tonlos. „Ähm, ja, gut, ich will halt nur damit sagen, dass mir das Seminar unglaublich wichtig ist und auch für meine Zukunft-“ Ich brach ab, als Edward geräuschvoll schnaubte und die Augen theatralisch verdrehte. „Hör mal, Isabella-“ „Bella“, unterbrach ich ihn direkt. „Wie auch immer“, meinte er. „Du studierst doch Medizin, also auch keine Biologie, oder??“ „Ja- Nein-“, wand ich ein, „aber es ist nahe liegender als Musik und deshalb wollte ich dich einfach bitten-“ Er hörte gar nicht zu. „Ich bekomme komischerweise immer die selbstgefälligen, ausländischen Überflieger ab. Klingelt’s? Die Dozenten denken nämlich merkwürdigerweise immer, dass ich einen würdigen Gegenpart brauche und rate warum?“ Sein Tonfall wurde immer vorwurfsvoller und bissiger. „Weil ich einiges drauf habe und nicht zuletzt vieles schon kenne, was dort gemacht wird. Ich belege jedes Semester zum Spaß verschiedene Kurse in Biologie. Mal theoretisch, mal praktisch. Immer andere. Also tue mir einen Gefallen und mach dir um mich keine Sorgen. Ich belege den Kurs nicht, um einmal Arzt zu werden und bloß geregeltes, hohes Einkommen, einen angenehmen Status und einen sicheren Job zu haben. Nein, ob du es glaubst oder nicht, ich habe Interesse daran.“ „Ja, ich meine- ja, ich auch-“, stotterte ich perplex von seinen harten Worten. „Dann sind wir uns ja einig.“ Er wandte sich endgültig um und widmete sich mit den anderen Studenten wieder den Aushängen. Hatte ich mich gefragt, ob ich arrogant wirkte? Idiot, fauchte ich innerlich. Wie er mich angesehen hatte, als er mich heute Morgen grüßt hatte… da wirkte sein halbes Lächeln schon irgendwie falsch, stellte ich im Nachhinein fest – oder ich wollte das jetzt zumindest so sehen. Er konnte scheinbar auch anders. Schade nur, dass ich keine Vorlesung bei seinem Vater hatte, mich würde interessieren, wie er so war… heute früh wirkte er nett und gelassen und seine Bücher sind auch genial. Wie konnte sein Sohn nur so herablassend sein? Ja, meine Frage war vielleicht auch nicht gerade vorwurfsfrei gewesen, aber… Ich schüttelte den Kopf. Der Typ war mir egal – solange er bei der Sache war und sich anstrengte, und das, so sagte er, wollte er tun, hatte ich kein Problem mit ihm. Dumm nur, dass ich mit ihm den Hauptkurs in Biologie hatte und der war dreimal die Woche. Ich hatte noch ein theoretisches Biologie-Seminar als Begleitung der Praxisstunden und da würde er mit Sicherheit auch drin sitzen – außer der feine Herr wusste das nicht alles schon… Ich ging zu meinem nächsten Seminar, die Mittagspause neigte sich dem Ende. Hallo Bella! Jetzt ist dein Tag dort drüben bestimmt schon fast zu Ende… ich hoffe, dass es dir gut geht und du die Zeit dort nutzen und genießen kannst. Ich würde es mir so sehr wünschen. Zu Hause ist alles in Ordnung und wie immer. Kuss, ich hab dich lieb, deine Mum. Ich lächelte, als ich ihre SMS sah und ich auf den Bus wartete. Nur noch wenige Wochen, dann war die Behandlung Gott sei Dank vorüber und wir hofften alle, dass es dann alles ein Ende hatte und meine Mutter ihr Leben wieder beginnen konnte. Vier Jahre lang hatte sie die Torturen aussetzen müssen. Da der Krebs bei ihr erst spät, aber nicht zu spät entdeckt wurde, hatte die Streuung bereits eingesetzt und weitere Teile ihres Körpers befallen – das hieß eine langwierigere, heftigere Behandlung, als es sonst der Fall war. Doch sie hatte immer Lebenswillen gehabt, das rechnete ich ihr hoch an. Ich blickte auf, als ich einen Bus anrollen hörte. Leider nicht meiner. „Na endlich“, grummelte das Mädchen einen Meter neben mir zu ihrer Freundin, die gerade auf den Bus zusteuerten. „Eine halbe Stunde okay, aber über eine Stunde warten?“ Das Mädchen hinter ihr zuckte genervt, ob von ihrer Freundin oder dem Warten konnte ich nicht ausmachen, mit den Schultern. Über eine Stunde?, hämmerte es in meinem Kopf. Mir war in den letzten Wochen schon aufgefallen, dass die Busse nicht pünktlich waren, bzw. es allgemein mit Zeiten nicht so genau nahmen, aber dabei handelte es sich meist um fünfzehn oder zwanzig Minuten. Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Oder gar länger? Ich sah in Fahrtrichtung des nun abfahrenden Busses und überlegte. Wie lange würde ich laufen? Die Straße verlief leicht bergauf und die Sonne schien vom Himmel, allerdings nur matt und kaum wärmend. Eine gute Viertelstunde vielleicht?, schätze ich. Eher eine knappe halbe, revidierte ich innerlich. „Ich hasse das“, hörte ich rechts hinter mir jemanden sagen. „Sobald die Studenten hier wieder begonnen haben, kommen die Busse noch unregelmäßiger als sonst. Ich dachte, das wären so reiche Stammhalter? Haben die keine Autos?“ Der Junge, zweifelsohne Schüler, kickte einen Stein nachträglich vom Bürgersteig auf die Straße. Heute Morgen hatte ich eine halbe Stunde gewartet, aber da ich sowieso sehr früh dran war, war das kein Problem. Allerdings war ich davon ausgegangen, dass das eine Ausnahme war… Ich schaute mir wieder den Weg zu meiner Wohnung an. Weit war es nicht, nicht wirklich. Einfach die Straße entlang, bis das Haus an eben dieser erschien. Es hielt fit und ich war sicher in immer zur selben Zeit zu Hause. So viel Zeit mit warten konnte ich nicht vergeuden. Die Unterlagen, die wir allein heute bekommen hatten, waren massig. Klar, es war Semesterbeginn, aber das würden nicht die einzigen bleiben und die Hausarbeiten, Referate und Übungen kamen ja noch dazu. Ich fasste mir ein Herz und lief los. Da ich noch keine Tonaufnahmen der Vorlesungen hatte, nahm ich mir beim Laufen ein Skript aus der Tasche und begann mit dem Lesen. So konnte ich die Zeit noch nutzen und war eher zu Hause, um sie dann richtig auszufüllen. Fünfundzwanzig Minuten dauerte der Weg, ich war aber überzeugt, dass ich nächstes Mal schneller war bzw. nicht mehr so abgelenkt von einem Skript sein würde. Ich begann mit dem Sortieren meiner Unterlagen, während mein kleiner, unendlich langsamer Laptop mit dem Hochfahren begann – um letzteres war ich aber nicht so sehr traurig. Dadurch widerstand ich Ablenkungen, wie fernsehen oder PC-Spielen. Nebenbei aß ich hier und da etwas. Mein Handy vibrierte auf dem Bett. Sekunden, nach dem ich es dort hingelegt hatte. Ich sah die Nummer von zu Hause in Deutschland aufblinken. Seufzend langte ich danach und sagte, kaum, dass die Stimme meiner Mutter erklang: „Wir hatten doch verabredet, dass ich dich von hier aus der Telefonzelle-“ „Ach Bella, Schatz“, sie atmete tief durch, „ich wollte einfach nur mal deine Stimme hören, nachdem heute dein erster Tag war. Ging es dir gut? Kommst du mit allen zurecht?“ „Mum“, begann ich beschwichtigend. „Es war, wie du sagst, erst mein erster Tag und damit sehr unspektakulär, aber ich kann nicht verschweigen, dass ich mich nicht sehr auf das Semester freue. Die Leute hier habe ich noch nicht so wirklich kennen gelernt“, tischte ich ihr Lügen auf – zumindest Halbwahrheiten. Edward rauschte mir sofort durch den Kopf. Den hatte ich schon kennen gelernt, zu Genüge. Aber der würde mich noch kennen lernen! „Bella? Sind die nicht gut?“, fragte meine Mutter nach, während ich ganz in Gedanken war. „Wer?“ Ich runzelte die Stirn. „Die Dozenten“, klärte sie mich auf. Ihre Stimme klang irritiert. „Ach- die, die sind toll. Die von heute zumindest“, nuschelte ich und war nicht wirklich bei der Sache. Ich ärgerte mich noch über Edwards ungehobelten Umgang mit mir. Was bildete der sich eigentlich ein? Und noch dazu sah ich ihn morgen früh wahrscheinlich wieder… sehr wahrscheinlich… wenn er nicht von einem Kometen getroffen wurde… „Alles in Ordnung bei dir? Geht’s dir nicht gut? Bist du krank?“, fragte sie wie ein Wasserfall. „Nein, nein- sicher, hier ist es toll. Und wie geht’s dir? Fühlst du dich gut?“, schwenkte ich über. „Ähm, ja. Die Nachwirkungen sind vorbei und die nächste Behandlungseinheit kommt übermorgen.“ Sie seufzte matt. „Aber bald ist es ja hoffentlich vorbei…“ „Ja, hoffentlich“, nuschelte ich. „So Schatz, du hast bestimmt zu tun. Ich hab dich lieb. Viel Erfolg und bis die Tage.“, wünschte meine Mutter und legte, nach meinen Grüßen an Phil, auf. Ich blieb einen Moment stehen, ließ alles sacken, machte meine Gedanken frei von dem Tag und wand mich um. Mein Blick fiel zu dem Stapel Zettel, auf den ich mich jetzt einrichtete. Ich lächelte, als ein kleines Kribbeln meinen Bauch passierte. Es machte mir Spaß, das merkte ich, in jeder Faser meines Körpers. Diese sechs Monate sollten die Besten meines Lebens werden – auch wenn dieses leichte Stechen in meinen Eingeweiden blieb. --------------------------------------------- Bin gespannt, was ihr sagt :):):) bin für anregungen offen =) Kapitel 2: Exposition: Carpe Diem - Teil 2 (Bella) -------------------------------------------------- normalerweise wollte ich ja 1x die woche posten, aber hier ein kleines halloweenspecial ;) =))) Musiktipp: Proyecto Oniric - La Fragile Mort http://www.youtube.com/watch?v=f5kmQwSg0zk&feature=PlayList&p=2700F97D81213E68&playnext_from=PL&playnext=1&index=27 Bild zum Chap: http://a.imageshack.us/img685/2562/bannerexp2teil2.jpg ----------------------------------------------- Ich ging zeitig aus dem Haus und direkt wieder zu Fuß zur Uni. Ich fand diese Regelung viel planbarer und angenehmer. Ich wurde wacher, blieb fit und bekam frische Luft – auch wenn es so früh morgens anstrengend und irgendwo auch eine Überwindung war. Die Sprachmitschnitte der Vorlesungen von gestern hatte ich mir aus dem Internet heruntergeladen und auf meinen mp3-Player gepackt. So konnte ich den Stoff direkt wiederholen. Kaum war ich auf dem Weg zu dem Laborraum von gestern morgen und brauchte nur noch wenige Schritte bis dorthin, als mein Name hinter mir erklang. „Miss Swan?“ Ich wand mich um. „Ja?“ Ein Mann – mit ziemlicher Sicherheit Dozent – eilte schnellen Schrittes auf mich zu. „Miss Swan, Cassidy mein Name, es tut uns leid“, er war leicht außer Atem, „aber wir haben heute erst bemerkt, dass in Ihren Unterlagen die Einladung zur Begrüßung der zehn Stipendiaten gestern gefehlt hat.“ „Oh, das tut mir sehr leid-“, begann ich höflich. „Nicht Ihr verschulden, das konnten Sie ja nicht wissen“, meinte er mit einer beschwichtigenden Handbewegung. „Würden Sie uns vielleicht heute Morgen mit Ihrer Anwesenheit beehren? Ein Kollege hält eine interne Antrittsvorlesung. Vielleicht nicht uninteressant für Sie? Sie können doch bestimmt der Laborübung einmal fern blieben und das nacharbeiten, nicht wahr? Ich werde Mr. John natürlich Bescheid geben. Seien Sie versichert.“ Er sah mich erwartungsvoll, doch gleichzeitig drängelnd an. Ich wusste sowieso, dass ich keine Wahl hatte, also brauchte ich gar nicht erst zu argumentieren, dass die Laborübungen sehr wichtig waren und man Praxis nicht zu Hause nachholen konnte. „Sehr gerne, ich würde mich freuen“, antwortete ich deshalb, denn interessant würde es wirklich werden. „Dann folgen Sie mir bitte.“ Er schritt, wiederum relativ rasch, vor mir her, während ich versuchte mir den Weg in diesem riesigen Gebäude haarklein einzuprägen, um nachher zurück zu gelangen. „Bitte sehr“, säuselte er und hielt mir die Tür auf. „Miss Swan!“, ertönte laut, durch ein Mikrophon, mein Name, sodass ich kurz zusammenzuckte. „Bitte kommen Sie rein und setzen Sie sich.“ Es waren geschätzte hundert Personen im Raum, die unterhalb der Bühne Platz genommen hatten. Überwiegend Männer – die mich jetzt alle ansahen. Ich nickte nervös und lächelte, während man mir einen Platz zuwies. Mr. Cullen fiel mir, allein schon wegen seines Aussehens, den hellblonden Haaren, sofort ins Auge. Sein Anblick weckte unangenehme Erinnerungen an seinen Sohn… „Für die Damen und Herren Kollegen“, meinte er an die Audienz gerichtet, „die nicht in den Genuss der Anwesenheit von Miss Swan in ihrem jeweiligen Seminar kommen: Sie ist eine der Stipendiaten unseres Programms, im Fachbereich Medizin und exkursweise Biologie und kommt aus Deutschland. Möchten Sie auch noch etwas sagen bzw. ergänzen?“, fragte der Herr auf der Bühne mich. Das musste ja so kommen. Aber das war keine Frage. Das war durch und durch rhetorisch. Ich hatte nicht abzulehnen – und ich hasste es. Betont lässig bejahte ich daher, richtete mich auf und schaute in die Runde. Mein Herze pochte mir augenblicklich bis zum Hals und ich musste einmal schlucken. „Vielen Dank. Ja, mein Name ist Isabella Swan und freue mich sehr hier in Amerika und jetzt in dieser Antrittsvorlesung zu sein und natürlich an dieser großartigen Universität. Ich bin gespannt auf die Zeit hier.“ Ich setzte mich wieder, kurzer Applaus erklang und dann widmete sich die Aufmerksamkeit der Bühne, auf der das Mikrophon die Hände wechselte. Erleichterung machte sich in mir breit, dass mir das einigermaßen flüssig und unblamabel über die Lippen gekommen war. Ich warf einen kurzen Blick nach rechts und links und bemerkte, dass Mr. Cullen mich angesehen hatte. Nun sah er gelinde nach vorn, als wäre nichts gewesen und lauschte dem Vortrag. Ich tat selbiges so gut ich konnte. Meine dritte Laborstunde war direkt am Mittwochmorgen, genau wie montags und dienstags auch. So war die Zeit zwischen den Versuchen nicht so lang, falls Stoffe weiterverarbeitetet werden mussten oder Ähnliches. Ich war relativ pünktlich, weshalb der Raum, der sich insgesamt mit neunzehn weiteren Studenten füllen würde, schon gut besetzt war – auch Edward saß schon an Ort und Stelle. Ich ging an den Reihen vorbei und setzte mich ganz hinten auf meinen Platz. Als ich, nachdem meine Ordner, Bücher und Hefter ihren Platz auf dem Tisch gefunden hatten, aufblickte, nahm ich seinen abschätzigen Blick wahr. Verunsichert blickte ich vor mir auf mein Skript und blätterte unwirsch darin herum. Ich tat so, als las ich, dabei spürte ich seinen Blick genau auf meinen Wangen. Ein stechender, undefinierbarer Schmerz machte sich in meinen Eingeweiden breit – es war mir unangenehm, dass ich ihn darauf angesprochen hatte. Eigentlich hatte ich ihn wegen seiner Arroganz verächtlich anschauen wollen. Ich fasste mir ein Herz und versuchte einen harten Gesichtsausdruck aufzusetzen, als ich mich zu ihm wand: „Was ist?!“, zischte ich leise. „Ich dachte, dir wäre der Kurs so wichtig“, formulierte er gewählt und bittersüß. „Dabei hältst du es noch nicht mal für nötig, deine eigene Anwesenheit hier im Blick zu haben. Wer nimmt hier was nicht ernst...“, setzte er murmelnd hinzu. Ich runzelte die Stirn. „Wovon redest-“ „Guten Tag die Damen und Herren“, begrüßte Mr. John, bereits während des Eintretens, sodass ich und die vielen anderen wuseligen Stimmen verstummten. „Gestern“, formten Edwards Lippen nur. Er hatte sich von mir abgewendet und folgte den Worten des Dozenten. Gestern?, fragte ich immer noch verwirrt und schnaubte kaum vernehmbar auf. Ich verstand. Durch die Dozentenvorlesung, auf der ich war, hatte ich gestern nicht zur Laborübungen kommen können. „Edward, gestern war ich-“ „Schht“, machte er eingebildet und legte einen Finger kurz an die Lippen. Er ignorierte mich. Gut, dann bist du mir auch gleichgültig, sagte ich mir, dann sind wir uns ja einig. Ich richtete den Kopf zur Tafel, damit leider auch zu Edward, da die Tafel rechts von uns war, während wir seitlich in den Reihen saßen. Er hatte sich bequem in den Stuhl gesetzt und die Arme verschränkt, gleichsam so, als würde er einen Film sehen. Ich widmete mich meinem Notizzettel und schrieb die Anleitung von der Tafel ab. „Fahren Sie mit den Ergebnissen des gestrigen Tages fort und analysieren Sie den Versuch anschließend. Genaue Beschreibung, Reaktionsketten, etc.“, wies Mr. John uns an. „Im Theorieseminar morgen wird das weiter fundiert.“ Edward stand mit einem mal auf, während ich meine Mitschrift vollendete. Er schritt zum Chemikalienschrank und danach zur Materialablage. Ich beobachtete seine Handgriffe und schaute schnell herab, als er zurückkam. Ohne eine Mitwirkung von mir zu beabsichtigen, baute er, nachdem wir beide unsere Laborkleidung angezogen hatten, auf und nahm keine Notiz von mir. Ich lenkte ein, denn das konnte nicht das ganze Semester so weiter gehen. „Es tut mir Leid wegen gestern. Mr. Cassidy hat mich zu einer Vorlesung der Hochschuldozenten mitgenommen und deshalb-“ „Schön“, fiel er mir ins Wort. „Hier“, er gab mir einen Behälter und eine Pipette in die Hand, „füll’ das da rein.“ Ich starrte die beiden Teile an – aber deshalb, weil er mir absolut nicht zugehört hatte und es ihn scheinbar auch nicht kümmerte. Es war unglücklich gewesen, dass ich ihn bat, den Kurs ernst zu nehmen und das nächste Mal selbst nicht da war, doch es war ja nicht mit Absicht und eine Wahl hatte ich nicht gehabt. „HCL ist Salzsäure“, erklärte Edward und deutete mein zögern falsch. „Also pass auf deine Hände auf.“ Sein Tonfall war abfällig. „Ich weiß, was das ist und was das für Auswirkungen auf der menschlichen Haut hat“, zischte ich und begann mit dem Umfüllen. „Gut.“ Er schaute unentwegt auf das Reagenzglas in seinen Händen, indem er zwei Stoffe mischte. „Sonst könnte ich dich gar nicht mehr gebrauchen.“ Ich öffnete entrüstet über seine Selbstgefälligkeit den Mund und drohte zu platzen. Er war so unverschämt! Bella, sagte ich mir innerlich ruhig, du willst einen guten Job machen und ausgezeichnete Ergebnisse abliefern und er ist nun mal dein Laborpartner, also beruhige dich und komm mit ihm aus. Ich atmete pustend aus. „Edward“, sagte ich bedächtig und so gelassen wie ich konnte. „Können wir nicht einfach normal miteinander umgehen?“ Er warf mir einen kurzen Blick zu und sagte nichts, während er eine weitere Flüssigkeit zu dem Reagenzglas in seiner Hand dazugab. Ich redete mir ein, das als Einverständnis deuten zu dürfen. „Was sagst du…“ Er starrte auf die Flüssigkeit, die er sich im Reagenzglas in kreisenden Bewegungen direkt vor Augen hielt. „Wie viel geben wir als katalysatorische Wirkung dazu?“ „Ich…“ Überrascht, dass er mich um Rat fragte, blinzelte ich und sammelte mich rasch. „Ich denke wir sollten sehr sparsam sein, weil es sonst-“ „Wir nehmen alles“, unterbrach er mich und gab die Flüssigkeit im selben Moment in Gänze dazu. „Hey! Was soll das?!“, rief ich empört aus, er achtete nicht sonderlich auf mich, und blätterte in meinem Ordner. „Jetzt können wir von vorne anfangen. Hier.“ Ich zeigte mit dem Finger auf eine Stelle in meinem Ordner und reichte ihm diesen. „Zu viel von dem Stoff bewirkt eine vorzeitige Oxidation, die wir nicht brauchen oder bezwecken wollen, weil sie unsere eigentliche Reaktion verhindert“, sagte ich auf. Er grinste. „Mag sein, aber du hast etwas übersehen – oder nicht richtig gelesen.“ Er legte den Ordner neben uns auf dem Tisch ab und zeigte ebenfalls auf das Papier. „Da wir hier ein anderes Mischungsverhältnis haben, gilt diese Regel nicht.“ Ich beugte mich über das Papier und las ein paar Sätze höher. Missmutig musste ich zugeben, dass er Recht hatte – ich jedoch nur teilweise schuldig war: „Das konnte ich nicht wissen, schließlich war ich gestern nicht da gewesen, als er das Verhältnis bekannt geben hat.“ „Der Stoff wäre klar geblieben, wenn das Mischungsverhältnis so wäre, wie du angenommen hast. Tatsächlich ist er aber getrübt“, konterte er. Voll schuldig, grummelte ich gedanklich. Er kostete seinen Triumph aus und grinste mich überlegen an. „Ich mache weiter“, nuschelte ich und stellte mich mittig vor die Versuchapparatur. Ich hatte kein Problem mir Fehler einzugestehen, doch wenn ich auf so „nette“ Weise darauf aufmerksam gemacht wurde, dann wurmte es mich doch. „Ist das von dir?“, fragte er unvermittelt und hielt meinen Ordner hoch. Seine Augenbrauen waren hoch gezogen. „Von wem sonst“, meinte ich unfreundlich. „Das hast du selber verfasst.“ Es war keine Frage, als er das nachdenklich über die Lippen brachte und auf meinen Ordner hinab sah, der eine lexikalische Übersicht aller Stoffe, Reaktionen, Regeln und Gesetze beinhaltete. Ich musterte ihn stutzig. Lag etwa Anerkennung in seinem Gesicht? Unbehelligt fuhr ich fort, erhitzte das Gemisch weiter und gab die letzte Flüssigkeit hinzu. „Was machst du denn da?!“, fuhr Edward mich plötzlich an und hielt mein Handgelenk fest. „Wenn du so weiter machst, ist unser Endprodukt gleich alkalisch!“ „Lass mich“, meinte ich und entzog ihm meine Hand. „Ich habe alles im Griff. Durch den Zusatz wird das Endprodukt höher konzentriert und wir erhalten ein besseres Ergebnis-“ „Blödsinn“, urteilte Edward sauer. „Die Menge reicht völlig! Lass das!“ Ich wich von ihm weg und wollte noch etwas dazugeben, als er meinen Arm fassen wollte, jedoch auf dem Weg dorthin den Behälter Salzsäure umstieß und sich diese über meinen rechten Handrücken ergoss. Ich starrte auf meine Hand – unfähig mich zu bewegen. Mein Atem setzte aus. Ich war nicht mal fähig einen Laut von mir zu geben, zu kreischen oder ihn anzuschreien. Klirrend glitt der Glasbehälter auf den steinernen Tisch. Um uns herum wurde es stiller und immer mehr Köpfe wandten sich uns zu. Eine Schocksekunde später ließ ich das Reagenzglas, welches ich bis dato in der anderen Hand gehalten hatte, fallen und griff reflexartig nach dem Papierhandtuch, damit die Säure nicht tropfte, und rannte nach vorne zum Pult, um meine Hand im Waschbecken daneben unter fließendes Wasser zu halten. Ich spürte die irritierten Blicke, da sich an jedem Arbeitstisch ein Wasserhahn befand, doch Wasser allein würde nicht reichen. Die Säure, die wir hatten, war hochkonzentriert. Ich reckte meine linke Hand umständlich nach Rechts zum Regal, wo die Stoffe standen und suchte nach einem Gegenstück, nach einer Lauge, nach etwas neutralisierendem. Ich bemerkte Edward neben mir, der zielsicher nach dem, was ich suchte griff, den Verschluss öffnete und mir die Flasche reichte, die ich ihm unwirsch aus der Hand nahm. Ich sah ihn gar nicht an, denn ich wusste, dass ich nicht halb so böse gucken konnte, wie mir zumute war – denn eigentlich verdiente er jede Verachtung. „Sehr clever“, hörte ich Edwards Stimme neben mir leise. So langsam erwachten die anderen hinter uns aus ihrem Dornrösschenschlaf. Mr. John stand längst zu meiner Linken, nachdem er von der anderen Seite des Raumes herbeigeeilt war. „Miss Swan-“ Er atmete zischelnd ein und beobachtete mich. „Ich denke, sie fahren am besten sofort ins Krankenhaus.“ Ich sagte zunächst nichts, versuchte weiterhin, die Säure restlos von meiner Haut zu bekommen und tupfte sie dann mit einem Tuch ab. Ich presste die Zähne aufeinander und versuchte nicht ängstlich zu wirken. „Alles okay“, murmelte ich. „Nicht nötig.“ Meine Haut kribbelte unangenehm. „Warten Sie, Mr. Jullard ist neben an. Warten Sie, ich hole ihn. Niemand rührt sich“, herrschte er die anderen an und lief nervös aus der Tür heraus. „Das“, ich hielt meine gerötete Hand hoch, „darfst du gerne deinem tollen Daddy erzählen.“ Ich funkelte ihn an. „Bella, ich- das wollte ich nicht, das war nicht beabsichtigt-“, druckste er herum. „Na wenigstens etwas“, fauchte ich zaghaft und drehte mich von ihm weg, als Mr. John mit Mr. Jullard hereinkam. Er grüßte kurz und schaute sich dann meine Hand an. Er war Medizindozent und auch mal praktizierender Arzt gewesen, wie er mir mitteilte. „Ich denke, dass Sie das sehr gut gemacht haben und die Hand ausreichend versorgt ist“, fand er. „Dennoch sollten Sie mitkommen, dann kann ich Ihnen ein Gel für die Haut geben. Nichtsdestotrotz“, seufzte er, „werden sie bei der Konzentration nicht um eine Narbe herum kommen.“ Ich nickte, folgte ihm aus dem Labor heraus und hörte noch wie Mr. John sich Edward tadelnd widmete und meinte, er solle sofort von neuem beginnen und gefälligst besser aufpassen – ganz so scharf klang es nicht und wurde es von Mr. John auch nicht formuliert, doch in meinen Gedanken war es so. Ich wusste, dass er gegenüber dem hochwohlgeborenen Cullen-Sprössling nie ausfallend werden würde. „Die Narbe wird sich vermutlich relativ bald bilden“, erklärte er, während er nach dem Gel suchte. „Wenn Sie anhaltend und langwierig Schmerzen haben sollten, gehen Sie bitte auf jeden Fall zum Arzt.“ „Ja, danke“, sagte ich, nahm daraufhin die Salbe und verließ mit ihm zusammen sein Büro. Auf dem Weg zurück, durch die Dozentenflure, kam uns – geliebter Zufall, seufzte ich stumm – Mr. Cullen entgegen. Er zog fragend die Augenbrauen hoch und beäugelte uns. „Theodor, alles in Ordnung?“ „Säureunfall“, meinte Mr. John knapp und deutete auf meine Hand, die ich stetig einrieb. „Oh“, machte Mr. Cullen nur und verengte grübelnd die Augen. Wusste er, dass ich mit Edward die Laborübungen hatte? Wusste er, dass wir sogar Laborpartner waren?, kam es mir urplötzlich in den Sinn. „Carlisle, wo ich Sie gerade sehe…“, begann Mr. Jullard, wandte sich dann jedoch – unmissverständlich mit verabschiedendem Charakter – zu mir. „Gute Besserung, Miss Swan.“ Mr. Cullen pflichtete ihm bei. Ich nickte, dankte noch einmal und ging den Flur weiter, während die beiden Dozenten hinter mir etwas besprachen. Je nachdem wie viel Edward und sein Vater miteinander redeten, hatte Edward vielleicht sogar von der Vorlesung gestern Morgen gewusst und, dass ich dort gewesen war, überlegte ich. Und wenn es so war… konnte er mich dann einfach nicht leiden?? Ich stiefelte zurück zum Seminar. Mr. John erkundigte sich noch mal nach mir, während die anderen alle bereits wieder arbeiteten. Business as usual. Ich setzte mich an meinen Platz und sagte nichts. Auch Edward schwieg, was mich schon etwas ärgerte, denn er hatte sich nicht mal richtig entschuldigt. Ich schaute zu, wie er den Versuch weiter durchführte. Gelangweilt schnappte ich mir einen Zettel, um wenigstens etwas protokollieren zu können und den brennenden Schmerz auf meiner Hand zu vergessen. Ich schnaubte. „Danke übrigens, dass du meine Schreibhand mit Säure begossen hast“, warf ich schnippisch ein. Was ich so lässig nahm, war jedoch ein Problem. Natürlich würde der Schmerz und die Heilung nicht mehr wirklich lange dauern, doch jede Stunde in der ich nicht schreiben konnte, war vergebens. „Entschuldige bitte“, meinte er kleinlaut. Er sah mich nicht an. „Danke“, murrte ich. Und nicht mal richtigen Ärger hast du bekommen. Nur, weil du als Cullen mit Samtpfoten angefasst wirst, fauchte ich säuerlich in Gedanken, sagte stattdessen: „Du hättest rausfliegen sollen!!“ Dann wäre uns beiden geholfen, ergänzte ich innerlich. „Jetzt mach aber mal’n Punkt!“, fuhr er mich an und warf mir einen festen Blick zu. Wenn ich ehrlich war, war ich gar nicht mehr so sauer, wie ich tat, und vielleicht war das auch nur ein bisschen Rache dafür, dass er mit dem Katalysator vorhin Recht gehabt hatte… „Hättest du nicht geglaubt, mit mehr Flüssigkeit den Versuch zu verbessern, hätte ich gar nicht-“ „Willst du dich rausreden?“, unterbrach ich ihn mit einen Hauch fassungslos. Er schwieg. Ich schwieg. Sendepause. Recht bald war die Übung herum und wir packten ein. Edward kümmerte sich um den Versuchsabbau, während ich ewig zu brauchen schien, um meine paar Sachen in meinen Rucksack zu bekommen. Ich brauche keine Hilfe, war ich Edward angegangen, er solle sich um seinen Kram kümmern und mich zufrieden lassen. „Bella! Warte mal!“, kam er hinter mir her, als ich flugs den Raum verlassen hatte und auch schon ein paar Flure weiter war. Ich lief unbeirrt weiter und schließlich aus dem Gebäude heraus. Er lief nun neben mir her. „Wo willst du hin?“, fragte er nach. „Auch wenn es dich nichts angeht, ich habe Freistunden“, erwiderte ich kühl. Eigentlich, kam es mir in Sinn, würde ich jetzt nicht nach Hause gehen, sondern in der Uni bleiben und dort lernen und später Mittag essen. Doch ich wollte meine Ruhe haben, vor Edward. „Bella, hör mal, das wollte ich nicht, es tut mir wirklich leid“, sagte er ehrlich. War das ehrlich? Oder wollte er nur keinen Ärger von seinem Papi und hatte Angst, dass ich ihn anschwärzte? So kindisch war ich nicht. Die Gelegenheit hätte ich dann außerdem schon gehabt… Am Ende der Treppe, die an der Bushaltestelle aufhörte, blieb ich stehen und blickte ihm in die Augen. Es traf mich wie der Schlag, als ich dieses Gesicht, was ich bei unserer allerersten Begegnung, wieder erkannte. Karamell, grün… sanftere Züge, nicht so hart. Nicht so verbissen. Nicht so kühl. Das schwache Sonnenlicht verbarg teilweise seine linke Gesichtshälfte. War seine Entschuldigung wirklich ehrlich? Oder war es ihm einfach nur peinlich, dass ihm das in seiner „Stellung“ passiert war? „Schon gut“, murmelte ich, wider meiner Gedankengänge, und machte Anstalten, an der Haltestelle vorbei und den Weg entlang der Straße zu gehen. „Wohin gehst du?“, fragte er sich laut. „Nach Hause“, sagte ich von ihm weg gewendet. „Bekommen Stipendiaten kein Ticket?“, wollte er sichtlich verblüfft wissen. „Doch. Wir sehen uns“, meinte ich knapp und entfernte mich rascher von ihm. Klar sahen wir uns. Jeden Montag-, Dienstag- und Mittwochmorgen. Edward-freier Tag, dachte ich, als ich am kommenden Morgen schrill von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich aß einen Bissen, wusch mich kurz und machte mich an die Arbeit. Heute hatte ich zwar nicht später Uni, aber ich war gestern früher ins Bett gegangen und somit heute auch eher aufgestanden. Zeit bedarf ihrer Nutzung. Ich streckte und krümmte die Finger an meiner rechten Hand. Gestern Abend hatte es bis in die Nacht hinein noch geschmerzt, aber jetzt ging es. Unverkennbar bildete sich allerdings eine leicht halbmondförmige Narbe auf meinem Handrücken. Seufzend widmete ich mich meinen Unterlagen. Nachher war das Theorie-Seminar zu dem Edward, wie ich wusste, nicht kommen würde. Er hatte von Mr. John kein Papier zur Vorbereitung der heutigen Vorlesung angenommen. Das hatte er nicht nötig, murrte ich und herrschte mich sogleich gedanklich an: Konzentrier dich, Bella! Sehr weit kam ich nicht und machte mich dann etwas frustriert auf den Weg zur Uni. Das Laufen würde mir gut tun, ich fühlte mich dann besser, entlasteter. Ich zog die Haustür zu und wollte schnellen Schrittes Richtung Uni, als mich ein orangener Fetzen an einem- meinem Briefkasten stoppen ließ. Ich brauchte erst gar nicht von innen den Briefkasten zu öffnen, sondern konnte das Stück Papier so herausziehen. So lange konnte das noch nicht hier drin sein… gestern war nichts im Briefkasten gewesen… Ich erkannte die Farbzusammensetzung sofort: Orangener Rahmen, ansonsten dunkelblau mit gelber Schrift – das Plakat von dem Musikkonzert. Ich riss die Augen auf. Eine Eintrittskarte?!? Ich drehte sie um und wand sie zu allen Seiten. Eine Eintrittskarte. Ein Logenplatz. Und ich wusste genau, von wem das kam… Was bildete der sich ein?! Hatte ich darum gebeten?! Glaubte er, ich war käuflich?! Ich schnaubte vor mich hin, während ich die Straßen im strammen Gang entlang lief. Vermutlich hatte er diese Erfahrung gemacht, versuchte eine Stimme in mir ihn in Schutz zu nehmen. Ich schnaubte wieder. Ich hatte nur eine Entschuldigung gewollt und diese bekommen. Ehrlich oder nicht, konnte ich nicht sagen, daher verurteilte ich ihn dahingehend auch nicht – so gut das eben ging. Aber so etwas brauchte ich beim besten Willen nicht. In der ersten Vorlesung, der Theorie zu den Biologielaborkursen, war er, wie bereits gedacht, nicht da. Verbissen versuchte ich zuzuhören und es gelang auch, doch es war anstrengend und meine rechte Hand begann bei dem vielen Schreiben zu kribbeln. Vielleicht galt meine Aufmerksamkeit auch deshalb nicht hundertprozentig der Rede vorn, weil ich gleich Edward suchen wollte, um ihn zur Rede stellen- nein. Ich wollte ihm keine Szene machen. Im Grund war das ja möglicherweise nett gemeint, aber völlig fehl am Platze. Ich eilte aus dem stufigen Vorlesungsraum, nicht ohne mir schnell noch die Unterlagen am Pult zu schnappen, und machte mich auf die Suche nach ihm. Ich hatte eine halbe Stunde, bis ich zum nächsten Seminar musste. Die Eintrittskarte in meiner Hosentasche. Ich lief rüber in die Gänge des Musikgebäudes, wo die große Aula war, in der ich ihn einst gefunden hatte. Hier würde auch das Konzert stattfinden. Vielleicht war er auch dieses Mal dort auffindbar. Ich ging weiter und schaute auf diesem Wege hier und da in die Seminarräume. Scharenweise kamen die Studenten aus den Räumen. Ich hielt weiter Ausschau. Die Gänge wurden wieder leerer. Viel Zeit hatte ich auch nicht mehr… „Nein, nein nein, das ist wirklich kein Problem“, sagte jemand mir bekanntes lachend. Er kam aus einem Seminarraum hinter mir. Ich blieb stehen und wandte mich um, als er aus dem Raum schritt. Ein Dozent an seiner Seite. „Geben Sie mir die Partitur und ich spiele es mal durch. Ich denke-“ Er erblickte mich, nachdem er aufgesehen hatte. Es brachte ihn kurz aus dem Konzept, dann drehte er sich wieder kurz zum Dozenten. „Ich- wir können das auch noch transponieren. Geben Sie die Blätter einfach meinem Vater mit.“ Der Mann entfernte sich und Edward kam auf mich zu. Er blieb einen guten Meter vor mir stehen und presste, fast wie zu einem zögerlichen Lächeln, die Lippen aufeinander. Ich fühlte mich gut, ruhig und ausgeglichen, als ich sagte: „Was soll das?“ Ich hielt die Karte hoch. „Warum steckst du mir die in den Briefkasten und woher weißt du, wo ich wohne?“ „Mhm“, machte er und grinste schmal. „Welche Frage soll ich zuerst beantworten?“ Ich atmete schwerfällig aus und sah ihn mahnend an. „Edward, das ist mein ernst.“ „Also schön“, begann er endlich. „Ich wollte nicht, dass du dich dazu verpflichtet fühlst, dich bedanken zu müssen, deshalb habe ich-“ „Bitte?!“, entfuhr es mir impulsiv, jedoch nicht halb so laut, wie ich es am liebsten getan hätte. Er beäugte mich irritiert. „Na ja, die Karten sind heiß begehrt, um nicht zu sagen ausverkauft-“ „Dann nimm’ die und gib sie jemandem, der die auch haben will. Ich habe keine Zeit“, sagte ich hart. Nicht fauchend, nicht laut. Ich hatte mich gerade gut im Griff, merkte ich. Ich presste die Karte gegen seine Brust und als er sie nicht nahm, flatterte sie zu Boden. Ich wollte nicht weiter auf seine „Dankbarkeitsmasche“ eingehen, sondern nur eines klar stellen… „Weißt du, was ich im Medizinstudium gelernt hab?“ Ich wartete kunstvoll und bemerkte, dass mir leicht die Tränen in die Augen schossen, weil ich sofort an meine Mutter denken musste… „Gesundheit kann man nicht kaufen.“ Sie hatte das eigentlich mal gesagt. Ich senkte den Kopf, blinzelte die Tränen weg und entfernte mich von ihm, ohne, dass ich mich noch mal zu ihm umdrehte. Gut drei Wochen vergingen. Ich kam gut voran, meine Hand war wieder vollkommen genesen und die Narbe zeichnete sich sichtbar ab (meiner Mutter hatte ich davon nichts erzählt, sie würde sich zu sehr sorgen), während Edward und ich einander „handhabten“; um eine Kurzfassung zu geben. Wir gingen kühl und distanziert miteinander um, redeten nur das nötigste und einer gab im Streitfall meist sehr schnell nach. Wir hatten aus unserer letzten Situation gelernt und gingen betont höflich und taktvoll miteinander um, aber nicht nett oder freundlich. Unsere Analysen waren gut und es gab nichts an unseren gemeinsamen Arbeiten zu beanstanden. Wir hatten eine reine „Arbeitsbeziehung“ – wenn das überhaupt eine Beziehung war. Ich atmete tief ein und aus, als ich zum nächsten Seminar schlenderte. Mit dem Stoff kam ich gut klar. Ich konnte mir meine Zeit gut einteilen und sie sinnvoll und effektiv zum Lernen nutzen. Besonders Medizin lag mir und fiel mir nicht schwer. In den Laborübungen, welche ja zu den zusätzlichen Biologievorlesungen gehörten, die ich besuchte, hatte ich mehr Defizite. Der chemische Teil war nicht gerade meine Stärke, weshalb ich viel mehr dafür erarbeiten und selbst lernen musste, aber das schaffte ich. Die Studierenden hier… hm. Sie nahmen keine große Notiz an mir, was aber auch letztendlich daran lag, dass ich keine großen Anstalten machte, mit ihnen in Kontakt treten zu wollen. Ich wollte mich nicht aufdrängen und ganz abgesehen davon, kosteten Freundschaften Zeit, die ich nicht opfern wollte. Ich war schon immer – gezwungener Maßen wie gewollt – ein Einzelgänger gewesen. Zu Hause war auch alles bestens. Meiner Mutter ging es unverändert gut oder schlecht, je nachdem wann die Behandlung gewesen war bzw. die nächste auf sie wartete, und Phil bekam seinen Vertrag, für ein paar Aufträge wenigstens, noch mal verlängert. Ein Umzug ohne mich – so eingebildet das klang – würde sich als sehr schwierig gestalten. Phil würde ihr das Packen, die Treffen mit dem Vermieter, die ganze Organisation nicht zumuten wollen. Er war in der Hinsicht genauso wie ich. Er würde sie auch ganz raushalten wollen. Tja und mit meinem Vater hatte ich mich auch in Verbindung gesetzt. Wir hatten etwas telefoniert, ich hatte erzählt, er zugehört – wie meistens. Wir wollten uns in naher Zukunft treffen, doch bei mir war es gerade zeitlich sehr schlecht (ich fragte mich, wann das mal nicht so war…) und er konnte derzeit nicht aus Forks weg, weil eine Jugendbande die Gegend unsicher macht. Ich musste lachen, als mir das, in Verbindung mit dem kleinen unscheinbaren Forks, durch den Kopf geisterte. Jäh wurde ich von melodischen Tönen aus meinen Gedanken gerissen und lauschte in den fast ausgestorbenen Gang, während ich zum Sekretariat ging. Ich wollte mir Formulare für die Prüfungsanmeldung besorgen. So langsam wurde es Zeit. Ich ging dem Klang nach und neigte den Kopf durch den Spalt einer vertrauten Tür, die angelehnt war. Ich wusste, was sich dahinter verbarg. Die Melodie spielte weiter vor sich her. Eine eindringliche- nein, einprägende Melodie, so inbrünstig gespielt. Unten am Flügel erkannte ich Edward, halbseitlich mit dem Rücken zu mir. Seine Finger schienen über die Tasten zu fliegen – soweit man das von hier oben richtig erkennen konnte. Er spielte ohne Noten… Hm, grübelte ich. Die Melodie war so gefühlvoll und hingebungsvoll gespielt… wie konnte er so hart nach außen wirken und doch so innig dieses Lied auf dem Klavier zaubern? Das wollte mir in dem Augenblick nicht in den Sinn kommen. Ich stellte mich mit dem Rücken zu der geschlossenen Tür gelehnt hin, den Ordner auf die Brust gepresst, und hörte weiter zu. Als er endete, schreckte ich mit einmal hoch und starrte auf meine Uhr. Mein Seminar!, kam es mir erschrocken in den Sinn. So etwas war mir noch nie passiert. Es war auch noch nicht zu spät und ich würde pünktlich kommen, aber trotzdem… „Oh nein“, formten meine Lippen mit verzerrtem Gesichtsausdruck, als ich Montag früh vor dem Aushang an der Labortür stand. Das hatte ich in den Unterlagen gelesen, die ich am ersten Tag meiner Ankunft hier bekommen hatte und doch wieder völlig vergessen: Theoretische Selbststudienwoche. Das hieß, dass alle Vorlesungen ausfielen, praktisch wie theoretisch, und Referate zugeteilt wurden, die dann innerhalb der Seminare am Freitag gehalten wurden. Die Dozenten kümmerten sich in der Zeit neben den Anfragen von Seiten der derzeitigen Studenten zu den Referaten, um zukünftige Studenten bzw. baldige High School Absolventen. Das war alles nicht weiter bedenklich – wenn nicht in meinem Laborkurs alle Laborpartner zu einem Referat verdonnert worden wären. Sprich Edward und ich. Ich seufzte klagend. Warum hatte nur immer ich dieses Pech? Der Zettel verwies noch auf die große Eingangshalle, wo alle Referate aufgelistet waren, denn auf diesem waren nur die Laborübungsteilnehmer und separat davon noch ein weiterer Kurs aufgeführt. Mal sehen, welche Überraschungen mich noch erwarteten…, dachte ich und machte mich auf den Weg zu den weiteren Aushängen. Dort war es schon wesentlich belebter. Ich schlängelte mich zwischen den anderen Studenten durch, um zu „S“ wie „Swan“ zu gelangen und fand neben dem Referat mit Edward noch ein weiteres vor: Änasthesie bei Kindern, gemeinsam mit Julia Theer. Direkt neben dem Namen des Mädchens stand „erkrankt“. Ich runzelte die Stirn, schrieb mir die Namen der Referate und der Name des Mädchens kurzerhand ab und schaute auf dem Änderungsplan nach, an dem viele kleine Zettel gepinnt waren. Auch hier fand ich meinen Namen mit dem Inhalt, dass mein Referat kein Partnerreferat, sondern ein Einzelreferat werden würde, welches ich im Modul „Anästhesiologie und Notfallmedizin“ halten würde. Sprich, ich musste das allein machen. „He“, vernahm ich eine Stimme hinter mir. „Hast du es schon gelesen? Wir-“ „Ja, hab ich gesehen“, unterbrach ich ihn knapp, als ich mich zu Edward umdrehte. Er nickte nur. „Ich denke, wir teilen kurz die Unterthemen auf, die uns einfallen und behandeln dann jeder sein Thema“, schlug ich etwas schwerfällig vor. Die Spannungen zwischen uns waren unerträglich. Ich hatte immer den Wunsch wegzulaufen, weil wir uns so stark signalisierten, dass wir keinerlei Sympathien füreinander hegten. „Nein Bella, so geht das nicht“, wies er mich ruhig in die Schranken. „Das soll ein gemeinsames, stichhaltiges Referat werden und keine zusammen gewürfelte Einzelreferate. Aber gut, es ist deine Sache, ich bekomme dafür keine Leistungspunkte“, meinte er Schultern zuckend und drehte sich um. „Lass uns in die Bibliothek gehen.“ Er entfernte sich von mir. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihm hinterher, wie er lässig, die Tasche über Schulter und Hüfte gelegt, wegging; die Hände in den Hosentaschen. Ich wollte nicht mit ihm zusammenrecherchieren. Ich wollte mich nicht mit ihm treffen und ich wollte ihn nicht sehen. Doch mir war bewusst, dass das Referat einen Praxisteil mit Vorführung beinhalten sollte sowie eine gute theoretische Fundierung und das konnten wir nicht leisten, wenn wir aneinander vorbei arbeiten – nicht angemessen zumindest. „Warte“, nuschelte ich mehr zu mir selbst und lief ihm hinterher. „Du hast recht“, sagte ich ohne einen Blick zu ihm, während wir nebeneinander her liefen. „Wir müssen uns treffen.“ Er sagte nichts und ich auch nicht. Wir setzten uns in die Bibliothek und suchten ein paar Bücher zu unserem – nicht gerade einfachen – Thema raus. Schweigend holten wir Bücher aus den Regalen und lasen darin. Ich richtete die Augen, den Kopf auf der Hand abgestützt, auf ihn, als ich eine kurze Verschnaufpause brauchte und meine Augen etwas entspannen lassen wollte. Im Gegensatz zu mir, saß er gerade. Die eine Hand hielt die linke Hälfte des Buches, während die andere sanft die Seiten umblätterte. Seine Augen flogen jeweils rasch über das Papier und folgten dem nächsten Blatt, wenn es nicht relevant erschien. Durch das seitlich einfallende, matte Sonnenlicht wurde sein markantes Kinn deutlicher gezeichnet. Ich raschelte gelegentlich mit dem Papier, damit er meine kleine Pause nicht bemerkte. Konzentriert glitt er über die Texte. Ich beobachtete, wie seine Iris hin und her tingelte. Müde spürte ich, wie mein Blick in die Ferne gerichtet erschien und ich verträumt schaute. Edward blickte auf, mir direkt in die Augen. Ich blinzelte mehrmals und neigte etwas übermütig den Kopf herab und las eifrig weiter. Ich wusste nicht, ob er mich noch ansah oder wieder sein Buch und versuchte weiter zumachen wie zuvor. „Ich denke“, zerriss ich die Stille, nach mehreren Büchern, „dass wir uns sehr gut an diese Gliederung hier halten können.“ Ich langte nach einem anderen Buch und schlug es an der Stelle auf, in die ich einen Zettel gelegt hatte. „Hier können wir noch ein paar Punkte ergänzen. Hast du noch einen Vorschlag?“ Er schaute nicht auf, sondern sah sich kurz die Gliederungspunkte an. Schließlich nickte er. „Ja, gut, nur diesen Kontrollversuch würde ich noch der Vollständigkeit wegen mit dazu packen.“ Ich nickte ebenfalls nur. „Teilen wir dann die Themen auf? Ich denke-“ „Das Basiswissen müssen wir uns sowieso beide aneignen“, fiel er mir ins Wort. „Aufteilen macht nur bei den Spezialisierungen Sinn. Den Versuch müssen wir zusammen vorführen und dabei müssen wir auf demselben Wissensstand sein.“ Ich hasste die Art und Weise, wie er mir verklickerte, dass er mal wieder Recht und ich Unrecht hatte. Natürlich war mir das klar, aber so ganz wahrhaben wollte ich es nicht. Ich atmete tief ein und aus. „Ich denke wir lesen am besten eine Auswahl von Kapiteln, bevor uns an die Präsentation machen“, schlug ich vor und beugte mich über die vielen Bücher zwischen uns auf dem Tisch und zeigte ihm mehrere Kapitel, die ich als Einführung für sinnvoll hielt. Danach stand ich auf. „Wo gehst du hin?“, fragte er Stirn runzelnd. „Ich lese die zu Hause“, meinte ich schlicht. „Ich habe noch ein anderes Referat, wie du vermutlich nicht. Treffen wir uns dann morgen wieder?“, fragte ich mit großer Überwindung nach. Alles in mir sträubte sich dagegen. „Selbe Zeit?“, sagte ich rasch, bevor er meinte ausschlafen zu können. Ich wollte keine Zeit verplempern. Er nickte zustimmend, obgleich er einen Augenblick… gezögert hatte? Oder nachgedacht hatte? „Gleicher Ort?“, wollte er wissen. „Ja.“ Ich begann meine Sachen zusammenzupacken und die Bücher einzusammeln. „Hör mal“, begann er unvermittelt. Verblüfft sah ich, ein wenig zu schnell, hoch. Ich hatte nicht erwartet, dass er noch mal etwas sagen würde und sein Ton war auch umgeschwungen. Ich zog leicht und ohne Absicht die Augenbrauen hoch. „Ich war… in der ersten Woche nicht sonderlich nett zu dir. Das hatte weniger mit dir zu tun. Das wollte ich dir nur gesagt haben.“ Er nickte, gar zufrieden, zu sich selbst und schaute wieder auf sein Buch. Ich verschwand in eine andere Abteilung, wo ich Bücher zur Anästhesie fand, ehe ich nach Hause ging. Ich schnaubte. Was war das denn für eine Entschuldigung? Es war nicht mal eine, denn „tut mir leid“ hatte er nicht gesagt. Er hatte sich mit Sicherheit nicht oft zu entschuldigen… es hatte sich eher wie eine Floskel angehört, um sein Gewissen zu beruhigen. Ich stapelte ein paar Bücher vor mir und tätigte denselben Ablauf, wie bei dem anderen Referat. Nein, überlegte ich nebenbei, es war nicht mal sein Gewissen. Das rührte noch eher von seiner Arroganz her… vermutlich gab es nicht viele Leute, die ihn nicht leiden konnten oder die anderweitiges nicht zeigten, was aber auf dasselbe drauf hinauslief. In den letzten drei Wochen hatte ich gemerkt, dass er hier sehr beliebt war, ob nur aufgrund seines Vaters wusste ich nicht, und er ein gewisses „Ansehen“ genoss. Er war ständig umgeben von einer Studentengruppe oder wurde im Labor oder danach sofort angesprochen. Ich glaubte nicht, dass er so ein Verhalten wie von mir gewohnt war. Mir war es gleich. Ich wollte hier erfolgreich ein Semester studieren und mich nicht bei ihm gut halten, geschweige denn „einschleimen“. Ich war hier sowieso nicht lange und konnte nicht den Profit daraus ziehen, welchen die anderen wahrscheinlich hatten – warum sonst gaben sie sich mit ihm ab? Ich konnte das nicht nachvollziehen. Selbst wenn ich hier wohnen würde, würde ich nicht nach einer Freundschaft aus Profit lechzen. Zu einer Freundschaft gehörte Verbundenheiten, nehmen und geben, Vertrauen. Er war eine der Personen, bei denen so etwas unmöglich war. ------------------ Freue mich natürlich über Meinungen, Kommentare etc.pp ^^ Kapitel 3: Exposition: Carpe Diem - Teil 3 (Bella) -------------------------------------------------- => Pünktlich zum Wochenende, der letzte Teil der Exposition und danach bekommt ihr ein wenig Edward ;) Musiktipp: Jason Mraz - Mr. Curiosity http://www.youtube.com/watch?v=lW_JMBWd-c4 Bild zum Kapitel => http://img830.imageshack.us/img830/7630/bannerexp2teil3.jpg ----------------------------------------------- „Was? Wie… ‚geschlossen’?“ Ich starrte Edward an. Eigentlich war es ein ganz normaler Morgen gewesen. Ich war sehr früh aufgestanden, hatte geduscht, war einkaufen gewesen und dann zur Uni gegangen. Ich hatte gestern alle Texte geschafft und noch an meinem Einzelreferat gearbeitet. Ich war froh, dass mir der Fleiß momentan nicht schwer fiel und mir alles vergleichsweise einfach von der Hand ging, obwohl ich gestern gemerkt hatte, dass mir das Anästhesiereferat Bauchschmerzen bereitete. Ich wusste nicht, wie ich dieses umfängliche Thema allein bewältigen sollte – neben dem anderen. Ich fühlte mich zwar jeden Tag, wenn ich ins Bett fiel ausgelaugt und geschafft, doch daraus ergab sich auch das Glücksgefühl, meine Zeit hier auszufüllen und somit vor allem das Versprechen meiner Mutter gegenüber halten zu können. Edwards Nachricht heute früh, als wir uns wie gestern in der Bibliothek trafen, war alles andere als erfreulich, um es milde auszudrücken. Er stand in Jeans und grauem, unspektakulären Shirt, was jedoch seine Lässigkeit betonte, vor mir. In der rechten Hand ein paar Bücher und einen kleinen Laptop ans Becken gedrückt. Gerade eben hatte er mir mitgeteilt, dass die Uni morgen und übermorgen für Studenten geschlossen war – einschließlich Bibliothek. Sie öffnete nur morgens und abends für jeweils eine Stunde, damit man sich noch weiter Bücher ausleihen konnte. Ich schaute ihn ohne Verständnis an. Das passte mir alles gar nicht. „Weil- weil sie Führungen machen und- und die Uni vorstellen, ist sie zwei Tage geschlossen?! Während unserer Selbststudienzeit?!“ Ich verzerrte fassungslos das Gesicht. „Gerade wegen unserer Selbststudienzeit“, entgegnete er sachlich. „In den Ferien können die Schulen mit den Klassen nicht herkommen-“ Ich seufzte und schritt ein wenig zu allen Seiten. Es war zwingend notwendig, dass wir das Referat miteinander absprachen. Das hatte ich eingesehen – ich hatte es die ganze Zeit gewusst, aber nicht wirklich wahr haben wollen. „Gut, dann schauen wir heute, wie wir das strukturieren und lernen halt die nächsten zwei Tage jeder für sich“, kam ich zu dem Schluss. Dann müsste das mit dem Absprechen eben heute passieren. Anders ging es dann nicht. „Ich habe eine andere Idee. Wie wär’s wenn wir uns morgen bei mir treffen und weiter machen?“, schlug er mit neutralem Gesichtsausdruck vor. Es fühlte sich wie ein dumpfer, leiser, aber heftiger Schlag in die Magengrube an. Auf keinen Fall!!, wollte ich schreien und vielleicht sagte mein Gesicht das auch, ich war mir nicht sicher. In Bruchteilen einer Sekunde versuchte ich meine Gedanken zu ordnen, um einen guten Grund zu finden, bloß nicht zu ihm nach Hause zu gehen (ich wollte nicht mehr mit ihm zu tun haben, als sowieso schon) und begann: „Du… hör mal… das ist ja nett, aber ich denke- ich muss mein anderes Referat auch noch bearbeiten und wenn ich zu Hause bin, kann ich mir die Zeit besser einteilen…“ Genial, lobte ich mich selbst für dieses Argument. „Mein Vater hat ein eigenes Labor, das wir zu diesem Zweck mit Sicherheit nutzen können. Es wäre ein Vorteil, wenn wir den Versuch vorher schon einmal durchgeführt hätten.“ Ich schluckte. Das war ein viel besseres Argument als meines und eines, das reizte, denn das war ein gewaltiger Vorteil. Ich schüttelte innerlich den Kopf. „Das ist doch gar nicht Sinn der Sache bzw. es ist gar nicht erlaubt“, wand ich ein. „Wir sollen ja einen Versuch theoretisch recherchieren und dann zum ersten Mal vorstellen-“ „Seit wann ist Mehrarbeit verboten?“ Edward wand sich um und ging ein paar Schritte bis zum nächst gelegenen Tisch. „Aber das musst du wissen“, murmelte er noch hinterher und breitete seine Bücher aus, nachdem er den Laptop eingeschaltet hatte. „Und wenn dein Vater das mitkriegt? Das wir schummeln?“, meinte ich zu ihm. „Wenn die Dozenten rauskriegen, dass wir uns nicht an die Regeln halten-“ „Mensch Bella, bist du so naiv?“ Er sah Augen verdrehend auf. „Glaubst du, die anderen würden ihre Versuche nicht vorher ausprobieren? Glaubst du, die Labore sind jetzt leer?“ Ich presste die Lippen aufeinander und atmete geräuschvoll aus, ehe ich mich ihm gegenüber setzte. Ich sagte nichts. Es ratterte in meinem Kopf. „Die Studenten bitten die Dozenten für eine Hausarbeit oder ein anderes Seminar rein zu dürfen oder was weiß ich“, fuhr Edward genervt fort. „Die Dozenten wissen das, die Studenten wissen das, alle wissen das. Das ist ein offenes Geheimnis, weil sich alle im Klaren sind, dass in so einer kurzen Zeit ein Referat mit Praxisteil gar nicht möglich ist. Aber wie gesagt“, er schaute kurz vom Laptop auf, „das musst du wissen.“ „Ja, ja, ich meine-“, entfuhr es mir eher, als dass ich ausgiebig darüber nachgedacht hatte. Andererseits war das Argument, dass es für das Referat helfen würde und eigentlich ein super Bonus war, zu gewichtig. „Ist gut“, nuschelte ich. „Danke“, setzte ich noch leiser hinzu. Er schmunzelte leicht, ganz kurz und tippte dann konzentriert auf der Tastatur des Laptops. Ich langte nach meinem Papierblock in meinem Rucksack und schnappte mir einen Stift. „Du musst mir bitte noch sagen, wo du wohnst.“ Ich hielt den Stift in Stellung und schaute ihn an, als er nichts sagte. Ich zog die Augenbrauen hoch – noch höher, als er dann sagte: „Du bist doch sehr ‚zeitfixiert’, richtig?“ Er wartete keine Antwort ab. „Wir wohnen in einem Vorort, ein wenig außerhalb, nicht so dicht besiedelt. Ich hole dich morgen früh ab, dann hast du mehr Zeit für dein anderes Referat. Darum geht es dir doch, oder?“ Ein wenig geplättet blickte ich ihm ins Gesicht, dessen Lider, nun auf ein Buch, herabgeneigt waren. Mein allererster Gedanke war, dass das zuvorkommend von ihm war und mir das wirklich sehr entgegen kam – der nächste war die Realität. Ich würde zu ihm nach Hause gehen und mit seinem Auto fahren?! War ich denn total bescheuert?! „Es war nur ein Angebot“, sagte er langsam, während er immer noch nicht aufsah. Seine Mundwinkel zuckten bei meiner Zögerei. „Ja, ja, ähm“, ich kniff die Augen und Stirn kurz zusammen, „ja, das ist sehr freundlich, danke, gut.“ Ich schaute auf meinen Block herab, den ich dann wieder in meiner Tasche verschwinden ließ. Das war alles nicht so geplant, Bella, das war alles andere als gewollt… Ich schaute vom Schreibtisch aus, durch das geschlossene Fenster, in den dunkler werdenden Abend. Quer stand neben dem meinigen Gebäude ein weiteres Studentenwohnheim, auf welches ich blickte. Angesichts der Studienwoche schienen die anderen das wohl als Grund zum feiern bzw. Ferien zu verstehen. Die Zimmer waren lichterloh erleuchtet und Musik dröhnte mal lauter, mal leiser aus den gegenüberliegenden Räumen. Verträumt sah ich hinüber. So richtig konzentrieren konnte ich mich sowieso nicht – nicht einmal, wenn draußen nicht so ein lautes Gewusel gewesen wäre. Zwei Minuten Pause, gab ich mir, ging um den Tisch herum, öffnete die obere Hälfte des Fensters und sah hinaus. Die Arme aufgestützt. Ich atmete die kühle, aber angenehme Nachtluft ein. Das war nicht so gedacht, dass ich nun auch noch zu ihm nach Hause ging. Ich wollte so wenig wie möglich und so viel wie nötig mit ihm zu tun haben. Vermutlich war letzteres diesmal ausschlaggebend. Es war notwendig, das musste ich mir eingestehen – und es war sehr nett von ihm. Auch das musste ich zugeben. Wahrscheinlich lobte ich dieses Angebot höher in den Himmel, als es das wert war – zumindest aus seiner Sicht. So etwas kam sicherlich nicht selten vor, dass er einen Studenten einlud, abholte und dann Laborexperimente machte- oder doch? Er studierte ja eigentlich weder Biologie oder Medizin… aber wusste viel… Schluss damit!, fuhr ich mich gedanklich an und schloss das Fenster. Zwei Texte für Anästhesie warteten noch– mein größeres Sorgenkind derzeit – auf mich; erst danach war Schlafenszeit. Nicht zuletzt wegen des Lärms draußen, hatte ich nicht schlecht, aber unruhig geschlafen. Ich fühlte mich nicht so wohl, wie sonst, doch ich würde das Beste daraus machen. Zudem kam noch eine gewisse Nervosität dem Unbekannten gegenüber dazu – keine sehr angenehme Mischung. Ich hielt Ausschau, als ich am Straßenrand wartete. Allerdings wusste ich gar nicht wonach. Die Person, die fuhr, erkannte man aufgrund der Spiegelung ja immer erst relativ spät. Bei Edward war das aber aus einem simplen Grund nicht der Fall: Es gab nicht so viel Spiegelung, weil es nicht so viel „Bedeckung“ bzw. „Scheibe“ gab. Er kam mit einem Cabrio. Geschmeidig hielt er mit seinem schwarzen, teuer aussehenden Auto, welcher Marke auch immer, zu meinen Füßen. Es entblößte helle, cremefarbene Ledersitze. Ich fasste mich rasch, um es nicht mit weit geöffneten Augen anzustarren, erwiderte sein „guten Morgen“ und stieg ein wenig unbeholfen ein. Man saß sehr tief. „Wow, das ist ein… schickes Auto“, lobte ich, ohne wirklich gedacht zu haben, dass sagen zu wollen, nachdem er flugs gewendet hatte. Mit der Hand strich ich unauffällig über meinen Sitz – einen des Zweisitzers. Glatt und weich, wie neu. Nicht, dass ich viele Vergleichspunkte hatte, aber… „Danke“, sagte er höflich. „Was fährst du für ein Auto in Deutschland? Volkswagen ist ja sehr bekannt, auch hier“, fing er auf einmal an zu plappern, dass es mich verdutzte. „Nun gut, ich kenne weitere, aber auch nur, weil es mich interessiert…“ Er warf mir einen Blick zu, als ich nicht auf seine eigentliche Frage antwortete. Ich wollte nicht… gab jedoch nach: „Ich habe keinen Führerschein.“ „Ah okay“, erwiderte er nur und schaute weiter gerade aus. Ich wollte ihm nicht meine Familiengeschichte erzählen und berichten, dass ich nie Zeit gefunden hatte – wenn ich überhaupt das Geld gehabt hätte – einen Führerschein zu machen. Ich hätte auch gar kein Auto zur Verfügung gehabt, da nur Phil einen älteren Fiat für die Arbeit besaß. „Sag mal… warum sprichst du eigentlich so gut englisch? Ich meine, das tun die meisten Auslandsstipendiaten, sonst wären sie nicht hier, aber bei dir… es klingt nicht so fremd, wie bei den anderen…“, fiel ihm auf. Mir war das ganze Gerede von ihm gar nicht Geheuer, hatte aber keine andere Wahl, als wenigstens knapp zu antworten: „Ich habe hier mal mehrere Jahre gelebt, als ich klein war.“ Edward nickte neben mir langsam und ich sah ihm an, dass er mehr wissen wollte, doch ich gab nicht mehr preis. Wie eben auch: Meine Familiengeschichten gingen ihn wenig an. „Ist dir das zu kalt?“, wollte er wissen, während der Fahrtwind mir meine Haare durchs Gesicht peitschte. Für Ende Oktober war es mit fünfzehn Grad noch vergleichsweise warm. Edward tippte, ohne abzuwarten, am Touch-Screen-Display herum. Die Konsequenz merkte ich auch sofort und mir war klar, was er einstellte: Sitzheizung. Sogar an der Kopfstütze, stellte ich überrascht fest. „Gut so?“ „Ähm, ja“, antwortete ich etwas überwältigt von alle dem. Im gleichen Zug hatte Edward das Radio eingeschaltet, was die dann einsetzende Stille zwischen uns um einiges erträglicher machte. Ich schaute während der Fahrt betont zur Seite. Es kam kein richtiges Gespräch zustande, wenn überhaupt ein Räuspern oder Ähnliches. Meine Haare flogen in alle Richtungen. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir einen Zopf gemacht. Wie ich gleich aussehen würde… Wir wohnen in einem Vorort, ein wenig außerhalb, nicht so dicht besiedelt, kamen mir seine Worte in den Sinn. Das konnte man wohl sagen – und zwar der wohlhabende Teil der Vororte. Es war schon dicht besiedelt, d.h. es lagen keine Felder oder Waldstücke zwischen den Häusern, doch allerhand Grundstück und Gärten. Und die Häuser waren auch nicht die kleinsten… Der Motor unter mir wurde leiser, als er es bei Edwards Geschwindigkeit sowieso schon war, und Edward hielt allmählich. Ich konnte mir einen anerkennenden Blick im Staunen nicht verkneifen. Der Erdboden, auf dem das Haus stand, schien künstlich erhöht worden zu sein, denn in dieser Umgebung war es absolut nicht hügelig. Zwischen viel Grün, zwei kleinen Teichen und unterhalb eines geschwungenen Efeu-Bogens, führten helle Steintreppen zum Eingang des Hauses. Das Haus- Haus. Na ja. Villa vielleicht, wenn das der angemessenere Begriff war. War es zwei Stockwerke hoch? Oder drei?, fragte ich mich unwillkürlich. Jedenfalls war der Eingang von zwei Säulen begrenzt, die mit Gold verziert waren. Insgesamt war das ganze Haus, zumindest den vorderen Teil den ich sah, komplett weiß mit goldenen Ornamenten. Rechts und links, wo das Haus zumindest in der Breite endete, begannen hohe Hecken und Bäume, die wohl zum Garten gehörten bzw. das gesamte Grundstück umrandeten. Sie ragten sehr hoch, fast zu hoch… Ich folgte Edward über die Stufen ins Haus. Wir gelangten in einen Flur mit Vasen, Blumen und einer Sitzbank, von wo aus mehrere Wege abgingen. Direkt geradeaus war eine Glastür, durch die ich einen Blick in das riesige, lange Wohnzimmer, so vermutete ich, erspähte. Ich erkannte ebenso einen Teil eines Klaviers auf der linken Seite. Verblüffend fand ich den Boden. Weißer Marmor… „Ich denke, du hast keine Lust auf eine Sightseeingtour durch unser Haus“, begann Edward, „dann würden wir direkt zum Labor gehen.“ Ich nickte kurz. „Warte hier bitte, ich hole kurz den Schlüssel und ein paar Sachen.“ Wieder nickte ich, ein wenig überfordert mit all dem. Ob ich Lust hatte? Klar hatte ich Lust, aber das war nicht die Frage, denn es ging mir um den Zeitfaktor- Ich war erschrocken über mich selbst. Ich hatte Lust? Niemals. Mich interessierte dieses Haus und diese Familie – mit Ausnahme von Dr. Cullen – gar nicht. So langsam realisierte ich alles, was ich sah. Die schöne, wenn auch extravagante Statue- „Hey“, ertönte eine fröhliche Stimme von links. Ich schaute mich um und erkannte jemanden auf der Treppe zum ersten Stock. Wow, dachte ich im ersten Augenblick. Sie sah aus wie ein… Star. Das, was sie trug, schaute unglaublich gut an ihr aus: Ein beigefarbenes Kleid mit verschnörkelten Rüschen in braun. Dazu eine weiße Strickjacke mit kleinen durchsichtigen Steinchen und cremefarbene Stiefel. Passenderweise hielt sie eine braune Handtasche in der Hand. Das Mädchen kam zu mir runter. Ich kam aus dem Staunen kaum heraus. Und sie lief auch noch wie ein Star! Sie… wie… ich wusste nicht, wie ich es nennen sollte, aber sie ging graziös wie ein professionelles Model – soweit ich das beurteilen konnte. „Bella? Richtig?“, fragte sie, als sie fast vor mir stand. „J-Ja.“ Ich war ein wenig verunsichert und hoffte, dass man mir nicht ansah, wie unwohl ich mich gerade fühlte. „Ich bin Alice, hi, Edwards Schwester“, grüßte sie und reichte mir die Hand. „Willkommen.“ „Danke“, erwiderte ich lediglich und gewann mir ein, hoffentlich nicht allzu, irritiertes Lächeln ab. Das alles hier schien so… unwirklich und unmenschlich, nahezu unbegreiflich. „Warum stehst du eigentlich hier im Eingang?“, fragte sie die glatte, makellose Stirn in Falten legend, während ihr kurzes braunes Haar anmutig wippte. „Edward holt etwas-“ Sie seufzte theatralisch. „Keine Manieren, der Mann. Komm mit“, forderte sie mich auf und schritt vor, ins von mir betitelte Wohnzimmer. Jetzt verstand ich auch die übergroßen Hecken draußen – denn die Wände waren komplett verglast. Der ganze Bereich war sehr glanz- und stilvoll eingerichtet, aber es wirkte nicht so, als lebte jemand hier. Alles sehr ordentlich, korrekt angeordnet und keineswegs überfüllt – es sah nahezu steril aus. Vielleicht war das hier nur der „repräsentative Bereich“? Ich überlegte, ob die Zimmer alle so aussahen… aber eigentlich war es mir auch egal, wand ich innerlich ein. „Willst du was trinken? Essen? Fernsehen?“, fragte Alice in einem hektischen Ton und lief lauten Schrittes am Klavier und den Sitzgruppen vorbei. Links hinter dem Klavier entdeckte ich einen Halbkreis mit einer durchgehend silbernen Küche. Mir fiel ein, antworten zu müssen, während ich Alice am Kühlschrank beobachtete. „Ähm…“, machte ich zunächst und wurde durch ein schrill klingelndes Telefon von irgendwoher gerettet. „Ach mist, schon so spät“, murmelte sie und kam auf mich zu. Das Telefon lag auf dem Couchtisch. Doch statt abzuheben, drückte sie das Gespräch weg. Sie wandte sich mir zu und wollte gerade etwas sagen, als Edward rein kam. „Wolltest du nicht los?“, fragte Edward sie und übersah mich erst einmal. Sein Tonfall war überrascht bis freundlich. „Ja, wollte ich und ich bin jetzt auch weg.“ Sie grinste. „Und ich freu mich.“ Noch breiter grinsend, sich kurz von mir verabschiedend, ging sie ebenso elegant, wie auch schon die ganze Zeit, heraus. „Das Labor ist hinten im Garten“, sagte Edward lediglich zu mir und schritt voran. Am Ende des Wohnzimmers entwichen wir dem Haus und erreichten den Garten. Ich hatte von weitem noch nicht viel davon gesehen, aber was hatte ich auch anderes erwartet, als eine Terrasse, einen Rosengarten und einen Pool? Wir stiefelten die Treppen herab, um auf den Kiesweg zu gelangen, der rechts am Pool vorbei, in den hinteren Teil des Gartens führte. Ich schaute nach rechts hinüber zu den vielen Rosen. Das sah toll aus… Edward war abrupt stehen geblieben, sodass ich es ihm gleich tat, wir waren nun auf einer Höhe, und verwundert wartete ich – jedoch nicht lang. Ein lautes Platschen ertönte und jemand sprang kraftvoll aus dem Pool – nicht ohne Edward an einer Seite nass zu machen. „Emmett“, sagte er vorwurfsvoll und versah ihn, den er als Emmett bezeichnete, mit einem strafenden Blick. „Ja, das ist mein Name, hi Bella“, sagte er munter und machte einen Schritt, komplett nackt bis auf eine eng anliegende, kurze Badehose, auf mich zu, um mir die Hand zu reichen – die ich dann (nass) schüttelte. „Hallo“, grüßte ich ebenfalls etwas perplex. Ich versuchte nicht so sehr hinzusehen, damit ich nicht unwillkürlich rot wurde, denn sein muskulöser Körper war eigentlich jedes Blickes würdig. Fror er denn nicht?, fragte ich mich insgeheim. Er hatte nicht mal eine Gänsehaut.... Oder war das Wasser warm? Das könnte ich mir hier gut vorstellen, aber war das nicht unangenehm, wenn man als Schwimmer sowieso erhitzt war und schwitzte- Ich verdrehte innerlich die Augen. Worüber ich mir immer einen Kopf machte… „Mein Bruder“, klärte Edward mich auf, nachdem zwei stille, unangenehme Sekunden vergangen waren. „Hauptberuflich Angeber und nebenbei Sportstudent.“ Er warf Emmett einen gehässigen Blick zu. Beide grinsten jedoch. Das sagte der richtige, dachte ich kurz verdrießlich. „So in etwa“, pflichtete Emmett ihm bei. „Na ja, man sieht sich.“ Er wippte kurz mit den Augenbrauen auf und ab; dann sprang er mit einem Kopfsprung elegant zurück ins Becken, sodass kaum Wasser aufspritzte und tauchte bis an den Beckenanfang. „Angeber, sag ich doch“, nuschelte Edward vor sich hin und ging wieder vor. Ich lächelte schmal. Ich wusste nicht, was ich von all dem, was hier passierte, halten sollte. Ich war komplett durcheinander, was nicht zuletzt von der vollkommenen Reizüberflutung dieses Ortes hier herrührte. Wir musste dem Weg ein Stück weiter folgen, zwischen Bäume her, die passagenweise den Weg verdunkelten, bis wir an einem weißen kleinen Häuschen mit Flachdach ankamen. Während Edward aufschloss, schaute ich noch mal zurück. Es wirkte irgendwie verwunschen… die Bäume, Büsche, überall Blumen, man hörte Plätschern… wie im Märchen. „Kommst du?“, hörte ich Edward bereits von drinnen sagen. „Äh ja“, antwortete ich rasch und eilte hinterher. Ich war staunen in den letzten Minuten gewohnt gewesen, aber dieser Raum ließ es mich in ungeahnter Weise tun. „Wow“, formten meine Lippen lautlos, als ich stocksteif da stand und nur die Augen aufreißen konnte. Das war ein Labor. Der komplett quadratische Raum hatte in der Mitte eine riesige Arbeitsplatte mit zwei Waschbecken. Ich erkannte eine Abzugshaube und viele Schränke mit Beschriftungen für Materialien. Einen etwas anders aussehenden Schrank öffnete Edward jetzt. Ich sah viele Behälter mit chemischen Stoffen. An den übrigen Wänden waren Ablagen mit allerhand Zetteln, Material, Stiften, Kitteln und so weiter und an einer Wand war ein Regal, mit unendlich vielen Büchern (die Decke war nicht gerade niedrig). Ich konnte mich nicht satt sehen. „Wir dürfen alles benutzen-“ „Ist das von deinem Vater?“, wollte ich übereilig wissen. Ich deutete auf den leicht brodelnden Versuchsaufbau an einer Ecke des Tisches. Oder experimentierte hier Edward? „Ja, aber keine Sorge, da passiert nichts“, meinte Edward matt. Das hatte ich damit auch nicht gemeint, dachte ich. „Wie gesagt, wir können alles nehmen, außer die Materialien dieser Apparatur.“ Während er Material und Stoffe, die wir benötigten, herausstellte, schlich ich langsam an dem Bücherregal vorbei und las die Rückseiten. Bedächtig fuhr ich mit den Fingern über die nach Themen geordneten Werke. Mein Finger stoppte bei dem Wort „Anästhesie“. Ich wollte danach greifen, hielt mich jedoch zurück und ging weiter. „Ähm, Edward?“, sagte ich und machte einen Schritt zurück. Es ließ mir keine Ruhe. Er sah zu mir auf. „Darf ich?“ Ich tippte mit dem Finger auf den Einband des Buches. „Sicher“, meinte er nur und widmete sich wieder dem, was er gerade tat. Ich nahm mir interessiert das Buch heraus, sah mir das Inhaltsverzeichnis an und blätterte darin. „Das ist sehr veraltet“, war Edwards Kommentar, als er mir über die Schulter schaute. Ich stellte das Buch flugs wieder ins Regal und bemerkte, dass er mit Kittel und Schutzbrille hinter mir stand und wartete. „Hast du Anästhesie als Thema?“, wollte er wissen. Ich nickte, ehe er mir die Sachen gereicht hatte. „Genau genommen Anästhesie bei Kindern.“ Er machte ein nachdenkliches Gesicht, während wir uns für den Versuch fertig machten. „Mein Dad hat mal eine Tagung zu dem Thema mitgemacht“, sagte er langsam. „Wenn du willst, kannst du dir die Materialien leihen“, bot er an. Überrascht schaute ich ihn an. „Und dein Vater hat nichts dagegen?“ Edward schnaubte mit einem schiefen Grinsen, welches ich so noch gar nicht von ihm kannte. Es machte sein sonst gleichmäßiges Gesicht durch die Asymmetrie außergewöhnlich. „Zitat: Alles, was dem Wissen, der Bildung, der Forschung und dem Erfolg der Wissenschaft dient, ist erlaubt – solange die ethisch-moralischen Maßstäbe der Menschheit nicht angetastet werden“, sprach er in einem seltsam klingenden Ton, der so gar nicht zu ihm passte. „Ich denke, dass ein Referat für meinen Vater ethisch-moralisch vertretbar ist.“ Er grinste mit zusammengepressten Lippen. „Wir können die Sachen nach dem Versuch holen. Fangen wir an?“ Ich nickte mit immer noch wirren Gedanken. Der Versuch verlief sehr gut und verhalf uns zu neuen wichtigen Erkenntnissen und Vorgehensweisen für die Präsentation und Durchführung des Referates. Wir sprachen während des Versuches kaum und konzentrierten uns auf die Arbeit. Ich fühlte mich immer noch merkwürdig, merkwürdig fremd, doch bei weitem wohler als zuvor. Der Versuch dauerte ein paar Stunden, da wir immer wieder etwas abwandelten, uns Notizen machten und Analysen fertigten. Nachdem wir alle Endprodukte des Versuches entsorgt, unseren zusammengepackt und den Zustand von vor unserer Versuchsreihe wieder hergestellt hatten, gingen wir auf gleichem Wege zurück. Ich konnte nur staunen. Das war ein wahnsinnig tolles Labor gewesen. Ein besseres konnte mir nicht vorstellen (obwohl meine Vorstellungskraft auch nicht die Größte war). Wir glitten durch die Terrassentür zum Wohnzimmer. Edward lief an der Küche vorbei zu der Treppe hin. „Ich warte hier“, meinte ich gleich, damit er sich nicht verpflichtet fühlte, mich in ihre Privaträume mitzunehmen. „Ich denke, es ist besser, wenn du mitkommst, damit du dir die Dokumente ansehen kannst, und dir die aussuchst, die du benötigen könntest“, sagte er tonlos, während er längst die Treppe hoch lief. Mir war nicht ganz wohl dabei, doch ich tat, wie mir geheißen. Wir kamen in einem weiteren „lebendigerem“ Wohnzimmer an. „Hallo Edward“, vernahm ich eine weibliche Stimme, die von dem Sessel herrührte. Eine noch unheimlich jung aussehende Frau saß mit einem Buch darin. Das lange braune Haar lag weich fließend auf ihren Schultern, während sie ein Knie zum Körper gezogen hatte. „Bella, nicht wahr?“ Sie lächelte mich warmherzig an. Ich konnte es nur erwidern und ging zu ihr, um ihr die Hand zu reichen. „Ja, Bella Swan.“ „Esme Cullen, Edwards Mutter“, stellte sie sich ebenfalls vor. Sie wand sich an Edward. „Braucht ihr noch etwas?“ „Nur ein paar Sachen von Dad, die sich Bella ausleihen will“, erklärte Edward. Seine Mutter nickte. Ich folgte ihm um die Ecke in einen weiteren Flur, von dem aus mehrere Türen abgingen. „Warte eben, ich hole die Kiste“, meinte er kurz angebunden und verschwand hinter einer der Türen. Ich hörte wie Edwards Mutter aufgestanden und die Treppen herunter, ins Erdgeschoss, gegangen war. Mein Blick fiel automatisch auf die vielen Fotos in silbernen Bilderrahmen an der Wand. War das in Ordnung, wenn ich sie mir ansah? Oder mischte ich mich zu sehr ein und war zu neugierig? Ich konnte mir den Blick nicht verwehren, auch wenn mein schlechtes Gewissen alarmierend feststellte, dass mich das nichts anging. Die Fotos waren wie eine Zeitachse angeordnet. Schnurgerade von links nach rechts. Das erste Foto zeigte seine Mutter hochschwanger. Sie stand strahlend vor einem Baum, es sah aus, als wäre sie im Wald. Das zweite Foto, auf dem sie immer noch schwanger war, zeigte sie mit Dr. Cullen. Er saß neben ihr auf der Couch und hielt die Hand unterhalb ihrer prallen Bauchdecke. Sie hatte den Kopf zu ihm gewandt und küsste ihn auf die Wange. Auf dem nächsten Foto hielt sie ein Baby im Arm. Ich wusste, dass es Edward war, weil darunter sein Name mit Geburtsdatum stand: 09.01.1989. Das nächste Bild irritierte mich. Es war ein Familiefoto der Eltern mit Edward und zwei anderen Kindern, vermutlich Alice und Emmett. Fehlten da Fotos?, fragte ich mich. Oder war das Absicht, dass sie keine Schwangerschafts- oder Säuglingsfotos aufgehängt hatte? Die folgenden Fotos waren Kindergarten-, Spielplatz-, Schwimm- oder Schulfotos der drei Kinder. Alles ziemlich detailliert. Das Einschulungsfoto, ziemlich am Ende, machte mich stutzig. Beide Kinder, Alice und Emmett, waren gleichzeitig eingeschult worden. Waren sie etwa Zwillinge?, fragte ich mich verwirrt. Sie hatten beide dunkles Haar, doch das war auch alles. Und noch etwas machte mich stutzig. Eines der letzten Fotos war ein Bild von Edward und seinen Eltern, als er vermutlich zwölf oder dreizehn war. Die Aufnahme war relativ nah und es waren, neben den Gesichtern, nur ein kleiner Teil des Oberkörpers zu erkennen. Ich kniff die Augen zusammen. Edward sah seiner Mutter so ähnlich. Beide hatten denselben, gold schimmernden, nahezu bronzefarbenen Braunton und exakt gleiche Augenfarben. Auch die Gesichtsformen, die Position der Wangenknochen waren sehr ähnlich sowie nicht zuletzt die karamellfarbene Haut. Sein Vater sah ihm in keinem Merkmal, das ich über die Fotos ausfindig machen konnte, ähnlich. Ich schaute mir alle Bilder noch mal intensiv nach dieser Auffälligkeit an. Es stimmte meines Erachtens nach. Alice und Emmett sahen sogar keinem der beiden ähnlich… Ich zog die Augenbrauen zusammen und überlegte. War er- „Es wäre besser, wenn du das für dich behältst“, durchfuhr Edwards Stimme die Stille. Ich machte augenblicklich erschrocken einen Satz nach hinten und fühlte mich elendig. Ich starrte ihn ertappt an. „Carlisle ist nicht mein leiblicher Vater“, offenbarte Edward. „Genauso wie bei Alice und Emmett nicht die Kinder meiner Eltern sind. Sie sind adoptiert. Letzteres ist bekannt. Ersteres nicht.“ Seine Miene war hart, als er langsam und gewählt sprach. Ich öffnete beschämt den Mund und druckste herum: „Edward- ich- wollte nicht-“ „Hier“, sagte er und ließ die Kiste mit Ordnern laut, aber nicht beabsichtigt, vor meine Füße fallen. „Tut mir leid“, murmelte ich, mich schuldig fühlend, mit gesenktem Blick, bevor ich die Ordner durchsah. Edward ging an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich hatte ein absolut schlechtes Gewissen. Ich hätte mich nicht in seine Privatangelegenheiten einmischen dürfen. Es ging mich absolut nichts an. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich lieh mir einen Ordner aus – das verdiente ich wegen meiner Neugier gar nicht – und lief dann mit Edward wieder die Treppen herab. Seine Mutter werkelte gerade in der Küche herum und ging mit Tellern zum Esstisch hinüber. „Möchtest du mitessen, Bella?“, fragte sie mich. „Es gibt Fisch mit ein paar Beilagen und Soßen. Und etwas Nachtisch hab ich auch noch.“ Sie lächelte. „Ähm, nein, danke schön.“ Ich lächelte matt. „Ich habe noch viel zu tun.“ Ich deutete auf den Ordner. „Aber du musst ja sowieso etwas essen…“ Ich schüttelte den Kopf und wusste, dass eine Ablehnung dessen wirklich unhöflich war. „Vielen Dank.“ Ich warf einen Seitenblick zu Edward. Auch wenn wir uns heute nicht angefeindet hatten – nicht so sehr wie sonst –, merkte ich, dass er ein gemeinsames Mittagessen genauso wenig gut hieß, wie ich. Ich hatte mich schon viel zu sehr eingemischt und ich akzeptierte, wenn er nicht wollte, dass ich blieb. Ich legte auch keinen gesteigerten Wert darauf… „Na gut, schade“, meinte sie. „Vielleicht das nächste Mal.“ „Ja, bestimmt“, erwiderte ich, um nicht noch unverschämter zu wirken. Ich wusste sowieso, dass ich dieses Haus nie wieder betreten wollen würde. „Ich bringe dich kurz“, murmelte Edward kühl. „Auf Wiedersehen“, sagte ich zwar zu seiner Mutter, meinte es aber nicht so. Nicht wortwörtlich. Die Rückfahrt verlief schweigend. Edward hatte den Ellenbogen auf die Autotür gelehnt, während seine Finger der einen Hand auf der Scheibe herum trommelten und die andere Hand das Auto steuerte. Stumm schaute ich auf den Ordner in meinem Schoß. Das flaue Magengefühl breitete sich so langsam in meinem ganzen Körper aus. „Morgen gleiche Zeit?“, fragte er, nachdem er vor dem Wohnheim gehalten hatte und ich herausgesprungen war. „Was?“, fragte ich Stirn runzelnd nach. „Die Uni ist morgen auch zu, schon vergessen?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Ja, nein, schon klar, aber-“, ich sah ihn mit zusammengekniffenen Gesichtszügen an, „gut, dann, dann kommst du morgen zu mir“, entschied ich spontan. „Selbe Zeit, du weißt ja wo ich wohne.“ Ich ließ die Autotür, nach Edwards leicht perplexem Nicken, ins Schloss fallen. Er sollte zu mir kommen?!?! War ich denn voll bescheuert?!?!? Ich schloss die Eingangstür hinter mir und atmete einen Moment tief durch. Ich wusste, dass ich keine andere Wahl gehabt hatte, wenn ich nicht mehr mit zu ihm wollte – und das stand außer Frage. Ich wollte weder mehr mit ihm zu tun haben, noch in seine Privatangelegenheit Einsicht bekommen. Das war sowieso schon blöd gelaufen mit den Fotos. Ich lief in Gedanken die Treppen hoch zu meiner Wohnung und betrat diese. Das konnte doch alles nicht wahr sein… wo war ich da rein geraten? Ich wollte mit ihm, geschweige denn mit seiner Familie nichts zu tun haben. Das ganze Theater hielt mich nur von meinen eigentlichen Aufgaben und Zielen ab. Ich schaltete den Laptop ein. Kaum hatte ich die Finger auf die Tastatur gelegt, ertönte mein Handy. Ich lief zum Bett, lümmelte mich kurz darauf und freute mich über eine SMS meiner Mutter. Wir hatten den Kontakt im beiderseitigen Einverständnis über die letzten Wochen ein wenig extensiviert. Hallo mein Schatz! Ich habe gerade - wieder mal - an dich gedacht und musste dir einfach schreiben. Gut eineinhalb Monate bist du nun dort und ich warte die nächsten weiterhin gespannt auf dich. Ich hoffe du verlebst eine tolle Zeit und lernst ganz viel Neues und Wichtiges dazu, wie du es dir gewünscht hast. Kuss aus Deutschland, deine Mum. Ich seufzte gerührt. Ja… das hatte ich mir gewünscht… viel Neues und Wichtiges lernen, daran würde mich Edward Cullen nicht hindern… ------ freue mich über kommis ^^^^^^ Kapitel 4: Durchführung: Erkenntnisse - Teil 1 (Edward) ------------------------------------------------------- Musiktipps: Snow Patrol - Run http://www.youtube.com/watch?v=h_i89w8I1Mk Bild zum Teil: http://img228.imageshack.us/img228/6342/bannerdurchfhrungkopie2.jpg Warum hatte ich ihr das auf die Nase gebunden?, fauchte ich mich innerlich selbst an. Ich drehte die Musik protzig höher, beschleunigte die Geschwindigkeit und brachte den schnurrend leisen Motor zum aufheulen. Ich schnaubte. Warum? Warum ich ihr das erzählt hatte, was keiner wusste? Obwohl ich sie gar nicht kannte? Ganz einfach: Es war ihrem Blick anzusehen gewesen, dass sie auf der richtigen Fährte war. Sie schien so aufmerksam zu sein, dass sie genau dasselbe, was ich gesagt hatte, gleichwohl raus gefunden hätte. Vielleicht nicht die ganze Wahrheit, doch genug zum spekulieren. So konnte ich ihr wenigstens sagen, dass sie das nicht herum erzählen sollte. Niemand wusste das und das sollte so bleiben. Es wäre eine Katastrophe. Die perfekte Quelle für Klatsch und Tratsch der Gerüchteküchen. Oder interpretierte ich das alles in sie hinein, weil ich wollte, dass sie es- Was hatte ich mir überhaupt dabei gedacht, sie mit nach Hause zu nehmen? Das Referat konnte mir eigentlich egal sein, denn für mich hatte ein Erfolg wie ein Misserfolg keinerlei Konsequenzen… Ich parkte das Auto am Straßenrand und ging hoch zum Haus, jedoch nicht durch die Eingangstür. Ich schloss das Tor zum Garten auf, welches sich an der rechten Hauswand befand, und ging außen herum, um von der Terrasse aus das Haus zu betreten. So hatte ich noch einen Augenblick mehr Zeit, Luft abzulassen und mich zu ärgern. „Da bist du ja, setz’ dich“, meinte meine Mutter und schenkte mir Wasser ins Glas ein. Ich setzte mich neben Emmett, gegenüber meiner Mutter. Mein Vater war nicht da. „Vater“, dachte ich mürrisch. Bella jedenfalls wusste, was ich damit meinte. Nicht den leiblichen. „Du musst nichts essen, aber wenn, dann solltest du mir eine Antwort geben.“ Meine Mutter sah mich lachend an. Ihr Blick war jedoch misstrauisch und irritiert. „’Tschuldige.“ Ich versuchte die Falten auf meiner Stirn zu glätten, welche mir einen verzerrten Gesichtsausdruck bescherten. „Was hattest du gesagt?“ Sie verdrehte die Augen, nahm einfach meinen Teller und ging zum Backofen, wo sie – so vermutete ich – den Fisch für mich warm hielt. Alles andere stand auf dem Tisch. „Na Ed, alles klar?“, nuschelte Emmett freudig über sein Essen. Ich brummelte etwas und bemerkte, dass er rascher kaute, um etwas zu sagen. Meine Mutter kam ihm, nachdem sie mir den Teller gegeben hatte, zuvor: „Was war mit dem Mädchen? Ging es ihr nicht gut? War ihr schlecht? Wegen eurer Versuche?“ „Nein, nein, das wohl eher nicht“, antwortete ich und gab ein paar Kartoffeln auf meinen Teller, obwohl mein Appetit verflogen war. Aber so hatte ich etwas zu tun. „Edward?“, fragte sie nach und zog die Augenbrauen hoch. „Was willst du hören? Was soll ich dir sagen? Ich habe keine Ahnung, was sie hatte…“ Ich zuckte mit den Schultern und tat mir noch etwas Salat drauf. Sie war einfach eine übermotivierte Auslandsstipendiatin. Punkt. „Habt ihr euch gestritten?“, wollte sie fürsorglich wissen und schob sich einen Champignon zwischen die Lippen. „Nein“, meinte ich nur. „Zu schnell klar gemacht, was?“, kam Emmetts schnippischer Kommentar von der Seite. Ich ignorierte ihn und sah auf zu meiner Mum. „Tut mir leid, ich habe keinen Hunger.“ Ich stand auf, ging um den Tisch herum, schnurstracks die Treppen hoch. Ich spürte ihre Blicke auf mir und meine Mutter hatte auch noch was gesagt, doch ich hatte nicht wirklich hingehört. Ich wollte nicht über Bella reden. Ich wollte nicht über heute reden. Ich verstand sie nicht, ich wollte nicht näher mit ihr zu tun haben und das war’s. Unschlüssig, was ich tun sollte, setzte ich mich in den Sessel, in dem vorhin meine Mum noch gelesen hatte. Wenn meine Familie wüsste, dass ich ihr das gesagt hatte… sie würden ausflippen. Es war nicht so, dass die Tatsache an sich für irgendjemanden in meiner Familie schlimm war. Nein, das war es für niemanden. Mein Vater hatte meine Mutter schon seit der Schule gekannt, aus der Nachbarschaft. Mit sechzehn wurde sie dann ungewollt schwanger – und ihr damaliger Freund ließ sie im Stich. Als meine Mutter dann in Umständen gewesen war, wurde sie von ihren Eltern verstoßen. Dad’s Eltern waren damals schon liberaler und nahmen sie bei sich auf. Mein Vater tröstete sie und sie verbrachten als gute Freunde viel Zeit miteinander. So kamen dann über kurz oder lang auch meine Eltern zusammen. Mein Vater nahm mich wie sein eigenes Kind an und adoptierte mich schließlich auch. Ich bewunderte die Selbstlosigkeit meines, wenn auch nicht leiblichen, Dads. Wer nahm schon ein Mädchen damals noch auf, schwanger von einem anderen, von der Familie vor die Tür gesetzt, in der Nachbarschaft schief angesehen? Das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir war so, wie es zwischen Vater und Sohn sein sollte. Ich spürte keinen Unterschied und er gab mir keinen Anlass dazu. Seine Zuneigung mir gegenüber war ehrlich und deshalb konnte ich auch nur selbiges zurückgeben. Meinen Erzeuger hatte ich nie kennen gelernt; meine Mutter hat nicht mal ein Foto, worüber ich insgeheim froh war. Unkenntnis in irgendeiner Hinsicht nagt an einem – das war menschlich und unumgehbar. Wenn man jedoch wusste, dass man nicht den Hauch einer Chance hatte dieses Wissen zu erlangen, war es einfacher. Ich hatte eine Familie und mehr brauchte ich nicht. Ich hatte nie etwas vermisst. Auch zu meinen Großeltern mütterlicherseits waren die Beziehungen gespannt. Meine Mutter telefonierte ab und an mit ihnen. Konversationen mit mir, wenn sie alle paar Jahrhunderte zu Besuch kamen, waren spärlicher. Mein Vater war immer betont höflich zu ihnen, doch er wusste, was sie meiner Mutter damals angetan hatten und wie schlecht es ihr ergangen war – er konnte seine Vorbehalte (verständlicherweise) nicht abstellen. Dass ich noch zwei Geschwister hatte, die meine Eltern drei Jahre nach meiner Geburt als Säuglinge zu sich genommen hatten, hatte eine andere Bewandtnis. Nach meiner Geburt hatte sie hormonelle Störungen, die sich nicht mehr ausgleichen ließen und schließlich zur Diagnose „Unfruchtbarkeit“ führten. Mein Vater konnte ihr nicht helfen, was zur ersten und bislang auch einzigen Krise meiner Eltern führte. Meine Mutter wollte immer Kinder und eine große Familie haben. Nicht mit sechzehn, nicht ungeplant, doch als sie mit fast achtzehn erfuhr, dass sie nie wieder Kinder bekommen konnte und ich nie ein Geschwisterkind erhalten sollte, brach für sie eine Welt zusammen. Ich weiß nicht, wie mein Vater das vollbracht hatte, aber er konnte sie soweit beruhigen, dass er ihr schwor, sie immer zu lieben, auch wenn er nie ein eigenes Kind mit ihr haben würde. Sie heirateten. Kein Ersatz, aber im Nachhinein doch eine Befriedigung war die Adoption von Alice und Emmett – nahezu zeitgleich – im Alter von sieben bzw. drei Wochen. Auch wenn meine Familie zusammengewürfelt und alles andere als klassisch war, so war sie doch, im Gegensatz zu vielen anderen, intakt. Für niemanden von uns spielte die Genetik eine große Rolle. Dass das in der Gesellschaft, in der wir uns befanden, anders war, war nicht zu leugnen. Kinder adoptieren war edel. Man tat etwas Gutes. Das Kind eines anderen mit in die Ehe zu bringen, ein uneheliches Kind… das war nicht gewünscht, nicht akzeptiert. Zumindest würde es Aufsehen in den wohlhabenden Kreisen dieser Region erregen. Zu diesem Schutz hatte niemand ein Wort darüber verloren – und es war niemandem aufgefallen. Ich sah halt meiner Mutter ähnlicher und das Interesse an der Naturwissenschaft hing mit meinem Vater zusammen. Dabei war das wirklich nur Interesse, kein Talent, nichts Vererbtes. Mein Talent und meine Leidenschaft galt der Musik – und das, hatte ich von meiner Mutter. Ich hörte wie jemand die Treppen heraufkam. Allerdings hatte sie nie etwas daraus gemacht. Für sie war es immer nur Spaß gewesen, singen und Klavier spielen. Sie hatte ihre Erfüllung in der Innenarchitektur gefunden, was sie zu studieren begann, als Alice und Emmett in die Grundschule kamen. Manchmal wusste ich nicht, wen meiner Eltern ich mehr bewundern sollte. „Hier, wenn du nachher Hunger bekommst.“ Meine Mutter stellte mir den Teller von eben, mit Folie überzogen und Besteck, auf das kleine Tischchen zwischen den zwei Sesseln. Sie ging jedoch nicht, sondern setzte sich tief ein und ausatmend in den anderen Sessel. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie. Ich nickte. Sie erwiderte es milde lächelnd, nahm das Buch von der Lehne meines Sessels und begann weiter darin zu lesen. Ich wusste, dass das eine Einladung zum Gespräch war und sie verstand es auch ganz genauso: Ich konnte ablehnen oder annehmen. Mir war nach ersterem. Ich konnte ihr das nicht sagen. Wenn Bella das verriet, in einer doofen Situation ausplauderte oder im Streit gegen mich verwendet, bekam meine Mutter Probleme. Die meisten Probleme. Was tat ich ihr an… all die Bemühungen, unser Ansehen… Ich musste Bella vertrauen – und ich tat es. Innerlich fluchend schmiss ich den Stift zurück auf den Block, der auf der Notenablage des Klaviers lag. Er prallte ab und fiel klirrend auf die Klaviertasten. Diese bescheuerte Symphonie. Jegliche – interessante – Variation wurde ihrem strengen Muster nicht mehr gerecht und somit auch nicht den Vorstellungen von Mr. Cato. Es frustrierte mich, dass ich nicht walten konnte, wie ich Lust hatte. „Ach Edward? Entschuldige, das hab ich ganz vergessen“, sagte meine Mutter, die um die Ecke, von der Küche her, hinüber schaute. „Carmen kommt nachher zum Kaffee.“ Sprich, ich musste oben Klavier spielen, schloss ich. Dabei mochte ich den Flügel im Wohnzimmer, wegen der Akustik, viel lieber. Der Klang war exzellent. „Und Tanya?“, fragte ich vorsichtig nach Carmens Tochter. Halb als Wunsch geäußert, halb als Hoffnung, dass es nicht so war. „Ich denke schon, ich habe alle eingeladen, die Zeit haben. Und schließlich haben ja alle Universitäten der Region diese Besichtigungswoche. Ich denke, dass sie kommt“, meinte meine Mutter Schultern zuckend. „Ihr habt euch länger nicht gesehen, oder?“ „Viel zu tun“, murmelte ich. Tanya und Alice hatten den Sommer über fast ununterbrochen zusammengehangen. Tanyas Begehren mir gegenüber wurde nur allzu deutlich – eine Zerreißprobe für unsere Familien, weil es bei mir nicht so war. Nicht war und nicht sein würde. Ich wusste wie empfindlich Tanya war. Carmen Denali war die beste Freundin meiner Mutter aus Kindertagen. Sie hatte sie auch während ihrer Schwangerschaft sehr unterstützt. Beide verband eine sehr innige Freundschaft. Carmen hatte gemeinsam mit ihrem Mann Eleazar drei Töchter, die aber insgesamt etwas jünger waren, als wir. Wir waren alle sehr eng befreundet und verstanden uns alle gut – doch ich wollte nichts von Tanya. Jetzt waren wir seit gut einem Monat zusammen. Seit Semesterbeginn genauer gesagt und ich hatte es sofort bereut. Ich wusste nicht, wie ich mich aus dieser Situation raus winden konnte. Ich war die Beziehung nur des lieben Familienfriedens eingegangen. Beziehungen aus Mitleid einzugehen, war nicht mein Stil, aber es war auch nicht bewusst so gewesen. Tanya und ich hatten auf dem Sommerfest, Ende der Semesterferien, welches meine Eltern immer veranstalteten, Sex gehabt. Es… es war einfach die Stimmung gewesen, der Umstand, die Lust. Nichts weiter. Tanya nahm das direkt als Liebeserklärung und so kam eines zum anderen. Die drei Worte hatte ich nie gesagt, doch das hatte sie entweder nicht bemerkt oder bisher erfolgreich ignoriert. Ich würde sie auch nicht sagen; ich hatte sie noch zu keinem meiner bisherigen Freundinnen gesagt. Ich hatte die Mädchen gemocht, begehrt, aber nie geliebt. Ich sparte mir die Worte für die eine Frau in meinem Leben auf… „Emmett? Kannst du dir bitte etwas anziehen?!“, rief meine Mutter, als Emmett von dem Fitnessraum oben im Haus nach unten gegangen war und, im wahrsten Sinne des Wortes, hinter dem Rücken meiner Mutter noch einmal in den Pool gesprungen war. „Du musst ja nicht dabei sein, aber bitte zieh’ dich vernünftig an“, bat sie. „Ei, ei, Sir“, witzelte er und lief weiter, um ihrem Wunsch nachzukommen. Ich starrte auf die bisher geschrieben Noten des letzten Satzes und strich sie durch. Ein neuer Versuch musste her. Wenn Tanya tatsächlich heute mitkam… ich musste ihr klar machen, dass die Sache zwischen uns beendet war. Genau genommen hatte es nie angefangen und war nie eine wirkliche Beziehung gewesen. Wir waren zusammen essen oder einkaufen gegangen und danach zu irgendeinem von uns, wo wir dann miteinander geschlafen hatten. Ihr reichte das, mir reichte es so langsam auch. Ich fand mich schon etwas abstoßend, als sie nach Carmen und Kate, Irina und Eleazar waren nicht dabei, eintrat und ich ihr einen Kuss gab. Nach allgemeiner Begrüßungsmanier setzten wir uns an den Tisch und meine Mutter servierte den eben gebackenen Kuchen. „Ist Alice nicht da?“, wollte Carmen wissen, als sich alle gesetzt hatten. „Nein, sie ist auf einer Jung-Designer-Messe, wo sie mit ein paar anderen ihres Jahrgangs von der Uni ihre Kollektion vorstellt“, klärte meine Mutter sie auf. „Sie haben wochenlang dafür gearbeitet, ich hoffe, dass wird alles gut. Leider wollte sie uns nicht dabei haben. Wir würden sie ‚ablenken’“, schmunzelte meine Mutter. „Das will ich auch mal studieren, wenn ich soweit bin“, meinte Kate schwärmerisch. „Zum Glück hast du ja noch etwas Zeit, Schatz.“ Carmen strich ihr übers Haar. Mit dreizehn brauchte sich das Nesthäkchen wirklich noch keine Gedanken machen… „Ich meine, jedes Mädchen möchte doch Modedesign studieren, wenn es die Möglichkeit bekommt, oder?“ Sie schaute mit großen Augen in die Runde. Alle lächelten. Ich auch, jedoch künstlich. Ich kannte ein Mädchen, für welches das nicht zutraf… Ich konnte es mir einfach machen und mit ihr pro forma zusammen bleiben – um des Familienfriedenswillen. Ihr reichte ja diese (für mich) Bettgeschichte. Ich blieb mit ihr einfach so lange zusammen, bis sie von sich aus kein Interesse mehr hatte oder jemand anderes fand, so wie es geplant war. Dennoch: Ich wollte nicht mehr. Ich wollte diese Schmierenkomödie nicht mehr. Ich wusste nicht, warum genau jetzt, woher der das Fass zum Überfluss bringende Tropfen herrührte, doch ich hatte keine Lust und Kraft mehr ihr und unseren Freunden gegenüber den liebenden Freund zu spielen, der sie vergötterte. Ich wollte mich nicht mehr verstellen und ihr künstlich irgendeine Zuneigung zeigen. „Kommst du mit hoch?“, fragte ich Tanya, als alle überwiegend fertig waren. Emmett warf mir einen vielsagenden Blick zu. Als ahnte er etwas. Er wusste von meiner Einstellung zu der Sache mit Tanya. Vielleicht war es für ihn zu auffällig, dass ich mit ihr allein sein wollte. Wenn ich nicht mit ihr hätte allein reden wollen, wäre ich am Tisch sitzen geblieben und hätte mich in Gespräche verwickeln lassen, um bloß nicht mit ihr allein zu sein. „Klar“, sagte sie Augen strahlend, nahm meine Hand und folgte mir hoch. Ich ging noch ein paar Meter und blieb im Wohnzimmer stehen. Im hinteren Teil, damit unser Gespräch nicht unten zu hören war. Weiter gehen wollte ich allerdings nicht; ich wollte es schnell hinter mich bringen. „Rate, wer in dieser Studienwoche kein Referat halten muss, weil er schon so viele Leistungspunkte hat, dass die Dozenten das nicht für nötig hielten“, fragte sie breit grinsend. „Ich schätze du?“, fragte ich künstlich lächelnd. Sie hatte es immer schon sehr eilig gehabt, mit allem. Dass sie ihr Sprachstudium eher abschloss, war da kein Wunder. „Richtig.“ Sie küsste meine Wange, wand sich dann jedoch nicht ab, sondern glitt zu meinem Ohr. „Dann können wir uns öfter sehen, oder?“, flüsterte sie. „Tanya, hör mal…“, begann ich und schob sie sanft weg. „Ich meine, muss auch nicht sein, wenn du zu tun hast. Musst du ein Referat halten?“, erwiderte sie sofort. „Darum geht es nicht“, murmelte ich und sah ihr in die Augen. Ich merkte, dass es mir nicht schwer fiel. Das einzige, was ich nicht wusste war, wie ich es ihr beibringen sollte; welche Worte ich wählen würde… Wie sollte ich ihr sagen, dass ich für sie nichts empfand? Nicht mal so viel – oder wenig – wie für die anderen vielen Mädchen vor ihr? Das die Wochen mit ihr nur… ja was waren die Wochen eigentlich gewesen? Der Versuch, sich etwas einzubilden? Vorzumachen? Nur damit unsere Eltern glücklich waren? Schnapsidee. „Hör zu, ich denke, es hat keinen Sinn mehr“, sprang ich über meinen Schatten und fing an. Ihr Gesicht wechselte sofort in Unverständnis. Ein bisschen lügen musste ich… „Die letzten Wochen, Tanya, die waren schön, aber ich glaube nicht, dass es eine Zukunft hat.“ Tanya ließ von mir ab und macht einen Schritt zurück. Sie kniff verständnislos die Augenbrauen zusammen und starrte mich an. „Bitte?“ Ihr Ton war vorwurfsvoll, ohne Zweifel, denn sie wusste genau, was ich sagen wollte. Das gab ich ihr dann auch zu bedenken: „Du weißt, was ich meine.“ Sobald ich es ausgesprochen hatte, merkte ich, wie kühl das klang. Ihr Gesichtsausdruck wurde härter. „Du machst mit mir Schluss?“ „Tanya, ich habe nie- ich empfinde nicht so wie du-“ „Du machst hier und jetzt mit mir Schluss?!“, kreischte sie. „Indem du mir sagst, dass du mich nie geliebt hast?!“ Ich sah sie stumm an und öffnete den Mund, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte und überlegte eilends – doch das war die eindeutigste Antwort, die ich ihr geben konnte. „Du Arsch!!“, schrie sie mich an, stieß mich zur Seite und rannte an mir vorbei, quer durch das Wohnzimmer. Scheiße, dachte ich sofort, das musste ja so kommen. „Tanya warte“, sagte ich halbherzig, sehr halbherzig, und lief ihr hinterher. Sie polterte die Treppen runter und nahm sich den Autoschlüssel von Carmens Wagen von der Küchenanrichte weg. Carmen, Kate, meine Mutter und Emmett schauten ungläubig und beobachtend zu uns herüber. „Hey, warte!“, brachte ich es nun etwas lauter über die Lippen und hielt sie am Handgelenk fest. „LASS MICH LOS!!“, brüllte sie mich an und machte sich los bzw. ich ließ sie gewähren. „Fass mich nie wieder an!! Ich will dich nie wieder sehen!!!“, kam es lauthals von ihr und schon war sie aus meinem Blickfeld verschwunden. Genau das hatte ich befürchtet und das könnte einen Riss in der Freundschaft unserer Familien bedeuten. Denn dafür sahen wir uns alle viel zu oft. Wir gingen bei ihnen ein und aus, sie bei uns – was auch nicht zuletzt daran lag, dass sie nur einen Block weiter wohnten. Eigentlich konnte es mir egal sein, doch das war es nicht. Mir waren die Kommilitonen an der Uni, die Dozenten, andere Freunde egal. Sie waren mir gleichgültig – meine Familie war es nicht. Das hatte ich Carmen und meiner Mutter nicht antun wollen, denn ich war mir sicher, dass es ihre Freundschaft auch belasten würde. „Edward? Was ist passiert?“, fragte meine Mutter ruhig nach, doch der Vorwurf lag unterschwellig darin. Ich wand mich langsam um. „Was ist mit ihr? Was ist geschehen?“, wollte Carmen um einiges empörter wissen. „Wir haben uns getrennt“, sagte ich nur und schaute kurz Emmett in die Augen. Er nickte kaum merkbar und verstand. „Was?! Warum das?!“, kam es entrüstet von Kate. „Tut mir leid, Esme, aber ich muss nach meiner Tochter schauen.“ Carmen stand sogleich auf. „Aber Carmen-“, begann meine Mutter. Carmen ging gar nicht auf sie ein und drehte sich zu Kate neben sich. „Wenn du willst, kannst du noch bleiben-“ „Nein, ich komme mit“, meinte Kate und war schon auf den Beinen. Wortlos gingen beide an mir vorbei, mit zwei bitterbösen Blicken, und verließen das Haus. Daran hatte auch das Zureden meiner Mutter nichts geändert. Wenn Alice auch so reagieren würde… „Das musst du mir erklären“, bat Mum zwischen Interesse, Unverständnis und Missbilligung. Ich hatte genug. Ich war niemandem Rechenschaft schuldig. „Muss ich nicht“, entgegnete ich nur eisig, lief – keine Notiz an meiner Mutter nehmend – zur Tür, schnappte mir meinen Schlüsselbund und eine Jacke und verließ das Haus. Ich vertrieb mir die Zeit mit sinnlosem durch die Gegend fahren und der Flucht, vor meinen eigenen Gedanken. Ich hatte jedoch nicht mal Reue oder Mitleid, die ich empfinden konnte. Es wäre einfach so nicht länger gut gegangen – nicht von meiner Seite aus. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was bei den Denalis jetzt los war. Und Carmen war noch nie so abweisend zu meiner Mutter gewesen… Natürlich durfte ich mir die Vorwürfe meiner Mutter anhören. Sie war außer sich, was sie von Carmen am Telefon erfahren habe. Und natürlich hatten sich die beiden gestritten. Meine Mutter sah das ganze zwar so wie Carmen, aber sie kam auch nicht drum herum mich bis zu einem bestimmten Maße zu verteidigen. Wie sie mich erzogen hätte und was ich mir dabei gedacht hätte, durfte ich mir von ihr anhören. Ich ließ es über mich ergehen, das war’s aber auch. Es ging allen nicht so sehr darum, dass ich die Beziehung beendet hatte. Nein, denn sie wollte ja nicht, dass ich weiter mit Tanya spielte. Viel mehr warfen sie mir vor, dass ich es erstens überhaupt begonnen und zweitens einfach so weiter gemacht hatte. In solch einem Moment wünschte ich mir, ausgezogen zu sein. Ich hatte mich dagegen entschieden, weil es keinen ersichtlichen Grund gab und das ein falsches Licht auf unsere Familie geworfen hätte. Außerdem wusste ich, dass meine Mutter noch nicht so weit war. Sie bemutterte mich nicht, aber uns verband doch viel. Nicht zuletzt mochte ich meine Geschwister und ich würde sowieso früh genug ausziehen. „War’s das?“, fragte ich pampig. Ich wartete keine Antwort ab und stiefelte hoch. Dasselbe würde ich noch von meinem Vater, wenn auch nicht ganz so emotional wie meine Mutter es formuliert hatte, zu hören bekommen und auch noch von Alice, fürchtete ich. Wenn man vom Teufel sprach. Ich hatte gehofft, dass sie noch auf der Messe war. Mit einem Bein über das andere geschlagen, saß sie im Sessel, ein Modemagazin in der Hand und blickte nicht auf, als ich sie von der Treppe aus erblickte. Sie strafte mich mit Schweigen. „Sag nichts“, knurrte ich. Die Anschuldigungen standen ihr ins Gesicht geschrieben und schrieen mich an. „Tue ich auch nicht, mit so jemanden wechsle ich garantiert kein Wort mehr“, grummelte sie arrogant. „Ich habe niemals gesagt, dass ich sie liebe!“, entfuhr es mir aus der Wut heraus. Ich hatte es satt, dass alle auf mir herumhackten. Ich liebte sie nicht, fertig. Sauberer Schlussstrich. „Ach!“, fauchte Alice und schaute finster drein. „Und das gibt dir das Recht, sie zu verletzen?! Hauptsache schnell flach legen, wie?“ Bevor ich antworten konnte, hatte sie einen Blick über die Schulter, aus dem Fenster, geworfen und verkündete: „Mal sehen, was Dad davon hält.“ Ich schnaubte und setzte mich ans Klavier. Vielleicht fiel mir ja in Missstimmung etwas Gutes für die verhasste Symphonie ein. Passend wäre es. „Ich würde gerne mit Edward allein reden“, bat mein Vater. Stühle rückten, Alice und Emmett gingen ein Stockwerk höher in ihre Zimmer. Ich presste kurz die Lider aufeinander. Klar, das musste ja so kommen. Nachdem Mum mit ihm über eine halbe Stunde geredet hatte, schickte sie ihn selbstredend zu mir. Ich ließ die Klappe für die Tasten geräuschvoll runterfallen und wartete, bis er sich mit einem Stuhl zu mir gesetzt hatte. Ich schaute auf meine Komposition. Nicht aus Scham, weil ich ihn nicht ansehen konnte, sondern weil ich mich gegen Vorwürfe wehren wollte. Ich schätzte ihn jedoch falsch ein. „Ich verstehe, warum du das getan hast, denke ich“, begann er gelassen. „Und eigentlich sollten wir dir für diese Absicht danken. Diese war sehr edel.“ Irritiert sah ich ihn an. Das hatte ich nicht erwartet. Ich schwieg. „Dennoch merkst du sicherlich, dass du im Endeffekt das Gegenteil erreicht hast.“ Er senkte kurz nachdenklich den Blick. „Erst mal bitte ich dich, die Reaktion deiner Mutter nicht übel zu nehmen. Ich weiß auch, dass sie sonst besonnener ist, aber so wie sie mir erzählt hatte, war Carmen ziemlich sauer gewesen und hatte auch am Telefon nicht sonderlich freundlich geklungen. Du weißt, wie sehr die zwei aneinander hängen.“ Er schaute mir in die Augen und sah die Anerkenntnis dessen in den meinigen. „Nun gut, nichtsdestotrotz bitte ich dich inständig zu Tanya zu gehen und dich bei ihr zu entschuldigen.“ Ruckartig wand ich den Kopf zu meinem Vater. Was?! Ich sollte mich bei ihr entschuldigen?? „Schau mich nicht so entgeistert an“, meinte er mit einem leichten Zucken in den Mundwinkeln. „Du hast ihr was vorgemacht und sie verletzt. Sei so ehrlich und entschuldige dich. Ich weiß“, er hielt die Hand hoch, als ich empört etwas einwenden wollte, „dass deine Absicht gut war, trotzdem hat es Tanya wehgetan. Und wenn ihr jemals wieder einen einigermaßen normalen Umgang miteinander haben wollt, dann geh bitte und entschuldige dich. Jetzt.“ „Weißt du, was du da verlangst?“, fragte ich nahezu entsetzt von seiner Forderung. „Ich denke schon“, behauptet er. „Aber Edward, es ist wichtig. Gerade wenn es dir um den Familienfrieden geht.“ Ich sah in seinem Blick, dass ich keine andere Wahl hatte – was mich sauer machte. Meine Wut bestmöglich zurückhaltend, stand ich energisch auf und stapfte nach unten. „Edward?“, ertönte Dads Stimme. Ich blieb kurzerhand stehen, drehte mich aber nicht zu ihm. „Sei bitte nett.“ Ich verdrehte die Augen und ging weiter. „Zu Kreuze kriechen“ passte sehr gut zu dem, was ich dann rasch hinter mich gebracht hatte. Ich hatte mich so aufrichtig entschuldigt wie es eben ging, obgleich ich mich nicht sehr schuldig fühlte. Wir waren in der Kiste gelandet und es hatte sich dann was daraus ergeben, was niemand von uns aufgehalten hatte. Carmen war verstimmt, um es vorsichtig auszudrücken. Kate und Irina waren allerdings mindestens genauso sauer wie Tanya selbst, doch sie ließen mich einen Augenblick mit ihr allein. Tanyas Gesicht war rot und die Augen aufgequollen. Sie hatte wirklich sehr geweint – und ließ es sich nicht nehmen, mich wieder anzuschreien. Kleinlaut musste ich dann die gewünschte Entschuldigung vorbringen. Ich hasste es. Ich atmete erleichtert durch, als sich die Tür der Denalis hinter mir schloss. Der heutige Tag war beschissen und der morgige bei Bella würde nicht netter werden. Rosige Aussichten. Ich parkte am nächsten Tag das Auto vor dem Studentenwohnheim und griff danach zunächst einmal in meine vordere Hosentasche. Ich schaltete das Handy aus. Tanya hatte mich mit nicht gerade freundlichen SMS bombardiert, absolut kindisch, und ich hatte keine Lust nachher von ihr abgelenkt zu werden. Das gleich würde sowieso eine mittelschwere Katastrophe werden und ich brauchte nicht noch die Probleme von zu Hause dazu. Nachdem Bella mir aufdrückte, betrat ich das Gebäude. Mir fielen sofort die Zeitungsberge im Flurbereich auf. Vermutlich legten die Studenten hier nicht viel wert auf Bildung, obwohl sie, soweit ich das wusste, die Zeitungen der Region umsonst bekamen. Ich schritt die Treppen durch den etwas heruntergekommenen Flur. Hier lebte sie? Es mochte sein, dass ich etwas empfindlich war, weil ich etwas anderes gewöhnt war, aber… Im zweiten Stock erkannte ich eine geöffnete Tür. Mit Ordnern und Büchern in den Händen ging ich dorthin. Kaum war ich an der Wohnung angelangt, stand Bella in der Tür und bat mich rein. „Geh schon mal durch, ich komme sofort“, sagte sie matt und verschwand links ins Bad. „Durchgehen“ war gut. In zwei Schritten befand ich mich in der Mitte des Zimmers, welches unbewusst all meine Aufmerksamkeit auf mich zog. Die Möbel waren einfach und deren Anordnung ebenso, doch was mich stutzig machte, war etwas anderes. Die ganzen Wände waren gepflastert mit Zusammenfassungen, Tabellen, Grafiken und Übersichten. So wie andere ihre Lieblingsstars an die Wände klebten, hingen hier Reaktionsgleichungen und Krankheitsbilder. Jede Wand hatte ein anderes Thema mit weiteren Untergliederungen. Ich ließ meine Unterlagen auf den großen Tisch in der Mitte sinken, auf dem jedoch kaum noch Platz war. Langsam drehte ich mich um mich selbst, ließ den Blick schweifen und stoppte bei ihrem Regal. Mit kleinen Zetteln versehen hatte sie Hefter, Bücher und sonstige Mappen erst thematisch geordnet und dann nach dem Alphabet. Ebenso glich das Bett einer Bibliothek. Das Zimmer – die Wohnung – war nicht unordentlich, ganz im Gegenteil, sie war einfach strukturiert. Da ich Bella immer noch im Bad hörte, warf ich einen Blick auf den Laptop und riss die Augen auf. Dass sie damit arbeiten konnte… Ich war mir sicher, dass ich gestern gedanklich recht gehabt hatte und Bella wirklich niemals ihr Studium mit einem Modedesign-Studium austauschen würde. „So, tut mir leid“, ertönte ihre Stimme hinter mir. Sie ging an mir vorbei und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. Ich ließ mich ebenfalls auf einem Stuhl nieder. Sie nahm den Stapel Skripte vor sich in die Hände, atmete dann jedoch tief durch und sah mich an. Mit ziemlicher Sicherheit wollte sie nichts Biologisches ansprechen. „Ich wollte mich noch mal wegen gestern entschuldigen“, begann sie zwar mit fester Stimme, aber auswendig gelernt. „Ich hätte mich nicht einmischen dürfen, denn das geht mich eigentlich nichts an.“ Meine Stimmung sank augenblicklich und ich spürte wie mein Gesichtsausdruck härter wurde. Die anfänglich unfreiwillige Ablenkung hatte sie nun wieder durchbrochen. „Natürlich behalte ich das für mich und werde niemandem etwas davon sagen. Ich bin sowieso bald wieder weg und wir sehen uns nie wieder. Also sei ganz unbesorgt.“ Sie nickte leicht zu sich selbst, als sei sie zufrieden mit ihrer Entschuldigung. Ich konnte den dumpfen Schlag nicht definieren, der mir durch die Glieder gefahren war, als sie das sagte. Ich erwiderte ihr Nicken. „Wir haben viel vor“, fuhr sie fort. Ihre Stimmfarbe war nun ganz anders, ausgeglichener, ruhiger, die ihr viel besser stand. „Wir müssen das Referat komplett fertig schreiben, die Versuchsanordnung und -durchführung schriftlich durchgehen und ich habe noch ein paar Zusatzthemen rausgesucht, die wir vielleicht am Rande einfließen lassen sollten, um das Thema mehr abzurunden.“ Sie reichte mir die Skripte in ihrer Hand. Ich warf einen Blick darauf, obwohl ich von ihrer Energie zunächst einmal überrascht war und mich fragte, ob das nur bei dem Referat so war oder, ob sie das durchgehend durchhielt. „Anästhesie?“, fragte ich nach und zog die Augenbrauen hoch. „Ich denke kaum, dass das zu unserem Thema passt…“ Ich hielt ihr die Skripte hoch. „Oh, tut mir leid.“ Sie nahm mir den Zettelberg wieder ab, schaute sich rechts und links auf dem Tisch um, bis sie die Erkenntnis gelangte, dass das, was sie suchte, nicht dabei war. Sie stand auf, machte einen Schritt auf das Bett zu und gab mir die richtigen Zettel. Ich nahm jedoch wenig Notiz daran, sondern beobachtete, wie sie die zusammen getackerten Zettelhäufchen auf die Stapel verteilte. „Und? Was sagst du?“, fragte sie, als sie sich wieder zu mir setzte. „Ähm.“ Ich blickte rasch herab und las die Überschriften. „Können wir machen.“ „Sehr gut.“ Sie tippte auf ihrem Laptop herum. „Also… ich habe deine und meine Datei hier und werde die jetzt mal zusammenfügen, damit wir die hinterher für die Präsentation aufteilen können. Die Zusatzthemen hab ich bereits verfasst, ließ dir die Originalquellen aber bitte trotzdem durch. Solange bereite ich das Dokument vor“, wies sie mich an. „Gut“, murmelte ich nur. Sie vertiefte sich in ihren Laptop. Zugegeben, ihre Lebensverhältnisse waren bescheiden, doch mit so einem alten, langsamen Laptop konnte doch keine erfolgreiche Auslandsstipendiatin arbeiten? Ich schüttelte innerlich den Kopf. Was ging es mich an? Kapitel 5: Durchführung: Erkenntnisse - Teil 2 (Edward & Bella) --------------------------------------------------------------- sooooo, hier dann pünktlich zum we der neue teil ^^ danke für eure kommis !!!!! Musik: Cassie - Is it you http://www.youtube.com/watch?v=KMZFU-Kgx7Q => Ich liebe dieses Lied, es passt jetzt meiner Meinung gut zu Edwards Part, aber wiederum auch zu den nächsten beiden Kapitelteilen, da hab ich aber andere Lieder noch, die schwerpunktmäßiger sind ^^ => dieser Teil ist auch etwas kürzer und die nächsten beiden dafür länger; ich hab mich mit dem "cut-setzen" bei der Durchführung etwas schwerer getan, weil hierbei - noch mehr als in der Exposition - eigentlich alles zusammen zu sehen ist... na ja, genug Vorrede, viel Spaß beim Lesen ^^ Bild zum Chap: http://img6.imageshack.us/img6/9468/bannerdurchfhrungteil2.jpg Ich schaute unauffällig auf, als ich fast am Ende angelangt war, während sie mit der einen Hand die Maus bediente und mit der anderen eine Strähne immer wieder um den Finger wickelte. Sie wirkte nach außen hin eigentlich ruhig… oder doch etwas nervös? Na ja, immerhin war morgen eine wichtige Präsentation für sie. „Fertig“, verkündete ich und legte die Blätter hin. „Ich denke, dass das letzte Thema zu weit führt. Es ist hinsichtlich der Versuchsthematik nicht mehr nahe liegend“, fand ich. „Ich denke, dass ein Praxisbezug das am meisten nahe liegende ist, was wir darbieten können“, widersprach sie mir, den Blick auf den Laptop gerichtet. „Das ist ein Biologieseminar und kein medizinisches“, gab ich zu bedenken. „Und die Biologie ist der Medizin so weit entfernt?“ Sie zog die Augenbrauen hoch und sah mich an. „Das nicht, aber eine Krankheit hat in einer Biologie-Versuchsreihe nichts zu suchen“, argumentierte ich weiter. Ich gab mich nicht geschlagen. „Wir haben sechzig Minuten Zeit und wenn wir noch mehr Themen dazu nehmen, füllen wir den ganzen Vortragstag aus.“ So langsam machte sie mich wahnsinnig. „Unser Versuch dauert in der Durchführung fünfzehn Minuten und der Aufbau ist auch nicht schwierig, nachdem wir es geübt haben, was spricht also dagegen?“ Auch ihr Ton wurde ein Hauch bissiger. „Schön, mach wie du willst. Es ist deine Note, meine ist mir egal“, resignierte ich, denn das stimmte auch. „Ich schließe dieses Modul nicht ab. Interesse, weißt du noch?“ Sie funkelte mich an und nahm die Skripte vor mir an sich. Ihr Blick schweifte darüber. Ich erkannte in ihrem Gesicht die Einsicht, dass ich Recht hatte und eine ausführliche Stellungnahme zur medizinischen Anwendbarkeit des Versuches zu weit führte. „Gut.“ Sie knickte den von mir angesprochenen Teil und legte ihn hinter sich aufs Bett. „Ich werde es aber erwähnen.“ Ich musste innerlich schmunzelnd, dass sie klein bei gab. Äußerlich nickte ich nur. Sie mochte sehr viel Fachwissen haben, doch durch ihre Übermotivation schienen manchmal die Pferde mit ihr durchzugehen. Danach reichte sie mir das eben ausgedruckte Gesamtkonzept. Wortlos goss sie mir und sich Apfelschorle in die beiden leeren Gläser auf dem Tisch ein und trank einen Schluck. Ihr Blick immer ans Blatt geheftet. Danach diskutierten wir alle Teile noch mal aus. „Puh“, stöhnte sie leise, mehr zu sich selbst und reckte sich kurz. „Ich brauche eine Pause…“ Ich beobachtete, wie sie aufstand und zur Küche ging. Zögerlich blieb sie stehen und wand sich zu mir um. „Ich- ich wollte Auflauf machen… magst du das?“ Überrascht stimmte ich zu. Ich wäre jetzt eigentlich, wie sie gestern, gegangen, doch ich war mir sicher, dass es in ihrem Sinne war, dass ich blieb. Wir waren noch nicht durch, ein paar Vorgehensweisen mussten wir noch besprechen und die Themenaufteilung hatten wir auch noch nicht gemacht. Wenn sie glaubte, dass es nichts mehr zu sagen gab, und ich gehen sollte, hätte sie die Themen flugs mit mir verteilt und das wäre es dann gewesen. Ich verfolgte, wie sie aus einer Einkaufstüte vor der Anrichte mehrere Gemüsesorten herausholte und in die Spüle legte. Sie wusch und schnitt zuerst die Brokkoli. Neben ihr lag noch ein Blumenkohl sowie ein Bund Möhren. Machte sie immer so einen Aufwand? Eine Tiefkühlpackung Gemüse wäre bestimmt nicht das schlechtes gewesen… aber das sagte ich, dessen Eltern eine Haushaltshilfe hatten. „Ähm…“ Sie wand sich zu mir um, die Hände nass vom waschen. „Du kannst fernsehen, wenn du willst“, bot sie an. „Allerdings müsstest du den Fernseher aus der Kammer neben der Eingangstür holen und anschließen. Na ja, und Platz finden.“ Sie wand sich lächelnd ab, nachdem sie kurz ihre Wohnung gemustert hatte. „Nein, ist in Ordnung“, meinte ich und tat interessiert gegenüber den Materialien auf dem Tisch. Eigentlich war ich auf ein ganz anderes Wissen erpicht: Warum sah sie kein fern und hatte den Fernseher in der Abstellkammer?? Ihr Verhalten wurde mir zusehends schleierhafter – nicht, dass es mich kümmerte. Nach dem Referat sah ich sie sowieso nur noch im Laborkurs. Ich hatte keine Lust die ganzen Sachen noch mal durchzukauen. Stattdessen gab ich dies vor und schaute mir die Wohnung weiter an, die meine Faszination schürte. Lebte sie nur für das Lernen und ihr Studium? Anders gefragt: Konnte man etwas anderes bei Stipendiaten erwarten? Schließlich bekamen nur die Besten ein solches. Während sie mit dem Waschen des Gemüses fortfuhr, sie stand zwar mit dem Rücken zu mir, jedoch leicht seitlich, bemerkte ich, dass ihr Blick immer wieder hoch zu dem Merkzettel an dem Küchenschränkchen glitt. Ihre Lippen bewegten sich leicht beim lesen. Mageres Sonnenlicht fiel von dem Fenster auf die rechte Hälfte ihres braunen Haares. Es glänzte leicht. Nachdem sie das Gemüse abgetrocknet hatte, begann sie mit dem Schälen der Möhren. „Kann ich dir helfen?“, bot ich an. Ich war verblüfft über mich selbst. War etwa die Faszination meinem guten Benehmen gewichen? Sie strich sich mit dem Handrücken eine Strähne aus dem Gesicht, während sie sich zu mir drehte. „Ja… also nur, wenn du willst…“ Ich stand auf und stellte mich zu ihr. „Was soll ich machen?“ „Setz’ schon mal die Kartoffeln auf“, forderte sie mich auf und gab mir den Topf mit dem Beutel Kartoffeln. Ich tat wie mir geheißen. „Salz und ein bisschen Kümmel“, erinnerte sie, als die Kartoffeln schon auf dem eingeschalteten Herd standen. Sie deutete mit dem Kinn auf den Hängeschrank direkt vor mir. Ich hatte zwar nicht viel Zeit mir den Inhalt des Schrankes anzusehen, Salz und Kümmel waren schnell gefunden und alles andere wäre zu auffällig gewesen, doch die Struktur zog sich auch dort vor. Dass es nicht noch nach Farben sortiert war, war alles. Ich grinste glucksend. Bella wand den Kopf zu mir und kniff leicht die Augenbrauen zusammen. Ich tat so, als wäre nichts gewesen. „Möhren schälen oder Gemüse schneiden?“, wollte sie von mir wissen und spannte mich direkt komplett ein. „Möhren bitte.“ Ich war unsicher, ob ich ihren Ansprüchen beim Gemüseschneiden gerecht wurde, grinste ich. Dieses Mal jedoch nur innerlich. Ich wollte nicht, dass sie dachte, ich machte mich über sie lustig. Als Bella – vor mir – fertig war, kniete sie sich herab zum Kühlschrank und suchte kurz und hielt eine Packung Käse mit der linken Hand wortlos zu mir hoch. Mit der anderen suchte sie weiter. Perplex über diese Selbstverständlichkeit und Vertrautheit nahm ich die Packung entgegen. Sie stellte sich mit Milch und saurer Sahne in der Hand wieder auf. Ich beobachtete die flüssigen, gezielten Bewegungen von ihr, während sie nach den Kartoffeln sah und einem Behälter Soße anrührte. „Ah“, entfuhr es mir unwillkürlich. Ich hatte den Schäler in meinen Finger und nicht die Möhre gerammt. „Was machst du?!“, fragte sie leise zischelnd und schaute auf meine Hand. Meine Haut war jedoch nur etwas lädiert, kein Blut, keine Wunde. „Ich schätze, meine Hand rächt sich an mir wegen deiner Narbe“, witzelte ich ohne, dass ich es beabsichtigt hatte. Bella schaute kurz nachdenklich herab, ehe sie doch grinsen und schließlich lachen musste. Ich stimmte mit ein. „Lass mich das machen, ehe du dich ins Koma schälst. Dann dürfte ich das morgen nämlich allein machen“, flachste sie und schob mich zur Seite. „Du darfst Kartoffel-Aufpasser spielen.“ Sie grinste charmant und widmete sich den Möhren. So locker kannte ich sie gar nicht… und ich merkte auch, wie gut ihr dieses Unbeschwerte stand. So stand ich vor dem Topf… und starrte darauf. Eigentlich. Eigentlich schaute ich immer wieder herüber, was sie tat, denn ihr Verhalten hatte meine Neugier geweckt. Sie machte das sehr geschickt und sehr schnell. Sie schien Übung zu haben. Und das obwohl ihr Blick immer wieder zum Papier schweifte. Sie lernte wirklich beim kochen???, ging es mir verwundert durch den Kopf. „Du lernst beim kochen?“, fragte ich neutral. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, ihr meine Gedanken zu offenbaren. Peinlich berührt sah sie mich kurz an und dann – überflüssigerweise – auf die Möhre in ihrer Hand. „Ja, so vergeude ich keine Zeit“, murmelte sie. „Warum machst du dann so einen Aufwand?“, ging es mir wieder viel zu leicht über die Lippen. „Ähm“, sie kniff die Augenbrauen zusammen, „na ja, gesunde Ernährung ist wichtig und… wenn ich nur irgendwas Fertiges esse, muss ich als Ausgleich noch gesunde Sachen essen Das heißt, ich muss mehr essen und es kostet Zeit“, offenbarte sie mir. „Außerdem sollten Ärzte Vorbilder sein.“ Ich nickte nur und sah herab zu dem Topf. Ich war so perplex, dass ich nicht mal richtig denken konnte, was ich davon hielt. Ich hätte nur nicht erwartet, dass jemand solche Begründungen für ein Verhalten haben könnte… wenn es denn die ehrlichen, richtigen waren. Aber ich glaubte ihr. Das Essen war sehr schnell fertig. Bella machte auf dem Tisch Platz und wir aßen schweigend. Mit Faszination bemerkte ich wieder, wie inbrünstig sie beim Essen auf die Buchseite schräg rechts vor ihr blickte. Konnte es so jemand wie sie eigentlich auch wirklich geben? „Schmeckt es nicht?“, wollte sie wissen. Mist, dachte ich prompt. Ich hatte diese Kleinigkeit – das Essen – während der Beobachterei vernachlässigt. „Nein, nein…“ Es klang kaum überzeugend, obwohl es wirklich gut schmeckte. „Sag…“, begann sie, als wir beide nahezu fertig waren. Sie sah ich mit zusammengekniffenen Augen konzentriert an. „Kann ich dich noch um was bitten?“ Ich wartete nur ab. „Sicher“ zu sagen, war mir wiederum zu unsicher. „Würdest du dir mein Anästhesie-Referat anhören?“, fragte sie. Sie musterte mein Gesicht ganz genau und wartete ab. Ich war wieder mal überrascht von ihr. Ich hätte solch einen Gefallen nicht erwartet – wir waren selten einer Meinung und eigentlich legte sie auf meine auch eher selten einen gesteigerten Wert (abgesehen von vorhin). „Klar, kein Problem“, antwortete ich. „Danke“, sagte sie matt und nickte, ehe sie die Teller abräumte. Wir bearbeiteten unser gemeinsames Referat zu Ende und danach hielt sie mir ihren Vortrag für Morgen. Inhaltlich fand ich ihn sehr gut, das teilte ich ihr auch so mit. Das andere nicht. Teilweise sprach sie sehr flüssig und nahezu perfekt. In anderen Teilen des Referates wirkte sie verunsichert, aber nicht nervös… merkwürdig irgendwie. Ich konnte es gar nicht recht beschreiben. Gegen Abend ging ich dann. Viel besser gelaunt, als ich es angenommen und erwartet hatte. „N’abend“, grüßte ich, als ich meine Familie bei Tisch sah, wie es nicht allzu oft vorkam. „Wo warst du so lange? Ich habe dich versucht anzurufen“, fragte meine Mutter schon von weitem. Obwohl es vielleicht nicht so klang, war es reines Interesse. „Tut mir leid, ich hatte mein Handy aus. Was gab es denn so dringendes?“, ging ich erst mal nicht auf ihre Frage ein. „Dein Musikdozent hat angerufen. Wegen deines Stücks morgen, dem Vorspielen“, klärte sie mich auf, nachdem ich mich an den Esstisch gesetzt hatte und mir erst mal was zu trinken nahm. „Du sollst morgen nur den zweiten Teil spielen, das reiche ihm. Mehr hat er mir nicht gesagt.“ „Was? Mehr nicht?“ Ich starrte sie ungläubig, mit entsetztem Gesichtsausdruck, an. „Der Teil dauert gerade mal fünf Minuten vielleicht“, erklärte ich mich, als ich viele irritierte Blicke auffing. Alice’ nicht. Sie ignorierte mich. „Sei doch froh, weniger Arbeit.“ Emmett zwinkerte mir zu und schob sich die nächste Gabel in den Mund. „Muskelaufbau“ nannte er seine Vielesserei. „Hm“, machte ich nur und verschränkte appetitlos die Arme. Ich mochte das Stück sehr, welches meine „Referatsleistung“ darstellen sollte. Es war ein sehr rundes, abwechslungsreiches Stück mit vielen markanten schnellen und ruhigen Teilen. Ich hatte es öfter als sonst durchgespielt, weil ich von der Melodie so begeistert war und nun das. Da es für meine Note aber egal war, ob ich fünf oder fünfzig spielte, wollte der Dozent wahrscheinlich nur eine verlängerte Mittagspause haben. „Und? Wo bist du so lange gewesen?“, fragte meine Mutter nach. „Keinen Hunger?“ Ich schüttelte den Kopf. „Lernen“, antwortete ich Schulter zuckend. „Unglaubwürdig, lieber Bruder“, war Emmetts Statement. „Du lernst keine zwölf Stunden am Stück – vom Klavierspiel mal abgesehen.“ Er grinste wissend – zumindest glaubte er das zu sein. „Wahrscheinlich war er wirklich lernen“, begann Alice strikt auf ihren Teller sehend, „und hat sich eine halbe Stunden später mit der nächsten Dummen getroffen, die auf ihn reinfällt.“ Sie schaute kurz mit einem beißenden Blick zu mir hoch. „Das stimmt nicht!“, widersprach ich. „Bella und ich haben nur morgen-“ „Bella also, sag ich doch“, zischte Alice. „Wir haben für das Biologiereferat gelernt und da war noch eine Menge zu tun“, rechtfertigte ich mich in harschem Ton und wusste nicht einmal, warum ich das überhaupt tun musste. Sollten sie doch glauben, was sie wollten. „Für Mr. John? Wovon du mir erzählt hattest?“, schaltete sich erstmalig mein Vater, der neben mir saß, ein. „Ja, genau.“ Er nickte langsam und nachdenklich kauend vor sich hin. Ich wartete, denn ich wusste, dass noch etwas kam. Er nahm sich jedoch noch etwas Wein aus der Flasche, fragte, ob meine Mutter noch wollte und Emmett sprach dann auch schon ein anderes Thema an. Ich beobachtete meinen Vater hin und wieder unauffällig von der Seite. Er machte keine Anstalten mehr, etwas zu sagen… vielleicht hatte ich mich getäuscht. „Du hast wirklich keinen Hunger?“, wollte meine Mutter nochmals wissen, als ich ihr beim Tisch abräumen half. „Ich mache kurz das Terrassenlicht draußen an“, redete mein Vater rasch dazwischen und schob die Glastür zur Seite. „Kannst du mir gleich helfen? Edward?“, verdeutlichte er. „Ja, klar“, erwiderte ich irritiert. Für die paar Schalter anknipsen? „Edward?“ Meine Mutter sah mich erwartungsvoll an. „Was? Nein, ich bin nicht hungrig.“ Und das stimmte. Ich reichte ihr noch die Schüsseln und Töpfe und folgte meinem Vater dann raus auf die Terrasse. Alice und Emmett waren bereits hoch gegangen. Es war schon vergleichsweise spät. Vermutlich hatten sie lange mit dem Essen auf mich gewartet. Die Lichter waren alle längst an. Er stand über das Geländer gelehnt da und blickte auf den düsteren Garten, hier und da ein kleines Weglicht. Zwischen seinen Fingern hielt er das Weinglas. „Isabella Swan ist eine sehr fähige Studentin“, begann er, machte aber sogleich eine Pause. Ich lehnte mich ebenfalls ans Geländer. Jetzt kam der Teil, den er eben bewusst verschwiegen hatte. „Ja…“, machte ich dann weiter, denn er sah weiter vertieft gerade aus. „Ich denke sie hat einiges drauf und eine Menge Ahnung“, versuchte ich das Gespräch voran zu treiben. Was sollte er mir sagen? „Ich habe ihre Bewerbungsunterlagen gesehen, da ich ja in dem Ausschuss für die Stipendiaten stimmberechtigt war – und ich habe für sie gestimmt. Ihre Arbeit für die Bewerbung war außerordentlich interessant und neuartig. Sie hat eine andere Sicht auf die Dinge, obwohl es der gleiche Sachverhalt ist. Es hat mich teilweise doch sehr überrascht, positiv überrascht. Aber das ist vermutlich auch ihrer Lebensgeschichte und -einstellung geschuldet.“ Der erste Teil erstaunte mich nicht. Dass ihre Bewerbung eine eins mit Sternchen gewesen war, war anzunehmen. Auch, dass sie anders war, konnte ich nur zu gut nachempfinden und meinerseits bestätigen. Aber der letzte Teil… Mein Vater nahm einen der vermutlich letzten Schlücke aus dem Glas. Er überlegte noch einen Moment, ehe er sich zu mir kehrte. „Was ich dir jetzt erzähle, unterliegt deiner absoluten Verschwiegenheit, verstanden?“ Ich nickte Stirn runzelnd. Er sah mir noch einen Moment in die Augen und schaute wieder geradeaus. „Das sind Daten, die ich nicht weiter geben darf und die eigentlich auch in Miss Swans Privatangelegenheiten gehören. Sie sollte diese normalerweise selber mitteilen… Ich denke aber, dass du das vielleicht wissen solltest, wenn du dich weiter mit ihr triffst.“ Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen. Wir hatten schließlich keine Dates oder gingen aus oder so etwas. Das war rein „beruflicher Natur“. Doch mein Vater ließ mir keinen Raum zur Antwort. „Sie ist ehrgeizig und motiviert. Ohne Zweifel. Aber sie hat eine prägende Geschichte. Vielleicht ist ihr ganzes Können und ihr Wille auch dadurch begründet.“ Er sprach immer noch in Rätseln für mich. Ich wollte ihn nicht drängen, denn eigentlich durfte er mir das nicht sagen, doch meine Neugier eilte voraus: „Dad, was meinst du?“ „Wie würdest du sie mir beschreiben, wenn ich sie nicht kennen würde?“, fragte er mich und rückte immer noch nicht mit der Sprache raus. „Hm“, machte ich. „Also… ich weiß nicht recht, sie lässt nicht viel durchblicken. Eigentlich ist sie immer sehr abweisend und gibt nichts von sich preis. Heute war sie… irgendwie entspannter, aber dennoch… sie ist… ich kann sie eigentlich nicht richtig einschätzen. Alles was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass ihre Disziplin unglaublich ist. Sie hat in der ganzen Wohnung Bücher, Skriptberge und Zettel zum Lernen an die Wand gepinnt. Aber ansonsten… ich weiß nicht… sie erzählt nicht viel…“ Mein Vater nickte, während er mich angesehen und zugehört hatte. „Ja, das glaube ich. Diesen Eindruck hat sie auch in den Bewerbungsverfahren in Deutschland gemacht. Mr. Cien von unserer Universität war drüben in Europa und hat dort auch Bewerbungsgespräche geführt – unter anderem das von Bella.“ Er räusperte sich kurz. „Hat sie dir mal erzählt, dass sie unbedingt forschen will?“ „Ja… ich glaube schon…“ Ich wusste immer noch nicht, worauf er hinaus wollte, musste mich aber scheinbar in Geduld üben. „Hat sie dir auch mal gesagt was und warum?“, fragte er weiter. Ich schüttelte den Kopf. Er nahm den letzten Schluck und sah wieder nachdenklich gerade aus. Dieses Mal jedoch mehr so, als rang er mit Worten. Das Terrassenlicht erhellte sein Gesicht nahezu vollständig. Leichte Schatten bildeten sich. „Weißt du, eigentlich verdient jeder Mensch eine vorurteilsfreie Chance, wenn er auf andere trifft, die ihn nicht kennen, aber vielleicht verstehst du sie dann besser. Ich denke, dass du damit umgehen kannst.“ Gespannt wartend zog ich leicht die Augenbrauen hoch. Was wollte er mir sagen? Was war mit ihr? Er atmete tief durch. „Bellas Mutter hat Krebs, Edward.“ Ich starrte ihn von der Seite an. Er war Arzt, ich war mit der medizinischen Welt vertraut, doch ich spürte, wie es mich erschaudern ließ. Eiskalt lief es mir den Rücken runter. „Und… ich meine…“, versuchte ich einen Anfang zu finden. „Mehr weiß ich dazu nicht, bzw. mehr stand nicht in dem Protokoll des Bewerbungsgespräches, da sie es nicht weiter ausgeführt hat. Es war ihre Begründung für ihre Motivation zu studieren und für ihren Wunsch in der Onkologie-Forschung zu arbeiten. Sie hat das preisgegeben, weil sie wusste, dass es die einzige Motivation war, die sie hätte vorbringen können, und weil sie wusste, dass es die anderen Mitstudenten nicht erfahren. Ich glaube, dass sie das niemals jemandem erzählt hat.“ Er machte eine Pause. Ich will halt nur damit sagen, dass mir das Seminar unglaublich wichtig ist und auch für meine Zukunft…, hörte ich sie in Gedanken sagen und schaute nachdenklich auf den Kies unterhalb der Terrasse. „Das ist aber nicht das einzige, was mich an ihr beschäftigt hat“, fuhr er fort. „Viel mehr, war das ihr Lebenslauf, der für das Stipendium sehr ausführlich verlangt worden war. Sie hat fast die gesamte Grundschulzeit seit ihrer Geburt hier in Amerika gelebt und ist erst nach der Scheidung ihrer Mutter nach Deutschland zurückgekehrt. Ihr Vater lebt noch hier in Amerika, nicht weit weg von Seattle. In Deutschland ist sie gefühlte hunderte Male im Jahr mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater umgezogen und hat sich neben der schulischen Belastung, um ihre Mutter gekümmert und einen Job gehabt. Ich glaube, ich habe auch gelesen, dass es manchmal mehrere waren. Ich kann vieles nur aus dem, was darin stand, schließen, aber ich denke, dass sie seit der Erkrankung ihrer Mutter komplett für alles zuständig war, wenn der neue Ehemann der Mutter arbeiten war. Die Bewerber mussten auch Einkommensnachweise vorbringen… ich finde es unglaublich mit wie wenig sie ausgekommen sind, obwohl die Tochter studiert und die Mutter so krank ist. Kannst du aufgrund dessen verstehen, warum sie so abweisend ist?“, wollte er von mir wissen und riss mich kurz aus den Gedanken. Denn das „warum“ hinsichtlich dessen, dass er mir das alles erzählte, beschäftigte mich. Hatte er Angst ich würde sie verletzen wie bei Tanya? Wollte er sie schützen? „Wenn sie oft umgezogen ist…“, fing ich mich dann rasch. „Ich denke, dass sie nie wirklich lange Kontakte knüpfen konnte und es irgendwann gelassen hat. Ich glaube auch nicht, dass sie sich jemandem mit ihrer Geschichte anvertrauen wollte…“, grübelte ich. „Genau, das denke ich auch“, sagte er leiser, hielt einen Moment inne und fuhr fort: „Sie hat von uns hier ein komplettes Aufbaustudium in Aussicht gehabt. Sie hätte sich dafür bewerben können, hat es aber nicht getan. Sie wollte nur das eine Auslandssemester, mehr nicht, obgleich das eine große Chance für sie gewesen wäre.“ Er schaute mich direkt an. „Du magst sie, oder?“ „Nein“, meinte ich prompt. „Ich finde… sie ist interessant, anders…“ „Ja, das ist sie. Sie ist wahrlich ein bewundernswertes Mädchen…“, murmelte mein Dad, strich mir kurz über die Schultern und ging wieder ins Haus. Ich blieb am Geländer stehen und senkte den Blick. So etwas hatte ich nicht erwartet und es machte mich nachdenklich. Vielleicht sollte ich überdenken, wie ich sie bis jetzt gesehen hatte. Vielleicht hatte ich ihr Unrecht getan… Das alles erklärte einiges, doch eines nicht: Woher sie die Kraft nahm. „Ich bin… beeindruckt, fehlerfrei“, verkündete der Dozent, als wir mit unserem Vortrag geendet hatten. Er wirkte jedoch misstrauisch. Perfektion in Gänze war immer auffällig. „Wir haben uns eingehend damit befasst und mögliche Konfliktpunkte in der Versuchsreihe antizipiert, um diese direkt auszuschließen und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten“, zog ich unseren, nicht zuletzt Bellas, Kopf aus der Schlinge, so mein Gefühl. „Gut.“ Der Dozent nickte und kritzelte auf seinem Klemmbrett herum. „Zehn Minuten Pause, dann die nächsten.“ Bella atmete neben mir tief durch, warf mir einen kurzen Blick zu und drehte sich zu dem Versuchsaufbau auf dem Pult hinter uns. Ich bemerkte wie ihre Hände bebten. „Herzlichen Glückwunsch zur 1,0“, sagte ich leise, während ich beim wegräumen half. Sie lächelte viel milder, als sie sich eigentlich freute und wand sich wieder der Apparatur zur. Während des Referats war sie unglaublich professionell gewesen. Locker, gelassen, sie verhaspelte sich kein einziges Mal. Sobald sie dem Publikum den Rücken zuwandte, um einen Stoff hinzu zu geben oder an die Tafel zu schreiben, sah ich genau, wie ihre Lippen und ihr ganzer Körper zu zittern begannen. Sie übertrug jedoch nichts davon nach außen, wenn sie mit dem Referat fertig war. Wir gingen zurück zu unseren Plätzen. Bella packte rasch ihre Sachen zusammen. Sie hatte gleich ihr anderes Referat. „Viel Glück“, sagte ich. „Danke“, meinte sie kurz nickend und verschwand. Ich sah ihr nach und mir ging das gestrige Gespräch mit meinem Vater durch den Kopf. Hinter ihrem Verhalten steckte eine ganz andere Person, als ich bisher vermutet hatte oder als ich bisher überhaupt erst kennen gelernt hatte. Sie interessierte mich plötzlich und ich wollte alles über sie wissen. Ihre ganze Geschichte, ihr ganzes Wesen erschien mir auf einmal so verlockend. Sollte ich einen weiteren Schritt wagen? Sollte ich es riskieren? Ich wusste, dass gestern der erste Tag gewesen war, an dem wir ohne größere Feindschaft, die beiderseitig berechtigt war, unterhalten konnten. Mr. John kündigte die nächsten Referenten an. Sie kannte mein Geheimnis und ich ihres. Bella Das Anästhesiereferat verlief gut, doch ich konnte den Dozenten hinsichtlich meiner Bewertung nicht einschätzen. Völlig ausgelaugt von der Woche verließ ich den Seminarraum nach meiner Präsentation und schnaufte ein paar Mal durch. Wenn ich ehrlich war, war ich am glücklichsten darüber, dass ich mich nun nicht mehr mit Edward treffen musste. Wir würden wieder Laborpartner sein und damit war die Sache für mich erledigt. Wir mussten keine Referate mehr halten und uns somit nicht mehr treffen. Wenn ich an die vielen Aufgaben aus der letzte Wochen dachte, die ich noch nicht hatte machen können, wurde mir schlecht. „Hey, wie war’s?“, ertönte Edwards Stimme hinter mir, als ich den Flur entlang ging. Ich wandte kurz den Kopf zu ihm und ging weiter. „Gut“, sagte ich nur und dachte, die Konversation hatte sich erledigt. „Ich wollte dich noch was fragen…“, begann er. Er lief mit mir nun auf einer Höhe. Ich hatte meinen Ordner an die Brust gepresst und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Was wollte er? „Darf ich dich heute Abend ins Kino einladen?“ Ich spürte seinen erwartungsvollen Blick auf mir. „Nein, danke“, lehnte ich ab. Ich bog in den nächsten Trakt ab – er folgte mir. „Die Referate sind ja jetzt fertig und du könntest bestimmt eine Pause gebrauchen oder?“, redete er weiter, als hätte ich gar nichts gesagt. Wir stoppten, als wir einen Durchgang erreichten und uns viele Studenten entgegen kamen. Er verunsicherte mich, wo ich doch vehement dagegen war. „Ja, ich meine, ja das stimmt, aber nein, nein danke.“ Ich blinzelte irritiert, als ich zu ihm hinüber schaute und sich sein Gesichtsausdruck nicht änderte. Ich ging, als der Durchgang frei war, weiter, doch hörte sogleich, wie er mir folgte. „Es kommen gute Filme, davon sagt dir bestimmt einer zu“, argumentierte er. „Mag ja sein“, murmelte ich und lief stur gerade aus weiter. Was glaubte er eigentlich? Nur weil wir uns zweimal wegen der Uni getroffen hatten, würden wir das weiter tun? Da war er aber auf dem Holzweg. Ich hatte bestimmt keine Zeit für Kino. „Ich bin mir sogar sicher.“ Er überholte mich und stellte sich mir in den Weg. „Also, was ist?“ Ich sah schnaubend kurz hoch zu ihm. „Ich sagte bereits ‚nein’, oder?“ Ich schlängelte mich an ihm vorbei den Gang entlang. „Hey, warte doch mal“, sagte er und jetzt einen Tonfall sanfter, weniger fordernd. Ich blieb tief ein und aus atmend stehen und blickte ihm in die Augen. „Was willst du? Hör’ auf mir nachzulaufen!“ „Tue mir doch den Gefallen und komm heute Abend mit“, bat er nun handzahm. „Nein“, beharrte ich strikt. „Was kann ich tun, um dich zu überzeugen mitzukommen?“, versuchte er es weiter. So langsam wurde ich sauer. Glaubte er, dass er alles bekam, wenn er, der große Edward Cullen, nur bitte sagte? Ich hatte keine Zeit und er wusste das. Ich hatte keine Lust und auch das wusste er. Ich war hier, um zu studieren und nicht, um mit so einem Arroganzbolzen ins Kino zu gehen, redete ich mir gedanklich immer wieder zu. Er war doch der alte und nicht wie gestern, niemand anderes. „Lass mich in Ruhe.“ Ich funkelte ihn an. Plötzlich grinste er gewinnend, drehte sich um und entfernte sich von mir. „Wir sehen uns dann heute um sieben.“ Ich runzelte die Stirn und dachte verwundert nach, bis ich zu dem Schluss kam, dass ich das, was ich gerade gesagt hatte, missverständlich war. „Hey!“, rief ich und lief nun ihm hinter. „Edward!“ „Hör auf mir nachzulaufen!“, äffte er mich lächelnd nach. Ich verdrehte seufzend die Augen. „Ich kann heute nicht, ich habe zu tun. Es ist einiges liegen geblieben. Tut mir leid“, gestand ich ehrlich. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du hast das ganze Wochenende Zeit“, wand er ein. „Ja, ich weiß, danke für den Hinweis“, brummelte ich. „Ich habe aber auch dementsprechend viel zu tun.“ „Und der Freitag gehört bislang noch nicht zum Wochenende“, gab er zu bedenken. „Hätte ich nicht gedacht“, entgegnete ich bissig. „Ich muss los“, murmelte ich und wollte an ihm vorbei – er stellte sich vor mich. Seine grünen Augen fixierten mich. Er wartete. Ich spürte wie mir das Kribbeln vom Magen in den Kopf stieg und schaute ihn – entgegen dessen – kühl an; so kühl ich konnte. „Also gut“, gab ich nach und er lächelte breit. „Halt, stopp, Moment“, unterbrach ich seine Siegessicherheit. „Ich suche den kürzesten Film aus und du holst mich ab und fährst mich nach Hause“, forderte ich. Nicht, weil ich der Typ war, der Ansprüche stellte, sondern, weil das die einzige Möglichkeit war, wie ich die Zeit, die ich dafür aufbrachte, sinnvoll nutzte. „Um sieben“, meinte er und verschwand. Ich sah ihm kurz ruhiger atmend nach und lief nach Hause. ----- bin auf kommis gespannt^^ Kapitel 6: Durchführung: Erkenntnisse - Teil 3 (Bella) ------------------------------------------------------ DANKE euch allen für die lieben Kommis!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ^^ Musik: Lady Antebellum - Need you now http://www.youtube.com/watch?v=JpVq5IOay48 =>Das ist auch ein Lied, was ziemlich universell zur gesamten Story passt - und ich mag es total^^ Bild zum Kap: http://img697.imageshack.us/img697/78/bannerdurchfhrungteil3.jpg Ich ärgerte mich, sobald ich eine Sekunde zum Nachdenken hatte, gewaltig. Ich verplemperte meine Zeit, wenn ich mit ihm ins Kino ging. Dabei standen vor Weihnachten viele Tests an und bis dahin waren es nur noch eineinhalb Monate. Außerdem verstand ich gar nicht, was das sollte. Uns verband nur unsere Laborarbeit und in dieser Woche eben zusätzlich noch das Referat. Er glaubte doch hoffentlich nicht, dass ich genauso nach seiner Pfeife tanzen würde, wie die anderen Studierenden, die ihn vergötterten? Vergöttern war vielleicht das falsche Wort. Wie ich das in den Fluren und so immer mitbekam, mochte ihn niemand so wirklich, doch man erkannte den Einfluss den sein Vater und er hatte an – und den Profit, den man mit einer „Freundschaft“ zu ihm erlangen konnte. Ich schnaubte innerlich fauchend, während ich die Straße entlang, zum Wohnheim, ging. Gut, als Dankeschön für seine Hilfe in dieser Woche, rechtfertigte ich den heutigen Abend vor mir selbst. Dies konnte ich ihm nicht abstreiten. Dass wir den Versuch vorher mehrmals durchgespielt hatten, war ein wichtiger Zugewinn gewesen, den er allein ermöglicht hatte. Na ja… und die Unterlagen von seinem Vater… Okay, diesen einen Abend; weil er so darauf bestanden hatte. Warum bestand er eigentlich so darauf?, fragte ich mich beiläufig und wischte den Gedanken fort. „Hey Dad, hier ist Bella“, meldete ich mich, nachdem mein Vater den Hörer abgenommen hatte. „Hallo Bella, wie geht’s dir? Kommst du klar? Deine Studienwoche war gut?“, fragte er alles auf einmal. „Ja, danke. Alles bestens. Du, ich wollte mal hören, ob wir vielleicht einen Termin festlegen wollen, wann wir uns treffen, damit das in diesem Jahr noch etwas wird“, fragte ich lächelnd, was er natürlich nicht sehen konnte, nach. „Oder kannst du immer noch nicht aus Forks weg?“ „Nein. Die Lage hat sich soweit entspannt und ich glaube nicht, dass das Spielchen der Jugendlichen noch mal von vorne beginnt“, beurteilte er. „Wann kannst du denn? Am besten ein Wochenende, oder?“ „Ja, ich denke schon…“ Ich blätterte in meinem Kalender. „Kannst du schon dieses Wochenende? Morgen?“, wollte er wissen. „Sonst könnte ich erst das übernächste Wochenende. Vorher das habe ich Dienst.“ „Nein, dieses Wochenende ist ganz schlecht, dann wohl das übernächste.“ „Ja, ist gut. Ich komme zu dir und wir gehen dann irgendwo Mittagessen? Was sagst du?“ „Ja, alles klar. Samstag um elf oder so? Die Adresse hast du noch? Aber Dad“, setzte ich hinzu, „komm nicht mit den Streifenwagen, ja?“ „Dann muss ich leider fliegen, Bella“, kam es belustigt von der anderen Seite. Ich schnaubte ebenfalls lachend und wir verabschiedeten uns. Aber seit wann kümmerte es mich, was die anderen Studenten dachten… das hatte mich noch nie interessiert. Ich kämmte mir die noch leicht feuchten Haare durch, sodass sie glatt waren, und wusch mich ausgiebig. Ich wählte einen Haarreifen aus, den ich schon provisorisch aufs Haar steckte. Hmmm… was ziehe ich an? Gleichzeitig, als ich mir die Frage gestellt hatte, verdrehte ich die Augen. Das hatte mich auch noch nie sonderlich gekümmert. Wenn er glaubte, ich kam in Abendgarderobe – die ich gar nicht besaß – nur, weil er mit mir ausging- ausgehen?!? „Pffft“, machte ich laut. „Zwangsweise einladen“ traf es wohl eher. Ich würde wie immer hingehen. Jeans, Pullover, Jacke. Fertig. Wenn er mehr erwartete, war das sein Problem. Fertig angezogen ging ich noch mal ins Bad und kämmte mir wiederum verträumt meine Haare, während ich mir aufmerksam ins Gesicht sah. Ich freute mich schon irgendwie… ich war so lange nicht im Kino gewesen, obgleich ich immer sehr gerne gegangen war. Früher… Ich schreckte hoch, als es klingelte. Ich griff nach meiner Handtasche, machte das Fenster zu, überlegte, ob ich noch irgendetwas vergessen haben könnte und löschte das Licht. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass da noch irgendetwas war, was ich mitnehmen wollte. Etwas, dass ich ihm geben wollte… Kaum, dass ich die Haustür unten öffnete und ihn sah, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Haben wir noch Zeit? Wie viel Zeit haben wir noch??“, war das erste was mir einen Hauch zu energisch über die Lippen kam. „Wir haben noch Zeit. Die Filme beginnen erst um zwanzig Uhr und wir brauchen nicht lange“, erklärte er perplex. „Warum fahren wir dann so früh?!“, entfuhr es mir der Unverständnis wegen. Edward runzelte irritiert die Stirn. „Egal- ich meine- warte“, stotterte ich. „Hier halt mal, ich bin sofort wieder da.“ Ich drückte ihm, nachdem ich meinen Schlüssel herausgenommen hatte, meine Tasche in die Hand und rauschte die Treppen wieder hoch. Ich wollte ihm die Unterlagen von Mr. Cullen zurückgeben. So gab ich ihm keine Gelegenheit mehr – oder Ausrede –, noch mal vorbeizukommen oder andere Hirngespinste umzusetzen. Bepackt mit dem riesigen Ordner kam ich unten wieder an und tauschte ihn mit meiner Handtasche aus. Edward besah seine Ausbeute. „Das hätte auch noch Zeit gehabt.“ „Ich weiß, trotzdem“, erwiderte ich. Er sah auf und lächelte. „Dir auch einen schönen guten Abend.“ Sein Lächeln ging in ein freches Grinsen über. Ich verblufft über diese nicht allzu häufigen Gesichtszüge von ihm… „Ja, ähm, hi“, meinte ich nur und wir stiegen ins Auto ein. Problem Nummer 1: Das Gesprächsthema. Was sollte ich mit ihm bereden, wenn ich gar nicht mit ihm reden wollte? Wenn ich eigentlich gar nicht hier sein wollte? Wenigstens hatte er gesagt, die Autofahrt würde nicht lange dauern und während des Films wurde für gewöhnlich nicht geredet. Allerdings war noch relativ viel Zeit bis der Film dann anfing… vielleicht war die Ticketschlange lang… oder hatte er schon Karten? „Und? In welchem Film bist du das letzte Mal in Deutschland im Kino gewesen?“, machte Edward den Anfang. „Ähm, ich weiß nicht mehr… ist schon etwas her… als ich kleiner war oder so…“ Wenn mich das ein Mitschüler damals oder ein Student in Deutschlang jetzt gefragt hätte, hätte ich gelogen. Ich hätte gesagt, irgendein Liebestreifen und hätte abgelenkt. Irgendwie so etwas. Aber das ging bei Edward nicht. Denn ihn sah ich, im Gegensatz zu meinen wechselnden Mitschülern oder den vielen Studenten, mehrmals die Woche und er konnte nachfragen. Ich konnte ihm nicht, wie den anderen aus der Schule oder der Uni, aus dem Weg gehen. Und eigentlich… irgendwie… konnte ich auch nicht lügen. „Na ja“, unterbrach er die dann auftretende peinliche Stille, „umso besser, dass du jetzt mal wieder gehst.“ Er lächelte, wand den Kopf kurz zu mir und dann wieder gerade aus. Ich nickte mit zusammen gepressten Lippen. Wir schwiegen. Endlich angekommen – wie konnten simple, läppisch zehn Minuten Fahrt wie zehn Stunden vergehen? – parkte er seinen Wagen in einer Parkbucht des Straßenrandes. Er öffnete mir die Autotür, die ich schon halb selbst geöffnet hatte. Ich blinzelte perplex. Mit einer flinken Bewegung nahm er mir meine Tasche aus der Hand und ließ sie im abschließbarem Handschuhfach verschwinden. „Was machst du?!“, wollte ich empört in Erfahrung bringen. „Du bist eingeladen, schon vergessen?“, entgegnete er nur. „Ja… und?“ Ich blieb neben dem Auto stehen. „Du bist eingeladen“, verdeutlichte er. „Und keine Sorge, das Handschuhfach ist sicherer als jeder Safe.“ Er zwinkerte mir zu. „Ja- ja toll- und wenn ich ein Taschentuch brauche?“ Mir fiel nichts Besseres ein. „Ich lese es dir von den Lippen ab“, schmunzelte er. „Sehr witzig“, erwiderte ich mürrisch, nahm die Tasche flugs wieder aus dem Fach und ging vor. Was sollte die Schleimtour? „Du bist ganz schön stur, weißt du das?“, hörte ich ihn etwas sagen. „Und du nervst“, grummelte ich leise und bemerkte, dass er schon neben mir war. Ihn schien das zu befriedigen, obwohl er das gar nicht hätte hören sollen. Er lächelte. Ich war mir sicher, dass das eines der besseren Kinos hier in der Umgebung war. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte, aber einen längeren Blick auf das Gebäude von außen, ließ ich mir nicht nehmen. Es war komplett in rot und gold getaucht und überall Lichter, die in die Dunkelheit des einbrechenden Herbstes leuchteten. Wir betraten das Gebäude. Edward schob mich an ein paar Ticketschlangen vorbei. Suchend schaute er in Richtung der Schalter. Ich kniff irritiert die Augen zusammen. Dann jedoch, als er gefunden zu haben schien, was er suchte, reckte er nicht mehr den Hals, sondern drehte sich zu mir um. „Also? In welchen Film?“ Er deutete zur Wand, wo alle Filme der 20-Uhr-Vorstellung angezeigt wurden. Wortlos schaute ich mir die Plakate an. „Es steht leider nicht dabei wie lange die Filme gehen, aber die Actionfilme haben Überlänge“, grinste er. Ich warf ihm einen abschätzigen Blick zu und versuchte mich zu entscheiden. Teenie-Filme, Horror- oder Actionfilme schieden aus. Zum lachen war mir auch nicht zu mute, geschweige denn zum weinen. Aber auf einen Liebesfilm… hatte ich auch keine Lust. Ich biss mir auf die Unterlippe und dachte scharf nach. War eine Dokumentation über Klimawandel und Umweltkatastrophen zu viel des Guten? „Und?“ Ich holte Luft und sah ihn an. Erwartungsvoll erwiderte er meinen Blick. „Sag… dieser hier“, ich deutete mit dem Finger auf den Dokumentarfilm, „der kommt doch auch… oder?“ Edward zog die Augenbrauen hoch. „Nicht dein ernst, oder?“ Es war zumindest seiner. „Nein, ich meine- ja klar ist das mein ernst…“ Edward lachte auf. Ich funkelte ihn an. „Machst du dich über mich lustig?“, fragte ich bissig. „Wir können auch sofort wieder fahren, denn ich habe eigentlich etwas besseres-“ „Schon gut, schon gut“, wandte er besänftigend ein. „Was ist der Film Nummer Zwei in der Rangfolge? Falls es für diesen spektakulären Film keine Karten mehr gibt.“ Er grinste auffällig. „Na schön“, ich wand mich noch mal zu den Plakaten. „Dann den hier.“ Ein Liebesdrama. „Gut. Wartest du eben? Ich schau mal, wo es noch ‚Karten’ gibt“, verdeutlichte er mit Luftanführungsstrichen und wand sich um. Ich seufzte. Es würde das Liebesdrama werden. Ich beobachtete, wie er sich nicht zu der Reihe der Wartenden gesellte, sondern an ihnen vorbei zum ersten Schalter ging. Die Frau am Schalter nickte, während Edward wartete. Aus der Tür zum Personaltrakt trat ein Mann heraus und kam auf Edward zu. Ich verstand nicht, was sie sagten, aber es wirkte, als kannten sie sich. Edward überreicht ihm mehrere Scheine, eigentlich viel zu viele, wenn ich das richtig von weitem erkannte, und der Mann verschwand kurz. Als er wieder kam, bekam er zwei längliche Tickets in die Hand gedrückt. Edward verabschiedete sich und schlängelte sich durch die Menge zu mir. „Kanntest du ihn?“, fragte ich prompt. „Vater eines Kommilitonen“, antwortete Edward knapp und wies mir den Weg. Wir stellten uns in die Schlange an, die zu den einzelnen Kinosälen führte. Erstmals begutachtete ich die Leute um uns herum. Gut, in Kleid und Anzug kamen sie nicht hierher, aber schicker angezogen war man hier schon… nicht wirklich Abendgarderobe, aber… seltsam. Ich musterte Edward von der Seite. Er trug zwar ein Hemd drunter – oder etwas mit einem Hemdkragen –, aber ansonsten auch nur eine Jeansjacke und eine Stoffhose. Nicht viel anders, als ich auch. Ich spürte, dass ich schon erleichtert war… wenn der „große“ Edward Cullen hier „normal“ hingehen konnte, dann würde man mich mit Sicherheit auch nicht schief ansehen – und selbst wenn!, rief ich mir ins Gedächtnis. Was kümmerte es mich? Sollten sie schauen, wie sie wollten… Ich wusste nicht, warum ich mir in letzter Zeit überhaupt Gedanken darüber machte… „Guten Abend“, sagte Edward höflich und reichte dem Mann unsere Tickets, die ich gar nicht zu Gesicht bekommen hatte. Der Mann gab die Karten zurück. „Sie wissen-“ „Ich weiß Bescheid, danke“, entgegnete Edward. Ich war zwar irritiert von dem kurzen Wortwechsel, doch ich spürte wie Freude in mir aufstieg und mein Gesicht erreichte. Ich konnte nicht anders als lächeln. Ich ging ins Kino… Ich biss mir auf die Unterlippen, um nicht breit zu grinsen. Dieses Gefühl von Vorfreude kam mir so wenig vertraut vor… „Hier entlang“, wies Edward mich an, als ich mit dem Strom durch einen Gang in den Kinosaal gelangen wollte. Er deutete auf eine Tür neben dem Gang. Mit gerunzelter Stirn und fragendem Gesichtsausdruck ging ich durch die, von ihm aufgehaltene, Tür hindurch. Hatte ich an normale Sitzplätze in einem normalen Kind mit normalen Menschen gedacht? Vermutlich hätte ich aufhören sollen, irgendwelche Erwartungen zu haben, wenn ich mit Edward zusammen war. Wir waren nicht im eigentlichen Kinosaal, sondern in einem kleinen separaten halbkreisartigen Raum, der geöffnet oberhalb der üblichen Sitze lag. Etwas erhöht schauten wir auf die Leinwand herab, wie auf einem Balkon. Es standen zwei große und breite Sitze vor einer gut kniehohen Wand. Absoluter Luxus. „Die Akustik ist hier ziemlich gut und über die Sicht kann man sich auch nicht beschweren“, redete er schnell. „Wartest du kurz?“ Er war schon weg. Ich atmete geräuschvoll aus und schüttelte ungläubig zu mir selbst den Kopf. Es wirkte alles nicht real… Ich beugte mich über den kleinen Mauervorsprung und sah zu, wie sich unten alles füllte. Es war mittlerweile halb acht. Nicht lange und die Filmtrailer bzw. die Werbung würde beginnen, vermutete ich. Wo war er hin? Mein Handy vibrierte. Ach ja, das musste ich noch ausmachen. Vermutlich mein Akku, dachte ich. Tatsächlich war es der Akku und ich wollte gerade das Handy ausmachen, als ich herabschaute und eine Nachricht bemerkte. Meine Mutter hatte mir erst gestern Glück für die Prüfung gewünscht. Verdutzt stellte ich fest, dass es eine SMS von Phil war. Ich wusste nicht mehr, wo ich war, warum ich mich gefreut hatte und was ich hier sollte. Augenblicklich rieselte die harte Realität auf mich ein. Ich vergnügte mich in Amerika und tausende Kilometer weit weg, war meine kranke Mutter – auf dem Weg der Besserung aber dennoch…Ich schaute auf Phils Nummer. Wenn er mir schrieb… und nicht meine Mutter… Mir wurde schlecht und ich musste mich setzen. Ein fester Schlag in die Magengrube. Mehr noch. Ich atmete zitternd und klickte die SMS an: Hallo Bella. Die Untersuchung von Renée ist nicht gut verlaufen. Ihre Werte sind schlechter geworden. Sie ist heute den ganzen Tag im Krankenhaus zur Beobachtung. Ihr Zustand ist gut, aber die Blutwerte bedenklich. Mach dir keine Sorgen, ich habe kurzfristig frei genommen und bin bei ihr. Wir hoffen das Beste, Phil. Ich ließ das Handy sinken und atmete flach. Ihre Werte waren schlecht? Dabei sollte die Behandlung bald beendet werden… Ich spürte, wie mir die Tränen ins Auge schossen. Mein Blick fiel nach unten auf den Kinosaal, der sich verdunkelte. Was wollte ich hier? Ich war nicht zum Spaß in Amerika?! Warum war ich überhaupt hierher geflogen… wenn es ihr jetzt nicht gut ging und ich nicht bei ihr sein konnte… Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass das wirklich alles war und Phil nichts beschönigt hatte. Ich vertraute ihm eigentlich schon, aber ich kannte meine Mutter. Ich sollte mir keine Sorgen machen… Ich wischte eine Träne aus dem Gesicht, während die Werbung eingespielt wurde. Gut, dass Wochenende war. Phil hätte somit Zeit, sich um sie zu kümmern, so hoffte ich und versuchte mich zu beruhigen. Mit leerem Gesichtsausdruck sah ich auf die Leinwand. Ich nahm gar nicht wahr, was dort wirklich gezeigt wurde. Warum konnte nach vier Jahren nicht endlich alles vorbei sein? Hatte sie nicht genug gelitten? Ging jetzt alles wieder von vorne los? „… ist ja noch Werbung, dann bin ich ja noch nicht zu spät. Die Trailer sind nämlich immer richtig gut“, hörte ich Edward hinter mir plappern. „Ich hoffe, du magst etwas davon, aber eigentlich ist alles dabei. Ich habe auch ein paar gesunde Sachen aus dem Restaurant aufgetrieben, weil ich ja weiß-“ Er brach ab. Es war unfair, aber ich ignorierte ihn. Warum hatte ich nicht strikt nein gesagt und war nach Hause gegangen, als er mich gefragt hatte? Dann hätte ich wenigstens Phil anrufen können… „Ist alles okay?“, fragte er in einem ganz anderen, sanfteren Tonfall, der gar nicht zu ihm passte. Er stellte das Essen vor uns auf eine kleine fensterbankartige Vorrichtung und ließ sich in den Sitz sinken. „Ja“, erwiderte ich mit trockenem Hals und steckte, so unauffällig es eben ging, in der zeitweisen Dunkelheit, mein Handy weg. Edward sagte nichts mehr. Warum hatte ich mich darauf eingelassen? Ich gab doch sonst nicht nach… und es war mir doch egal, was er von mir dachte… „Ich bin kurz auf Toilette“, murmelte ich leise und stand auf. Ich brauchte ein paar Minuten für mich und blieb auf dem Flur stehen. Um mich herum war es ruhiger geworden. Der Film begann ja auch bald. Ich durfte gar nicht daran denken, dass ich den gleich sehen musste. Ich wollte nicht. Ich wollte das nicht. Ich hatte mich eben noch gefreut, das kleine Ereignis des Kinobesuchs genießen zu können, doch das ging jetzt nicht mehr. Es war von vornherein töricht gewesen, mir diesen Genuss überhaupt zu gönnen. Ich gönnte mir in Amerika Wissen, nichts anderes. Es war mitten in der Nacht, fiel mir plötzlich ein. Ich konnte jetzt nicht anrufen. Nicht mal das… Dann ging ich wirklich auf die Toilette. Ich wusch mir aus Zeitvertreib die Hände und starrte dann für einige Sekunden in den Spiegel. Ich war nicht sehr nah am Wasser gebaut. Die letzten Monate über, hatte es immer wieder Rückschläge gegeben, sodass ich sagen konnte, ich war abgehärtet. Aber hier, so ohnmächtig, so weit weg, war das eine ganz andere Situation. Und ich hatte nicht mal Phil, mit dem ich reden konnte. Nicht mal per Telefon… Langsam trottete ich zurück. Würde Edward mit mir zurückfahren, wenn ich darum bat? Das konnte ich nicht tun, antwortete ich mir selbst. Das wäre unfair ihm gegenüber… ich müsste das über mich ergehen lassen. Ich ging zurück in den kleinen Raum und setzte mich an meinen Platz. Edwards Blick lag auf mir. Ich mied ihn bewusst und schaute gerade aus. Der Film würde jeden Augenblick beginnen. Noch liefen Filmvorschauen. Die Spannung, die von Edwards spürbarem Unverständnis und meiner Schweigsamkeit herrührte, war unerträglich. Hoffentlich fing der Film gleich an, betete ich insgeheim. Es würde mich nicht ablenken, aber ihn, so hoffte ich. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, wollte Edward leise wissen. „Nein“, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. Er hatte ja auch nichts falsch gemacht oder gesagt. Ich neigte den Kopf ein wenig und sah ihn nicht an. Mein Blick fiel auf das viele Essen. Die kinotypischen Sachen wie Popcorn, aber auch häppchenartige Brötchen. Ich hatte nicht mal Danke gesagt… Er schien meinen Blick bemerkt zu haben. „Magst du das nicht?“ „Doch, doch, es ist großartig, danke“, sagte ich leise, aber sehr hastig hintereinander und nahm mir eines von den kleinen, belegten Brötchen. Ich achtete darauf, dass es wirklich das kleinste war und biss lieblos rein. Allein bei dem Geruch drehte sich mir schon der Magen um. Ich tat es aus reiner Höflichkeit und ließ das Brötchen in der Hand sinken. Im Augenwinkel bemerkte ich, dass er mich noch musterte. Er schien etwas sagen zu wollen, doch ich sah mit erhöhter Aufmerksamkeit geradeaus – der Film begann. Ich spielte meine Rolle als interessierte Zuschauerin, ein paar Minuten, bis Edward sich den Film anschaute und nicht mich. Danach verfiel mein Blick ins Leere. Ich wand den Kopf etwas zur Seite und nahm den Film kaum wahr. Unweigerlich hörte ich zu und bekam natürlich den Inhalt und die Geschichte mit, aber der Film konnte mich nicht mitreißen wie sonst. Eigentlich konnte ich der Geschichte des Film nicht viel abgewinnen und ich glaubte nicht mal, dass ich es ohne die SMS gekonnte hätte. Ich hätte auf den Dokumentarfilm bestehen sollen. Ohne ein Wort zu sagen verließen wir das Kino. Edward ging, die Hände in den Jackentaschen verborgen, hinter mir her. Ich wollte schnell nach Hause, auch wenn ihn scheinbar keine Eile trieb. „Du, Bella“, erklang seine Stimme, als ich das Auto erreicht hatte. Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er war ein Wimpernschlag später vor mir. „Hör mal, du hast gar nicht gegessen… wie wär’s, wenn ich dich zum Essen einlade? Zu etwas, was mehr deinem Geschmack entspricht?“, fragte er mich und lächelte freundlich. „Nein, danke“, meinte ich bloß. Ich wollte unbedingt nach Hause und an Essen konnte ich gar nicht denken. Mir würde speiübel werden, noch mehr, als es jetzt schon der Fall war. „Komm schon“, beharrte er, „es dauert nicht lange. Und wir finden bestimmt was Nettes. Außerdem findest du sowieso nicht alleine nach Hause“, lachte er leise hüstelnd. „Also, lass uns-“ Ich hatte mich von ihm abgewendet und war den Bürgersteig entlang, von ihm fort, gegangen. Ich nahm ernst, was er sagte und wenn er mich nur nach Hause fuhr, nachdem wir Essen gegangen waren, dann würde ich laufen oder einen anderen Weg zum Wohnheim finden. „Bella“, meinte er überrascht und lief mir nach, bevor er mich an der Hand zurückhielt. „Das- das war doch nur ein Scherz, ich meine-“ „Kannst du nicht akzeptieren, wenn ich ‚nein’ sage?“, kam es mir trocken über die Lippen, während ich ihm fest in die Augen sah. Edward nickte lediglich knapp, ging zurück und stieg ein. Ich tat es ihm gleich. Sofort spürte ich die Wärme des Sitzes in mich übergehend – es war relativ kühl geworden –, als der Motor von Edward entzündet wurde. Super Standheizung, kam es mir kurz in den Sinn. Aber was überraschte es mich überhaupt noch… Ich schaute bewusst nach rechts in die Gegend, während Edward fuhr. Es war schwer, meine Tränen bei dem Fahrtwind des Cabrios zurückzuhalten. Denn ich versuchte sie sowieso schon seit Stunden wegzublinzeln und Edwards Geschwindigkeit machte es mir nicht leichter. Meine Haare klebten an den wenigen Tränen, die mir entfleuchten. Ich hoffte, Edward vernahm es nicht, während ich sie unauffällig weg strich. „Und, wie fandest du den Film?“, fragte er zögerlich nach. „Unglaubwürdig, übertrieben und realitätsfern“, urteilte ich knapp. Ich war mir nicht mal sicher, ob er es überhaupt gehört hatte. „Wieso?“, fragte er nach. Ich schnaubte leicht auf. „Sie kämpft wochenlang um seine Liebe, sie werden ein Paar, allerdings war es nie die große Liebe von ihm aus und er bemerkt, dass das ganze doch nichts ist und verlässt sie. Was macht sie? Sie lebt nicht ihr Leben, sondern versucht die ganze zweite Hälfte ihn vergeblich wieder zu bekommen und riskiert ihren Job, bis sie ihn mit einer anderen im Bett erwischt und merkt, dass es tatsächlich keinen Sinn mehr hat. Happy Ending, ihr Nachbar ist der eigentliche Typ, den sie liebt und der sie liebt“, knurrte ich und verdrehte die Augen, während ich Edward immer noch nicht ansah. „Nach der Trennung hätte sie zum Alltag übergehen und sich das Theater danach ersparen sollen. Sie hätte dann sogar ihre Beförderung bekommen und es sich nicht wegen der Liebschaft bei ihrem Chef verscherzt. Außerdem was nützt es, wenn sie um die Liebe kämpft. Das hält doch dann sowieso nicht lang. Wenn er sie geliebt hätte, wären sie zusammengekommen, ohne Überredungskünste“ plapperte ich überrascht von mir selbst. Eigentlich ging ihn das gar nichts an, fiel mir auf. Ich verstand mich selbst nicht, wieso ich ihm das erstens mitteilte und zweitens für kurze Zeit so redselig war. Edward neben mir schnaubte belustigt auf. Unwillkürlich wand ich den Kopf zu ihm und strich mit der Hand meine klebrigen Haare aus dem Gesicht. „Was?“, fragte ich verstimmt, da er selbst nach ein paar Momenten nicht sprach. „Eine harte Ansicht“, gab er lediglich zum Besten. Ich atmete zischelnd aus, verschränkte die Arme und sah wieder nach rechts. Das Leben war hart. „Danke fürs nach Hause bringen und so…“, sagte ich matt, stieg aus und ließ die Autotür ins Schloss fallen. „Kein Problem“, sagte er mit einem halben Lächeln auf den Lippen. Ich stand vor dem Auto und sah ihn an. Ich wollte ihm eigentlich noch sagen, wie leid es mir tat, dass ich ihm den Abend verdorben hatte und nicht mal das Essen hatte anrühren können. Ich wollte ihm sagen, dass es eigentlich, dafür, dass ich ihn nicht leiden konnte und er ein grausiger, arroganter, selbstverliebter Stinkstiefel war, ganz passabel gewesen war. Stattdessen sagte ich: „Wir sehen uns Montag“ und ging zum Haus, ehe er noch etwas erwidern konnte. Ich hörte den Motor lauter schnurren und er fuhr davon. Mir war es gleich, was er von meinem Verhalten heute Abend hielt, denn ich mochte mich nicht damit auseinandersetzen. Es gab viel Wichtigeres als ihn, als diesen Abend, als Kino. Montag würden wir nur wieder nebeneinander sitzen, uns Säuren über die Hand kippen, über jede Kleinigkeit diskutieren und darauf warten, das der andere einen Fehler machte, um den Triumph auszukosten. Es gab nichts Banaleres und Belangloseres, als dies. Ich nahm mein Handy heraus und öffnete die Wohnungstür. Langsam schloss ich diese hinter mir und erkannte, dass ich keine weitere Nachricht oder gar einen Anruf erhalten hatte. Nun gut, es war früh morgens in Deutschland- Ich sank kraftlos auf die Knie, schmiss das Handy fort und legte das Gesicht in meine Hände, welches augenblicklich nass war. Ich ließ bitterlich alles raus, was ich unterdrückt hatte. Nicht genau der Umstand, dass die Blutwerte meiner Mutter schlecht waren, führte zu meinem emotionalen Ausbruch, sondern die Ohnmacht, die ich hier, so weit entfernt von ihr, erfuhr. Ich konnte nichts tun. Wenn sie sich in den Finger schnitt, wenn sie eine Operation hatte, wenn sie starb – ich war nicht da, ich würde immer zu spät kommen. Was hielt mich hier? Die Gewissheit, dass Phil mich mittlerweile benachrichtigt hätte, wenn irgendetwas passiert wäre? Ich musste ihn anrufen. Ich musste einfach. Ich musste. Ich schleppte mich zum Bett, auf dessen Nachttisch das Telefon stand. Mir war die Telefonrechnung in diesem Moment schnuppe. Ich langte nach dem Hörer und hielt kurz inne. Meine Mutter, Phil und ich selbst lächelten mir auf einem Foto aus dem Park im letzten Sommer entgegen, gar nicht viele Wochen her. Ich starrte einen Moment drauf, strich mir eine Träne von der Wange und wählte. Es tutete. Es tutete. Es tutete weiter. Mein Herz raste. Es war halb sechs Morgens dort, es ist völlig normal, dass Phil nicht sofort dran geht, sagte ich mir. Tut. Meine Mutter würde er bestimmt schlafen lassen. Tut. Aber auch sie würde wach werden. Tut. Oder war das ein schlechtes Zeichen? Waren sie etwa im Krankenhaus? Tut. Ging es ihr schlechter? Tut. Jemand hob jemand ab. „Phil? Phil? Bist du das?“, schrie ich nahezu ins Telefon. „Ja…“, er räusperte sich mit zerknautschter Stimme, „Bella… ja, ich bin’s… was gibt’s?“ Er hustete leise. „Wie geht’s Mum? Ist sie bei dir? Ist sie im Krankenhaus? Was ist mit ihr?“, schossen meine Gedanken quer über meine Lippen. „Nein, ihr geht es gut“, sagte er matt und klang – wie sollte es auch anders sein – müde. „Die weiteren Untersuchungen haben zumindest keine negativen Befunde ergeben. Die Ärzte warten ab, ob die Blutwerte sich wieder verbessern und sie hat ein paar neue Medikamente bekommen. Alles gut, Bella“, setzte er beruhigend hinzu. Es hörte sich an, als lächelte er milde. Ich nickte dummerweise und atmete stockend tief ein und aus. „Bella, wir haben abgemacht, dass wir dich informieren, aber du musst uns auch glauben, dass wir dir die Wahrheit sagen“, krächzte er ins Telefon. „Und ja, ihre Werte haben sich verschlechtert, aber das ist kein Grund für helle Aufregung oder Panik“, sprach mir Phil ins Gewissen. „Ich weiß“, murmelte ich. Er wusste natürlich zu Genüge, dass wir das ewige „auf und ab“ gewohnt waren. Natürlich fand er meine Überreaktion merkwürdig, aber hier drüben, in Amerika, fühlte sich alles so anders an… „Gut, okay, gib’ ihr einen Kuss von mir, ja? Ich hoffe, sie ist nicht wach geworden… und bitte informiert mich weiter, ja? Ich mach bestimmt nicht mehr so ein Theater, wenn du sagst, dass ich mir keine Sorgen machen muss.“ Während ich das sagte, wusste ich, dass ich es mir selbst einredete. Ich würde bei jeder Nachricht Angst haben. Angst, weil ich nicht dort und bei ihr war. „Nein, sie schläft friedlich. Okay Bella, dann gute… Nacht dir…“ Tut. Tut. Tut. Ich hatte hier Zeit, viel Zeit. Unglaublich viel Zeit eigentlich. Ich musste keinen Jobs nachgehen und kümmerte mich nicht um meine Mutter (was aber nicht das Gute an dem Ganzen war). Ich hatte so viel mehr Zeit, als in Deutschland. Und doch schien sie zu rasen, als ich an diesem Wochenende an meinem Schreibtisch saß und ununterbrochen den Berg Material abarbeitete. Ein Skript mit Aufgaben nach dem nächsten. Ich raffte mich auf und ging Samstagabend einkaufen, aber ansonsten bekam die Sonne mich nicht viel zu Gesicht – auch, wenn sie sich Ende Oktober, so gut wie November, kaum mehr blicken ließ. Das Wetter schien sich zusehends zu verschlechtern. Es wurde immer kälter und begann am Sonntag sehr lange zu regnen. So konnte ich allerdings der Verlockung, einfach etwas über den schönen Campus zu schlendern, leicht widerstehen. Ich hatte nun auch mehr oder minder eine Erklärung dafür gefunden, warum mir die Zeit immer wieder abhanden kam. Ich machte sehr viel über den Pflichtteil hinaus. In Deutschland hatte ich nur den Stoff gemacht, der vorausgesetzt wurde und das Mindestmaß darstellte. Ich hatte diesen immer gründlich gemacht, aber darüber hinaus ging es seltener – immer noch oft genug, dass ich den anderen Studenten etwas voraus hatte, aber nie so viel wie ich wollte. Das konnte ich hier. Nicht in Gänze, aber trotzdem. Ich war der Ansicht, dass es nie genügend Zeit gab, alles zu lernen und zu lesen, was einen interessierte. Aber ich war für den morgigen Tag gut vorbereitet. Vorsichtig drehte ich am Rädchen der Pipette und ließ nur einen Tropfen der Lösung in das Reagenzglas gleiten, welches ich währenddessen auf schwacher Flamme erhitzte. Ich machte einen Strich auf meinem Zettel und gab konzentriert einen weiteren Tropfen dazu. Neben mir stellte Edward die beiden Bechergläser wieder hin und drehte sich zu mir um. Ich beachtete ihn gar nicht und machte weiter. Gut, kurz linste ich zu ihm rüber. Er schaute mich an. Ich ließ mich nicht beirren und notierte den weiteren Tropfen auf meiner Liste. „Ähm, sag mal…“, begann Edward. Ich hätte fast aufgeseufzt, denn ich hatte diesen „ich will was von dir wissen“-Tonfall schon durch seinen Blick vorweggenommen. „Was ist am Freitag wirklich los gewesen?“ Mit dem Gasbrenner noch in der Hand, schaute ich ihn an. „Warum bist du eigentlich so nett zu mir? Kannst du nicht einfach deine Arbeit machen und gut?“, fragte ich schneidend das, was ich gerade dachte. Ich gab einen weiteren Tropfen hinzu und nickte dann zu seinen Bechergläsern. „Verhältnis 4:1“, meinte ich selbstgefällig und widmete mich wieder meiner Arbeit. Er sollte seine Arbeit gut machen und sich nicht an Psychotherapie versuchen. Ich hatte noch gesehen wie er kurz die Augenbrauen hochgezogen hatte und er sich dann an das Mischen der Flüssigkeiten machte. Aber was ich sagte, stimmte: Warum war er auf einmal so nett zu mir? Wo war der arrogante, zum Narzissmus neigende Idiot? Immer noch Schuldgefühle wegen der Narbe? So viel Gewissen traute ich ihm nicht zu… Edward hatte entschuldigend gemurmelt, er habe einen Sprechstundentermin und ob ich die Versuchsapparatur wegräumen konnte. Tja, ich hatte schließlich keine Wahl, dachte ich, sagte aber, dass das kein Problem sei. Ich brachte den Gasbrenner zum Stahlschrank neben der Eingangstür und hängte auf dem Weg meine Laborkleidung weg. „Was? Was soll ich denn damit? Hat er dir noch was anderes gesagt?“, ertönte Edwards Stimme fluchend. Ich stellte leise den Gasbrenner in den Schrank und lauschte. In einiger Entfernung stand mit Edward mit dem Rücken zur Eingangstür, im Flur. Einen Kommilitonen vor ihm, vielleicht jünger als Edward oder so; schwer auszumachen. „Er meinte nur, dass ihr nichts zu besprechen habt und ich dir das geben soll“, sagte dieser Schultern zuckend. „Ich soll einfach einen Satz wiederholen und einen dafür weglassen?! Und- mein Stück-“, wurde Edward lauter und verhaspelte sich beinahe, wenn ich das richtig erkennen konnte, bei den Notenblättern. „Das wird bei dem Konzert absolut langweilig! Und warum bitte schön?“ „Keine Ahnung…“, sagte der Junge vor ihm kleinlaut. „Er meinte das Orchester variiert-“ Edward stöhnte auf. „So ein Schwachsinn.“ Er wollte an dem Jungen vertieft vorbei gehen. Der jedoch eilte ihm nach. Ich beugte mich aus der Tür, um besser hören und sehen zu können. „Hey Edward, ich habe noch eine Frage… geht das gerade? Na ja… und zwar…“ Er redete einfach weiter und tippelte Edward hinterher, bis dieser stehen blieb und sich an ihn wand: „Was ist denn??“, fragte er nachdrücklich und genervt. „Kannst du mal gucken…“ Der Junge hielt einen Zettel hoch. „Hier… beim Quintenzirkel-“ „Für so einen Kinderkram habe ich keine Zeit“, murrte Edward nur und verschwand um die Ecke in den nächsten Gang. Der andere blieb verdutzt stehen und schlug dann, ich sah seinen Gesichtsausdruck nicht richtig, einen anderen Weg ein. Ich schnaubte. Er war ganz der Alte. Und ich verstand ihn nicht. Warum ging er so mit den anderen um und gestern war er plötzlich wie verwandelt? Was sollte das? Wie auch immer, er konnte tun und sagen und lassen, was er wollte – solange er sich in den Biostunden Mühe gab. Als beinahe die letzte, verließ ich das Labor und machte mich auf den Weg in meine nächste Vorlesung: Hirntumorerkrankungen. Ich musste unweigerlich lächeln. Der Dozent war super und brachte den Stoff richtig gut rüber. Sehr anschaulich und- Stirn runzelnd betrat ich den Vorlesungsraum. Leer. Keine Menschenseele. Ich blickte auf die Uhr. Ich war nicht zu früh. Es müsste eigentlich schon jemand hier sein. Ich kannte allerdings niemanden hier gut genug, dass ich ihn oder sie ansprechen konnte… dazu müsste ich die- oder denjenigen auch erst mal finden. Kurzerhand machte ich mich auf den Weg zur Anschlagtafel – zu früh gefreut, es fiel aus. Ich seufzte, überlegte kurz und entschied mich schließlich in die Bibliothek zu gehen, um in der Lektüre für den Hirntumorkurs zu schmökern. Meiner Lieblingsecke in der Bibliothek war zum Glück nicht besetzt. Montagmorgens aber auch unwahrscheinlich, musste ich zugeben. Am Ende des Regals, bevor die Fensterreihe begann, war ungefähr zwei Meter Platz. Dort stand ein runder Tisch mit zwei Stühlen. Ich stellte mir den Stuhl vor die Regalseite, lehnte mich dort an und platzierte die Füße auf die warme Heizung unterhalb der Fensterbank. So konnte ich auch das Treiben draußen beobachten – derzeit regnet es leider wieder. Heute früh, beim Laufen zur Uni, war ich dem noch entgangen, aber mir grauste es zum einen vor dem Rückweg und zum anderen noch viel mehr, wenn der erste heftige Schnee fiel. Dann konnte ich gar nicht mehr auf den Bus umsteigen, selbst wenn ich wollte. Denn jener fuhr dann mit Sicherheit noch weniger oder unregelmäßiger, wenn überhaupt. Ich sah noch einen Moment hinaus, erblickte wie die Tropfen an der Fensterscheibe, vom Wind gepeitscht, entlang rannen und zog mit den Fußspitzen an den Fersen meine Schuhe aus. Augenblicklich zog wohlige Wärme durch meine Socken. Ich glaubte nicht, dass jemand etwas dagegen hatte oder es überhaupt hier hinten mitbekam. Viele saßen vorne an den Tischreihen mit Lampe und so weiter. Das Buch ließ ich auf meinen angewinkelten Oberschenkeln liegen und begann mit dem Kapitel. Ich fühlte mich gerade so wohl, dass ich kaum Konzentration besaß, aber aus Freude. Ich war so von den angenehmen Gefühlen in meinem ganzen Körper – der Ruhe, der Besonnenheit, dem Wohlbefinden – eingenommen, dass ich die eiligen, nahezu rennenden, Schritte, gar nicht bewusst vernommen hatte. Erst, als er vor mir stand. „Was machst du da??“, fragte Edward wie aus dem Nichts und stand direkt neben meiner Schulter. Ich schaute reflexartig hoch zu ihm, stieß mir an der Regalkante den Kopf und ließ mich nach vorne taumeln. Unterdessen hatte ich die Füße rasch von der Heizung gezogen. „Ja, wie ‚was mache ich hier’?“, flüsterte ich zischend und wunderte mich, dass er eben nicht geflüstert hatte, schließlich waren wir in einer Bibliothek. „Die Frage ist doch vielmehr, was du hier machst.“ Ich rieb meinen schmerzenden Hinterkopf. „Das gleiche könnte ich dich fragen“, entgegnete er in normaler Lautstärke. Ja, wenn du mein Aufpasser wärst, knurrte ich in Gedanken. „Mein Seminar ist ausgefallen und deines?“, sagte ich stattdessen und ärgerte mich, dass ich in diesem Moment nicht wirklich mal meinen Lippen freien Lauf gelassen hatte. „Meins nicht“, klärte er mich nur, wieder nicht mit gesenkter Stimme, auf. „Und?“ Ich hob die Augenbrauen und wackelte mit dem Kopf hin und her. Was wollte er und warum störte er mich?? Unauffällig zog ich meine Schuhe an – obwohl er es gesehen haben dürfte und mir das eigentlich egal sein sollte… „Übrigens, leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen nicht das Denkvermögen. Aberglaube. Falls du das gerade versucht haben solltest“, merkte er an. Ich starrte ihn an, als sei er durchgeknallt. Na ja, vielleicht war er das auch… „Komm mal mit“, sagte er, nahm urplötzlich meine Hand und riss mich hoch – und dann mit sich. „Hey- was-“, fauchte ich so leise es eben ging. Ich hatte mir gerade noch so meinen Rucksack, meine Jacke und mein Buch nehmen können. „Ich brauche deine Hilfe, du hast doch Zeit, oder?“, fragte er laut, während er mich durch die Regale, bis hin zu den Leseecken und Lerntischen, lotste. „Nein- lass mich-“ „Es ist wichtig“, erwiderte Edward nur. Köpfe hoben sich in unsere Richtung. „Edward- lass mich-“, entfuhr es mir nun auch ein wenig lauter als geflüstert. Schhhh’s waren von überall zu hören. „Tu mir einfach den Gefallen!“, bat er. „Wie komme ich dazu?“, entgegnete ich. Er hatte mein Handgelenk fest umschlossen und zerrte weiter an mir. „SCHHHHH!“, wurde es von allen Seiten lauter, wir waren jedoch längst aus der Bibliothek raus. „Wo gehen wir denn hin?“, fragte ich nach. Wenigstens das konnte er mir sagen. Ich schaute mich zwar um, hatte allerdings keine Idee. „Zur Aula“, antwortete er mit weiterhin nach vorn gerichtetem Blick. „Zur Aula?? Edward, ich habe keine Zeit- ich habe zu tun-“ „Ja, das hast du immer“, nuschelte er vor sich her. Bevor ich etwas einwenden konnte, waren wir dort. Edward schloss auf. „Was soll ich hier?“, fragte ich und überging seine Unhöflichkeit von eben. Er schob mich rein, schloss ab und ließ den Schlüssel von innen stecken. „Zuhören“, meinte er knapp. Er ging vor mir die Treppen runter. „Darfst du das hier überhaupt? Und warum denn so schnell- und warum jetzt-?!“ Ich hatte keine Ahnung, was hier gerade geschah, wusste aber, dass ich das niemals wollen würde! „Natürlich darf ich das. Hätte ich sonst einen Schlüssel?“, erwiderte er etwas barsch. „Ich will nur keine unliebsamen Mithörer.“ Wir kamen unten an. Er half mir auf die Bühne und stieg dann selbst hoch. Warum auch nicht die Treppe benutzen?, dachte ich mürrisch und verdrehte genervt die Augen. „Und was soll das Ganze?“ „Ich hatte gerade eine Idee“, erklärte er flugs, „aber ich weiß genau, wie die professionellen Musiker darüber denken.“ Er kam zu mir, hielt mich an den Oberarmen rechts und links fest und setzte mich auf den Klavierhocker – allerdings falsch herum. Er beugte sich zu mir runter. „Hör einfach zu und sag mir, welche der beiden Versionen du besser findest“, bat er und setzte sich dann selbst vor den Flügel. „Aber ich hab doch gar keine Ahnung-“, gab ich zu Bedenken. „Eben.“ Er drehte sich zu mir um. „Einfach deinen Eindruck. Ich spiele es dir auch mehrmals vor, wenn du den Unterschied nicht sofort erkennst.“ Er sah mir von der Seite tief in die Augen und machte eine Handbewegung, als streichelte er Luft, vor meinem Gesicht. „Mach einfach die Augen zu und versprich mir, dass du sie geschlossen lässt.“ „Okay“, meinte ich matt, mit bereits aufeinander gelegten Lidern. Ich gab auf. Er begann. Ganz langsam. Einhändig, wie ich vermutete. Nur ganz wenige Töne erklangen. Er steigerte sich. Es wirkte mal abrupt und rascher, obwohl die Grundmelodie sanft zu sein schien. Das Lied wollte etwas ganz anderes ausdrücken, als durch die Spielform eigentlich zum Ausdruck gebracht wurde, kam es mir in den Sinn. Oder war das eigentlich gar nicht so? Mein Fachsimplen konnte ich mir eigentlich sparen… „Zweite Version“, kündige Edward an. Es begann ähnlich oder ganz genauso. Ich war mir nicht sicher. Ich öffnete die Augen und sah zu den leeren Sitzplätzen. Er führte das Stück geschmeidiger und sanfter fort. Genauso, als wollte es das sagen, was die erste Variante nicht sagen konnte. Wie ein „Ja“, wenn man „Nein“ meinte und das Gesicht nichts bejahendes enthielt; gar der ganze Körper verneinte – und doch stimmte man zu. „Und?“, erwartete er mein Feedback. „Wie schaffst du es vor so vielen Leuten zu spielen, als wäre es nichts“, sprach ich einen Gedanken aus, der mir im Nachklang der letzten Töne in den Sinn gekommen war. „Hey, du hast die Augen gar nicht zu!“, erwiderte er empört, allerdings belustigt. „Also?“ Er wartete. Ich erinnerte mich an meine Eindrücke zurück. „Das erste klingt… nein, das mag ich nicht, es passt nicht in die Melodie oder die Romantik…“, bekannte ich langsamer werdend. „Hab’ ich mir gedacht“, meinte er grinsend. „Ach und es ist nicht so ‚als wäre es nichts’“, kam er auf meine Ausgangsaussage lächelnd zurück. „Ich kriege das alles nur nicht mehr mit, wenn ich spiele.“ „Das glaub’ ich dir…“, murmelte ich und erwiderte sein Lächeln. Wir schauten uns still in die Augen, als mich eben diese Stille aufwachen lies. „Äh, ich- ich muss los, ich hab zu tun, wie gesagt.“ Ich stand schnell auf. „Viel Glück dann noch beim spielen- beim üben…“ Ich sprang etwas unelegant von der Bühne und drehte mich dann noch einmal rasch um. „Das zweite gefiel mir übrigens gut. Viel besser als das erste.“ Ich eilte die Treppen hoch und sah nicht mehr zurück. Ich dachte nichts, als ich nicht zur Bibliothek, sondern in die Cafeteria ging. Ich konnte mich komischerweise nicht mal über ihn aufregen. Die Melodie klang noch in mir nach. Sie war so… sanft gespielt, dass es mich innerlich erschaudern ließ, wenn ich daran dachte – viel mehr noch, als es gerade der Fall gewesen war. Im Nachhinein hatte es eine viel stärkere Wirkung… Ich atmete tief durch und versuchte das ganze von eben aus meinem Kopf zu verscheuchen. Nach der Mittagspause hatte ich noch zwei wichtige Vorlesungen für die Abschlussprüfungen. Nur nicht ablenken lassen und das Ziel vor Augen, Bella!, feuerte ich mich an und scheuchte alle Empfindungen von eben fort. Die Tage darauf waren wie immer. Zumindest was Edward und mich anging. Aber auch bezogen auf meine Familie in Deutschland. Die Werte meiner Mutter waren stabil – wenn auch schlecht. Immerhin sanken sie nicht, das war ein gutes Zeichen und zeigte, dass sie sich nicht tendenziell kontinuierlich verschlimmerten. Schon November… so schnell verflog die Zeit hier. Das Wetter wurde mit dieser immer kälter und nasser. Als ich Donnerstag, mein längster Tag der Woche, um zwanzig Uhr die Straßen betrat, um den Heimweg anzutreten, konnte ich mir einen Seufzer nicht ersparen. Es schüttete aus Kübeln, aber der Schnupfen war es mir wert – wenn überhaupt, dachte ich. Ich war nie sehr anfällig für Krankheiten gewesen. Außerdem hatte ich eine Wasser abweisende Jacke und einen Schirm. Der Regen war frostig kalt, als wartete er nur darauf, dass die Grade ins Minus wanderten, um dann zu Eis zu erstarren. Meine Hände waren ganz weiß am Schirmgriff und ich war umso froher, als der, mir länger vorkommende, Weg schließlich an dem Studentenwohnheim vorbeikam. Zu so später, dunkler Stunde, war der Weg nicht angenehm. Ich hatte zwar keine Badewanne, doch eine heiße Dusche würde es auch tun, um meine Finger wieder lebendig zu machen, damit sie mir beim Lernen gleich wieder ihren Dienst erwiesen. Wie gut, dass ich in den Freistunden gestern noch eingekauft hatte. Das würde bis Samstag reichen, mutmaßte ich und entledigte mich der durchnässten Kleidungsstücke. Ich wachte zwar mit leichten Kopfschmerzen auf, doch das war nicht weiter bedenklich. Ich trank zwei große Schlücke Wasser und machte mich später auf den Weg zur Uni. Es war kalt draußen, aber trocken. Der Wind peitschte gegen meinen Körper und ließ meine Haare in alle Richtungen fliegen. Aber er roch so herrlich frisch und nach nassem Gras. Energie pur, die mich durchflutete und Kraft schöpfen ließ. Normalerweise hatte ich freitags erst um zehn, doch Mrs. Millson, die einzige Dozentin, die mich lehrte, hatte ein weiteres Theorieseminar zu den Laborübungen angeordnet, da wir sonst zu sehr hinterhinkten. Da freitagfrüh, wegen Konferenzzeit, sowieso immer frei war, hatte sich auch kein Problem dadurch ergeben. Umso besser eigentlich. Je mehr wir in der Uni mitbekamen, desto weniger mussten wir uns mühsam selber beibringen, obwohl dieser Anteil immer noch groß genug war. Ich hatte kaum den Seminarraum verlassen, den Blick auf die Zettel in meinem Arm gerichtet, die völlig durcheinander waren, als sich mir jemand in den Weg stellte. Raten brauchte ich nicht. „Was gibt’s?“, fragte ich irritiert und doch so locker ich konnte, da Edward einfach so da stand. Er hielt einen Zettel hoch. „Gelesen?“ Ich zog die Augenbrauen fragend zusammen und nahm ihm den orangefarbenen Zettel aus der Hand, während meine Füße mich in Richtung Eingangshalle führten. „Was?“, hauchte ich ohne Verständnis. Meine Augen flogen darüber „Jap, er ist die ganze nächste Woche krank, bzw. krank geschrieben“, fasste Edward zusammen. Fassungslos starrte ich auf den Zettel. Wie viel Pech konnte ich eigentlich haben? Jedes andere Seminar, jedes andere! Jedes, nur das nicht! „Du kannst den nicht so einfach abreißen“, fiel mir dazwischen ein und gab ihm dem Zettel unwirsch zurück. Mr. John, unser Laborbiologiedozent, war die nächste Woche nicht da. Wir bekamen Ersatz durch einen jedoch nicht speziell auf diesen Themenbereich fokussierten Dozenten der Biologie. So weit, so gut. Das Problem, war der Nachsatz: Die Studierendengruppen werden gebeten, ein umfassendes Thesenpapier zu der Versuchsreihe der drei Termine zu verfassen und dem Dozent bis Sonntag, 12 Uhr, zuzusenden. „Ich hänge ihn ja gleich zurück“, meinte Edward nur. Klar, er konnte sich das ja erlauben. Ich verwarf den Gedanken und sparte mir die Kräfte, die ich für Fluchen verschwenden wollte. Na herrlich… das hieß dann… „Wir sehen uns dann morgen früh hier. Treffen wir uns am Eingang? So um 9 Uhr?“, schlug ich vor. „Hältst du das für eine gute Idee? Die Cafeteria und die Mensa werden voll sein, dass man sich nicht konzentrieren kann und auch in der Bibliothek wird es voll sein, sodass man nicht mal flüstern darf, weil man direkt aufeinander hockt.“ Edward war stehen geblieben und lehnte sich gegen die Wand. „Außerdem ist es hier total trist.“ „Schön. Dein Vorschlag?“, lenkte ich ein. Da ich mir sicher war, was kam, überlegte ich mir schon mal eine gute Ausrede. „Ich hole dich ab und wir fahren zu mir“, meinte er Schultern zuckend, als wäre nichts anderes nahe liegend. „Wir könnte die Versuche schon einmal machen-“ „Unnütz“, unterbrach ich ihn. „Wir bekommen nächste Woche Zeit für die Durchführung. Die Bibliothek wird schon nicht so voll sein… und selbst wenn… wir müssen ja nicht viel reden…“ „Nein, nur ein gemeinsames Thesenpapier verfassen. Umfangreich“, zitierte er. „Ja- ja, und?“, meinte ich mit zusammen gekniffenen Augen. Er verschränkte die Arme. War seine Sturheit Absicht, damit ich mit zu ihm kam? Was sollte das? Ich würde sein zu Hause mit Sicherheit nicht mehr betreten. Darauf konnte er Gift nehmen – und wenn ich ihm das selbst verabreichte. „Gut, also schön“, lenkte ich an, jedoch nicht in seine Angebot. „Du kommst morgen um neun zu mir.“ Letzte Woche war es nicht so schlimm gewesen, nicht so schlimm, wie bei ihm, und wir würden schneller fertig sein, sodass ich nicht mal nachher noch einkaufen gehen musste. Ich fühlte mich zu schlapp… außerdem konnte ich das Thesenpapier dann heute schon größtenteils selbst verfassen und er würde ergänzen. Dann ging alles noch schneller. „Okay“, sagte Edward nur. „Bis morgen.“ Ich nickte und lief den Gang weiter zum nächsten Seminar. Edward bestritt einen anderen Weg, wohin auch immer. Nicht schon wieder, klagte ich innerlich. Als ich los wollte, hatte es wieder anfangen zu regnen. Nur ein bisschen, nicht viel, doch durch den Wind, kam er von allen Seiten. Heute hatte ich zwar nicht so lang wie gestern gehabt, doch auch um achtzehn Uhr war es bereits dunkel und kühl. Und das morgen und die nächste Woche ärgerte mich auch. Allerdings war es auch merkwürdig. Mr. John war Mittwoch noch munter gewesen und zwei Tage später wurde er für eine Woche krankgeschrieben? Aber im Krankenhaus konnte er nicht sein, denn wir sollten ihm das Thesenpapier Sonntag ja zuschicken. Nur ein bisschen, ja klar, Bella, verdrehte ich innerlich die Augen, als ich die Gedanken an Mr. John wieder fort geschoben hatte. Ein bisschen viel Regen oder nicht? Nachdem ich geduscht hatte, hing ich meine Sachen im sowieso schon kleinen Bad zum trocknen auf und machte mich an die Arbeit. Ich fühlte mich jedoch kraftlos und müde, dass ich mehr auf dem Tisch hing, als an ihm zu sitzen und das Thesenpapier zu tippen. Enttäuscht, dass meine Konzentration nicht mal zehn Minuten hielt, stand ich auf und machte mir seufzend erst mal was zu essen… vielleicht, ging ich heute auch früh ins Bett… wenn das Thesenpapier in den Grundzügen stand… -------- freue mich wie immer riesig über kommis ^^ Kapitel 7: Durchführung: Erkenntnisse - Teil 4 (Bella & Edward) --------------------------------------------------------------- soooo... es geht weitaaaaa ^^ Musiktipps: Musik: Death Cab For Cutie - Transatlanticism http://www.youtube.com/watch?v=qNqQC7R_Me4&feature=PlayList&p=B0E5B5351A3EEAC0&playnext=1&index=1 und A walk to remember (Score) - God's Bigger Plan http://www.youtube.com/watch?v=HNvwkNeAYUg =>also dieser Teil ist einer meiner Lieblingsteile und ich finde die Musik dazu auch total toll =) Haben mich beide sehr inspiriert^^ Viel Spaß beim Lesen ^^ ------------------------------------------------ Bild zum Kapitelteil: http://img706.imageshack.us/img706/2479/bannerdurchfhrungteil4.jpg Ich verzerrte die Gesichtszüge, als ich am Morgen innerlich wach wurde. Der Wecker schrillte lauthals in meinen Ohren. Ich hämmerte darauf, bis er Ruhe gab. Mein Schädel dröhnte – und das nicht vom Wecker. In meinem ganzen Kopf schien es zu pochen. „So ein mist“, fluchte ich zu mir selbst und rappelte mich hoch ins Bad. Ich sah fürchterlich aus. Kalkweiß, mit eingefallenem Gesicht. Total ungesund. Aber so fühlte ich mich auch. Ich wusch mir durchs Gesicht und kämmte meine Haare. Es war acht Uhr. In einer Stunde stand Edward auf der Matte. So schnell ich in der Lage war, zog ich mich notdürftig an. Die Apotheken würden schon geöffnet haben. Ich trank mehrere Schlücke. Das Kribbeln in meinem Hals war nahezu unerträglich und verleitete mich, zu einem befriedigenden Husten – was meinen Hals allerdings schmerzen, brennen ließ. Zu allem übel war das ständige Schnupfen auch lästig. Gut, dass ich in Amerika war. Erstens, weil ich dann meiner körperlich labilen Mutter nicht fern bleiben musste, um sie nicht anzustecken. Und zweitens, weil ich wusste, dass es hier Medikamente freiverkäuflich waren, die es in Deutschland nur auf Rezept gab. Zudem waren diese billiger, als ein Arztbesuch, der mir das verschreiben würde, was ich sowieso in der Apotheke rezeptfrei bekam. Wenn ich jetzt, am Wochenende noch einen Arzt aufsuchen musste, würde das meinen ganzen Zeitplan ruinieren. Wir wurden das Thesenpapier Sonntag nicht abgeben können und dann- nicht auszudenken. Ich wickelte mir einen Schal um, steckte das Portmonee in die Jackentasche und verließ die Wohnung. Die nächste Apotheke war glücklicherweise direkt hier an der Hauptstraße. Ein Glück. Sonst wäre Edward vermutlich vor mir am Wohnheim gewesen. „Guten Tag“, strahlte mir die Apothekerin mit einer unverschämten Freude und Energie entgegen. „Morgen“, meinte ich mit rauer Stimme und versuchte mich zusammenzureißen. „Können Sie mir alle Antibiotika zeigen, die sie da haben und nicht verschreibungspflichtig sind?“, bat ich. Ihr Lächeln wich einem verdutzten Gesichtsausdruck. „Ähm, ja, sicher…“ Sie tippelte davon. Meine Glieder fühlten sich schwer an und ich wünschte mir in diesem Augenblick, wo ich hier stand und wartete, nichts sehnlicher, als im Bett zu liegen und schlafen zu können. Ich versuchte das Zittern in meinem ganzen Körper – vor Schmerz, vor Müdigkeit, vor Kälte, ich wusste es nicht – zu ignorieren. Nach dem Treffen mit Edward würde ich mich kurz hinlegen. „So…“, sagte die Frau munter und legte mehrere Packungen vor mir auf den schmalen Verkaufstisch. „Das hier ist-“ „Darf ich?“, fiel ich ihr sogleich ins Wort, bevor sie mit irgendwelchen Erklärungen begann. Irritiert nickte sie nur und verstummte. Ich nahm die Packungen einzeln hoch und schaute mir die Inhaltsstoffe an. Das Gute war, dass die meisten Wirkstoffe mit lateinischen Begriffen versehen waren, denn nur auf Englisch, hätte ich wahrscheinlich größere Schwierigkeiten gehabt. Was nicht hieß, dass es mir jetzt leichter viel. Ich hatte in meinem Studium noch nicht viel mit Medikation zu tun hab. Das kam alles noch. Bisher hatten wir Körperaufbau durchgekaut sowie Lebensphasen und Krankheitsbilder. Ich war mir aber bei einigen Begriffen, die ich las, sicher, worum es sich dabei handelte und wie sie wirkten. Mir fielen auch ein paar gefährlichere Wirkstoffkombinationen ein, bzw. solche, die bei meinem Infekt nicht so vorteilhaft hinsichtlich Nebenwirkungen sein würden. „Diese hier bitte“, krächzte ich schließlich nach geschlagenen Minuten mit trockenem Hals. Sie kassierte und ich eilte wieder zurück. Es war schon halb neun und ich lief zehn Minuten zurück. In meinem lahmen Tempo derzeit, bergauf, vielleicht auch länger. Japsend kam ich am Wohnheim an, schnaufte kurz durch und stieg die Treppen hoch. Nicht mehr lange… Wenn ich aber eines wusste, war es, dass ich dieses Antibiotikum nicht auf leeren Magen nehmen würde. Ich schmierte mir rasch ein Brot und räumte mit der anderen Hand die Wohnung auf. Das Antibiotikum verweilte so lange auf meinem Nachttisch. Kaum, hatte ich aufgegessen und in der Wohnung Klarschiff gemacht, klingelte es. Ich drückte auf und ging hastig noch mal ins Bad. Wenigstens etwas Puder auf die Nase und unter die Augen, sonst sah ich schrecklich auf. Einen Augenblick würde ich aber noch warten, bis ich das Antibiotikum nahm. „Hi“, grüßte ich nach kurzem räuspern und lächelte, doch alles in meinem Gesicht tat weh. „Morgen, ich habe Brötchen mitgebracht“, er hielt die Tüte hoch, „hoffe, dass war okay?“, redete er vor sich hin und war schon durchgegangen. „Ja, sicher, ich hab nur schon gefrühstückt und auch nicht so viel Aufschnitt oder so da“, sagte ich mit normaler Stimme. Die Konsequenz war, dass ich heftig husten musste. „Ähm“, er war kurz irritiert, „kein Problem. Die sind schon belegt.“ Ich nickte, wand mich kurz weg und nieste in eine andere Richtung. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich wieder schrecklich aussah. „Gesundheit“, sagte Edward und reichte mir meinen Taschentuchspender vom Tisch. „Danke“, murmelte ich in belegtem Ton. Ich versuchte irgendetwas in mir zu erfühlen, was nicht wehtat. Für meine laufende Nase, meinen brennenden Hals, meine juckenden Augen, meine hämmernden Nasennebenhöhen, den pochenden Kopf und die schweren Glieder, traf das nicht zu. Ich räusperte mich noch mal, nahm einen Schluck Wasser direkt aus der Flasche und setzte mich ihm gegenüber. „Ich hab schon angefangen“, nuschelte ich, indem ich meine ganze Kraft und Willen aufbrachte. Ich musste mich jetzt darauf konzentrieren, das hier war wichtig. Edward nahm den Laptop mit einem langen Blick auf mich entgegen. „Erkältet?“, fragte er forsch. „Ein bisschen…“, grummelte ich und ging zum Fenster, welches ich öffnete. „Ich lasse mal etwas Luft rein, damit ich dich nicht anstecke.“ „Schon okay, ich bin nicht so anfällig“, erwiderte er. Ja, das hatte ich auch gedacht, ging ich in Gedanken darauf ein und ließ mich kraftlos wieder vor ihm auf den Stuhl plumpsen. Während Edward las, kam ich nicht darum herum, die ganze Zeit zu niesen, mir die Nase zu putzen oder mit schmerzendem Hals zu husten. Ich war selbst von mir genervt und hoffte, dass Edward sich bei dem ganzen Röcheln überhaupt konzentrieren konnte – denn gerade deshalb waren wir ja nicht in der Uni. Mein Kopf fühlte sich an, als platze er gleich und mir fiel es schwer meine Augen offen oder meinem Körper aufrecht zu halten. Aber es würde ja nicht mehr lange dauern, dann waren wir fertig, sagte ich mir inständig. Ich hasste es, dass er mich so sah. So schwach. Ich hätte es besser verstecken sollen. Edward klappte den Laptop runter und schaute mich an. „Bella, du solltest zum Arzt gehen und dich hinlegen. Du siehst nicht gut aus – selbst für einen Musikstudenten.“ Er schmunzelte matt und musterte mich. „Es ist alles in Ordnung. Eine leichte Erkältung, nichts weiter. Kommt schon mal vor“, ächzte ich und räusperte mich. Meine Stimme klang sehr nasal und damit unglaubwürdig. „Was sagst du zu dem vierten Punkt? Sollen wir da noch ausführlichere Gliederungen für die Durchführung definieren?“ Ich schluckte hart und nahm einen Schluck Wasser – das Anheben der Flasche verlangte mir schon alles ab. „Jetzt hör’ doch mal auf mit dem Thesenpapier. Du musst zum Arzt, Bella. Du bist krank. Und du hast nicht nur eine leichte Erkältung. Das würde dir jeder sagen“, redete Edward mir ins Gewissen. „Edward, ich kann nicht einfach zum Arzt gehen.“ Ich senkte ein wenig peinlich berührt den Kopf. „Ich- ich meine…“ … wegen der Zeit, ergänzte ich in Gedanken. Aber auch wegen den Kosten. Das amerikanische Gesundheitssystem war nicht vergleichbar mit dem mir bekannten deutschen und meine Krankenversicherung über das Stipendium deckte nur ein Mindestmaß ab. Ich konnte nicht mal eben hundert Dollar für einmal „Arzt ansehen“ bezahlen. Und bräuchte das auch nicht. Warum studierte ich schließlich Medizin? „Nur daran liegt es?“, fragte er entrüstet. „Nur wegen der Kosten-“ „-und der Zeit. Ob du’s glaubst oder nicht, ja“, erwiderte ich bissig, denn es war mir unglaublich unangenehm. „Außerdem: Ich studiere Medizin. Warum sollte ich mich dann nicht-“ „Selbstverarzten??“ Er verdrehte Kopf schüttelnd die Augen. „Mensch Bella, das kann total schief gehen. Du bist nicht fertig mit deinem Studium und hast keinerlei Erfahrung. Und dich selbst solltest du in keinem Fall als Versuchsobjekt benutzen!“, versuchte er mir einzuschärfen. Er sah mich durchgehend eindringlich über den Tisch hinweg an. „Wie auch immer“, nuschelte ich geplättet, stand auf und nahm die Packung Antibiotikum vom Nachttisch, um sie zu öffnen. Jetzt hatte ich mein Frühstück etwas sacken lassen und konnte die Tablette beruhigt nehmen. Mit einer flinken Bewegung entwendete Edward mir die Schachtel. „Hey, was-“, begann ich zu protestieren, als er direkt neben mir stand. Er drehte die Packung in seinen Händen und las ebenfalls darauf. „Antibiotika? Du nimmst das Zeug nicht. Du weißt nicht, was es bewirkt!“, meinte er strikt und steckte es sich in die Jackentasche. „Was soll das?!“, krächzte ich und hustete sofort wieder. „Ich kann nicht einen Monat krankfeiern und auf Selbstheilungskräfte warten“ „Stimmt“, unterbrach er mich dezent. Ich sah ihn fordernd und erwartungsvoll an, als er begann in seinen Jackentaschen zu kramen. „Ich rufe meinen Vater an“, offenbarte er matt und konzentriert. „Was- Edward- nein-“, meine Stimme piepste nur noch zaghaft, „ich will das nicht. Dr. Cullen forscht und beschäftigt sich nicht mit minderbemittelten Leuten und Erkältungen!“, wehrte ich mich mit beißend schmerzendem Hals. „Wie du sagtest, Dr. Cullen. Er ist Arzt, basta.“ Er tippte eifrig und sein Vater hob dann auch ab. Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und gab mich geschlagen. Was sollte ich auch sonst tun… obwohl es mir gewaltig gegen den Strich ging, von ihm bevormundet zu werden. „Hey Dad, ich bin’s. Hör mal, hast du gerade Zeit? Es geht um Bella, sie ist krank, könntest du vorbei kommen?“ Er wartete. „Ja, Bella“, verdeutlichte er. Ich runzelte misstrauisch die Stirn. Seine Stimme hatte komisch geklungen. „Gut, danke. Ähm, du musst zum Studentenwohnheim…“ Er sprach langsam und blickte mich fragend an. Adresse, klar. Er wusste sie scheinbar nicht mehr. Ich verschränkte die Arme und sah stur in eine andere Richtung. Edward seufzte. „Das Studentenwohnheim gegenüber der Allee, etwas die Hauptkreuzung herunter, lachsfarbenes Haus- ja genau, danke, bis nachher.“ Er legte auf und schaute mich an. Ich spürte, wie sein Blick sich auf meine Wange brannte. Ich hielt nicht stand und wand den Kopf schnaubend zu ihm. „Warum tust du mir das an? Warum bringst du mich immer wieder in solche Situationen? Ich konnte gut allein klar – ich kam immer gut allein klar…“, gab ich leise von mir und strich mir die zerwuschelten Haare aus dem Gesicht. „Vielleicht wird es ja jetzt mal Zeit, dass du lernst, Hilfe anzunehmen“, meinte Edward nachdenklich. „Hast du dir denn nie von Freunden helfen lassen?“ Wer sagte denn, dass ich Freunde gehabt hatte, die mir helfen wollten? Ich hatte immer nur zwei Freunde gehabt: Phil und meine Mutter. Und in den ersten Lebensjahren auch meinen Vater oder mal ein paar Kinder aus der Nachbarschaft oder so. Wie sollte ich Kontakte knüpfen, wenn ich erstens ständig umzog und zweitens sowieso keine Zeit hatte, mich mit Freunden zu treffen? Da ließ ich es lieber bleiben. „Geht dich das was an?“, fragte ich stattdessen schnippisch. „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, murmelte Edward geheimnisvoll wirkend. Stille trat ein, in der man nur das Rascheln meiner Bettdecke hörte und mein gelegentliches Schniefen. Ich war weiter ins Bett zurück gerutscht und hatte mich an die Wand gelehnt; die Bettdecke über den aufgestellten Beinen. Ich versuchte angestrengt die Augen aufzuhalten und nicht zu zittern oder mit den Zähnen zu klappern. Ich froh plötzlich unendlich. Edward zog seine Jacke aus, wozu er irgendwie noch gar nicht gekommen war. Ich beobachtete, wie er sich in seichten Bewegungen aus dem glatten, edlen Stoff wand. Dabei fiel mir die Wölbung mittig in der Jacke auf… „Ich hätte die ruhig nehmen können“, hustete ich und nickte mit dem Kinn zu seiner Jacke, als er mich mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute. „Das hätte vieles vereinfacht – und wir hätten mehr Zeit gehabt“, fügte ich mit einem Blick zu den unberührten Zettelbergen auf meinem Tisch hinzu. Wann sollte ich das alles schaffen? Wann sollten wir das alles schaffen? Wir kamen kaum mit unseren theoretischen Vorüberlegungen für die Praxisübungen voran… auch wenn ich vieles schon durchdacht hatte. Auf Sonnenschein warten, half nicht. „Vielleicht sollten wir die Arbeit erst mal aufteilen und getrennt daran-“ „Jetzt bist du erst mal still und legst dich hin“, sagte er bestimmt und setzte sich mit dem Stuhl an meine Bettkante ran. Er reichte mir meine Wasserflasche. Widerwillig trank ich, legte mich dann letztlich auch auf die Matratze, während er mich fordernd ansah. „Wenn du dich weiter so kaputt machst, endet das noch böse. Du kannst mir nicht erzählen, eben weil du Medizin studierst, dass du nicht dasselbe, was ich dir die ganze Zeit gesagt habe, auch später deinen Patienten gesagt hättest.“ „Ich habe keine Patienten, ich will forschen-“, wand ich ein. „Jetzt ist Ruhe“, meinte er kühl, aber mit einer Sanftheit, die ich ihm in diesem Tonfall nicht zugetraut hätte. Jene kehrte dann auch ein. Ich schloss die Augen. Mich durchflutete ein angenehmes Gefühl von Kraftschöpfung und Müßiggang. Erst jetzt spürte ich aber auch alles, was schmerzte und wie erschöpft ich doch war. Müdigkeit machte sich breit und gelangte in die Winkel meines Körpers. Ich fühlte, wie sich etwas auf meine Hand oberhalb der Bettdecke legte. Leicht, vorsichtig, zärtlich- ich zog die Hand, als wäre es im Affekt, weg, bevor der Genuss dieser Berührung einsetzte und drehte mich auf die andere Seite, mit dem Gesicht zur Wand. „Hey, sie ist eingeschlafen“, vernahm ich leise. Aber es war weit weg irgendwie. Hatte es klingelte? Ich wusste es nicht mehr, ich traute meinen Sinnen kaum. Ich döste noch halb und irgendwie war alles vernebelt und trüb um mich herum. „Bella? Mein Vater ist hier…“, hörte ich eine samtene, leise Stimme, die in mir echote. Irgendwer rüttelte leicht an meiner Schulter. Ich wand mich mit verzerrtem Gesichtsausdruck im Bett um und öffnete schließlich schwach die Augen. Mein Hals war trocken und ich bekam keine Luft durch die Nase. Bevor ich ihn begrüßen konnte, hustete ich. Wie peinlich. Mr. Cullen setzte sich auf den Stuhl von Edward, der sich dann neben ihn stellte, und platzierte eine schwarze große Tasche neben meinem Bett. „Carlisle Cullen, aber wir kennen uns ja schon flüchtig“, stellte er sich vor und lächelte ruhig. „Darf ich Isabella sagen?“ Ich nickte schwach. „Hallo, äh Bella“, brachte ich mühsam hervor und nieste in ein Taschentuch, ehe ich wieder zu ihm aufsah und mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, sagte: „Es tut mir wirklich leid, dass Sie extra kommen musste. Ich wollte nicht, dass Edward Sie ruft. Tut mir leid, dass Sie sich die Mühe gemacht haben-“ Mr. Cullen winkte ab und schüttelte milde den Kopf. „Kein Problem, mach dir keine Gedanken. Kannst du dich aufsetzen? Dann kann ich mit der Untersuchung beginnen“, ging er nicht weiter darauf ein. „Ja.“ Ich blickte mit kleinen Augen hoch zu Edward. Jener drehte sich ganz langsam weg und beschäftigte sich mit den Skripten auf meinem Tisch. Wenigstens so viel Anstand hatte er, wenn er mich schon in meinen Entscheidungen überging. Zuerst schaute Mr. Cullen mir in den Hals und in die Ohren. „Nicht erschrecken, ich habe kalte Hände. Bei dem Wetter draußen“, meinte er mit einer Munterkeit, die die Atmosphäre hier in diesem Raum durchschnitt. Er legte die Hände an mein Gesicht, sodass seine Daumen rechts und links neben meiner Nase lagen. Ich konnte mir die Wohltat seiner kühlen Hände auf meinem heißen Gesicht nicht verwehren. Er drückte mit den Daumen auf diese Stellen. „Tut das weh?“ Ich nickte gerade so merklich. Mr. Cullen vernahm das und fuhr dann mit den Daumen höher, über meine Augenbrauen, und drückte, mit derselben Frage, dort auch drauf. Ich bejahte wieder. Dann tastete er mit den Fingerspitzen meinen Hals unterhalb meines Kiefers ab. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich es wirklich zugelassen hatte, dass Edward seinen Vater, Carlisle Cullen, wegen etwas Schnupfen rief. Unglaublich. Er war renommierter Buchautor, forschte erfolgreich, war an der Uni Teilhaber- Wenn ich Kraft gehabt hätte, hätte ich schnaubend die Augen verdreht. „Kannst du dich vorne bitte etwas freimachen?“, bat er und langte nach seinem Stethoskop. Sofort huschte mein Blick zu Edward, der jedoch nun vor dem Fenster stand und gelinde heraus sah. Nach mehren Zügen tiefen Ein- und Ausatmens, die mich meistens hatten husten lassen, hielt er mich noch dazu an, meinen Pullover am Rücken hochzuhalten, damit er mich abhören konnte. „Gut, du kannst dich wieder hinlegen“, meinte er und ich tat wie mir geheißen, während er in seiner Tasche nach etwas suchte. Edward kam wieder dazu. „Ich denke, du hast eine leichte Erkältung einfach verschleppt und dir jetzt eine ernsthafte Infektion eingefangen.“ Er fand, was er suchte. „Kannst du bitte noch Fieber messen?“ Nickend schob ich mir das angereichte Fieberthermometer unter die Zunge und wartete. „Ist ja auch kein Wunder, wenn sie bei diesem Wetter von der Uni bis hierhin läuft“, gab Edward zum Besten und die Wut auf ihn, von eben, kochte wieder in mir hoch. Und ich konnte noch nicht mal was dazu sagen. Sobald ich Anstalten machte, zischte er „Psssst“ und deutete auf das Fieberthermometer. Ich funkelte ihn an. „Wirklich? Du läufst?“, fragte Mr. Cullen nach, der wieder in seiner Tasche suchend nach etwas kramte. Ich nickte wieder nur. Das Thermometer fiepte. Ich nahm es heraus und las leise „39,7“ vor. Ich sah Edward große Augen machen. Mr. Cullen nickte, dass er es gehört hatte, schaute selbst noch einmal darauf und reichte es wortlos dann Edward, samt Hülle und Desinfektionsmittel. Ich beobachtete, wie jener ins Bad ging. „So hohes Fieber hatte ich nicht erwartet. Ich gebe dir ein Antibiotikum und noch zusätzlich ein fiebersenkendes Mittel. Die Temperatur ist mir nur für ein Antibiotikum zu hoch. Du nimmst beides immer zusammen.“ Er legte die Packungen neben mich auf das Nachttischchen. Edward kam wieder dazu. „Morgens, mittags und abends, von beidem jeweils eine Tablette schlucken. Das fiebersenkende Mittel nur so lange, bis das Fieber runter ist. Das Antibiotikum bis die Packung leer ist. Okay?“ Ich nickte stumm. Ich hatte noch gar nicht richtig bemerkt, wie fiebrig ich mich fühlte. „Hast du ein Fieberthermometer hier?“, fragte er mich weiter. Ich schüttelte schon den Kopf, ehe seine Frage mein Gehirn erreicht hatte. Sonst hätte ich ‚ja’ gesagt… „Nein- aber das ist nicht nötig-“, wand ich sofort ein, als ich bemerkte, was er vorhatte. „Ich lasse dir das hier“, ignoriert er mich und legte es zu dem Antibiotikum, sobald er es von Edward bekam. „Denk daran, viel zu trinken und viel Tee gegen die Halsschmerzen. Mehr würde ich da gar nicht machen. Und Bella“, er sah mir tief in die Augen, „vor allem Ruhe und viel Schlaf, ja? Du hast dich zu sehr überanstrengt. Dieses Wochenende hast du Bettruhe.“ Er packte seine Sachen zusammen. Ich schaute ihn erschrocken an und dann Edward, dann zwischen beiden hin und her. „Aber-“ „Ich mach das schon“, warf Edward ein und deutete auf den Laptop. „Ich nehme die Datei mit und schicke es Mr. John morgen. Versprochen.“ „Ja, okay, aber die letzten Punkte-“ „Nichts aber“, unterbrach mit Edward nochmals. Diesmal strikter. Sein Tonfall war unmissverständlich beendend. Ich nickte nur noch fügsam. „Nimm am besten jetzt noch zwei Tabletten“, meinte Mr. Cullen außerdem und nahm das Glas Wasser von Edward an, der sofort reagiert hatte. Er gab es mir und stanzte zwei Tabletten heraus. Ich kam mir wie ein kleines Kind vor, doch war zu dankbar, um irgendetwas zu sagen. Ich schluckte beides mit raschen Zügen. „Ruhe“, erinnerte er mich. „Versprochen, Bella?“ Ich hörte wie Edward meinen Wasserkocher betätigte. Ich nickte. „Mr. Cullen? Darf ich Sie noch was fragen?“, krächzte ich. Ich setzte mich kurz auf und griff in die Tasche von Edwards Jacke, welche über dem Stuhl hing. „Hätten die geholfen? Wenn ich die genommen hätte?“, fragte ich und händigte ihm die Packung aus. Es war ungebracht jetzt solche Machtspielchen mit Edward austragen zu wollen, doch ich musste es wissen – in jeglicher Hinsicht. Wie Edward und ich auch, drehte er die Packung und las nach. „Ja, ich denke schon…“, murmelte er vertieft. „Siehst du“, meinte ich triumphierend zu Edward, der dazu gekommen war. Allerdings konnte ich mir nicht mal ein Lächeln abgewinnen. „Wir hätten das ganze Theater hier nicht veranstalten brauchen“, hustete ich. Mr. Cullen schmunzelte. „Das ist nicht ganz richtig. Gegen das Fieber hätte dieses Antibiotikum nicht viel ausgerichtet, die Nebenwirkungen hätten stärker auftreten können, weil es nicht so passgenau gewesen wäre, wie das hier.“ Er deutete auf jenes auf dem Nachttisch und legte das Antibiotikum von mir auf den Tisch hinter sich. „Aber ich wäre nicht daran gestorben“, warf ich matt ein und sah Edward kurz finster an. „Nein, das sicher nicht.“ Er lächelte kurz. „Aber ich möchte dich eindringlich warnen und bitten, keine Medikationen an dir selbst verüben – auch wenn du Medizin studierst. Mit Antibiotikum ist nicht zu spaßen, dabei kann viel schief gehen. Wenn du krank bist, dann geh wirklich zum Arzt oder, wenn du das, aus welchen Gründen auch immer, nicht willst, dann sag mir Bescheid bzw. Edward, ja?“ Das würde sowieso nie wieder vorkommen, dachte ich. Ich nickte langsam und zog die Decke etwas höher. Meine Knie schlotterten vor Kälte, was faktisch, bei Fieber und Bettdecke, gar nicht möglich sein durfte. Vielleicht lag das auch an der unbequemen Jeans, die ich noch trug, aber umziehen konnte ich mich jetzt gerade nicht. „Kannst du mir noch etwas verraten?“ Er wartete kurz. Wir hörten wie Edward Tee aufsetzte. Ich fühlte mich zu ausgelaugt, um irgendetwas dagegen zu unternehmen. „Warum läufst du zur Uni?“ Ich hustete, bevor ich ein wenig heiser antwortete: „Na ja, es geht schneller, als wenn ich meine Zeit durch warten auf den Bus vergeude, der auch nicht wesentlich schneller ist.“ Mr. Cullen atmete langsam ein und aus. „Du musst auf dich aufpassen“, forderte er. „Wir haben nicht mehr September und es kann im Dezember hier phasenweise viel schneien. Du kannst dann nicht laufen. Pass einfach auf dich auf, versprochen?“ Er klopfte sanft auf meine Bettdecke und wartete meine Zustimmung ab, ehe er aufstand. Ich hatte gar nicht gezählt, wie viele Versprechungen ich in den letzten Minuten gemacht hatte, die ich nicht halten würde oder konnte. „Gute Besserung, Bella.“ Er stand lächelnd vor meinem Bett. „Danke für Ihre Mühe und die Tabletten“, sagte ich leise. „Es tut mir leid, dass Sie extra-“ „Keine Ursache“, fiel er mir ins Wort und nickte mir zu. Dann wandte er sich zu Edward. „Edward?“ „Ich denke, ich bleibe. Bella-“ „Nein!“, sagte ich entschieden, aber arg krächzend und fügte leiser hinzu: „Nein, ich komme allein klar. Wir sehen uns dann Montag.“ „Wenn du gesund bist“, warf Mr. Cullen mit einem vorwurfsvollen Blick ein. Ich nickte wieder mal. „Bella…“, machte Edward gequält. „Bitte geh’ jetzt, Edward. Du kannst dir die Datei auf den Stick ziehen, der im Laptop steckt. Und dann geh’ bitte“, bat ich mit heiser werdender Stimme. „Wir sehen uns dann gleich, Edward“, bedeutete Mr. Cullen nachdrücklich und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Ich verkroch mich unter der Bettdecke, die ich bis zu den Wangen zog, und wartete darauf, dass die Tür ein zweites Mal ins Schloss fiel. Ich hatte kurz gedöst, mich mühselig in Schlafkleidung niedergelassen und eine Tasse Tee getrunken, bevor ich aufgestanden war und meinen Laptop mit aufs Bett schleifte. Vielleicht war es übertrieben, unbedacht, vielleicht masochistisch, doch ich konnte nicht zwei Tage faulenzen. Dafür war ich nicht hier. Im Liegen las ich noch mal den Teil, den ich schon geschrieben hatte. Ich würde das Thesenpapier selber verfassen, Edward an seine Uniadresse mailen und mich dann ausschlafen, fasste ich innerlich den Plan. So war es am Geschicktesten. Ich war zwar müde, doch in diesem Augenblick nicht so müde, dass ich nicht die Augen offen halten konnte. Lediglich die Hitze in ein paar Teilen meines Körpers und die Kälte in den anderen Teilen jenes machten mich wahnsinnig. Egal, wie ich lag – ich fand kein Wohlbefinden. Appetit hatte ich auch keinen, nur stärker werdende Kopfschmerzen… Ich blinzelte konzentriert auf den vierten Punkt, mit dem ich noch nicht wirklich einverstanden war. Mich streckend langte ich nach den Zetteln auf dem Tisch und versuchte, weitere Stichpunkte zu diesem Thema zu finden. Das war jedoch nicht so einfach. Über Husten, Schnupfen und Niesen blieben mir nicht viele Sekunden, in denen ich ungestört lesen konnte. Ich rieb mir die Augen, legte den Kopf energielos auf dem Arm ab und sah von der Seite abwechselnd auf den Laptop; die Zettelsammlung in meiner Hand. Irgendwann hörte ich das Surren des Laptops nicht mal mehr. Edward Ich hatte die Datei mir dir nicht mitgenommen, sondern den Stick unter die Blätter gelegt, damit es Bella nicht auffiel und sie keine Panik schob – erstmal. Ich lief meinem Vater hinter und traf ihn noch im Flur an, fast bei der Haustür. „Hey, Dad!“, rief ich. „Das ging aber schnell“, meinte er nur. Ich überging das. „Was meinst du, wann sie wieder gesund ist?“ „Schwer zu sagen, es kommt darauf an, wie sie sich verhält“, überlegte er überrascht von meiner Frage. „Wenn wir mal annehmen, dass sie nicht vernünftig ist?“, fragte ich weiter. „Dann natürlich länger und ich schätze nicht dieses Wochenende. Dann schleppt sie das ein paar Tage mit sich…“ Wir standen vor seinem Auto, welches direkt hinter meinem parkte. Wenn sie die Krankheit an diesem Wochenende nicht auskurierte, würde sie garantiert am Montag früh auf der Matte stehen, egal, wie es ihr ging. Und das machte alles nur noch schlimmer. Wie ich sie kannte, wenn ich sie denn kannte, schonte sie sich kein bisschen. „Schwieriger Fall, oder?“, seufzte ich laut. „Sagen wir’s so“, begann mein Vater. „Ihren Ehrgeiz in allen Ehren, aber bei ihr ist das nahezu Übermut, der gefährlich werden kann, wenn sie gar nicht mehr auf ihren Körper hört. Das Fieber hätte weiter steigen können, wenn sie nur ein Antibiotikum genommen hätte. Und mit 39,7°C ist nicht zu spaßen. Na ja, jetzt schläft sie hoffentlich erst mal. Du hast das Richtige getan.“ Er klopfte mir auf die Schulter. „Es war gut, dass du mich gerufen hast.“ Er nickte mir zu und stieg ein, als ich nichts mehr sagte. „Bis gleich.“ Ich tat es ihm gleich und brachte meinen Wagen ebenfalls auf Touren. Wie schlecht sie ausgesehen hatte… und damit meinte ich nicht Hässlichkeit oder so. Ihr hübsches Gesicht zierte ihren Anblick so oder so. Aber der glasige, leere Blick, die wässrige Stimme und der stramme Husten. Auch, wenn es ihr nicht gepasst hatte, ich war froh, dass ich heute Morgen da gewesen war und Dad holen konnte. Er wäre immer gekommen, weil er wusste, dass ich, wenn ich ihn denn anrief, es nur in ernsten Situationen tat. Ich schaltete eine Gang höher. Niemals hatte ich bislang einen Gedanken daran verschwendet, dass jemand wegen des Geldes nicht einen Arzt aufsuchen würde. Das war zwar nur die Hälfte von Bellas Argumentation, aber trotzdem… für sie war es vermutlich keine bedauernswerte Tatsache, sondern eine Gewohnheit, etwas nicht zu bekommen, was sie eigentlich brauchte. Nur, dass sie es hierbei dringend benötigt hatte. Und dass sie keine Zeit hatte… Ich schnaubte lächelnd auf. Es ging um ihre Gesundheit und sie las lieber etwas über das Herz-Kreislauf-System?? Wir parkten nacheinander vor unserem Haus und gingen gemeinsam hinein. „Und? Wie geht es ihr?“, wollte meine Mutter wissen, sobald wir im Wohnzimmer angekommen waren. Alice saß geschniegelt und gestriegelt auf der Couch, nahm keine Notiz an uns und las eine Zeitschrift. Emmett war vermutlich oben im Trainingsraum – wie immer bei schlechterem Wetter. „Hat sie Syphilis von Edward bekommen?“, stichelte Alice – im wahrsten Sinne des Wortes – unter der Gürtellinie, ohne aufzusehen. „Alice“, sagte mein Vater mahnend zu ihr. Alice reagierte nicht. Er wandte sich meiner Mutter zu und legte einen Arm um sie. „Sie hat einen starken Infekt und Fieber. Damit ist nicht zu scherzen, aber sie wird, wenn sie sich mäßigt, schnell wieder gesund.“ „Die Arme und sie hat nicht mal jemanden, der sich um sie kümmert. Und dann noch so weit von zu Hause entfernt“, gab meine Mutter mitfühlend hinzu. „Sie kann einem wirklich leidtun…“ Sie hatte vollkommen Recht. Ich war auch nicht hergekommen, um Wurzeln zu schlagen, sondern nur, um etwas zu holen. Ich wollte etwas Zeit schinden, damit Bella auch wirklich schlief. „Mum? Hast du irgendwo noch den Kräutersaft? Gegen Halsschmerzen und Husten?“, fragte ich und öffnete nacheinander die Schränke. „Unten links“, wies sie darauf hin. „Warum?“ Ich fand die Flasche und nahm sie kurzerhand heraus. „Ich gehe zu Bella“, sagte ich lediglich und ging in Richtung Ausgang. „Edward, das hat doch keinen Sinn, Bella wollte nicht, dass du bleibst“, warf mein Vater ein. „Das musst du respektieren. Das ist ihre Entscheidung.“ „Das ist mir egal“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Ich gehe erst noch was einkaufen und dann wieder zu ihr.“ „Uhhhh… Edward der Retter der Armen und Unterdrückten, sehr nobel“, grummelte Alice und würdigte mich keines Blickes. „Hättest du dich bei Tanya mal so eingesetzt!“ Nun musste sie mich aber ansehen, so energisch, wie sie das sagte. „Da gab’s nichts ‚einzusetzen’!“, zischte ich, vor ihr stehen bleibend. „Hört auf zu streiten!“, forderte meine Mutter uns auf. Sie hasste es, wenn wir so miteinander redeten. „Alice, die Sache ist durch“, beschwichtigte mein Vater sie ebenso. „Für ihn und uns vielleicht. Für Tanya nicht!“, erwiderte sie und sah meinen Vater bitterböse an. „Das ist ihr Problem“, nuschelte ich. „Das du ihr aufgehalst hast!!“, schrie sie außer sich. „Wie kann man nur so egoistisch sein?! Hat das deine ‚Schöne’ noch nicht mitbekommen?!“ „Bis heute Abend“, meinte ich nur noch, um mich nicht weiter von ihr provozieren zu lassen und drehte um. „Edward, sie wird dich nicht reinlassen!“, rief mein Vater mir hinterher. Ich wandte mich nicht um, sondern griff in meine Hosentasche und hielt Bellas Haustürschlüssel hoch. Ich wusste, dass das gemein war, aber keine andere Möglichkeit ließ sie mir und vorhin hatte sie geschlafen… „Was?“, entfuhr es meiner Mutter, als ich an der Glastür zum Eingangsflur angekommen und hindurch gegangen war. Meine Mutter war hinter mir her gelaufen und hatte mich im Flur, kurz vor der Tür, eingeholt. „Das kannst du nicht machen, Edward! Nicht gegen ihren Willen!“ „Du hättest sie sehen müssen“, sagte ich nachdrücklich und schaute ihr standhaft in die Augen. „Es geht ihr wirklich schlecht und sie braucht Ruhe. Außerdem hatte sie kaum Lebensmittel mehr da. Und glaubst du, es ist gut, wenn sie sich gleich anzieht und ihre Einkäufe meilenweit durch dieses kalte Wetter trägt?“ Der Gesichtsausdruck meiner Mutter wurde sanfter. Sie strich langsam über meinen Arm. „Sie ist dir wichtig, oder?“ „Erst mal, ist sie krank“, erwiderte ich kühn und verschwand. Nachdem ich, so eilig wie möglich, eingekauft hatte – das war bei Bella nicht schwer, Hauptsache gesund –, fuhr ich wieder zum Studentenwohnheim. Zunächst lauschte ich an der Tür. Kein Laut drang heraus, kein Geräusch. Ich hoffte inständig, dass sie schlief, ansonsten hatte sie später noch Zeit, mich rauszuwerfen. Wenn sie jetzt wach war, würde sie in Rage sein, bevor ich etwas bewirkt haben konnte. Ich schob den Schlüssel, so langsam ich konnte, ins Schloss und musste leicht rütteln, weil es klemmte. „Verdammt“, fluchte ich in mich hinein. Leise zog ich die Tür zu mir ran und öffnete sie nahezu lautlos. Ich flehte, dass sie schlief. Zuerst lugte ich herein und stellte beruhigt fest, dass sie in ihrem Bett lag – schlafend. „Das gibt’s nicht“, formten meine Lippen stumm. Sie schlief, das schon, aber… Ich hängte den Schlüssel geräuschlos an das Schlüsselbrett, welches ich neben der Tür fand, und stellte die Einkaufstüten vor den Kühlschrank, ehe ich zu ihr ging. Ihr Kopf war neben dem Laptop platziert, die Nase berührte ihn leicht. Sie lag auf dem Bauch, in der Hand noch irgendwelche Zettel. Vernünftig? Nein, vernünftig war sie ganz sicher nicht, sie war töricht und dumm. Neben bzw. fast auf einem Laptop einzuschlafen, war alles andere als ungefährlich – ob krank oder gesund. Ich ließ Vorsicht walten und nahm den Laptop langsam von der Matratze, bevor ich jenen auf dem Tisch ablegte. Gleiches tat ich mit den Zetteln zwischen ihren Fingern. Ich stand mit dem Rücken vor ihrem Bett und überlegte. Sollte ich ihr erst was kochen oder das Thesenpapier verfassen? Wofür sie insgeheim dankbarer war, auch wenn sie es nie zugegeben würde, wo ich hier in ihre Wohnung „eingedrungen“ war, war mir klar: Das Thesenpapier. Durch ihre grandiose Vorarbeit fehlte jedoch nicht mehr viel. An Überlegungen schon gar nicht. Ich schaute herab zu ihr und setzte mich, vom Instinkt erfasst, auf ihre Bettkante. Sie sah völlig fertig aus. Ihr Haar klebte nass an ihrem Gesicht in alle Richtungen. Der Mund war leicht geöffnet, die Lippen rot und wie die Haut in ihrem Gesicht, vom Schweiß schillernd, überzogen. Die Bettdecke war nur bis zur Taille gezogen. Die Arme lagen vor ihr, ein wenig abgespreizt, vorm Körper. War sie mir wichtig? Eine Haarsträhne hatte sich in ihren langen, dunklen Wimpern verfangen. Ohne darüber nachzudenken, zog ich sie ihr aus dem Gesicht. Ihre Haut fühlte sich gut an. Weich, seidig. Ich fuhr mit der Hand wieder zu ihrem Gesicht, hielt mich aber zurück. Das durfte ich nicht… ich wusste, sie würde meine Berührung nicht wollen. Sie hatte es vorhin nur zu deutlich signalisiert, indem sie ihre Hand prompt weggezogen hatte. Und geschlafen, hatte sie da noch nicht. Ich wollte mich gerade von ihr wegdrehen, als sie trocken zu husten begann, was mich zusammenzucken ließ. Sie atmete einen Augenblick lang bedenklich schneller, ehe sie in ihrer Haltung blieb und verstummte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich wieder langsam und beschaulich. Ich blieb sitzen und schaute sie an. Sie schien so friedlich und verletzlich, ganz anderes, als in der Uni. Sie wirkte gar normal, menschlich, nicht so unnahbar, unfehlbar. Ganz still atmete sie. Nichts, was sie jetzt zur Flucht trieb, wie sonst. Es schien, als floh sie vor allem – außer dem Studium. Wenn ich recht darüber nachdachte, auch nicht vor der Sache mit ihrer Mutter… oder war das das Studium für sie? Sie kniff leicht die Augen zusammen. Ich fuhr zusammen – doch sie regte sich nicht weiter. Wollte ich lieber, dass sie schlief oder jetzt wach wurde…? Keine Antwort platzierte sich in meinen Gedanken. Ich reagiert einfach und tat, ohne irgendwelche Signale an meinen Körper zu senden – meine Finger fuhren leicht über ihre Wange. Ich legte die nassen Haare hinter ihrem Ohr zusammen. Die Lider waren von ihr sanft aufeinander gelegt. Sie ruhte tief und fest. Ihr Gesicht war heiß. Vom Schweiß getränkt und glühend. Es schien nicht so, als erholte sie sich oder als förderte der Schlaf die Heilung. „Mum.“ Wieder erschrak ich, als dieses Wort ihre Lippen flüsternd verließ. Sie sprach im Schlaf? Fieberbedingt? Immer? Dachte sie noch viel an ihre Mutter? Sorgte sie sich vielleicht? Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Ich erhob mich leise von ihrem Bett und ging ins Bad. Ich blickte in die Schränke, wurde jedoch nicht fündig. Anstelle des Waschlappens nahm ich ein kleines Handtuch und dieses mit zu ihrem Bett. Aus der Küche holte ich provisorisch einen tiefen Teller und goss kaltes Wasser dazu. Diesen stellte ich auf ihr Nachttischchen, während ich wieder neben ihrem Knie, am Bett, Platz nahm. Ich knäulte das Handtuch und tunkte es etwas ins Wasser, ehe ich ihr damit seicht über Stirn und Wangen tupfte. Ihre Lippen machten schmatzende Geräusche, während ich versuchte, ihr den Schweiß abzuwischen und sie zu kühlen. „Edward“, entfuhr es ihr schwach atmend. Ich riss erstaunt die Augen auf, ohne zu wissen, was ich davon halten sollten… sie schlief… sie konnte das nicht kontrollieren. Eigentlich könnte sie jeden Namen sagen…, rauschte es in meinem Kopf. Doch es war meiner gewesen… Mit einer affektiven Bewegung griff sie zum Handtuch und umschloss es fest mit der Hand. Keine Chance, es zu nehmen, ohne, dass sie wach wurde. Ich lächelte und streichelte ihr über das klebrige Haar. Ja, sie war mir wichtig. Ich hatte eine halbe Stunde an der Fertigstellung des Thesenpapiers gearbeitet und unschlüssig mit dem Kochen begonnen. Ich war mir nicht sicher, ob ich über ihren Kopf hinweg, das Dokument abschicken sollte. Einerseits wusste ich, wie wichtig es ihr war, sie würde mitbestimmen wollen. Andererseits hätte sie es ja auch eigentlich, wenn ich nicht verbotenerweise zurückgekommen wäre, nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und… lag mir ihre Gesundheit nicht mehr am Herzen, als dieses blöde Laborseminar? Wollte ich, dass sie morgen darüber brütete, bis sie gänzlich zufrieden war und alles aber eigentlich nur noch schlimmer machte? Ich wusste es einfach nicht. Ich kannte sie dafür noch zu wenig, um zu wissen, wie weit ich gehen konnte. Um mir beide Möglichkeiten offen zu halten, hatte ich mir das Dokument selbst gemailt, dann konnte ich es zu Hause verschicken, falls ich mich anders entschied. Klar. Es war bekannt, was man bei Krankheit aß: Suppe. Klar. Aber war auch so bekannt, wie man das alles anstellte? Noch dazu mit einer dürftigen Küchenausstattung mit der Bella vermutlich weniger Probleme hatte, als ich… Apropos Küche. Ich ließ den mittelgroßen Topf auf dem Herd köcheln und nahm den Kräutersaft vom Tisch. Ich goss schon mal einen kleinen Schluck in das kleinste Glas, was Bella besaß, und stellte es auf den Nachttisch. Mit dem Zeug musste man sich mäßigen, wie ich aus eigener Erfahrung musterte. Es war relativ stark, auch im Geschmack (oder gerade im Geschmack). Ich schaute in den Topf. Der Wasserdampf stieg, über meiner Hand, zur Decke herauf. Mit einer Hand öffnete ich das Fenster, zumindest auf Kipp, und überlegte, ob ich die Gemüsebrühe mit Muschelnudeln, Möhren und Kohlrabi so lassen konnte. Ich stellte den Herd ab. Zwar hatte ich gekostet, doch war unsicher, ob sie das jetzt vertragen bzw. essen konnte und wollte. Es war relativ salzig. Na ja, ich hatte ja auch noch Baguette und ein paar andere Sachen mitgebracht. Irgendetwas würde sie wohl mögen. Bella räusperte sich hüstelnd und regte sich. Wurde sie wach? Ich setzte mich wieder dorthin, wo ich vorhin auch verweilt hatte. Sie hatte sich auf den Rücken gedreht. Das Handtuch an der trockenen Seite fest zwischen den Fingern. Es schien falscher Alarm zu sein. Ich deckte sie wieder etwas zu und glitt mit der Hand zögernd zu ihrem Gesicht. Ich wusste, dass sie das normalerweise nie zugelassen hätte und ich das in ihrem wachen Zustand nie getan hätte – umso schlimmer war es, dass ich das ausnutze. Mit den Fingerkuppen glitt ich über ihre glänzenden, vollen Lippen. Ganz weich und ebenmäßig flossen sie unter meiner Haut. Ich zog die Hand zurück. War ich denn verrückt? Was tat ich hier? Sie war nicht Dornröschen und ich war kein Prinz. Sie würde mich dafür hassen… aber warum eigentlich? Unerwartet begann Bella stark zu husten und schien nun endgültig wach zu werden. Sie röchelte schmerzhaft und setzte sich leicht, mit noch geschlossenen Augen, auf. Ich wich zurück und blieb bewusst nicht auf der Bettkante sitzen. Sie würde erst einmal außer sich sein, wenn sie mich hier bemerkte. Ich wollte ihr Platz und Luft zum Aufregen geben. Sie rieb sich verschlafen, aber auch irgendwie eher kraftlos, die Augen und schaute lediglich kurz auf ihre Knie, ehe sie sich mit gespreizten Fingern die Haare über den Scheitel nach hinten kämmte. „Ach scheiße“, murmelte sie zu sich. Nun hob sie den Kopf ganz, erblickte den noch leicht blubbernden Kopftopf – dann mich. Sie zuckte merklich zusammen. Ihre schwachen, fahlen Gesichtszüge wurden auf einmal ausdrucksstark – eiskalt. Ihr Atem schnellte. „Was willst du hier!?“, fauchte sie, obgleich sie so kurz nach dem Schlaf kaum Stimme hatte. Sie hustete, räusperte sich mehrmals und sah sich dabei um. Sie erkannte den Topf, das Handtuch in ihrer Hand, das Glas Kräutersaft auf dem Nachttisch. „Was soll das?! Was willst du hier?!“, schrie sie mich mit rauem Ton an und deckte sich ab. Ich stand bereits, denn ich wusste, was kam. Und jetzt war ich auch bereit zu gehen (oder rausgeschmissen zu werden). „Ich habe doch gesagt, du sollst verschwinden! Kapierst du das nicht?! Du sollst mich endlich in Ruhe lassen!!“, kreischte sie völlig neben sich und stand blitzschnell, doch leicht taumelnd. Ich versuchte nach ihren Armen zu greifen und sie zu halten. „Fass’ mich nicht an!!“, fuhr sie mich an. „Verschwinde! Raus!“ „Bella, hey, warte kurz-“, versuchte ich sie zu besänftigen, denn ich war schon darauf eingestellt gewesen. „NEIN! Hau einfach ab!!“ Sie zerrte an mir. „Ich gehe sofort. Einen Augenblick“, sagte ich bestimmt und schaute ihr tief und eindringlich in die leeren Augen. Ihre Handgelenke hielt ich fest, damit sie mich nicht aus dem Zimmer „prügelte“. „Der Kräutersaft auf deinem Tisch, damit solltest du sparsamer sein. Der ist sehr stark. Und ich hoffe, ich habe die Suppe nicht zu sehr versalzen. Und du solltest die Medikamente jetzt gleich nehmen-“ „Du kapierst gar nichts, oder?“, zischelte sie mir entgegen. Ich stellte verblüfft fest, dass sie den Tränen nahe war. „Ich brauche keine Mami hier, ich komme allein klar. Allein! Verstehst du das? Verschwinde hier! Los! Hau endlich aus meinem Leben ab!“ Sie machte sich von meinen Händen los bzw. ich ließ es zu und schob mich dann zur Tür. „Eins noch, Bella bitte“, verdeutlichte ich nachdrücklich und nutze ihre Atempause aus. „Das Thesenpapier ist fertig und abgeschickt“, erklärte ich rasch. Ich hatte mich, angesichts ihres verständlichen Verhaltens doch entschlossen, ihr nicht mehr die Möglichkeit zu geben, die Arbeit noch mal zu verändern. Ich würde es von zu Hause gleich abschicken. „Ich habe deine Version ergänzt. Die findest du im Laptop-“ „Geh’ einfach, geh!“, fiepte sie mit zum weinen verzerrtem Gesichtsausdruck und knallte die Tür hinter mir zu. Du sollst mich endlich in Ruhe lassen!! Hau’ endlich aus meinem Leben ab!, hallte es in mir nach. Mit hängenden Mundwinkeln betrachtete ich meine Hände und hasste mich nun selbst dafür. So wie sie es getan haben würde. ------------------- *seufz* eines meiner favo-kaps..... ^^ bin gespannt, was ihr sagt ^^^^^^ Kapitel 8: Reprise: Zerrissen - Teil 1 (Bella) ---------------------------------------------- tut mir leid, dass ich es nicht mehr vor dem we geschafft hab, war krank und das we gar nicht da -.- aber jetzt ;) die reprise beginnt!!!! ^^ :love: Musik: Bon Iver - Skinny Love http://www.youtube.com/watch?v=UrMmr1oMPGA A walk to remember (Score) - Star Gazing http://www.youtube.com/watch?v=OEFc1mLXRVw&feature=PlayList&p=C2D9B3C720EBABB8&playnext=1&index=16 => Das zweite Lied bzw. Instrumentalstück ist für eine spezielle "Klavierstelle" gedacht.... :) ----------------- Bild zum Kapitel: http://img688.imageshack.us/img688/4389/bannerrepriseteil1.jpg Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür und rutschte daran herab, bis ich saß. Ich wusste gar nicht, warum mir plötzlich die Tränen kamen, doch sie flossen meine Wangen durch den Schweiß entlang, während ich die geballte Faust an die Stirn gelegt hatte. Mein Kopf dröhnte, meine Nase schmerzte, mein Hals pochte. Es hatte sich kein bisschen verbessert. Was sollte ich machen, wenn es nicht bald, sehr bald, schlagartig besser wurde? Ich hörte Schritte im Treppenhaus. Es mussten nicht seine sein, doch… Wie konnte er nur? Wie konnte er sich hier Zugang verschaffen und meinen können, dass ich gepflegt werden wollte, wie ein kleines Kind?! Er verstand gar nichts. Ich wollte Abstand, nicht Nähe. Ich wollte Distanz und keine Freundschaft. Wann kapierte er das endlich? Ich blickte an mir herab und erfühlte meine durchnässten Haare auf meinem heißen Gesicht. Ich schämte mich. Und ich hasste ihn. Er machte alles nur noch schlimmer. Warum mischte er sich immer wieder ein? Das Weinen hatte die Schmerzen nicht gelindert, im Gegenteil. Ich wusste nicht, wie ich atmen sollte, dass der Schmerz weniger werden würde. Ich schluckte die Pillen und legte mich erschöpft ins Bett. Erschöpft von allem. Doch müde war ich nicht mehr. Es war längst Mittag. Mein Blick schweifte im Raum umher und ich betrachtete den dampfenden Kochtopf. Schließlich raffte ich mich auf. Es war albern, nicht wenigstens zu schauen, was er gemacht hatte. Und Hunger hatte ich eigentlich auch ziemlich… Ich lugte in den Topf mit warmer Suppe und nahm den Löffel der daneben lag, um zu probieren. Gar nicht schlecht, lobte ich unwillkürlich. Sie schmeckte salzig, doch viel schmeckte ich sowieso nicht, von daher… Ich rührte darin herum. Möhren? Kohlrabi? Die hatte er geschnitten?, bemerkte ich. Ebenso fielen mir die zwei Einkaufstüten vor dem Kühlschrank auf. Ich warf einen Blick hinein. Baguette, Obst, Weingummi, Jogurt, Weichkäse, Schokolade, zwei Flasche Traubenschorle. In Gedanken versunken nahm ich mir einen tiefen Teller, gab etwas Suppe mit einer Kelle hinein und setzte mich aufs Bett. Hm, überlegte ich innerlich und betrachtete die Suppe, die wirklich gut tat und angenehm auch mir einwirkte. Na ja, eigentlich… Schlürfend begutachtete ich die Wohnung und daraufhin den anderen tiefen Teller mit Wasser, der auf dem Nachttischchen stand. Ich runzelte die Stirn und griff nach dem Handtuch, welches ich neben mir bemerkte. Es war nur an einer Stelle leicht feucht. Ich hielt überrascht inne. Hatte er… Kopfschüttelnd nahm ich einen weiteren Löffel und besann mich eines Besseren. Es war mir egal, was er aus welchen Motiven getan hatte, aber ich hatte ihn ausdrücklich gebeten, sich raus zu halten und er hatte das nicht respektiert. Er hatte mich einfach bevormundet. Ich hatte nicht darum gebeten. Ich schlief am Samstag viel und war Sonntagmorgen auch schon wieder einigermaßen fit. Das hieß, dass das Fieber deutlich runter gegangen war und mein Kopf insgesamt nicht mehr so dröhnte. Alles andere war nahezu unverändert. Ich fühlte mich gut genug, wenigstens ein paar Texte durchzuarbeiten. Ich konnte mich nicht gänzlich auf die faule Haut legen. Krank hin oder her. In der Uni fragte niemand, warum man die Aufgaben nicht gemacht hatte oder dies oder jenes nicht wusste. Ausreden gab es nicht. Mein Hals besserte sich wegen des, zugegeben sehr eklig schmeckenden, Kräutersirups. Auch die Suppe hatte ich ununterbrochen gegessen. Mir war nicht nach kauen und trockenem schlucken. Ich hatte den ganzen Sonntag überlegt, ob ich meiner Mutter Bescheid sagte. Sie sollte mich schließlich auch informieren, sobald etwas mit ihr war. Aber das galt im Umkehrschluss nicht für mich, entschied ich letztlich. Meine Mutter hatte Krebs und ich einen Schnupfen. Außerdem würde sie sich nur unnötig Sorgen machen. Montag ging ich, schlapp, aber fieberlos, wie gewohnt zur Uni. Mir tat der Kopf noch etwas weh und Schnupfen hatte ich auch noch, aber ansonsten war alles halb so wild. Edward erkundigte sich nach meinem Befinden. „Gut“, hatte ich gesagt. Ich gab ihm das Fieberthermometer und Flasche mit der Kräutermedizin zurück und das war’s. Mehr redeten wir nicht miteinander – abgesehen von den paar Sätzen zu unseren Versuchen. Okay, wenn ich so darüber nachdachte, musste ich fairer Weise sagen, dass Edward schon versucht hatte, mit mir ins Gespräch zu kommen, doch ich blockte mit Absicht alles ab. Er glaubte doch nicht ernsthaft, dass ich darüber einfach so hinwegging? Es wäre besser für ihn, für mich, für uns, wenn wir das so handhabten wie zu Beginn: Wir schwiegen uns an, weil wir wussten, dass wir uns nicht leiden konnten. Letzteres änderte sich auch nicht durch seinen guten Willen am Wochenende. So sprachen wir die ganze Woche kaum ein Wort und sahen uns – glücklicherweise – auch nicht häufiger als in den Laborstunden. Am Wochenende würde ich meinen Dad treffen. Endlich. Nach so langer Zeit. Darauf würde ich mich freuen und Edward außen vor lassen. Ich war noch etwas blass, ein wenig, aber ansonsten sah ich normal aus wie immer. Gesund und munter. Mein Vater würde nichts merken. Ich schaute noch mal in den Spiegel und ließ den Blick über die Wohnung schweifen. Ordentlich und sauber. Dad würde- Es klingelte. Ich lächelte breit und drückte ungeduldig auf. Das letzte Mal hatte ich ihn vor fünf Jahren gesehen. Kurz vor dem Ausbruch von Mums Krankheit. Ich hörte jemanden die Treppen hoch stapfen. Es war irgendwie ein vertrautes Gefühl, obwohl er mir in den letzten Jahren eigentlich – zwangsläufig – fremd geworden war. Das war nicht so, weil wir keinen Kontakt mehr wollten oder uns nicht leiden konnten, sondern einfach bedingt durch die Tatsache, dass mehr als telefonieren oder einander schreiben nicht drin war. „Hallo mein Schatz, ich freue mich total dich zu sehen“, lächelte er über beide Ohren, als er an der Tür ankam. „Hey Dad, ich mich auch“, grüßte ich und umarmte ihn. Er war nicht der Typ, der großartig Emotionen nach außen projizierte. Umso mehr beglückte es mich, dass er sich wirklich offen freute mich zu sehen. Er war sogar richtig schick angezogen. Er trug eine Anzugjacke mit passender Hose und einem Pullover darunter. „Du glaubst gar nicht, wie stolz ich auf dich bin“, offenbarte er mir, als ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Er schaute sich um. „Ich kann nicht fassen, wie viel du erreicht hast. Trotz aller Umstände.“ Er strahlte mich an. Ich erwiderte es einen Hauch matter. Wir setzten uns an den Tisch und ich goss uns einen Schluck Wasser ein. „Du bist wirklich groß geworden“, sagte er und musterte mich. Ich lachte leise. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit“, meinte ich nickend. „Das stimmt. Tja, meine Kleine ist eine erwachsene Frau geworden…“, säuselte er für ihn ungewohnt. Er war sonst nicht so theatralisch… „Ich habe auch noch was für dich“, fuhr er fort, bevor ich darauf eingehen konnte. Ich hätte aber auch nicht gewusst, was ich dazu sagen sollte. Ich runzelte die Stirn, während er in seiner Jacke kramte. Er holte ein kleines, dunkelblaues Säckchen aus Samt heraus und reichte es mir. „Dad, was ist das?“, fragte ich mit zusammen gezogenen Augenbrauen misstrauisch und rührte es nicht an. „Ich habe dir nie wirklich was geschenkt. Das ist quasi für alle Geburtstage, dein Abitur und deinen Studienplatz und alles zusammen. Dafür ist es kläglich, aber ich hoffe trotzdem, dass du es magst“, erklärte er. „Nun schau schon rein, ich möchte wissen, was du sagst.“ Erwartungsvoll blickte er mich an. Ich musterte ihn und tat ihm den Gefallen. Der Inhalt kippte aus dem umgekehrten Beutel und etwas Silbernes plumpste in meine Handfläche. „Dad…“, stieß ich langsam hervor und sah es mir näher an. Es war ein Armband, schmal und dezent. Kleine, an der Spitze schief gezogene, Herzen waren an einem Bogen miteinander verbunden. Ein zweites klitzekleines Herz war ebenfalls darüber angebracht. Es glänzte matt. „Wow, Dad, das ist… ich, ähm… danke, aber das- das war doch nicht nötig-“ Er winkte ab. „Lass gut sein, Bella. Ich möchte dir einmal etwas schenken, bitte nimm’ es an.“ Ich legte das Armband über mein Handgelenk und blickte lächelnd auf. „Danke, es ist wirklich toll.“ Wow… „Warte, ich helfe dir…“ Er streckte die Arme aus und pfriemelte am Verschluss herum, bis es endlich klappte. „Danke, das ist wirklich schön“, bedankte ich mich noch mal. Es musste – vergleichsweise – ein Vermögen gekostet haben. „Ich bin so froh, dass es dir gefällt“, seufzte er lächelnd. „Ich habe blind auf die Meinung der Verkäuferin vertraut.“ Ich lachte in mich hinein. „Sie bekommt einen Orden. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Danke.“ Wir lächelten uns eine schweigende Minute an. „Ich habe Hunger, wie sieht’s bei dir aus? Kennst du ein gutes Restaurant hier in der Nähe?“, fragte er mich dann. „Ähm, nein- ich-“ „Wir schauen einfach mal“, sagte er im Rausch puren Aktionismus – so hatte ich ihn nicht in Erinnerung gehabt – und ging vor zu Wohnungstür. Ich hatte meinem Dad bereitwillig Rede und Antwort gestanden. Wie es in Deutschland war, wie mein Studium dort verlief, wie es hier war, ob ich mich zurechtfand, wie es meiner Mutter und Phil erging… „Und wie sind die Leute in deinem Studium so? Sind die nett?“, fragte er sein Steak kauend. So redselig hatte ich ihn selten bzw. nie erlebt. Er war nie ein Mann großer Reden gewesen, aber ich glaubte, dass es einfach an der Tatsache lag, dass wir uns ewig nicht mehr gesehen hatten und dies eine der wenigen Chancen war, die wir hatten, um uns wieder hauchdünn anzunähern. Die tausende Kilometer lagen immerhin immer zwischen uns. „Ja, ich denke schon…“, gab ich lediglich zu verstehen. Ich hatte den Kopf ein wenig unmanierlich auf die Hand gestützt und stocherte in meinem Salat herum. Seit der Erkrankung von letzter Woche, war mein Appetit nicht mehr allzu groß. „Hast du denn schon ein paar Freunde gefunden?“, wollte er weiter wissen. „Nicht besonders... viele…“ Mir kam Edward in den Sinn, obwohl ich ihn nicht als „Freund“ bezeichnen würde. Er war der, mit dem ich am meisten Kontakt hatte, so vielleicht. Doch ich hoffte, dass sich gezeigt hatte, dass es dabei blieb, endgültig. Er brauchte nicht nett zu mir sein oder mich bemuttern, geschweige denn irgendetwas anderes. Er sollte einfach seine Arbeit machen und fertig. Andere Freunde hatte ich hier allerdings auch nicht gefunden – was aber auch daran lag, dass ich nicht gesucht hatte. „Ähm, ich meine, sie sind alle ganz nett dort“, wand ich wirsch ein, als ich zu lange pausierte und es auffällig wurde. „Ist was mit dir? Du siehst blass aus? Bist du krank?“, fragte er direkt, ohne Umschweife. Seit wann war er so aufmerksam? So kannte ich ihn gar nicht… so hatte ich ihn, wenn ich darüber nachdachte, die gemeinsamen Jahre mit ihm nicht kennen gelernt… oder hatte ich es nur nie bemerkt? Eigentlich war ihm so etwas nie wirklich aufgefallen… „Nein, ich war gerade nur… was hattest du gesagt?“, fragte ich irritiert nach. Er grinste leicht schief. „Nein, schon gut. Kannst du mir kurz zuhören? Es ist wichtig“, bat er, legte die Gabel erst zur Seite und nahm sie dann doch wieder. Er wirkte schlagartig nervös. „Ja, klar“, meinte ich nickend und legte selbst mein Besteck zur Seite, um meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu signalisieren. „Tut mir Leid…“ Er schmunzelte leicht und trank einen Schluck, ehe er mit der Sprache rausrückte: „Bella, versprich mir, dass du nicht sauer bist, dass ich es dir nicht eher gesagt habe und so… ich habe mir gedacht, seit du mir mitgeteilt hast, dass du dich für diese Stipendiensache beworben hast, dass ich es dir lieber persönlich sage und so und vorher- vorher-“, druckste er herum, „da- na ja, ich wusste nicht, ob ich es dir schreiben sollte oder lieber anrufen oder…“ Er warf mir einen flehenden Blick zu. „Ich hab mich schon etwas gedrückt und die Sache lange heraus geschoben und so… „Ich reiße dir schon nicht den Kopf ab. Was gibt es denn?“, meinte ich lächelnd und war jetzt wirklich neugierig, was es für Neuigkeiten es gab, die ihn auf einmal so stottern ließ. Nickend trank er noch einen Schluck und verschränkte die Finger ineinander, dessen Hände er auf den Tisch gelegt hatte. Er starrte darauf. „Ja, also Bella… ich- ich habe eine neue Partnerin…“ Er mied meinen Blick. Es wirkte, als würde er rot werden. „Aber das ist doch großartig! Das freut mich für dich“, sagte ich strahlend. Ich gönnte es ihm so sehr. Seit Mum hatte er kaum eine Frau an seiner Seite gehabt (von der ich wusste). Aber warum machte er so ein Geheimnis daraus? „Kenne ich sie vielleicht sogar?“ „Ähm, danke, äh ja, vielleicht, also…“ Er blickte kurz peinlich berührt lächelnd auf. „Kennst du noch die Clearwaters? Aus dem Reservat? Freunde der Blacks?“ „Ja, ich erinnere mich schwach. Mit Jacob Black und Leah Clearwater und- wie hieß der kleine Junge noch?“, fragte ich nach, während mir Bilder von früher, als ich noch in Forks lebte und dort zur Grundschule ging, ins Gedächtnis kamen. „Seth hieß er- heißt er“, korrigierte er sich, immer noch sichtlich aufgeregt. „Ja, der ist aber nicht mehr so klein… Er studiert auch mittlerweile und ist weggezogen, genau wie Leah. Ja, ja, ähm, was ich eigentlich sagen wollte… Bella… du- du bist mir aber nicht böse?“ Ich holte Luft, um sofort zu verneinen, doch er sprach weiter: „Ich möchte mich nämlich nicht mit dir streiten, nicht jetzt, wo du mal in Amerika bist…“ „Wie gesagt, ich reiße dir nicht den Kopf ab. Nun raus mit der Sprache!“, forderte ich und grübelte schon die ganze Zeit, was er mir sagen wollte, das ihn so aus der Fassung brachte. „Jaah… gut… Sue und ich, wir sind zusammen, weil- also nicht weil- Harry, ihr Mann, ein guter Freund von mir, ist an einem Herzinfarkt gestorben und ich war dann viel bei ihr… und auch wegen der Kinder… das ist schon länger her, weißt du und ich hab ihr geholfen und…“ Er nestelte an der Serviette vor sich herum. Glaubte er, ich verurteilte ihn, weil er mit einer Frau zusammen war, dessen Mann sein bester Freund und schon lange Zeit verstorben war? Liebe ging nun mal seltsame Wege… Nein, da kam noch etwas, war ich mir sicher. Ich schwieg – und wartete. „Sue… sie ist auch bei mir eingezogen…“ Das konnte auch noch nicht alles sein, sonst hätte sich sein Gesicht nicht schlagartig verfärbt. Er hatte den Blick weiter gesenkt. „Und du… du hast eine zwölf Monate alte Halbschwester“, nuschelte er so eben verstehbar. „Was?“, stieß ich unwillkürlich hervor und machte große Augen. Er zuckte leicht zusammen. „Ich habe eine- eine Schwester? Eine- Halbschwester?“ Nun begann das Stammeln bei mir auch schon. Aber ich war auch dermaßen verblüfft, dass ich danach erst mal nichts mehr raus bekam und ihn nur überrascht mit offenem Mund anstarrte. Zwölf Monate war sie schon? „Ja… sie heißt Zoey und…“ Er schaute kurz auf und gleich wieder herab. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Ich war ihm nicht böse, nein, überhaupt nicht. Ich freute mich sehr für ihn, dass er wieder eine Familie gefunden hatte. Doch das kam jetzt etwas… unerwartet. Ungewohnt. Das wollte ich ihm auch mitteilen: „Dad, das ist wirklich toll. Tut mir leid, ich- ich freue mich riesig für dich und- na ja, ich bin nur gerade etwas überrumpelt.“ „Ja, das ist völlig in Ordnung!“, sagte er hastig und wedelte beschwichtigend mit den Armen. Ich musste unweigerlich lachen – und das tat, nach den letzten Wochen, richtig gut. Was hatte er erwartet? Dass ich ihn anschrie? Wie er noch mal Vater werden konnte? Wie er mir das erst jetzt sagen konnte? Vermutlich. Vermutlich hätten viele auch so reagiert, doch ich war über so eine Wendung in seinem Leben viel zu erfreut, als dass ich ihm jetzt Vorhaltungen machen konnte oder wollte. Er lächelte unsicher hoch. „Willst du Fotos sehen?“, fragte er zögerlich. „Klar!“, stimmte ich sofort zu. „Hast du welche dabei?“ Er nickte und sein ganzer Stolz breitete sich plötzlich in seinem Gesicht aus. Er legte drei Bilder, die er gerade aus seinem Portmonee gezogen hatte, vor mir auf den Tisch. Zwei Fotos nur von Zoey, im Säuglingsalter und ein scheinbar aktuelleres, und auf dem dritten Sue und Zoey im Sandkasten. Die Kleine hatte strahlend blaue Augen, feine schwarzfarbene Haare und lachte mit aufgerissenem Mund in die Kamera. Sie sah Sue sehr ähnlich, von meinem Dad hatte sie vom Aussehen her erst mal weniger. Leah und Seth kamen ja eher nach ihrem verstorbenen Vater. „Sie ist wirklich niedlich“, begutachtete ich sie. „Lerne ich sie mal kennen?“ „Ja, sicher, wenn du das möchtest… du kannst gerne irgendwann vorbei kommen… hör mal, Bella, ich wollte dir das alles wirklich schon eher erzählen-“ „Dad, lass gut sein. Ich freue mich sehr. Und ich würde sie sehr gerne treffen, wenn ich in nächster Zeit mal nicht so viel zutun habe.“ Ich bemerkte grinsend, wie er heimlich tief durch atmete. Es war noch wirklich nett mit ihm gewesen. Er schenkte mir Zoeys Fotos, die ich später dann in einem Bilderrahmen auf meinen Nachttisch stellte, und wir schlenderten danach noch etwas durch Seattle, bevor es dunkel wurde. Ich genoss diese unbeschwerte Zeit mit ihm, denn sie war kurzweilig und leider nur sehr selten. Am Abend holte ich den Stoff nach, den ich sonst in der Zeit mit Dad gelernt hätte. „Oje“, entfuhr es mir, als ich bemerkte, dass der abgearbeitete Stapel Texte wesentlich kleiner war, als der noch zu lesende. Ich zog mich um und schlüpfte in bequemere Klamotten. Sofort begann ich mit der Zusammenfassung der bereits durchgearbeiteten Themen. Wenn du dich weiter so kaputt machst, endet das noch böse, sagte plötzlich Edwards Stimme in mir. „Schwachsinn“, murmelte ich zu mir selbst. „Das Fieber ist längst weg und mir tut nichts mehr weh. Jeder wird mal krank, das hat damit nichts zu tun.“ Das stimmte auch. Ich hatte mich durch das schlechte Wetter einfach erkältet. Und was du sagst, fauchte ich Edward innerlich an, kann mir gestohlen bleiben. Ich achtete schon auf mich – schließlich wollte ich selber nicht krank werden und eine Nachtschicht brachte mich nicht um. „Bella?“ „Hm?“ „Kann ich dir was zeigen?“ Ich drehte den Kopf in Edwards Richtung und schaute auf sein Reagenzglas. Es war wie üblich, mithilfe Phenolphthaleins, pink gefärbt. Bei einer alkalischen Lösung nicht weiter auffallend – vor allem einfach und banal. Was war daran interessant?, fragte ich gedanklich. „Nein, nicht das hier“, meinte Edward und hielt das Reagenzglas aus meinem Sichtfeld. Widerwillig sah ich ihn durch die Schutzbrille an. „Sondern?“ „Etwas anderes, nach dem Seminar“, bat er. „Wieso sollte ich?“, entgegnete ich schnippisch und kondensierte weiter. „Bitte Bella, es wird nicht lange dauern.“ Er schaute mir unentwegt von der Seite ins Gesicht. „Was soll ich mir ansehen?“, fragte ich weiter stur und würdigte ihn keines Blickes. „Würdest du einfach kurz mitkommen? Es wäre mir wichtig, bitte.“ Sein Ton klang ernst und flehend. Es wirkte nicht, als wollte er mich auf den Arm nehmen. Eigentlich hatte ich nach der Krankengeschichten keinen Grund, ihm einen Gefallen zu tun, doch ich ließ mich breit schlagen und meinte lediglich: „Kurz.“ Er nickte. „Danke.“ So kleinlaut hatte ich ihn noch nie erlebt, fiel mir auf und blickte verstohlen zu ihm herüber. Er widmete sich wieder der Lösung und seine Mimik war entspannt und unscheinbar. Er grinste nicht mal gewinnend. Ein wenig irritiert, da ich so viel Menschlichkeit nicht von ihm erwartet hätte, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Versuch. „Wo gehen wir hin?“, wollte ich sofort wissen, als wir gemeinsam das Labor verließen. Edward lief vor. „Vertrau mir.“ „Ja, das habe ich vor zwei Wochen auch getan“, murmelte ich. Ich bemerkte, wie er kurz über die Schulter nach hinten blickte. Er sagte nichts. Als wir in einen mir wohl bekannten Flur bogen, blieb ich stehen. „Edward!“, sagte ich entrüstet und obgleich in normaler Lautstärke hallte es im Flur. „Ich dachte, es ging ums zeigen! Nicht ums hören!“ Wir waren zweifelsohne auf dem Weg zur Aula. „Brauchst du wieder meine Meinung für Eigenkreationen? Edward, dafür habe ich-“ „Komm bitte mit. Es dauert nicht lange“, meinte er ruhig. „Umso länger wir hier stehen-“ Er brach ab, da ich schon mit einem verdrießlichen „Schön!“ weiter gegangen war und mit ihm an der Aula ankam. Ich versuchte keine Schnute zu ziehen, doch war mir nicht sicher, ob das gelang. Meine Lust, nett zu ihm zu sein, sank so tief, wie wir Stufen hinab zur Bühne– sehr tief. Er setzte mich wieder verkehrt auf die schmale Klavierbank. „Warum darf ich nicht richtig herum sitzen?“, sagte ich bissig. „Die meisten achten zu sehr auf das Visuelle und hören dann weniger. Aber es steht dir natürlich frei, dich umzudrehen“, erklärte Edward gelinde. Allein schon aus Trotz tat ich das dann auch. Er schmunzelte mit einem gehobenen Mundwinkel und wandte dann den Kopf zu mir. „Lass dich einfach darauf ein, wie damals, als ich dich nach deiner Meinung gefragt habe“, instruierte er mich und setzte sich dann mehr auf die Kante der Bank. Er streckte einen Fuß zum Pedal aus, legte ganz leicht die Finger auf und konzentrierte sich merklich, ehe er zu spielen begann. Zuerst fiel mir sein Blick auf, sein Gesicht. Alle Anspannung wich und er schien verändert. Ganz umhüllt von den Tönen, er gab sich nur ihnen hin und schien in eine andere Welt zu gleiten… abzudriften. Das übertrug sich wie von selbst auf die Tasten und die Melodie. Ich wusste, was er mit der visuellen Ablenkung meinte. Die fließenden, harmonisch ineinander übergehenden Bewegungen hypnotisierten mich und machten mich benommen. Die Melodie wurde zweitrangig – allerdings wusste ich, warum das jetzt verstärkt der Fall war. Die Musik hatte einen faden Nachgeschmack und war zeitweise bitter. Sie war unangenehm, gut gespielt, aber unangenehm. Ich starrte einfach nur auf seine Hände, die die Tasten überflogen. Er verstummte relativ abrupt. Ich hatte den Kopf immer noch herab geneigt und hob ihn, während Edward mich beobachtete. „Und?“, fragte er nur. „Das klingt… hart“, urteilte ich Schultern zuckend. Was wollte er hören? Eine fundierte Meinung wohl kaum. „Nein. Es klingt verschlossen und widerständisch“, war Edward anderer Meinung. „Wie auch immer“, meinte ich. „War’s das?“ Ich machte Anstalten aufzustehen. „Warte“, bat er und hielt mich am Arm. Ich setzte mich wieder. „Das, was du gehört hast, ist so, wie ich mir dich in Noten vorstelle. So, wie du auf mich wirkst und für mich klingst“, lüftete er das Geheimnis. Verdutzt sah ich an – auch etwas gekränkt. Das gerade klang scheußlich. War das eine neue Art und Weise mir zu sagen, dass er mich nicht leiden konnte? Entgegen seiner Freundlichkeit vorhin? Ich überlegte, ob ich nicht einfach wütend aufstehen und wortlos gehen sollte. Allein die Tatsache jedoch, dass ich noch darüber nachdenken konnte, zeigte mir aber, dass das nicht mein erstes, affektives Bedürfnis war. So wartete ich und er bat wieder zu lauschen. Dieses Stück war nicht fröhlicher oder munterer, aber… bezaubernd. Ein eingehende Melodie, die das, was ich mit den Augen wahrnahm übertraf. Zu eindringlich diese Aneinanderreihung der Töne. Ganz sanft legte er die Klänge übereinander und formte weiche Übergänge. Letztlich ließ er die Melodie ausgleiten. Ich saß kerzengerade und hatte für kurze Momente die Augen geschlossen. Nun fragte Edward wieder: „Und?“ „Das war… wunderschön“, so meine Bewertung. Ich schaute Edward neben mir mit einem kleinen Lächeln an. „So stelle ich mir dich vor“, erklärte er nachträglich, „wie du eigentlich bist.“ Ich senkte den Blick und ließ die Mundwinkel fallen. „Ähm“, machte ich und schüttelte zum eigenen wach werden in kurzen Intervallen den Kopf, „klingt netter.“ „Ja, finde ich auch.“ Er lächelte breit. Ich neigte den Kopf, um seinem Blick zu entweichen und mied sein Gesicht. „Ich muss los, bis morgen“, sagte ich dann eilig, nachdem ich meine Uhr am Handgelenk bemerkt hatte und stand hastig auf. Ich drehte mich nicht mehr zu ihm um. Ich dachte nicht mehr lang – nicht mehr bewusst – über die in Verlegenheit bringende Situation am Klavier nach, sondern kümmerte mich um die anstehenden vorweihnachtlichen Tests in gut einem Monat. Mr. John war heute wieder nicht da gewesen, doch laut Information am schwarzen Brett fehlte er nur heute und ich hoffte, dass sich meine Sorge nicht bestätigte. Wenn er weiterhin dem Kurs fern blieb, betete ich für eine gleichwertige Vertretung, sonst müssten Edward und ich viel mehr Schriftliches, in unserer Freizeit, zusammenverfassen. Darauf konnte ich gut verzichten. Die Tests vor Weihnachten waren einmal zur Selbsteinschätzung wichtig und ein andermal flossen sie prozentual in die Gesamtnote der Module ein. Daher konnte ich mich jetzt nicht stundenlang mit Edward für irgendwelche Sonderarbeiten treffen, weil Mr. John krank war. Schließlich war die Laborsache nur einer meiner Kurse – wenn auch ein wichtiger. Beängstigend stellte ich am nächsten Morgen fest, dass Mr. Pomary wieder hinter dem Pult stand. „Entschuldigen Sie“, sagte ich, nachdem ich schnurstracks auf ihn zugelaufen war. Edward war schon da, „ist Mr. John nächste Woche auch noch abwesend?“ „Ich denke, sie werden es erfahren, wenn es soweit ist“, meinte er kühl und drehte sich von mir weg. Na toll, dachte ich prompt und schlurfte zu meinem Platz. „Er wird länger nicht da sein. Vermutlich dieses Jahr komplett“, antwortete Edward mir, ohne von dem Versuchsaufbau, mit dem er gerade beschäftigt war, aufzusehen. Ich sah ihn entgeistert von der Seite an. „Was?“ „Mein Vater hat mir berichtet, dass er wohl etwas langwieriger krank sei und die Fakultät schon seit letzter Woche angestrengt einen Ersatz sucht, da alle ‚gleichwertigen’ Professoren zeitgleich diesen Kurs anbieten“, erzählte er mir. „Und?“, forderte ich ihn auf. „Und? Haben sie jemanden?“ Ich breitete meine Unterlagen auf meiner Tischhälfte aus und schaute Edward gespannt an. „Es ist nicht so einfach, einen Dozenten hier zu ersetzen“, meinte er, tätigte den letzten Handgriff und wandte sich dann mir zu. „Alle Professoren haben langjährige Praxiserfahrungen, viele Zusatzqualifikationen und kommen von den besten Universitäten und Lehrzentren des Landes. Es bewerben sich hier viele Lehrende mit ausgezeichneten Qualitäten. Ein Aufnahmeverfahren dauert wochenlang.“ „Und jetzt?“ Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, grummelte ich innerlich und zog meine Laborkleidung an. „Und deshalb werden wir so schnell keinen Ersatz bekommen. Nicht mehr in diesem Jahr. Zumindest wird dann im nächsten Jahr jemand Neues kommen, wenn Mr. John, dann immer noch nicht wieder da sein sollte“, überlegte Edward. Seufzend setzte ich mich zu ihm und tat verstimmt – obwohl das eine mittelschwere Katastrophe war… auf jeden Fall, wenn das wieder Extraarbeiten mit Edward zu Hause anfertigen und Thesenblätter einreichen bedeuten würde… Mr. Pomary bat uns zu beginnen. Für diese Woche hatten wir noch genug zu tun. Die Versuchsreihe der letzten hatte sich bei allen, wegen der vielen Auswertungen, in die Länge gezogen. Das hieß für mich, dass ich mich nicht mit Edward treffen musste – vorerst nicht. Edward suchte mich am Freitag in der Mittagspause überraschend in der Bibliothek auf. Und was er sagte, war keineswegs eine positiv Überraschung. „Sie haben jetzt endgültig ausgehangen, dass die Laborgruppen unseres Kurses die Themen im Selbststudium machen müssen“, teilte er mir mit und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Ich blickte von meinem Buch auf. „Wir müssen Mr. John vor der Versuchsdurchführung eine Planung senden und danach eine umfassende, wöchentliche Abschlussarbeit mit Analyse und Auswertung.“ Ich biss mir von innen auf die Unterlippe, um nicht zu seufzen oder gar lauthals zu schreien. Wie viel Pech konnte ich haben, dass ich den Laborkurs bekam, dessen Dozent längerfristig krank wurde und mir dann noch der fürchterlichste Laborpartner zugeteilt worden war? „Na klasse“, murmelte ich. „Und was schlägst du vor?“ Warum fragte ich eigentlich? Ich wusste doch, worauf das hinaus lief. „Ich hole dich morgen früh ab und wir bearbeiten das erste Thesenpapier. Ich habe mir die Aufgaben schon notiert.“ Er erhob sich. „Neun Uhr wieder?“ „Bis morgen“, stimmte ich indirekt zu und widmete mich meinem Buch. Edward verschwand kurz nickend. Wenn ich ehrlich war, war ich nicht mal so angesäuert hinsichtlich des morgigen Treffens. Nicht so, wie ich nach seinem „Einbruch“ sein sollte. Einzig und allein die viele zusätzliche Arbeit machte mir Sorgen. Wir mussten uns viel mehr selbst aneignen und das kostete Zeit, die ich vor den Tests eigentlich nicht aufbringen konnte… Da ich aber letztens auch schon auf die Nacht ausgewichen war, würde ich das heute wieder so handhaben, um etwas Zeit aufzuholen, die ich morgen bei Edward verplemperte. Gut, das war nicht ganz richtig, wir taten was für den Laborkurs, aber mir kam es dennoch so vor. Auch wenn es schon spät war, und der Freitag sich immer zog, ging ich danach noch einkaufen. Das Wetter war trocken und der Schneefall hatte Ende November auch noch nicht eingesetzt. Eine gute Gelegenheit somit. Ich hatte mich zu Hause dann am Tisch häuslich eingerichtet, las ein Buch nach dem anderen und tippte mir die Finger wund. Mit gerunzelter Stirn griff ich nach meinem fiependen Handy. Jetzt noch? Um viertel nach eins? „Schatz? Du bist noch wach?“, war das erste, was meine Mutter sagte. „Ja, du scheinbar auch“, meinte ich erfreut, dass ich ihre Stimme hörte. „Ach, ’tschuldige, Zeitverschiebung.“ „Eigentlich hatte ich dir nur eine SMS schreiben wollen, aber ich dachte, ich schaue ob dein Handy noch an ist… Lernst du etwa noch?“, wollte sie wissen. „J- Nein, ich habe eben aufgehört und jetzt mach ich mich gerade bettfertig“, log ich ohne nachzudenken. Sie würde sich sorgen. Und das war eine Notlüge. Ich hatte sie nicht mal bewusst gefällt. „Du überanstrengst dich aber nicht oder? Und du schläfst und isst auch genug, nicht wahr?“ Ich spürte sofort die Sorge in ihrer Stimme. Unweigerlich. „Ja, natürlich, Mum. Ist bei dir denn alles okay?“ „Ja, Bella, deshalb wollte ich dich auch unbedingt noch sprechen!“ Sie wirkte gar aufgeregt. „Es ist nur ein kleiner Erfolg, aber meine Werte haben sich leicht verbessert! Sie sind etwas anstiegen! Ich bin so froh.“ „Mum, das ist ja großartig! Ich freue mich so sehr!“, strahlte ich am Telefon. Sie würde Hoffnung schöpfen, bald waren die Behandlungen beendet und wenn die letzten Untersuchungen unauffällig ausfielen… dann hatte sie den Krebs endlich besiegt. Ich würde es ihr so sehr wünschen – uns allen auch. Sie berichtete mir noch in Kurzform von ihrem Arzttermin heute und verabschiedete sich dann. Bei ihr war alles in Ordnung. Es ging ihr zunehmend besser. Meine Entscheidung hierher zu kommen, bereute ich nicht. Nicht so sehr, wie noch in Deutschland oder an dem Kinoabend. Wenn es ihr gut ging, war ich glücklich. Egal, wo ich war. ---- Freie mich über kommis :):):):)^^ Kapitel 9: Reprise: Zerrissen - Teil 2 (Bella) ---------------------------------------------- Ich wünsche euch einen schönen 4. Advent und hier das neue Kapitel mit etwas Herzflattern und dem gewissen etwas für klavierliebhaber :):) Musiktipps: Miley Cyrus - When I look at you http://www.youtube.com/watch?v=3Ho1_5lsCtk] & Adam Watts - Still http://www.youtube.com/watch?v=Rqe2rQVDSPg&feature=PlayList&p=DC5F3671208E138C&playnext=1&index=6 Ich liebe diese songs... wie ich alle songs zu den kaps liebe *lach* oh man wie oft ich "when I look at you" gehört habe -.-^^ Bild zum Kapteil: http://img15.imageshack.us/img15/9475/bannerrepriseteil2.jpg -------- „Lass uns direkt hoch in mein Zimmer gehen, ja?“, fragte Edward nach, als wir sein Haus betraten. „Alice bekommt gleich kurz Besuch.“ Ich nickte und erhaschte einen kurzen Blick auf das Wohnzimmer, wo seine Schwester mit zwei anderen Mädchen in irgendwelchen Katalogen blätterte und Emmett gerade von hinten dazu kam. Edward und ich gingen direkt die Treppe in den ersten Stock hoch und kamen von der anderen Seite im „privaten Wohnzimmer“, wie ich es nannte, an. Wir liefen hindurch, passierten den verhängnisvollen Flur mit den Bildern und gelangten zu einer großen Tür. Edward öffnete sie und ließ mich eintreten. „Warte kurz, ich komme sofort wieder“, murmelte er noch und verließ das Zimmer wieder. Ich blieb einen Augenblick stehen und ließ den Blick schweifen. Das langgezogene rechteckige Zimmer, welches im hinteren Teil rund endete, war an den beiden Außenwänden komplett verglast. Eine Schiebetür führte zu einem kleinen Balkon. Vor der Fensterfront hingen grau-blaue Vorhänge. Ich machte auf dem weichen weißen Teppich ein paar Schritte hinein. Während rechts ein graues Bett, mit schwarzer, nach Satin aussehender, Bettwäsche, stand, war links nur eine Wand mit deckenhohen Bücherregalen. Am Ende stand ein Flügel. Einen Schreibtisch erkannte ich nicht. Nur in der Mitte standen ein quadratischer Tisch mit zwei Stühlen und einer Blume darauf. Es wirkte aber eher wie Dekoration und schien keine Funktion zu haben. Trotzdem legte ich meine Sachen dort ab. Neugierig taperte ich an dem Regal vorbei. Alles Musikbücher, Notenhefte… was mich aber wirklich faszinierte, war der Flügel. Er war schwarz, schimmerte silbern, während die „Füße“ grau waren, und passte perfekt in den Raum. Davor stand eine gleichfarbige Bank. Ich strich mit den Fingern über die glänzende Oberfläche. Wow, dachte ich nur. Über den Tasten war „F.A. Porsche Design Company“ grau-silbern eingraviert. Ich hatte keine Ahnung, was ein Klavier mit einem Auto zu tun hatte, vermutete letztlich doch, dass es nur um das hochkarätige Aussehen des Instrumentes gehen konnte. Dieser Flügel war kleiner als der unten, aber nicht minder prächtig. Allerdings war er viel neumodischer. Der weiße Flügel unten, mit den goldenen Verzierungen, wirkte eher antik und klassisch. Während ich den Flügel betrachtete, kam mir die wunderschöne Melodie von vor ein paar Tagen wieder in den Sinn… aber was hatte das zu bedeuten? „So stelle ich mir dich vor“? Auf dem nach Aluminium aussehenden Notenpult lagen unglaublich viele Notenzettel. Per Hand geschrieben und durchgestrichen. Ich griff irritiert nach dem ersten Blatt und bemerkte, dass alle Blätter danach auch durchgestrichen waren. „Mist“, fluchte ich zischend, als alle Papiere mit einem Mal zu Boden segelten. So schnell ich konnte, versuchte ich alle aufzusammeln. Ein Zettel davon, war jedoch nicht bzw. nicht ausschließlich mit Notenlinien versehen. Ich wusste auch sofort, um was es sich handelte. Es war der Brief an Edward von seinem Musikdozenten, was ihn vor gut zwei Wochen so in Rage gebracht hatte. Ich bitte darum, dass Sie den zweiten, variierten Satz Ihrer Symphonie weglassen und dafür den ersten wiederholen. Ebenso möchte ich, dass die Eigenkomposition des dritten Satzes in den Grundzügen mehr der Klassik entspricht, las ich darauf. Darunter waren viele Anweisungen, Notenbeispiele und Verbesserungen verzeichnet. Edward hatte vieles durchgestrichen oder sich eigene Notizen daneben gemacht. Ich hörte, wie die Tür aufging und kramte hastig zusammen. Mit einem Blick über die Schulter sah ich, dass Edward mit einem Tablett Getränken in der Tür stand, welche er auf dem Tisch abstellte. Er schaute irritiert zu mir herüber. „Ich- ich- die Blätter- ich wollte- ich hab-“, stotterte ich verräterisch. Verdammt Bella! Warum kannst du dich nicht aus seinen Privatsachen heraushalten? Das ist doch schon mal schief gegangen!! Und überhaupt… das interessiert dich nicht und hat dich auch nicht zu interessieren!!, wies ich mich in Gedanken zu Recht. Edward kam zu mir herüber und nahm mir den Zettelstapel ab. Achtlos ließ er die Zettel auf den Ständer am Flügel fallen und sich selbst dann auf der einen Hälfte der Bank nieder. Ich blieb steif davor stehen. „Mr. Cato verlangt von mir, mein Stück dem Lehrbuch anzupassen. Keine Eigenbrötelei, dabei ist es mein Solostück. Er ist kein Vertreter von Modernisierung oder ausprobieren. Das verdirbt die Ursprünge der Musik, sagt er.“ Edward schnaubte leicht Kopf schüttelnd. „Dabei muss Musik, wie alles auf der Welt, sich entwickeln und mit dem Menschen gehen und nicht in der Vergangenheit behaftet bleiben.“ Ich nickte nur stutzig. Warum sagte er mir das alles? „Spielst du Klavier?“, wollte er wissen und drehte sich mit Körper und Beinen zum Klavier hin. Er klopfte neben sich auf das freie Stück Bank und wartete. Ich zögerte und setzte mich dann langsam. Eigentlich wollten wir mit unsere Biologiearbeit beginnen und nicht „Was ist eine Tonleiter?“ spielen. Vor allem… er wusste doch, dass ich keine Ahnung von Musik hatte, warum fragte er danach, ob ich Klavier spielte? „Nein, ich habe mich als Kind mal an der Blockflöte versucht… aber eine musische Ader habe ich wohl kaum“, antwortete ich verspätet und presste die Lippen aufeinander. „Mhmm…“ Er schaute auf die Tasten vor sich und legte die, ihn vermutlich störenden, Blätter vor ihm auf den Boden. „Rutsch mal näher ran, ich zeige dir etwas“, forderte er mich auf. Unsicher gab ich meinen Sicherheitsabstand zu ihm auf und setzte ich mich näher zu ihm. Ich spürte seine Hüfte leicht an meiner. „Leg mal deine Hände auf die Tasten“, ich tat wie mir geheißen, „nein warte“, er hob meine Hände hoch und legte sie etwas weiter nach links, „so ist die Ausgangsstellung. Hier der Daumen auf C und hier auch.“ Mein silbernes Armband kam unter dem Pulloverärmel zum Vorschein. Edward schaute kurz darauf. „Ist das neu?“, wollte er wissen. „Ähm, ja, von meinem Vater“, antwortete ich lediglich. Er musterte es ausgiebig und ging nicht weiter darauf ein. Dann hielt er seine Hände schwebend über meinen und schaute mich an, ehe er sie absenken wollte. „Darf ich?“ Ich nickte, ohne überhaupt drüber nachzudenken was hier geschah und was die Konsequenzen waren. Er kam etwas näher zu mir, legte die linke Hand passgenau auf meine, dann die rechte, dessen Arm sich vorne herum erstreckte. Seine Hände waren groß und angenehm weich, als enthielten sie keine Kanten oder Makel. Seine Finger ragten über meine hinaus, weshalb er seine Hände etwas zu meinem Handgelenk herunter schob. Mein Herz schien auszusetzen und mein Atem zu verfliegen. Ich schmeckte die Luft in meinen Mund nicht mehr und ließ ihn einfach geöffnet. Sein Gesicht war nah zu meiner Wange gerückt, seine Augen auf die Tasten gerichtet, als er erklärte: „Drück’ deine Hände nach oben gegen meine und ich führe dich dann. Etwas fester, sonst geht das nicht“, lachte er leise, als ich Finger zaghaft nach oben schob. Ich spürte wie meine Hände unter seinen zitterten, als ich versuchte meine Hände fester an seine zu geben. Ich vernahm den Druck, den er auf ein paar Finger ausübte und sie hinab zu den Tasten gab. Er spielte ganz langsam, sodass er mir Zeit gab die Hände wieder zu heben, wenn er es tat. Ich erkannte das Stück schon nach wenigen Tönen und lächelte wieder atmend. „Kennst du es?“, fragte er, unbeirrt weiter spielend, nach. „Ähm…“, machte ich unfähig, mich auf das Klavier „spielen“ und das Beantworten der Frage gleichzeitig zu kümmern. „Ja, ‚für Elise’, Beethoven, nicht wahr?“ Ich bemerkte, wie er mich korrigieren musste, da ich bei der Antwort ihn von der Seite angesehen hatte, bedacht darauf, ihn nicht mit Gesicht oder Kinn zu berühren. Meine Konzentration hatte nicht mehr meinen Händen gegolten, während er weiter herabblickte. Ein Grinsen auf den Lippen. Ich musste die Augen ein wenig zusammenkneifen, um ihn bei der kurzen Distanz nicht verschwommen zu sehen, so nah war er mir… Ich schaute wieder auf das Schwarz-Weiß. Edward endete mit mir zusammen. Er ließ den Ton verhallen – jetzt erst merkte ich, dass er auch seine Füße nutzte ¬–, horchte mit mir ein paar schöne Augenblicke in die Stille und nahm dann die Hände bzw. die Arme von mir. „Woher kennst du es?“, wollte er wissen. „Das ist nicht schwierig“, meinte ich. „Wir hatten es im Musikunterricht und es ist eines der Stücke, die die Schüler, die ein bisschen Klavier spielen konnten, dann in den Pausen zwischen den Musikstunden immer geklimpert haben, weil es nicht so schwer ist – wie du siehst.“ Plauderte ich überrascht von mir selbst und hielt, mit aneinander gelegten Lippen grinsend, meine Hände hoch. „Ich zeige dir noch eins. Mein Lieblingsstück“, bot er an und hielt schon die Hände viel zu hoch über den Tasten. „Wenn du möchtest?“ Mein Herz begann nicht schneller, aber heftiger zu klopfen. Das eben war wie eine Trance gewesen, die ich nicht missen, aber nicht noch mal erleben durfte. „Vielleicht wäre es klüger, wenn du allein spielst, findest du nicht?“, versuchte ich, so höflich es ging, das gemeinsame Spiel abzulehnen. Es würde schneller gehen, weniger Nähe fabrizieren und wir könnten eher mit unserem eigentlichen Vorhaben – dem Lernen – beginnen. „Es ist ein sehr einfaches Stück. Es war die Melodie der Spieluhr, als ich noch klein war und das war mein erster Berührungspunkt mit der Musik. Ich wollte Klavier lernen, um dieses Lied spielen zu können. Ach ja“, wand er ein und kam auf meinen Vorschlag zurück, „wenn es dann ein wenig schneller wird, kann ich allein weiter spielen.“ „Ähm, okay“, murmelte ich widerstandslos und legte beide Hände unter die seinigen. „Vielleicht kennst du das ja auch“, sagte er noch und begann, nach einem kurzen Atemzug seinerseits, auf meinen Händen „zu spielen“. Eine schöne Melodie, stellte ich schon nach wenigen Sekunden fest. Ruhig und nicht so ausgelassen wie damals, als ich ihn in der Aula beobachtet hatte, ganz zu Beginn… oder die anderen Male… Mit einer Andeutung stupste er meine Hand sanft zur Seite, ich nahm sie rasch weg – mir entging sein Grinsen nicht –, während er weiter spielte und ich von ihm abrückte, damit er mehr Platz hatte. Mein Blick glitt über seine Hände und Arme zu seinem Gesicht. Es war nicht nur meine Empfindung einer Trance eben gewesen, sondern… wie träumerisch spielte er instinktiv und hingebungsvoll die Noten. Sein ganzer Körper schien ins Spiel vertieft, als bekäme er nicht mit, was um sich herum geschah, apropos- Ich schaute über den Flügel auf, als ich etwas in meinem Augenwinkel bemerkte. Seine Mutter stand in der geöffneten Tür, gekleidet wie ein Gärtner (und auch so dreckig, dachte ich lachend), lächelte zu uns – mir – herüber und senkte die Hand, mit der sie gerade klopfen wollte. Es war, als streichelte er die Tasten… überflog diese… er endete mit einem letzten langen Ton. Er lächelte mich an. Ich tat es ihm unwillkürlich gleich. „Es heißt Claire de Lune von Debussy, sagt dir das was?“, fragte er. Ich vermutete, dass er seine Mutter noch nicht bemerkt hatte. Ich schüttelte perplex den Kopf. „Ich schätze, ich hatte die falschen Spieluhren als Kind.“ Er lachte in sich hinein. „Es tut mir leid“, begann seine Mutter zaghaft, „dass ich euch stören muss. Aber Edward, kannst du ganz kurz kommen?“ „Sicher“, antwortete er nur, wendete aber nicht den Blick von mir, ehe er sich erhoben hatte und zur Tür gegangen war. Ich spürte, wie mir der Puls gegen meine Rippen hämmerte. Ich atmete länger aus, als ein, um ihn zu extensivieren. Meine Hände kribbelten noch sanft unter meiner Haut. Ein angenehmes, wenn auch aufreibendes Gefühl in mir verflog so langsam. Einen Augenblick hielt ich noch inne, ehe ich, den Kopf hin und her schwenkend, zu dem Tisch mit den Getränken und meinen Sachen ging. Ich öffnete meinen Ordner und versuchte die Szenerie von eben auszuschalten. Wir mussten vorankommen, da zu Hause noch viel Arbeit auf mich wartete, die sich nicht von selbst machte. „Entschuldige bitte“, kam es von hinten, als Edward nach zehn Minuten wieder eintrat und die Tür hinter sich schloss. „Ich musste auch noch meine Unterlagen holen. Normalerweise lerne ich im Wohnzimmer oder in der Bibliothek, aber da arbeitet gerade mein Vater“, rechtfertigte er sich unnötig und legte Bücher, Zettel und seinen Laptop auf den Tisch. Bibliothek?, geisterte es einen Moment verblüfft durch meinem Kopf, ich nickte dann nur, damit er wusste, dass ich es vernommen hatte. „Hast du die Beschreibungen und Anordnungen schon gelesen?“, fragte ich ihn, um aufs eigentliche Thema zu kommen. „Überflogen“, erwiderte er. „Hier ist die Aufgabenstellung.“ Er reichte sie mir und wir begannen endlich. Nachdem wir alles gelesen, besprochen und Edward eine von mir diktierte Anleitung mitgetippt hatte, lief er eben ins Nachbarzimmer, um den Ausdruck zu holen. Es hatte mal wieder länger gedauert, als geplant und ich hoffte, dass wir beim letzten Durchgehen keine Schwachstellen oder fehlende Themen finden würden, damit ich nach Hause und meine Tests vorbereiten konnte. „Danke“, murmelte ich und beugte mich über das Papier. Den Kopf auf der linken Hand aufgestützt, die rechte mit einem Stift versehen. Ich gähnte ausgiebig. „Zu lang aufgeblieben?“, fragte Edward mit leicht neckendem Unterton. Ich blickte einen Moment verwirrt auf, weil ich das Gähnen erst gar nicht bemerkt hatte, kniff dann aber Schultern zuckend die Augen zusammen und nuschelte nur: „Nein, eigentlich nicht.“ Alles andere ging ihn auch nichts an, dachte ich mürrisch und las weiter. „Ich denke, das ist gut so“, beurteilte ich, als wir durch waren. „Schickst du es ab, oder-“ „Kein Problem, ich mache das gleich“, wand er ein. Ich war aufgestanden und räumte bereits meine Sachen zusammen. Ich durfte gar keine Zeit verlieren. Mir wurde ganz anders, als ich die wenige Zeit mit meiner To-Do-List verglich. Edward begleitete mich die erste Treppe runter in das „repräsentative Wohnzimmer“. „Ah Bella, ich habe direkt für dich mit gedeckt“, strahlte Edwards Mutter mich an, die in der Küche gerade eine Schüssel Salat vorbereitete. Vielleicht das nächste Mal, echote es in mir. Das hatte ich seinerzeit zu ihr gesagt. „Ja, bestimmt“, hatte ich damals geantwortet. „Ähm“, machte ich kurz und warf einen Blick auf Edward. Er wies jedoch keine Ablehnung auf. „Sehr gerne, danke“, sagte ich daher, obwohl mir nicht wohl dabei war. Edward nahm mir meine Sachen kurzerhand ab und lehnte sie an die Wand neben dem Treppenaufgang. Er zog dann, am noch leeren Tisch, einen Stuhl für mich zurück, auf den ich mich setzen sollte. Überrascht über diese höfliche Geste, tat ich ihm den Gefallen. Er setzte sich neben mich, sodass wir beide mit dem Rücken zur Treppe saßen. Mein Blick fiel zu der Couchgarnitur in der Mitte des riesigen Raumes. Dort lagen unsäglich viele Kleider, und zwar richtig schöne, edle Kleider. Alice, die ich jetzt erst bemerkte, hob sie nacheinander hoch und begutachtet sie. Nach ihrem prüfenden Blick hing sie die Kleider auf einen Rollständer auf der anderen Seite des Raumes, welchen sie nun zur Couch zog. „Mhmmm, das riecht gut, Schatz“, hörte ich jemanden hinter mir sagen und wandte mich instinktiv mit dem Kopf um. Mr. Cullen kam die Treppe runter und küsste seine Frau auf die Wange. „Ja, nur leider nicht meine Idee. Die Rezepte sind von Carmen“, äußerte Mrs. Cullen lächelnd. Ihr Mann drückte sie noch mal und kam zum Tisch, bevor er sich neben mich setzte und erfreut: „Oh, hallo, Bella. Wie ich sehe, geht es dir wieder blendend?“ „Äh, ja“, antwortete ich mit gesenktem Blick ein wenig peinlich berührt. „Vielen Dank noch mal“, murmelte ich und spürte ein unruhiges Kribbeln in der Magengegend, welches meinen Appetit fast verjagte. Mr. Cullen wollte noch etwas erwidern, doch sein Blick fiel zur Treppe, wo gerade jemand herunterstapfte. „Emmett“, sagte Mrs. Cullen vorwurfsvoll. Ich widerstand dem Blick nach hinten zu sehen. „Ich kann ja nicht wissen, dass wir Besuch haben. Außerdem hat Bella mich schon mal nackt gesehen“, feixte er von der Treppe aus. „Nicht wahr, Bella?“ Direkt angesprochen kam ich nicht drum herum, mich umzudrehen. Emmett stand barfuß, in Shorts, oberkörperfrei und ein Handtuch um den Hals, die Haare noch nass, auf der vorletzten Treppenstufe und zwinkerte mir zu, ehe er erneut nach oben verschwand. Ich wandte mich schluckend wieder dem Tisch zu. Oh mein Gott… wie peinlich… Mrs. Cullen servierte nach und nach. Erst einen kleinen Gemüsekuchen. Dann ein Gericht mit Zucchini und Hähnchen, dann ein weiteres mit Champignons und zwei verschiedene Salate. Ihr Mann war mittlerweile aufgestanden und half ihr. Ich ärgerte mich, dass ich das nicht getan hatte und einfach hier sitzen geblieben war. Doch ich fühlte mich merkwürdig paralysiert, um mich überhaupt zu regen. „Emmett? Kannst du Getränke aus dem Keller holen?“, bat Mrs. Cullen, als Emmett gerade den Stuhl erreicht hatte. Er trug nun ein T-Shirt und auch Socken, seine Haare glänzten lediglich feucht. Er machte grinsend auf der Stelle kehrt und verschwand hinter einer Tür, direkt rechts neben der Treppe. Alice hatte sich mittlerweile auch gegenüber von Edward gesetzt. Sie wirkte verschlossen und ein wenig… angewidert? Wegen mir?, projizierte ich dies sofort auf meine Anwesenheit. Edwards Eltern setzten sich wieder. Emmett war derweil auch aus dem Keller zurück und stellte ein paar Flaschen verteilt auf den Tisch. „Ich hoffe, du magst etwas davon“, sagte Mrs. Cullen zu mir. „Ja, sicher, sieht sehr gut aus“, antwortete ich steif. „Na dann, guten Appetit“, verkündete Edwards Vater und nach allgemeinem Gemurmel begannen wir, uns von den Speisen zu nehmen. „Ihr müsst wissen, Bella kann selbst ziemlich gut kochen“, plauderte Edward eine Minute später aus dem Nähkästchen. Hätte ich mir nicht so wenig in den Mund gesteckt, hätte ich mich vermutlich an dem Bissen verschluckt. Wie kam er dazu, so was jetzt zu sagen?!? Was noch nicht einmal stimmte… „Na ja“, druckste ich herum, als ich viele Augenpaare auf mir spürte, „ein bisschen. Nur so die grundlegenden Sachen… nichts Besonderes…“ „Immerhin mehr als Edward. Er ist ein grausamer Koch. Unser Wunderkind kann ja alles, nur das nicht“, zog Emmett ihn auf und trank, grinsend bis über beide Ohren (grinste er eigentlich immer?, fragte ich mich für einen kurzen Augenblick), einen Schluck. „Na ja, Suppe klappt ja“, erwiderte ich mit einem Lächeln, welches gleich erstarb. Ich bereute in demselben Bruchteil dieser Sekunde, dass ich das gesagt hatte. Was redete ich hier eigentlich?? Ich sah mit geneigtem Kopf kurz auf. Alle wirkten unbekümmert – nur Alice schien in Missstimmung, sie warf mir einen kühlen Blick zu. „Kannst du mal sehen, Emmett“, konterte Edward, um die Situation aufzulockern. „Pffft“, machte sein Bruder. Das Grinsen schien wirklich niemals aus seinem Gesicht zu verschwinden, war ich mir nun sicher. Doch sein lockeres Gemüt war andererseits auch angenehm. „Ich bin nachher mit Jasper verabredet und wir gehen danach noch auf eine Vernissage“, gab Alice trocken, in Richtung ihrer Eltern, kund. Beide nickten. „Da freut sich Jasper aber, nicht wahr?“, zwitscherte Emmett in einem kindischen Ton und streckte ihr flüchtig die Zungenspitze raus. Alice lachte. Kein arrogantes, aufgesetztes, sondern ehrliches Lachen. Die Kühle war auch aus ihrem Gesicht verschwunden. „Jaah, er freut sich, Bruderherz. Vor allem auf mein Kleid“, wehrte sie sich, stand auf und eilte zu dem Ständer im Wohnzimmer. Ich beobachtete das alles mit wachsender Neugier. Einerseits irritierte mich Alice’ Verhalten und ließ sie weniger sympathisch wirken. Andererseits… lag das an mir? Immerhin war ihre Laune im Kontakt mit Emmett augenblicklich umgeschlagen… oder war das gar keine Laune und ich hatte etwas falsch gemacht? Aber ich kannte sie ja eigentlich kaum… Saß ich auf ihrem Platz?, fragte ich mich unwillkürlich ganz abstrus. Jetzt schien sie ganz verändert… „Und? Was sagst du?“, fragte sie dann keck grinsend Emmett, sah jedoch auch kurz in die Runde. Das Kleid war nachtschwarz mit dunkelgrauen Nähten und im Rücken komplett frei, während es vorne in Falten fiel und einen spitzen V-Ausschnitt hatte. Im Nacken war es mit einer Schleife zusammen gebunden und reichte ihr vermutlich bis unterhalb der Waden. „Ja, ich ziehe noch einen Mantel drüber“, antwortete sie, ohne, dass ich eine verbal vernehmbare Frage gehört hatte, doch ihre Mutter nickte sichtlich zufrieden. „Nicht schlecht, Schwesterchen. Aber auch nur ein schöner Rücken könnte entzücken“, stichelte Emmett. Alice gab ihm gespielt entrüstet einen Klaps auf den Hinterkopf und strich die Nässe an seinem Shirt von ihrer Hand ab, ehe sie zurücktippelte. Ich kam nicht umhin an die Essenszeiten zu Hause zu denken. Die waren meist nicht so ausgelassen und fröhlich. Natürlich gab es mal schöne Atmosphären, doch meist wurden sie von irgendetwas überschattet. Entweder die Krankheit meiner Mutter, Phils Jobs oder auch Probleme bei mir an der Uni. Ich musste auch zugeben, dass wir nicht oft gemeinsam aßen. Entweder war Phil arbeiten oder ich in der Uni. Hier schien das ein alltägliches Ritual zu sein. Ein wenig beneidete ich Edward – was nicht hieß, dass ich tauschen würde. „Ich habe übrigens deine Arbeit gelesen“, wechselte Mr. Cullen das Thema und schaute mich von der Seite an, während er das Hähnchen schnitt und dann in den Mund steckte. Ich dachte scharf nach, welche meiner Arbeiten er gelesen haben konnte, denn ich hatte kein Seminar bei ihm. „Deine Bewerbungsthesis“, klärte er mich auf und griff zu seinem Wasserglas. „Ah okay“, meinte ich nickend und aß langsam weiter. Es schmeckte köstlich, doch mein Magen sendete mir nur dumpfe Signale, dass er zu angespannt, zum verdauen war. Mir war es unangenehm, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. „Eine sehr gute Arbeit. Auch dein Forschungsdesign… sehr spannend.“ Ich nickte nur, um zu zeigen, dass ich zugehört hatte und legte das Messer nervös ab. „Deine Ansichten mögen nicht immer gängig oder zutreffend sein, aber verdeutlichen interessante Richtungen“, lobte er mich. „Sag, worin schreibst du deine Abschlussarbeit des Semesters?“ „Im Modul Tumorerkrankungen. Wahrscheinlich über die onkologische Sichtweise und die neuste Therapiemethode. Ich muss das aber noch abklären“, teilte ich mit. Mr. Cullen nickte und nahm sich ein Stück Brot. Ich widmete mich wieder meinem Essen, meine linke Hand, ohne das Messer, an die Tischkante geklammert. „Würdest du mir erlauben, sie zu lesen?“, fragte Mr. Cullen nach einer grüblerischen Pause. Ich sah auf. „Ich habe Einsichten in alle Arbeiten, die an der Uni verfasst und dann im Archiv gelagert werden. Allerdings frage ich Studenten, wenn ich sie denn kenne, gerne vorher.“ Er lächelte milde. Ich wollte gerade antworten – natürlich zustimmen, das wäre eine Ehre! –, als ich etwas an meiner linken Hand spürte. Edward schob seine Hand zaghaft über meine. Ich unterband die Berührung sofort und ließ meine Hand auf meinen Oberschenkel, unter den Tisch gleiten. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Edwards Hand wieder langsam zur Gabel ging. Ich versuchte ruhig zu atmen, obgleich dies wie ein elektrischer Schlag meinen ganzen Körper durchfahren hatte und mich innerlich erzittern ließ. Mein Herz schien unregelmäßig und dumpf zu schlagen. „Bella? Alles in Ordnung? Fühlst du dich nicht wohl?“, fragte Mrs. Cullen nach. „Doch, ich- ich hab nur keinen Hunger mehr- danke, es war sehr lecker“, ratterte ich runter und ließ das Besteck nun endgültig, doch leider geräuschvoll, liegen. Ich bemerkte auch Mr. Cullens fragenden Blick. „Natürlich, sicher“, antwortete ich dann endlich auf seine Frage. „Ich- ich denke… ich glaube, ich gehe jetzt“, fügte ich durcheinander hinzu – wohl wissend, wie unhöflich es war, sich zu verabschieden, wenn die anderen noch nicht fertig waren. Ich stand auf und dachte nicht mal daran, meinen Teller wenigstens in die Küche zu bringen. „Ich komm’ klar“, meinte ich zu Edward, um ihm verstehen zu geben, dass ich mit dem Bus fahren würde. Mit welchem auch immer. „Ich bin auch fertig, ich bringe dich nach Hause“, ignorierte Edward meinen Wunsch. Ich würde es über mich ergehen lassen und nicht noch taktloser sein, kam ich zu dem Schluss, als ich überlegte Widerstand zu leisten. Knapp nickend, bedankte ich mich noch mal und verabschiedete mich. Edward hatte schon meine Sachen von der Treppe geholt und ich eilte, so schnell, dass es nicht fliehend aussah, aus dem Haus – doch, es sah nach Flucht aus. Ich konnte ihn nicht mal anschreien oder dergleichen. Nicht mal fragen, was das sollte, warum er das tat und- und ob er irrtümlich glaubte, dass er das durfte, nur weil er mit mir Klavier gespielt hatte. Nicht mal das, hatte ich eigentlich gewollt – ich hatte es nur nicht verhindert. Aber die Berührung eben hatte sich auch ganz anders angefühlt… Ich schüttelte zur mir selbst den Kopf und versuchte mich auf andere Gedanken zu bringen. Kein Wort verließ meine Lippen. Ich war einfach zu geschockt, von der ganzen Situation eben, von dem ganzen Tag, der bisher überwältigend auf mein Empfinden eingewirkt hatte. Was dachte jetzt seine Familie von mir?, kam es mir in den Sinn. Sie würde mich für durchgeknallt oder gestört halten. Hatten sie das mit der Hand gesehen?, stellte ich mir weiter Fragen, die ich mir nicht beantworten konnte. Edward und ich schwiegen uns auf der Autofahrt an. Meine linke Hand hielt ich fest in der anderen. Ich hatte keine Erklärung für mein Verhalten und warum er mich so aus der Fassung gebracht hatte. Doch für eines hatte ich eine Erklärung: Nämlich dafür, warum Edward in der nächsten Zeit ab und an bei mir zu Hause sein würde – zu ihm würde ich nie wieder gehen. Funkstille. Wieder mal. Mr. John fehlte immer noch – auf unabsehbare Zeit. Das hieß, dass Edward und ich uns ein bis zwei Mal die Woche treffen mussten. Ich bestand darauf, dass er, wenn wir schon nicht in der Uni blieben, zu mir kam. Kein Kochen, keine Nettigkeiten, kein Klavierspielen in der Uni, nichts. Wir redeten das Nötigste und zogen das auch durch. Es war richtig, doch ich fühlte mich falsch. Ich bemerkte, dass es mir immer schwerer fiel, ihn zu ignorieren, ihn anzusehen und ich wusste nicht mal, wieso. Ich konnte nicht mal mehr lächelnd in den Spiegeln sehen. Ich verstand einfach nicht, warum das harte Gefühl in meinem Magen nicht wegging und durchgehend blieb. Ich wollte hier doch nur studieren… Selbst meine Mutter schöpfte – allein schon durch das Telefon – Verdacht. „Schatz, was ist denn los mit dir? Bei jedem Gespräch bist du völlig wortkarg in letzter Zeit und irgendwie abwesend…“, fragte sie misstrauisch nach. „Ach, das kommt dir nur so vor“, entgegnete ich. Super Spruch, Bella. „Hast du Stress in der Uni? Oder Probleme mit den Studenten?“ „Nein… nein, nein, es ist alles gut“, redete ich mich raus. „Mach dir keine Sorgen…“ Sie wartete und ich wusste, dass das ihr das nicht reichte. „Es ist nur… bald sind die Vorprüfungstests und… na ja, auf Englisch und die Abschlussarbeit muss ich auch so langsam beginnen…“ „Ach Liebling, das schaffst du mit links! Oh halt, nein, falsch, das darf ich ja nicht sagen.“ Sie räusperte sich theatralisch. „Du hast viel gelernt und hart gearbeitet und dafür wirst du gebührend belohnt werden.“ Sie lachte herzlich. „Mhmmmm…“, machte ich. Ich hatte ihr mal „verboten“, dass sie sagte, ich schaffe das locker, das wird schon und so weiter… ich fand, dass das abwertend gegenüber dem klang, was man leistete. Aber das war schon lange her. „Kann ich dich damit aufmuntern, indem ich dir sage, dass ich Anfang nächsten Jahres noch zwei Abschlussuntersuchungen habe und es sehr gut für mich aussieht?“ „Das freut mich unglaublich“, sagte ich matt. Überzeugend, Bella!, verdrehte ich innerlich die Augen. „So kenne ich dich gar nicht. Du warst immer fröhlich. Selbst, wenn es mir schlecht ging oder Phil pessimistisch war“, wand meine Mutter ein. Ich ließ mich tief ein- und ausatmend aufs Bett plumpsen. „Oder…“, begann sie verheißungsvoll. „Mum, ich muss Schluss machen“, kündigte ich an. Bevor sie irgendwelche abstrusen Ideen hatte. Um mich sollte sie sich als letztes kümmern. „Ich muss noch ein bisschen Stoff wiederholen. Hab dich lieb, bis dann.“ „Ich dich auch, tschüß Schatz.“ Ich pfefferte den Hörer neben mir auf die Bettdecke und langte nach dem Bilderrahmen von Zoey, der mir zuerst ins Sichtfeld kam. Das hatte ich ihr auch noch nicht erzählt… oder wollte Dad das gar nicht? Das müsste ich mit ihm auch noch klären… Was ich durch die Spiegelung im Rahmen dann aber erblickte, war jedoch ich selbst. Lächeln, sagte ich mir und zog die Mundwinkel hoch. „Geht doch“, murmelte ich. Sofort senkte ich sie wieder. Ich stellte den Rahmen zurück. Lächeln widersprach allem, was ich fühlte. Und was ich fühlte, wusste ich nicht mal. Ich biss mir mit den Vorderzähnen fest auf die Unterlippe, doch helfen tat es nicht. Die Tränen kamen in mir hoch, die ich zwar schnell wegblinzelte, eine jedoch stahl sich hindurch. Rasch wischte ich sie weg. Ich machte zwei Schritte zum Schreibtisch, nahm Zettel und Stift, um irgendwas, sinnloses wie sinniges, zu schreiben und begann letztlich meine Zusammenfassung abzuschreiben. Meine Gedanken schweiften jedoch selbst beim kopieren des Textes immer wieder ab, sodass ich inne hielt. Mit den Fingerkuppen fühlte ich vorsichtig, als würde etwas geschehen, wenn ich es tat, über meinen linken Handrücken. Mein Blick fiel auf die Narbe der anderen Hand. Ich schlug mit den Händen auf dem Tisch auf. Es reichte. Verdammt noch mal! In den nächsten zwei Wochen waren in jedem Seminar kleinere bis größere Tests, die Laborarbeiten mussten weiterhin selbstständig gemacht werden und die Abschlussarbeit bedarf der Vorbereitung – konzentrier’ dich auf dein Ziel und genieße es hier zu sein!, sagte ich mir eindringlich. In drei Monaten war alles bereits vorbei… „Denken Sie bitte an den morgigen Test und entsorgen Sie alle Stoffe, da wir uns ja erst nächste Woche wieder sehen“, gab Mr. Pomary zu Bedenken und klaubte seine Sachen zusammen, wie wir auch. „Wartest du noch einen Augenblick, Bella?“, fragte Edward mich, als ich, schneller als er, fertig bepackt meinen Stuhl ran rückte. „Ist noch was? Wegen morgen?“, fragte ich distanziert. Mir schlotterte es in den Knien – wie immer – wenn ich an die Prüfung, na ja den „Test“, dachte. „Nein, etwas anderes…“, meinte Edward und schaute nicht auf, während er seine Unterlagen einsammelte. „Dann muss das warten“, gab ich ihm zu verstehen. „Die Vorprüfungsphase beginnt und ich habe keine Zeit für ‚etwas anderes’.“ Meine Wörter klangen kühl, meine Stimme nicht. Halbherzig. „Eine Sekunde, Bella, bitte“, bedeutete er nachdrücklich, als ich mich weggedreht hatte. Bleib standhaft, sagte ich mir und ging einfach. Er war noch beschäftigt und ich hatte einen Vorsprung. Ich schaute mich flugs um, aber er kam mir nicht hinterher. Ich verlangsamte meine Schritte deutlich. Egal, was es war, es war etwas, was ich bestimmt nicht hören wollte, vermutete ich sehr sicher. Ach Mist, schimpfte ich innerlich. Ich war in der Eile in die falsche Richtung, zum Sekretariat hin, gelaufen. Da musste ich zwar auch noch hin, aber mein Seminar jetzt war wichtiger. Na gut, dann machte ich eben einen Umweg, um nicht am Labor entlang zurück zu laufen, nahm ich mir vor. Kaum war ich um die Ecke gebogen, erschrak ich und sog zischelnd Luft ein. Hinter der Biegung stand Edward, an die Wand gelehnt. Ich öffnete den Mund, um ihn lauthals zu fragen, was er hier tat und was das sollte, doch ich verkniff es mir, neigte den Kopf und wollte an ihm vorbei gehen. Mein Herz klopfte noch rascher von dem Schreck. „Bitte Bella, ein Wort“, bettelte er nahezu und streckte den Arm gerade heraus, in den ich fast hineingelaufen wäre. „Gut“, presste ich zwischen den Lippen hervor und blieb seitlich zu ihm stehen. „Wir würden uns sehr freuen, wenn du den Weihnachtsabend bei uns verbringst. Falls du noch nichts anderes vorhast“, sagte er auf. So klang es zumindest. „Hab ich“, äußerte ich mich schnell, zu schnell, da er mir die perfekte Ausrede serviert hatte. So schlagfertig wäre ich von allein nicht gewesen. „So?“ Edward zog die Augenbrauen hoch. „Ähm…“, versuchte ich Zeit zu schinden, doch er schien sofort gewusst zu haben, dass ich log. „Meine Eltern würden sich sehr freuen – und ich auch“, fügte er hinzu und ich spürte seinen Blick auf meiner Wange brennen. „Meine Mutter hat sehr gerne viele ‚Kinder’ um sich und sie mag dich. Sie hätte dich sehr gerne dabei. Sie findet nicht, dass du Weihnachten allein sein solltest und dann wohlmöglich auch noch lernst.“ „Richte ihnen meinen Dank aus, ich habe schon… eine Verabredung“, murmelte ich mit gesenktem Blick und wollte weiter gehen. „Hier.“ Er hielt mir, direkt vor meiner Nase, einen weinroten Briefumschlag hin. „Das ist die Einladung. Meine Mutter hat sich viel Mühe gemacht, bitte nimm sie – und überlege es dir.“ „Na schön“, formten meine Lippen flüsternd und ich nahm den Brief an mich. „Es wird nichts“, begann er leise, als ich eigentlich weiter gehen wollte, „dieser Art vorkommen.“ „Es geht nicht.“ Ich lief endgültig an ihm vorbei. ----------- Freue mich sehr auf kommis :-* und schon ma frohe weihnachten und besinnliche feiertage, da das nächste kap erst nach dem 24. kommen wird ;):) Kapitel 10: Reprise: Zerrissen - Teil 3 (Edward & Bella) -------------------------------------------------------- @Sifafe/@all das hab ich letztes mal vergessen gehabt... du hattest in einem kommi geschrieben, dass ich an mehren FFs schreibe, dem ist aber nicht so... ich weiß nicht, woran du das ersehen hast, aber ich schreibe derzeit nur an SM ^^ die 3 i-saga teile sind ja fertig ^^ ich schreibe in der regel grundsätzlich nur an einer FF, damit ich voll und ganz auf diese konzentrieren kann ;) ---------------- So ihr lieben ^^ ich hoffe ihr hatte/habt schöne weihnachten und hier der neue kapitel - passend "weihnachtsplanung";) - als kleines weihnachtsgeschenk :) viel spaß damit! :love: Musik: Rosi Golan - Think of me http://www.youtube.com/watch?v=6Jl9z9-dFz4&feature=PlayList&p=5403626F66D7C09D&playnext=1&index=13 & Trademark - Only Love http://www.youtube.com/watch?v=7wn_R0749ok also das erste lied hat was von "leicht verliebt", ein wenig schwärmend bzw., dass sich etwas anbahnt ;) das zweite hat eher einen unschönen/traurigen beigeschmack iwie ... passend, wie ich finde ^^ :) p.s. i love emmett :D ^^ Bild zum Kap-teil: http://img401.imageshack.us/img401/4941/bannerrepriseteil3.jpg Edward „Sie wird nicht kommen“, murmelte ich, als ich das Wohnzimmer betrat – oder es versuchte. Meiner Mutter stand ein neuer Auftrag ins Haus und dafür nahm sie immer für ein paar Stunden die ganze Fläche des Wohnzimmers in Beschlag. Auf dem Boden waren unendlich viele Skizzen und Pläne verteilt. Sie sagte, sie bräuchte die Übersicht am Anfang, ehe sie aussortierte und oben, in ihrem Büro, weiter arbeitete. Alice war bei ihr und schaute ihr, rein interessehalber, über die Schulter. „Wirklich? Bist du dir sicher?“, fragte sie traurig nach, nachdem sie zu mir aufgesehen hatte und mitten zwischen den vielen Papieren stehen geblieben war. „Sie ist sehr dickköpfig und sie nimmt mir die Sache mit der Hand übel“, meinte ich nur und senkte grübelnd den Blick. „Kein Wunder, wie kannst du auch nur ihre Hand streicheln“, war es neckend hinter mir zu hören. Emmett kam mit Rosalie ins Zimmer. Er hielt präsentierend seine Hand in Rosalies hoch. Rosalie grüßte kurz in die Runde. „So ist sie aber nicht – und das hätte ich wissen müssen“, erwiderte ich. Während Rosalie am Tisch wartete, sah sich Emmett suchend in Küche und Kühlschrank um. „Ja, es ist auch ein Schwerverbrechen“, spaßte Emmett. „Jeder hat das Recht zu bestimmen, wer einen wo berührt und wer wo nicht, Emmett“, schaltete sich meine Mutter ein. „Schon klar, aber ich dachte, du hast mit ihr Klavier gespielt…“, fuhr er, die Nase in den Kühlschrank steckend, fort. „Das ist doch noch viel mehr, als-“ „Es hat aber eine andere Bedeutung“, unterbrach ich ihn. Ich hatte mich auf einen freien Zipfel der Couch gesetzt und beobachtete meine Mutter bei ihrer Arbeit. „Ja, schon klar, Hand berühren heißt: Ich will mit dir ins Bett – sofort“, lachte Emmett. „Für sie scheinbar schon“, murmelte ich zu mir, sodass ich mir sicher war, Emmett würde es nicht hören. Er reichte Rosalie ein paar Getränke, nahm selbst ein Tablett mit Kleinigkeiten zu essen und stiefelte mit ihr hoch. Ich sah ihm tief ein- und ausatmend nach. „Jedenfalls wird sie nicht kommen…“ „Welch’ Verlust“, grummelte Alice, die meiner Mutter gerade eine Papierrolle reichte. „Sag mal, was hast du eigentlich gegen sie?“, fuhr ich Alice an. „Ständig wetterst du gegen sie, dabei kennst du sie gar nicht! Außerdem mochtest du sie doch am Anfang…?“ Alice ging gar nicht darauf ein und schwieg. Sie warf mir nur einen vielsagenden Blick zu. Ich seufzte laut und verdrehte die Augen. „Du kannst sie doch nicht ernsthaft wegen der Sache mit Tanya nicht mögen?! Das ist nicht fair, sie hat damit nichts zu tun!“, versuchte ich ihr etwas lauter klar zu machen. „Kaum ist sie da, ist Tanya abgemeldet und du servierst sie ab“, knurrte Alice. „Das ist doch was ganz anderes!“ So langsam wurde ich wirklich sauer. „Kannst du nicht mal über deinen Schatten springen und Tanya außen vor lassen? Meine Trennung von Tanya hatte nichts, rein gar nichts, mit ihr zu tun!“ „Du tust dem Mädchen Unrecht, wenn du sie wegen einer Sache verurteilst, von der sie nicht mal etwas weiß“, meinte meine Mutter. „Ich glaube, dass sie ein sehr liebenswerter Mensch ist – wenn auch etwas verschüchtert.“ „Das denke ich auch“, bezog ich mich auf ersteres und dachte an den Tag zurück, an dem ich bei ihr am Bett gesessen hatte und die Finger über ihre unschuldige Haut hatte gleiten lassen… Ich riss mich aus den Gedanken und bemerke Alice’ Blick. Sie sah rasch fort. Ihre Gesichtszüge waren weicher geworden – denn sie wusste, dass wir recht hatten und Alice war kein von Grund auf böser oder nachtragender Mensch. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen mit Bella, war sie wesentlich freundlicher gewesen. Sie schrieb Bella eine Schuld zu, von der sie weder etwas wusste, noch für die sie etwas konnte. „Vielleicht“, wisperte Alice und stand aus der Hocke auf. „Ich arbeite oben weiter an meiner Kollektion.“ Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Bella kommt. Um ihr zu beweisen, dass ich sie nicht bedrängen wollte und auch, wegen meiner Eltern. Meine Mutter gab es nicht so sehr zu, doch sie hätte Bella unheimlich gerne bei sich gehabt. Sie hatte einen beschützenden Instinkt und Bella war tendenziell jemand, der einem Schutz, vorwiegend vor sich selbst, bedarf. Sie ließ ihre Gefühle nicht zu – jeder Art. Auch, wenn es um Krankheit ging. „Vielleicht, sagt sie ja doch noch zu“, versuchte meine Mutter mich aufzumuntern. Ich schüttelte langsam den Kopf. Ich wusste keinen Grund, warum sie ihre Meinung ändern sollte. Wegen mir bestimmt nicht. „Möglicherweise ist sie wirklich bei ihrem Vater“, überlegte ich laut. „Hm?“, machte meine Mutter und schaute über die Schulter zu mir. Ich schüttelte wieder nur den Kopf. Bellas Reaktion war zu deutlich gewesen. Sie hatte keine Verabredung. „Ich geh mal hoch…“, murmelte ich nur und überlegte, ob mir gerade nach Klavier spielen war. Eigentlich konnte ich das immer. Es kam nur auf das Lied an. Vielleicht sollte ich die verhasste Symphonie üben, es passte zu meiner Stimmung. Ich setzte mich in meinem Zimmer ans Klavier. Meine Eigenkompositionen lagen immer noch durchgestrichen auf dem Boden neben dem Flügel. Ich erinnerte mich an das Klavierspiel mit Bella. Das war wirklich etwas anderes gewesen, als ihre Hände- Ich würde ihr etwas schenken, kam es mir auf einmal in den Sinn. Nicht zu Weihnachten, das würde sie nicht wollen. Es würde sie vielleicht eher kränken. Nein, ich brauchte eine bessere „Ausrede“… die Zusammenarbeit mit ihr im Labor, überlegte ich. Dagegen könnte sie nichts sagen, weil es eine Tatsache war. Und das wusste sie. Egal, wie sehr sie sich gegen die Laborstunden mit mir sträubte, unsere Ergebnisse waren exzellent. Und ich hatte auch schon eine großartige Idee, was ich ihr schenken würde. Vielleicht könnte Alice mir helfen, wenn sie denn wollte. Ich würde mich noch heute darum kümmern, damit es rechtzeitig fertig wurde. Ich schmunzelte und begann zu spielen, irgendwas, und dachte an Bella… Bella Liebe Bella! Wir würden uns sehr freuen, wenn du am 25. Dezember mit uns Weihnachten feierst und wir möchten dich hiermit von ganzem Herzen einladen. Wir sind der Meinung, dass Weihnachten niemand allein gelassen werden sollte und da du Edward viel bedeutest, würden wir dich sehr gerne dabei haben. Bitte erfülle uns diesen Wunsch. Das würde dieses Weihnachtsfest auch für uns zu etwas ganz besonderen machen. Liebe Grüße, Esme & Carlisle Cullen Ich atmete tief durch und begutachtete die Karte in meinen Händen, während ich in der Bibliothek in meiner Lieblingsecke saß. Die Karte war gleichfarben wie der Umschlag und aus dickerer Pappe. Vorne drauf klebten Schneeflocken, die zuvor aus weißem Stoff genäht worden waren. Jede wurde von einem leichten Goldschimmer umrahmt. Mrs. Cullens Schrift, so mutmaßte ich, war sehr geschwungen und passgenau in goldenen Buchstaben verfasst. Mit Nadel und goldenen Bindfaden war auf der Rückseite mein Name in die Pappe gestickt worden. Eine unglaubliche Kleinstarbeit. Ich fuhr mit den Fingern darüber. Die Worte hallten in mir. Besonders sechs davon… (Wusste er eigentlich, was seine Mutter geschrieben hatte?, fragte ich mich kurz.) und da du Edward viel bedeutest… Das war der Grund, weshalb ich nicht wollte – eigentlich nicht wollte. Und alle anderen, in der Einladung genannten, sprachen dafür. Vor allem mein schlechtes Gewissen über mein desolates Benehmen den Cullens gegenüber, die stets so nett zu mir waren. Es biss mich innerlich immer heftiger, je mehr ich auf diese Karte starrte. Eine Absage war unmöglich. Ich würde mich noch schlechter fühlen, aber… Ich stellte die Karte sorgsam auf den Tisch vor mir, obwohl mir eigentlich danach war, sie wegzuwerfen, zu zerreißen. Warum gerade jetzt? Jetzt, wo morgen der Test war… Mein Kopf schien zu zerspringen. Ich lehnte mich hinten an den Stuhl an und presste die Arme um meinen Bauch. Es herrschte völliges Durcheinander in mir. So viele Gefühle, die ich nicht und zu viele Gefühle, die ich definieren konnte, peitschten auf mich ein und sagten eines: Ich hatte keine Wahl. Mit pochendem Herzen schrieb ich den Test. Ich war immer nervös bei Tests oder Prüfungen allgemein, ob jetzt mehr oder weniger, wegen der ganzen Sachen drum herum, wusste ich nicht. Sonst hatte mich ja auch viel wegen meiner Mutter belastet und es hatte ebenfalls alles wunderbar geklappt. Allerdings war das hier… etwas ganz anderes… „Edward? Wegen Weihnachten“, sprach ich ihn an, als er mir nach dem Test in der großen Halle vor der Mensa über den Weg lief. Er hatte den Test nicht mitgeschrieben und ich hatte zwar gehofft, dass ich ihn unterwegs nicht traf, doch es war mir nicht vergönnt gewesen. Er wartete schweigend. „Wie… würde das ablaufen? Ich meine wann und so…“, erkundigte ich mich. Zwar hatte ich ethisch keine andere Möglichkeit, als zuzusagen, doch ich wollte vorher wenigstens wissen, was mich erwartete. „Du würdest zum Abendessen kommen, wir sind morgens immer bei einer befreundeten Familie, bzw. ich würde dich abholen und das war’s“, erklärte er ein wenig verdutzt von meiner Frage. „Das heißt, du darfst so lange bleiben wie du willst. Meist spielen wir noch Klavier oder reden einfach, stoßen an, das übliche eben.“ Edward und ich standen uns in einem so großen Abstand gegenüber, dass man meinen konnte, wir unterhielten uns gar nicht. Es war, als wäre zwischen uns eine imaginäre Trennlinie, die keiner von uns in diesem distanzierten Moment zu überschreiten vermochte. „Okay, ähm…“ Nun zu den beiden (noch) unangenehmeren Parts. Der weniger peinlichere vielleicht zuerst, überlegte ich. „Ich… ich hab hier keine, na ja, ‚Abendgarderobe’ und-“ „Das ist kein Problem“, fiel er mir ins Wort. „Wie du vielleicht mitbekommen hast, studiert meine Schwester Modedesign und sie würde sich bestimmt riesig freuen, auch etwas für dich schneidern zu dürfen.“ „Das- das ist nicht-“, stotterte ich und drückte meinen Ordner fest an meine Brust. „Sie macht das sehr gerne. Und für Model stehen hinsichtlich Kleider, sind zu viele Männer im Haushalt.“ Er lächelte schmal. „Du müsstest nur einen Tag kurz vorbei kommen.“ Diese Bedingung passte mir gar nicht. Ich machte Anstalten zu widersprechen. „Oder sie kommt zu dir. Ist vielleicht einfacher. Ich halte mich da raus“, meinte er abwehrend und schaute lange zu mir. „Dann kommst du…?“, wollte er vorsichtig wissen. „Da ist noch etwas…“ Und das war das noch peinlichere. Ich hatte mich nie für so etwas geschämt, doch in diesem Augenblick… und wenn ich dann Weihnachten zu den Cullens kam… Ich schluckte hart. „Wegen der Geschenke… also…“ „Wir schenken uns sowieso nichts mehr“, unterbrach mich Edward. Er wusste; worauf ich hinaus wollte. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht fünf Geschenke kaufen konnte, hätte ich auch keine Ahnung gehabt, was ich ihnen schenken sollte. „Du brauchst rein gar nichts mitbringen“, verdeutlichte er. „Wirklich.“ „Aber ich möchte auch keine Geschenke von euch“, erwiderte ich leicht vorwurfsvoll. „Es wird dich keiner in Verlegenheit bringen“, versprach er. „Okay gut. Ähm, dann… gut“, sagte ich leise. Edward lächelte leicht. „Ich würde dich dann so um sechs abholen. Ist das okay?“ Ich nickte. „Alice meldet sich selber bei dir. Würdest du mir deine Nummer für sie geben?“ Er holte aus der Hosentasche sein Handy heraus und blickte mich erwartungsvoll an. „Vom Wohnheim? Oder die Handynummer?“, wollte ich perplex wissen. „Wie du magst“, entgegnete er. Ich sagte ihm beide Nummern auf, denn ich würde, während der Vorprüfungszeit, nicht allzu häufig zu Hause sein, und er versprach, dass Alice sich um alles kümmerte. „Bella?“, sagte er noch, als ich mich nickend wegdrehen wollte. „Nicht nur meine Eltern werden sich freuen… ich tue es auch.“ Ich wand den Kopf um und entfernte mich von ihm. Wenn ich gewusst hätte, dass alles anders enden würde, hätte ich mein schlechtes Gewissen vielleicht doch in Kauf genommen… Bis Weihnachten waren es noch zweieinhalb Wochen. Da der 25. auf einen Samstag fiel, hatten wir noch bis Mittwoch Uni und danach erst frei. Da ich aber insgesamt vierzehn Tests schrieb, war mir die längere Vorprüfungszeit sehr lieb. Die Häuser auf dem Weg zur Uni nahmen in der Vorweihnachtszeit täglich andere Formen an, so schien es. Genauso, wie man es von Bildern bzw. aus dem Fernsehen kannte. Bunt, leuchtend, ausgefallen. Es kündigte das Weihnachtsfest an. Passend dazu wurde es draußen immer kälter, bitter kalt, um genau zu sein. Es hatte noch nicht geschneit, doch die Temperatur sank stetig – gefühlt. Solange es nicht schneite, hier also keine Minusgrade herrschten, würde ich nicht auf den Bus umsteigen. Gerade jetzt kostete mich das zu viel Zeit. Alice rief mich wie abgesprochen an und meldete sich noch für das kommende Wochenende an. Als es schließlich klingelte, wurde mir ganz anders. Ich hatte gar nicht so bewusst darüber nachgedacht, dass sie mir gegenüber reserviert war und ich daraus schloss, dass sie mich nicht leiden konnte. Ihre Blicke hatten ihre Abneigung mir gegenüber nur zu gut deutlich gemacht. Da konnte ich mich einfach nicht irren. „Hallo Bella“, grüßte sie bepackt und glitt durch die Tür an mir vorbei. Zu meinem Unichaos kam nun ihr „Stoff-Nadel-Faden-Musterbögen-Chaos“ hinzu, sodass ich den Boden nicht mehr sah. „Ich muss dich erst ausmessen“, erklärte sie ohne große Vorrede. „Ziehst du dich bitte aus?“ So perplex von ihrem Verhalten, legte ich nicht mal Widerspruch ein und tat, wie mir geheißen. Ihr Gesicht wirkte entspannt und zeigte keinerlei Feindseligkeiten, was mich erst einmal überraschte. Sie vermaß mich zu allen Seiten, die man sich vorstellen konnte, ehe ich wieder in meine Klamotten schlüpfte. „Ich habe mal Stoffmuster mitgebracht, die ich auf jeden Fall zur Verfügung habe“, redete sie weiter, nachdem sie mich gebeten hatte, neben sich Platz zu nehmen. Sie fächerte eine Art „Kartei“ auf. „Zu braunhaarig mit braunen Augen mit natürlicher Blässe würde etwas Kräftigeres gut passen, also keine so dezenten Farben“, fachsimpelte sie unentwegt. „Daher empfehle ich eine von diesen dreien hier.“ Sie legte Dunkelblau, Violett und einen Farbton, den ich am ehesten als „Beere“ bezeichnen würde, auf den Tisch. Ohne lange nachzudenken, tippte ich wortlos auf Dunkelblau. „Gute Wahl“, meinte sie lächelnd. „Mitternachtsblau ist auch in meiner neuen Kollektion.“ Ich war von ihrem Verhalten total überrumpelt, dass ich erst mal nur reagieren konnte. Sie langte nach einem der drei großen Bücher auf dem Tisch. „Jetzt kommt es auf den Schnitt an bzw. wie gewagt-“ „Gar nicht gewagt“, warf ich sofort ein, damit keine Missverständnisse aufkamen. „Dachte ich mir.“ Sie grinste leicht. „Was hältst du von einem schulterfreien Kleid und dazu siehst ein kleines Jäckchen drüber“, wand sie rasch ein, als sie mein Entsetzen bemerkte. „Ich würde dann vielleicht am Bündchen oben eine flache Schleife einnähen und es in größeren Wellen fallen lassen… und dazu eine…“, sie schaute konzentriert in die Gegend, „eine weiße Strickjacke mit dunkelblauen Satinbändchen.“ Sie sah mich leicht nickend zu sich selbst an. „Was hältst du davon?“ „Klingt, ähm, gut“, sagte ich, obwohl meine Aufmerksamkeit mehr Alice galt, als dem Kleid. Tat sie das nur für Edward? Dass sie nett zu mir war? Oder weil sie ein Kleid schneidern und somit üben konnte? „Alice…“, begann ich, als sie sich auf einem Zettel Notizen machte und nun davon aufschaute. „Ich weiß deinen Aufwand zu schätzen, obwohl- na ja, obwohl wir nicht gerade befreundet sind und du mich, glaub ich, nicht sonderlich magst…“ „Tut mir leid, wenn das so bei dir angekommen ist“, entgegnete sie mit einem kleinen Lächeln. „Das war eine Sache zwischen Edward und mir und betraf nicht dich persönlich. Du solltest das nicht abbekommen. Ich habe nichts gegen dich“, ihr Lächeln wurde herzlicher, „besonders nicht, wenn du Weihnachten mein Kleid anziehst. Und glaub mir, du wirst umwerfend aussehen.“ Sie zwinkerte mir zu. Ich erwiderte ihr Lächeln und spürte, wie mein Herz aufgeregt pochte, wenn ich an Weihnachten dachte… es waren ja immerhin eineinhalb Wochen Testzeit, Weihnachten dauerte noch… „So ein Mist“, fluchte ich laut, als ich am Montag wach wurde und die Schneeflocken klebend an meinem Fenster bemerkte. Und es waren nicht wenige. Ich öffnete das Fenster, der Schnee kam mir entgegen, und hielt den Kopf heraus. Na Spitze. Ich hatte nachher einen Test, den durfte ich nicht verpassen. Auf keinen Fall. Und Ausreden würden die Dozenten wohl kaum zulassen. Ich machte mich so schnell es ging fertig und verließ das Haus. Ich hatte noch relativ viel Zeit und das war auch gut so, denn ich musste den Bus nehmen. Der Bürgersteig an der Hauptstraße lag unter Schnee verborgen. Nicht viel, doch mit normalen Schuhen kaum zu passieren. Hinzu kam, dass es weiterhin sanft von Himmel schneite. Es wirkte, als fielen die Flocken ganz langsam. An der Haltestelle links vom Haus waren schon ein paar Studenten versammelt. Auf der Hauptstraße fuhren zwar einige Autos, langsam und vorsichtig, aber sie fuhren. Die Straße war auch weitestgehend frei, schließlich war sie viel befahren, doch der Bus schien nicht zu kommen – sonst würden hier nicht so viele Studenten um diese frühe Uhrzeit herum stehen, oder? „Entschuldigung“, sprach ich den mir am nächsten stehenden an. „Ist hier in letzter Zeit ein Bus vorbeigekommen?“ „In der letzten halben Stunde nicht“, antwortete er mir und gähnte dann mit vorgehaltener Hand. Ich blickte nach links, die Straße herauf, dann nach rechts, den Weg hinab. Mehrere Male. Eine Dreiviertelstunde lang. Viel mehr Leute kamen auch nicht zur Haltestelle. Vermutlich standen die, die kein Auto hatten, bei dem Wetter gar nicht erst auf… Wenn ich jetzt losgehen würde und ich mich beeilte, dann würde ich es bis viertel nach acht noch schaffen, überlegte ich – allerdings durchnässt. Andererseits würde ich mich in der Mittagspause an einer Heizung trocknen können… Ich überlegte nicht mehr lang und ging los, den Schirm dicht an Kopf und Körper gepresst. Ob ich jetzt dort wartete oder nicht, mir würde sowieso eiskalt werden und etwas nasser oder weniger nass machte jetzt auch keinen Unterschied mehr. Ich blinzelte mit kleinen Augen gegen das grelle Weiß an. Der Himmel war komplett bewölkt, obgleich ihn auch nicht einen Hauch von Grau zierte. Meine Lippen zitterten leicht und meine Glieder schienen vor Kälte zu schmerzen. Dass meine Schuhe und Socken nass waren, spielte da auch keine gesonderte Rolle mehr. Neben mir fuhr ein Auto näher an den Bordstein heran und verlangsamte sein Tempo merklich. Ich blickte verstohlen auf. Ich kannte das Auto nicht und lief weiter des Weges. Erst Sekunden später bemerkte ich, dass das Auto neben mir herfuhr und plötzlich das Fenster geräuschvoll hinab glitt. Mr. Cullen beugte sich hervor und sein Gesicht erschien. „Steig’ ein Bella, ich fahre auch zur Uni“, fragte er nicht, sondern äußerte er direkt. Was sollte ich großartig diskutieren? Ich nickte und stieg in den großen schwarzen Wagen mit getönten Scheiben ein. „Vielen Dank“, murmelte ich mit trockenem Hals. „Du lernst auch nicht gerne aus deinen Fehlern, oder?“ Er wand den Kopf kurz zu mir und lächelte milde. „Ich meine damit nicht die Uni, sondern deine Erkrankung letztens.“ „Ja, schon… ich habe gleich einen Test und- Entschuldigung, ich mache alles nass“, fiel mir mit knirschenden Zähnen auf. Der Boden unter meinen Füßen war es schon und der Ledersitz unter mir wurde auch durch den tauenden Schnee auf meiner Jacke genässt. „Das trocknet“, sagte Mr. Cullen nur und klickte auf irgendwelche Felder am Touchscreendisplay. „Du sollst wenigstens Jacke und Schuhe ausziehen, sonst frierst du trotzdem“, wies er auf meine Kleidung hin. „Ja… ja, ich…“, druckste ich herum und entkleidete mich samt Schal, Mütze und Handschuhe. Die Füße legte ich direkt an die Lüftung. Wohlig stellte ich fest, dass ich meine Zehen wieder spürte. „Ich war das letzte Wochenende auf einer Tagung gewesen“, begann Mr. Cullen plötzlich zu erzählen, ohne, dass es irgendeinen Anhaltspunkt dafür gab. „Nur, damit du dich nicht wunderst, dass ich aus der falschen Richtung kam.“ Jetzt, wo er es sagte, fiel es mir auch auf. Die Cullens wohnten auf der anderen Seite der Universität. „Sehr spannend, hätte dich bestimmt auch interessiert. Es ging um neue Technik des Mikroskopierens ohne Elektronenmikroskop.“ Ich schaute mit den Augen zur Seite. Er wirkte unverändert freundlich, als wäre nichts gewesen. Sein Lächeln war nicht aufgesetzt und der Plauderton ehrlich. Doch ich musste das Thema ansprechen. Es bereitete mir Bauchschmerzen. „Mr. Cullen… mein Benehmen letztens… es tut mir leid. Das war sehr unangebracht.“ Er wand den Kopf zu mir und lächelte mit kleinen Augen. „Bella, wenn mein Sohn zu weit geht, hast du jedes Recht der Welt, es zu unterbinden und es ihm begreiflich zu machen – auf deine Art und Weise. Meine Frau und ich nehmen dir das nicht übel“, sagte er sanftmütig. „Du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen.“ Ich nickte schuldbewusst. Er konnte sagen, was er wollte, aber rechtfertigen, konnte man mein Verhalten, meiner Meinung nach, nicht. „Umso mehr freuen wir uns, dich Weihnachten besser kennen lernen zu dürfen. Meine Frau ist da ein wenig… sagen wir ‚gutmütig fanatisch’, wenn es um die Freunde unserer Kinder geht. Sie gehören für sie mit zur Familie und sie liebt es, alle um einen Tisch zu haben. Egal, ob feste Freunde oder nicht“, fügte er bedeutungsvoll hinzu. Ich lächelte schmal, weil ich wusste, dass er auf Edward und mich anspielte. „Sie hat es auch bedauert, dir nichts schenken zu dürfen, aber keine Sorge“, beschwichtigte er, „das respektieren wir natürlich. Meine Frau hat sich die Woche vor Weihnachten frei genommen“, er schnaubte grinsend auf, „na ja, sie ist freiberufliche Innenarchitektin und ‚frei genommen’ kann man eigentlich nicht sagen… wie auch immer, sie möchte dieses Jahr ein klassischeres, amerikanischeres Weihnachtsfest veranstalten, damit du auch etwas von unserer Kultur kennen lernst. Glaube mir, sie hat viel Spaß daran – auch wenn sie sich an den Kitsch nicht so halten wird und es vielleicht doch nicht so klassisch werden wird.“ Er lächelte breit. So viel Mühe… dachte ich. Nur wegen mir. Ich hatte richtig gehandelt und entgegen meiner Präferenzen zusagt. „Sie können mich an den Treppen vor der Uni am besten rauslassen“, schlug ich wenig später vor, als die Uni in Sicht kam. „Und dafür sorgen, dass du noch mal nass wirst und dir auf der vereisten Treppe noch etwas brichst?“ Er lächelte neckend. „Ähm…“ Ich erwiderte sein Lächeln. „Ich fahre in die Tiefgarage, dann sind wir direkt im Gebäude. Bist du denn wieder einigermaßen trocken?“, wollte er von mir wissen. „Ich denke schon, danke noch mal für’s mitnehmen“, sagte ich mit einem kurzen Blick zu ihm. „Hast du dir schon etwas für die nächsten Tage überlegt?“ Er fuhr fort, als er mein fragendes Gesicht bemerkte. „Wenn es weiter so schneit bzw. so kalt bleibt, kannst du die ganze Strecke nicht jeden Tag hin und zurück laufen. Wenn du krank wirst, kannst du deine Tests auch nicht schreiben“, gab er zu bedenken. „Ich weiß… aber ich habe ja keine andere Wahl-“, begann ich, als Mr. Cullen die Tiefgarage erreichte und hinein fuhr. „Du könntest Hilfe von uns annehmen und dich von einem von uns abholen lassen. Von mir zum Beispiel oder meiner Frau. Oder wenn Alice oder Emmett auch um diese Zeit zu Uni müssen und selbst wenn nicht-“ „Mr. Cullen, das ist wirklich sehr nett“, fiel ich ihm so sanft wie möglich ins Wort, „aber ich komme klar und es ist ja bald frei.“ „Bella, es wäre kein großartiger Umstand für uns, das bitte ich dich zu bedenken. Ich akzeptiere deine Entscheidung natürlich, aber nur, wenn du an Weihnachten wirklich bei uns und nicht im Bett bist“, meinte er mit einer Sanftmut und Ruhe, welche ihn nie zu verlassen schien. „Versprochen“, sagte ich. Recht hatte er, doch die Hilfe wollte ich trotzdem nicht annehmen – auch, wenn er Edward vorhin nicht aufgezählt hatte. Die Tests waren insgesamt freiwillig, jedoch von allen Studenten aus Prüfungsvorbereitungsgründen sehr begrüßt. Schrieb man sie mit, ging sie jedoch prozentual in die Gesamtnote ein – allerdings nur ein vergleichsweise gleicher Teil. Aufgrund dieser Zwanglosigkeit blieben die Studenten, die auf Bus und Bahn angewiesen waren, in dieser Woche zu Hause. Diese waren jedoch verschwindend gering. Eine „Freiwilligkeit“ gab es für mich nur theoretisch, weniger faktisch. Die Stipendiumskommission wollte natürlich Engagement und Leistung sehen. Die Vorprüfungstests zu verpassen, war dafür kein Indikator. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien, sodass ich zwar durchgefroren, aber nicht zusätzlich durchnässt bis auf die Knochen an der Uni bzw. später dann zu Hause ankam. Als die Wege die Tage einigermaßen begehbar waren, ging ich in die Stadt einkaufen. Doch nicht nur die normalen Lebensmittel wie sonst auch, sondern auch etwas für die Cullens. Natürlich hatten wir die „Geschenkeabsprache“ getroffen, dass hieß nicht, dass ich nicht den Anstand besaß, wenigstens etwas kleines mitzubringen. Außerdem hatte Edward vor seiner Familie meine – eigentlich nicht gesteigert vorhandenen – Kochkünste hervorgehoben und warum versuchte ich es dann nicht auf diesem Wege? Ich hatte mit meiner Mutter einen Weihnachtstag mal Pralinen selbst gemacht, mit verschiedensten Zutaten. Ich kaufte Butterkekse zum darüber krümeln, Marzipan, Krokant, Mandelsplitter, Kokosraspeln, Haselnussstückchen und mehrere Sorten Schokolade. Ich wollte ganz viele verschiedene Pralinen machen, das war nicht wirklich teuer, aber sah nach etwas aus. Während ich mit den Einkäufen das Treppenhaus und dann den Flur passierte, hörte ich das Telefon in meiner Wohnung klingen. Hastig ließ ich die Tasche draußen stehen, schloss eilig offen und langte nach dem Telefon, welches ich noch klingelnd erreichte. „Bella Swan?“, meldete ich mich leicht nach Luft schnappend. Mein Vater war dran. „Hey Bella, na, wie kommst du voran? Laufen die Tests gut?“, erinnerte er sich. Er klang munter, gar vergnügt. „Ja, ja, ich denke schon“, antwortete ich und holte in dem Zuge die Taschen rein. „Einen schätze ich eher mäßig ein, aber natürlich nur vom Gefühl her“, war ich ehrlich. „Morgen und dann noch drei nächste Woche, bis Weihnachtsferien sind.“ „Das hieße dann aber… jeden Tag ein Test, nicht wahr? Und die Ferien sind ja nur eineinhalb Wochen oder?“, fragte er nach. Dass er sich das alles so gemerkt hatte, bei unserem letzten Treffen… ich war überrascht. „Ja, richtig. Aber es geht. Ich habe ja viel Zeit hier“, beschwichtigte ich, denn ich wusste, dass er etwas anderes besprechen würde. Er fiel sofort mit Fragen ins Haus, das war nicht seine Art, wenn sein Gespräch nicht ein ganz bestimmtes Ziel hatte. Die Stille, die verging, bis er dann weiter sprach, bestätigte mir das. „Hör mal, Bella, hast du dir Gedanken wegen Weihnachten gemacht? Ich meine, jetzt bist du schon mal hier in Amerika, da dachte ich, dass du vielleicht kommen möchtest?“ Oh Mist. „Sue und ich sind mit Zoey den ganzen Vormittag bei ihren Eltern. Zoey übernachtet dort und wir kommen dann morgens dorthin nach. Aber wie wär’s, wenn du nachmittags kommst und zum Abendessen bleibst?“ Es lag so viel Hoffnung in seiner Stimme, dass mir schlecht wurde, wenn ich daran dachte, absagen zu müssen. Ich konnte den Cullens jetzt nicht mehr absagen. Alice schneiderte das Kleid, Mrs. Cullen machte einen riesigen Aufwand und ich hatte gerade alles für die Pralinen gekauft… Es tat mir in der Seele weh, das auszusprechen, wo ich doch kein Weihnachten nach meinem neunten Lebensjahr bei ihm verbracht hatte… „Ich würde dich dann abholen und wir feiern in Forks? Was sagst du?“, bot er weiter an. „Dad, ich… das tut mir leid, ich… ich wurde von einem- einem Kommilitonen eingeladen“, stotterte ich vor mich her, „und sie haben schon alles vorbereitet- Dad, das tut mir total leid, wirklich, ich weiß ja-“ „Nein ist okay, geh’ du mal zu deiner Einladung, du kannst da eine Woche vorher jetzt nicht mehr absagen. Ich hätte bei dem Treffen mit dir direkt fragen sollen, meine Schuld, das ist kein Problem, einfach Pech.“ Durch seinen Tonfall bemerkte ich, dass er bitter lächelte. „Dann ein zweiter Vorschlag. Komm doch am Sonntag, dann feiern wir eben zwei Mal Weihnachten, ich glaube nicht, dass Zoey was dagegen hätte.“ „Ja, das ist eine gute Idee! Gerne!“, stimmte ich zu. Wir vereinbarten alles und verabschiedeten uns dann. Er hatte sich so verändert… Ich vermutete, dass Zoey, neben Sue, eine ganz große Rolle spielte. Sein ganzes Auftreten war viel ausgeglichener, spontaner, fröhlicher. Schmunzelnd hielt ich den Hörer in der Hand. Ich zog tief die eisige Luft in die Lungen ein, als ich Mittwoch die Treppen, auf dem Weg nach Hause, herunter ging. Freizeit. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte freie Zeit, um meine Abschlussarbeit, die ich heute noch in einer Sprechstunde mit meinem betreuenden Dozenten abgesprochen hatte, zu beginnen. Ich würde die Tage bis zum Wochenende dafür arbeiten und recherchieren, damit ich mir die zwei Weihnachtstage „leisten konnte“. „Bella!“, rief jemand hinter mir her. Ich drehte mich um, allerdings mit etwas zu viel Elan. Ich erblickte Edward noch flüchtig, verlor dann aber den Halt auf den stellenweise vereisten Stufen und drohte die Treppe hinten hinüber zu kippen. „Nicht so hastig“, schmunzelte Edward, als er bei mir angekommen und mir einen Arm in den Rücken gelegt hatte, sodass ich wieder sicher stand. Mein Herz hatte kurz ausgesetzt, jetzt schien es übermütig oft zu schlagen. „Danke“, sagte ich, nachdem ich wieder Stimme fand und er den Arm von mir genommen hatte. Er lächelte leicht. „Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass Alice dich Samstag abholt, und zwar etwas eher, weil sie ja das Kleid mitbringt. Ist das in Ordnung?“ „Klar, sicher.“ Ich nickte nur. Wir standen einander gegenüber und sahen uns in die Augen. Sein Blick wirkte abwesend, doch gleichzeitig konzentriert. Ich würde so gerne wissen, was er jetzt denkt. Er sieht so aus, als ginge einiges in ihm vor- Was kümmerte es mich?! „Okay, bis dann“, meinte ich kurz angebunden und wand mich dann vorsichtiger von ihm ab. Meine Knie fühlten sich wackelig an und ich musste mich arg sammeln, damit ich keine Treppenstufe verfehlte. Ich schaute mich noch mal nach hinten um. Er war fort. -------- Würde mich sehr über kommis & einschätzungen freuen ^^ Kapitel 11: Reprise: Zerrissen - Teil 4 (Bella & Edward) -------------------------------------------------------- Es tut mir leid, ihr lieben, dass ich so spät bin -.- feiertage & neuer lap & baldige Prüfungen sind keine gute kombi *seufz* -.- aber jetzt, hier ist das neue chap ;) noch ein wenig nachweihnachtliche stimmung und.... prickeln :P ;)^^ viel spaß ^^ Musik (in dieser Reihenfolge): The Shins - New Slang http://www.youtube.com/watch?v=QD7qIthSdkA'] & Joshua Radin - Only You http://www.youtube.com/watch?v=XYt6lULjRow&feature=PlayList&p=281162B47B173B93&playnext=1&index=7 & Leona Lewis - Broken http://www.youtube.com/watch?v=HhBlLe_F2NA&feature=PlayList&p=F692A1C29993B942&playnext=1&index=1 => Mit dieser Liedauswahl bin ich sehr zufrieden, auch, weil ich glaube, dass durch den Text sehr schnell deutlich wird, ab wann das nächste Lied passt...^^ vor allem die beiden letzten waren sehr inspirierend für mich :) Bild zum Kap: http://img228.imageshack.us/img228/7858/bannerrepriseteil4.jpg Bella Ich hatte mir für die Tage dieser Woche einen Zeitplan aufgestellt. Donnerstag hatte die Abschlussarbeit im Vordergrund gestanden. Dabei hatte ich die einzelnen Etappen eingeteilt, die aber vorwiegend „Bibliothek“ und „Literatur- und Internetrecherche“ hießen. Freitag ebenso, allerdings hatte ich die Pralinen, welche die Nacht im Kühlschrank verbrachten, auch fertig gestellt. Heute jedoch blieb nur Zeit bis zum frühen Nachmittag, um Sämtliches für die Uni zu erledigen. Ich hatte für die Pralinen eine ovale, normale Glasschüssel besorgt, auf der ich diese anordnen wollte, und Alice kam auch gleich. Durchdringend erklang die Schelle. Ich schaute über die Schulter zur Uhr. 17 Uhr? War das etwa schon Alice?, fragte ich mich irritiert, ging mit schokoladenverschmierten Händen und drückte mit dem Ellenbogen auf. So öffnete ich dann, tatsächlich Alice, die Tür. „Die Tür stand unten offen- Oh“, entfuhr es Alice unwillkürlich, als sie mich musterte. Bepackt ging sie an mir vorbei in die Wohnung. „Tut mir leid- ich- ich hab nicht so früh mit dir gerechnet“, stammelte ich mit hochgehaltenen Händen. „Edward sagte, kurz vorher…“ „Ja, eben“, nickte Alice lachend. „Sind die… für später?“, fragte sie mit großen Augen. „Ähm, ja“, stimmte ich nickend zu. „Die hast du selbst gemacht?“, wollte sie weiterhin erstaunt wissen und tätigte ein paar Schritte zur Küchenanrichte. „Ähm, ja“, machte ich wieder. „Na ja, ich hoffe, sie sind gelungen-“ „Darf ich?“ Alice deutete mit dem Finger auf die Pralinen. „Sicher, die sind ja für dich. Also für euch alle“, sagte ich verdutzt. Alice fuhr mit dem ausgestreckten Zeigefinger wählend über die Pralinen und steckte sich dann fröhlich eine zwischen die Lippen. „Wow“, machte sie kauend und riss anerkennend die Augen auf. „Mit Mousse?“ Ich nickte erfreut, dass es ihr schmeckte und den anderen hoffentlich dann auch. „Ich springe dann schnell unter die Dusche. Tut mir leid, dass du warten-“ „Keine großen Reden, husch husch“, befahl Alice schief grinsend und machte eine wedelnde Handbewegung. Ich tat wie mir geheißen und erkannte, als ich mich auf den Weg ins Bad machte, einen Bügel von der eine Plastikummantelung abfiel – vermutlich das Kleid für mich. Das konnte ja heiter werden. Schnell hatte ich geduscht und mir die Haare leicht feucht gefönt. Meine Wohnung erkannte ich allerdings nicht mehr wieder. Und Alice auch nicht. Kleine Köfferchen standen überall herum, deren Inhalt auf dem Tisch verteilt war. Alice hatte sich scheinbar auch fertig gemacht. Sie hatte die Haare mit Schaumfestiger oder etwas Ähnlichem fixiert und war gerade noch dabei, sich die Wimpern zu tuschen. Nun, da ihr Mantel auf meinem Bett lag, erkannte ich ein silbernes, glänzendes Kleid mit nur einem schmalen Träger. „Da bist du ja“, sagte sie und tapste zu dem Bügel, den sie an das Regal gehangen hatte. Sie nahm das von ihr damals geplante Kleid heraus. „Das ist ja…“ Mir fehlten die Worte. Mit der Hand strich ich andächtig darüber. Der Stoff war unglaublich schön. „Zieh es an“, forderte sie. „Ach ja“, sie griff zu einer weiteren Tasche, „hier sind ein paar trägerlose BHs in verschiedenen Größen drin. Oder hast du so etwas?“, fragte sie. „Nein, da hab ich gar nicht dran gedacht“, gestand ich. „Ich aber.“ Sie lächelte breit. Schnell war der richtige BH gefunden und das Kleid angezogen. Es saß wie angegossen – was ja auch kein Wunder war, denn es war nach meinen Maßen geschneidert worden. „Perfekt“, meinte Alice sichtlich mit sich zufrieden. „Das ist aber hübsch“, fand sie, als sie mein Armband an meinem Handgelenk begutachtete und in alle Richtungen drehte. „Von meinem Vater“, meinte ich knapp. „Und es passt zum Kleid“, sagte sie grinsend. „Ist genehmigt. Und jetzt…“ Sie reichte mir noch die Strickjacke, die knapp oberhalb der Taille – boleroartig – mit einem Knopf endete. „Jap“, machte Alice. „Die Schuhe. Ich habe die höhere und weniger höhere Variante.“ „Wenn ich den Abend bei euch überleben soll, dann die niedrige bitte“, wählte ich und erwiderte ihr Grinsen. „‚Niedrig’ habe ich aber nicht gesagt“, bemerkte sie keck und reichte mir graue, erhöhte Schuhe. „Das gibt’s bei mir gar nicht.“ „Ich denke, überleben werde ich’s“, überlegte ich seufzend, als ich die Schuhe sah. „Und wenn nicht ist ja ein Doktor in der Nähe“, lachte Alice und ich stimmte mit ein. Es war auf einmal so einfach und ausgelassen mit ihr, dass ich mir einen leicht verdutzten Gesichtsausdruck nicht verkneifen konnte. „Schlüpf’ schon mal rein, damit du dich dran gewöhnst und dann kann ich dir die Haare und das Make-up machen, wenn du willst“, wand sie ein. „Ich, äh, ich denke, ich mache das schnell“, versuchte ich mich höflich aus der Affäre zu ziehen. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie das tat. Nicht, weil ich ihr nicht vertraute, aber…. Ich machte nicht viel mehr, als sonst auch und ließ die Haare bei ganz wenig Make-up einfach offen. Alice begutachtete mich misstrauisch. „Wie wär’s?“ Sie hielt mir einen passenden, dunkelblauen Haarreifen entgegen. „Okay“, ließ ich breitschlagen. „Und…“ Sie biss sich seitlich auf die Unterlippe und neigte den Kopf schräg. „Darf ich dir ein bisschen die Augen schminken? Nur ein ganz kleines bisschen!“, verdeutlichte sie, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. „Weil du es bist“, gab ich nach und atmete tief und aus. Mir war heute nicht nach Widerstand… das war anstrengend… Ich setzte mich, auf den von ihr vom Tisch geschobenen Stuhl. „Keine Sorge, ich habe alles im Griff“, verkündete sie lachend. „Eben“, seufzte ich. „Schau rein.“ Alice gab mir einen Handspiegel, nachdem sie lange genug an mir herumgemalt hatte. „Das- oh- ähm“, druckste ich zwischen Entsetzung und Überraschung herum. Es sah ganz gut aus, aber komplett ungewohnt. Sie hatte mir die Augen relativ hell geschminkt, jedoch matt und mit ein wenig dunkelblau. Die Wimpern waren schwarz getuscht. „Sieht super aus, Alice“, lobte sie sich selbst und sie reichte mir einen Lipgloss „Kussfest“, urteilte sie lachend. Ich hielt inne und starrte darauf. Mein Blick fühlte sich gläsern an, die Mundwinkel gesenkt. „Ein Scherz? Bella?“, fragte Alice irritiert nach. „Ja, klar.“ Ich schmierte mir das Zeug sparsam auf die Lippen, ehe Alice ihre Sachen und ich meine zusammenpackte. „Wie bekommst du das Kleid und die Schuhe und so wieder? Soll ich sie Edward mitgeben? Oder dir die bringen?“, fragte ich nach, als wir „abfahrtsbereit“ waren. Sie runzelte die Stirn. „Nein, natürlich nicht. Ich möchte die Sachen nicht wieder. Ich hab das Kleid bzw. das gesamte Outfit für meine Mappe fotografiert und die Schnittmuster. Du musst mir heute Abend nur einmal kurz Modell stehen und kannst es natürlich behalten“, sagte sie, als wäre meine Frage eine Beleidigung. Modell stehen?, hallte es in mir, doch Alice faselte weiter: „Hier ist noch ein passender Mantel – und nein, den will ich auch nicht wieder haben.“ Sie zwinkerte mir zu und schob mich dann zum Auto. „Ich hätte dir gerne mein Auto gezeigt, aber wir müssen leider mit Edwards Vorlieb nehmen, weil mein Wagen in der Werkstatt ist“, plapperte sie ununterbrochen weiter. „Mein Wagen ist viel hübscher, die Innenausstattung ist so toll… er ist fast neu…“ Mit einem Klick auf den Schlüssel öffnete sie ein silbernes Auto am Straßenrand, das auf keinen Fall Edwards war. Er hatte ein Cabrio. So wenig Sachverstand ich hinsichtlich Autos auch hatte, das war nicht Edwards. „Alice, er hat doch ein Cabrio-“, begann ich. „Wir haben Winter, schon bemerkt? Und sein Verdeck ist relativ dürftig…“, murmelte sie vor sich her, legte ihre Sachen in den großzügigen Kofferraum und stieg mit mir ein. Er hatte zwei Autos?!, schoss es mir durch den Kopf. Ich kam nicht drum herum mir einzugestehen, dass ich aufgeregt war. Sehr sogar. Es fühlte sich an, als wäre das meine Bewährungsprobe und jeder Schritt, den ich ging, jede Handlung, die ich tat und jedes Wort, das ich sprach, würde heute Abend besonders begutachtet werden. Natürlich würden die Cullens mir niemals so eine Erwartung entgegen bringen, doch so empfand ich es. Staunend blieb ich kurz vor dem Haus stehen. Wo man hinsah glitzerte und leuchtete es. Das war bei den andere Häusern der Umgebung zwar auch der Fall, doch das der Cullens imponierte mir, weil es nur in gelb, weiß und cremeweiß gehalten war. Auch wenn sie sich an den Kitsch nicht so halten wird und es vielleicht doch nicht so klassisch werden wird, hatte Mr. Cullen gesagt. Und ja, so kitschig wie die anderen Häuser war es nicht, war es eigentlich gar nicht- „Wenn wir hier keine Wurzeln schlagen und erfrieren wollen, sollten wir reingehen“, meinte Alice unvermittelt und schob mich weiter. Sie öffnete die Tür und mein Herz schien mir in die Hose zu rutschen. Durch die Glastür erkannte ich die Cullens bereits – und sie mich. Mrs. Cullen lief schon auf uns zu, während Alice noch die Tür hinter uns schloss. Ich erhaschte einen Blick auf das Wohnzimmer, dass in den gleichen Farben wie draußen leuchtete und von einem großen komplett weiß und silbern dekorierten Tannenbaum geziert wurde. Kaum war die Glasschiebetür zur Seite geschoben, umarmte mich Edwards Mutter so gut sie konnte, da ich immer noch die Pralinenschale in der Hand hielt. „Schön, dich zu sehen, Liebes“, strahlte sie. Etwas umständlich, wegen der Schale, nahm mir Alice den Mantel ab. „Danke für die Einladung. Ihre Karte war auch wirklich toll“, sagte ich ein kleines bisschen undeutlich vor Aufregung. „Die- die sind für sie, also für alle- ich hab sie gestern selbst gemacht-“ „Pralinen?“, unterbrach sie mich verdutzt. „Die sehen ja klasse aus. Vielen Dank! Aber du weißt, das wäre nicht nötig gewesen, nicht wahr?“ Sie wartete keine Antwort auf ihre rhetorische Frage ab und beugte sich dann näher zu mir: „Du hast nichts dagegen, wenn ich die noch in den Kühlschrank stelle? Meine Jungs verputzen die sonst sofort. Auch wenn Emmett nicht so aussieht, aber an Schokolade geht einiges rein“, lachte sie herzlich. „Übrigens siehst du umwerfend aus.“ Sie huschte schon fort. Sogleich grüßte mich Mr. Cullen und schüttelte mir die Hand. „Gesund und munter?“, fragte er nach. „Ja“, meinte ich lächelnd. Er lächelte breiter, strich mir kurz über den Arm und führte mich dann zu den anderen, die schon teilweise am Tisch Platz genommen hatten. Alice umarmte einen blond gelockten Jungen, der auch schon saß, von hinten und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Alles klar, ihr Freund, dachte ich spontan. Als solchen und „Jasper Whitlock“ stellte sie ihn mir auch vor. Emmett kam auch in Begleitung von der Couch zum langen Esstisch herüber. Die langhaarige Blonde sah älter als Emmett aus, was aber auch an der Eleganz liegen konnte, die sie versprühte, überlegte ich. Das Haar lag seidenglatt auf den Trägern ihres unten schräg abgeschnittenen dunkelroten Kleides. Ihr Name war Rosalie Hale. „Wollen wir uns schon mal setzen?“, fragte Mr. Cullen in die Runde. Als zustimmendes Gemurmel ertönte, winkte er mir und wies mir den Platz rechts von sich zu, während er selbst allein vor Kopf saß. „Du siehst wunderschön aus“, flüsterte mir jemand ins Ohr, obwohl ich gar nicht hätte hinsehen müssen, um die Person zu erraten. Sein Atem kitzelte kurz auf meiner Haut. Ich war so perplex, dass ich mich nicht mal für das Kompliment bedankte. Komischerweise hatte ich gar nicht bemerkt, dass Edward aufgestanden war. Nun saß er wieder mir gegenüber und lächelte sanft. War das Absicht? Dass ich nicht neben ihm saß und Mr. und Mrs. Cullen somit nicht nebeneinander?, fragte ich mich kurz, als Alice mit Jasper neben mir und Mrs. Cullen neben ihrem Sohn, schräg gegenüber von mir, Platz nahmen. So blieben noch die beiden Stühle am Ende des Tisches, über Eck, für Rosalie und Emmett über. Mein Blick fiel auf den Tisch. Das Essen war noch nicht serviert, doch mir wurde bei einem anderen Augenblick mulmig: Mehrere Teller, viele verschiedene Gläser, eines gefüllt, und einige Besteckstücke war ich nicht gewohnt. Ich hoffte, dass das alles ohne Blamagen gut ging. „Wir können schon mal anstoßen“, verkündete Mr. Cullen, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, worauf wir warteten. Verstohlen sah ich zur Küche herüber. Dort standen abgedeckt mehrere Schüsseln und Behälter. Wir langten nach unseren gefüllten Sektgläsern und Mr. Cullen sagte, ehe wir tranken, ein paar Worte zum Weihnachtsfest. Die allgemeine Erwiderung endete schließlich in mehreren kleineren Gesprächen. Mr. Cullen entschuldigte sich kurz, während Mrs. Cullen mich von schräg rechts ansprach. „Wir haben vorhin schon überlegt, was wir nachher am Klavier spielen wollen? Magst du ein Stück besonders?“, fragte sie. Ich mied Edwards Blick, obwohl ich genau erkannte, wie er mich ununterbrochen ansah. „Ähm, ich kenne leider nicht so viele, also…“ „Na ja, zwei mindestens“, meinte Edward grinsend. Ich hob leicht die Mundwinkel und schaute wieder Mrs. Cullen an. „Das einzige, was ich noch so namentlich kenne ist ‚Winter’ von Vivaldi. Zwar passend, aber kein Weihnachtslied. Da kenne ich eben nur die klassischen Lieder…“ Mrs. Cullen überlegte konzentriert und wand sich dann zu Edward, dem sie die Hand auf die Schulter legte. „Nein, das kann ich nicht. So von jetzt auf gleich nicht mal mit Noten. Aber du kannst es, nicht wahr?“ Edward nickte, doch ich überging das, da mich etwas anderes beschäftigte und ich nachfragte: „Sie spielen auch Klavier?“ „Ja“, sie wackelte mit dem Kopf leicht hin und her, „irgendwo muss Edward sein Talent ja her haben.“ Ihre Hände formten einen dicken Bauch vor sich. „Obwohl das mit zunehmender Schwangerschaft schwierig wurde, beweglich zu bleiben.“ Ich lachte bei dem Gedanken, wie sie hochschwanger dem ungeborenen Baby vorspielte und die Arme recken musste. „Ich würde sagen, dass er nicht alles von mir hat, aber einen kleinen Teil gestehe ich dann doch mir zu; so oft, wie ich damals gespielt habe“, erklärte sie und wuschelte ihm kurz durchs Haar. Edward verdrehte grinsend die Augen. „Von Carlisle hat er zumindest nichts dergleichen. Er ist sehr unmusikalisch – auch wenn das mit dem singen klappt, aber nur heimlich unter der Dusche.“ Edward und sie lachten. „Wer ist unmusikalisch?“, stieß Mr. Cullen zu uns und seine Frau klärte ihn auf. Ich musste mich einen Augenblick sammeln, weil es an mir nagte, dass Edwards Eltern nicht wussten, dass ich informiert war… Als ich aufsah, nahm ich Edwards Blick wahr und sah rasch zur Seite, die dann Mr. Cullen galt. „Ich weiß, es ist gegen die Abmachung“, sagte er und legte ein Buch auf den Tisch, „aber wenn du es nicht zu Weihnachten bekommen möchtest, kriegst du es eben übernächste Woche in der Uni.“ Er lächelte. „Ich dachte nur, dass dich das interessieren könnte. Es ist eine interne Veröffentlichung unserer Fakultät…“ Ich blickte unwillkürlich auf den Titel, obwohl ich eigentlich ablehnen wollte. „Das ist ja genau mein Thema!“, stieß ich unwillkürlich und über die Maßen erfreut hervor. Es handelte von einer neuen Behandlungsmethode von Hirntumorerkrankungen. „Ich dachte mir, dass du es gebrauchen kannst“, freute sich Mr. Cullen, während ich immer noch darauf starrte. „Ich habe mir auch erlaubt mit deinem Dozenten der Abschlussarbeit zu sprechen und du darfst das Buch als Literaturquelle nutzen, wenn du möchtest.“ Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte und schaute ihn einfach nur mit offenem Mund lächelnd auf. „Vorausgesetzt, du bist noch nicht fertig“, wand er ein. Ich machte ein angestrengtes Gesicht. Ich war zwar nicht fertig, aber schon relativ weit… „Ähm- na ja… ich…“ Alle drei lachten. „Also die Recherche ist eigentlich abgeschlossen und ich habe auch schon angefangen, aber“, ich nahm das Buch in die Hand, „dafür mache ich gerne eine Ausnahme.“ Strahlend lächelte ich Mr. Cullen an, ehe ich wieder auf das Buch sah und meinte: „Entschuldigung, aber darf ich ganz kurz ins Inhaltsverzeichnis sehen?“ Ich platzte vor Neugier. „Sicher“, lachte Mr. Cullen über meinen Übermut. Sofort schlug ich es auf und blätterte kurz darin. Ich fühlte mit den Fingern über die Gliederung und hätte, wenn ich denn zu Hause gewesen wäre, sofort mit dem Lesen begonnen. Ich mäßigte mich jedoch und gab das Buch aus den Händen. „Vielen Dank, das ist wirklich toll“, dankte ich noch mal. „Schade, dass du nichts geschenkt haben wolltest – was ich natürlich akzeptiere“, wand Mrs. Cullen ein, „aber-“ „Du hättest dich gefreut ein Mädchen im Haushalt mehr zu haben, dem du etwas schenken könntest“, lachte Emmett laut, der es scheinbar aufgeschnappt hatte. „Sonst muss Rosalie neben Alice immer herhalten. Ganz zu schweigen von den Denalitöchtern. Obwohl, wenn wir die dazurechnen, sind die Männer unterrepräsentiert.“ Jasper und Rosalie stimmten als einzige in Emmetts Gelächter mit ein. Ich schaute beschämt auf meinen Teller. Wir schenken uns sowieso nichts mehr…, hatte Edward gesagt, als es um die Geschenkefrage ging. Da bräuchte ich mir keine Gedanken machen… Mir war bewusst, dass Emmett sich verplappert hatte; er merkte das nun auch. Es wurde still am Tisch. Die Situation schien mich, mit der ihr innewohnenden Verlegenheit, erdrücken zu wollen. Wie sehr wünschte ich mir, jetzt nicht hier zu sein, sondern bei meinem Dad. Mit Pizza, Fernsehen und Cola, vielleicht. Oder auch etwas anderes, ich kannte Sue und meinen „neuen“ Vater nicht bzw. vielleicht nicht mehr gut genug dafür. Jedenfalls würden wir nicht mit Champagner und in Abendgarderobe da sitzen. Es war naiv gewesen zu glauben, ich könnte hier einen Abend lang mitspielen ohne von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen zu segeln. Ich bemerkte, wie sich Jasper und Rosalie verwirrt umsahen. Natürlich konnten sie nicht wissen, warum alle nun so empfindlich reagierten, wenn sie nicht von Edwards Versprechen wussten. „Rettend“ erklang die Türklingel. „Augenblick“, sagte Mrs. Cullen so munter sie konnte und eilte, gefolgt von ihrem Mann, zur Tür. Es blieb stumm am Tisch. Ich lauschte den Vorkommnissen an der Tür. Es schienen mehrere Personen zu sein und so ganz hatte ich noch nicht verstanden, was eigentlich passierte. Da Edward den Kopf zur Tür gedreht hatte, hob ich den Blick und musterte ihn ausgiebig. Sein Haar trug er heute anders. Es sah nicht so bewusst zerwuschelt aus – nicht mal, nachdem seine Mutter mit den Fingen durchgefahren war –, sondern mehr zurechtgelegt. Er trug ein graues Hemd mit dunkelblauer Krawatte, was ihm unheimlich gut stand und seine schmale Silhouette unterstrich. Zufall, dass es zu meinem Outfit passte? Wohl kaum. Alice. Edward bemerkte meinen Blick und lächelte schmal. Ich erwiderte das Lächeln, sah jedoch wieder herab bzw. eine Sekunde später in Richtung Tür. Ich erspähte mehrere Männer in schwarzen Anzügen – pinguinartig, musste ich schmunzeln. Doch was machten die alle hier? Nach Gästen sahen die nicht aus. Ich beobachtete, wie ein paar der Herren, nun erkannte ich auch zwei Frauen eintreten, mehrere Essbehälter trugen und setzte mich, um den Hals nicht so zu recken, ein wenig seitlich, stieß jedoch mit der Schuhspitze gegen das Bein von jemandem. Ich schaute suchend auf und murmelte zu Edward „T-Tschuldige.“ Er schüttelte nur beschwichtigend den Kopf. „Stellen Sie die bitte neben meinen ab“, wies Mrs. Cullen an. Die anderen nahmen gar keine große Notiz an den Vorkommnissen. Außer Edward. Auch er sah herüber. Dann setzten sich Edwards Eltern wieder an den Tisch und wir stießen noch mal an, während ich verfolgte, wie drüben in der Küche viele Hände an den Schüsseln walteten. Prompt, kaum, dass ich einen Moment nicht auf die vielen Personen geachtet hatte, nahm mir jemand den obersten Teller weg. Ich zuckte leicht zusammen. Kurz darauf, servierte man mir denselbigen Teller mit einer kleinen Portion was auch immer. Jetzt bemerkte ich, dass genau acht Personen gekommen waren, für jeden ein „Bediensteter“. Ich war verblüfft. War das immer so? Ich dachte, es wäre ein normales Abendessen, wie das Mittagessen damals. Nur vielleicht schicker angezogen. Ich fürchtete, dass mir ein solches Essen auch lieber gewesen wäre. Während alle schon längst gekostet hatten, starrte ich immer noch darauf und wollte verspätet zu einer Gabel greifen. Nur welche? Es lagen drei links. Ich tat so, als trank ich einen Schluck und linste hinüber zu Alice. Sie hatte die äußere genommen. Und welches Messer dazu? Sie hatte, so glaubte ich, gar kein Messer, oder? Mir wurde ganz schlecht vor Nervosität, weil ich immer noch nicht gegessen hatte und die anderen mit der Käse-Obst-Vorspeise, wie ich sie dann identifizierte, so gut wie fertig waren. Und wenn sie dann auf mich warten mussten- Bitte nicht zittern, murmelte ich innerlich meinen Händen zu. Hastig griff ich nach der Gabel, die Alice auch genommen hatte- Klirr. Scheppernd fiel die Gabel auf den Marmorboden – und natürlich galt mir die gesamte Aufmerksamkeit. Oh Gott, wie peinlich. Ich wünschte mich schlagartig in irgendein Loch, an irgendeinen anderen Ort. Und anstelle dessen, dass ich sie einfach unauffällig, soweit das jetzt noch ging, aufhob, kam eine der Frauen angelaufen, hob sie auf und gab mir eine Neue. „Danke“, murmelte ich und schaute erst gar nicht auf. Ich wusste sowieso, dass mich alle ansahen. Mein Appetit hatte sich ins Jenseits verkrochen und meine Körperhaltung würde an diesem Abend schrecklich sein. Tolle Aussichten. Wieder wünschte ich mir den Abend mit meinem Vater zu verbringen. „Alles okay?“, formten Esmes Lippen, als mein trauriger Blick unwillkürlich auf sie fiel. Ich zwang mir sofort ein Lächeln ab und aß weiter. Den zweiten Gang, die Suppe, überlebte ich halbwegs, da nur ein Löffel vor mir lag. Mit den Getränken war es auch handhabbar, da man scheinbar immer aus dem trank, was gerade eingegossen wurde – zumindest schaute mich niemand komisch an, wenn ich es tat. Während sich die vier rechts von mir angeregt unterhielten, war es auf unserer „Seite“ eher stiller. Edward wechselte mal ein paar Wörter mit seinen Eltern, aber das war es dann auch. Auf dem dritten Teller fand ich Gemüse, etwas, dass nach Fisch aussah, und Soße darüber. Neues Brot wurde aufgetischt und mehrere Dips dazu. Ich war absichtlich langsam, um zu verstehen, was ich mir womit nahm und womit ich was aß. Sonderlich erpicht auf Fisch war ich zwar nicht, doch probieren würde ich auf jeden Fall. Ich fragte mich, mit einem raschen Blick auf die Küche, wie viele Gänge serviert werden sollen. Fünf-Gänge-Menü hatte ich schon mal im Fernsehen gesehen, aber selbst da, waren die Portionen größer – nicht, dass ich hungrig war, aber ich fühlte mich unwohl und wollte, dass es schnell vorbei war. Ich erkannte die Gabel, die Edward genommen hatte und übertrug das spiegelverkehrt auf mich – scheinbar nicht richtig, denn beim nächsten Gang sortierte die Frau mein Besteck laut klimpernd um. Ich bemerkte, wie ich tiefer atmen musste, um meinen Puls in den Griff zu kriegen. Es war unglaublich unangenehm. Das hier, war mehr als eine Katastrophe. „Wenn du deine Abschlussarbeit fertig hast“, sprach Edward mich plötzlich an, während alle warteten, dass die Frau bei mir fertig war, „wie viele Prüfungen hast du dann am Ende noch?“ Ich war ihm so dankbar. Wir wussten beide, dass das nur eine ablenkende und keine inhaltliche Frage war, weil wir schon mal darüber geredet hatten, als es um Prüfungsanmeldungen ging. Bereitwillig antwortete ich und es ergab sich endlich ein Gespräch, in das sich Mr. Cullen auch gleich einschaltete. Edward und ich lächelten uns kurz an. Meines von Dank erfüllt. Ich verstand so langsam, warum die Gänge so klein waren. Die weiteren Gänge waren von Mrs. Cullen selbst gemacht. Natürlich auch der klassische Truthahn. „Ich mache so gerne Truthahn, aber das wird hier nicht so gerne gegessen“, bemerkte die Köchin derweil. Ich schaute beunruhigt zurück. „Aber heute müssen sie. Ich kann doch eine Auslandsstipendiatin nicht ohne Truthahn an Weihnachten aus dem Haus gehen lassen.“ Sie zwinkerte mir zu. Edward verdrehte die Augen und schob sich provokativ lächelnd für sie ein größeres Stück Truthahn in den Mund. Seine Mutter verdrehte ebenfalls die Augen und aß weiter. Ich lachte leise und sparte mir den Widerstand, sonst hätte ich gesagt, dass das nicht hätte sein müssen. Als Kind hatte ich schließlich auch in Amerika den klassischen Truthahn gegessen. Meinem Bauchgefühl ging es zunehmend besser, da ich das mit dem Besteck so langsam hinbekam und dann auch die Nachspeisen begannen. Ich war froh, dass ich beim Essen allgemein nicht so zimperlich war und ich alles hier essbar empfand. Als dann fast alles abgeräumt war, kam der letzte Gang, wie ich von Mrs. Cullen mit einem besonderen Unterton, welchen ich nicht deuten konnte, zu verstehen bekam – dann wurde mir ihr Tonfall klar. Auf dem Teller lagen zwei Pralinen von mir mit einem Klacks Mousse au Chocolat. „Die sind übrigens von Bella, wer es noch nicht mitbekommen hat“, verkündete Alice, ehe jemand anderes die Tischrunde aufklären konnte. „Und die sind richtig lecker“, schwärmte sie, legte kurzerhand die kleine Gabel weg und steckte die Praline mit den Fingern in den Mund. Schließlich leckte sie ihre Fingerkuppen noch ab. Alle lachten ausgelassen und die sowieso immer geringer werdenden Spannungen in mir verpufften mit einem Mal. „Ich sage jetzt nicht, dass das nicht die einzigen waren“, meinte Mrs. Cullen und warf Emmett einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu, den er unschuldig erwiderte. Ich ließ ein klein wenig stolz den Blick schweifen: Sie schienen die Pralinen wirklich zu mögen. Edward hatte sie noch nicht angerührt. Er sah mir lange in die Augen, dass ich kurz undefinierbar erschauderte. Dann probierte auch er. Er lächelte nur als Antwort. Nach dem Essen, wir hatten über zwei Stunden damit verbracht – nicht zuletzt, weil ich es verzögert hatte –, verteilte es sich im Wohnzimmer. Ich war unschlüssig, was ich machen sollte. Alice lag auf der Couch mit Jasper. Sie war zärtlich an ihn gelehnt, während er ihr durch das Haar fuhr. Emmett und Rosalie erblickte ich gerade nirgendwo, hingegen Edward hinter seiner Mutter am Klavier stand. Ich nahm das Buch vom Tisch, da dieser gerade abgeräumt wurde und tat so, als wurde ich von den Bediensteten am gehen gehindert bzw. ließ ihnen den Vortritt. Eigentlich wusste ich gar nicht, wo ich hingehen sollte. Ich käme mir dämlich vor, mich neben die Turteltauben auf die Couch setzen oder aber mich als kompletter Laie ans Klavier zu stellen, obwohl es mich vergleichsweise dann doch mehr zum Klavier, mehr zu Edward und seiner Mutter, zog. Ich wurde nervös. Mr. Cullen stellte sich neben mich. „War es einigermaßen erträglich für dich?“, wollte er wissen. „Ich schätze nicht, dass du es als sonderlich angenehm empfunden hast.“ „Nein, nein“, sagte ich prompt und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, es war… toll“, klang ich bahnbrechend überzeugend. Er lachte hüstelnd. „Du bist eine genauso schlechte Lügnerin, wie meine Frau. Daher bin ich gewohnt zu wissen, wenn jemand flunkert. Aber ansonsten klappt ja alles bestens bei dir, oder?“ Sein Finger deutete auf das Buch, welches ich an die Brust gepresst hielt – genau genommen klammerte ich mich eher daran. „Ja, alles super. Vielen Dank noch mal dafür. Das ist toll“, antwortete ich trocken. „Bella?“, sprach Edward mich an. Ich vernahm nun, dass Mrs. Cullen spielte. Ich wand mich mit einem Lächeln zu ihm um. „Möchtest du kurz mit hoch kommen? Ich wollte dir etwas zeigen“, fragte Edward höflich nach. „Ja, klar“, meinte ich wie selbstverständlich und folgte ihm die Treppen hoch. Ich war überrascht von mir wie ich, wie von selbst, einfach so zugestimmt hatte. Er lief vor in sein Zimmer. Kaum standen wir dort drin, drehte er sich verheißungsvoll zu mir um. Ich kniff leicht die Augen zusammen, als er tief ein- und ausatmend vor mir stand, als müsste er sich sammeln oder so etwas, und mir tief in die Augen sah. „Bella… das ist kein Weihnachtsgeschenk, wie versprochen. Doch ich habe trotzdem etwas für dich. Sieh’ es bitte als Dank für die Zusammenarbeit in der Uni und die Zeit mit dir.“ Er griff in seine Hosentasche und nahm mir mit der anderen Hand das Buch aus der Hand, welches er ins Regal neben sich beförderte. „Aber- Edward…“ Ich brach ab, als er seine Faust, in der er etwas hielt, langsam öffnete. In seiner Handfläche ruhte ein silberner kleiner Ring. Mein Herz schlug rasend schnell gegen meinen Brustkorb. Er langte sorgsam nach meiner linken Hand und hob sie zu sich. Wartend auf meine Reaktion, die ich selber gerne vollbracht hätte, jedoch unfähig zu sein schien, etwas zu tun oder zu sagen, steckte er ihn mir ganz langsam an. Ich spürte seine Finger an meinen. Er- er- er- Ich schaute in sein Gesicht, während er den Ring weiter meinen Finger entlang gleiten ließ. Sein Blick steht’s daran geheftet. Das Kribbeln in meinen Eingeweiden schien zu explodieren. Wollte er- wollte er etwa- „Ich fand so etwas fehlte und es passt doch gut dazu, oder?“, meinte Edward locker, deutete auf mein Handgelenk und ließ meine Finger zwar los, doch ich ließ sie weiter in der Luft verharren. Ich fixierte ihn ohne zu blinzeln, obgleich eine unbändige Last in mir abzufallen schien. Es war nur, weil es passend zu meinem Armband war…? Ich atmete zitternd aus. Es war nur ein ganz normales Geschenk, sagte ich mir innerlich, nun entspannter. „Bella? Magst du ihn?“, fragte Edward leise und sehr zaghaft. Ich schluckte hart. Die Erleichterung in mir war zu groß, als dass ich ihm jetzt eine Szene machen konnte, was ihm einfiele, mir etwas zu schenken. Noch dazu einen silbernen Ring. Er glich meinem Armband haargenau. Ebenfalls das schiefe Herz mit einem weiteren kleinen oben dran. „Hey“, sagte Edward sanft und machte einen Schritt auf mich zu. Seine Hand hatte kurz an meinem Oberarm verweilt. Nun schaute ich ihn fragend an. Ich brachte kein Wort hervor. So schwiegen wir beide. Kaum Luft schien mehr unsere Oberkörper zu trennen. Ich erblickte sein sanftes Gesicht, welches mich zärtlich lächelnd anschaute. Mein schnell schlagendes Herz hielt inne. Die Geräusche um mich herum setzten aus und es war, als begann ich eine Melodie in meinem Kopf zu spüren. Zeitlupenartig hob er die Arme und legte die Hände umsichtig an meinen Hals, die Daumen an meinem Gesicht. Wir schauten uns an. Ein Hochgefühl durchflutete mich, überkam mich, unfähig irgendetwas zu unternehmen, denn es war zu spät. Es würde geschehen und ich widersetzte mich nicht. Alles in mir strebte danach. Er bewegte einen Daumen von seiner Hand weg und strich über meine Unterlippe, was mir ein unsägliches Kribbeln, von den Lippen ausgehend, im ganzen Körper verschaffte – elektrisierend bis in die Haarspitzen. Mit seiner Geste hatte er meinen Mund leicht geöffnet. Ich blickte ihm unentwegt in seine tiefgründigen, satt grünen Augen, die auf meine Lippen gerichtet waren, dann meine Augen fanden. Ich wusste, es gab kein zurück mehr. Mein Körper, mein Herz, meine Seele… all das wollte es zu sehr, als das jegliches Rationale etwas einwenden oder gar verhindern konnte. Er stellte sich etwas näher an mich heran, während ich nahezu steif, die Arme hängend, vor ihm stand. Seine Hände zogen mein Gesicht zu seinem. Zentimeter für Zentimeter, Millimeter für Millimeter kamen wir uns näher und beobachteten die Gesichtszüge und Regungen der Augenpartien des anderen intensiv. Als er mir dann so nah war, dass ich sein Augengrün nur noch verschwommen erahnen konnte, schloss ich die Augen und ließ ihn wartend gewähren. Bruchteile einer Sekunde vergingen, in denen ich seinen Atem bereits auf meiner Haut wabern spürte. Mein Herz klopfte kräftig, aber nun langsam in meiner Brust – einem Countdown gleich. Ich konnte es gar nicht glauben, dass es jetzt geschah. Es war, als würde der Zeiger der Zeit laut ticken; fest im Uhrwerk hämmern… Er legte seine Lippen auf den meinen ab. Mein Herzschlag setzte einen Augenblick aus, als ich die Zartheit seiner Lippen spürte, ehe es weiter gegen meine Brust schlug. So weich, so glatt, so unmenschlich köstlich. Nahezu regungslos verblieben unsere Lippen, bis wir sie gleichzeitig spitzen und voneinander abließen. Ich senkte den Kopf und atmete stoßartig die angehaltene Luft aus. Seine Hände blieben an meiner Kehle liegen. Ich schnaubte grinsend, obgleich den Kopf geneigt. Meinen Kopf schüttelte ich leicht hin und her. Ich fühlte mich betört, fixiert auf den Augenblick, nichts anderes. „Was ist?“, fragte er verwirrt und doch hörte ich das Lächeln heraus. Ich schnaubte noch einmal leise, blickte ihm kurz in die Augen, die mich zu verschlingen schienen und dann zur Seite. „Weißt du…“, brachte ich über die Lippen, die sich merkwürdig anfühlten. Anders irgendwie, ich mochte sie gar nicht benutzen – nein, sie fühlten sich gut an. Ich blickte ihn wieder an. Seine Augen wirkten erwartungsvoll und hatten kurz meinen Mund gestreift. „Weißt du, dass das mein erster Kuss war?“ Ich bemerkte, wie meine Wangen sich etwas erhitzten – und, das hatte leider nichts mit der Hitze zwischen uns beiden gerade zu tun. Edward strich mit den Fingern über meine Wangen. So leicht, dass es beinahe kitzelte, aber es war ein herrliches Kitzeln, das nicht von mir gehen durfte. Ich wollte es immer spüren. „Hmmm…“, machte er gedehnt und senkte den Blick wieder auf meinen Mund. „Wenn das so ist…“ Dieses Mal kam mir die Wartezeit zum Kusse viel kürzer vor. Seine Lippen trafen meine, er spielte mit ihnen, während ich kaum Bewegungen zeigte – aus Unfähigkeit und Genuss. Ich spürte seinen Geschmack auf meiner Zunge und seinen Atem überall auf meinem Gesicht. Seine Nachsichtigkeit und Vorsicht wich seinem, wie meinem, Verlangen. Verlangen auf mehr. Leidenschaftlicher küsste er mich und zog mich in seinen Bann. Atemlos ließ er mich Sekunden darauf vor sich stehen. Er lächelte unwiderstehlich, als er mich so nach Luft ringend sah. Ich fürchtete ebenso, dass ich vollkommen rot angelaufen war – aus Scham und Sauerstoffmangel. Er machte mich schwach, stellte ich fest. Er brach meine Mauern, er riss sie ein. Was tat er mit mir? Nun, übereilt und affektiv, fasste ich in seinen Nacken, zog sein Gesicht, ohne Rücksicht auf Verluste, zu mir runter und kostete inniger werdend von seinen Lippen. Ich verschlang sie gierig. Das Gefühl war unbeschreiblich. Doch eines konnte ich beschreiben: Es schürte eine Sucht in mir. Ich wollte ihn, ich wollte mehr. Ich ließ alles zu- Erschrocken sog ich Luft ein und ließ abrupt von ihm ab. Mit großen Augen starrte ich sein irritiertes Gesicht an und versuchte meinen schnellenden Atem in den Griff zu bekommen. Ehe Edward seine Hand regen oder ein Wort seine Lippen verlassen konnte, wich einen Schritt von ihm zurück. Dann noch einen. „Ich muss gehen“, nuschelte ich und lief davon. Ich rannte geradeaus durch das zweite Wohnzimmer. Was tat ich hier? War ich denn verrückt?! Ich küsste ihn! Ich blinzelte so schnell, dass mir gar nicht einfallen konnte, zu weinen, obwohl ich drei Mal schlucken musste, um den sofortigen Wasserfall zurück halten. „Bella!“, rief Edward mir hinterher. Ich hatte die Treppe, die nicht ins Wohnzimmer nach unten, sondern in den Flur zur Haustür führen würde, erreicht. Edward hatte mich allerdings eingeholt und hielt mein Handgelenk fest. „Bella? Was- hab ich etwas falsch gemacht?“, fragte er flehend. „Nein, hast du nicht.“ Ich schüttelte den Kopf zu mir selbst. „Lass mich bitte einfach in Ruhe, ja?“ Ich wandte mich ab und eilte die Treppe weiter herunter, doch er hielt mich auf halber Treppe fest. Meine Hand in seiner. Der Genuss der Berührung war unter der ganzen Missachtung meines Selbst verschwunden. „Bella, ich liebe dich. Ich liebe dich, hörst du?“, sagte er eindringlich in dem zärtlichsten Ton, den ich jemals vernommen hatte. „Und wenn es das ist, was du auch für mich empfindest, dann sag es mir bitte…“ Seine freie Hand fuhr zu meiner Wange und verweilte dort. Ich starrte ihn an. Wie konnte er so etwas zu mir sagen? Ich schob seine Hand langsam von meinem Gesicht fort und senkte den Blick auf meine Füße. „Und… und was würde das ändern?“, fragte ich rhetorisch. Meine Stimme gab stellenweise unter meiner Schnappatmung nach. Ich antwortete selbst: „Nichts. Denn wir haben keine Zukunft. Meine Gefühle ändern nichts daran. Es ist egal, was ich für dich empfinde.“ „Nein, das ist es nicht“, sagte Edward entrüstet laut. „Mir ist es nicht egal-“ „Edward, ich- ich habe keine Zeit für so etwas.“ Ich hielt unsere ineinander gelegten Hände ein Stück höher und machte meine Hand frei. Mit seiner Hand ging das wohlige Gefühl fort. Wir standen einfach nur voreinander und stierten uns an. Keiner fähig, sich zu rühren. „Ist es wegen deiner Mutter?“, wollte er wissen. Ich riss die Augen auf. „Du weißt das?“, entfuhr es mir entsetzt. Ich sah in seinem Blick, dass er ihre Krankheit meinte und vermutlich auch noch mehr wusste. „Woher? Wer noch? Etwa alle?“, wollte ich aufgebracht durcheinander wissen. „Nein, Bella stopp“, fuhr er dazwischen. „Nein, nur meine Eltern… mein Dad weiß es von der Uni, er-“ „Was?! Sie wissen das?!“, schrie ich nahezu vor Entrüstung. „Edward, ich will das nicht, ich will kein Mitleid oder so etwas! Sind sie deshalb so nett zu mir?! Weil sie das wissen?!“ Böswillige Unterstellungen, das war mir klar, doch ich konnte mich in diesem Moment nicht mal für eine Sekunde zurückhalten. „Nein, Bella-“ Ich lief die Treppe in den Flur, bis er mich wieder aufhielt. „Bitte, hör mir zu. Ich liebe dich, ich will dich“, wisperte er mit einem herzzerreißenden Gesichtsausdruck. Doch mein Herz war nicht mehr fähig irgendetwas zu unternehmen. Mein Verstand dominierte wieder mein Handeln – endlich. Das alles hier war komplett irrational. Ich wollte es nicht, war ich mir sicher. „In etwas mehr als zwei Monaten bin ich weg und dann sehen wir uns nie wieder“, gab ich ihm zu verstehen. „Ich würde für dich bis ans Ende der Welt gehen!“, schrie er. Pause. Stille. Wir fixierten einander, lauschten dem Atem des anderen. „Das klingt schön“, meinte ich leise und atmete stockend ein und aus. „Aber mach’ uns bitte nichts vor. Mach uns bitte keine Hoffnungen – wo nie welche sein werden.“ Ich nahm den Ring von meinem Finger und legte ihm diesen in die Hand, ehe ich seine Finger darüber verschloss. Schnell ließ ich seine Hand wieder los. „Ich komme alleine klar, lass mich einfach in Ruhe – und küss mich nie wieder.“ Ich wusste nicht, warum ich schluchzte, obgleich meine Augen trocken waren. Ich lief an der geöffneten Schiebetür vorbei zur Haustür, raus in die Kälte. Edward „Ich mach das schon“, ertönte die Stimme meines Vaters plötzlich neben mir, während ich geschockt stocksteif da stand. Er griff nach seinem und ihrem Mantel und eilte ihr nach. Bellas Ring lag tonnenschwer in meiner Faust. Er brannte sich in mein Fleisch ein, brandmarkte mich schmerzhaft. Paralysiert ging ich durch die offen stehende Glastür ins Wohnzimmer, wo mich fünf Augenpaare musternd ansahen. Ich lief ein paar Schritte. Ihre Worte kreisten in mir. Wir haben keine Zukunft. Die Zukunft bestimmten wir selbst, nur du und ich. Ich würde dir folgen, selbst wenn du nicht von dieser Welt wärst. Und das glaubte ich. Solch ein Geschöpft konnte der Erde nicht innewohnen. Ich habe keine Zeit für so etwas. War Zeit nicht immer das, was uns im Weg stand? Oder hatte sie uns erst zueinander geführt? Aber mach uns bitte nichts vor. Mach uns bitte keine Hoffnungen. Bella, ich liebe dich! Ich weiß, was ich fühle! Warum weißt du das nicht auch… irgendetwas… „Verdammt!“, entfuhr es mir laut. Ich schleuderte den Ring, der alles in mir belastete, auf den Boden. Die andere Hand ließ ich mit einem scheppernden Ton auf die Tasten des Klaviers fallen. „Wow, der ist aber hübsch“, sagte Alice, die dann von der Couch gerutscht war und den Ring vom Boden geklaubt hatte. Ich hatte den Ring letztlich nicht mit ihr ausgesucht, weil ich nicht wollte, dass er Alice’ Vorstellungen, sondern Bellas, entsprach. Dann sah Alice mich an und machte große Augen. „Hast du- du hast doch nicht etwa-“ „Nein“, sagte ich schwach. Ich spürte den Blick meiner Mutter auf meinem Gesicht, die nun vom Esstisch herüber kam. Sie hatte Noten geholt, welche in ihren Armen verweilten. Alice setzte sich derweil wieder zu Jasper und begutachtete den Ring. Emmett und Rosalie neben den beiden. „Das hat sie nicht missverstanden?“, fragte meine Mutter mit ernstem Gesicht nach. „Ich mache ihr doch keinen Antrag, wo ich sie nicht mal anfassen darf!“, fuhr ich meine Mutter unwirsch an. „Na ja, an ihrer Stelle wäre ich auch weggelaufen, wenn du ihr sofort einen Antrag machst!“, feixte Emmett. Mum warf ihm einen finsteren Blick zu. Ich hatte keine Kraft auf seine Scherze einzugehen. Bella hatte alles mit fort genommen. „Blödsinn. Der Ring war zu ihrem Armband, nicht mehr, aber auch nicht weniger“, hauchte ich fast nur noch. „Küsst du so schlecht?“, witzelte Emmett völlig unangebracht in dieser Situation. Im Augenwinkel sah ich wie Alice Emmett in die Rippen stieß. „Sie hat den Kuss erwidert!! Verstehst du das?!“, fauchte ich Emmett lauthals an, doch nicht, um seiner Provokation willen, sondern, weil ich es mir selber klar machen musste. Sie hatte mich danach geküsst, aus freien Stücken, von sich aus – und danach bat sie mich, eben dieses nie wieder zu tun? „Edward? War das ‚bis ans Ende der Welt’ ernst gemeint?“, fragte meine Mutter leise. Ich schaute sie von der Seite vielsagend an. Sie brauchte keine Antwort. Ich trottete das Wohnzimmer hindurch, warf noch einen Blick auf die Glasschlüssel mit Bellas Pralinen auf der Anrichte und ging auf mein Zimmer. Es war still im Haus. Kein Gespräch, kein Klavierspiel. Selbst meine Gedanken waren still, weil mein Kopf es war. Leer. Das Personal war längst fort, sie kamen morgen zum abholen wieder. Bellas Buch lag im Regal, als ich durch die Tür schritt. Es fiel mir als erstes ins Auge. Ich verstand nichts mehr. Meine Finger fuhren über die Lippen, die eben noch das Mädchen geküsst hatten, welches ich liebte. So wie ich es noch nie getan hatte. Der Kuss, das alles, hatte mich einfach überkommen. Die Situation mit ihr hier hatte es verlangt, heraufbeschworen. Ich bewegte mich in Richtung meines Klaviers. Meiner scheinbar einzigen Ausdrucksquelle in diesem Moment, wenn meine Wörter und Gedanken nicht wollten. Doch, sie wollten, sie wollten schreien, doch sie konnten nicht. Vivaldi… Winter… zeitweise ein imposantes Stück, ein schnelles Stück, ein aufdringliches Stück… genauso, wie ich es jetzt brauchte. Nur diese Teile davon. Ich legte los, ungeachtet allem anderen und spielte es so hart und abgehackt ich konnte. „Edward, können wir kurz reden?“, musste mein Vater über meinen fabrizierten Krach – das war er wirklich – nahezu rufen. Ich brach mitten drin ab und knallte die Abdeckung fest auf die Tasten. Mein Vater schritt zu mir und legte mir kurz eine Hand auf die Schulter. „Sie war ganz aufgelöst, außer sich“, berichtete er neben mir stehend. „Sie hat geweint.“ Ich blickte schlagartig zu ihm auf und kniff die Augenbrauen leicht zusammen. Ich schwieg. „Sie hätte viel bitterlicher geweint, wenn sie sich nicht wegen mir zusammen gerissen hätte“, erzählte er weiter. „Bei dem Essen wirkte es so, als sei zwischen euch alles in Ordnung, viel mehr noch. Ich verstehe nicht, was passiert ist, Edward.“ „Ich doch auch nicht…“, nuschelte ich. Ich hatte sie geküsst. Wir hatten uns geküsst. Sie hatte mich geküsst. Doch dann? Das verstand ich nicht mehr. -------------- bin gespannt, was ihr sagt.... hach :) ^^ Kapitel 12: Reprise: Zerrissen - Teil 5 (Bella) ----------------------------------------------- So ihr lieben!!!! Nachschub für das WE ;) Musiktipps: Leona Lewis - Broken http://www.youtube.com/watch?v=HhBlLe_F2NA&feature=PlayList&p=F692A1C29993B942&playnext=1&index=1 & Miley Cyrus - Stay http://www.youtube.com/watch?v=dhTpvamDpGE => Beide Lieder finde ich richtig klasse und vor allem das letzte passt so gut, meiner Meinung nach, ich finde es end toll^^ Leona Lewis dann als Übergang vom letzten Kap noch mal ;) Bild zum Kap: http://img269.imageshack.us/img269/244/bannerrepriseteil5.jpg Eisig klebten die Tränen an meiner Wange, als ich die Treppen, so hastig ich, wegen des Schnees, konnte, hinab lief. Mein Körper erschauderte und ich wusste, dass das nichts mit der Kälte zu tun hatte. Was hatte er erwartet? Dass ich ihm um den Hals fiel und wir Händchen haltend zu den anderen gingen?! „Hier“, meinte jemand hinter mir. Erschrocken fuhr ich lediglich mit dem Kopf herum und entdeckte Gott sei Dank Mr. Cullen, der mir meinen Mantel reichen wollte. Ich hatte ihn nicht hinter mir aus dem Haus gehen hören, drehte mich schnell weg und strich mir eilends die Tränen aus dem Gesicht – hoffend, dass Alice Wimperntusche das aushielt. Mr. Cullen legte mir den Mantel über die Schultern und ging an mir vorbei. „Das- ist schon okay… Ich-“, sagte ich mit bröckelnder Stimme, als er sein parkendes Auto öffnete. Mr. Cullen ignorierte mich und stieg ein. Willenlos ging ich torkelnd, so fühlte es sich an, zum Auto. Ich sammelte mich, atmete mehrmals tief, aber rasch, durch und tat es ihm kraftlos gleich. Warme Luft blies mir entgegen. Wie konnte er nur? Wieso machte er alles so schwierig?, rauschte es mir unaufhörlich durch den Kopf und ich versuchte meine Tränen zu mäßigen. Mr. Cullen- alle Anwesenden heute Abend hätten das nicht mitbekommen sollen und doch würden sie jedes Wort gehört haben. Ich schluckte fest und biss mir von innen fest auf die Lippe; die Lider kurz aufeinander gelegt. Wie sollte es weiter gehen? Die nächsten Monate Laborarbeit… Wie sollte das alles funktionieren? Warum schenkte er mir ein Ring, warum küsste er mich, warum sagte er so etwas? Warum tat er mir das an… Ich verzerrte die Gesichtszüge und neigte den Kopf soweit herab, dass meine Haare wie ein Vorhang an den Seiten fielen. „Kann ich dir helfen, Bella?“, kam es von Mr. Cullen in ruhigem Tone. „Möchtest du reden?“ Ich schüttelte nur zitternd den Kopf. Sie waren alle so herzlich zu mir… Warum verdammt noch mal hatte ich ihn geküsst?!, drang es mir schlagartig in den Sinn. Unwillkürlich fuhr meine Hand zu meinen Lippen. Ich spürte immer noch das Kribbeln auf ihnen, das zart schmelzende Gefühl- Ich schluchzte und presste sogleich die Lippen aufeinander. Er ging mir nicht aus dem Kopf. Das Gefühl ging mir nicht aus dem Kopf. Aber ich konnte es nicht zulassen… es ging einfach nicht. Warum brachte er mich in solch eine Situation? Meine Fragen drehten sich in meinem Kopf zu allen Seiten. „Bella? Wir sind da“, machte mich Mr. Cullen auf das Haus neben uns aufmerksam. Ich nickte und holte tief Luft. Mit einem tapferen Lächeln schaute ich ihn an und doch sah ich vor meinem inneren Auge nur Edward. „Danke für den schönen Abend. Richten Sie das bitte auch Ihrer Frau aus“, sagte ich langsam, mehrmals schluckend. Er nickte. „Mach’s gut, Bella.“ Ein mitfühlendes Lächeln auf seinen Lippen. Ich stieg aus und wandte mich dem Haus zu. Sobald ich die Lider senkte, ergossen sich die vielen zurückgehaltenen Tränen über mein Gesicht. Trotzdem riss ich mich noch zusammen, bis ich endlich, nach Ewigkeiten, in meiner Wohnung ankam und mich kraftlos auf den Boden sacken ließ. Ich schmiss die Schuhe irgendwo hin, gefolgt von dem Haarreifen. Ich kraxelte über den Boden, den Mantel, das Jäckchen und das Kleid von mir abstreifend. Ich schluchzte laut und ließ meinen Tränen freien Lauf, ehe ich mich aufs Bett hievte und das Gesicht ins Kissen presste. Warum tat er mir das an? Warum? Warum… ich verstand es einfach nicht. Er wusste, worin das enden würde und er wusste, dass es viel schwerer werden würde. Er wusste, dass ich nicht konnte, dass ich dafür nicht hier war. Was gab ihm das Recht dazu? Ich biss in den Stoff unter mir, um meinen Schrei zu ersticken. Mit schmerzenden Augen wachte ich am Morgen auf. Meine Lungen tätigten ein paar Atemzüge durch meinen staubtrockenen Mund. Bilder gelangten mir in den Sinn. Ich kniff die Augen zusammen. Bilder, die ich nicht sehen oder an meine Gefühle heran lassen wollte. Widerwillig stand ich auf und trank etwas Milch. Mit Leere in mir schaute ich aus dem Fenster und erkannte mich darin. „Oh Gott“, formten meine Lippen und ich hastete ins Bad. Der Spiegel offenbarte mir einen schrecklichen Anblick. Mein Gesicht war, ausgehend von den ehemals geschminkten Augen, schwarz verschmiert. Ich unternahm den kläglichen Versuch und klatschte mir Wasser ins Gesicht, welches, als ich über dem Waschbecken gebeugt verharrte, an meiner Haut abperlte. Wie gut, dass ich heute einfach daheim bleiben konnte und- „Nein“, entfuhr es mir laut. Dad würde mich doch heute abholen! Und zwar früh, weil die Fahrt drei Stunden dauerte… Ich rannte ins Wohnzimmer und sah auf die Uhr. Kurz nach sieben. Um acht war er hier! „Okay, Bella, ganz ruhig. Er kommt nicht hoch, also musst du nur dich selbst anziehen und fertig machen… und nicht noch die Chaoswohnung aufräumen“, sagte ich langsam zu mir und sprintete wieder ins Bad. Duschen, waschen, Zähne putzen, Haare fönen, Klamotten zusammen suchen. Ich blendete mit größter Willensanstrengung alles aus und sah im Tunnelblick nur das Treffen mit meinem Dad und seiner zweiten kleinen neuen Familie. Freu dich! Freu dich!, rief ich mir zu, aber dabei blieb es. Zoeys Geschenk… wo hatte ich das hingetan? Ich hatte für meinen Dad und Sue ebenfalls Pralinen gemacht und in Zellophanpapier hübsch verpackt in den Kühlschrank gestellt. Unter dem Bett, sagte ich mir und ergriff es. Ich hatte ein Bauklötzchenspiel für sie gekauft. Durchdringend ertönte die Schelle, während ich meine Haare nachlässig zu einem Zopf band. Das letzte, was ich wollte, war das, was ich jetzt bekam. Doch ich war jetzt in Amerika und hatte die Gelegenheit dazu. Ich zog die Tür zu und lief die Treppen runter. „Hey Schatz, frohe Weihnachten“, grüßte er mich breit lächelnd und umarmte mich kurz. Er war so froh gestimmt, wie die letzten Male am Telefon oder bei unserem Treffen auch. „Ja, dir auch“, erwiderte ich matt. Er hielt mich an den Oberarmen rechts und links von sich weg. „Du siehst… ganz schön fertig aus“, stellte er fest. „Warst du gestern lange auf?“ Er lachte. Ich lächelte so überzeugend ich konnte. „Ich schreibe an meiner Abschlussarbeit und… na ja, das schlaucht schon ein bisschen.“ Dad ging zum Auto vor. „Aber ich dachte, du hattest gestern eine Verabredung…“ Er runzelte fragend die Stirn. „Ja, ja hatte ich auch, ging aber nicht so lang“, antwortete ich murmelnd. „War’s denn schön?“, fragte er weiter nach und schien zu bemerken, dass meine Gesprächigkeit gegen null sank. Ich verstaute meine Tasche im Kofferraum und grummelte nur: „Ja, war gut.“ Die Fahrt war… mühsam. Sehr mühsam. Nach den ersten Minuten mit ungewohntem Redefluss meines Vaters wurde es stiller im Auto. Ich hatte nicht viel beizutragen und schließlich verstummten wir beide. Meine Gedanken drifteten nicht ab, nicht zum gestrigen Tag, denn genau genommen dümpelten meine Sinne so daher. Als lag ein Schleier auf mir und in meinem Kopf war nichts. Ich versuchte meinen Gesichtsausdruck einigermaßen erträglich zu gestalten, damit mein Vater nicht noch misstrauischer wurde. Drei Stunden konnten wie tausende wirken… wenn man nichts hatte, an das man denken durfte, um damit nicht Gefahr zu laufen, sich an das Falsche zu erinnern… „Sue? Wir sind da!“, rief Dad ins Haus, nachdem er die Tür geöffnet hatte. „Wir sind hier!“, ertönte eine Frauenstimme laut. Aber es kam nicht aus dem Haus. Ich folgte meinem Vater nach hinten aus dem Haus raus auf ein kleines Stück Veranda. Von dort erkannte ich eine Frau, dick eingemummelt im Schnee hockend, neben einem kleinen Mädchen. Das Kind lief ein paar Schritte und ließ sich dann lachend auf den Po plumpsen. „Na, komm her, Schatz“, meinte Dad, stiefelte in den Schnee und hob seine Tochter über den Kopf hoch. Als ich Zoeys strahlendes Gesicht über dem meines Vater sah, lächelte ich unwillkürlich – auch wenn es schmerzte. Die drei sahen so glücklich aus. Zoey bemerkte mich unter der dicken, tief sitzenden Mütze an der Treppe. Sie streckte eine Hand aus und drückte sie mehrmals zur Faust zusammen. Ich winkte Zoey zurück. „Mama?“, quietschte sie. „Deine Schwester“, sagte mein Vater zu ihr. „Deine andere große Schwester.“ „Aber erst mal gehen wir rein“, meinte Sue, strich ihrer Tochter die Mütze aus dem Gesicht und kam zu mir. „Du möchtest bestimmt auch etwas Warmes zu trinken haben, oder? Ich für meinen Teil erfriere“, lachte sie. „Ich freue mich sehr, dass du da bist und ich dich endlich mal kennen lernen kann. Ich meine so richtig.“ Sie lächelte freundlich. „Kennst du dich eigentlich noch am mich erinnern?“ „Ganz dunkel“, überlegte ich leicht Kopf schüttelnd, als wir rein gingen. „Wenn ich früher bei Jacob war…“ Im Haus angekommen war ich schon verdutzt. Es war mir beim raschen hindurchgehen nicht so aufgefallen, doch alles hier, hatte sich sehr verändert. Aus dem Zimmer mit Singeleinrichtung waren gemütliche Räume geworden, kindgerecht, hell und farbenfroh. Es gefiel mir unheimlich gut. „Ist Zoeys Zimmer, wo meines früher war?“, fragte ich meinen Vater, der Zoey an Sue übergab, welche sie dann aus- bzw. umzog. „Ähm, ja…“, machte er etwas verlegen und sah mich mit leicht geneigtem Kopf an. „Nein, nein, das ist nicht schlimm“, wehrte ich sofort ab. „Darf ich hochgehen und es mir ansehen?“ „Sicher“, bejahte mein Vater nickend. „Du Dad“, sagte ich als ich gerade zur Treppe wollte. Ich wollte ihn das schon eine gefühlte Ewigkeit gefragt haben und war froh, dass es mir jetzt, wider aller Umstände, einfiel. „Soll ich Mum von Sue und Zoey erzählen?“ Er schaute mich konzentriert an. „Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht. Ich denke es ist besser, wenn ich es ihr selbst sage, wenn die ganze Krebssache vorbei ist. Oder was meinst du?“ „Ja… ich glaube, das ist das Beste“, stimmte ich ihm zu und wollte mich wieder zur Treppe wenden, als mir die Tüte in meiner Hand auffiel. „Ach warte, vorher…“, murmelte ich zu mir selbst und kniete mich zu Sue und Zoey auf den Teppich vor dem Sofa. Ich verteilte die Pralinen rasch und stellte dann das Geschenk vor Zoey. „Frohe Weihnachten, kleine Maus“, sagte ich und strich ihr über die feinen Haare. Zoey nahm das kleine Päckchen und wollte erst mal daran nuckeln. Gleichzeitig nahmen Sue und ich es ihr ab und Sue ließ mir den Vortritt. Dad setzte sich zu Sue und legte einen Arm um sie, während ich – mehr oder weniger mit Zoey – das Geschenkpapier entfernte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sue meines Vaters Lippen kurz küsste. Ich erschauderte innerlich. Nicht, wegen ihres Kusses, sondern wegen… meinem… gestern… Bisher hatte ich es erfolgreich verdrängt, da hier so vieles meine volle Konzentration benötigt. Bella, ich liebe dich. Ich liebe dich, hörst du? Ich zuckte leicht zusammen und sog zischelnd Luft ein, während Zoey bereits die Bauklötze von einer Ecke in die andere beförderte. Ich würde für dich bis ans Ende der Welt gehen! Ich sah zur Seite, auf meine abgestützte Hand. Unsere Beziehung wäre das Ende der Welt und was faselte er von Liebe… er kannte mich gar nicht und ich würde ihm nicht, nicht mehr, die Gelegenheit dazu geben. „Bella?“, kam es etwas vorwurfsvoll von meinem Dad. Ich riss den Kopf hoch. Er schaute mich hochgezogen Augenbrauen fragend an. „Tee? Kaffee? Was anderes?“ „Wasser bitte“, murmelte ich. Ein wenig verdutzt ging er in die Küche. Ich schaute Zoey beim spielen zu. So viele Gedanken geisterten mir bei ihrem Anblick im Kopf herum, sodass ich die einen kurz zurückstecken konnte. Zoey würde eine schöne Kindheit haben. Nicht, dass es meine nicht gewesen war, doch meine war anders. Sue schien ein herzlicher Mensch zu sein und auch mein Vater wirkte, im positiven, verändert. „Ente“, lachte die Kurze vor mir und gab mir einen braunen Zylinder. Ich runzelte die Stirn und stimmte in ihr Lachen ein. Meine Gesichtsmuskeln verkrampften sich unangenehm. „Ich habe keine Ahnung“, Sue reichte mir das Wasser, „woher sie dieses Wort hat, aber sie bezeichnet ständig alles als ‚Ente’.“ Schmunzelnd kostete Sue von ihrem Kaffee und hielt wärmend die Hände darum. „Zoey, sag mal ‚Bella’“, sprach Sue ihr deutlich vor. Ihre Tochter schaute auf, öffnete ein wenig schräg den Mund und quiekte: „Baba.“ „Bella, mein Schatz“, wiederholte Sue. „‚Baba’ meint eigentlich ‚Ball’“, klärte sie mich auf. Bitte, hör mir zu. Ich liebe dich, ich will dich. Nein, verdammt!! Ich will dir nicht zuhören!, kämpfte ich gegen die immer wieder aufkeimende Stimme Edwards in mir an, welche ohne Vorwarnung oder Auslöser einfach so in mir hervordrang. Ich fasste mit der Faust so fest ich konnte in den Teppich und bemühte mich fröhlich zu wirken. „Ich gehe mal eben aufs Klo“, teilte ich mit und eilte, so schnell es unauffällig war, zur Toilette. Ich wusch mir mehrmals durch das Gesicht, um die Tränen zu ersticken und besah mir meine hängenden Mundwinkel im Spiegel. Ich bemühte mich fröhlich zu wirken – doch nur gegenüber den Dreien. Ich betrat meine Wohnung, seufzte laut, als mir das Durcheinander die Vorkommnisse von gestern wieder ins Gedächtnis riefen. Viel präsenter und eindringlicher, als die ganze Zeit über bei meinem Vater. Das war nichts dagegen. Ich schritt um Kleid, Schuhe und sonstige Sachen drum herum und bemerkte in der Dunkelheit, ehe ich das Licht anmachte, die rote Leuchte an meinem Anrufbeantworter blinken. Meine Mutter???, schoss es mir förmlich durch den Kopf. Sofort eilte ich hin, drückte auf die große Taste. „Sie haben 22 neue Nachrichten! Bitte löschen Sie Ihren Speicher!“, erklang es mechanisch. 22 Nachrichten?! Ich riss die Augen auf. War etwas passiert? Hatte Phil mich versucht zu erreichen? Mein Handy hatte ich in der Eile heute früh hier liegen lassen. Piep. „Hallo Bella, hier ist Edward. Bitte ruf’ mich doch mal zurück. Meine Nummer lautet…“ Ein Schlag in die Magengrube. Fest, hart. Er brachte mich auf den Boden der Tatsachen. Es ging hier um etwas ganz anderes… Piep. „Bella… Edward noch mal, kannst du mich bitte anrufen? Wir müssen reden.“ Piep. „Bella, bitte, wenn du das hörst, ruf’ mich an.“ Ich lehnte den Kopf mit zusammen gepressten Lidern gegen die Wand. Piep. „Wir müssen dringend miteinander reden, Bella. Bitte.“ Piep. „Bitte Bella, geh’ doch mal ans Telefon.“ Ich streckte die Hand nach dem Anrufbeantworter und hielt den roten Knopf gedrückt. „Alle Nachrichten gelöscht“, ertönte die Frauenstimme. Ich suche nach meinem Handy und entdeckte, nachdem ich es gefunden hatte, ungefähr gleich viele Anrufe in Abwesenheit und mehrere SMS mit demselben Inhalt der Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Ein paar Klicks – gelöscht. Wie unter Schock saß ich einfach nur da und starrte an die Wand mir gegenüber. Telefonklingeln durchzuckte die Stille und ließ mich auch zusammenfahren. Viele Male ertönte das Telefon, bis der Anrufbeantworter ansprang und ich seine Stimme wieder vernahm. Mir wurde ganz anders – aber nicht positiv. Mein klopfendes Herz bewirkte ein fahles Magengefühl. „He Bella… ich bin’s… noch mal…“, sprach er langsam und schien geknickt. „Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht, aber wir müssen darüber reden. Ich bitte dich darum. Wir können uns nicht die ganzen Ferien lang anschweigen. Wie soll das in der Uni weitergehen? Ich habe noch dein Buch von meinem Vater hier. Wenn du es haben willst, sag Bescheid und ich bringe es dir vorbei.“ Tut tut tut. Ich schmiss impulsiv das Kissen auf den Anrufbeantworter. Edward hatte keinen Fehler begangen, sondern ein Verbrechen. Am Leben, an der Liebe, an mir. Er hatte gar nicht verstanden, was er damit angerichtet hatte. Nicht, dass ich das wusste, doch ich fühlte mich schrecklich. Er hatte ein Thema angesprochen, von dem ich nichts hören wollte, kein Wort. Das Buch… es war mir egal, wenn ich ihn dafür sehen müsste, dann war es mir gleich. So weit war es schon gekommen… ich steckte bei der Uni zurück, wegen- Ich schloss die Augen, so konnte ich nicht weinen. Meine Finger trommelten auf der Tastatur herum. Das langsame Arbeiten meines Laptops machte mich wahnsinnig – obgleich mich eigentlich etwas anderes störte. Mit der Abschlusshausarbeit kam ich gut voran, bestens sogar. Ich stürzte mich in die Arbeit und bekam endlich den Kopf frei. Mein Handy war aus, bei meiner Festnetznummer hatte ich den Stecker raus gezogen. Meine Mutter wusste Bescheid. Ich hatte ihr gesagt, dass ich lernen müsste und keine Zeit hatte. Zudem hatte sie mir noch eine Weihnachtskarte geschickte, auf die ich jeden Tag wartete. Wenn was war, schrieb sie mir eine SMS. Die sah ich immer abends nach, doch eigentlich waren es immer nur Edwards. Mit demselben und immer wieder demselben Text: Ruf mich an, ich muss mit dir reden. Doch das alles war nicht mal das, was mich so sehr störte, sondern die Tatsache, dass ich so gut wie fertig mit der Arbeit war – abgesehen von den Behandlungsmethoden. Die Recherche war schwierig gewesen und vieles davon im Nachhinein nicht brauchbar. Ich wusste allerdings, was mir helfen konnte… Ich klappte den Laptop herunter. Ich brauchte dieses verdammte Buch von Mr. Cullen. Es wäre perfekt. Genau das, was ich brauchte. Hätte ich es nur nicht dort gelassen, ärgerte ich mich schwarz. Ich wog ab: Edward würde herkommen und mir das Buch geben, meine Abschlussarbeit würde herausragend werden. Edward bringt mir das Buch nicht, mir fehlt die Quelle, dieser Teil meiner Hausarbeit war unvollständig. Das Resultat war denkbar. Das Problem: Edward. Ich starrte, während es in meinem Hirn ratterte, auf die bereits ausgedruckten, fertigen Teile der Arbeit. Es gab nichts Wichtigeres und Edward war mir dagegen egal. Wie automatisch griff ich zu meinem Handy, ignorierte seine vielen SMS und schrieb: Bring mir bitte das Buch vorbei. Kaum hatte ich das Handy aus der Hand gelegt, piepte es. Hielt er sein Handy die ganze Zeit fest? Jetzt?, stand dort. Ja, schrieb ich und fügte noch hinzu, als mir die Idee kam: Steck’ es in den Briefkasten. Das wird nicht hineinpassen, erhielt ich sekundenspäter als Antwort. Ich seufzte. Er hatte recht. Ich überlegte unschlüssig, was ich schreiben sollte, als mein Handy zu brummen begann und ein Anruf aufblinkte. Ich drückte weg. Das letzte, was ich wollte, war mit ihm reden. SMS schreiben ging gerade noch so. Dann leg es vor die Tür, ich hole es mir dann, schrieb ich zurück. Und wage es nicht, zu glauben, dass du mich zu Gesicht bekommst, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich will dich nicht sehen… Ich fahre jetzt los, erschien es noch auf meinem Display. Ich machte mein Handy wieder aus und blieb nervös, nichts tuend, sitzen. Er würde mit dem Auto nicht sehr lang brauchen… Matt glitt ich vom Stuhl und begann meine Küche etwas aufzuräumen – eher umzuräumen, denn das Geschirr war gespült und eigentlich alles blitzsauber. Mein Blick fiel immer wieder auf die Uhr und als ich glaubte, dass er bald da sein würde, schnappte ich mir meinen Schlüssel und ging auf den Flur. „Bella?“ Mein Nachbar lugte unverhofft aus der Tür raus. „Sie kommen heute vorbei, wegen der Heizung. Heizung ablesen“, klärte er mich freundlicherweise auf. „Weiß’ nicht, ob du den Zettel unten gelesen hattest.“ „Nein, hab ich nicht, okay, danke“, meinte ich rasch. Mein Nachbar nickte und schloss die Tür. Wie sollte ich den auch gesehen haben? Ich war die letzten Tage nicht draußen gewesen, nachdem ich einen Großeinkauf gemacht hatte. Auf dem Weg nach unten, eine Treppe tiefer, kam mir der Heizungsdienst entgegen. Ich lief nicht direkt nach unten zum Briefkasten, sondern blieb im ersten Stock am Fenster stehen und spähte hinaus. Edward würde mich sonst sehen – und was noch schlimmer war, ich ihn. Schon kam Edwards Auto am Straßenrand in Sicht. Aufgeregt wickelte ich immer wieder eine Strähne um den Finger und beobachtete, wie er zur Eingangstür ging. Ich fühlte mich unwillkürlich wie ein Verbrecher. Er legte das Buch ab, blieb jedoch, die Hände in den Hosentaschen, vor der Tür stehen. Was machte er da? Er stand noch ein paar längere Augenblicke vor der Tür, ich erkannte nicht wirklich, was er tat, dann entfernte er sich und fuhr weg. Bei seinem Anblick wurde mir ganz anders. In so vielerlei Hinsichten… Ich wartete, bis ich das Auto nicht mehr sah und stapfte dann herunter. Unten angekommen nahm ich das Buch und bemerkte auch, warum er dort gestanden hatte. Er schien sich den Zettel über die Heizungsablesung angesehen zu haben. Ich zuckte zur mir selbst mit den Schultern und schaute auf das Buch. Immerhin hatte ich es. Ich strich den Schnee vom unteren Rand ab und lief die Treppen wieder hoch. Mit einem inneren Lächeln, äußerlich fiel es mir noch zu schwer, machte ich es mir auf meinem Bett gemütlich und nahm mir das Buch vor. Kaum hatte ich noch mal kurz das Inhaltsverzeichnis überflogen, klopfte es auch schon an der Tür. Nun gut, dachte ich und glitt von der Matratze, wenn sie das jetzt schnell machten, dann störten sie mich nachher nicht bzw. ich musste nicht auf die Ablesung warten. Ich ließ das Buch auf dem Bett verweilen und griff nach wenigen Schritten nach der Klinke. Mit einem aufgesetzten Lächeln öffnete ich. „Guten-“ Mein Lächeln erstarb, meine Stimme erstarb. Ich wollte sofort die Tür wieder zu knallen, doch Edward hielt seinen Fuß dazwischen. „Lass mich bitte rein“, bat er sanft. „Nein, verschwinde!“, rief ich und drückte die Tür fest gegen seinen Fuß. Es war für ihn jedoch ein Leichtes, zu Leichtes, die Tür schließlich mit einem Ruck zu öffnen und hinter sich zu schließen. Ich wich zurück. „Was machst du hier?! Wie kommst du überhaupt rein!?“, warf ich ihm entrüstet an den Kopf. „Ist nicht schwer, wenn Heizungsleute im Haus sind“, erklärte er mit einer wegwerfenden Bewegung. Wir standen einander gegenüber. Mein Blick mit verzerrtem Gesichtsausdruck abgewendet. Was sollte ich sagen oder besser, wie wand ich mich heraus? Wie brachte ich ihn zum gehen? „Ich erwarte noch eine Antwort“, begann Edward und ich schaute ihn kurz an. Mich durchzog ein wohliger Schauer. „Ich habe dir meine Liebe gestanden und du sagst nichts dazu?“ „Da gibt es nichts zu sagen“, murmelte ich mit gesenktem Blick. „Findest du? Findest du nicht, dass du mir sagen solltest, wo ich stehe?“, fragte er in einem so leidenschaftlichen Ton, dass ich die Lider kurz aneinander presste. Ich spürte seine Hand an meiner. „Lass das!“, entfuhr es mir und zog meine Hand weg. Nicht noch mal, nicht noch einmal von vorne. Tu mir nicht weh, bitte, flehte ich innerlich. Er nahm die Hand zurück. „Bella, du und ich… da ist doch mehr, als… wir sind doch nicht nur Laborpartner-“ „Hör auf! Hör auf, Edward!“, schrie ich und presste rechts und links die Hände an meinen Kopf. „Je mehr du dich da reinsteigerst-“ „Das tue ich nicht. Bella, ich liebe dich“, verdeutlichte er mit einem leidenden Ausdruck in seinen Augen. „Das meine ich doch!“, erwiderte ich und wusste nicht, was ich sagen konnte, damit er es verstand. Vielleicht doch… „Tut mir leid, Edward. Das beruht nicht auf Gegenseitigkeit“, formten meine Lippen mechanisch – unüberzeugt. Er fand sich wohl unwiderstehlich, dass er glaubte, jede zu kriegen, sagte eine klägliche Stimme in mir, auf die nichts in meinem Körper hören wollte. Peitschend krampften sich die Gefühle in mir zusammen. Als ich kurz aufgesehen hatte, entglitten Edwards Gesichtszüge ihm leicht. Hatte er es verstanden?, fragte ich mich mit einem Hauch Zuversicht, falscher Zuversicht. Nein, er hatte nichts, aber auch gar nichts verstanden. Er machte einen schnellen Schritt auf mich zu, legte eine Hand in meinen Nacken und die anderen in meinen Rücken. Ehe ich mich versah, hatte er mich zu sich ran gezogen und die Lippen sachte meine gelegt. Mich durchströmte dieses angenehme Gefühl, dieses Kribbeln, diese Wohltat, ich wollte mehr… Für eine Sekunde hatte ich mich nicht im Griff und umspielte innig seine Lippen, bevor ich ihn, schnell in der Realität ankommend, von mir fort stieß und mit der Hand über die Lippen wischte. „Lass das- du- du sollst- ich will nicht-“, fauchte ich vollkommen durcheinander. „Das nennst du ‚es beruht nicht auf Gegenseitigkeit’??“, fragte er irritiert nach. Ich wand mich um eine Antwort und wahrte wieder den Abstand zu ihm. „Du- willst du es nicht verstehen? Ich bin nicht hier- ich bin nicht hier für so etwas- für-“ „So etwas wie Freundschaft? Liebe?“, harkte er nach. „Und wenn es jetzt passiert ist? Einfach so? Und du nichts mehr dagegen machen kannst?“ „Man kann immer etwas dagegen machen“, sagte ich, meinte es aber nicht so. Es war längst zu spät. Viel zu lange fühlte ich es schon. Mir schossen die Tränen in die Augen. Aber es ging nicht. Ich durfte das jetzt nicht. Ich hatte meiner Mutter versprochen, wenn ich schon ging, die Zeit zu nutzen und nicht mit solchen Sinnlosigkeiten zu verplempern. Ich war nur noch kurz Zeit hier… was sollte das alles bringen? Ich vergeudete Zeit, versuchte ich mich mit allen Mitteln zu überzeugen, doch es ging einfach nicht. Tränen kullerte meine Wangen herab und tropften von meinem Gesicht, als ich den Kopf neigte. Ich schluchzte leicht, ließ es zu und tat nichts, als Edward auf mich zu ging und die Arme um mich schlang. Mit hängenden Armen stand ich reglos da und weinte. Er drückte mich gegen seine Brust. Ich widerstand allem, was ich jetzt so sehr wollte: Seine Hand nehmen, mich in sein Hemd krallen, meine Lippen auf seinen spüren. Wohlbefinden breitete sich unweigerlich aus, während ich in seinen Armen lag. Beschützt, behütet. Ich genoss einfach nur die Nähe zu ihm. Einfach nur, für einen kurzen Moment. Ich schob ihn schweren Herzens von mir weg. „Bitte geh’ jetzt“, hauchte ich und hatte die Augen noch für einen Moment geschlossen. Ich spürte diesem Gefühl nach, dem ich mich freiwillig entsagte. Es war so schwer… Er ließ von mir ab, blieb jedoch, mit einem intensiven Blick auf mir stehen. „Ein Wort noch, Bella“, bat er und ich schaute auf, in seine ehrlichen, grünen, flehenden Augen. „Vielleicht magst du mir das alles nicht glauben und es wirkt unglaubwürdig auf dich, weil ich in der Vergangenheit nicht immer oder weniger nett zu dir war und das tut mir sehr leid, aber ich sehe dich jetzt anders. Du bist mir wichtig, glaub mir das. Ich habe lang genug gebraucht, mir das einzugestehen und ich hoffe so sehr, dass du es auch kannst. Denn ich liebe dich wirklich“, flüsterte er zuletzt. Er hob seine Hand langsam zu meiner Wange. Ich rührte mich keinen Millimeter, mein Herz pochte laut. Sanft streichelte er über meine Haut, ehe er zur Tür ging. „Ich würde mir so wünschen, dass du es auch erkennst und vor allem zulässt…“ Die Tür fiel ins Schloss. Ich stand stocksteif mitten im Raum, unfähig, mich nach dieser Bewegung zu rühren. Meine Mutter… mein Studium… meine Zukunft… das alles ging nicht… Ich wollte es so sehr, wie ich es nicht wollte. Ich sehnte mich so sehr nach ihm, wie ich ihn verabscheute. Ich liebte ihn so sehr, wie ich ihn hasste. Doch was sollte ich tun, wenn die Waage auf beiden Seiten das gleiche für mich bereithielt. Wenn ich keine Kriterien hatte, die mir den Weg wiesen… welche Entscheidung würde ich, konnte ich und war ich in der Lage zu treffen? Für ihn und gegen mich. Oder gegen ihn und für mich. War ein für ihn, nicht vielleicht auch ein für mich? Oder ein gegen ihn, nicht auch gegen mich? Alles in mir war durcheinander. Kein Weg war richtig und keiner leicht. Doch egal, was ich tun würde, ich würde mich für einen entscheiden müssen. Ablenkung half wenig. Das Buch war toll, meine Gedankenflut woanders. Das Schlimmste war, dass meine Abschlussarbeit nun sehr rasch beendet war und ich nichts mehr zu tun hatte – nichts Verpflichtendes, Eilendes. Dabei waren noch drei Tage Weihnachtsferien… Ich frühstückte lieblos und halbherzig und ging dann, wie jeden Morgen, zum Briefkasten. Ich holte mir die Zeitung und ab und an auch Post, welche aber meist Werbung war. Heute war ein orangefarbener Umschlag dabei. Es stand nichts darauf. Die Karte meiner Mutter hatte mich immer noch nicht erreicht, aber dieser Brief hier konnte wohl kaum von ihr sein. Mein Verstand suchte nach Auswegen, Erklärungen… das Herz in mir, was meinen Atem beschleunigen wollte, ahnte, wessen Hände diesen Umschlag verlassen hatten. Er hatte mich in Ruhe gelassen, nicht mehr geschrieben, nicht mehr angerufen und ich war dankbar darum – auch wenn es schmerzte. In jeder Faser meines Körpers, dachte ich, als ich meine Wohnung betrat. Er machte alles kompliziert und unglaublich schwer für mich, mich rein auf mein Studium hier zu konzentrieren und weiter zu lernen. Wie von selbst führten meine Beine mich zum Bett und meine Hände öffneten den Umschlag. Darin befand sich eine gleichfarbige, von unten aufzuklappende, Karte. Ich runzelte irritiert die Stirn. Auf der Vorderseite erblickte ich- ja, was war das? Es sah aus, wie Kindermalerei, wenn ich ehrlich war. Mehrere bunte Striche, die zu allen Seiten stoben. Wie Sonnen mit deren Sonnenstrahlen, nur ohne den Kreis in der Mitte, der die Sonne darstellen wollte. Mir war schleierhaft, was das bedeutete. Als ich hineinblickte, war ich ein wenig schlauer. Nur Zahlen. 31-12-2010, darunter 22.00 Uhr. Silvester, dämmerte es mir. Das war… eine Einladung. Noch so eine Feierlichkeit? Ein zweites Weihnachtsfest? Sollte es genauso enden? Ich bemerkte etwas auf der Rückseite, als ich die Karte eigentlich gerade aus der Hand geben wollte. In Edwards schnörkeliger Schrift stand: Nur du und ich. Ich liebe dich. Mein Herz schlug schneller – es raste. Ich begann mich zu freuen- Das durfte nicht sein, Bella! Wann verstehst du es endlich? Und Edward würde es auch bestimmt bald verstehen und- Ich legte mich seitlich aufs Bett, die Hände beide unter den Kopf geschoben, die Karte vor mir aufgestellt. Nun identifizierte ich die Striche auch als Feuerwerk. Meine Lippen schmunzelten leicht. Er sollte beim Klavier spielen bleiben. Freitag… Silvester… nur er und ich… Mit den Fingerkuppen glitt ich sachte über die Karte. Es half nichts. Tränen bahnten sich den Weg über meinen Nasenrücken auf das Kissen. Was konnte ich nur tun, um das nicht alles zuzulassen? Ich fuhr mit der Hand über mein Dekolletee zu meinem Hals. Wenn ich nur hätte standhalten können, wenn ich nur stärker gewesen wäre, wenn ich mein Versprechen gegenüber meiner Mutter dann nur nicht brechen würde… Hatte ich mich nicht eigentlich schon entschieden? Gab es noch ein zurück? ---------------- Freue mich auf eure Kommis =))))) Kapitel 13: Reprise: Zerrissen - Teil 6 (Bella) ----------------------------------------------- Soooo.... zum Start ins WE ;) Musik: Eva Cassidy - Time after Time http://www.youtube.com/watch?v=8iPcE9UQ-qA&feature=PlayList&p=8D10A9893D752116&playnext=1&index=50 & Miley Cyrus - Stay http://www.youtube.com/watch?v=dhTpvamDpGE => Also das erste Lied....... mhmmm... ich finde das so toll von Eva Cassidy ^^ total romantisch iwie, sehr passend ^^ und das Stay-Lied noch mal für das Ende...^^ Bild zum Kapteil: http://img807.imageshack.us/img807/7788/bannerrepriseteil6.jpg ----------------------- Je näher der 31. kam, umso nervöser wurde ich. Je näher die Uhr gen 22 Uhr rückte, desto mehr schien ich durchzudrehen. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, an lernen war gar nicht zu denken. Das kannte ich nicht von mir. Dieses Kribbeln, was mein Handeln, mein Denken, meine Wahrnehmung, einfach alles beeinflusste und mir die Kontrolle nahm, war mir fremd. Alice’ Kleid mit samt Zubehör hatte ich sorgsam in einer Tasche verstaut und nicht mehr rausgeholt, geschweige denn angesehen. Unliebsame Erinnerungen waren damit verbunden. Nun überlegte ich doch, ob er wohl verlangen würde, dass ich es an so einem Tag trug… Würde er Ansprüche stellen? Würde ich diese Ansprüche an mich selbst stellen? Nein. Wenn er mich liebte, dann war es ihm gleich… mir wäre es das auch, kam ich zu dem Schluss. Ein letzter Blick auf die Uhr. Kurz vor zehn. Ich schaute noch mal auf die aufgestellte Einladungskarte auf meinem Nachttisch, sammelte mich und verließ die Wohnung. Im Wohnheim war es mit jeder Stunde heute lauter geworden. Es schien, als stiegen überall kleine Privatpartys. Aber auf was musste ich mich gefasst machen? Edward. Er stand mit seinem silbernen „Winterauto“ bereits am Straßenrand. In gleichmäßigem Schritt ging ich darauf zu und legte die Hand an die Autotür. Ich sog noch einmal die kühle Luft ein, um vielleicht auch einen kühlen Kopf zu behalten und stieg ein. Ich wandte den Kopf innerlich zitternd zu ihm. „Hey“, sagte er. „Hey“, sagte ich. Wir sahen einander nichts sagend und doch gerade deshalb so vielsagend an. Die Verbindung zwischen uns war spürbar, dass es für einen Außenstehenden mit Sicherheit von weitem erkennbar gewesen wäre. Meine Eingeweide zogen sich angenehm zusammen, während wir einander einfach nur anschauten. Gleichzeitig senkten wir peinlich berührt den Blick und lachten hüstelnd in uns hinein. Meine Wangen erhitzen sich leicht. „Ich habe so gehofft, dass du kommst“, meinte er zart. Ich atmete leicht schief lächelnd tief ein und aus. Sollte ich entgegnen, dass Hoffnung das letzte war, was ich empfinden wollte? Ich sagte nichts. Er führte seine Hand in meine Richtung. Sie schwebte kurz über meiner und dann, als ich keinen Widerstand leistete, senkte er sie auf meine herab. Er ergriff meine Finger und führte sie zu seiner Wange, wo er sie sanft darüber strich. Unsere Hände verweilten danach wieder zwischen uns. Ich schaute darauf. Das war ein schöner Anblick und seine Wange hatte sich so gut angefühlt… „Darf ich dich küssen?“, fragte er unvermittelt. Ich riss den Kopf hoch und starrte ihn überrumpelt mit geöffnetem Mund an. „Ich dachte nur, ich frage dich, damit- damit nicht solche Sachen wie bei den letzten beiden Male passieren…“ Sein Blick galt erwartungsvoll meinen Augen. „Ähm…“, machte ich lückenfüllend und spürte das „Ja!!“ und das „Nein!!“ in mir schreien. Noch hatte ich mich im Griff und die Vernunft siegte… „Später… okay?“, murmelte ich leise und schaute ihn entschuldigend an. Es war mir einfach so entglitten, stellte ich perplex fest. „Das ist okay“, erwiderte er. „Ein ‚später’ ist besser als ein ‚nie’.“ Er lächelte. Ich tat es ihm schwach gleich. Er wartete noch einen Augenblick, löste seine Hand aus meiner und startete den Motor. Ich beobachtete seine Handgriffe genau. Er drehte den Kopf nach links und wartete, bis die Straße frei wurde. Ich biss mir auf die Lippe, doch es half nicht. Ich war zu schwach, jetzt schon. Es ging einfach nicht mehr, ich wurde gerade innerlich besiegt – und ich freute mich darüber. Mit der Hand zerrte ich an seinem Arm, dessen Hand am Lenkrad ruhte, und zog ihn an diesem zu mir rüber. Ich küsste die Lippen seines verdutzten Gesichtes und schmeckte seinen Atem in meinem Mund. Nach einer kurzen, zögernden Sekunde, da nun ich ihn überfahren hatte, erwiderte er meinen Kuss und streichelte meine Lippen mit den seinigen. Geräuschvoll atmend ließen wir voneinander ab und sahen uns an. Seine Augen waren das Faszinierendste, das ich je gesehen habe. Es war, als konnte man sich in ihnen verlieren, als brauchte nicht ein Wort über seine Lippen kommen. „Ist bei dir ‚später’ immer so bald?“, wollte er gedämpft wissen. Er strich mit der Hand von der Stirn über meine Haare. „Nein“, ich schüttelte den Kopf, „eigentlich nicht.“ Wir lächelten. Die Straße war frei. Die Fahrt über sprach niemand ein Wort und doch, ich genoss es. Es war eine Stille, die wunderschön und beruhigend war. Eine Stille, in der niemand etwas sagen brauchte. Er hielt meine Hand und wir tauschten ab und an einen Blick aus. Ich versuchte gleichmäßig und beschaulich zu atmen. Das war nun scheinbar keine Selbstverständlichkeit mehr – ich musste bewusst darauf achten. Das Ärgerliche an dem Ganzen war auch, dass ich nicht mal eine ungefähre Vorstellung hatte, was mich erwartete. Weihnachten war auch nicht so verlaufen, wie ich es mir ausgemalt hatte, doch der Ablauf war mir ungefähr klar gewesen. Jetzt hatte ich keine Ahnung, was geschah. Würden wir auf sein Zimmer gehen? Und dann? Spielte er mir etwas vor? Bis Mitternacht? Und dann stießen wir mit den anderen gemeinsam an? Ich merkte, dass diese Gedanken mehr ein Schwärmen war und versuchte erst mal im hier und jetzt, bei der Realität zu bleiben, als er mir manierlich die Tür auffielt, damit ich bei der Ankunft am Haus aussteigen konnte. Er ließ mich vorgehen, überholte mich allerdings am Ende flugs. „Du weißt ja, dass wir eine Glastür zum Wohnzimmer haben, richtig?“, stellte er mir eine mehr als merkwürdige Frage. „Jaah…“, machte ich verwundert und wartete ab. Er griff in seine Jackentasche und holte ein schwarzes Tuch heraus, wie ich im Außenlicht neben der Tür erkannte. „Darf ich?“, fragte er und hielt es hoch. Kleckerweise verstand ich, dass er mir die Augen verbinden wollte und runzelte irritiert die Stirn. „Sonst ist die Überraschung hinüber“, führte er als Erklärung an. „Vertrau mir. Bitte.“ Ich lächelte schnaubend und schloss die Augen. „Okay, na gut.“ Ich hörte, wie er hinter mich trat und dann das Tuch um meinen Kopf band. „Siehst du noch etwas?“, fragte er nach und nahm im gleichen Moment meine Hand. „Nein.“ „Ehrlich?“, wollte er sicher gehen. „Ehrlich“, lachte ich. „Gut“, lachte er ebenso. Ich vernahm ein Schlüsselraschen und ein Klicken des Türschlosses. „So…“, machte Edward und ich erfühlte seine beiden Hände, ehe er mich in den Flur zog. „Und die anderen?“, fiel mir ein, wenn wir ins Wohnzimmer gehen würden. Waren sie dann oben? Waren sie auch im Wohnzimmer? Obwohl er schrieb… „Nur du und ich“, flüsterte er mir ins Ohr, ganz leichte Bartstoppeln über seinen Wangenknochen kitzelten meine Haut. „Es ist niemand hier.“ Ohne hörbare Vorwarnung legte er die Lippen auf meine. Wenn mir nicht schon der Blindheit wegen schwindelig und das Gleichgewicht halten ein schwierigeres Unterfangen gewesen war, dann war es das jetzt mit Sicherheit. Ein berauschendes Gefühl ihn auf meinem Mund zu spüren, wenn gleich ich es nicht sehen oder steuern konnte und ihm nahezu ausgeliefert war. „Zieh’ am besten deine Schuhe direkt aus“, überlegte er und nahm mir dann auch die Jacke ab. „Und die Sweat-Shirt-Jacke auch. Drinnen wird es denk ich wärmer – also nur, wenn du willst natürlich“, schränkte er ein. „Ja, kein Problem“, erwiderte ich. Er half mir mit wenigen Handgriffen aus meinem Oberteil, bis ich nur noch in T-Shirt und Jeans dastand. Ich hörte, wie er sich selbst entkleidete und dann wieder meine Hände nahm. Die Glastür glitt geräuschvoll zur Seite. Langsam zog er mich, nun an einer Hand, in das Wohnzimmer und schob die Glastür wieder zu. „Nicht gucken und vor allem nicht bewegen, ich bin sofort bei dir“, verkündete er und ließ mich stehen. Es zischte und knackte mehrmals. Nur vom Hören her, hatte ich keine Ahnung, was er machte. Und ich tat ihm den Gefallen, nicht unter der Binde zu blinzeln, obwohl ich schon sehr gespannt war. Er schien die ganze Zeit hin und her zu laufen. „Edward, was machst du?“, fragte ich dann doch neugierig. Es roch… süßlich? „Augenblick“, kam es von irgendwoher. Es klang weiter weg. Mir war gerade nicht ganz wohl dabei. Es machte mich kirre, dass ich nicht wusste, was hier vor sich ging. „So, fertig“, gab er, immer noch von der Ferne – nach einer gefühlten Ewigkeit –, kund. Mir stieg ein rauchiger Geruch in die Nase und ich runzelte stutzig die Stirn. „Nicht erschrecken“, sagte er, direkt vor mir, wie es schien und doch zuckte ich zusammen. „Lass die Augen noch geschlossen, ich sage dir, wann du sie aufmachen kannst“, bat er und löste den Knoten an meinem Hinterkopf. „Gib’ mir noch mal deine Hände“, machte er es spannend und ich reichte sie ihm, indem ich die Arme ausstreckte. Seine fanden meine. Er zog mich daran ein Stück weiter. „Jetzt“, flüsterte er. Mehrere Male blinzelnd öffnete ich die Augen und musste sie kurz zusammenkneifen, um klar sehen zu können. Mein Blick schweifte zu allen Seiten. „Wow“, formten meine Lippen mit einem Hauch. „Edward-“ Ich brach ab, denn ich war des Sprechens gerade nicht mächtig. Ich stand mit Edward am Anfang eines schmalen Weges durch das Wohnzimmer. Um uns herum waren unzählige Teelichter auf dem Boden entzündet, die in die gänzliche Dunkelheit leuchteten. Doch nicht nur dieses Schauspiel verschlug mir die Sprache. Das Licht fiel auf kleine Kristalle, die den Boden, gar den ganzen Raum mit ihrem Glanz zu benetzen schienen. Rosenblätter verweilten zwischen all dem, daher der süßliche Duft. Die Kerzen erleuchteten das Rot der Blütenblätter. Es schillerte überall. Ich wusste gar nicht wie mir geschah, als ich einfach nur rechts und links bewundernd auf den Boden sah. Meine Lippen versuchten Worte hervorbringen, die ich nicht im Stande war zu sprechen. Ich war schlichtweg überwältigt. „Du magst es?“, fragte er überflüssigerweise nach und lächelte gespannt, während er immer noch vor mir stand, meine Hände haltend. „Das- ich weiß nicht, was ich sagen soll…“, gestand ich und platzte mit einer Frage heraus, die mir auf der Zunge brannte. „Bist du immer so romantisch?“ Ich hätte so was niemals von ihm gedacht- oder nicht denken wollen…? „Nur, wenn ich es sein muss…“, schmunzelte Edward und kam etwas näher zu mir heran. „Und bei mir musst du?“, fragte ich weiter verwundert nach. Ich bemerkte, dass ich so wenig über ihn wusste oder ihn gar nicht recht einschätzen konnte, weil alles in mir, das eigentlich auch gar nicht wollte… „Ja… alles andere wäre deiner nicht würdig…“, hauchte er, näherte sich meinem Gesicht und ich ließ ihn gewähren. Er liebkoste meine Unterlippe. „Das… ist aber nicht alles“, flüsterte er. „So?“ Ich schaute ihn fragend an. Er zog mich ein Stück weiter und schritt dann zur Seite, während er sich selbst hinter mich stellte. Ich machte große Augen. Darauf hatte ich bei dem ganzen Lichterspiel gar nicht geachtet. Hinter ihm, ganz am Ende, wo das Wohnzimmer endete und eine Tür auf die Terrasse führte, war- ja, wie nannte man das? Eine Insel? Edward zog mich einen Hauch ungeduldig hinüber und setzte sich mit mir dorthin. Ich bemerkte, wie er Anstalten machte, etwas zu sagen. „Wartest du kurz? Nur einen kleinen Augenblick, ja?“, bat ich. Er nickte langsam und beobachtete mich, während ich alles um mich herum noch mal in Augenschein nahm. Ich war überflutet von alledem, dass ich einen Moment brauchte, alles auf mich wirken zu lassen. Wo wir saßen, lag eine runde Matratze oder so etwas Ähnliches mit roten Decken übersäht und zahlreichen Kissen darum, die ein wenig indisch, mit gold und pink und rot, angehaucht waren. Um den Kreis aus Kissen, der nur zu unseren Füßen, fast wie ein Eingang, ein Stück unterbrochen war, waren Vasen mit Blumensträußen und längliche Kerzen drapiert worden. Ich schaute von hier aus sitzend in das Zimmer und konnte meine Augen kaum noch von dem herrlichen Glanz abbringen. Erst jetzt fiel mir auf, als ich die Scheiben und die Reflexion betrachtete, dass jene Lichtspiegelungen nur am oberen Teil des Fensterglases zu sehen waren. Unten war von außen eine Art Jalousie angebracht, die im unteren Drittel der gesamten Glaswand verlief. Ich wand den Kopf zu Edward, der gerade leise Melodien aus einem CD-Player erklingen ließ „Das ist wunderschön, danke.“ Er lächelte breit, legte einen Finger an meine Wange und küsste mich innig. Das Kerzenlicht flackerte auf seinem Gesicht verführerisch. „Warte“, sagte er nach dem Kuss und langte nach hinten. „Ich habe alles gegeben, glaube es mir.“ Er legte auf unser beider Schoß ein silbernes langes Tablett hin und ich erblickte belegte Baguettescheiben, Obst- und Käsespieße und Dips. „Die hast du selber gemacht?“, fragte ich nach und deutete auf letztere. „Ähm, nein“, er räusperte sich entschuldigend grinsend. „Ich wollte mich nicht übernehmen und dir das zumuten. Aber ich habe mir beim aussuchen mühe gegeben.“ Wir lachten auf. „Ich hoffe, du hast dich auch mit der Karte nicht übernommen“, neckte ich ihn zärtlich. „Ja… äh, ich bin nur ein Künstler am Klavier.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich fand sie großartig“, lobte ich. „So was hat noch nie jemand für mich gemacht.“ Ich lächelte breit. Er küsste meine Schläfe. „So und jetzt…“ Er fuhr wählerisch mit dem Finger über das Tablett und pickte ein Stück Baguette mit Käse und einer Tomate drauf für mich heraus. Im selben Atemzug hielt er es vor meinen willigen Mund und ließ mich abbeißen. „Hast bestanden“, murmelte ich kauend. „Das ist ja auch nicht schwierig“, wog er, mit Blick auf das Tablett, ab. „Auch einfache Sachen muss man erst einmal können“, gab ich zu bedenken und nahm den zweiten Bissen. Ich war schon hungrig… Edward reichte mir das letzte bisschen Brot und griff dann wieder neben sich, hinter die Vase und holte zwei Gläser und eine Flasche Saftschorle hervor. Weiter hinten erkannte ich, als ich mich vorbeugte, einen Eisbehälter mit zwei Sektflaschen. „Ich weiß nicht, ob du Alkohol trinkst“, begann Edward, er war meinem Blick gefolgt, „deshalb habe ich einmal mit und einmal ohne besorgst. Für nachher zum anstoßen- oder für jetzt?“, fügte er fragend hinzu. „Nein, nachher ist vollkommen okay“, meinte ich und langte nach der Saftschorlenflasche. „Alkohol nur, wenn du mich betrunken machen willst oder ich ganz schnell schlafen soll.“ Ich nahm ihm die Gläser ab und goss ihm und mir etwas ein. Edward beobachtet dies mit irritiert zusammengekniffenen Augen. „Na ja, ich vertrage nicht viel. Ich hab nie viel Alkohol getrunken“, fügte ich erklärend hinzu und dachte, das hätte er auch so verstanden. Er nickte nur und seine Gesichtszüge glätteten sich. „Dann…“, machte er und nahm aus einem kleinen Körbchen ein Stück Brot. Er schaute lippenspitzend zu den Dips und wählte einen rötlichen aus. Ich biss von dem rot triefenden Stück Brot ab und wischte mir sofort an den Lippen herum, weil es unglaublich flüssig war – und scharf. Ich hustete und griff sofort nach meinem Glas, helfen tat es nicht wirklich. Ich aß ein Stück trockenes Brot hinterher, während ich Edward das mit Dip überließ. Nichts sagend schob er es sich in den Mund. „Edward“, röchelte ich ein wenig, „du kannst doch nicht mein-“ „Es ist wirklich ein wenig zu scharf“, ignorierte er mich nickend. Er stellte den Dip zur Seite. Ich trank noch einen Schluck hinterher und atmete einmal durch, ehe ich noch ein kleines Stück Brot aß. Unerwartete beugte Edward sich vor und küsste seitlich meinen Mund, spürte jedoch dann wie etwas Klebriges darüber huschte. Er leckte mir den Rest Soße aus dem Mundwinkel. Und… es fühlte sich gut an. Trotzdem schaute ich Edward ein wenig angewidert an. „Du- du kannst doch nicht- das ist doch eklig…“ „Für mich nicht“, meinte er schief grinsend. Ich erwiderte das Grinsen und verdrehte die Augen. Es erschien alles so einfach, so locker mit ihm zu sein, als wäre es schon immer so gewesen. Als kannten wir uns ewig und hatte keine Geheimnisse voreinander. Als wusste er genau, wer ich war und andersherum. Woher kam diese plötzliche Vertrautheit? War sie immer schon da gewesen? Oder lag das einfach daran, dass mein Bauchgefühl die Überhand hatte und die Sekunden gezählt waren, bis mein Verstand wieder einsetzte und dies alles hier verbot… „Ich platze gleich“, stieß ich hervor und ließ mich nach hinten auf die Matratze fallen. Die Hände auf meinem verdauenden Bauch. „Oh bitte nicht“, witzelte Edward und legte sich zu mir auf unsere kleine Insel, nachdem er das Tablett daneben hatte verschwinden lassen. Er streckte den Arm über meinem Kopf aus und ich folgte der Andeutung, ließ meinen Kopf darauf nieder, während mein Blick stets zur Decke gerichtet war, die in angenehmen Licht flackerte. Ich fühlte mich wohl. Es war so schön ihn zu berühren und an ihm zu liegen; seine Aura zu spüren und zu hören, wie sich seine Brust hob und senkte. Langsam, beschaulich. Er drückte mich ein wenig enger an sich und küsste mein Haar ganz sanft, bevor er leise sagte: „Weißt du, wie schön es ist, das zu dürfen?“ Ich schmunzelte leicht, als er, suchend nach meiner Hand, über meinen Körper fuhr. Er hinterließ eine Spur angenehmes prickeln. Mit dem Kopf wand ich mich an seiner Schulter zu seinem Gesicht. „Wenn ich nicht gekommen wäre, hättest du das alles umsonst gemacht“, stellte ich fest. Sein Blick galt der Decke. „Das wäre es mir wert gewesen – auch, wenn meine Geschwister dann etwas zum Sticheln gehabt hätten“, lachte er leise. Dann schaute er zu mir herab. „Aber ich habe einfach gehofft, dass du kommst und ich dir zeigen kann, wie sehr ich dich liebe, wenn du es dir schon nicht von mir sagen lässt.“ Sachte legte er den Kopf an meinem ab. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, obwohl er nicht mal wusste, ob es nicht vergebens war… „Erzähl’ mir was von dir“, wünschte er sich. „Ich denke immer, ich weiß so wenig von dir.“ „Na ja“, ich zuckte mit den Schultern, „viel gibt es da auch nicht und…“, ich wandte den Blick ab, „meine Geschichte kennst du ja bereits…“ Mir kam wieder in den Sinn, dass es vor allem seine Eltern auch wussten, was das weit aus schlimmere daran war. „Hey…“ Er drehte den Kopf zu mir. „Ich schätze du magst es nicht, wenn jemand das alles weiß und dich wohlmöglich-“ „Bemitleidet“, warf ich ein, damit wir auf den Punkt kamen. „Ich will nicht, dass die Leute denken ‚das arme Mädchen’, mich deshalb begünstigen oder nur deshalb meine Leistung anerkennen.“ Ich sah weiterhin zur Seite. „Ich meine, ich habe mir die Umstände natürlich nicht ausgesucht und niemand hätte diese gerne gehabt, doch ich habe mich damit abgefunden. Was ich nicht ändern kann, damit muss ich lernen umzugehen. Das hat nichts mit meinem Studium zu tun. Es macht mir nichts aus, dass meine einzige Freizeit das Studium ist, es macht mir Spaß.“ „Und trotzdem“, wand Edward ein, „bewundere ich dich für deinen Willen und deine Energie. Auch wegen deiner kranken Mutter.“ Ich hob ganz leicht, kaum für ihn vernehmbar, die Mundwinkel und senkte sie dann rasch wieder. Wenn sie mich jetzt so sah… „Geht es ihr denn besser?“, wollte er weiterhin wissen. „Ja, bald ist alles überstanden. In ein paar Wochen hat sie die letzte große Abschlussuntersuchung und es sieht gut aus. Dann ist alles vorbei“, hauchte ich nur noch, denn ich spürte Tränen in mir aufsteigen, die ich schnell versuchte, wegzublinzeln. Ich kannte mich so weinerlich gar nicht… „Wie lange hast du hier damals gelebt?“, fragte er weiter nach. „Neun Jahre. Dann ließen sich meine Eltern scheiden und wir sind zurück nach Deutschland gegangen, wo meine Mutter wieder heiratete“, erzählte ich. „Mein Vater wohnt in Forks, weiß nicht, ob du das kennst… er hat auch wieder eine Partnerin und ein Kind. Ich hab noch eine Schwester bekommen, die ich letzte Woche besucht habe. Sie wird ihren Dad ihr ganzes Leben lang bei sich haben – zumindest hoffe ich das für sie.“ Ich wusste nicht, warum ich das alles preisgab, doch es fühlte sich an, als könnte ich ihm einfach alles sagen und er würde es verstehen. Er spielte gedankenverloren mit einer meiner Haarsträhnen. „Darf ich dich noch etwas fragen?“ Nickend kuschelte ich mich näher an ihn. Trotz Kerzen fror ich leicht. „Warum sträubst du dich so sehr gegen mich?“ Er stach mir mit der Frage direkt und bittersüß ins Herz. Ich fühlte den Schmerz genau. Das sollte er nicht fragen. Noch ließ ich alles geschehen, aber ich hatte Angst vor mir selbst, wann mich die Realität wieder einholte und mir eindringlich vermittelte, dass das hier alles einfach bescheuert war… „Kann ich auch was über dich wissen?“, überging ich die Frage. Ich wusste genau, wenn wir jetzt darüber reden würden, gab ich mich meiner selbst hin und würde gehen wollen. Alles hier, was ich so genoss, würde sich dann wieder falsch anfühlen. Der Zweifel überkäme mich- jetzt gerade, jetzt in diesem Moment wollte ich nicht darüber reden in mir. Er schien das zu merken und beharrte nicht auf seiner Frage, sondern nickte nur. „Warum bist du in der Uni so anders, als hier? Als bei deiner Familie, als zu Hause? Du bist… nicht sehr freundlich zu den anderen Studenten“, meinte ich leiser werdend und hoffte, dass er mir meine direkte Frage nicht übel nahm. Er schnaubte auf. „Weißt du… meine Familie ist mir wichtig. Jeder einzelne. Sie interessieren sich für mich, wer ich bin, und nicht nur für das, was ich tue oder zeige. Die Leute in der Uni sehen in mir eine Kopie meines Vaters, nur eben nicht auf seinem Fachgebiet. Ich bin der tolle Klavierspieler, aber mehr wollen sie gar nicht wissen, denn mein Ruf eilt mir sowieso voraus. Sie wollen profitieren und an meinem Können und dem Erfolg meines Vaters über mich teilhaben. Mehr nicht. Diese Oberflächlichkeit… irgendwann wehrst du dich dagegen. Denn egal, wie nett oder unfair du zu ihnen bist, sie werden dich immer gleich behandeln, weil sie mich als jemand besseres ansehen, der ich nicht bin. Daher ist nicht schwer, einfach nur mitzuspielen“, erläuterte er ausführlich. Ich verstand, was er sagte und trotzdem fand ich es nicht richtig, wenn er die anderen schlecht behandelte. Für ihn war Oberflächlichkeit ein desolates Verhalten, welches er mit gleichem konterte… „Und bei mir? Seit wann wusstest du eigentlich das mit meiner Mutter?“, fragte ich weiter. Seine Hand streichelte zärtlich über meine. „Bei dir… hmmm…“, machte er grübelnd. „Ich denke, du hast mich fasziniert – bevor ich deine Geschichte kannte. Die weiß ich noch nicht lange. Erst nach dem Kochen bei dir …“ Wir neigten die Gesichter zueinander und sahen uns tief in die Augen. „Eigentlich habe ich keine Worte, für das, was ich für dich empfinde“, meinte er leise und rieb seine Nase an meinem Nasenrücken. „Eigentlich hab ich so etwas auch noch nie für jemand empfunden.“ Ich schmunzelte über das Kompliment, kniff dann jedoch irritiert die Augen zusammen. „Du…“ Das konnte ich einfach nicht glauben. „Du hattest noch keine Freundin? Noch nie?“ Er lächelte Kopf schüttelnd. „Nein, das meine ich nicht.“ Er lachte prustend. „Ich war noch nie verliebt.“ „Aber- aber- wie-“, druckste ich verständnislos herum. Er hatte Freundinnen gehabt, war aber nie eine davon geliebt? Wie ging das denn? „Weißt du noch, was ich über Oberflächlichkeit gesagt habe?“, begann er. Ich wartete. „Die Mädchen mit denen ich zusammen war, hatten keinen nennenswerten Charakter. Ja, ich weiß“, wand er ein, „das klingt arrogant, aber jetzt im Nachhinein sehe ich das so. Bei dir ist das anders… du hast Ziele, Werte, Prinzipien, für die du einstehst…“ Er küsste meinen Wangenknochen leicht. Wenn er sich da mal nicht täuschte… meine Prinzipien warf er gerade über Bord und mein Ziel- „Komm schnell!“, sagte Edward plötzlich und ohne Vorwarnung. Schon war er mit einem Satz aufgesprungen und zog mich an der Hand ebenfalls hoch. „Was-“ „Es ist gleich Mitternacht!“, verdeutlichte er mit einem Blick auf die große Uhr an der Wand. Noch sechs Minuten vielleicht. „Komm, wir schauen uns draußen das Feuerwerk an.“ Edward wuselte herum, nahm zwei Sektgläser, ließ mir die Wahl der Sektflasche und ging zur Terrassentür. Er drückte auf einen Knopf am schmalen Türrahmen und ich beobachtete, wie die Jalousie, allerdings nur das Stück vor der Tür, nach unten gefahren wurde. Kurzerhand langte ich nach der „richtigen“ Sektflasche. Ich würde ja nicht gläserweise davon trinken. „Warte, ich hole eben unsere Jacken und Schuhe“, fiel Edward ein und huschte durch den Kerzenweg zum Eingang. Ich hielt die Glastür solange geschlossen. Ein wenig aufgeregt tippte ich mit den Fuß auf und ab. Es war alles so… mitreißend, dass ich nur von Augenblick zu Augenblick lebte und nicht nach vorne und zurück sah. Das tat so gut. Er kam wieder, wir zogen uns an und ich folgte ihm auf die Terrasse. Der Wind wehte eisig, aber es war eine klare Nacht und die Sterne funkelten, als wir uns an die Brüstung stellten und ich mich mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen daran lehnte. „Darf ich?“, meinte er und nahm mir die Flasche ab, die ich an meine Jacke gepresst hatte. „Ja, sicher…“ Während Edward uns einschenkte, sah ich von dem hier und da erleuchteten Garten auf zu den funkelnden Sternen. Ein melancholischer Anblick, den ich sehr genoss. Die erste Rakete erreichte den Himmel und es wurde lauter in der Umgebung. „Ich schätze Mitternacht ist durch…“, murmelte Edward vor sich her, sah mich von der Seite an und reichte mir mein Sektglas. „Frohes neues Jahr“, meinte ich zaghaft und stieß mit ihm an. „Das wünsche ich dir auch“, erwiderte er zärtlich. Wir nahmen jeder einen Schluck und sahen uns an. Seine freie Hand legte er an mein Kinn und hob an ihm mein Gesicht zu sich hoch. Das schwache Außenlicht brach ungewöhnlich glänzend in seinen Augen. „Ich liebe dich“, wisperte er und tat nichts – außer mich innig anzusehen. Ich senkte den Blick, obgleich mein Gesicht von ihm erhoben blieb, und rollte die Unterlippe nach innen. Ich wusste, was man in diesem Augenblick sagte, was ich dran war zu tun. Aber ich konnte es einfach nicht sagten. Es tat nichts zur Sache, dass ich genauso empfand, doch sagen konnte ich es nicht. Es würde etwas Endgültiges, Vollkommenes, ewig Währendes haben. So kam es mir vor… ich konnte es nicht erwidern – und das tat mir weh, nicht zu letzt ihm. Als ich stumm aufsah, schmunzelte er. Er kam meinem Mund näher, stoppte davor ab. Sein Atem flammte auf meinen Lippen. „Später“, hauchte er und legte die Lippen nach wenigen Millimetern auf die meinigen. Ich schloss die Augen und spürte das Kribbeln in mir überall noch viel intensiver. Ganz sanft begann es. Nur wenige Bewegungen meinerseits und seinerseits. Ich vernahm, wie er sein Sektglas auf die schmale Balustrade stellte. Gleiches tat er mit meinen, nachdem er es mir abgenommen hatte. Er fuhr mit der linken Hand meinen Rücken auf und ab, während die rechte Hand mich im Nacken an ihn drückte. Zögerlich legte ich meine Hände auf seinem unteren Rücken ab. Ich spürte überall nur noch ihn. „Edward…“, flüsterte ich leise und schob ihn am Oberkörper leicht von mir weg. Mein Blick fiel zu unseren Füßen. Es gab zwei Möglichkeiten und dieses Mal war meine Zeit zu entscheiden gering. Edward übte sich in Geduld und nahm meine Hände zärtlich sich in seine. Die erste… ich würde all das hier zulassen. Er und ich. Ich gab mich hin und zeigte ihm, was ich empfand. Das wäre ehrlich und aufrichtig. Ich würde alles erwidern, was er mir gab und mir seine Liebe nehmen. Die zweite… ich würde gehen; sagen, dass das nicht ging und eine Sackgasse war. Aussichtslos. Ich würde ihn loslassen, nur montags bis mittwochs als Laborpartner sehen. Das war richtig. Ich würde ihm nichts geben und mir nichts nehmen. Kreisen bewegte sich sein Daumen über meinen Handrücken und streichelte mit seinen warmen Händen darüber. In mir zog sich alles zusammen. Die Spannungen in meinen Eingeweiden waren nicht stark genug – nicht jetzt – für die zweite Option. Ich fühlte mich so geborgen, so wohl. Endlich schaute ich ihn an und öffnete den Mund. Mein Herz flatterte in vielen, leisen Zügen; kündigte das an, was jetzt kommen wollte. Ich wusste das. Ich wollte das. Um uns herum schien das Feuerwerk lautlos zu werden, dessen Flackern uns nicht mehr zu erreichen – doch ich sprach nicht. Edward schwieg. Vorsichtig, als wäre ich zerbrechlich und verwundbar, legte er den Daumen an meinen Lippenbogen und fuhr abwärts darüber. Ich erschauderte, ausgelöst durch seine Berührung. Alles, was mich jetzt hätte zweifeln lassen können, war so weit fort, dass deren Wahrheit mich nicht mehr aufhielten, nicht in diesem Augenblick mit ihm… „Ich liebe dich“, brachte ich es so leise, dass er es gerade noch vernehmen konnte, über die Lippen. „Du glaubst gar nicht, wie glücklich ich darüber bin“, säuselte er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich liebe dich auch…“ Er küsste mich. Er küsste mich weiter. Seine Küsse wurden inniger, fordernder… leidenschaftlicher… Ich verschlang ihn, nahm alles in mich auf, was er mir bereitwillig gab. Er stupste mich rückwärts, zur nicht weit weg gelegenen Tür, nach drinnen. Das Leuchten, Glänzen und Glitzern strahlte mir wieder entgegen. Er öffnete mit einer Hand die Tür, mit der anderen ließ er meine Jacke über die Schultern gleiten, während er sich der seinigen entledigte und die Tür hinter uns dann wieder schloss. Ich hörte die Jalousie hochfahren. Unsere Lippen klebten aneinander. Sachte legte er mich auf der Matratze dort ab, wo wir bis vorhin gemeinsam gelegen hatten. Er liebkoste jede Stelle meiner Lippen immer zarter. Mit der Hand, die er auf meine Hüfte gelegt hatte, fuhr er seitlich unter mein T-Shirt. Ich sog zischelnd Luft ein. Edward hatte es bemerkt und legte die Hand wieder über mein T-Shirt. „Bella…“, hauchte er. Er sah mir mit seinen ehrlichen Augen tief in die meinigen. „Es passiert heute Nacht nichts, was du nicht willst.“ Ich schluckte trocken und senkte den Blick an seinem Körper herab. „Ich- Edward, ähm- es-“, druckste ich herum und erfühlte innerlich, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Er legte den Zeigefinger senkrecht auf meine Lippen. „Schon gut“, murmelte er mit einem sanften Lächeln. „Es ist okay, wenn du dein erstes Mal nicht hier und jetzt mit mir verbringen willst.“ Er beugte sich mit dem Gesicht zu mir und küsste meine Lippen. Ich wich nachdenklich, mit immer noch gesenktem Blick, von ihm. Ich spürte ein lautes Hämmern, das nicht etwa von meinem Herzen herrührte, sondern in meinen Eingeweiden pulsierte. „Nein, nein, ich…“ Ich atmete ein. Wollte ich mit ihm schlafen? Mit ihm meine allererste Nacht verbringen? Ich ließ meine Hand flach auf seinen Oberkörper nieder, die Finger gespreizt, während Edward mir die ganze Zeit in die Augen schaute. Er würde dann jeden Winkel meines Körpers kennen und berühren, schoss es mir in den Kopf. Er würde alles an mir sehen und… der Schmerz? Ich sah ihm in die Augen, nahm seinen festen, zärtlichen Blick wahr. „Nein…“, meinte ich wieder und rückte dann mit der Sprache raus. „Ich- ich habe nur Angst.“ Ich hob leicht, ein wenig peinlich berührt, die Mundwinkel an und schaute herab. Edward strich mit der Nase meine Wange entlang und hauchte mir ins Ohr: „Ich bin ganz vorsichtig.“ Er fuhr mit der Hand langsam unter mein Kinn und hob es zu seinem Gesicht an. Sein Lächeln war sanft, als sich unseren Lippen umschlossen. Ich hielt seinen Kopf in meinen Händen und schaute ihn einfach nur an. Mein Herz hämmerte beißend gegen meine Brust. Ich lächelte kaum vernehmbar und ließ seinen Kopf zu mir sinken, ehe sich unsere Lippen berühren konnten. Das war das „Ja“. Klar kannte ich den „Vorgang“ in und auswendig aus dem Medizinstudium, drang es mir völlig fehl am Platze in den Sinn. Erst letztes Semester hatte ich alles, aber auch alles, dazu durchgenommen. Aber es selbst- Edward ließ von meinen Lippen ab und begann unterhalb meines Ohrläppchens meine Körperseite mit Küsse zu übersähen. Ich spürte seine Lippen an meinem Hals, vorbei an meinem Kiefer, weiter herab zu meinem Schlüsselbein. Mit erhöhter Atemfrequenz sah ich einfach nur auf und versuchte mich durch die seichten Lichtpunkte an der Decke zu beruhigen. Die Aufregung, die meinen Körper bis in jeden Winkel, durchzog, brachte mein Blut zum wallen und meine Adern zum pochen. Es war fast unerträglich – unerträglich schön. Obgleich die Angst in der Magengrube blieb. Edward legte meine Schulter frei und küsste auch sie, während seine Hand unter mein T-Shirt glitt und mein Bauch berührte. Resultierend aus meiner Regungslosigkeit, schaute er zu mir auf. Als ich weiter nur geradeaus nach oben starrte, krabbelte er hoch und beugte sich über mich, sodass ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. Ich wusste nicht, was er in den meinigen sah, doch es ließ ihn schmunzeln. „Ist alles okay mit dir?“ „Jah“, hauchte ich atemlos. „Und… du bist dir sicher?“, fragte er zögerlich nach. Seine Unsicherheit, die ich bzw. so gar niemand von ihm vermutlich gewohnt war, ließ mich lächeln. Ich legte die Hände an sein Gesicht und betrachtete es aufmerksam, ehe ich die Lider senkte und ihn liebevoll küsste. Edward grinste im Kusse leicht, nahm dabei meine linke Hand von seiner Wange und streckte sie über meinen Kopf. Er glitt sie mit seinen Fingerkuppen von meinen herab zur meiner Handinnenfläche, dessen Berührung leicht kitzelte und mich unter seinen ununterbrochenen Küssen kichern ließ. Meinen Arm ließ der dort kurz ruhen und legte etwas Quadratisches in meine Hand. An einer Seite piekste es mich leicht. Ich wusste, was das war… Unsere Finger verschränkten sich darüber ineinander. (an dieser Stelle gibts einen FSK 18-Teil, den ich in ein extrakap gepackt habe, ansonsten gehts einfach weiter ;)) Irgendwann verstummte das laute Feuerwerk draußen. Wir hatten Silvester verschlafen. „Guten Morgen, meine Schöne“, flüsterte mir jemand ins Ohr und küsste dieses bedächtig. Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie langsam. Ich bemerkte, dass ich auf dem Bauch lag. Die Decke auf meinem nackten Rücken bis zu den Achsen liegend. Seine Lippen liebkosten meine Schulter sanft und verursachten ein herrliches Prickeln. Ich wand den Kopf herum und schließlich den ganzen Körper mit. Edward lächelte mich über mir an. Die Knie neben meiner Hüfte, die Hände jedoch eine links und eine rechts von mir. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er aufmerksam. „Ja, mir ging’s nie besser“, flüsterte ich ehrlich, aber schneller, als ich denken konnte. „Das freut mich… denn mir geht es genauso…“ Er beugte sich herab, streifte die Decke über meinem Körper ein bisschen herab und legte das Ohr auf meine Haut. Genauer gesagt auf mein Herz. „Sehr inspirierend… Das ist wirklich die schönste Melodie, die ich je gehört habe und durfte sie die ganze Nacht genießen…“, flötete er. Ich fuhr mit den Fingern durch seine weichen Haare und lachte leise auf, verstummte jedoch abrupt. „Mhm…“, machte ich vor leichtem Schmerz. Edward sah auf. Ich kniff die Augenbrauen zusammen und massierte meine Schläfen. Ich spürte jetzt erst das Hämmern unterhalb meiner Stirn. „Alles okay?“, fragte er Stirn runzelnd. „Nur etwas Kopfschmerzen“, murmelte ich. Ich setzte mich auf, im gleichen Moment wich er zurück. „Hier, trink mal einen Schluck.“ Er reichte mir ein Glas Wasser neben sich. Ich nahm es dankend entgegen und trank es in kleinen Zügen aus. Edward saß im Schneidersitz in lediglich einer Boxershorts neben mir und spielte mit meinen Haarsträhnen. „Ich geh mal kurz auf die Toilette“, gab ich ihm Bescheid, rührte mich jedoch noch nicht. Noch bedeckte mich die Decke, doch… Ich schaute mich um und fand rechts neben mir meinen BH. Gleichsam bemerkte ich unter der Decke meinen Slip. Schweigend zog ich beides an. Es war mir irgendwie unangenehm, dass er mir dabei zusah. Klar, wir hatten miteinander geschlafen und er wusste, wie ich aussah, aber… Ich linste nach links. Edward saß zwar mit dem Schneidesitz zu mir, schaute jedoch mit dem Kopf nach rechts in den Raum. Ich schmunzelte in mich hinein. Wie höflich er war… Ich folgte seinem Blick kurz und bemerkte, dass das Wohnzimmer wieder genauso aussah wie immer – abgesehen von unserer kleinen, gemütlichen Insel auf der ich noch lag. „Das ist alles schon… weg?“, fragte ich. Nicht, weil ich es nicht zu Genüge betrachtet hatte, sondern weil das viel Arbeit gewesen sein durfte. „Ja, ich habe das vorhin schnell gemacht“, meinte er nur. Ich war noch nicht ganz fertig mit anziehen – wenigstens mit der Unterwäsche – als Edward neben mir aufstand, sich ein T-Shirt überzog und das Tablett mit Essen und das leere Glas zur Küche brachte. „Soll ich dir eine Tablette holen?“, fragte er einfühlsam. „Nein, danke… ich denke, das geht schnell wieder weg“, überlegte ich. Die Kopfschmerzen kamen nur von ihm… er machte mich wahnsinnig, schmunzelte ich innerlich. Ich erhob mich angezogen und- taumelte in Richtung Toilette? „Huch“, machte Edward und hielt mich an der Taille fest. „Kreislauf im Keller, wie?“ Er sah mir von hinten über die Schultern. „Ja, scheinbar“, sagte ich grinsend. Er küsste meinen Wangenknochen langsam. „Ist es dir gestern Nacht gut ergangen?“, hauchte er mir ins Ohr. Ich kniff irritiert die Augen zusammen und dachte nicht darüber nach, was ich plapperte: „Fragst du, ob du gut warst?“ Ich lachte auf und war irritiert von meinem Verhalten. Was zum Teufel redete ich da?! „Das war auch mein erstes Mal“, gab er völlig ernst Preis. Ich zog die Augenbrauen hoch und wand den Kopf zu ihm, während er mich immer noch fest in seinen Armen hielt. Das nahm ich ihm nicht ab. Er kam meinem Gesicht näher. „Mit dir“, flüsterte er und küsste meinen Mundwinkel, bis er meine Lippen fand und schließlich von mir abließ, damit ich zur Toilette gehen konnte. „Mhmmm“, machte er, während er in ein paar Behältern in der Küche geguckt hatte und ich die Treppe herunter kam. „An Frühstück hatte ich jetzt gar nicht gedacht.“ Er öffnete den Kühlschrank. „So perfekt war mein Plan dann doch nicht durchorganisiert.“ „Nein, ist auch okay“, begann ich und suchte meine Kleidungsstücke wieder zusammen. „Ich wollte sowieso-“ „Gib’ mir zwei Minuten“, ignorierte Edward mich, nahm geräuschvoll den Autoschlüssel von de Esstisch und schlüpfte in eine Hose. „Ich hole nur schnell Brötchen, bis gleich.“ „Ähm, aber…“ Schon hatte er eine Jacke in der Hand. „Das wird einen Moment dauern, weil ich dafür in die Stadt muss. Du kannst solange duschen, wenn du willst. Oben rechts ist das Bad. Nimm dir was du willst, du kannst in allen Schränken nachsehen“, ratterte er runter. „Und frische Kleidung kannst du dir aus Alice Zimmer rauszusuchen- Ich weiß, dass sie nichts dagegen hat“, fügte er hinzu, als er mein protestierendes Gesicht sah. „Nur nichts aus dem kleinen Schrank von ihr nehmen, aus dem großen ist es egal“, erklärte er und war rausgeeilt, sodass Widerspruch zwecklos war. Ich seufzte – grinsend – und ging die Treppen wieder hoch. Ich fühlte mich zwar ungewaschen und eigentlich unwohl, doch meine Haut roch so gut nach ihm… Überall war sein Duft, stellte ich fest, nachdem ich den Arm an meiner Nase vorbeiziehen ließ. Ich entdeckte auch sogleich das Bad. Es war eine der Türen vor Edwards Zimmer und unweigerlich sein eigenes Bad. Das wusste ich sofort, denn ich erkannte den Duft seines Parfums, Aftershaves, wie auch immer. Ich nahm die Karaffe vom Waschbecken und roch genüsslich daran. Genau das war er, sein Duft. Mein Blick fiel auf den Spiegel vor mir, der mein Lächeln zurückwarf. Das sah hübsch aus, dachte ich sogleich fröhlich. Hinter der Tür hingen mehrere frische, weiße Bademäntel und Handtücher. Ich legte mir beides zurecht und begann in den Schränken nach Duschzeug und Shampoo zu schauen. Als ich welches fand, das nicht für Männer war, stutzte ich. Wieso hatte ich so selbstverständlich danach gesucht und warum hatte er überhaupt so etwas in seinem Bad? Oder benutzte Alice das Bad auch? Das konnte ich mir nicht vorstellen… Oder hatte er… öfter Damenbesuch über Nacht? Grübelnd erkannte ich in dem geöffneten Schrank vor mir ein Körbchen mit- Ich schluckte kurz. Mit vielen Kondompackungen. Er würde schon viele Freundinnen vor mir gehabt haben… War ich seine Freundin!?, schoss es mir plötzlich durch den Kopf und ich schloss rasch alle Schränke, ehe ich unter die Dusche stieg und mir kaltes Wasser über die Haut brauste. Mit einem wohligem Empfinden, in einen Bademantel gehüllt, stiefelte ich ins zweite Wohnzimmer und mir fiel ein, dass ich gar nicht wusste, wo Alice’ Zimmer war. Ich taperte durch das verlassene Haus und ich überlegte, dass ich am Ende des Wohnzimmers zwei Türen in Erinnerung hatte, bei denen ich nicht wusste, was sich dahinter verbarg. Wenn ich recht überlegte, hatte ich Alice auch an der Treppe, die an der Haustür endete, zum ersten Mal gesehen. Vielleicht war es nicht so abwegig, wenn sie ihr Zimmer in der Nähe dessen hatte. Ich lugte hinter die erste Tür. Nein, das war es nicht, auch wenn es bestimmt Alice gehörte. Darin befand sich eine Nähmaschine, viele Stoffrollen, Ankleidepuppen… alles, was zum Schneidern dazugehörte. Es sah aus wie ein Atelier. Immer noch verblüfft sah ich ins zweite Zimmer, welches dann auch wirklich Alice’ war. Und wie Edward gesagt hatte, mit einem großen Schrank, aus dem ich laut ihm etwas nehmen durfte und einem kleinem Schrank. Ich steuerte den großen an – den wirklich großen – und betrachtete die vielen, wunderschönen Kleidungsstücke. Ich fuhr mit den Händen über die seidig glänzenden Stoffe. „Bella?“, ertönte Edwards Stimme. Ich ging zur Tür und schaute rechts die Treppe herab. Entgegen meiner Erwartung kam er jedoch von links, das Wohnzimmer hindurch geschritten. „Du bist schon wieder da?“, fragte ich, denn er trug weder Schuhe, noch Jacke. Nur Jeans und Pullover mit einem Polo-Shirt darunter. „Ja, ich war bereits unten“, meinte er rasch, nahm meine Hand und ging mit mir wieder zum Schrank. Gemeinsam suchten wir – genau genommen suchte er – etwas Passendes raus. „Ich denke das Blau wird dir super stehen“, freute er sich grinsend, als wir Alice’ Zimmer verließen. „Das Frühstück ist auch fast fertig, bis gleich.“ Er küsste die Lippen meines perplexen Gesichts und eilte fort. Seine Euphorie war… beängstigend? Ich zog mich um, fönte meine Haare trocken und ging dann, mit meinen alten Kleidungsstücken in der Hand, runter ins Wohnzimmer. Unsere Insel war verschwunden und der Esstisch wieder an die richtige Stelle geschoben. Der Zauber war vorbei, stellte ich ernüchternd fest und setzte mich an den Tisch. Aber… war das nicht der berüchtigte „Morgen danach“? Und war der nicht genauso schön? „Tee? Kaffee? Kakao? Milch? Was anderes?“, überrumpelte er mich. „Ähm, nichts, äh, ich nehme den Saft“, sagte ich und langte nach der Flasche Orangensaft auf dem gedeckten Tisch. Edward kam, mit einer Tasse dampfendem Kaffee für sich selbst, zum Tisch und setzte sich mir gegenüber. Während ich mit den Augen suchend über die vielen Leckereien glitt, bemerkte ich im Augenwinkel, wie er die Arme aufstütze und sich nach vorn lehnte. „Bekomme ich zuvor noch einen Kuss?“, wollte er erwartungsvoll wissen. Sein süßes Lächeln strahlte mir entgegen. Ich entgegnete dies matter und tat ihm den Gefallen. Das ist alles ein riesiger Fehler…, dämmerte es mir so langsam. Vielleicht war der „Morgen danach“ entweder genauso schön, wie die „Nacht zuvor“, oder ein Desaster… ich wusste, welches es bei mir eher sein würde… Wir frühstückten relativ ungesprächig, während meine Gedanken alles andere als das waren. Noch konnte ich das fahle Magengefühl und meine rauschenden Sinne nicht deuten. „Wir sind Mr. John in gewisser Weise zu Dank verpflichtet“, fand Edward, während er sich ein Brötchen butterte. „So?“, fragte ich verwirrt nach und biss in mein Croissant. „Ohne seine Zuteilung wären wir keine Laborpartner geworden und jetzt kein Paar“, erklärte er breit grinsend und trank einen Schluck. Ich lächelte ebenso, obwohl mir danach kaum zumute war. Innerlich lächelte ich nicht. Ich schrie. Wir waren ein Paar?! Ich hatte keine Zeit mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denn wir vernahmen ein Klicken an der Haustür und schauten beide in die Richtung. Edwards Eltern, samt Alice und Emmett, kamen wieder. „Uuuhhhh, Bella!“, stieß Alice hervor und eilte als erste voraus. Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand ich plötzlich und Alice machte einen Schritte zurück und begutachtete mich. „Das sieht super aus“, freute sie sich. „Aber hier ist etwas weit und die Schultern hätte ich anders nähen sollen…“, murmelte sie vor sich hin und drehte mich einmal im Kreis. „Lass sie doch erst mal in Ruhe zu Ende frühstücken“, befahl Mrs. Cullen sanft, als sie ebenfalls auf uns zukam und schob ihre Tochter zur Seite. „Aber da du gerade stehst“, meinte sie dann und drückte mich an sich. „Frohes neues Jahr.“ „Danke, Ihnen auch“, murmelte ich und erhaschte so eben noch den wissenden Blick von Mrs. Cullen an Edward, welcher sich mit seinem Vater gerade beglückwünschte. Danach frühstückten Edward und ich weiter, während seine Familie nach oben ging. Ich fühlte mich merkwürdig überfahren… Apropos. „Okay, ähm… kannst du mich bitte nach Hause fahren?“, bat ich Edward, als wir so gut wie fertig mit dem Essen waren. Edwards Miene wurde einen Hauch enttäuscht. „Ich muss etwas an Abschlussarbeit schreiben und lesen und die anderen Zettel auch noch und…“, stotterte ich erklärend. „Klar, kein Problem.“ Wir standen auf und er verstaute meine getragenen Kleidungsstücke in einem Beutel, den er mir dann reichte, ehe wir das Haus verließen. Ich sah aus dem Fenster und versuchte meine Gesichtszüge zu glätten, während wir schwiegen. Alles, was passiert war, kam vor meinem inneren Auge zum Vorschein und ich merkte, was ich angerichtet hatte. Wie falsch das alles gewesen war. Edward nahm meine Hand. Mein erster Impuls war, sie wegzuziehen, doch mein zweiter, seine zu streicheln. Daher zuckte ich nur kurz zurück, Edward ließ sich nicht beirren und nahm sie trotzdem. Ich war einfach überwältigt von meinen Gefühlen gewesen, nicht mehr, redete ich mir ein. Denn so etwas hatte ich noch nie empfunden. Das war eine ganz einfache Erklärung. Kurzschlussreaktion. Es war mir einfach gut ergangen und ich hatte alles geschehen lassen. Wir waren uns nahe kommen, sehr nahe, zu nahe. Er tippte auf meinen Fingern herum, als wollte er darauf spielen. Es kitzelte leicht. „Weißt du, welches Lied das ist?“, fragte er plötzlich in meine Gedankengänge, schien aber keine Antwort hören zu wollen. Die Ampel sprang auf rot um und er beugte sich zu meinem Ohr. „I will always love you.“ Ich schob ihn ein wenig unsanft zur Seite und entzog ihm meine Hand, welche ich dann an meinen Kopf legte. „Bella? Alles in Ordnung?“, wollte er in besorgtem Tone wissen. „Sag so was nicht“, murmelte ich zu ihm. „Hör auf mit so etwas…“ „Was?“ Ich spürte seinen Blick ununterbrochen auf mir. „Na das mit dem Lied und…“ Ich schaute auf, ihm in die Augen. „Edward, das hat doch alles keinen Sinn, in ein paar Wochen- Monaten-“ „Shhh“, er legte den Finger an meine Lippen, „eine Photosynthese macht Sinn, der Stoffwechsel, eine Oxidationsgleichung im besten Fall, aber das hier nie…“, hauchte er und legte seine Lippen auf meine. Mehr nicht. Die Ampel schaltete auf Grün, Edward wand sich gezwungenermaßen ab und fuhr an. Das hier machte keinen Sinn, da hatte er recht. „Kannst du bitte rechts ran fahren?“, bat ich. Ich hielt es hier drin nicht mehr aus. Edward machte Anstalten zu widersprechen, verkniff es sich aber und hielt am Straßenrand an. Wir waren auf der Hauptstraße und es war nicht mehr weit zum Wohnheim. „Ich möchte laufen. Bis Montag dann“, meinte ich kurz angebunden. „Bella? Was ist los?“ Er hielt meine Hand fest. „Ich möchte die letzten Meter einfach gehen. Danke für deine Mühe und alles. Wir sehen uns in der Uni am Montag, ja?“ Ich wollte mich von seiner Hand lösen, er ließ nicht locker. „Eher nicht?“, fragte er eindringlich nach. „Telefonieren-“ „Lieber nicht…“ Endlich konnte ich mich los machen und davon gehen. ---------------- Das war der letzte Teil des Buches "Reprise" - die Coda folgt noch ;) Freue mich auf kommis ! ! ! :):):) Kapitel 14: Outtake Reprise Teil 6 FSK 18 !!! --------------------------------------------- ACHTUNG! FSK 18 ! Bild zum Kapitel: http://img827.imageshack.us/img827/6487/bannerminifertigouttake.jpg --------------------------- Er legte das kleine Päckchen neben meinen Kopf und fuhr mit den Fingern an der Arminnenseite herab zu meiner Schulter, ehe ich mit den Händen zitternd sein Hemd Knopf für Knopf öffnete und überrascht war, dass es mir gelang. Mit den Fingerspitzen erfühlte ich seine Brust und seinen Bauch. Leicht deuteten sich Muskeln an und hoben und senkten sich in sanften Wellen. Ich fand ihn wunderschön – auch wenn es an Vergleichspunkten hadert. Doch das war jetzt nicht wichtig, gleichgültig. Er erfasste die Naht meines T-Shirts und zog es mir kurzerhand, mit meiner Hilfe, über den Kopf aus. Ich fuhr mit den Fingern durch sein Haar und legte die Hände dann wieder an seine schmalen Hüften – inständig hoffend, dass ich nicht rot wurde, während er mich betrachtete. Er beugte sich hinab und küsste mein Dekollete. Langsam glitt er zu meiner Brust und legte die Lippen dorthin, wo der BH nichts bedeckte. Spürte er eigentlich wie mein Herz unter meiner Haut hüpfte? Auf und ab wippte? Ich hoffte nicht… es schien das einzige Geräusch zu sein, was meine Ohren vernahmen. Der- der nächste Schritt… Ich biss mit den Zähnen auf die linke Seite meiner Lippen und führte meine bebenden Hände zu dem Gürtel seiner Jeans – dessen Leder jedoch noch ziemlich fest war. Edward grinste an meinem Körper und half mir. Er streifte die Hose ab und ließ sie irgendwo, außerhalb meines Sichtfeldes, verschwinden. Ich erblickte nervös, das Blut schoss überall in mir durch meine Adern, seine weiße, bis zum Oberschenkel ragende Unterhose. Zögerlich strich ich seinen Rücken hinab zu seinem Po, den ich achtsam ertastete. Edward hingegen zog langsam mit den Zähnen meine BH-Träger herab. Er bedeutete mir, mit den Armen durchzuschlüpfen. Dann schob er sich weiter nach unten und küsste meinen Bauchnabel. Meine Finger fuhren durch sein weiches, volles Haar. Er sog leicht an der Haut meines Nabels und leckte mit den Lippen in einem Kreis darum. Ich lachte zittrig in mich hinein. Edward sah hoch und lächelte breit. Er öffnete Knopf und Reißverschluss meiner Hose. Sogleich stellte ich die Beine auf, damit er mir die Hose über den Po schieben konnte. Seine Hand ergriff sachte meine Oberschenkel und glitt über mein Gesäß zu meiner Taille. Ein angenehmes Gefühl, wie seine großen Hände meine Haut umschlossen. Er schob die Hand unter meinen Körper, ich ließ es zu, und hob ihn an, sodass er mit beiden Händen den Verschluss meines BHs öffnete. Ich hielt den Atem an, während er den BH entfernte und zur Seite warf. Ich fühlte mich schlagartig unwohl… entblößt… Edward schien das zu spüren, betrachtete mich gar nicht, sondern kraxelte ein wenig höher, um mich sanft zu küssen. „Du bist bildschön“, sagte er mit einem Hauch über meinem Gesicht und nahm mir die Nervosität ein Stück weit. Er zauberte mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Seine Küssen schienen mir den Verstand zu rauben, mich willenlos zu machen und mir jegliche Kontrolle zu nehmen. Seine Zunge umrandete meine Lippen, was mich vor Erregung schaudern ließ. Ich schloss die Augen und genoss den Nachklang, schmeckte ihn auf meinen Lippen, während er sich mit der Nasenspitze wieder herabsenkte. Mit selbiger strich er um meine Brust herum, ehe er die Lippen dort auflegte. Nicht mehr, ganz seichte Berührungen. Es prickelte unaufhörlich auf meiner ganzen Haut. Ein andauerndes, angenehmes Gefühl, was mir bestätigt, dass er mich wollte. Ich öffnete die Lider wieder, als ich ihn abermals zu mir noch oben gleiten hörte. Er strich mir die wenigen Strähnen über mein Gesicht zur Seite. „Du bedeutest mir so viel“, hauchte er mir entgegen und legte die Wange kurz an meiner ab, ehe ich ihn wieder ansehen durfte. Ein überragend schönes Gefühl, wie er das sagte. Unsere Augen blieben aufeinander gerichtet, als ich Edwards Finger an meinem Slip spürte. Er fasste seitlich daran und zog an dem Stoff, bis ich ihm half und er ihn auf meine Oberschenkel, dann meine Knie sinken ließ und ich ihn schließlich über meine Füße abschüttelte. Mein Atem beschleunigte sich, Edward küsste ihn fort, was es nicht verbesserte. Ich griff fest, fast klammernd, an den Stoff seiner Unterhose und fuhr sodann mit den Fingerspitzen unsicher über die Wölbung. Edward ließ es geschehen, wartete einen Augenblick, bis ich inne hielt, und nahm meine Hände in die seinigen. Er führte sie zu seinen Lippen und küsste meine Handrücken, einer nach dem anderen, ehe er meine Arme ablegte. Mit den Händen schob er seine Unterhose runter und ließ sie neben sich liegen. Er langte nach dem schwarz-roten Tütchen, wie ich dann erkannte, und riss es auf. Ich beobachtete, wie er es sich sorgfältig überzog, während ich, mit neben dem Körper liegenden Armen, einfach nur da lag. Mein Herz raste. Konnte man mit rasenden Herzen Sex haben?, fragte ich plötzlich. Ich war meiner Gedanken nicht mehr Herr. Zu laut und holprig hämmerte mein Herz gegen den Brustkorb. Das war bestimmt nicht gesund… oder machte der Körper bei so etwas – bei der Liebe – eine Ausnahme? Eigentlich müsste ich das wissen… schließlich studierte ich Medizin… Ich grinste leicht in mich hinein, als Edward es nicht sah. Aber das hier war außerhalb meiner Kompetenz, in Gänze. Ich wagte es kaum zu atmen, als er sich wieder zu mir herabsenkte. „Ist dir kalt?“, fragte er leise. Er fuhr zuerst mit der Nasenspitze, dann mit den Lippen und schließlich mit dem Kinn über meine Gänsehaut an meinem Dekollete. Ich hatte es gar nicht bemerkt. Edward antwortete sich angesichts meiner Haut selbst und griff nach einer großen Wolldecke, die er zu unseren Füßen, vor der Matratze, eingerollt vorgefunden hatte. Er zog sie sich bis über die Schultern und bedeckte uns dann zeltartig, während ich sie an meinen Oberschenkeln und Armen spürte. „Nein“, antwortete ich leise und viel zu spät. Es brannte innerlich in mir – vor Erregung, Angst und Nervosität. Ich langte nach seinem Kopf und zog ihn zu meinen Lippen. Er erwiderte meine Küsse leidenschaftlich. Das schien das einzige zu sein, was mich ein wenig von meinem wild pochenden Herzen und dem, was geschehen würde, ablenkte und beruhigte. Er legte eine Hand auf meine Knie, wartete auf ein Zeichen in meinem Blick und schob jenes Knie ein wenig höher, nach außen; gleiches an der anderen Seite. Seine Zunge fuhr über meine, vom heftigen Atmen, trockenen Lippen. Ich bemerkte, wie er eine Hand an meinem Gesicht liegen ließ, die andere über meinen Bauch, mein Becken, hinab gleiten ließ und strich über die Innenseite meiner Oberschenkel. Langsam, immer näher… schließlich ruhte seine Hand unten. Ganz sachte und bedächtig berührte er mich dort, wo es noch nie zuvor jemand getan hatte. Ich legte die Lider aufeinander und atmete tief, mit einem leisen Laut, in die Lungen ein. Es war eine schöne Berührung. Er küsste meine Augenlider zärtlich. Seine Streicheleinheiten verlangsamten, bis sie verstummten und ich die Augen öffnete. Er schaute tief in ebendiese. Würde es jetzt passieren?, kam es mir in den Sinn. Ich bemerkte, wie er völlig ruhig seine Hüfte bewegte und mir aufmerksam in die Augen blickte. Jede meiner Regungen ausgiebig beobachtete. Ich spürte ihn an mir… nah… unten… Meine Hand langte nach seiner, die an meiner Wange lag. Ich umschloss sie fest und führte sie zu meinem wild flimmernden Herzen. „Ich liebe dich“, flüsterte er und legte die Lippen an die Stelle meines Herzens. Er strich wieder über die Innenseite meiner Schenkel und hin zu meiner Körpermitte. Ich schauderte. „Hab keine Angst“, hauchte er und ich vernahm, wie er ganz langsam in mich hinein glitt. Ich krallte mich fest in sein Haar und kniff die Augen zusammen. Edward rührte sich nicht mehr. Mein Blick fiel wieder auf sein Gesicht. Auch seines war leicht verzerrt. „’tschuldige“, wisperte ich und nahm meine Hände aus seinen Haaren. Stattdessen legte ich eine in seinen Nacken und die andere auf die Decke. Edward wartete auf Widerstand oder Zustimmung und fuhr sanft fort. „Ah“, keuchte ich und presste die Lider auf einander. Ein spitzes, blitzartiges Pieksen durchfuhr meinen ganzen Körper. Das Gefühl, was von dort zu mir aufstieg, war unbeschreiblich. Ich spürte ihn. Tiefer, in mir. Ich vernahm den reißenden, kleinen Schmerz in mir, der meinen ganzen Körper für den Hauch einer Sekunde durchstach. Edward stoppte. „Ist alles okay mit dir?“, wollte er leise wissen. „Ja“, entfuhr es mir ein wenig japsend und doch vernahm ich den Schmerz noch an mehreren Stellen meines Körpers. Ich schluckte. „Küss mich einfach, ja?“ Er lächelte liebevoll und kam meinem Wunsch nach, bis ich ihn ganz in mir spürte. Ein berauschendes Gefühl. Überall war nur er. Sein Geruch, seine Berührung, sein Blick, seine Stimme, sein ganzer Liebreiz. „Fühlst du es?“, fragte er und rührte sich nicht. Ich nickte und schenkte ihm einen Kuss, dem er sich nicht entziehen konnte. „Tut dir etwas weh?“, fragte er weiter nach. „Nein“, meinte ich mit einem Lächeln auf den Lippen und forderte wieder seine leidenschaftlichen Küsse ein. Der süße, bittersüße Schmerz, tat nicht weh. Mit ihm kam das berauschende Gefühl in jede Pore meines Körpers, tief unter meiner Haut. Edward bewegte behutsam seine Hüfte über mir. Mein Atem schnellte, sodass ich kaum mehr in der Lage war, ihn zu küssen. Ich legte den Kopf keuchend in den Nacken, sodass mein Hinterkopf auf der Matratze lag. Meine Hand umschloss den Bettdeckenrand so fest sie konnte. Ich fühlte seinen Oberkörper an meinen Brüsten. Mein Körper schien zu vibrieren, überall. Edwards Lippen fuhren über meinen gestreckten Hals. Mein Herz raste, mein Atem raste, meine Gedanken rasten – unfähig, irgendetwas aufzuhalten, lag ich einfach da und ließ es geschehen. Er hob mit der Hand mein linkes Bein an und legte es oberhalb meines Pos ab. Gleiches tat er mit meinem anderen Bein. Ich schnaufte und rang nach Luft. Er raubte mir den Verstand. Seine Hände schienen meinen gesamten Körper, jeden Zentimeter, zu erkunden und alles gleichzeitig zu berühren, so intensiv empfand ich ihn. Ich nahm nichts mehr um mich herum war. Nur ihn und mich. Nur du und ich. ------------- Kurz und knackig würd ich sagen oder *blush* :):) hoffe dieses, etwas andere kap, hat euch gefallen ;) Kapitel 15: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 1 (Edward & Bella) --------------------------------------------------------------- Soooo... wochenende!!!! = SM-Zeit ;) Musik: Eva Cassidy - Fields of Gold http://www.youtube.com/watch?v=ZGwDYBWEDSc&feature=PlayList&p=870AE917C839C78E&playnext=1&index=34 => Eines meiner absoluten Lieblingsstücke zu der ganzen FF, ich finde ihre Version total schön.... =) Es würde auch noch an so vielen anderen Stellen passen, aber hab es jetzt mal hier zugeordnet^^ Bild zum Kap => http://img820.imageshack.us/img820/1473/bannerteil1.jpg Edward Ich blieb am Straßenrand stehen und beobachtete, wie sie sich durch den Wind, die Hände in die rasch angezogene Jacke gesteckt, von mir entfernte. Was hatte ich falsch gemacht? Es war letzte Nacht so schön und einfach mit ihr gewesen. Sie war völlig gelöst… Ich wendete, als Bella aus meinem Sichtfeld verschwand und fuhr zurück. Meine Gedanken zeigten mir die Bilder der letzten Stunden und genau genommen war sie seit heute früh eigenartig gewesen… manchmal zumindest. Wurde sie krank? Hatte sie gefroren?, fragte ich mich kurz. Ihr ging es heute Morgen ja zuerst nicht so gut. Ich schaltete das Radio aus. Nein, ich glaubte, es ging um etwas ganz anderes… Meine Eltern schienen oben zu sein, während sich Emmett am Frühstückstisch breit gemacht hatte. Alice kam gerade von der Terrasse rein, als ich die Glastür hinter mir zuschob. Ich erinnerte mich noch genau, wie ich das getan hatte, als Bella in Augenbinde vor mir stand. Da hatte uns all das Schöne noch bevor gestanden… „Eigentlich sollte ich ja sauer auf dich sein“, begann Alice lächelnd, „weil Tanya gestern den ganzen Tag total mürrisch und ungenießbar war, nachdem wir ihr erzählt hatten, dass du nicht kommen würdest, weil du hier Besuch bekämst. Sie konnte natürlich eins und eins zusammen zählen… Aber sie ist in letzter Zeit sowieso sehr launisch und dann hatte sie letztens auch noch irgendwie so etwas wie einen Magen-Darm-Infekt…“, seufzte Alice. Ich sah sie an, als ich unschlüssig im Raum stehen geblieben war. „Ja ja, ich sage nichts. Bella ist eigentlich voll okay…“, wand Alice ein. „Sie will mich bis Montag nicht sehen…“, warf ich – völlig aus dem Zusammenhang – ein und gab meine Gedanken schonungslos preis. „Ui, das sind ja ganze eineinhalb Tage, wow nicht schlecht, die erste Beziehungskrise“, neckte Emmett lachend. „Ach was“, meinte Alice mit zusammengekniffenen Gesichtszügen. „Sie lernt bestimmt nur, so wie du immer von ihr erzählst. Na ja… ich geh mal hoch, ich muss das Schnittmuster ändern, die Schultern waren wirklich nicht so schön…“, murmelte sie noch vor sich her und tippelte die Treppen hoch. Ich setzte mich ans Klavier und begann mit einer Hand, ganz langsam – fast gelangweilt –, Vivaldis Winter zu spielen. Natürlich lernte sie… „Und…“, kam es von Emmett schmatzend. Er konnte wirklich immer essen. Ich erkannte selbst von weitem sein Grinsen. „Hast du sie rumgekriegt?“ Ich verdrehte die Augen. „Ja, wir hatten Sex, wenn du das meinst.“ „Nicht schlecht, Eddie. Mich würde ja interessieren, wie du das bei dem Mauerblümchen hingekriegt hast…“ Sein Grinsen wurde breiter. „Rosen, Gesäusel wie ‚Du bist die tollste Frau der Welt’ etc.? Das ganze Standardgelaber?“ „Emmett, so ist sie nicht!“, fuhr ich dazwischen, bevor er sich nicht mehr halten konnte. „Sie ist nicht wie die ganzen anderen-“ „Die nur gut neben dir aussahen und im Bett einiges zu bieten hatten?“ Er zog die Augenbrauen hoch. Sein Grinsen blieb. „Und wer ist Bella?“ Ich hörte auf zu spielen. Er machte mich wahnsinnig. „Sie ist herzensgut. Sie ist nicht verwöhnt oder oberflächlich – im Gegensatz zu den hochwohlgeborenen Damen von Seattle. Ihr geht es nicht um einkaufen oder ein schönes Kleid und Essen gehen. Sie hat einen Charakter-“ „Nicht so wie Tanya, huh?“ Er wippte mit den Augenbrauen auf und ab. Ich funkelte ihn an. „Das habe ich nicht gesagt.“ Emmett spitzte kurz Schultern zuckend die Lippen. „Und? War’s denn wenigstens gut? Der Jungfrauensex? Ich meine, tut mir leid“, er hielt abwehrend die Hände vor der Brust, „aber es scheint mir, als wäre sie in der Hinsicht noch nicht so weit herum gekommen… also? Erträglich?“ Ich wusste, dass man Emmett nicht für voll nehmen durfte. Seine Witze oder Sticheleien waren nicht das, was er wirklich damit ausdrücken wollte. Er nahm das Leben und sich selbst nicht so ernst. Doch so langsam ging er mir gehörig auf die Nerven. Ich ließ die Hände scheppernd auf die Tasten fallen, stand auf und ging auf ihn zu. „Es war der beste Sex, den ich je hatte, wenn du das wissen willst“, fauchte ich. Denn es war aus Liebe, fügte ich gedanklich hinzu und ging in den ersten Stock. Emmett schwieg und ließ mich hochgehen, wo ich dann direkt meiner Mutter in die Arme lief. „Wir müssen dringend wegen deines Geburtstages reden“, erinnerte sie mich. „Jetzt nicht, später“, fertigte ich sie ab und wollte an ihr vorbei gehen. Sie stellte sich mir in den Weg. „Nein, Edward, jetzt“, befahl sie und schob mich den Flur zurück. „Wir gehen ins Wohnzimmer“, bestimmte sie. Wir nahmen in der Sitzecke Platz. „Mum, ich habe da jetzt wirklich keinen Nerv zu…“, versuchte ich ihr nuschelnd klar zu machen. „Wir müssen aber noch so einiges klären und es ist nur noch eine Woche“, ging sie wenig darauf ein und reichte mir eine Liste. „Das sind die Gäste für den Empfang am Sonntag. Für den haben wir eigentlich alles abgesprochen, oder?“, fragte sie nach. Der Empfang an meinem Geburtstag war eigentlich ein Aufgebot der Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen meiner Eltern, mit denen ich wenig zu tun hatte bzw. die ich teilweise gar nicht kannte. Aber es gehörte sich so. Hinzu kamen natürlich meine ganzen Professoren – zumindest waren all diese eingeladen. Die wenigsten würden sich dies aber erfahrungsgemäß entgehen lassen. Ich klimperte ihnen dann vor, was sie hören wollten und es wurde Champagner getrunken. Ich war kein Fan dieses „offiziellen“ Teils meines Geburtstages, aber es musste sein. Abends kamen dann immer noch meine Großeltern väterlicherseits mit den Denalis und den Geschwistern meines Vaters mit Familie in kleinerem Rahmen. „Nun zu deinem ‚anderen’ Geburtstag“, begann meine Mutter. Sie spielte auf die Party, mit meinen Freunden und Kommilitonen, an, die am Samstag danach stattfinden würde. „Ich setzte Bella dann mal mit auf die Liste und-“ „Ich frage sie erst“, fuhr ich dazwischen. Meine Mutter sah verdutzt von ihrem Block auf. „Du willst sie fragen? Aber… wird sie nicht so oder so wollen?“ „Keine Ahnung… ich fürchte nicht. Aber ich verstehe sie auch nicht wirklich…“, gestand ich nicht zuletzt mir selbst ein. Wartend schwieg Mum vor mir. Ich seufzte und erklärte schleppend: „Ich hab ihr ein ‚ich liebe dich’ entlockt, aber das heißt nichts. Nicht bei ihr. Ich kann sie nicht einschätzen“, resultierte ich. „Ich glaube einfach“, meinte meine Mutter mit einem milden Lächeln, „sie ist sehr anders, als die Mädchen, die du bisher kennen gelernt hast und deshalb fällt es dir so schwer.“ Sie legte die Hand kurz auf mein Knie. „Und ich setze sie doch auf die Gästeliste“, meinte sie mir zuzwinkernd. Bedrückt schaute ich rechts aus dem Fenster. Es fiel aber nicht nur mir schwer. Ihr scheinbar auch und ich wusste nicht, warum so plötzlich. Auf einmal war sie verändert gewesen. Was hatte ich zu ihr seit dem Aufwachen gesagt… irgendetwas verfängliches? War ich in ein Fettnäpfchen getreten? Eigentlich war doch alles super verlaufen… „Ein bisschen Liebeskummer? Schätze ich?“ Meine Mutter grinste leicht. Ich schaute sie nicht an, sondern nahm ihr die Zettel aus der Hand. „Welchen Club hast du organisiert?“ Sie lachte schnaubend auf und legte mir einen Zettel mit den Details vor. Bella würde da nie hingehen…, war mir mit einem Blick darauf klar. Ich würde sie bitten, ich würde auch auf die Knie fallen, damit sie kam, doch ihre Sturheit- „Hörst du mir überhaupt zu?“, fragte meine Mutter vorwurfsvoll, doch ein klitzekleines hämisches Lächeln blieb in ihren Mundwinkeln. „Ich habe eine bessere Idee“, überlegte ich. „So schnell kannst du keinen anderen Club buchen“, wand meine Mutter ein. „Nein, das meine ich nicht…“ Ich sah auf. „Ich lade Bella Sonntagabend ein“, verkündete ich nickend zu mir selbst. „Klar, wenn sie- Sonntagabend?“, unterbrach sie sich selbst und zog die Augenbrauen zusammen. „Edward…“, ihr Tonfall wurde quälend, „du weißt, dass Tanya da kommt?“ Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Findest du das nicht alles noch etwas frisch? Ich möchte nicht, dass das alles wieder im Streit ausartet, wenn du Bella vorstellst und Tanya sie sieht“, mahnte sie. „Ich frage Bella“, sagte ich dennoch. „Nur, weil Tanya schmollt, werde ich mir das nicht nehmen lassen, wenn Bella zusagt. Du weißt genau, wie wenig Zeit uns hier bleibt und ich werde jede Stunde, die sie mir mit sich gönnt nutzen, ohne Rücksicht auf Verluste.“ So hart es klang, es war die Wahrheit. Ich überging die zischelnde Atmung meiner Mutter, denn ich war egoistisch, doch ich konnte nicht anders. Ich würde es mir so sehr wünschen, wenn Bella zu meinem Geburtstag käme. Egal wann. Momentan konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen. Sie an meiner Seite… einem Engel gleich… Außerdem würde meine ganze Familie so die Gelegenheit haben, dieses wunderbare Geschöpf kennen zu lernen. Ich hoffte so sehr, dass ich mich bezüglich ihres Verhaltens heute Morgen irrte… Bella Regungslos blieb ich erstmal mitten in dem kleinen Raum meiner Wohnung stehen, als hätte ich sie nie zuvor gesehen. Ich war bei Edward gewesen. Die ganze Nacht. Silvester. Wir- Ich atmete tief durch, als weitere Bilder vor meinen Augen flackerten. Wir hatten uns berührt. Geküsst. Geliebt. Ich hatte Sex gehabt. Mein erstes Mal. „Wow“, formten meine Lippen lautlos. Ich fühlte unkontrolliert mit der Hand über meinen Arm und spürte nach. Es war, als wäre jede seiner Berührungen, als wäre jeder Kuss auf meiner Haut für immer eingemeißelt. Ich machte zwei Schritte gerade aus und ließ mich auf mein Bett fallen. Ein Seufzer entfuhr mir. Freute ich mich jetzt oder verfluchte ich mich?, schoss es mir durch den Kopf. Ich wusste nicht, ob ich in meinem bisherigen Leben eine Nacht erlebt hatte, die schöner war, als diese. Eine Nacht, in der ich mich wohler, vollkommener gefühlt hatte – mir fiel keine ein. Doch genauso falsch war es gewesen. Ich hatte nicht das Bedürfnis etwas rückgängig zu machen, dafür hatte ich es zu sehr genossen, allerdings hegte ich den Wunsch, es jetzt zu beenden. Besser sofort, als später. Nicht alle Wünsche konnten in Erfüllung gehen und nicht alle Wünsche… wollte ich, dass sie in Erfüllung gingen. Waren es dann überhaupt Wünsche? Keine ehrlichen… Ich fasste an meine Lippen. Ein Kribbeln war seit dem auf meinen Lippen zurückgeblieben… Der Anrufbeantworter zwitscherte mir eine Nachricht von meinem Dad vor. Ich beschloss, sofort zurückzurufen. Andererseits kann diese Methode bei Patienten verwendet werden, die einen schwerwiegenderen Krankheitsverlauf- Ich legte den Stift hin. Der Sonntag schlich dahin. Ich hatte gestern länger mit Dad geredet und ebenso lang mit meiner Mutter. Dad hatte mir haarklein von Silvester berichtet – Sue und er waren im Reservat mit anderen feiern gewesen – und meine Mutter war überglücklich über die baldigen letzten Untersuchungen. Ich freute mich mit ihr – verhalten, wie sie es bezeichnete. Sie fragte zwar nach, doch ich log. Ich wäre auf einer Uni-Silvesterparty gewesen und so. „Konzentrier dich“, murmelte ich und nahm den Stift wieder. Ich legte ihn wieder hin und las meine Notizen durch, die ich dann zu einem Text am Laptop zusammenfügen wollte. Edward hatte sich nicht bei mir gemeldet und ich war genauso verwundert, wie erfreut darüber. Einerseits war er bislang sehr hartnäckig gewesen und das passte nicht wirklich zu ihm; andererseits respektierte er nun meine Anliegen und das tat wiederum auch gut. Was wollte ich eigentlich…? Was nur… Ich biss mir fest auf die Unterlippe und schrieb weiter. Mistwetter, dachte ich, als ich mich Montag auf den Weg zur Uni machen wollte und mir Schneeregen den Morgen vermiesen wollte. Oder vielleicht doch Edward, der in seinem „Winterauto“ direkt vor dem Eingang stand… Den Hauch einer Sekunde überlegte ich stur einfach an ihm vorbei zu gehen und zu tun, als sähe ich ihn nicht. Ich besann mich eines besseren und stieg – vor allem Angesichts des durchwachsenen Wetters – ein. „Morgen“, nuschelte ich. „Hi“, sagte er und legte all die Zärtlichkeit rein, die er mir entgegen bringen wollte. Ich blieb etwas von ihm abgerückt steif sitzen und sah geradeaus. Sein Verlangen, mich zu küssen, waberte zwischen uns, doch er schien meine Abneigung zu spüren. „Ich dachte, ich hole dich ab jetzt jeden Morgen ab“, begann er dann einfach und ließ den Motor an. „Wir fangen ja fast immer gleich an und wenn nicht, kann ich das auch einrichten – wenn es dir recht ist.“ „Und wenn es das nicht ist?“, wand ich nervös ein. Edward scherte zur Fahrbahn aus. „Dann würde ich nach dem Grund fragen“, entgegnete er matt. „Und wenn ich keinen hätte?“, fragte ich nach und spielte das Spielchen weiter. „Dann würde ich jeden morgen hier stehen“, erwiderte er mit einem kurzen Lächeln zu mir. Mir passte das Ganze überhaupt nicht. „Wenn ich keinen hätte, den du wissen solltest?“ „Dann würde ich jeden morgen hier stehen“, wiederholte er sich und fügte hinzu: „Und so lange hupen, bis du endlich einsteigst.“ Er lächelte liebevoll. Ich verschränkte nachdenklich die Arme und spürte, wie hingezogen ich mich zu ihm fühlte, trotz meines Versuches, mich von ihm fernzuhalten. Seine Anwesenheit entfachte so mitreißende Empfindungen- „Wie war dein Wochenende dann noch?“, plauderte er drauf los. „Gut. Ähm, genutzt vor allem. Ich bin mit der Abschlussarbeit fertig. Ein paar Korrekturen noch und darüber lesen“, antwortete ich. „Nicht schlecht“, erkannte er an und lächelte. Wir schwiegen im Weiteren. Jeder hing seinen Gedanken nach… Ich hielt die Hände bewusst in den Jackentaschen und tat so, als ob ich fror. Allerdings hielt ich auch so viel Sicherheitsabstand zu ihm, dass er nicht auf dumme Ideen kommen konnte. Im Labor war dann alles routiniert und normal wie immer. Es begann relativ zeitig. Einleitung, Anweisung, Versuch. Wir würden nun, nach den Winterferien, viel mikroskopieren und mit Blutkulturen arbeiten, verkündete Mr. Pomary. „Gibst du mir mal die andere Probe?“, bat ich mit nach rechts ausgestreckter Hand, während mein Auge am Mikroskop klebte. Edward gab es mir und ich wechselte die Glasscheiben aus. „Notier mal: Bei der ersten Probe gibt es kaum Veränderungen-“ Ich brach ab und zuckte leicht zusammen, als ich seine Hand an meiner rechten Gesichtshälfte spürte. Er strich mir eine Strähne, die sich scheinbar aus meinem Zopf gelöst hatte, zurück hinters Ohr. Ich warf einen Blick zu ihm und bemerkte, dass er, den Kopf auf der Hand abgestützt hatte und mich mit sanft hochgezogenen Mundwinkeln beobachtete. Meine Wangen fühlten sich urplötzlich heiß an. Ich schob seine Hand von mir weg. Er ergriff meine Hand sachte und ich zog sie sofort wieder weg. „Darf ich deine Hand nicht nehmen?“, sprach er eher als ich. „Lass das bitte“, sagte ich leise und bemerkte, wie sich sein Gesichtsausdruck fragend formte. „Können wir einfach unsere Arbeit machen und das später besprechen?“ „Das?“, fragte er nach, doch ich ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen wand ich mich von ihm ab und zählte auf, was er aufschreiben sollte. Zeitgleich verließen wir das Labor, während ich eilig versuchte ihn abzuwimmeln. Da ich die Hände in den Hosentaschen gegen den Körper gepresst hatte, hielt er mich am Arm zurück. „Okay, jetzt ist später“, sagte er zu mir. Ich stand mit gesenktem Blick vor ihm. „Du möchtest über das sprechen, dann schieß los“, verdeutlichte er, als ich stumm blieb. „Edward…“, begann ich und ich spürte, dass mir das alles so schwer fiel. Alles mit ihm. Was nicht hieß, dass es nicht wunderschön war… „Ich will nicht, dass das zwischen uns irgendjemand an der Uni weiß“, rückte ich mit der Sprache raus. „Geheimhaltung? Hm, romantische Vorstellung…“, meinte Edward locker und grinste, während er einen Schritt auf mich zumachte und auf eine Begründung wartete. „Ja, ich- ich will nicht wie die Firstlady angesehen werden“, hatte ich mir vorhin zurechtgeschustert. „Würdest du doch gar nicht…“, wand Edward Stirn runzelnd ein. „Oh doch…“, widersprach ich. Entweder litt er unter Wahrnehmungsstörungen oder einer gesunden Selbsteinschätzung. Vermutlich beides… aber das war nicht der einzige Grund, wenn auch ein gewichtiger, denn mir würde mit Sicherheit viel Aufmerksamkeit zuteil werden, die ich nicht wollte. Nein, der andere, eigentlich wichtigerer, war, dass das zwischen uns verbindlicher sein würde, wenn es erst mal bei Außenstehenden offiziell war. Das wollte ich vermeiden, denn momentan wusste ich selbst nicht, was ich wollte und was nicht. „Also? Können wir uns darauf einigen?“, fragte ich rasch nach. „Schön, ähm, dann darf ich dich nicht berühren? Nichts?“, wollte er einen Hauch schmollend wissen. Ich schüttelte vehement den Kopf. „Nein, nichts.“ Edward sah sich um. „Gut. Jetzt ist aber keiner da…“ Ehe ich mich versah, hatte er mich in die Arme genommen und seine Lippen über meine gleiten lassen. „Deine Gesellschaft reicht mir völlig…“, flüsterte er und ich erwiderte sein Lächeln – mit fadem Beigeschmack. Wir verabredeten uns für das Mittagessen in der Mensa, ehe sich unsere Wege trennten. Es war zu auffällig, dass wir so nah beieinander gingen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass ich mich krampfhaft an meinem Ordner vor der Brust festhielt und versuchte ihn nicht so vielsagend anzusehen. Edward stand immer unter Beobachtung, grüßte hier und da, wechselte das ein oder andere Wort. Mein Gefühl sagte mir aber, dass es zu übertrieben war, wenn ich einen Abstandsradius zu ihm einhielt und vor allem, dass es ihn verletzen würde und ich spürte, dass mir das wichtig war. „Eigentlich gehe ich hier nicht Mittagessen“, gab er preis, als wir uns ein Tablett nahmen und in die Schlange stellten. „Sondern?“, fragte ich über die Schulter nach. „Ich fahre nach Hause“, entgegnete er locker. Ich lachte. „Damit Mami kocht? Im Gegensatz zum Mensaessen?“, wand ich ein. Mir waren diese Wörter so schnell und locker über die Lippen gehuscht, dass ich selbst überrascht war. Ich hätte es mir selbst nicht zugetraut, wenn ich ehrlich war. „Fast. Aber na ja, wenn du dabei bist, dann kann mir allein dein Anblick das Essen versüßen…“, flüsterte er und hatte sich herab gebeugt. Er tat so, als wollte er etwas an der Theke lesen. „Na dann hoffen wir, dass es nichts Herzhaftes ist“, wisperte ich schmunzelnd zurück. Ich bemerkte sein Grinsen und wie er kurz die Hand unter meine Sweatshirtjacke schob und sanft meinen unteren Rücken streichelte. Dieses warme Gefühl war jedoch eher vorbei, als dass ich hätte protestieren können. Wir setzten uns an einen kleinen runden Tisch am Fenster und begannen mit dem Essen, nachdem ich meine Abschlussarbeit zum Korrekturlesen rausgeholt hatte. „Bella…?“, hörte ich ihn sagen, bevor er das Besteck weggelegt hatte. Vertieft kaute ich die einzelnen Sätze vor mir durch und fragte, als er nicht weiter sprach, murmelnd: „Kennst du ein anderes Wort für ‚nach Belieben’? Irgendein Synonym? Mir fällt keines mehr ein, was ich nicht schon hatte…“ Mein Blick haftete am Papier. „Ad libitum vielleicht?“, schlug er vor. „Warum nicht ein lateinischer Ausdruck? Ich weiß, dass dein Dozent darauf steht… also auf so ‚hochgestochene Sprache’“, fügte Edward hinzu. „Was echt?“ Ich schaute entsetzt auf und seufzte dann. „Oh je… ich habe relativ banales Englisch geschrieben. Gut, dass du das sagst, dann überarbeite ich das noch mal-“ „Das kann ich auch machen, wenn du das willst“, bot er an. Ich sah auf. „Ja- ich meine- nein- was ist mit deinen Prüfungen bzw. deinen Aufgaben für die Uni?“, erkundigte ich mich. Er zuckte mit den Schultern. „Musik geht mir relativ leicht von der Hand und die Symphonie für das Konzert steht. Ein paar mal durchspielen, dann kann ich sie auswendig. Vielleicht auch etwas mehr, ich mag sie nicht besonders“, erklärte er. „Wieso?“, bohrte ich nach. „Weil sie nicht ich selbst ist, sondern so, wie Mr. Cato sie haben will. Ich habe sie geschrieben, er hat sie erdacht. Aber Bella“, wollte er das Thema wechseln, „ich habe noch eine ganz andere Sache mit dir zu besprechen.“ Sein Gesicht hellte sich merklich auf und sein Tonfall war nicht mehr so grummelig wie zuvor. „Was gibt’s?“, harkte ich nach, da er bedächtig herab sah und Worte zu suchen schien. Ich vermutete, dass es kein einfaches Thema war und ließ mein Besteck ebenfalls liegen. „Ich bin mir nicht sicher, ob du es weißt, aber ich habe am Sonntag Geburtstag“, begann er langsam. Ich riss leicht die Augen auf. Ja, das hatte ich gewusst… eigentlich. 09.01.1989. Das hatte doch auf dem Babybild von ihm gestanden… „Am Sonntag ist eher ein ‚offizieller’ Empfang. Langweilig, aber leider notwendig“, seufzte er. „Abends kommen ein paar enge Freude und Familie und so“, erzählte er weiter und ich wusste noch nicht wirklich, worauf er hinauswollte. „Aber am nächsten Samstag steigt eine Party im ‚Trinity’. Ich würde mich freuen, wenn du kommst.“ Ich öffnete leicht den Mund und suchte nun meinerseits Worte – für eine sanfte Absage. „Edward, das ist wirklich sehr nett, dass du mich einlädst und dabei haben willst-“ „Nichts lieber als das“, unterbrach er mich eilig und blickte mich erwartungsvoll an. Es tat mir in der Seele weh weiter zu sprechen: „Ich bin kein Partymensch. Also ich meine, tanzen und die Klamotten und so was“, druckste ich herum und biss mir kurz von innen in die Lippe. „Tut mir leid, das ist nichts für mich.“ Er konnte seine Enttäuschung schwerlich verbergen und versuchte es weiter: „Du musst nicht lange bleiben und du musst auch nicht tanzen und wie du kommst ist mir auch egal-“ Er brach ab und ich senkte den Blick, da ich sein flehendes Gesicht nicht ertrug. „Das geht nicht“, meinte ich nur und räumte meine Sachen zusammen. Der Appetit war, mir wie ihm, auch vergangen. „Warum nicht?“, fragte er eindringlich und hielt mein Handgelenk fest. Ich sah rasch zur Seite und entzog es ihm flink, ehe ich dann mit dem Tablett vor ihm stand. „Versteh mich doch bitte. Ich- ich war nie wirklich auf einer Party und- ich habe auch noch so viel für die Uni zu tun und- und wie sollte das mit uns überhaupt gehen? Du dürfest mich sowieso nicht wirklich ansehen können und reden geht dort wohl kaum“, schob ich einen, wie ich fand, guten Grund vor und wandte mich ab. „Hey warte!“ Er glitt um den Tisch herum und stellte sich vor mich. „Kannst du bitte etwas unauffälliger sein?“, zischte ich nervös. „Dann setz’ dich bitte kurz noch mal hin“, bat er leise. Ich atmete tief und tat, wie mir geheißen, als ich merkte, dass er nicht locker lassen würde. „Bitte lauf’ nicht immer weg und hör’ mir kurz zu“, begann er. Ich nickte. „Ich akzeptiere, wenn du nicht kommen möchtest, obwohl ich dich sehr gerne dabei hätte, aber ich würde es schön finden, wenn du vielleicht am kommenden Sonntag kämst? Abends? Zum Essen?“ „Aber sagtest du nicht ‚enge Freunde und Familie’?“, fragte ich nach. Er beugte sich vor und sah mir tief in die Augen. „Für mich bist du mehr, als eine ‚enge Freundin’.“ Er machte eine kunstvolle Pause und lehnte sich wieder ein wenig zurück. „Mach dir da mal keine Sorgen.“ „Ähm, du…“ Wie sollte ich ihm sagen, dass ich ebenfalls kein Mensch für diese ganzen schick angezogenen Abende war? Dieses ganze „höflich-steife“? Ich verzerrte qualvoll das Gesicht. „Versteh mich doch bitte, Weihnachten war schrecklich und damit meine ich nicht- du weißt schon“, unterbrach ich mich selbst. „Ich kann so was einfach nicht und genau genommen-“ Ich stoppte, denn dieser Gedanke würde ihn vermutlich treffen. Derselbe Grund, warum er mich in der Öffentlichkeit nicht berühren durfte. Er beharrte jedoch, entgegen meiner Hoffnung darauf. „Genau genommen?“ Ich sah zur Seite. „Es wäre vielleicht besser, wenn mich die anderen gar nicht erst kennen lernen.“ Wenn ich gar nicht erst in ihren Köpfen war, dann wäre alles einfacher… Ich stand nun endgültig auf und ging. „Ich fahre dich zurück“, erklang eine Stimme rechts von mir, als ich abends die Eingangshalle passierte. Ich ging schnurstracks weiter und wand mich ihm nicht zu. „Es sieht nach Regen aus“, argumentierte er. „Oder Schnee.“ „Danke für die Wettervorhersage“, meinte ich kühler, als ich es rüber bringen wollte. „Dann lauf’ meinetwegen“, meinte er unwirsch und hielt mich an der Jacke fest, sodass er mich zum stehen brachte, „aber ich will wenigstens noch kurz mit dir reden.“ Ich schaute innerlich seufzend zu ihm auf. Das musste ja so kommen… „Bella, ich verstehe nicht, woran ich an dir bin“, gestand er. „Einmal bist du ganz locker und es ist alles so einfach und ein andermal ist- ist alles so…“ „Kompliziert und schwierig?“, ergänzte ich seinen Satz. „Ja und ich weiß nicht warum.“ Sein Gesicht sah gequält aus. Eine hässliche Maske… „Immer dieses hin und her, Bella, ich verstehe es nicht.“ „Ich… ich möchte mich einfach nicht darauf einlassen. März, verstehst du?“, fragte ich nach. Er zog die Augenbrauen zusammen und dachte scharf nach, bis er endlich darauf kam. „Du fliegst dann, richtig?“ Ich nickte und schüttelte dann sofort wieder den Kopf. „Edward, ich weiß selbst nicht was ich will, aber zeitweise habe ich so Punkte, wo die Schwelle einfach überschritten wird…“ Ich nahm seine Hand mit meiner rechten, ließ sie kurz durch die Finger gleiten und sog dieses angenehme Gefühl in mich ein. „Ich muss dann los…“ Nach einem Schritt war ich bereits stehen geblieben und drehte mich noch mal zu ihm um. „Bitte sei mir nicht böse“, nuschelte ich und wollte nun durch die Tür ins Freie gelangen. Edward jedoch fasste mich an der Hand, zog mich zu sich und verabreichte mir einen seiner süßesten Küsse. Meine erste Reaktion war, mich hastig umzusehen. Doch um diese Zeit waren kaum noch Studenten da. „Bitte vergiss niemals, dass ich dich liebe“, hauchte er mir entgegen. Ich überging das mimisch und gestisch so gut ich konnte, machte mich von ihm los und verließ endlich das Gebäude. Ich wusste nicht, was ich wollte. Doch ich wusste, was er wollte und das war nicht das, was ich wollte. AHHHH!, schrie ich in Gedanken und schmiss mich aufs Bett. Hätte ich es bloß nicht so weit kommen lassen. Hätte ich ihn andererseits aber auch nicht so verstoßen… Ich legte die Hand auf meinen Brustkorb, der sich sanft mit der Bauchatmung hob und senkte. Dort zerberstete es. Schmerzte… Ich schleppte mich zum Schreibtisch und nahm mir meine Stundennotizen vor, die ich erst durchlas und das Wichtigste dann auf dem Laptop festhielt. Gedankenverloren malte ich jedoch nur auf dem Papier herum und schnörkelte die Miene des Stiftes um die einzelnen Worte herum. Meinen Kopf auf dem Arm aufgestützt. Ich folgte hypnotisierend den Linien auf dem Papier… was war jetzt eigentlich richtig und was war falsch? Warum entschied nicht jemand anderes für mich? Ich mochte nicht… Ich konnte nicht… Ich horchte auf und hob den Kopf, als es unerwartet am Abend klingelte. Mein Blick fiel gerade aus vom Schreibtisch auf die Tür. Edward?, fragte ich mich sofort ein Teil in mir jubilierend, der andere aufstöhnend. „Nicht schon wieder“, murmelte ich zu mir selbst und krallte meine Hand zur Faust in mein Oberteil. Nicht schon wieder dieses ewige Ja-Nein-Ja-Nein-Ja-Nein- Es klingelte wieder. War es klug ihm zu öffnen? Oder war er es vielleicht gar nicht? Hatte er einen Grund zu kommen? Unser Gespräch war nicht im Streit geendet… war es möglicherweise etwas Wichtiges? Wieder rang die Schelle. Ich stand flugs auf und eilte zur Tür, um aufzudrücken. Ich hatte sowieso keine Wahl. „Alice?“, entfuhr es mir ein wenig unhöflich entsetzt, als sie dahertänzelte, mich kurz halb umarmte und dann fröhlich in die Wohnung lief. Sie machte es sich sofort am Tisch bequem. „Mit dir habe ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet“, gab ich zu. „Ja, ich weiß, Edward wäre um Längen besser, aber du musst leider mit mir Vorliebnehmen.“ Sie grinste schelmisch und ich setzte mich ihr gegenüber. „Was… gibt’s denn?“, fragte ich vorsichtig. Aber gut, immerhin war sie nicht mit Nähzeug und Stoffen überhäuft, sodass es darum nicht gehen konnte. Sie hatte lediglich eine schmale Handtasche auf dem Schoß. „Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß – Edward –“, schob sie ein, „willst du weder am Sonntag, noch zur Party nächstes Wochenende kommen, richtig?“ „Alice-“ Sie winkte ab. „Okay, gut.“ Sie blickte mich bedeutungsvoll an. „Edward wird dich nicht mehr fragen oder bedrängen, wie er es heute zu meiner Mutter gesagt hat. Umso schöner, wäre doch die Überraschung, wenn du trotzdem kämst, oder?“ Sie schmunzelte schief. Ich ahnte worauf sie hinauswollte. „Ich werde Sonntag nicht kommen“, schien es für mich felsenfest und wies auf die Papiere um mich herum. „Es ist bald Prüfungszeit-“ „In einem Monat“, unterbrach mich Alice mit hochgezogenen Augenbrauen. „Eben-“ „Red’ dich nicht raus, Bella, du glaubst gar nicht, wie sehr Edward sich freuen würde“, drückte sie auf die Tränendrüse. „Und“, sie suchte etwas in ihrer Tasche, „ich habe auch schon alles durchdacht.“ Ich kniff irritiert die Augenbrauen zusammen, als sie mir einen Umschlag reichte. „Mach ihn auf, ich habe damit eines der ‚Probleme’ gelöst. Das ‚Geschenkeproblem’“, plapperte sie munter weiter. Ich zog misstrauisch die Karte aus dem Umschlag, wo aufgedruckt folgendes drinstand: Erlaubnis zur Einladung ins Kino und anschließendem Essen gehen. „Was soll das?“, stieß ich völlig durcheinander hervor. „Ich weiß zufällig, dass er dich unbedingt mal ausführen möchte. Und das ist dann dein Geschenk für ihn. Glaub’ mir, er würde sich riesig“, zog sie das Wort lang, „darüber freuen.“ Ich lächelte gequält und legte den Umschlag mit Karte zwischen uns auf den Tisch. „Das ist total nett von dir, dass du dir Gedanken machst, aber-“ „Kein aber“, fiel sie mir ins Wort und schüttelte energisch den Kopf. Wie machte ich ihr das begreiflich? Sie war leider ein sehr überzeugender Mensch… „Ich kann nicht kommen, wirklich nicht. Weißt du, du bist in so was aufgewachsen, ich nicht. Ich bin dafür nicht gemacht-“ „Für was?“, unterbrach sie mich wieder. „Für Kleider, nett lächeln, Champus trinken und sich merken, welche Gabel man wann benutzt?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Du- ähm- ja, das war ein Desaster“, gestand ich mit verzerrtem Gesichtsausdruck. Alice lachte. „Ja, ich hab’s gesehen. Also, dass du das so empfunden hast“, wandte sie flugs ein. „Das findet keiner schlimm, Bella-“ „Aber es ist mir peinlich“, verdeutlichte ich mit gesenktem Blick. Alice seufzte. „Dann wird es dich ja freuen zu hören, dass wir kein Fünf-Gänge-Menü am Sonntag haben werden. Lockeres Buffet, jeder isst was er will, wo er will und so weiter. Alles ganz ungezwungen“, erklärte sie. „Komm schon, Bella, jetzt hast du keinen Grund mehr, bitte.“ Sie hatte sich mit flehendem Gesichtsausdruck etwas vorgebeugt und mir den Umschlag entgegen geschoben. Schwankend sah ich zu allen Seiten. Ich konnte es ihr nicht abschlagen, aber ich fürchtete, dass ich mir der Konsequenzen nicht bewusst war… „Weißt du, mein Bruder hat noch nie so von einem Mädchen geredet. Er ist total verändert, wenn es um dich geht“, offenbarte sie mir. „Bitte, bitte komm“, betonte sie jedes einzelne Worte explizit. Ich verdrehte Kopf schüttelnd die Augen und wischte ihre Worte über Edward fort, die mich irritierten. „Na schön“, ließ ich mich breit schlagen. Sofort wich Alice’ Trauermiene einem strahlenden Gesicht. „Perfekt. Ich habe-“ „Aber das hier“, ich deutete auf die Karte, ehe sie sich zu früh freute, „änderst du mir ab.“ Alice schaute verdutzt. „Ich gehe nicht mit ihm essen“, stellte ich klar. Sie lachte laut und meinte nur: „Ihr könnt auch in eine Pommesbude gehen, ohne Besteck.“ Sie streckte mir zärtlich die Zunge raus. Ich öffnete den Mund ihr etwas gequält entgegnen, doch sie ließ es nicht zu. „Papperlapap, du hast Sendepause, jetzt erkläre ich dir alles wegen Sonntag.“ In ihren Augen blitzte es. ------------------------------------- Freue mich über Kommis!!! :love: :love: Kapitel 16: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 2 (Bella) ------------------------------------------------------ Musik: a walk to remember (score) - the kiss http://www.youtube.com/watch?v=io-_f--g6t0 Bild zum Kapitel: http://img41.imageshack.us/img41/451/bannerteil2.jpg Wo war ich da herein geraten?, fragte ich mich ununterbrochen die ganze Woche über. Doch wenn ich Edward in den Laborübungen ansah, wusste ich wo hinein… Wir sahen uns nicht sehr oft bzw. redeten nicht viel außerhalb der Laborübungen, da schon ab dieser Woche verstärkt Proben für das Konzert der Musikfakultät angesetzt worden waren. Nicht erst, wie Edward mir berichtete, ab übernächster Woche. Sein Dozent schob Panik, teilte er mir mit, obwohl Edward selbst das ganz locker sah. Tja, dachte ich innerlich, vermutlich lag die Panik des Dozenten auch weniger an Edward… Somit schoben wir unsere Treffen für die Laborversuche auf nächste Woche, wo Edward etwas mehr Luft hatte, und machten alles Weitere per Telefon. Dass Mr. John oder ein adäquater Ersatz, immer noch nicht da war, bürdete uns zusätzliche Arbeit auf – und Treffen. Alice Übermut war kaum zu bremsen gewesen. Sie war mehrmals die Woche über abends bei mir gewesen, hatte mit Farben und Schnitte angehalten. Sie wollte, dass mein Kleid perfekt wurde. Perfekter als sonst schon, betonte sie dann immer wieder. Letztendlich kam sie am Sonntagabend zu mir und zauberte ein weißes, knielanges Kleid hervor. Sie hatte es mit dunkelviolettem Stoff verziert und eine Schleife um die Taille gebunden. Dazu reichte sie mir noch eine bis zum Knöchel reichende Leggings. „Nichts sagen, anziehen“, forderte sie mich auf. „Los, beeil’ dich!“ Ich nickte rasch und schlüpfte in das Kleid. Sie band mir die Schleife im Rücken zusammen, zupfte an der Leggings herum, rückte alles zurecht und stellte schließlich die Schuhe vor mir hin, während ihre Finger schon längst wieder in meinen Haaren waren. „Darf ich dir die hochstecken? Oder ein paar Locken? Oder-“ „Nein, bloß nicht!“, schritt ich ein. Ich will ja nicht wie die Prinzessin auf der Erbse aussehen, schoss es mir durch den Kopf. So fühlte ich mich sowieso schon… „Das sähe so toll aus…“, schwärmte Alice gequält und wippte hinter mir auf und ab. Endlich hatte ich die, ausnahmsweise mal flachen, Schuhe an. „Ich mache dir so ganz leichte Wellen ins Haar, ja? Und danach nur ein klitzekleines bisschen Make-up-“ „So wenig wie letztes Mal?“, meinte ich mit vorwurfsvollem Blick zu ihr. Sie verdrehte zu sich selbst die Augen. „Ach, was frag’ ich eigentlich? Still sitzen, ich mach das schon.“ Im Endeffekt hatte sie meine Haare gewellt, mich auch geschminkt und mich dann so ins Auto geschoben. Den Umschlag hatte ich in der Hand. Was soll’s… „Er wird sich so freuen“, wirbelte sie auf dem Fahrersitz auf und ab. Ich lächelte in mich hinein und erschauderte sanft – vor Freude … war es gelogen, wenn ich „vor großer Freude“ dachte? „Offiziell hole ich unsere Großeltern ab, aber das macht Emmett, der eigentlich Rosalie abholen sollte, aber sie kommt selbst“, plauderte Alice darauf los und so ging das die ganze Fahrt über weiter. So wirklich lauschen tat ich nicht. Mein Herz pochte wieder ungesund in meiner Brust, während ich den Umschlag in meiner Hand hielt. Er war leicht ausgebeult, weil ich noch etwas anderes rein gelegt hatte. Ich hatte ihm einen Anhänger aus Blei geformt. Weil ich mich zu der Herzform nicht durchringen konnte, ich hatte es einfach nicht gekonnt, hatte ich den Anhänger kreisförmig gemacht. Den Rand des Anhängers hatte ich mit einem Holzstäbchen gewellt und das ganze schließlich an einen Schlüsselanhänger gemacht. Letztlich hatte ich es mit Silber überstrichen und mit schwarzer Farbe ganz fein mehrere Noten darauf gemalt. Es war nicht das Kunstwerk schlecht hin, aber ich wollte ihm noch etwas Persönliches schenken. Endlich angekommen stiegen wir aus und ich folgte Alice ein wenig schüchtern die Treppen hoch. Ich fragte mich doch irgendwo, ob er sich wirklich freute… Sie schloss auf und wandte sich zu mir. „Warte kurz hier draußen, ich hole ihn her.“ Alice huschte durch die Tür und ließ sie angelehnt vor mir. Als sie sich einen Augenblick später wieder öffnete, war es Edward, der dahinter stand. Es gab in diesem Moment nichts Fesselnderes, als seine wunderschönen Gesichtszüge zu beobachten. Zunächst schienen sie – natürlich – jemand völlig anderes erwartet zu haben. Dann weiteten sich seine Augen leicht und er öffnete, nach Worten suchend, den Mund. Seine Lippen formten sich immer wieder anders. Dann hoben sich seine Mundwinkel immer breiter und er wisperte überwältigt: „Bella… du-“ Er nahm mich bei der Hand und zog mich in den Flur. Ließ mich allerdings dort nicht stehen, sondern schob mich nach links weiter in den Gang und lehnte mich dann gegen die Wand – keine Glaswand mehr, wie er sicherlich beabsichtigt hatte. Ich war noch gar nicht soweit, doch er hatte sich schon an mich gepresst und begann meine Lippen innig wie drängelnd zu umspielend. Ich japste in den kurzen Pausen zwischen den Küssen nach Luft. Sie schmeckten unvergleichlich. Er ließ mir einen Augenblick zum durchschnaufen und machte, nicht ohne meine Hand weiter festzuhalten, einen Schritt zurück. Er musterte mich ausgiebig, wie ich seinem Gesicht entnahm. Das Grün seiner Augen leuchtete und feine Härchen rundeten, vom schwachen Licht des Flures gezeichnet, seine markanten Gesichtszüge ab. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, ergriff ich – tonlos vor Aufregung – das Wort. „Du siehst toll aus“, lobte er leise. Er sah mir in die Augen. „Dass- dass du gekommen bist-“ „Deine Schwester hat, ähm, Überzeugungsarbeit geleistet-“, warf ich ein. „Sie hat dich gezwungen“, lachte er. „So ähnlich“, stimmte ich in sein herzliches Lachen ein. Er rückte etwas näher zu mir und legte die Hände auf meine Hüften. Meine Finger spielten mit seinen ordentlich gegelten Haaren. „Du glaubst gar nicht wie glücklich ich bin, dass du da bist. Das ist wirklich mein schönstes Geburtstagsgeschenk.“ „Apropos Geschenk.“ Ich hielt den Umschlag hoch. „Ich fürchte, ich muss gestehen, dass das auch unter anderem Alice’ Idee war und ich mir nicht so sicher bin, ob du das toll findest… also eigentlich beides, ich meine ihre Idee und meine kleinere, eigene“, druckste ich herum. „Lass mal sehen. Ich wette, es ist toll“, urteilte er vorschnell, während er noch den Umschlag öffnete. „Dagegen sind meine anderen Geschenke langweilig.“ Ich erhaschte seinen zärtlichen Blick. Er griff zuerst zu dem Anhänger und ich begann sofort mich zu rechtfertigen: „Also, es war eigentlich mehr ein Versuch und- also, ich- wenn du es nicht magst, ich hab- also ich bin kein großer Künstler und-“, stotterte ich, doch letztlich küsste er jedes Wort fort. Mit der Stirn an die meinige gelegt, sagte er leise: „Ein schönes Paar Schuhe oder ein gutes Buch kann ich mir kaufen. Aber das hier, ist etwas ganz besonderes.“ Er schaute noch einmal darauf, hielt es fest in der Hand und gab mir einen Kuss auf die Lippen, über den ich dann – erleichtert – sagte: „Das in der Karte kannst du dir auch später-“ „Da ist noch etwas?“, fragte er nach, er wirkte ein wenig durcheinander, und war sofort dabei, die Karte herauszuholen. „Das war eindeutig Alice’ Idee“, meinte ich unsicher und beobachtete jede Regung in seinem Gesicht, während seine Augen darüber huschten. Schlagartig hellte sich sein Gesicht auf. „Wirklich?“ Er holte strahlend Luft. „Wirklich??“, fragte er etwas lauter nach. Ich nickte langsam und sagte ein Hauch lustlos: „Ja…“ Er schlang die Arme um mich und hob mich hoch. Ich kicherte unwillkürlich. Wie kindisch wir waren…, schoss es mir durch den Kopf. Er hielt mich über sich, ließ mich langsam sinken – direkt auf seine Lippen – und schenkte mir leidenschaftliche Küsse. „Du solltest deiner Schwester auch danken“, flüsterte ich und strich eine seiner Haarsträhnen wieder an den richtigen Platz. „Ja, ausnahmsweise hat die Nervensäge mal was richtig gemacht“, hauchte er mir entgegen und küsste mich innig weiter. Wir konnten uns dem nicht entsagen… Ich riss den Kopf herum, als das Türschloss klackte und Emmett und zwei andere Personen hindurchstolzierten. Einen Hauch zu panisch stieß ich Edward von mir weg, der viel gelassener einen Schritt zurücktrat. Dabei war es sowieso schon zu spät gewesen. „Hallo, grüßt euch“, sagte Edward mit lauterer Stimme und zog mich an der Hand mit sich. Er umarmte seine Großeltern, wie ich dann mitbekam, und zog mich näher an seine Seite. Emmetts Blicke feixten mir entgegen. Er zog frech grinsend die Augenbrauen mehrmals hoch. Ich konnte nicht anders, als sein Grinsen zu erwidern. „Deine Freundin?“, fragte seine Oma nach den ganzen Glückwünschen und deutete auf mich. Sie sah so gar nicht nach einem Oma aus reichem Hause, wie ich mir sie vorstellte… Perlenkette, Hut, Pelzmantel. Im Gegenteil, sie war einfach gekleidet und wirkte warmherzig und freundlich, genau wie ihr Mann, den ich nur kurz gesehen hatte. „Ja“, nickte Edward und drückte mich fester an sich. „Hübsches Mädchen“, lobte sie liebevoll grinsend und schüttelte mir dann kurz die Hand, bevor sie ihrem Mann durch die Glastür, die Emmett den beiden aufhielt, folgte. „Ja, das ist sie und noch viel mehr“, säuselte Edward zu sich selbst, warf mir einen kurzen zärtlichen Blick zu, bevor wir den Dreien folgten. Ich konnte mir selbst nicht verschweigen, dass ich von allen fremden Augenpaaren wie das dritte Weltwunder angesehen wurde. Vielleicht hätte Edward das, was zwischen uns war, auch nicht so offensichtlich machen sollen… Ich begrüßte zuerst Edwards Familie, Jasper und Rosalie, die dann eintraf, und danach wurde ich den übrigen Gästen vorgestellt. Zum einen den Geschwistern seines Vaters. Seine Tante mit Mann und einem Kind im Kinderwagen und sein Onkel mit Frau und etwas älteren Zwillingen. Zum anderen einer befreundeten Familie, den „Denalis“, wie er sagte, mit drei schon älteren Töchtern. Sie schienen mir gegenüber, warum auch immer, nicht sehr wohl gesonnen. Die vermutlich Älteste hatte nicht mehr, als einen… gleichgültigen oder kühlen, ich war mir nicht sicher, Blick für mich übrig. Ansonsten wirkte es in dem großen Wohnzimmer sehr belebt. „Puh, mir ist warm“, hörte ich Edward neben mir nuscheln und jetzt erst wich mein Blick von seinem Gesicht und erhaschte atemberaubende Eindrücke von seinem Körper. Er trug einen schwarzen Anzug, ganz adrett, und ich musste schlucken, um ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Wahnsinn, dass ein menschliches Wesen, so umwerfend aussehen konnte… Unter seiner Anzugjacke verbarg sich ein hellgraues, betontes Hemd, das seidig schimmerte. Darauf lag eine extra schmale schwarze Krawatte, die seinen strammen Oberkörper betonte. Wie gut er aussah, dachte ich anerkennend in Gedanken und musste mich kurz erinnern, wie schön er ohne Kleidung war und wie sich seine Berührungen sich angefühlt hatten… Locker war das richtige Wort. Ungezwungen, fand ich noch besser. Edward und ich nahmen uns einen Teller vom längst eröffneten Buffet und setzten uns zu seinen Großeltern auf die Couch. Sehr nette Leute, wie ich feststellte. „Aber jetzt sag mal, Edward, wer ist das Mädchen neben dir? Abgesehen von ihrem Namen“, fragte sein Großvater neugierig. „Das Wundervollste, was ich bisher kennen gelernt habe“, griff er ganz tief in die „Kitsch-Kiste“, sodass ich errötend auf mein Glas Champagner herabsah. Und doch schmeichelte es mir auch ungemein. Er legte seine Hand auf meine. „Das dachte sich dein Opa bestimmt“, lachte seine Oma daneben. „Erzähl’ uns von ihr bzw. erzähl’ du uns von dir“, sagte sie dann zu mir gewand. Nun musste ich wohl oder übel wieder aufsehen und tat es auch bereitwillig. „Ich studiere in diesem Semester auch an der University of Washington, allerdings Medizin und ich kenne Edward aus einem Biologiekurs, den wir beide interessehalber belegen. Eigentlich komme ich aus Deutschland und mache hier mein Auslandsjahr“, ratterte ich wie eine Maschine herunter. „Na so was“, meinte seine Oma und schaute zu Edward. „Aber enden eure Semester nicht relativ bald nach deinem Konzert, Edward? Wie macht ihr das denn dann? Du bist dann ja nicht mehr lange da oder bleibst du länger?“, fragte sie dann mich. „Nein“, kam ich Edward zuvor. „Ich fliege Anfang März zurück.“ „Ja und wenn es so sein soll“, begann Edward verheißungsvoll, „gehe ich mit ihr nach Europa.“ Das war eine dieser klassischen Situationen, die man eigentlich nur aus dem Film kannte, wo es schlagartig im Raum verstummte und alle nur Edwards Satz gehört zu haben schienen. „Wirklich…?“, fragte seine Oma ungläubig nach, schaute ihren Mann an und dann in die Runde. „Aber du sprichst doch gar kein Deutsch…“ „Die Sprache der Musik ist überall gleich“, sagte Edward leichthin und zuckte kurz mit den Schultern, als wäre es das Normalste von der Welt. Mein Herz schien aufgehört haben zu schlagen. Wie konnte er so etwas so leichtfertig in den Raum werfen? „Apropos…“, meinte seine Mutter lächelnd und winkte ihn zu sich. „Willst du uns nicht etwas vorspielen?“, lenkte sie geschickt ab. Ihr Lächeln wirkte nicht mal halb so ehrlich wie sonst. Edward stand nach kurzem Zögern auf und ging in Richtung Klavier. Mrs. Cullen flüsterte zwar, doch über das noch relativ leise Gemurmel um mich herum und die geringe Entfernung zum Klavier hörte ich jedes Wort. „Musste das jetzt sein? Musstest du das ausgerechnet jetzt sagen?“, zischelte sie. „Warum nicht? Was gibt’s einzuwenden?“, konterte Edward, der sich vor das Klavier gesetzt hatte, während seine Mutter sich zu ihm herunter beugte. „Allein schon wegen Tanya!“, verdeutlichte sie leise. Tanya? Hieß so nicht ein Mädchen von eben?, fragte ich mich prompt. Welche von ihnen noch mal? Und was hat sie damit zu tun? „Ich kann nicht ewig auf sie Rücksicht nehmen!“, flüsterte Edward zurück. „Und warum soll ich nicht allen sagen, was Sache ist, wenn es stimmt?“ Er wartete und ich erkannte im Augenwinkel seinen festen Blick zu ihr. „Wenn sie es will, folge ich ihr überall hin, das habe ich doch damals schon gesagt, oder?“ „Aber ausgerechnet heute-“ Mr. Cullen kam dazu und legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter, sodass sie verstummte. „Darf ich mir, trotz deines Geburtstages, etwas wünschen?“, fragte sein Vater gelassen. „Esme? Carlisle?“, ertönte es plötzlich hinter den beiden. Sie stoben auseinander und das Mädchen, eine Tochter der Denalis, trat hervor. „Ich möchte mich verabschieden. Ich fühle mich nicht ganz wohl…“, meinte sie gequält lächelnd, doch es sah alles andere als echt aus. „Fehlt dir etwas? Soll ich dir etwas mitgeben?“, fragte Mr. Cullen nach. „Nein, nein, alles bestens.“ Sie schaute zu Edward. „Wir sehen uns.“ Ihr Tonfall war zwar einerseits gleich geblieben, andererseits war dessen Unterton… merkwürdig gewesen. Komisch alles irgendwie… „Mach’s gut, Tanya, bis dann“, sagte Mrs. Cullen, umarmte sie kurz und Tanya, jetzt wusste ich, dass sie es war, stiefelte hinaus. „Mein Lieblingsstück?“, fragte Mr. Cullen nach einer betretenden Pause. Edward nickte mit hartem Gesichtsausdruck und begann zu spielen. Ich beobachtete ihn dabei, doch was ich denken sollte, wusste ich nicht… Wenn sie es will, folge ich ihr überall hin, hallte es in mir. Und damit verbunden die naheliegendste Frage: Würde ich es wollen? „Tanzt du?“ Wenn es so sein soll, gehe ich mit ihr nach Europa… „Ich meine, würdest du mir die Ehre erweisen?“ Und warum soll ich nicht allen sagen, was Sache ist… „Sag mal, träumst du mit offenen Augen?“ Nun sah ich zu Edward hoch. Ich hatte nicht mitbekommen, dass er erstens sein Klavierspiel beendet hatte und zweitens nun vor mir stand. „Nein, tut mir leid, was?“, fragte ich nach. „Ob du tanzt? Ob du mit mir tanzt?“, wollte er wissen. Sein Lächeln war beeindruckend schön. Ich warf einen Blick über die Schulter und erkannte, dass ein paar Personen auf der breiten Fläche des Wohnzimmers tanzten, während Mrs. Cullen spielte. „Nein, ich… ich glaube, ich brauche etwas frische Luft“, meinte ich knapp. Oder ich wollte wissen, was das alles sollte bzw. was das alles auf sich hatte. Wie beabsichtigt ging Edward mit mir auf die Terrasse. Ich stellte mich an die Brüstung, wo wir Silvester auch gestanden hatten. Schöne Erinnerungen… „Warum sagst du so was?“, rutschte es mir raus, ehe ich mir überlegt hatte, wie ich das Thema ansprach. „Ich sage die Wahrheit“, sagte er eindringlich und nahm meine Hand, die ich nicht mächtig war, ihm zu entziehen. „Es ist mir egal, wo auf der Welt du bist. Ich gehe mit dir überall hin, solange du mich willst. Das kann jeder wissen und wird kein Geheimnis sein.“ Ich atmete mit hängenden Mundwinkeln tief durch und schaute auf seine Krawatte. Er machte es mir so schwierig, ihm fern zu bleiben, obgleich letzteres richtig wäre. Wo waren meine Vernunft und mein eiserner Wille hin? Wie hatte er mir sie nehmen können? Ich blickte auf und erkannte tiefe, grüne Augen in seinem liebevollen Blick. Damit. Er kam näher und küsste mich rasch, ehe er mich von der Balustrade wegzog, eine Hand auf meinen Rücken und die andere in die meinige, ein wenig von uns abgespreizt, legte. „Deine Hand auf meinen Rücken“, wies er mich grinsend an. Ich bemerkte völlig weggetreten so langsam, was er vorhatte. „Ich kann nicht tanzen“, gab ich zu. „Ich habe nie so einen Kurs gemacht…“ „Den brauchst du auch nicht“, flüsterte er mir ins Ohr. „Hör einfach auf die Musik…“ „Die wir hier leider kaum hören“, grummelte ich verdrießlich. Edward schien mich zu ignorieren und legte meine Hand auf seinen Rücken. „Hör einfach auf die Melodie…“, hauchte er und begann irgendeine zu summen. „Hättest du das nicht erstmal mit mir besprechen können? Und mich nicht so überrumpeln können?“, griff ich das Thema wieder auf, während wir etwas taten, dass er tanzen und ich hin und her tapsen nannte. „Da gibt es nichts zu besprechen“, äußerte er sich. „Ich will bei dir sein, wo auch immer auf dieser Erde.“ „Aber-“, wandte ich ein, doch er unterbrach mich. Niemand sah dem anderen ins Gesicht. „Und eigentlich weißt du das schon, seit unserem ersten Kuss. Da habe ich dir genau dasselbe gesagt“, erinnerte er mich. „Ich weiß, dass du zurück musst, aber ich habe hier keine Verpflichtungen-“ „Doch“, widersprach nun ich und wich etwas zurück, um ihn ansehen zu können. „Was ist mit deinen Eltern? Deinen Geschwistern? Deinen Freunden?“ Er schaute mir so tief in die Augen, dass es mich fast benommen machte. „Natürlich sind sie nicht begeistert, vor allem wenn ich – dem Anschein nach – diese Entscheidung so Hals über Kopf treffe, aber ich bin mir sicher. Und ich werde sie ja auch noch ab und zu sehen, aber dich will ich immer sehen…“ Er strich mit der Hand an meinem Rücken hinauf zu meinem Nacken und führte mein Gesicht zu seinem, um mir einen am ganzen Körper kribbelnden Kuss zu schenken. Für heute Abend war das Thema passé. Obwohl ich noch viele andere hatte… Er setzte sich am Montag zu mir, während ich bereits in meinem Ordner ein paar Stoffeigenschaften nachsah. Kurzzeitig spürte ich seine Lippen auf meiner Wange. „Hat keiner gesehen“, flüsterte er wie ein Geheimagent. Ich konnte nicht mal protestieren und musste unweigerlich in mich hinein lachen. „Und? War es gestern so schlimm?“, wollte er wissen und rückte etwas näher zu mir. „Es war-“ Ich wollte erträglich sagen, doch plötzlich kam mir die Sache mit uns wieder in den Sinn, aber vor allem noch etwas ganz anderes. „Sag mal…“ Ich wandte den Kopf zu ihm. „Was war eigentlich mit dieser Tanya los? War sie wirklich krank? Es hörte sich… nicht sehr glaubwürdig an…“ Edward schüttelte leicht den Kopf und wirkte auf einmal nervös. „Sie… also mein Dad hat noch mal angerufen später und es ist alles in Ordnung. Ich schätze, sie hatte nur einen schlechten Tag oder so…“ „Und das hatte nichts mit mir zu tun oder?“, fragte ich direkt. „Nein, warum sollte es? Sie kannte dich ja gar nicht, mach’ dir keinen Kopf, sie hatte bestimmt nur ihre Tage“, grinste er keck. „Standardausrede“, verdrehte ich die Augen, er küsste noch mal meine Wange und holte dann seine Unterlagen hervor. Es war doch eigentlich hoffnungslos… oder?, fragte ich mich kurz. „Ach übrigens…“ Er beugte sich hervor und ich konnte seine Lippen nahezu an meinem Ohr spüren. „Heute Abend, sieben Uhr, wie damals.“ „Was?“ Ich drehte den Kopf entrüstet zu ihm. Sein Gesicht war so nah an meinem, dass ich zurückweichen musste, damit ich nicht in Versuchung gelangte. „Heute Abend? Können wir nicht-“ Er schüttelte bereits die ganze Zeit den Kopf und wandte ein: „Keine Chance. Ich möchte nicht, dass du es dir anders überlegst. Außerdem hast du es mir ohne Zeitspanne geschenkt und ich fordere es sofort ein.“ Sein Grinsen wurde ein Hauch breiter. „Nimm einfach das Kleid von gestern, das stand dir so gut und ich hole dich dann ab.“ „Edward, wir haben diese letzte Woche fast nichts für die Versuche geschafft und müssen uns diese Woche so gut wie jeden Tag treffen, um alles nachzuholen und du hast ja auch deine Proben. Findest du nicht, dass es jetzt total ungünstig ist?“, appellierte ich an seine Vernunft. „Nein“, sagte er schlicht und stand auf. Er ließ mir keinen Raum zum kläglichen Widerstand. „Wie viele Reagenzgläser brauchen wir?“ „Sechs“, grummelte ich nach einem Blick auf meinen Zettel. „Sieben“, meinte er triumphierend und deutete auf den letzten Stichpunkt der Aufzählung. Ich seufzte. Das war eine saublöde Idee, Alice!, fluchte ich, als ich mich am Abend fertig machte. Und der Zeitpunkt war noch viel blöder, Edward! Der Berg Arbeit bereitete mir, obwohl die Abschlussarbeit fertig war, Kopfschmerzen. Fast fertig zupfte ich mit einer Hand noch an meinen Haaren herum, während die andere ein paar Habseligkeiten in meine Handtasche warf. Ich bemerkte, dass mein Handy blinkte. Eine SMS meiner Mutter: Hey Schatz, wie geht es dir? Morgen ist mein großer Tag! Ich werde dir sofort berichten, wenn es erste Ergebnisse der Untersuchung gibt! Ich bin sehr aufgeregt und guter Dinge. Vor allem sehe ich dich in gut zwei Monaten wieder… hab dich lieb, deine Mama. „Ich dich auch, Mum“, sagte ich laut und steckte das Handy ebenfalls ein. Ich würde später zurück schreiben, denn es war drüben sowieso schon mitten in der Nacht. Jetzt hatte ich erst mal ein- Ich riss die Augen vor Selbsterkenntnis auf. Date? Hatte ich ein Date?? Kopfschüttelnd verließ ich die Wohnung. „Ich suche den Film aus“, flötete er lächelnd. Seine gute Laune war grauenhaft ansteckend. Sie hielt seit dem ersten Augenblick, als ich ihn sah, an. Wir waren in demselben Kino wie damals, nur, dass dieses Mal alles anders war. Edward schaute auf die Wand, wo die Kinoplakate Filme anpriesen und tippte dann gegen eines. „Liebesschnulze“, urteilte ich trocken. „Perfekt“, urteilte er im Gegenzug nur und gab mir einen raschen Kuss. „Edward!“, rief ich rasch, da er davon gehen – fast hüpfen, dachte ich Augen verdrehend – wollte. Er wandte sich zu mir um. „Normale Plätze.“ Er grinste schief und willigte ein. „Okay, ausnahmsweise, weil du es bist.“ Er zwinkerte mir zu und lief dann zu den Ticketschaltern. Ich lachte leise in mich hinein. Es war alles mit ihm schon unwirklich genug, da war etwas Realität – normal im Kino sitzen, wie alle anderen auch – angebracht, um mich auf dem Boden der Tatsachen zu halten. Andererseits war alles gerade so… gelöst, so schön. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und biss mir auf die Lippe, um nicht übermütig zu grinsen. Schmetterlinge flatterten in meinem ganzen Körper – bis in die Zehenspitzen. Vielleicht eher Ameisen… von der Intensität des Gefühls her… „Weißt du denn schon, wo wir danach hingehen?“, wollte ich wissen, als wir unsere – normalen – Plätze eingenommen hatten und die Vorschau noch lief. „Sicher, ist alles reserviert“, antwortete er, als wäre es eine Schmach so etwas zu fragen, und blickte sanft zu mir. Das Licht flackerte an einer Gesichtshälfte. „Na dann“, murmelte ich über dem Popcorn und meinte dann: „Keine Sorge, ich habe nachher noch Hunger“, ich grinste, „und ich gebe dir auch etwas ab.“ „Das hoffe ich doch…“, küsste er meinen kauenden Mund. „Okay, das… ist eklig“, war mein Kommentar, das uns beide leise zum lachen brachte. Unsere Aufmerksamkeit wurde nun eingefordert, da die Lichter erloschen und der Film begann. Edward tastete im Dunklen nach mir, nahm eine meiner Hände von der Popcorntüte und legte sie umgedreht auf die Lehne zwischen uns. Mit seinen weichen Fingerkuppen glitt er zärtlich über meine Handinnenfläche, bis zu den Fingerspitzen. Ein erregendes Gefühl, das mich kurzzeitig erschaudern ließ. Er verschränkte seine Finger mit meinen und dann ruhten sie ineinander. Ich wand den Kopf vom Film zu ihm ab. Er wartete ein paar Sekunden, obgleich er meinen Blick sehr wohl bemerkte – er sah gar nicht mehr richtig auf die Leinwand –, senkte dann grinsend den Blick und schaute mir sanft in die Augen. Unsere Gesichter immer wieder vorübergehend durch den Film erleuchtet. Ich öffnete leicht die Lippen und beugte mich minimal zu ihm. Er kam meiner Andeutung nach, näherte sich mir und küsste mich liebevoll. Glücklich legte ich kurz die Stirn an seine Wange, sodass sich unsere Nasenspitzen berührten. Daraufhin rutschte ich in meinen Sitz etwas herab und kuschelte mich mit dem Kopf an seine Schulter, seinen Arm mit den beiden meinigen umschlossen. Edward küsste mein Haar und richtete den Kopf dann wieder zu dem Film. Es war ein schönes Gefühl, alles zulassen zu dürfen. Herrlich angenehm. Noch wunderschöner, dass er das wollte. Würde ich mein Leben mit ihm verbringen dürfen?, fragte ich mich, während ich so bei ihm lag und nur den Ton des Films vernahm. Ich schloss die Augen. Ich schlief nicht, ich genoss. „Hast du überhaupt etwas vom Film mitbekommen?“, lachte Edward, als wir Hand haltend aus dem Kinosaal spazierten und nun am Auto angekommen waren. „Klar, sicher, ich hab nicht geschlafen“, erwiderte ich und fasste seine Hand einen Hauch inniger. „Und jetzt in die Höhle des Löwen?“ Er grinste, als er mir die Autotür aufhielt. „Essen gehen“, seufzte ich. Ich hatte bisher keine solch schönen Erfahrungen damit gemacht – also mit Essen in Verbindung mit Edward allgemein. „Und hör auf zu lachen“, mahnte ich, als er ebendies tat. Edward presste die Lippen zusammen und setzte sich dann auf den Fahrersitz. „Ich passe schon auf dich auf, keine Sorge“, versprach er, holte sich einen Kuss bei mir ab und startete den Motor. Edward legte das Besteck beiseite und trank einen Schluck. Sein Grinsen feixte mir förmlich entgegen. „Und… lebst du noch? Oder ist es so schlimm?“, neckte er mich. Ich schmunzelte und ließ kurz ein und aus atmend den Blick schweifen. Wir hatten einen Einzeltisch in einem kleinen Wintergarten mit zahlreichen Blumen, anderweitigem Gestrüpp und einem plätschernden Brunnen. Und ich vermutete stark, dass angesichts des ausreichenden Platzes, hier sonst mehr Tische standen. „Nein, alles in Ordnung“, meinte ich und nahm dann auch den letzten Bissen des Hauptgerichtes. Recht bald räumte der Kellner ab. „Noch mal bitte“, meinte Edward und deutete auf unsere Wassergläser. „Zwei mal Champagner noch dazu. Ach und“, fiel ihm ein, „können Sie bitte den Nachttisch erst in zehn Minuten servieren?“ „Wie Sie wünschen“, nickte der Kellner freundlich und nahm das gesamte Geschirr dann mit. Irritiert sah ich dem Kellner hinterher und blickte dann Edward grinsend an. „Willst du mich erst abfüllen?“ „Nein“, lachte er. „Aber ich brauche gleich kurz Zeit“, schilderte er lediglich, was mir aber nicht wirklich etwas erklärte. Mein Herz reagierte, es schlug bedenklich schneller. Wir warteten auf den Champagner und dann darauf, dass der Kellner wieder ging. Edward sah mich verheißungsvoll an, atmete einmal durch, räusperte sich und langte nach meinen Händen, die er in der Tischmitte mit seinen Händen liegen ließ. „Ich hab überlegt, wann der beste Zeitpunkt ist, das noch mal… ‚anzusprechen’“, zögerte er und ich wurde immer verwirrter. „Damals ist das gänzlich schief gelaufen, aber jetzt glaube ich, dass es richtig ist und besser laufen wird.“ Ich schwieg und beobachtete, wie er mit einer Hand in seine Hosentasche griff, mit der anderen meine linke Hand etwas hoch hielt. Mein Herz raste in meiner Brust, piekste mich, als ich verstand, was er hervorholte und in Begriff war zu tun. Langsam, den Blick dabei abwechselnd auf mich und auf meine Hand gerichtet, führte er den Ring von Weihnachten auf meinen Finger. Er wog sich schwer an meiner Hand und auf meiner Seele. Zu viele Altlasten… „Bella, ich liebe dich und ich würde mich freuen, wenn du ihn trägst“, gab er leise preis. Ich holte Luft, blieb jedoch stumm. Es fühlte sich auf einmal alles so verbindlich und für immer an, obwohl ich bis eben noch ein so durchdringendes Gefühl von Leichtigkeit in mir verspürt hatte. Ein auf und ab. Ein Schwenk in die unendliche Tiefe meiner Liebe für ihn, ein Schwenk in die Angst und in den Trotz. Von einem Extrem zum anderen. Es kam einfach darauf an, welche Seite in mir gerade Oberhand hatte… „Du darfst etwas sagen, wenn du möchtest“, meinte er schmunzelnd. Meine Hände in seinen. „Ähm“, machte ich. „Ja. Super. Danke.“ Super Antwort, Bella, seufzte ich innerlich. Edward lachte verhalten. „Gern geschehen.“ Mein Blick fiel auf den Ring. Aber er hatte recht. Es war heute definitiv der beste Zeitpunkt gewesen und vermutlich auch der einzige, an dem ich ihm den Ring nicht sofort zurückgegeben oder um die Ohren geschmissen hätte. Heute war ich zu überwältigt von meinen Gefühlen für ihn. Heute war ich zu schwach zum Widerstand. Heute dominierte mich die eine, besondere Seite in mir… „Darf ich dich küssen?“, fragte er nach. „Bevor du mir meinen Nachttisch noch mehr versüßt als sowieso schon?“ Ich lachte leise, als ich die Anspielung auf die Sache in der Mensa damals verstand. „Ja, du darfst“, gebot ich ihm und wir lehnten uns beide zum Kusse nach vorn. Ich fasste mir ein Herz und gab ihm auch etwas zurück, als unsere Gesichter so nah beieinander waren. „Ich liebe dich übrigens auch.“ Er lächelte schief und küsste mich nochmals – so süß, dass ich keine Nachspeise dieser Welt gebraucht hätte… ------------------- ... .. . :):):) hach... aber darf ich euer hochgefühl, angesichts des mal "schönen" endes, etwas trüben ? es wird nicht so bleiben ;) obwohl... eigentlich schon, aber es wird was anderes passieren ... mhmmmmm ...^^ freue mich sehr über kommis ^^^^ Kapitel 17: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 3 (Bella & Edward) --------------------------------------------------------------- eig sollte das neue kap "rückschlag" heißen ... aber ich habe es umbenannt... habe immer zwischen den beiden titel geschwankt und mich jetzt doch umentschieden ^^^^^^ könnt ja mal schauen, was ihr lieber mögt ^^ hach und in dem kap ist auch meine lieblingsstelle.... ihr dürft mal raten ^^ ich verrate sie hinterher auch ;) ^^ Musik: Dan Wilson - Breathless http://www.youtube.com/watch?v=M4q9DU5pBvg "leider" ist das "nur" eine acoustic version.. die auch sehr geil ist, aber die "richtige" mag ich noch lieber... finde ich nur leider auf youtube nicht :( schade... aber dann diese hier ^^ http://img513.imageshack.us/img513/5089/bannerteil3.jpg Normalerweise hatte ich mittwochs nach der Laborstunde immer eine lange Pause und danach noch eine Vorlesung zur etwas späteren Zeit. Wie sich dann aber herausstellte, fiel diese aus, sodass ich wieder sehr früh zu Hause war und noch genügend Zeit hatte, bis Edward am Abend kommen würde. Eigentlich, dachte ich dann, könnte er auch eher kommen. Ich griff nach meinem Handy und schrieb ihm, dass er direkt nach seiner letzten Lehrveranstaltung, er hatte eigentlich eher Schluss als ich, kommen könnte. Edward willigte postwendend ein. Entspannt räumte ich die Wohnung auf, aß etwas und atmete einfach tief die frische Luft am Fenster ein, denn heute hatte ich, nach Edwards gestriger Korrektur, meine Abschlussarbeit abgegeben. Ein herrlich befreiendes Gefühl. Nun musste ich nichts mehr selbst verfassen – abgesehen von den Thesenblättern und Ergebnisanalysen für den erkrankten Mr. John –, sondern nur noch die Klausuren Ende Februar bzw. Anfang März. Edward und ich hatten uns gestern, wie es auch heute sein würde, bei mir getroffen und würden die nächsten beiden Tage in der Bibliothek weiter arbeiten. Dort war es zurzeit leider so voll, dass absolute Ruhe nicht mehr wirklich gegeben war. Das panische Literatursuchen und Hausarbeitenverfassen hatte begonnen. Nicht bei mir, ich war fertig, freute ich mich innerlich und genoss noch einen Augenblick das erleichterte Glücksgefühl, ehe ich mich an die Zusammenfassungen für die Klausuren machte. Meine Finger glitten kurz über den silbernen Ring. Ein weiteres Glücksgefühl kam hinzu. So viel Glück konnte man gleichzeitig gar nicht empfinden… Ich war gerade bei einem sehr spannenden neuen Feld der Genforschung angelangt, als mein Handy durchdringend zu piepen begann. Meine Mutter rief mich aus Deutschland an. Vielleicht waren schon Ergebnisse da!, schoss es mir aufgeregt und voller Hoffnungen durch den Kopf. „Mum? Ich bin’s“, ging ich rasch heran. Ich hörte wie jemand Luft zog. „Bella…“ Ihr Tonfall war so kläglich, dass es mich alarmierte. Ein Dolch ins Herz. Sofort. „Mum? Mum, bist du’s? Was ist los?“ Keine Antwort. Mit vor Schreck verzerrtem Gesicht stand ich vor meinem Bett. „Mum?“, rief ich dieses Mal ins Telefon. „Hallo Bella, hier ist Phil“, kam es matt von der anderen Seite. „Schön, dass wir dich schon erreichen konnten.“ Er sprach fremd. Es klang wie abgelesen. „Was ist los?“, wiederholte ich mich leiser und spürte die Anspannung überall in meinen Gliedern. Mir war bei Phils maschinellem Ton plötzlich speiübel geworden. „Wir haben erste Ergebnisse bekommen“, meinte Phil langsam. Mir war danach, ihn zu rütteln, damit er schneller redete, doch ich versuchte mich eindringlich in Geduld zu üben und beschaulicher zu atmen. „Sie haben Krebszellen gefunden“, vernahm ich tonlos. Ich hob den Kopf und starrte regungslos an die Wand – unfähig ein Wort über die Lippen zu bringen. Meine Gedanken stoppten allesamt. „Die Ärztin hat heute sofort angerufen, nachdem die ersten Tests ausgewertet wurden und wir sind dann zu ihr gefahren“, sprach Phil ruhiger, als ich es ihm zugetraut hätte und daher umso erstaunlicher, weiter. „In jedem Fall hat deine Mutter noch Krebszellen in sich, das Ausmaß und die ganzen… ganzen anderen Sachen“, er atmete geräuschvoll ein und schien durcheinander, „sind noch nicht bekannt.“ Meine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt und kribbelten meine Lider. Alles war verschwommen. „Es ist nicht vorbei?“, fragte ich mehr zu mir selbst. „Nach vier Jahren finden sie noch-“ Ich war meiner Stimme nicht mehr mächtig. „Das kann nicht sein…Phil, das kann nicht sein, das darf nicht sein… unmöglich…“ Meine Gedanken flossen nur so an mir vorbei, dass ich sie kaum fassen konnte. Mir kamen Bilder der letzten Jahre, Bilder der glücklichen Jahre davor, Bilder von der Zeit in Amerika als Kind, in den Sinn. Wenn sie jetzt noch Krebszellen fanden- ich malte es mir nicht aus, doch ich wusste nahezu, was das bedeutete. „Kann ich sie sprechen?“, bat ich unter erzitternder Stimme. „Bitte“, setzte ich kaum vernehmbar piepsig hinzu. Die Tränen ergossen sich über mein Gesicht und ich hielt sie nicht auf. Nur die Lippen presste ich aneinander, um nicht zu schluchzen. „Das geht gerade nicht, Bella“, Phils Stimme wurde zunehmend dünner, „deiner Mutter geht es nicht gut…“ „Bitte“, weinte ich ins Telefon, „ich will mit ihr reden.“ Es half kaum noch Selbstbeherrschung, um mein Schluchzen zu unterdrücken. „Wir müssen jetzt noch mal ins Krankenhaus. Wir melden uns, sobald wir genaueres wissen“, sagte Phil trocken. „Zu jeder Zeit, ja?“, wisperte ich. „Ja.“ „Gut“, brachte ich noch nickend hervor. „Eines noch“, kam es von Phil mit zitterndem Unterton, „ich soll dich von deiner Mutter an die Abmachung erinnern. Halte dich daran, das ist einzige, was sie sich jetzt wünscht.“ Einen Augenblick blieb es still, dann tutete es. Ich ließ mein Handy aus den Fingern aufs Bett gleiten und stand einfach nur da – versucht, alles zu realisieren. Die Abmachung…, pochte es in mir. Ich wandte den Blick ins Zimmer und es verging kaum eine Sekunde, in der ich den Entschluss gefasst hatte: Ich flog zurück. Sofort. Eilends holte ich meine Koffer unter dem Bett hervor und schmiss meine Kleidungsstücke in den einen und meine Unterlagen, samt Zettelstapel und Bücher, in den anderen. Etwas presste sich von innen hart auf meine Brust, mein Atem schnellte, mein Kopf war leer. Ich funktionierte nur noch, während ich mir immer wieder durchs Gesicht strich und Tränen wegwischte. Was tat ich in Amerika? Warum war ich überhaupt hier? Wer war auf diese Schnapsidee mit Amerika gekommen? Von Anfang an völlig sinnfrei! Ich lief ins Bad und pfefferte alles, was wichtig war, in den Kulturbeutel. Um die Sachen, die ich hier lassen würde – Lebensmittel, ein paar Anziehsachen, angebrochenes Duschgel und so weiter –, würde ich Dad bitten, sich zu kümmern. Auch um die Sache mit der Uni. Hals über Kopf stürzte ich zu den Uni-Unterlagen und suchte nach dem Blankoflugticket, während die Wohnung von jetzt auf gleich völlig verwüstet aussah. Hoffend, dass ich einen sehr schnellen Flug irgendwo nach Deutschland oder wenigstens Europa bekam, steckte ich es in die Hosentasche. Meine Gedanken waren voll mit den ganzen praktischen Regelungen, kaum ein Gedankengang verirrte sich zu der Ursache für meine überstürzte Abreise. Ich hatte das Gefühl, als platzte ich von innen. Implosion. Auf der ganzen Linie. Völlig durcheinander, es kreiste alles in mir, sah ich in die Wohnung. Was noch? Was nicht? Was fehlte? Wohin musste ich? Wie kam da hin? Wann würde ich fliegen? Wann war ich bei meiner Mutter? Was war mit der Uni? Es klingelte. Ich schreckte hoch. In die Realität gerissen. Mein Kopf schnellte zur Uhr. Edward. Scheiße. Was jetzt? Was sollte ich tun? Nicht aufmachen? Er würde warten. Oder mich anrufen? Oder sollte ich ihm eben texten, dass ich doch keine Zeit hatte? Oder das ich krank war? Ich lief verstört kreuz und quer. Es klingelte wieder. Abwimmeln, sagte ich mir und schon, ehe ich einen weiteren, sinnigen Gedanken daran verschwendet hatte, drückte ich auf. Ich hatte eigentlich nicht mal recht darüber nachgedacht. Mein Körper tat, was er wollte. Ich würde ihm sagen, dass- dass mir was dazwischen gekommen war- dass- Dad! Ja! Er hatte angerufen- wir trafen uns gleich- und mit Edward dann morgen- Es gab kein „Morgen“, sagte etwas langsam und eisig in mir. Ich wischte es fort. Heftig atmend stand ich vor der noch geschlossenen Wohnungstür. Ich schluckte mehrmals und versuchte mich zu beruhigen. Ganz ruhig, sagte ich mir tausendmal, du musst jetzt glaubwürdig sein. Mein Gesicht!, fiel mir plötzlich ein. Ich raste ins Bad. Meine Augen waren rot vom weinen, aber ich hatte das Make-up schon weggepackt- Es klopfte. Oh Gott, Mist, Mist, Mist. Mehr fiel mir nicht ein. Außer, dass es jetzt so schon irgendwie gehen musste. Zögernd blieb ich einen Moment vor der Tür stehen und berührte diese. Mehr trennte uns nicht mehr. Keine Panik, mach’ es ihm begreiflich, dann geht er und du fliegst zurück nach Deutschland. Weiter kam ich in Gedanken nicht. Die Konsequenz daraus, das, was das für uns bedeutete, wagte ich nicht mal zu denken. Ich hielt einen Augenblick die Luft an, bevor ich die Tür einen Spalt öffnete. „Hey, ähm, später- ähm, mein Dad- wir treffen uns gleich und wir- also du und ich- ähm- sehen uns dann später-“, presste ich japsend hervor, sah mehrmals zu Boden und hustete zwischendurch. Meine Knie fühlten sich weich an und jedes Wort war von heftigem Atmen begleitet. Ich versuchte leicht zu lächeln, aber es schmerzte in meinem ganzen Körper. „Tschüß“, flüsterte ich, ohne ihn wirklich anzusehen vermochte und wollte die Tür schließen. „Halt stopp, was-“, brachte er hervor und hielt den Fuß in die Tür, während er gleichzeitig dagegen drückte. „Was ist los? Warum geht es heute nicht?“ Ich versuchte meine Gesichtszüge zu glätten, doch schaffte es kaum. „Geh einfach, ja? Heute nicht, bitte-“ Es war längst zu spät. Wieder flossen Tränen über meine Wangen und meine Stimme erhellte sich. „Bella, was ist passiert?“, fragte Edward entsetzt und machte einen Schritt auf mich zu, während er die Tür weiter öffnete. Ich wich von ihm zurück, als er die Hände nach mir ausstreckte. Er sollte gehen, er sollte verschwinden, flehte ich innerlich. Ich konnte nicht mehr sprechen. Nicht in diesem Moment. „Was- Was machst du?“, fragte er weiter nach, als er nun einen Blick auf die Wohnung werfen konnte und das Chaos bzw. mein Kofferpacken sah. Ich schluckte fest. „Aufräumen“, versuchte ich es mit dünner Stimme weiter. „Was ist hier los?“, forderte er Erklärungen ein, war weiter in die Wohnung gegangen und begutachtete alles. Als ich nichts sagte und kläglich versuchte einen Heulkrampf zu unterdrücken, kam er wieder auf mich zu. Er legte die Hände rechts und links an meine Schultern und beugte sich herab, um mir in die Augen zu sehen. Sein klarer Blick stach mir ins Gesicht. Es peitschte mich von allen Seiten. „Nichts“, murmelte ich, wandte mich von ihm ab und ließ dann den Tränen freien Lauf. Ich stolperte rückwärts ins Zimmer hinein. Edward schloss nun auch die Tür und kam, den Blick schweifend, hinter mir her. „Ich sehe doch, das was los ist, Bella. Du-“ Er atmete tief durch. „Du reist ab?“ Er schüttelte während dessen mit aufgerissenen Augen ungläubig den Kopf. „Geh! Geh einfach!“, bat ich schluchzend. „Hau ab!“ „Warum gehst du? Wegen mir?“, ignorierte er mein Anliegen ihm gegenüber. „Ach, du hast doch keine Ahnung!“, schrie ich ihn förmlich an. Das Gesicht in den Händen. Er war das letzte, was mich jetzt kümmerte… „Dann sag es mir doch!“, forderte er mich auch lauter werdend auf. Wir standen uns gegenüber. Die Uhr tickte die Sekunden herunter. Meter trennten uns. Nur mein lautes Schluchzen war zu vernehmen. Ich wollte hier nicht stehen und flennen und wenn er nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich das wohl erfolgreich unterdrücken können. Vielleicht hätte ich es bis ins Flugzeug geschafft, vielleicht sogar länger. Er machte mich verletzlich. „Bitte sag es mir“, flüsterte er inständig. Als ich aufsah, seinen zärtlichen Blick in Empfang nahm, konnte ich einfach nicht mehr. Standhalten ging nicht mehr, mir fehlte die Kraft. „Meine Mutter- sie haben noch Krebszellen in ihrem Körper gefunden“, fiepte ich. Edwards Gesichtszüge wiesen Bestürzung über die Nachricht auf. Er kam näher zu mir. „Bella, das tut mir so unendlich leid…“, sagte er mitfühlend und wollte mich berühren, doch ich machte einen Schritt zurück. „Lass mich und geh’ jetzt!“, forderte ich ihn auf. „Ich muss packen, verschwinde!“ Edward starrte mich an. „Du kannst jetzt nicht fliegen! Du kannst nicht einfach das Semester abbrechen! Was ist mit den Abschlussprüfungen und-“ „Mich hält nichts hier!“, kreischte ich außer mir. Ich erkannte genau, wie sich sein Blick trübte, doch es war die Wahrheit. Meine Mutter war mir wichtiger als alles andere; als mein Studium; als meine Gefühle für Edward. Das klang hart und musste ihm sicherlich wehtun, doch so war es. „Es geht hier nicht um mich oder um uns“, begann Edward, „sondern um dich-“ „Eben! Und deshalb fliege ich heute! Kannst du nicht einfach gehen?!“ Und es mir nicht so schwer machen??, fügte ich in Gedanken hinzu. Je länger er hier war, desto mehr glimmte das auf, was ich in den letzten Tagen an Glück mit ihm empfunden hatte. Besonders all das vom vorgestrigen Tag… Das Kino, die gemeinsame Zeit mit ihm- Ich hatte dem ganzen nie einen Sinn gegeben, warum vorgestern? Warum war ich so leichtgläubig gewesen und hatte mich von seinem Charme beflügeln lassen??? „Das verlangt deine Mutter? Darum hat sie dich gebeten? Dass du hier alles stehen und liegen lässt und Hals über Kopf nach Deutschland fliegst?“, redete Edward mir fassungslos ins Gewissen. „Das kann ich nicht glauben-“ „Glaub’, was du willst“, murrte ich. „Sie kann das doch nicht wollen“, ging Edward nicht darauf ein. „Es ist mir egal, was sie will, aber ich muss jetzt für sie da sein!“, fauchte ich. „Ich kann nicht hier bleiben und mein Leben genießen, während es ihr immer schlechter geht und sie bald stirbt!“ „Das ist doch nicht gesagt-“ „VERSCHWINDE!!“, schrie ich lauthals und glitt zu Boden in die Knie. Es tat alles so weh, es tat alles so weh. Alle Gefühle in mir. Als wetteiferten sie um meine Aufmerksamkeit. Ich wusste nicht mehr, was ich denken und wie ich das Ganze durchhalten sollte… „Hey Liebes“, hauchte Edward mir eine Sanftmut entgegnen, die mich nur noch mehr zu strafen schien. Er hatte sich direkt vor mir hingehockt. Ich wimmelte seine Arme ab, die er um mich schlingen wollte. „Geh’“, presste ich fast tonlos hervor. Ich bemerkte wie Edward aufstand. Endlich hatte er es kapiert, hoffte ich und blieb am Boden sitzen. Das Gesicht noch mit meinen Händen verdeckt. Sobald er weg war, würde ich mich beruhigen, meinen klaren Verstand walten lassen und mich dann endlich, wie auch immer, auf den Weg zum Flughafen machen. Ich sah nach einer langen, verstrichenen Minute auf. Die Tür war nicht geöffnet worden, geschweige denn ins Schloss gefallen. Ich erkannte Edward, der mit einem Handy, etwas entfernt, vor dem noch nicht eingepackten Laptop saß. Meinem?!?!, fragte ich mich entsetzt. Ich wandte mich pfeilschnell zu meinem Bett um. Kein Handy. Ich riss den Kopf zu Edward um. Mein Handy. „Was machst du?!“, entfuhr es mir und stand sofort bei ihm, doch er ignorierte mich und drehte sich weg. „Gib es mir wieder!“, rief ich und versuchte ihm mein Handy abzunehmen. Seelenruhig erhob sich Edward, nahm dann sein Handy dazu und tippte. „Sag mal, spinnst du?! Was machst du?! Gib es mir wieder!“, schimpfte ich. Er hielt schließlich sein Handy ans Ohr und warf mir meines entgegen. Ich fing es irritiert auf und beobachtete erschüttert, was er tat. „Guten Tag, Edward Cullen, Bellas Freund. Mit wem spreche ich?“, meldete er sich. Er runzelte konzentriert die Stirn. Rief er bei mir zu Hause an?!?!?!?!!? „Gib’ mir dein Handy!“, forderte ich nun lautstark. Er hielt mich von sich weg und brummelte mehrmals zustimmend in sein Handy. Was sollte das?! Phil konnte kaum Englisch! Er würde ihn gar nicht wirklich verstehen!, schoss es mir durch den Kopf. „Ja, vielen Dank. Misses Dwyer? Ja, Edward Cullen hier, Bellas Freund. Entschuldigen Sie die Störung, kann ich kurz mit Ihnen reden? Es wird nicht lange dauern“, bat er höflich und sehr langsam. Meine Mutter?!?!? Was zum Teufel- „Edward, gib’ sie mir!!“, protestierte ich weiter, obwohl ich kaum noch Kraft hatte. „Misses Dwyer, ich habe eine Frage. Und zwar ist Bella im Begriff heute noch zu Ihnen oder zumindest irgendwo nach Deutschland, vermute ich mal, zu fliegen. Ich würde gerne wissen, ob Sie das begrüßen. Sie packt gerade.“ Er nickte stumm, während er sie reden ließ. Ich hatte aufgegeben und stand einfach nur da. Die Arme hängend, den Kopf ebenfalls. Tränen tropften von meinem Kinn herab, zu Boden. „Gut, danke. Das habe ich mir fast gedacht. Ja, Sie haben mein Wort. Entschuldigen Sie nochmals die Störung und gute Besserung.“ Er legte auf, doch ich verharrte weiter in meiner Position. „Deine Mutter verlangt von dir, dass du hier bleibst und auf keinen Fall vor Ende des Semesters zurückkommst. Ich habe ihr versprochen, dass das in ihrem Sinne passieren wird und ich dich nicht gehen lasse.“ Mit zitternden Lippen sah ich zu ihm auf. Meine Augen schmerzten. „Warum tust du mir das an?“, formten meine Lippen leise. Worte, die ich ihn schon mal gefragt hatte. Betroffen schaute er mir ins Gesicht und näherte sich mir. Ich leistete keinen Widerstand mehr. Es ging nicht mehr. Er schloss die Arme um mich und führte, mit der Hand in meinem Nacken, mein Gesicht zu seiner Brust, welches ich dann seitlich an ihn legte. Ich presste die vielen Tränen hervor, die dann seinen Pullover benetzten. Seine Hand glitt von meinem Nacken zu meinem Haar, über das er nun andächtig strich; seine Wangenpartie hatte er sachte auf meinen Kopf gelegt. Es tat so gut. Und doch breitete sich der Schmerz in meinem ganzen Körper aus und ließ ihn mich überall spüren. „Du kommst jetzt erst einmal mit zu mir“, flüsterte er über mir. „Was?“, wisperte ich mit trockenem Hals und daraus resultierendem rauen Ton. Ich machte mich ein wenig frei von ihm, um ihm in die Augen zu sehen. „Du ziehst jetzt erst einmal zu mir“, wiederholte er sich ähnlich und langte nach dem Koffer mit den Unisachen. Ich beobachtete stumm, wie er den Laptop herunterfuhr und die Kabel einpackte. „Das geht nicht“, sagte ich kaum überzeugt. Ich meinte es so, doch ich fühlte mich zu schwach, um es gefasster rüber zu bringen. „Gut, ich argumentiere, wie du es immer tust“, wandte Edward ein und stellte sich vor mich. „Du hast bei mir viel mehr Zeit für deine ganzen Prüfungen zu lernen, weil du weder kochen, noch einkaufen, noch sauber machen oder so was machen musst. Du kannst in Ruhe lernen, du hast unsere Bibliothek zur Verfügung und die Unterlagen meines Vaters“, ratterte er herunter. Langsam schritt er auf mich zu, legte die Hände an mein vermutlich knallrotes, aber mit Sicherheit nasses Gesicht, und neigte sich ein wenig hinab. „Und du bist bei mir“, ergänzte er sanft und küsste meine Wange. „Komm, wir gehen.“ Er nahm den Koffer in die eine Hand und mich an die andere, nachdem er mir meine Jacke übergeworfen hatte. Wortlos schleifte er mich förmlich zur Haustür hinter sich her und schloss auf. Er schob mich durch, dann folgte er mit dem Koffer. Ich erkannte niemanden im Wohnzimmer. Er ging mit mir rasch durch dieses, die Treppen hoch und steuerte dann sein Zimmer an, als er sich Stirn runzelnd zu mir umsah. Ich nahm das ganze nur so halb war, als trübte ein grauer Schleier über meinen Augen die Sicht. Alles in mir fühlte sich entkräftet an. „Wir haben oben auch mehrere Gästezimmer-“ Ich schüttelte kraftlos den Kopf. „Nein, ist schon gut.“ Ich ging vor in sein Zimmer und blieb mit im Raum stehen. Edward stellte den Koffer nahe der Tür ab, nachdem er Licht angemacht hatte. Er nahm mir die Jacke ab und führte mich dann zu seinem fein säuberlich gemachten Bett. Willenlos zog ich mir Schuhe und Strickjacke aus und legte mich nach seiner stummen Aufforderung in sein Bett. Ich wischte mir einmal durchs nasse Gesicht und legte jenes dann in das weiche, aufgeschüttelte Kissen. Er reichte mir die Decke, die ich dann unfähig nur über den Po zog. Mein leerer Blick war geradeaus auf irgendetwas gerichtet, was ich gar nicht wirklich wahrnahm. Edward korrigierte die Decke und hob sie bis zu meinen Schultern hoch, ehe er sich vor mich hockte und mir tief in die Augen sah. Eine Hand streichelte meinen Kopf. „Schlaf erst mal, Liebste“, hauchte er, küsste meine Stirn und ließ mich, bei gelöschtem Licht, allein zurück. Ich wandte mich auf die andere Seite, spürte etwas in meiner Hosentasche und griff hinein. Das Flugticket. Wieder bildeten sich unaufhörliche Tränen. Ich schmiss das zerknautschte Ticket schlapp auf Edwards Nachttisch und zog die kuschelige Decke höher. Ich war der festen Überzeugung nicht schlafen zu können – tat es aber, sobald ich die Lider aufeinander gelegt hatte. Edward Hatte ich jemals einen Menschen erlebt, dem es so schrecklich ging?, kam es mir zuerst in den Sinn. Ich hörte Alice an der Nähmaschine in ihrem zweiten Zimmer, während ich Emmett entweder oben oder noch in der Uni vermutete. Langsam machte ich mich auf den Weg nach unten. Ich empfand so viel Mitgefühl für sie, wie ich es, da war ich mir sicher, noch nie getan hatte. Ihr Leid, tat mir weh, brannte sich in mein Innerstes. Warum litt so ein wundervoller Mensch nur? „-aber das andere Licht war trotz Energiesparung viel wärmer! Überleg’ doch mal! Das ist eine Innovation!“, hörte ich meine Mutter plötzlich von weitem sagen, als ich am Esstisch angekommen und dort stehen geblieben war. „Wenn du das sagst, ich habe keinen Unterschied feststellen können“, erwiderte mein Vater, wie ich erkannte. Ich sah beide durch die Glastür die Haustür schließen, die Schuhe ablegen und setzte mich selbst auf einen Stuhl am Tisch. Ich musste das selbst alles erst einmal verdauen. „Ja… ganz einfach, weil du nur auf das Licht geachtet hast“, nun schritten beide gemeinsam durch die Glastür, „aber nicht die Wirkung auf der Wand bzw. der Tapete darum herum, nicht wahr?“ Nun bemerkte meine Mutter mich, wie ich im Augenwinkel wahrnahm. „Oh, hallo Edward“, grüßte sie. Ich nickte nur, mehr zu mir selbst fast. „Ist was?“, fragte meine Mutter nach und ging an mir vorbei zum Kühlschrank, wo sie sich etwas zu trinken nahm und mich dann wieder anblickte. „Edward?“, fragte mein Vater nach und rüttelte mich sachte an der Schulter, bevor er sich mir gegenüber setze. Ich atmete ein. „Bella ist hier. Ich- ich habe ihr angeboten, erst mal hier zu bleiben. Ich hoffe, das war in eurem Sinne und ist in Ordnung“, redete ich steif. Ich hörte, wie meine Mutter nun zu uns rüber kam und sich neben meinen Vater setzte. Sie hatte die Augenbrauen zusammen gekniffen. „Bellas Mutter… sie hatte Abschlussuntersuchungen und sie haben wieder Krebszellen gefunden“, begann ich langsam zu berichten, als müsste ich jedes Wort von neu auswählen. „Als ich zu Bella ging, war sie im Begriff zu packen und wollte sofort zurück zu fliegen…“ Meine Eltern warteten und lauschten, während ich angespannt, mit gesenktem Blick, weiter sprach: „:Ich konnte sie weder gehen, noch allein in ihrer Wohnung lassen… Sie wäre zum Flughafen gefahren, sobald ich weg gewesen wäre, mit Sicherheit.“ Ich schaute auf. „Sie schläft jetzt.“ „Du hast das Richtige getan, Edward. Sie kann natürlich so lange bleiben, wie sie will“, ergriff meine Mutter zuerst das Wort. „Danke“, erwiderte ich leise. „Carlisle, was heißt das?“, wandte sie sich dann an meinen Dad neben sich. Ich schaute ihn an, der er nachdenklich vor mir saß. „Stirbt sie?“, fragte ich direkt nach. „Es heißt nicht zwingend, dass sie stirbt. Es heißt aber, dass sie dabei ist, den Kampf gegen den Krebs zu verlieren…“, erklärte er. „Die Behandlung dauerte bei ihr, wenn ich mich recht erinnere, schon sehr lange an – länger als gewöhnlich. Wenn sich dann nicht bald eine Besserung einstellt, dann ist sie irgendwann zu geschwächt, stirbt an Infekten oder Ähnlichem oder-“ Er sah uns beide kurz an. „Oder sie gibt auf.“ Ich senkte betroffen den Blick. Arme Bella… und ihre Mutter erst… „Bella wird das wissen“, fuhr mein Vater fort, „momentan aber vermutlich nur den Weg sehen, dass sie stirbt, und den Rest ausblenden. Weiß sie denn schon mehr?“, fragte er mich. „Ich glaube nicht, sie hat aber auch nicht mehr gesagt…“, meinte ich Schultern zuckend. „Wenn sie nicht mehr weiß, dann kann man sich jetzt eigentlich noch gar kein Urteil erlauben. Es ist ein Rückschlag, kann aber auch einer bleiben und letztlich tritt die Heilung doch ein. Vielleicht genügt eine Operation oder eine geringe Anzahl weiterer Behandlungen schon. Bella wird jetzt nur den schlimmsten Fall im Kopf haben.“ „Mhmmm…“, machte ich und drehte das leere Glas vor mir. „Du kannst nicht mehr tun“, sprach mir meine Mutter auf einmal aus der Seele. „Du bist für sie da und mehr kannst du nicht tun, denn zu ändern ist es nicht. Es ist sehr schön zu sehen, wie du dich um sie kümmerst und dich sorgst.“ Ich nickte schwach. „Edward, schau nicht so traurig, ich bin sicher, dass es ihrer Mutter wieder besser gehen wird“, fuhr sie gefühlvoll fort. Ich schwieg. „Bella hat dich verändert. Hast du das eigentlich gemerkt?“ Ich hörte das Lächeln aus ihrer Stimme heraus, obwohl ich nicht aufblickte. Bevor ich mich zu irgendeiner Antwort durchringen konnte, ertönte Alice’ Stimme hinter mir. „Hab’ ich doch richtig gehört, dass ihr gekommen seid“, zwitscherte sie und hielt ein Oberteil vor sich, während sie direkt meine Mutter ansteuerte. „Schau mal, diese Naht hier. Findest du die zu gewagt? Also unpassend?“ „Alice?“, fragte mein Vater dazwischen. „Ist Emmett oben?“ „Ähm, ja“, antwortete sie verwirrt. „Würdest du ihn bitte kurz holen?“, bat mein Vater sie. Alice nickte langsam, doch mit zusammengezogenen Augenbrauen, und tippelte die Treppen hoch. Das Oberteil hielt nun meine Mutter in der Hand und begutachtete es kurz. Mein Vater richtete das Wort an mich: „Sie müssen es erfahren. Es bringt nichts, zu lügen, warum Bella hier ist und warum es ihr nicht gut geht. Außerdem vermeiden wir so ungenehme Situation, wie auch Fettnäpfchen. Siehst du das auch so?“ Ich nickte langsam. Er hatte Recht, natürlich hatte er das… Wenig später setzten sich meine Geschwister zu uns; diesmal jedoch berichtete Dad alles. „Das ist wirklich… heftig“, urteilte Alice. „Die Arme…“ Emmett pflichtete ihr nickend bei und schaute ernst drein – und das war nicht oft bei ihm der Fall. „Ich denke, wir werden sie etwas aufmuntern bzw. ablenken können“, meinte Alice dann mit einem sehr schmalen Lächeln. „Ihr müsst mit solchen Versuchen aufpassen“, mahnte mein Vater an. „Jeder geht anders mit so etwas um und wir müssen akzeptieren, wie Bella es tun wird.“ „Sie wird sich in die Arbeit stürzen“, prognostizierte ich und stand gleichzeitig auf. „Ich sehe nach ihr“, erklärte ich noch und war dann hoch zu meinem Zimmer gegangen. Ich öffnete leise die Tür und schritt ins Zimmer, ehe ich Bella in meinem Bett sah. Sie lag auf der Seite und atmete behaglich. Als ich ihr das letzte mal beim Schlafen zugesehen hatte, war sie krank gewesen und ich war mir sicher, dass sie sich diesen Zeitpunkt zurück wünschen würde, damit das heute alles nicht geschehen war. Ich legte ihr eine Strähne aus dem mittlerweile trockenen Gesicht und streichelte kurz ihre leicht angeschwollene Wange. Sie sah so friedvoll aus, tiefenentspannt. Ich würde es ihr gönnen, dass es auch noch so wäre, wenn sie nachher aufwachte. Ich war mir sicher, dass sie sofort mit dem Lernen begann. Aber mein Vater behielt Recht. Das musste ich dulden. Ich wandte mich von ihr ab und setzte mich an den Tisch mitten in meinem Zimmer, nachdem ich einige Mappen aus ihrem Koffer geholt hatte. Alles war durcheinander. Ich würde etwas für unsere Laborversuche vorarbeiten, vielleicht nahm ich ihr dann wenigstens eine Sorge. „Ed… ward… Mum…“, flüsterte Bella im Schlaf in die Stille. Ich sah auf und zu ihr hinüber. Das hatte sie auch während ihrer Krankheit gesagt… und ich konnte mir einen Hauch Genugtuung, dass sie auch meinen Namen aussprach, nicht verwehren. Es tat gut, dass sie selbst jetzt, selbst im Schlaf, an mich dachte. Ich war ihr nicht gleichgültig, obwohl sie sich das ja immer wieder versucht hatte einzureden. „Lass mich bitte nicht allein“, sprach sie klagend weiter. Das machte mich stutzig. Schlief sie noch? Ich hob den Kopf etwas. Ihre Augen waren geschlossen, wenn auch leicht, auf dem verzerrten Gesicht, zusammengekniffen. Ich wusste, dass dieser Satz mit Sicherheit ihrer Mutter – und nicht mir – galt und trotzdem; niemals würde ich Bella allein lassen, wenn sie mich um meine Anwesenheit bat. Ich wollte mich gerade weiter der Analyse widmen, als Bellas Bewegungen meine Aufmerksamkeit erregten. „Nein…“, wisperte sie piepsend und zog die Decke über den Kopf. „Nein! Nein bitte!“, sagte sie lauter. Ich eilte zu ihr, zu meinem Bett. „Hey, hey, schhht“, machte ich nur, unwissend, was ich tun sollte und schob die Decke wieder unter ihr Gesicht. Nun sah sie mich mit schwachen Augen an. „Es ist alles gut“, hauchte ich und strich ihr über die schweißnasse Stirn. „Es ist alles in Ordnung.“ Mit Angst erfülltem Blick sah sie mich regungslos an. Sie rührte sich nicht, während meine Hand immer wieder ihren Kopf streichelte. „Du kannst weiter schlafen“, meinte ich mit einem milden Lächeln – versucht ehrlich. Bella nickte wie in Trance und ergriff mit ihrer Hand die meinige. Sie legte sie sich an ihre Wange und kuschelte sich an sie. Tränen verließen ihren Augenwinkel. „Du bist bei mir, oder?“, fragte sie mit wenig Stimme. „Die ganze Zeit“, versprach ich. Sie nickte und schloss die müden Augen. Ich hatte mir meinen Laptop aus der Bibliothek geholt und tippte eifrig an dem, was wir eigentlich heute hätten zusammen machen wollen – wenn nichts passiert wäre. Immer wieder sah ich zu ihr herüber. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie viel Angst sie haben musste. Sie musste sich, so weit von ihrer Mutter entfernt, ohnmächtig und untätig fühlen. Wenigstens eines der negativen Gefühle, dass sie mit einem Rückflug teilweise ausgehebelt hätte. Ich konnte verstehen, dass sie zurück wollte, doch das würde auch nichts bringen. Außerdem… Bella regte sich. … wollte ich sie bei mir haben. Sie schob die Decke von sich, setzte sich auf und ließ dann die Beine über den Rand baumeln, während sie die Haare etwas ordnete. Langsam hob sie den Kopf und erblickte mich. Ich lächelte sanft, obgleich perplex, dass sie so schnell wieder wach geworden war. Sie erwiderte es nicht, sondern stand auf und murmelte: „Ich komme sofort. Ich gehe nur kurz ins Bad.“ Ich nickte zwar, sah ihr jedoch eher skeptisch hinterher. Mir war klar gewesen, dass sie so mit der Situation umging, doch trotzdem erschlug es mich. Sie sollte sich ausruhen, vielleicht baden, etwas essen… Akzeptieren!, bläute ich mir ein und rief mir die Worte meines Vaters in den Sinn: Jeder geht anders mit so etwas um… Solange sie im Bad war, lief ich kurz runter in die Küche und schnappte mir eine Karaffe Saft, eine Falsche Wasser und noch zwei Gläser. „Ist sie wach?“, fragte meine Mutter mich, als ich unten war. „Ja, wir arbeiten gleich an unserer Versuchsreihe weiter“, meinte ich einen Hauch niedergeschlagen. „Ich mache bald Abendessen mit Alice. Versuch sie zu überzeugen, dass sie auch kommt. Übrigens hat Alice ein paar Kleidungsstücke für Bella herausgesucht. Sie liegen oben im Wohnzimmer“, teilte meine Mutter mir mit. Nickend verschwand ich nach oben. Ich stellte alles ab, holte den Kleiderberg und brachte ihn in mein Zimmer. Nachdem ich eine Ecke in meinem Kleiderschrank frei gemacht hatte, hing ich alles nacheinander hinein. „Hier sind Sachen für dich, wenn du etwas Frisches anziehen willst“, sagte ich sofort, als sie das Zimmer betrat. Sie schien ihre Haare gekämmt und sich rasch gewaschen zu haben. Sie sah mich an und kam dann nickend zu mir hinüber. Ihr Gesicht war leer. Sie stellte sich vor den Schrank, zog sich ohne weiteres bis auf die Unterwäsche aus – was gar nicht zu ihr passte, doch ich fürchtete, dass ihr momentan alles egal war – und nahm wahllos etwas heraus. Dann setzte sie sich zu mir. Ihr Blick auf die Unterlagen gesenkt. Wie schlecht sie aussah… damit meinte ich nicht ihre Schönheit, die sowieso unübertreffbar war, sondern die Ausdruckslosigkeit in ihrem Gesicht, die mir eiskalt ins Herz schnitt. „Du siehst erschöpft aus“, stellte ich zärtlich fest. „Danke, mir geht’s gut“, entgegnete sie und lächelte für den Bruchteil einer Sekunde energielos auf. Von wegen. Sie sah total geschwächt aus… „Wenn du nichts dagegen hast, mache ich alleine weiter“, bat sie matt. Natürlich hatte ich etwas dagegen!, schrien meine Gedanken, doch ich würde jetzt keine Diskussion beginnen, sondern sagte: „Gut. Ist es okay, wenn ich etwas spiele? Wenn es dich stört, kann ich auch unten spielen, das ist kein Problem…“ „Nein“, erwiderte sie sofort. „Bleib.“ Ich setzte mich ans Klavier, sie an den Laptop. ------------------------------------------ und.... ? was sagt ihr? :) freue mich riesig über kommis :)^^ ;) Kapitel 18: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 4 (Edward & Bella) --------------------------------------------------------------- :):) Musiktipps: The Civil Wars - Poison & Wine http://www.youtube.com/watch?v=HFbbrvCnL3w] und Ellie Goulding ft. Erik Hassle - Be Mine http://www.youtube.com/watch?v=cO_rA-M7hzY Hach... also ich finde die Songs haben beide sowas trauriges... iwie... melancholisch... =) obwohl es auch genug drama in diesem kap gibt ;) ^^ Bild zum Kap: http://img27.imageshack.us/img27/4791/bannerteil4.jpg Bella stand nach einer Weile mit einem Ruck auf, tastete erst in ihren Hosentaschen, wie ich aus dem Augenwinkel verstand, und ging dann zu meinem Nachttisch, um sich ein Taschentuch zu holen. Sie schnupfte sich kurz die Nase und tupfte auch ihre Augen ab. Ich erkannte es nicht richtig, da sie sich von mir weg gewendet hatte. Ich beendete mein Spiel. „Alles okay?“, fragte ich nach. „Ja“, meinte sie mit wässeriger Stimme und sah mit einem Lächeln zu mir, das alles andere als „okay“ wirkte, während sie zum Tisch zurückging. „Du…“ Sie holte zitternd Luft und verzog das Gesicht. Ihre Versuche, sich zu beherrschen, halfen nicht mehr. „Du spielst nur so traurige Sachen…“, wimmerte sie und vergoss ein paar Tränen, ehe sie sich wieder gesetzt hatte. „Ach Bella, das tut mir leid“, sagte ich sanft, ging zu ihr und legte die Arme um sie. „Schon okay“, murmelte sie, atmete tief ein und aus, nahm einen Schluck Wasser und schob meine Arme zur Seite. „Du-“ Es klopfte. Ich sah auf, Bella nicht. Meine Mutter bedeutete mir, dass wir essen kommen konnten und schloss die Tür wieder. „Komm“, sagte ich und nahm ihre Hand, nachdem ihr Atem wieder ruhig floss und sie nicht mehr weinte. Bella stand auf, blieb jedoch schweigend stehen. Ihr Blick fragend. „Essen ist fertig. Nur ein bisschen, Bella“, fügte ich hinzu, als sie ein wenig angewidert das Gesicht verzog und sich stur nicht rührte. „Komm schon, für mich“, bettelte ich fast. „Ich mag nicht“, kam es ihr schwach über die Lippen. „Bitte, Bella, du musst auch nicht viel essen, auch gar nichts, wenn dir nicht danach ist, aber komm doch bitte mit mir“, versuchte ich mein bestens. Sie nickte weich geklopft und fragte, ehe sie sich bewegte: „Wissen Alice und Emmett… wissen sie Bescheid?“ „Wir haben es ihnen gesagt, ja“, antwortete ich. Bella nickte und folgte mir herunter. Genauer gesagt wirkte es, als versteckte sie sich hinter mir. Ihre Hand drückte meine sehr fest. Sie grüßte kurz matt in die Runde und sah von da an nur noch auf ihren Teller, auf dem sie mehr herumstocherte, als aß. Allerdings trank sie viel, das war ja auch schon mal etwas, dachte ich. Es folgten ein paar unverfängliche Gespräche der anderen, in die sich Bella in keiner Weise einbrachte. Sie war gar nicht wirklich anwesend – so schien es zumindest. Mein Vater sah mich auf einmal lange konzentriert an und schaute dann zu Bella. „Entschuldige, Bella, dass ich das Thema anspreche“, begann er sanftmütig, „aber ich würde dir gerne etwas sagen.“ Bella ließ das Besteck liegen und die Arme hängen, bevor sie einmal kurz aufblickte. „Ich kann mir vorstellen, was du denkst. Viele Angehörige von Patienten bei denen es Rückschläge gibt oder die Prognosen zunehmend schlechter werden, sehen zunächst den schlimmsten Fall, der eintreten kann. Das muss aber nicht sein, denn es kann genauso-“ „Mr. Cullen…?“, unterbrach Bella ihn zögerlich und schaute ihn mit gläserigen Augen an. Mein Vater ließ sie gewähren. „Als Ärzte sind wir doch nicht nur dem Leben, sondern auch der Wahrheit verpflichtet, oder? Es wäre falsch, jemandem Hoffnungen zu machen, wo es keine mehr geben wird. Im Einzelfall sind Wahrscheinlichkeiten gleichgültig“, meinte sie tonlos. „Sagen Sie… was geben Sie einer Patientin für eine Lebenserwartung, die sich vier Jahre lang sämtlichen Therapien gegen den Krebs unterzogen hat, die denkbar und möglich waren? Jahre, bestehend aus Angst vor Infektionen, Hoffnungen bei jeder Untersuchung? Deren Werte sich immer weiter besserten, mal auch verschlechtern, ein ewiges auf und ab und dessen Abschlussuntersuchung dann doch noch weitere Krebszellen fand?“ Sie schluckte, als sie es aussprach. „Ein paar Monate? Vielleicht Jahre? Jahre der Tortur? Immer und immer wieder?“ Bella schaute herab. „Sie wird sterben und ich weiß, dass sie sich gegen eine weitere Behandlung entscheiden wird, damit sie noch ein bisschen Lebensqualität geschenkt bekommt, anstelle weiterer quälender Jahre.“ Ich nahm unterm Tisch Bellas Hand. Sie ließ es zu, den Kopf weiterhin geneigt. Ich beobachtete meinen Vater und bemerkte, dass er über das, was Bella gerade gesagt hatte, sichtlich verblüfft war. Es schien ihm zu imponieren. „Hat sie dir das gesagt? Hat sie sich schon so entschieden?“, fragte mein Vater vorsichtig. „Ist es nicht schon viel zu früh, irgendwelche Schlüsse zu ziehen oder Entscheidungen zu treffen?“ Bella erhöhte den Druck auf meine Hand, dass es fast schmerzhaft war. „Ich sitze hier, esse mit Ihnen zu Abend“, ignorierte Bella die Aussagen meines Vaters, „während sie zu Hause sitzt und weiß, dass sie stirbt.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und ich wusste, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Entschuldigung“, murmelte sie eine Oktave höher und verließ den Esstisch in Richtung meines Zimmers. Ich fühlte ihrer Hand nach und schaute in die Runde – in vier betroffene Gesichter. „Sie tut mir so leid“, murmelte meine Mutter zu sich selbst und schob den Teller von sich. Nicht nur Bella war der Appetit vergangen. „Was soll ich denn jetzt machen?“, sprach ich meine Gedanken aus. Mehr zu mir selbst. „Du kannst nichts tun“, riet mein Vater. „Du kannst nur für sie da sein und sie im besten Fall davon überzeugen, alles nicht so negativ zu sehen. Ich kann keine Ferndiagnose stellen, aber nach den bisherigen Informationen ist ihr Todesurteil noch nicht gefällt, auch wenn Bella es momentan so darstellen mag.“ Ich stimmte Kopf nickend zu. „Ich denke, ich lass sie erst einmal etwas in Ruhe und werde dann nachher noch zu ihr gehen“, überlegte ich laut. „Ich schau mal, ob ich ein geeignetes Beruhigungsmittel hab, das kannst du ihr nachher dann geben, wenn sie es möchte“, schlug mein Vater vor. Wir saßen noch eine Weile stumm am Tisch, jeder hing seinen Gedanken nach, und verstreuten uns hinterher im Haus. Als ich wieder in mein Zimmer ging und zu Bella stieß, saß sie, bereits im Schlafanzug, auf meinem Bett. Ihr Handy in den Händen, welches sie nahezu hypnotisch anstierte. „Ich bin nicht mehr sehr weit gekommen, den Rest mache ich morgen“, setzte sie mich tonlos in Kenntnis, nachdem sie mich bemerkt hatte. „Gibt es etwas Neues?“, fragte ich direkt und wechselte meine Alltagskleidung gegen Boxershorts und T-Shirt zum schlafen. „Phil hat noch geschrieben gehabt, dass meine Mum jetzt erst mal viele Tests in mehreren Kliniken machen muss, damit geschaut werden kann, welche Behandlung zielgerichtet, aber weniger einschneidend ist“, erklärte sie betrübt. „Aber ob sie das wirklich durchzieht…“ Sie schluckte geräuschvoll und strich sich eine Träne fort. Ich kam zu ihr herüber und reichte ihr eine Tablette mit einem Glas Wasser. „Das ist ein Beruhigungsmittel von meinem Vater. Irgendwas Pflanzliches…“, erklärte ich. Bella zögerte kurz, spülte dann jedoch die Tablette herunter. Ich ging um das Bett herum, nahm eine zweite Bettdecke und zweites Kopfkissen aus dem Bettkasten, um es neben Bellas Hälfte in meinem breiten Bett zu positionieren. Es mochte albern klingen, doch ich wollte ihr heute nicht zu viel zumuten und ich glaubte, dass sich Bella wohler fühlen, wenn wir nicht dieselbe Decke teilten – gerade, weil bei uns alles eigentlich noch sehr frisch und von sehr starken Höhen und Tiefen begleitet war. Ich ließ per Fernbedienung die Jalousien auf halber Höhe herunterfahren und das Deckenlicht löschen. Die Nachttischlampen gingen im gleichen Zug an. Verstohlen linste ich zu Bella herüber, als ich mich aufs Bett setzte, die Beine unter der Decke. : Sie schaltete das Handy aus, legte es weg und löschte dann das Licht, bevor sie sich unter die Decke kuschelte. Seitlich, von mir abwendet, lag sie still da. Ich tat es ihr gleich, knipste das Licht bei mir aus und wisperte, nachdem ich mir die Decke übergestülpt hatte: „Gute Nacht, schlaf schön.“ Bella sagte nichts. Ich machte auch keine Anstalten mehr, sie zu berühren oder ihr näher kommen zu wollen, da ich momentan nicht einschätzen konnte, wie sie reagierte, weshalb ich einfach nur liegen blieb und auf ihren Hinterkopf starrte. An Schlaf war meinerseits nicht zu denken und wie es ihr dabei ging, wusste ich nicht, da ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ich konnte nicht abstreiten, dass mich das Ganze sehr mitnahm – kein Vergleich zu ihr natürlich bzw. in einer ganz anderen Form, doch schmerzte es mir, sie so zu sehen. Bella drehte sich in der Dunkelheit auf den Rücken und wischte sich mit den Händen, soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte, an den Augen herum. Sie bemerkte meinen auf sie gerichteten Blick und erwiderte ihn dann, indem sie sich zu mir auf die Seite rollte. Ich konnte nicht herauslesen in welcher Weise. Ihre Augen glänzten leicht. Sie strampelte ihre Decke kurzerhand fort, hob meine an und krabbelte darunter. Verblüfft öffnete ich reflexartig die Arme und sie ließ sich hineingleiten, den Kopf unterhalb meines; an meine Brust und auf meinem Oberarm gelegt. Ich hielt sie ganz fest, während sie ganz leise weinte. Ich spürte das Zittern ihres Körpers an meinem Armen. Wie viel konnte ein Mensch eigentlich weinen, ohne auszutrocknen?, fragte ich mich wirsch und strich ihr übers Haar. Ihr Bein hatte sie um meines geschlungen. Ganz zaghaft presste sie sich an mich und teilte unsägliche Wärme mit mir. Ihre Haut war ganz weich, die Finger an meinen Oberkörper gelegt. „Danke“, flüsterten ihre Lippen an meinem T-Shirt. „Das tut gut.“ Ich neigte den Kopf herab und küsste ihren Haaransatz. „Alles, Liebste“, hauchte ich zurück. Irgendwann hob und senkte sich ihre Atmung langsamer. Bella Schlapp öffnete ich die Augen. Von der ganzen Weinerei hatte ich Kopfschmerzen bekommen. Ich erblickte Edwards dunkelblaues T-Shirt direkt vor mir und schloss die Augen mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen wieder. Er fühlte sich so gut an. So viel Trost durchströmte mich, wenn ich so nah bei ihm lag. An jeder Stelle meines Körpers schien ich ihn zu berühren und zu spüren. Er duftete herrlich und es war alles so warm, so geborgen. Mein Kopf dröhnte zwar und meine Augen schmerzten, aber mir ging es etwas besser. Ich hatte Trauer, in jeder Form, immer allein mit mir ausmachen müssen. Dadurch, dass er nun für mich da war, beschwor er ganz andere Gefühle in mir hervor, die mir halfen, alles zu verkraften. Ich war ihm so dankbar… Mein Blick glitt hoch zu ihm und ich erkannte, dass er noch schlief. So durfte es bleiben… Vielleicht war mein momentanes Wohlbefinden auch durch das Mittel von Mr. Cullen hervorgerufen, doch das war mir in diesem Augenblick nicht wichtig. Seine großen Hände lagen angenehm in meinem Rücken. Ich schlang den linken Arm um seine Körpermitte und rutschte noch enger an ihn heran. Was ich nicht bedacht hatte, war, dass ich etwas tiefer lag, als noch zuvor beim Einschlafen und mein Knie ihm beim vorrücken unsanft zwischen die Beine stieß. Ich zuckte sofort zurück, doch bemerkte gleichzeitig, dass sich Edward regte. Mein Blick wanderte wieder nach oben. Er grinste mit geschlossenen Augen. „Volltreffer“, murmelte er verschlafen. „Entschuldige“, nuschelte ich und musste sein Grinsen einfach erwidern, auch wenn mir innerlich noch nicht wirklich danach war. Ich streichelte über seinen Oberschenkel. „Alles okay…?“, fragte ich peinlich berührt nach. Edward öffnete schmal die Augen und schaute mich liebevoll an. „Sicher“, grinste er und tätschelte mir durchs Haar. „Geht es dir besser?“ „Ein wenig“, gestand ich. „Aber mehr, als ich erwartet hatte…“ Er lächelte und rutschte zu mir herunter. Unsere Köpfe verweilten nun nahezu unterhalb des Kissens, die Decke war bis zu den Ohren gezogen und kitzelte mich leicht. Edward legte die Hand an mein Gesicht und strich mit dem Daumen über meine Wange, bevor er meinen Lippen näher kam und mich dann zärtlich küsste. Warme Fluten streiften durch meine Adern und kitzelten meine Eingeweide. Ich hätte vor Genugtuung fast aufgestöhnt. Ich kuschelte den Kopf an seinen Hals und ließ mich von ihm wieder in den Arm nehmen. „Ich könnte ewig so liegen bleiben“, schwärmte ich leise vor mich hin. „Mhmmm“, machte Edward, als er dabei war, wieder einzuschlafen. Wenn ich jetzt eine Weile bei den Cullens bleiben durfte… vielleicht war es dann immer so schön? Und mein Schmerz wurde ein wenig gelindert? Seine Argumente von gestern stimmten ja auch… ich hatte hier mehr Zeit für die Uni zum lernen- „Edward!“, entfuhr es mir laut und sofort saß ich auf. „Wie spät ist es?!“, schrie ich fast. Edward kräuselte die Stirn. „Da ist eine Uhr“, brummte er und strich sich müde durch das Gesicht, nachdem er mit dem Arm nach hinten gedeutet hatte. Ich hob den Kopf und las 8:45 Uhr ab. „Wir haben verschlafen!“, rief ich und sprang sofort aus dem Bett. „Ich habe doch das Theorieseminar heute früh gehabt- habe es heute früh noch-“, redete ich durcheinander und sprang auf. „Bella, entspann dich“, bat Edward, der sich gerade aufsetzte. „Wir machen uns jetzt in aller Ruhe fertig, frühstücken und fahren dann zur zweiten Vorlesung in die Uni.“ „Nein! Ich muss zu dem Seminar! Es ist wichtig! Bald sind Prüfungen!“, ratterte ich herunter und suchte aufgewühlt nach meinen Kleidungsstücken. „Stopp!“, gebot Edward Einhalt und nahm meine Hände. „Ich habe heute Morgen mit meinen Eltern geredet und mein Vater entschuldigt dich bei Mrs. Millson für die Theoriestunde. Er bekommt die Unterlagen von ihr mit und du hast sie dann heute Nachmittag-“ „Ja, aber dass ich die Materialien habe, heißt doch nicht, dass ich alles verstehe und es sind bald Prüfungen und es wird gerade viel wiederholt-“ Ich versuchte mich aus seinen Händen zu winden. „Bella, tief durchatmen“, befahl Edward und sprach ganz langsam weiter: „Du wirst das alles verstehen und wenn nicht, helfe ich dir oder mein Vater erklärt dir etwas. Und zur zweiten Stunde bist du auf jeden Fall in der Uni.“ Ich sah ihn einen Hauch vorwurfsvoll an, dabei wusste ich, dass er es nur gut gemeint hatte. Es war in den Morgenstunden ja auch wirklich schön mit ihm gewesen… „Gut, okay“, gab ich klein bei, denn eine wirkliche Wahl hatte ich sowieso nicht und vielleicht war sein Vorschlag auch gar nicht mal so dumm. „Schön“, sagte Edward erleichtert (er schien auch ein wenig stolz auf sich zu sein). „Jetzt gibst du mir noch einen Kuss, gehst zuerst ins Bad und dann frühstücken wir, okay?“ Ich hob leicht die Mundwinkel und erfüllte seinen ersten Wunsch bereitwillig. Dem zweiten kam ich sofort danach nach und der dritte deckte sich auch mit meinem, denn nun war ich wirklich hungrig… Es war mir unheimlich wie schnell ich mich an den Luxus der Cullens gewöhnte, es ließ mich nicht mehr staunen. Schon, doch nicht mehr so, wie es eigentlich sein sollte. Ich bemerkte die Haushaltshilfe, die Fensterputzer und das Küchenmädchen zwar, die in dem Wohnzimmer herumwirbelten, doch mehr als verblüffen taten sie mich nicht mehr. Eigentlich ein Armutszeugnis meiner Vergangenheit… „Kaffee?“, fragte Edward, als er mit einer Kanne zum gedeckten Frühstückstisch kam. „Ja, gerne.“ Ich hielt ihm meine Tasse hin. „Voll“, ergänzte ich. „Schwarz?“, tat Edward wie im geheißen und reichte mir grinsend die Tasse. „Wach werden, schätze ich?“ „Oh ja“, seufzte ich. „Eher etwas munterer werden.“ „Gegen Fröhlichkeit hab ich nichts“, lachte Edward und nahm sich ein Brötchen. Ich verdrehte lächelnd die Augen und biss von meinem Croissant ab. Das Lächeln fiel mir in solchen Momenten leichter, doch es stach mich trotzdem in der Magengegend. So schnell ging das alles nicht weg… die Vorwürfe, die Ängste… Edward und ich waren allein im Wohnzimmer – zumindest was die Cullens anging –, denn seine Geschwister waren, wie Mr. Cullen auch, schon in der Uni und seine Mutter arbeitete oben. „Sag mal…“, begann er in einem Unterton, der etwas anderes als lustiges Smalltalkgerede am Morgen verheißen ließ. „Wie geht es dir?“ Natürlich zielte diese einfache Frage auf etwas ganz bestimmtes ab. „Ich fühle mich besser und versuche mich zu überzeugen, dass ich das wie dein Vater sehen kann. Also, dass der Tod eine Option, aber nicht ein Muss in diesem Fall ist“, offenbarte ich mit leicht zitterndem Unterton. Es war nicht so einfach auszusprechen. „Ich denke“, fuhr ich fort, „dass ich die letzten Wochen besser hier klar komme, wenn ich versuche, das so zu sehen.“ Ich blickte mit hängenden Mundwinkeln geradeaus. Er grinste dann plötzlich und eigentlich völlig unpassend. „Denn… vorzeitig fliegen lassen, bevor ich dir hinterher reise, würde ich dich nicht“, versuchte er mich wieder aufzuheitern. Das Lächeln, was er kurzzeitig hervorrufen wollte, erstarb auf meinem Gesicht, denn dieser kleine Zusatz in seiner Aussage, brachte mich wieder zum Grübeln – das teilte ich Edward auch mit. „Wie soll das weiter gehen? Du redest von hinterreisen, aber du hast dein Leben hier und ich meines normalerweise ganz weit weg“, brachte ich ihn auf den Boden der Tatsache. „Das überlege ich mir dann, wenn es soweit ist“, meinte Edward locker und ich befürchtete, dass er keine Ahnung hatte, was er überhaupt sagte. „Es ist ein großer Schritt, das weiß ich, aber ich will bei dir sein, egal wo du bist oder sein musst.“ „Ja, aber- du hast keinen Studienplatz, du kannst kein Deutsch und deine Familie…“ harkte ich nach und hatte das Essen aufgegeben. „Wie das alles laufen wird, kann ich dir nicht sagen. Wir werden das herausfinden, wenn es soweit ist“, bedeutete er und nahm einen Schluck Kaffee. Ich schnaubte Kopf schüttelnd. „Wie stellst du dir das alles vor?“ „Ein Leben mit dir? Wunderschön.“ Er lächelte. „Du nimmst das alles nicht ernst, oder?“, fragte ich vorwurfsvoll und verdrehte die Augen. Das alles war illusorisch, warum merkte er das nicht? „Natürlich tue ich das!“, erwiderte er mit zusammengekniffenen Augenbrauen. „Neben der Musik war mir bisher nichts ernster, als du es bist“, gestand er mit zärtlichem Blick. Ich nickte und trank die Tasse Kaffee in einem weiteren großen Zug leer. Ich glaubte ihm, dass er es ehrlich meinte, aber ich war mir trotzdem sicher, dass er keine Ahnung hatte, wovon er sprach, wenn er so was sagte und mir damit Hoffnungen machte. Hoffnungen, die schmerzen konnten, wenn sie bitter enttäuscht würden und ich spürte, dass es so kommen würde, weil er das alles unterschätze… Ich konnte nicht abstreiten, dass es ein tolles Gefühl war, in dem Haus einer intakten Familie zu leben. Sie gingen so herrlich einfach und einfühlsam miteinander um. Absolut unkompliziert. Von dem ersten Augenblick an, hatte ich mich sofort als aufgenommen und akzeptiert empfunden – und ich genoss dies jetzt bereits seit drei Wochen. Edward wollte mich nicht gehen lassen und ich wehrte mich nicht. Das hieß nicht, dass ich mich bei meiner Mum in Deutschland nicht wohl gefühlt hatte, doch das hier, diese Erfahrung, war unbeschreiblich. Jeder war für den anderen da und stand für ihn ein. Edward konnte immer auf seine Familie zählen, mit ihnen alles besprechen und andersherum – ohne Einschränkung. Auch Rosalie und Jasper, die Freunde von Edwards Geschwister, gehörten quasi zur Familie. Sie gingen ein und aus, wie selbstverständlich. Ich erinnerte mich an die Worte von Mr. Cullen über Mrs. Cullen bezüglich Rosalie und Jasper: Sie gehören für sie mit zur Familie und sie liebt es, alle um einen Tisch zu haben. Genauso empfand ich das auch. Es waren zwei weitere Kinder von ihr, nicht nur Freunde ihrer Kinder. Bei meiner Mutter gab es noch nichts Konkretes. Nur, dass die Behandlung weiterlief und nicht abgebrochen wurde. Entscheidungen oder Ähnliches waren noch nicht gefällt worden. Meine Mutter wollte damit warten, bis ich wieder bei ihr war. Ich fühlte mich gut, ausgeglichen. Ich war über den ersten Schock hinweg. „Mhmmm…“, machte Edward, als er sein Zimmer betrat, dessen Tisch ich wieder mal vereinnahmt hatte. Ich notierte hier und da auf einer meiner zahlreichen Zusammenfassungen, die auf dem ganzen Tisch samt Boden darum herum verstreut waren. Ich sah nicht auf und versuchte konzentriert den Zusammenhang zwischen den beiden Theorien herauszufiltern. Vermutlich lag der Schlüssel darin viel greifbarer, als ich gerade dachte… „Du lernst ja schon wieder“, murmelte Edward hinter mir und beugte sich zu mir herunter. Sein Gesicht fast spürbar neben meinem. „Oder immer noch“, ergänzte er und seine Wange wölbte sich vom Grinsen, weshalb sie mich dann berührte. „Ja, ist einiges“, erwiderte ich knapp. Ich kam nicht darauf. Wie waren diese beiden Ansichten in Einklang zu bringen? Wo gab es Überschneidungspunkte an denen man ansetzen konnte? Es war Anfang Februar und in gut zwei Wochen hatte ich sechs Abschlussklausuren. Vier in der letzten Februarwoche, zwei in der ersten Märzwoche, bevor ich dann am siebten März zurückflog. Das hieß, die Zeit drängte… „Schau mal, was ich hier habe“, sagte Edward unvermittelt und hielt mir etwas so nah vor die Nase, dass ich von meinen Papieren zurückweichen musste. Er hielt einen braunen Lederbilderrahmen hoch mit sich und mir darin. „Woher ist denn das Foto?“, fragte ich verblüfft und doch erkannte ich es an unserer Kleidung. Ich erinnerte mich wohl wollend an den Abend zurück und fuhr mit den Fingern über das Glas. Das Bild gefiel mir unglaublich gut. Wir blickten so zufrieden in die Kamera und es flatterte in mir, als ich unsere Hände begutachtete, die ineinander verschränkt waren. „Von meinem Geburtstag“, antwortete er. „Mum ist endlich dazu gekommen die vielen Fotos zu sortieren und entwickeln zu lassen.“ Edward schlenderte, während er das sagte, zu seinem Bett und stellte es auf meinen Nachttisch. „Lass uns etwas Schönes machen“, meinte er dann, hinter mir stehend, küsste meine Wange und glitt mit den Lippen herab zu meinem Hals, den er weiter andächtig mit Küssen übersäte. „Mein Vater ist in seinem Büro, meine Mum arbeitet auch, keine Ahnung, wo meine Geschwister sind…“ „Ich habe zu tun“, seufzte ich und wollte ihn ein wenig forsch abschütteln. Edward ließ sich nicht beirren, zog meinen Pullover leicht über meine Schulter und machte dort weiter. „Edward, es geht wirklich nicht“, sagte ich strikt, obwohl alles in mir seine Berührungen genüsslich erwidern wollte und drehte den Kopf zu ihm um. „Ich habe keine-“ Er hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und meine Lippen innig geküsst. Dann noch einmal, dann noch einmal, dann noch einmal… Ich ließ mich darauf ein – ich konnte gar nicht anders, besser gesagt. Seine Lippen waren so fordernd, dass ich die Küsse nur noch leidenschaftlich zurückgeben konnte. Er zog mich bei der Hand hoch vom Stuhl, drückte mich an sich und legte die großen Hände während dessen an meine schmale Hüfte. Jeder Kuss von ihm schmeckte anders, erlebte ich anders, blieb mir anders in Erinnerung – unbeschreiblich. „Das sind deine Lieblingssätze, oder?“, wisperte er. „‚Ich habe keine Zeit…’, ‚ich habe zu tun…’“, er grinste. „Aber es stimmt“, meinte ich, löste mich abrupt von ihm und beugte mich über meine Unterlagen. „Schau hier, bei diesen Theorien-“ Edwards Zimmertür flog auf und schmetterte laut gegen die Wand. Ich zuckte zusammen und wand mich erschrocken um. „Du Arsch! Du Idiot!“, ertönte es von dem Mädchen, das gerade über die Türschwelle getreten – gestürmt – war. Tanya. Energisch schritt sie herein, ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzogen, obgleich auch feuerrot, als hätte sie stundenlang geweint. „Du hast mir mein Leben kaputt gemacht!!“, fuhr sie lauthals fort und kam Edward immer näher. Ihre Arme fuchtelten wild in der Gegend. „Hier! Und hier! Hier! Nimm sie!! Nimm sie alle!!“, schrie sie und warf irgendetwas weißes nach ihm, dass ich auf die Schnelle nicht erkennen konnte. Alles rauschte durch meinen Kopf und ich nahm die Gegenwart immer erst Sekunden später wahr, nachdem sie längst vergangen war. Was geschah hier? „Ich bin schwanger, du Arsch! Von dir!“, rückte sie außer sich mit der Sprache raus. Ich riss die Augen auf und starrte sie an. Eisige Schauer ragten durch meinen ganzen Körper und verwehrten mir die Atmung. Tanya… war… schwanger… von Edward?! Mein Kopf schnellte zu Edward, der geschockt, doch vergleichsweise ruhig da stand. „Bist du sicher, Tanya?“, fragte er zwar gemächlich, doch sein Unterton vibrierte ungewohnt. Fassungslos stierte er sie an. „WIE VIELE BEWEISSTÜCKE WILLST DU DENN NOCH?!“, kreischte sie und warf noch zwei Schwangerschaftstest – jetzt begriff ich– nach ihm. Edward fing einen davon und senkte den Blick darauf. Ich war mir sicher, dass er, wie die anderen auch, positiv war. Tanya atmete heftig schnell. „Und glaub’ nicht, dass ich das wegmachen kann“, fuhr sie ihn an. „Du hast Ende Oktober freundlicherweise mit mir Schluss gemacht, erinnerst du dich? Ich bin über dem dritten Monat!! Trag’ du doch das Kind aus, wenn du es mir schon andrehst!!“, schrie sie ihn weiter an. Ihr Gesichtsausdruck wechselte unglaublich schnell hin und her – zwischen Wut, Enttäuschung, Angst und Traurigkeit. Ich stand stocksteif da und wusste nicht, was ich tun sollte. Hier gehörte ich nun ganz sicher nicht hin. Vielleicht unauffällig aus dem Zimmer gehen? Doch ich war mir gleichzeitig auch sicher, dass ich mich keinen Millimeter bewegen konnte. Edward starrte Tanya regungslos an und machte dann einen mechanisch aussehenden Schritt auf sie zu. „Tanya, bist du dir wirklich sicher?“, fragte er nochmals nach und streckte die Hand nach ihrem Arm aus. „FASS MICH NICHT AN!“, wütete sie und japste mehrmals. „Du hast mir das alles eingebrockt! Das alles! Ich kann mein Leben vergessen! Ich kann es wegschmeißen! Das ist alles, alles deine Schuld!!“, kreischte sie und eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel, die sie dann hart fortwischte. Stille. Tanya rang nach Luft, während Edward und ich nichts taten. Unerwartet nahm Tanya kurz Notiz an mir und riss den Kopf dann wieder zu Edward. „Und? Hast du die auch schon gevögelt? Hast du der auch schon ein Kind gemacht? Wie praktisch“, fauchte sie bissig und ihre Atmung hob und senkte sich immer noch sehr schnell. „Tanya, wir- wir-“, suchte Edward nach Worten. Er wirkte bleich. Im Gesicht, wie auch in der Stimme. „Wir können das bestimmt irgendwie regeln-“ „KAPIERST DU’S NICHT?!“, schrie sie ihn weiter an und ich hatte keine Ahnung, was ich unternehmen konnte, um das alles zu stoppen, bevor- „DA GIBT’S NICHTS ZU REGELN!! ICH BEKOMME EIN KIND VON DIR UND DAS IST ALLEIN DEINE- AHH!“ Im Schwall ihrer Beschimpfungen knickte sie zusammen und wandte sich am Boden, die Hände auf ihren Unterleib gepresst. Ich reagierte sofort und stürzte zu ihr. Jetzt zählte all das vorangegangene nicht mehr. „Tanya, wo genau hast du Schmerzen?“, fragte ich. Sie rollte sich von rechts nach links, krümmte sich und stieß klagende, gurgelnde Laute aus. Ihre Hände lagen ununterbrochen auf ihrer minimalen Wölbung am Bauch. „Edward, hol’ deinen Vater! Sofort!“, machte ich Edward Beine, der immer noch da stand und zusah. Nun rannte er aus dem Zimmer. „Langsamer atmen, ein und aus, ein und aus“, versuchte ich irgendetwas, um sie zu beruhigen. Es gelang mir mäßig. Was konnte ich in so einem Augenblick noch tun? „Entspannen, Tanya, ganz locker…“ „Was ist passiert??“, vernahm ich Mr. Cullens Stimme sehr nah hinter mir. Er schritt durch die Tür. „Krankenwagen, Edward!“, befahl er seinem Sohn, sobald er einen Blick durch die Tür geworfen hatte. Wieder lief Edward raus – das Gesicht vom Schmerz gezeichnet. „Vermutlich irgendwas mit sechzehnter Schwangerschaftswoche“, redete ich drauf los und rückte sofort von Tanya ab. „Sie hatte sich sehr aufgeregt und ist dann einfach zu Boden gesackt“, berichtete ich weiter. „Bella, hol’ meine Tasche aus der Bibliothek“, bat er mich professionell, während er sich um Tanya kümmerte. Alles Weitere geschah vor meinen Augen, wie ein Flimmern. Wie Dias, die schlecht erkennbar waren, ratterten und einfach weiter geschaltet wurden, sodass es einem im Kopf dröhnte. Mr. Cullen tat sein Mindestens, bis der Krankenwagen eintraf und Tanya heraustransportierte. Sie hatte sich mittlerweile etwas gefangen und ihr Atem war abgeflacht. Besonders, als Mrs. Cullen ihr gut zugeredet und über den Kopf gestrichen hatte. Ich stand unbeweglich in Edwards Zimmer und hörte, wie die vielen Geräusche abnahmen. Stimmen verblassten. Die Haustür fiel geräuschvoll zu. Blaulicht ertönte. Seifenblasen. Nichts als Seifenblasen, waren meine unschlüssigen Gedanken. Die bei der geringsten Erschütterung zerplatzen. Bei einer heftigen erst recht. Ich blieb allein im Haus zurück. Ein natürliches Ende unserer Beziehung, kam es mir in den Sinn, während ich da stand und eine stumme, undefinierbare Träne mir die Wange herunter ran. Ein Messer durchtrennte mein Herz, schnitt es schmerzhaft in zwei Teile, doch das änderte nichts. Ich wusste, was ich zutun hatte. So nahm ich den Koffer aus der Zimmerecke und verstaute meine Sachen darin. Wir mussten es nicht tun, wir mussten uns nicht trennen, es geschah von selbst. Vielleicht ein Zeichen, vielleicht einfach Schicksal. Mein Gesicht war regungslos, ich war unfähig irgendetwas ausdrücken, außer einer Träne hin und wieder aus meinem Augenwinkel. Langsam verarbeitete ich das alles und die Konsequenzen. Mir wurde alles viel klarer, während ich wie ferngesteuert packte. Er wurde Vater. Er bekam ein Kind mit Tanya. Er würde nun einen gänzlich anderen Weg gehen – mit ihr. Oder wenigstens mit dem Baby. Ich hatte in seinem Leben nichts mehr zu suchen… sein Weg würde meinen nie wieder kreuzen. Suchend ließ ich mit glasigen Augen den Blick durch den Raum schweifen. Ich erblickte mein Handy auf dem Nachttisch und damit auch den Bilderrahmen von eben. Zögernd nahm ich ihn in die Hand. Es fühlte sich an, als wäre die Wärme meinem Körper gewichen. Ich fror. Wieder fuhr ich mit den Fingern über das Glas und öffnete den Rahmen schließlich. Ich nahm das Foto heraus, zermalmte es in den Fingern und schmiss es in Edwards Mülleimer. Den leeren Lederrahmen legte ich auf den Nachttisch. Es war vorbei. Nichts Fassbares sollte übrig bleiben, wünschte ich mir, obgleich ein Funken Hoffnung in der Kälte in mir noch zu flackern schien. Er wagte es sich… Vielleicht verlor Tanya das Baby in diesem Moment im Krankenhaus, kam ein Gedanke in mir auf, der niederträchtiger und egoistischer nicht sein konnte. Nein, das wünschte ich ihr nicht. Niemals. Dafür würde ich mich hassen. Mit Jacke und dem Koffer in der Hand wollte ich in Richtung Tür gehen, als mir ein Gedanke in den Sinn kam. Sang- und klanglos konnte ich nicht gehen, ohne, dass Edward nicht Bescheid wusste, was jetzt Sache war. Ich musste es auf den Punkt bringen. Nach einem kurzen Moment des Grübelns schrieb ich, nachdem ich mir Stift und Zettel genommen hatte, am Tisch eine Nachricht für Edward: Ich hoffe, es geht Tanya und dem Baby gut. Ich denke, du weißt, welche Konsequenzen das für uns hat. Es steigert nur die Sinnlosigkeit unseres Zusammenseins und es tut so nur noch mehr weh. Es ist an der Zeit einen sauberen Schnitt zu machen – zumindest was uns betrifft. Das ändert und darf nichts an unserer Zusammenarbeit im Labor ändern. Ich wünsche dir Kraft, dass du das alles schaffst und für sie da sein kannst. Bella Ich nickte zufrieden zu mir selbst und wandte mich noch einmal in den Raum um, in dem ich so viele schöne Stunden verbracht hatte. Ich betrachtete noch mal das Klavier, den Tisch, das Bett… Meine Füße trugen mich zum Ausgang des stillen Hauses. Vor der Haustür wischte ich die Tränen fort und atmete tief durch, die Hand an der Türklinke. Eine schöne Zeit, sagte ich mir so ermutigend wie ich konnte. Doch nun… Ich trat hinaus in die Kälte. Doch nun war es endgültig. Es gab keine Zukunft für uns. Es hatte nie eine für uns gegeben. Ich ließ eine Hälfte meines zerschnittenen Herzens hier bei ihm. ------------------------ sry übrigens, meine lieblingsstelle war erst in diesem kapitel -.- und zwar die "volltreffer"-szene ^^ ich liebe die.... und wie die da im bett liegen und kuscheln.... :) ^^ ;) Noch mehr Lesestoff?? Auf fictionfans.de findet eine Twilight-Fanficition-Meisterschaft statt, in der zweiten Runde ^^ In der ersten Runde habe ich teilgenommen, ob ich in der zweiten noch dabei bin, darf ich nicht verraten, da dort alles anonym ist ^^ glg fane^^ Kapitel 19: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 5 (Edward & Bella) --------------------------------------------------------------- Musiktipps: Twilight Music Girls - Compromise http://www.youtube.com/watch?v=kv3SMAMQIuU & R.E.M. - Everybody Hurts http://www.youtube.com/watch?v=S2N_uvnvGbI *kommentarlos* :):):) (ein kleines kommentar, das erste ist so toll........... seufz und sooo treffend aus eds sicht =)^^) Bild zum Kap: http://img153.imageshack.us/img153/5162/bannerteik5.jpg Edward … … … Ich blickte meinen Vater an, als er aus dem Behandlungszimmer kam. Was mein Blick verriet, wusste ich nicht, nur, was ich fühlte: Durcheinander, nichts, alles. „Es geht dem Kind und ihr gut“, nickte er mir knapp zu und ging dann zu den anderen, die etwas abseits saßen – oder von denen ich mich etwas weggesetzt hatte. Auf der Fahrt zum Krankenhaus, lediglich mein Vater war im Krankenwagen mitgefahren, hatte niemand ein Wort im Auto gesprochen. Ich war mit meiner Mutter allein gefahren, während Emmett und Alice selbst mit je einem Auto dorthin gelangt waren. Mein Vater hatte darum gebeten. Keiner sah den anderen an, niemand machte einen Anfang. Meine Eingeweide waren fest zusammengeschnürt, als würde ich sie nie wieder normal und angenehm spüren können. Carmen und Eleazar waren von meiner Mutter benachrichtigt worden, ins Krankenhaus zu kommen. Sie wussten jedoch noch nichts. So etwas sollte nicht am Telefon gesagt werden, vertrat meine Mutter die Meinung. Sie hatte lediglich gesagt, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchten. Ich hatte kein Wort gesagt, aus Angst, gar unvermögend der Sprache zu sein. Meine Gedanken kamen immer noch nicht den Geschehnissen hinterher. Vor allem eines mochte ich nicht denken. Ich wollte mir darüber nicht im klarem werden, doch ich musste… Ich wurde Vater. Tanya bekam mein Kind, unser gemeinsames Kind. Hart lag ein Film der Verantwortung auf meinen Schultern, der mich zu Boden drückte und mich diesem gleich gemacht hätte, würde ich nicht sitzen. Fragen wie „Wie konnte das passieren?“, „Warum ist sie schwanger geworden?“ oder Aussagen wie „Wir hatten doch verhütet“, waren nachrangig – es änderte nichts. „Esme! Esme, was ist passiert?!“, ertönte eine kreischende Stimme, die näher kam. Carmen hastete mit Eleazar im Schlepptau den Flur entlang und direkt auf meine Mutter zu, welche Carmen beruhigend an den Armen festhielt und sanft ansah. Mein Vater kam dazu. „Es ist alles wieder in Ordnung. Tanya geht es gut“, meinte meine Mutter mit steifen Ton, den ich noch nie so von ihr vernommen hatte. „Was ist denn überhaupt geschehen?“, wollte Eleazar wissen und starrte meine Eltern wechselseitig an. Ich wusste, was jetzt kam und presste die Lider aufeinander, während ich gebeugt da saß. „Tanya ist schwanger“, überbrachte mein Vater langsam die Schreckensnachricht. Er hatte da schließlich Übung drin, dachte ich sarkastisch. Ich schaute nicht zu den Vieren herüber, doch ich wusste, wie sich Carmens Gesichtsausdruck gerade entstellen und wie beiden die Gesichtszüge entgleiten würden. „Was?“, wisperte sie. „Tanya- WAS?“, wiederholte sie sich fassungslos. Ich wagte einen Blick hoch – zu früh. In diesem Augenblick starrte mich Carmen an, wieder meine Mutter, wieder mich. „Von- von ihm?! Von Edward?!“, schrie sie laut und wollte auf mich zustürmen. Im Augenwinkel nahm ich Notiz daran, wie meine Eltern sie abhielten. Tanyas Impulsivität kam nicht von ungefähr, feixte ich in Gedanken weiter griesgrämig. Ich wusste einfach nicht mit der Situation umzugehen. „Nicht hier, Carmen“, bat mein Vater ruhig. „Und was ist mit ihr? Was hat sie? Warum habt ihr sie ins Krankenhaus gebracht?“, fragte Eleazar weiter. Er war komplett weiß im Gesicht und sprach gänzlich tonlos. „Tanya hatte große Schmerzen im Unterleib, weil sie sich zu sehr aufgeregt und angestrengt hat. Ich vermute auch, dass sie zu wenig zu sich genommen hat. Aber es geht ihr besser“, antwortete mein Vater sachlich, obwohl ich wusste, dass es ihm in solchen Situationen auch schwer fiel, die Fassung zu wahren und nicht emotional zu reagieren. Er war gerade mehr in seiner Rolle des Arztes, als in der des Freundes. Carmen und Eleazar sahen sich sprachlos an. Immer wieder fielen Blicke auf mich. Ich empfand eine solche Scham, dass ich glaubte, nie wieder eine Gliedmaße bewegen zu können – zu wollen. Ich vermochte den beiden, geschweige denn Tanya, nicht in die Augen zu sehen. „Mir wäre es lieb, wenn ich mich noch zu Ende um Tanya kümmern könnte und ihr alle zu unserem Haus vorfahrt“, schlug mein Vater dann weiter vor. „Ich komme mit Tanya nach. Wir sollten das nicht hier besprechen und vor allem Tanya nicht weiter aufregen. Ich denke, das ist auch in eurem Sinne.“ „Können wir sie kurz sehen?“, wollte Carmen flehend wissen. „Sicher“, nickte Dad. „Aber nur kurz, bitte.“ Er führte sie in das Krankenzimmer. Kurz hörte ich Tanyas Stimme, Worte vernahm ich nicht. Ich hörte meine Mutter auf mich zukommen und senkte das Haupt herab. Vor meinen Augen erschien ein Schlüsselbund. „Nimm meinen Wagen. Ich fahre mit den anderen in Alice’ Wagen zurück“, sagte meine Mutter neutral und ließ die Schlüssel in meine Hände fallen, als ich sie zögerlich herhielt. Der Startschuss. Der Startschuss für meine Flucht. Ich ging, so langsam ich im Stande war, den Flur entlang und lief dann wesentlich schneller die Treppen herunter und schließlich aus dem Krankenhaus heraus. Was jetzt? Was nun? Was sollte werden? Unwillkürlich nahm ich meinen Autoschlüssel, anstelle des Schlüssels meiner Mutter, aus meiner Jackentasche und versuchte gedankenverloren den Motor – vergebens – zu starten. Ich schmiss meinen Schlüssel zur Seite und nahm den meiner Mutter. Doch sobald der Motor aufheulte, hatte meine Aufmerksamkeit sich etwas ganz anderem zugewendet. Ein runder Anhänger mit Noten verziert, blitzte mir von meinem Schlüsselbund entgegen. Bella. Ich trödelte nicht mehr und raste unachtsam vom Parkplatz. Mir war alles egal. Sie war allein daheim bei mir. Wir hatten dringenden Redebedarf – neben dem, was mir blühte, wenn Tanyas und meine Familie nachher eintrafen. Ich drückte das Gaspedal immer wieder, immer wenn es einigermaßen vertretbar war, zu Boden. Der Motor heulte jedes Mal auf. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, obwohl ich es nicht mal definieren konnte und ich auch nicht mal wusste, was ich zu Bella sagen wollte… Den Anhänger umklammert stürmte ich wenig später ins Haus. „Bella?“, rief ich und lief durch das Wohnzimmer. „Bella?“, fragte ich wieder lauthals nach. Keine Reaktion. Vor mir offenbarte sich mein leeres Zimmer – in einem leeren Haus. Ich starrte umher. Ihre Sachen waren fort. Auch der Koffer. Ein Zettel auf dem Tisch. Ich hastete dorthin. Alles schien zu kreisen, in mir. Meine Augen huschten, immer größer werdend, über die wenigen Zeilen. Sie machte Schluss. Sie trennte sich. Das ändert und darf nichts an unserer Zusammenarbeit im Labor ändern. Das war Bella, wie ich sie liebte und kannte, stellte ich mit einem verzerrten Lächeln fest und spürte seit langer Zeit wieder Tränen in meinen Augen. Das ging nicht, das durfte nicht sein. Ich musste mit ihr reden. Rasch knüllte ich den Zettel und steckte ihn in die Hosentasche. Wieder rannte ich durch das Haus. Diesmal zum Ausgang. Wir hatten eine Chance. Wir mussten. Ich liebte sie. Ich konnte mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ohne Rücksicht auf Verluste raste ich die Straßen entlang zu ihrem Wohnheim – die Tränen sofort aus meinen Augen verbannend. Das durfte sie mir nicht antun. Ich musste mit ihr reden. Reifenquietschen. Autotürknallen. Atmen. Mein Daumen auf der Klingel zu Bellas Wohnung. Eine Minute lang. Zwei? Fünf? Zehn? Sie war nicht da. Sie ist bestimmt einfach nur nicht da. Sie durfte uns nicht aufgeben!!, schrie ich innerlich und hämmerte mit der Hand gegen die Tür. Ich nahm den Zettel hervor, las ihn. Einmal. Zweimal. Dreimal. Nein, Bella! Es durfte nicht so sein, es durfte nicht endgültig sein! Nach einer Viertelstunde fuhr ich schweren Herzens zurück. Ich spürte meine Atmung nicht mehr, mein Leben, meinen Körper. Bella nahm alles mit fort. Und was mir jetzt blühte, würde nichts verbessern. Ich schritt schwerfällig unser langes Wohnzimmer entlang. Es kam mir vor, wie der Gang zur Guillotine. Lang, wissend, was geschehen würde, jeder Schritt schmerzte. Allerdings war ich mir sicher, dass das, was jetzt kam, bei weitem schlimmer sein würde. Denn es beendete nichts, beendete die Qual nicht, es entfachte sie. Schweigend saßen alle an unserem Esstisch. Ich steuerte den einzigen freien Platz zwischen Tanya und meinem Vater an. Carmen tätschelte Tanyas Rücken, die beobachtete, wie ich mich neben sie setzte. „Dann sind wir ja komplett“, nickte mein Vater leise zu sich selbst. Stille. Stille, die sich hart auf mich presste. Wie viel Schmerz konnte ich noch verspüren und ertragen? Meine Mutter räusperte sich und begann: „Ich denke, es ist für uns alle schwer, das heute zu verarbeiten, aber es ist wichtig, dass wir darüber reden. Auf uns alle kommen jetzt Veränderungen zu.“ Sie schaute Tanya und mich an und holte Luft, doch Carmen kam ihr zuvor. „Warum hast du nicht aufgepasst?“, richtete sie das Wort eindeutig an mich. Eine Hand auf Tanyas Rücken, stützte sie mit der anderen fassungslos den Kopf ab. „Du weißt genau, dass sie die Pille nicht nehmen kann-“ „Wir haben verhütet“, fuhr ich matt dazwischen. Den Vorwurf ließ ich nicht auf mir sitzen, obwohl ich das nicht so energisch sagen konnte, wie ich es gewollt hatte. Auf meinen Magen lagen schwer und unmissverständlich die Ängste um Bella. Bella… Bella…, pochte es immer weiter. „Scheinbar nicht richtig!!“, raunte Carmen mich an. Eleazar nahm sie in den Arm. „Carmen, das bringt doch jetzt nichts“, beschwichtigte Dad. „Wir können es nicht ungeschehen machen und beide haben nicht verantwortungslos gehandelt-“ „Das kannst du einfach sagen! Deine Tochter kriegt ja auch kein Kind!“, schrie Carmen und deutete auf Alice. „Du wirst ja auch nicht schief von der Seite angesehen-“ „Darum geht’s dir?“, raunte ich leise. Carmen starrte mich an. Tanya neben mir schwieg, mit geneigtem Kopf. Sie rührte sich kaum. „Bitte beruhigt euch, solche Diskussionen bringen uns nicht weiter“, versuchte es mein Vater weiter. „Schuldzuweisungen sind das letzte, was uns hilft, und außerdem war Tanya eben schon mal im Krankenhaus, weil sie sich zu sehr aufgeregt hat. Wollt ihr das riskieren?“ Mein Vater sah Carmen und Eleazar bitter ernst in die Augen. Carmen sah zur Seite. Stille kehrte ein. Es war, als wagte keiner zu atmen. „Was ist…“ Ich schluckte mit trockenem Hals. „Was ist mit Abtreibung?“ „Das geht nicht mehr“, antwortete mein Vater. „Dafür ist Tanya schon zu weit. Nach der zwölfen Woche ist es nicht mehr erlaubt.“ Ich klammerte mich an den einzigen Strohalm, den ich hatte. „Und in anderen Staaten? Könnten wir da-“ „Nein, Edward“, schüttelte meine Mutter leise den Kopf. Das Blut wallte in meinen Adern und Zorn stieg in mir hoch. „Wie kann man eine Schwangerschaft nicht bemerken?!“, fuhr ich Tanya von der Seite an. Tanya sah mit traurigen Augen, die mich nicht im Mindesten kümmerten, auf. „Ich hatte nichts. Mir war kaum übel oder so was“, murmelte sie. „Und ich hab auch nicht wirklich zugenommen… erst- erst jetzt…“ Sie warf einen flüchtigen Blick an sich herab. „Du hast über drei Monate nicht deine Tage bekommen!!“, schrie ich geradeaus. Schuldzuweisungen nützten nichts, doch befriedigten, stellte ich fest. „Ich- ich hab die immer mal wieder unregelmäßig und- und-“, stotterte Tanya durcheinander, „und- und wenn ich Stress h-hab, dann- dann auch schon mal g-gar nicht- ich hab nicht- nicht drauf geachtet-“ Sie schien den Tränen nach, doch es berührte mich nicht. „Dad“, wandte ich von Tanya ab, „irgendwelche Staaten, in denen-“ „Nein, Edward“, schüttelte er den Kopf, „ausgeschlossen.“ Ich schaute ihm in die ehrlichen Augen und war mir nicht sicher, ob es hier nur um die moralische Ebene ging. Moral war relativ gleich momentan. Ich verlor gerade mein Leben, meine Liebe- Ich verzerrte unwillkürlich das Gesicht. Ein heftiger Stich durchfuhr mich. „Edward“, wisperte meine Mutter leise. „Tanya wird dieses Kind bekommen. Du musst dich damit versuchen abfinden. Es geht nicht anders.“ Neben mir brach Tanya in Tränen aus. Das Gesicht auf den Händen abgestützt. „Nein, nein, nein“, sagte sie immer wieder und stand dann auf. Sie zog ihr T-Shirt hoch und entblößte unser noch mickriges Unheil. Die kleine Rundung an ihrem Unterleib. „Ich will es nicht! Ich will nicht!“, schrie sie und klatschte sie mit der flachen Hand immer wieder darauf. „Hör auf, Schatz, hör auf!“, sagte Carmen ebenfalls den Tränen nahe und ging auf sie zu, um sie wieder an den Tisch zu setzen. Tanya weinte dort weiter. „Was ist mit meinem Studium? Ich will es nicht aufgeben!“, schluchzte sie lauthals. „Das brauchst du nicht“, schaltete sich meine Mutter ein. „Wir werden dir während der Mutterschaftszeit alle beistehen und danach kannst du deinem Studium weiter nachgehen. Wir werden dir alle mit dem Baby helfen und dich nicht allein lassen“, versprach meine Mutter und es war kein leeres Versprechen. Carmen schaute sie mit glasigen Augen an. „Ja, danke“, murmelte sie. „Ich werde Kindermädchen und eine Hebamme in der Anfangszeit einstellen und in meinem Job kürzer treten, um mich um das Kind zu kümmern, damit es nicht nur Fremde tun.“ „Das brauchst du nicht“, schüttelte meine Mutter den Kopf. „Wir werden das ausgiebig organisieren müssen und ich habe auch relativ viel Freizeit. Mach dir keine Sorgen“, bat sie. „Edward wird sich natürlich auch kümmern, immer, wenn er Zeit hat. Und wenn ihr das möchtet“, sie blickte Tanya und ihre Eltern bedächtig an, „kann Tanya auch hier einziehen, damit Edward sich mehr um das Kind und Tanya kümmern kann. Auch nachts, gerade am Anfang.“ In meinen Ohren rauschte es. Ich brauchte Minuten um zu verstehen, was meine Mutter sagte, doch sie sprach schon weiter. „Natürlich würde Edward auch zu euch ziehen, wenn du deine Tochter bei dir haben willst. Das verstehen wir natürlich“, meinte meine Mutter mitfühlend. „WAS?!“, entfuhr es mir unbeabsichtigt, wenn auch wahr. „Spinnst du?!“, schrie ich meine Mutter an. „Ich will damit nichts zu tun haben!“ Ich stand urplötzlich. Denn genau genommen war es auch so. „Das geht aber nicht“, meinte meine Mutter ruhig, dann mitleidig. „Du musst Verantwortung tragen. Da kommst du nicht drum herum. Tut mir leid, Schatz.“ Mein Vater zog mich, der ich wutentbrannt, mit geballten Fäusten da stand, wieder herab auf den Stuhl. „Hätte ich mich nur niemals auf dich eingelassen“, zischte ich zu Tanya, den Blick jedoch auf den Tisch vor uns gerichtet. „Ach ja?! Dasselbe könnte ich auch sagen!“, wimmerte Tanya lautstark. „Du hast das doch alles einfach weiterlaufen lassen!“, mischte Carmen mit. „Du hast-“ „Ja und das bereue ich!! Es ist nicht mal sicher, ob es mein Kind ist!!“, schrie ich zurück. „Ich vögel’ mich nicht durch ganz Seattle!“, kreischte Tanya außer sich. „Du willst dich nur drücken!“, urteilte Carmen. „Du willst Tanya alles anlasten-“ „Carmen“, mahnte mein Vater als Schiedsrichter an. „Denk’ an deine Tochter.“ Er warf mir auch einen strafenden Blick zu. Mit bebenden Lippen wandte sie den Kopf ab. „Es wird nicht nötig sein“, bekam Eleazar einen Redeanteil, der sich bislang eher raus gehalten hatte, „dass Tanya und Edward zusammenziehen-“ „Bitte!?“, fuhr Carmen ihn an. „Denk doch mal an die Anderen! Was werden die sagen, wenn Tanya mit neunzehn ein uneheliches Kind bekommt?? Von einem Vater, der sich raushalten will! Tanya wird hier nicht mehr angenommen! Du kennst doch die Kreise hier! Sie hat hier keine Chance mehr!“, versuchte sie es ihrem Mann lauthals klar zu machen. „Macht euch bitte darum keine Gedanken. Edward wird zu dem Kind und zu Tanya stehen“, sicherte meine Mutter zu. Mit verzerrten Gesichtszügen blickte ich ihr. „Mum, ich kann nicht“, presste ich hervor und schluckte, bei dem Gedanken, es aussprechen zu müssen. „Mum, Bella…“ „Du kannst jetzt doch nicht an Bella denken.“ Meine Mutter sah mich entsetzt an. „Ich verlange, dass du dich von ihr trennst“, sagte Tanya neben mir mit hartem Gesichtsausdruck. „Natürlich“, sagte Carmen und streichelte ihre Tochter am Arm. „Was für ein Licht würde das auf dich, auf uns, werfen.“ Ich ballte fest die Fäuste, dass meine Fingernägel in meinen Handballen schmerzten. „Ich liebe sie und-“ „Sie ist gegangen, Edward, oder?“, sagte mein Vater leise. „Ich denke, sie hat die Situation erkannt und das Richtige getan. Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber Bella hat recht. Es ist besser so.“ Ich sprang auf, riss den Stuhl herum, der laut scheppernd zu Boden krachte und ein paar Leute am Tisch zusammenzucken ließ. „ICH BLEIBE MIT BELLA ZUSAMMEN!!“, schrie ich atemlos, ehe ich wieder Stimme fasste. „ICH LIEBE SIE UND GEHE MIT IHR NACH EUROPA!! EGAL, WAS IHR SAGT!! DAS KIND IST MIR EGAL!!“ Ich stieß den Stuhl mit dem Fuß zur Seite und rannte, jegliche Rufe meiner Eltern ignorierend, die Treppen hoch in mein Zimmer. Was verlangten sie da von mir?! Ich sollte mein Leben wegschmeißen für dieses Kind?! Obwohl ich die Liebe meines Lebens gefunden hatte?! Das war unmöglich! Ich setzte mich kraftlos auf mein Bett. Mein Herz hämmerte laut. Ich griff nach dem hingelegten Bilderrahmen und erblickte nichts darin. Es war jedoch nicht schwierig, das zerknüllte Foto in dem Papierkorb neben dem Nachttisch zu entdecken. Ich legte den Rahmen weg und strich das Foto glatt. Eine Träne entwich mir darauf. Das alles hatte ich gerade gesagt. Das alles hatte ich gerade gedacht. Und das alles wollte ich immer noch – obwohl ich wusste, dass ich dafür ein Wunder brauchte. Ich langte nach meinem vibrierenden Handy in meiner Hosentasche. Wie geht es Tanya und dem Baby?, stand in der SMS von Bella. Ich erhob mich. Ich musste zu ihr. Ich musste mit ihr reden. In diesem Augenblick ging die Tür zu meinem Zimmer auf. Mein Dad kam herein und zog sich einen Stuhl zu meinem Bett heran, während ich noch davor stand. Es war zwecklos, sagte ich mir und ließ mich wieder aufs Bett sinken. Ich wusste jedes Wort bereits, was er mir sagen würde. Und doch hatte ich unendliche Angst, es mir eingestehen zu müssen, dass es wahr war, was er sagen wollte. „Du kennst die Gesellschaft in Seattle mit ihren altmodisch verharrten Denkweisen, richtig?“, begann mein Vater sanftmütig. „Du weißt, wie sie verstoßen wird, ohne Partner an ihrer Seite. Es verlangt niemand, dass du sie liebst oder ihren Liebhaber spielst, doch du musst bei ihr sein.“ Ich schaute betreten zur Seite. „Ich hoffe, dir ist klar, dass das, was du vorhin preisgegeben hast, keine Option mehr ist, oder?“ Ich reagierte nicht. „Ich weiß, wie sehr du Bella liebst und sie ist auch ein tolles Mädchen, aber die Umstände haben sich geändert und jetzt geht es nur noch um das Baby und damit auch um Tanya. Es tut mir sehr leid, du musst sie vergessen.“ Sein klarer Blick wog hart auf mir – denn es war die Wahrheit. Ich sollte mich von Bella trennen, sie nie wieder sehen, sie vergessen, mit einem Mädchen zusammen leben, zusammen sein, wie auch immer, und mich um ein Kind von ihr, von uns, kümmern? Das war zu viel für mich. Das ertrug ich nicht. In meinen Händen lag noch das Foto von Bella und mir. Unbehelligt redete mein Vater weiter auf mich ein. „Du hast mit Bella geschlafen, oder?“ Irritiert sah ich auf. Meine Gefühle fuhren Achterbahn – nur, dass diese nicht anstieg, sondern immer weiter zum Boden glitt und meine Gefühlswelt immer tiefer sank. Bis zur Kollision. „Hast du mit noch mehr Mädchen in letzter Zeit geschlafen?“, fragte mein Vater nach. Entsetzt über seinen Themenwandel schaute ich ihn an. „Was soll das?“, fragte ich unfreundlich. Er griff stumm in seine Jackentasche und reichte mir ein kleines, längliches Päckchen. „Lass Bella bitte auch einen Test machen, damit wir keine unliebsamen Überraschungen mehr erleben. Am besten gibst du ihn ihr am Montag“, bat mein Vater. Ich starrte vom Schwangerschaftstest zu meinem Vater und zurück. Ruckartig erhob ich mich und pfefferte das Päckchen auf mein Bett. „Ich gehe“, sagte ich matt. „Edward! Das geht nicht! Bleib!“, rief mein Vater, der mir rasch versuchte hinterherzukommen, mir nach. Nein, Dad, ich konnte Bella nicht vergessen, nie. Unbeirrt lief ich weiter und verließ das Haus, dass ich eigens zu meinem Gefängnis degradiert hatte. Surren in meinem Kopf. Ich holte einen Test aus der Apotheke. Meine Reaktion eben war dem Trotz geduldet. Nicht der Sache an sich. Vielleicht sollte Bella schwanger sein. Das war gut. Oder? Ich musste sie sehen. War es eine Hoffnung? Dann würden wir zusammen bleiben. Ich bei ihr oder sie bei mir. Ich brauchte meinen einzigen Halt jetzt. Sie. Auch, wenn sie das nicht wollen würde. Doch ich konnte nicht ohne sie. Wie nur? Ich hoffte einfach nur. Hoffte, dass ich bei ihr bleiben konnte. Hoffnung starb zuletzt und mit dieser würde ich sterben. Kläglich. Jämmerlich. Für immer. Für ein Baby. Bella Mit automatisierten Handgriffen packte ich den Koffer aus. Meine Augen blinzelten nicht. Ich hatte das Auf und Ab von purem Glück und Hoffnung zu Zweifel, Enttäuschung und Wahrheit nicht verdaut, nicht verarbeitet. Danach sehnte ich mich. Schnell, ganz schnell. Mein Körper senkte sich auf meinem Bett ab, die Finger in die Matratze gekrallt. Etwas drückte sich hart auf meinen Magen, als wollte dieses ihn durch meinen Rücken stoßen, und verursachte Übelkeit in mir. Ich saß einfach nur da. Starrte ins Leere. Es war vorbei, es war vorbei, es war vorbei, hallte es in mir, bevor es überhaupt angefangen hatte und ich hatte von Anfang an gewusst, dass es so kommen würde. Dass es so plötzlich kam, so eindeutig, hatte ich mir zu Beginn gewünscht, doch nun… Durchdringend rang die Schelle und ließ mich zusammenfahren. Beim dritten Klingeln erst realisierte ich, dass es Edward sein musste. Seine Hartnäckigkeit war mir bewusst, meine ihm hoffentlich auch. Ich rollte mich auf der Matratze zusammen und vergoss stumme Tränen, die auf dem Laken endeten. Es klingelte immer weiter, klirrte in meinen Ohren. „Hau ab“, murmelte ich zu mir selbst und legte das Kissen über meinen Kopf. Er sollte verschwinden und mich endlich in Ruhe lassen. Es hatte keinen Sinn, verstand er das nicht?! War mein Zettel nicht… deutlich… genug… gewesen… Selbst in Gedanken zitterte ich erbärmlich und schaffte es nicht, meine Gedanken oder Vernunft allein wallten zu lassen. Durch das dröhnende Geräusch in meiner Wohnung peitschte beides durch meinen Körper. „Aua“, murmelte ich und hielt meinen Bauch fest, meinen Brustkorb, betatschte alles an. Es schmerzte so sehr. Das Klingeln erstarb. Er hatte aufgegeben. Und das war gut so. Ich weinte unter dem Kissen. Mit mattem Gesicht wartete ich auf die Antwort seiner SMS. Es war unhöflich mich nicht wenigstens nach dem Mädchen zu erkundigen. Eigentlich war dieser Anstand nur durch die erbsengroße Hoffnung an der meine Gefühlswelt festhielt. Noch hatte mein Verstand die Empfindungen für Edward nicht besiegt und vor diesem Sieg hatte ich Angst. Er würde Kraft kosten und mir unendlichen Schmerz bereiten. Ich war ein Angsthase… Mein Kopf fuhr hoch. Ein leises, kurzes Klingeln. Edward?! Schon wieder?! Ich sprang auf. Sofort hüpfte mein Herz schneller, was ich im selben Atemzug versuchte zu unterdrücken. Langsam glitt ich wieder aufs Bett, mein Handy umklammert. Nach dem kurzen Affekt rieselte Realität auf mich ein. Ich wollte- ich durfte ihn nicht sehen. Ich wollte lediglich eine Antwort. In diesem Augenblick vibrierte mein Handy durchgehend. Ein Anruf. Mit bebender Hand drückte ich ihn weg. Eine einfache SMS, Edward, bitte, nicht mehr, flehte ich innerlich. Es hämmerte laut und fordernd an meiner Tür. „Bella? Bitte mach auf. Ich bitte dich inständig“, ertönte Edwards Stimme, die im Flur zu hallte und das Wesen in meiner Brust flattern ließ. Ich legte die Hand darauf und versuchte es zu unterdrücken. „Bitte, Bella, bitte“, wisperte er. Ich tat nichts und blieb stocksteif auf dem Bett sitzen. Selbst wenn ich gewollt hätte, konnte ich mich gar nicht rühren. Ich hörte Edwards Hand an der Tür kratzen. Er verstummte. Ich lauschte und vernahm, wie er die Tür mit dem Rücken herabzurutschen schien. Taumelnd ging ich zur Tür, berührt sie, legte die flache Hand auf das Holz. Edward war dahinter. Eine langsame Träne schlich sich aus meinem Augenwinkel. Ich lehnte mich ebenfalls sitzend an die Tür. Warum machte er es uns so schwer? Warum beließ er es nicht bei dem, was es jetzt war? Ich hatte nur eine einfache Antwort auf meine SMS gewollt. „Hast du meinen Brief gelesen?“, fragte ich leise, der Sicherheit halber, nach. Ein paar Zentimeter Holz trennten mich von ihm. Ich streichelte andächtig mit der Hand darüber. „Habe ich“, sagte Edward lediglich mit einem Seufzen in der Stimme. Es kehrte wieder Stille ein, doch in mir tobte ein Sturm, ein Rausch meiner Empfindungen und Wünsche. Steh’ auf! Geh’ zu ihm! Küss’ ihn! Schmeiß’ dich ihm um den Hals! versus Sag kein Wort! Ignoriere ihn! Geh’ von der Tür weg! Lern’! Vergiss ihn! „Können wir reden?“, bat Edward kleinlaut hinter der Tür. Seine samtene Stimme rüttelte mich wach, brachte die glühende Asche in mir zum Brennen, entfachte eine kleine Flamme in mir. Schwerfällig erhob ich mich und öffnete die Tür einen Spalt. Ich entfernte mich von dieser und schritt zu meinem Tisch, neben den ich mich mit dem Rücken, zu dem eintretenden Edward, stellte. Leise schloss er die Tür und ich vernahm die Schritte, die er auf mich zu machte. Er stand nun hinter mir – dicht, doch ich spürte ihn noch nicht an mir. Ganz langsam nahm er meine Hand in seine. Ich tat nichts, begann jedoch merklich zu zittern. „Dem Baby geht’s gut…“, vernahm ich Edwards leicht seufzende Stimme. Es klang… traurig. „Du sagst das so, als wäre das etwas schlechtes“, murmelte ich mit geneigtem Kopf. Ich vermochte es nicht, ihn anzusehen. „Vielleicht ist es das auch“, murmelte Edward griesgrämig. Seine Hand regungslos in meiner. „Wäre es gestorben, wären wir alle Probleme los.“ „Wie kannst du nur so was sagen?“, zischte ich verächtlich. Ich machte mich von ihm los und drehte mich energisch zu ihm um. „Edward, das ist widerlich.“ Ich kannte diesen Edward. Der Edward, von der Zeit unserer „reinen“ Laborbeziehung. Der arrogante, selbstherrliche Edward. Einen Edward, den ich nicht liebte. „Nein“, sagte er schwächlich. Seine Augen merkwürdig leer, dass es mir ins Herz stach. „Es ist die Wahrheit.“ Ich schluckte eine Träne hinunter. Wahrheit… „Bella…“, sein Tonfall hatte sich schlagartig verändert, „du hast das mit Tanya gesehen und…“, er kramte in seiner Jackentasche. „Würdest du bitte auch einen Test machen?“ Er legte mir eine kleine Verpackung in die Hand. Unmissverständlich ein Schwangerschaftstest. „Was?“, hauchte ich mehr zu mir selbst und starrte darauf, ehe ich Edward verständnislos anschaute. „Aber- aber wir haben doch- wir haben doch verhütet… oder?“ In meinem Blick war nur Entsetzen. Über das, was er verlangte und über das, was seiner Meinung nach sein konnte. „Ich meine… natürlich haben wir verhütet, ich- ich war ja dabei-“, redete ich wirsch und alles kreiste auf einmal in mir. „Tanya und ich haben auch verhütet“, erwiderte Edward matt und sah mich wartend an. Ich stand einfach nur stocksteif da, zu ängstlich, um mich zu rühren. „Bitte, Bella“, flüsterte er, sammelte sich etwas und fügte hinzu: „Ich möchte einfach sicher gehen. Kannst du das verstehen?“ Ich nickte wie paralysiert und schlurfte förmlich ins Bad. Sobald ich außerhalb seines Sichtfeldes war, tastete ich mit der Hand nach meinem Unterleib. Ich- ich konnte- Theoretisch, Bella, theoretisch, redete ich mir ein. Ihr habt verhütet und du bist nicht schwanger. Er will nur Klarheit haben, sagte ich mir inständig und doch zitterten meine Finger, als ich den Test herausholte. Er will nur Gewissheit. Meine Gedanken eilten all dem voraus. Wenn ich von ihm ein Baby bekam, was dann? Wenn ich wirklich schwanger war, dann- was dann?, fragte ich mich immer wieder. Ich würde nicht weiter studieren können- oder schaffte ich das nebenbei? Und wie sollte das gehen? Ich flog doch bald zurück nach Deutschland! Ich konnte doch nicht einfach dann… gehen. Aber- Ich atmete tief durch, um mein rasenden Herz zu beruhigen und setzte mich auf die Toilette, um den Test durchzuführen. Mir war übel. Und das hatte – vermutlich – nichts mit einer Schwangerschaft oder dergleichen zu tun… Ich verließ das Bad, kam langsam auf Edward zu und stierte auf den Test in meinen Händen. Der Test bebte in meinen Händen und ich konnte nichts dagegen tun. Angst breitete sich in meinem Körper aus und alle „Wenn-Danns“, alle „Wenn-Abers“ schossen mir durch den Kopf. Edward sah nicht darauf, sondern nur mich an. Er schien auf eine Reaktion in meinem Gesicht zu warten. Die bekam er auch. Ich zog geräuschvoll Luft ein. Ein Strich. Nicht schwanger. „Und?“, fragte er leise nach. Ich hielt das Stäbchen, zu ihm gewand, hoch und schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht schwanger“, murmelte ich, blieb jedoch wie erstarrt vor ihm stehen. Mein Herz flatterte immer noch unsanft in meiner Brust. Er bemerkte meine Anspannung. „Hey… komm mal her…“, sagte er zärtlich, griff nach meinem Handgelenk und platzierte mich seitlich auf seinem Schoß. Ich war nicht mächtig zu widerstehen, nicht jetzt, versuchte ich mich selbst zu rechtfertigen. Vor meinem Gewissen. Meinem Verstand. „Musst du mir so einen Schreck einjagen?“, nuschelte ich und legte, mich langsam wieder beruhigend, die Schläfe an seine Brust, bevor er die Arme um mich und den Kopf auf meinem abgelegt hatte. Eine Träne stahl sich aus meinen Augen. „Tut mir Leid, Liebling, ich musste einfach sicher gehen…“ Ich nickte an ihm, doch das Blut schoss mir immer noch durch die Adern. Nur wegen dieser vermeintlichen Eventualität. „Kleines? Sieh mich an“, bat er und ich hob langsam den Kopf. „Ich wünschte so sehr, es wäre alles anders…“ „Ist es aber nicht… du musst zu Tanya gehen“, flüsterte ich. Ich versuchte, ich versuchte es wirklich, meinem Körper zu befehlen, von ihm abzulassen, ihn hinaus zu katapultieren, ihn wegzuschicken, aber ich konnte einfach nicht. Seine Berührung und sein Trost waren so angenehm auf meiner Haut, dass ich danach lechzte. „Edward, es geht nicht, es ist unumgänglich“, sprach ich weiter, doch schluchzte leise. „Von Anfang an. Und nun erst recht. Du wirst Vater“, sprach ich es aus. Er verzerrte das Gesicht und presste die Lider aufeinander, die Stirn an meine Schulter lehnte. „Ich kann nicht ohne dich leben“, gestand er und ich bemerkte, wie nass seine Augen waren, als er mich ansah. „Du musst, das müssen wir beide.“ Ein kleiner Moment des Verstandes. Ich schüttelte ihn von mir ab und stellte mich hin. „Geh’ jetzt, du machst es alles nur noch schwerer, je länger wir… dafür brauchen…“ Er ergriff meine Hand und zog mich zu sich. Nun stand er jedoch selbst. Wir blickten uns intensiv in die Augen. Beide von Schmerz und Trauer gezeichnet. „Ich liebe dich, Bella, unendlich…“, brachte er über die Lippen. Ich hielt meine geschlossen. Das durfte ich nicht sagen. Wahrheit hin oder her. Nein… Er legte mein Gesicht eifrig in seine Hände und küsste mich gierig. Mein Kopf schaltete einfach aus, mein Verstand glitt ins Nichts. Sein ganzes Verlangen steckte er in diesen Kuss. Sein Atem durchströmte mich heiß und innig, während meiner schnellte und ich seine Küsse mit meiner ganzen Begierde erwiderte. Er ließ sich auf mein Bett sinken und zog mich zärtlich auf sich. Mein Haar fiel wie ein Vorhang über mein Gesicht, während ich seinen Nacken und seinen Hals seicht streichelte. Edward fuhr mit den Fingern durch mein Haar, hielt es mir aus dem Gesicht. Seine kühlen Hände brannten auf meiner erhitzten, vor Erregung hochroten, Haut. Edward zog sein Pullover samt T-Shirt über dem Kopf aus und zerwuschelte damit niedlich sein Haar, während ich meine Strickjacke aufknöpfte und mich weiter seinen heißen, fordernden Lippen widmete. Niemand kümmerte es in diesem Moment, was in den letzten Stunden geschehen war, denn die Leidenschaft war unaufhaltsam entfacht, sodass keine Vernunft der Welt dessen Flammen für diesen Augenblick hätten auslöschen können. Ich erfühlte Wärme um mich. Meine Hand auf etwas weichem, angenehmen. Nach und nach registrierte ich alle Befindlichkeiten um mich herum. Besonders an mir. Ich hob langsam und müde die Lider und versuchte im einfallenden, zaghaften Licht die Umgebung und meine dazugehörigen Gefühle zu erkennen. Mein Kopf lag auf Edwards von Stoff befreitem Oberkörper, nahe seiner Achseln, während meine rechte Hand, die Finger von sich gespreizt, auf seiner Brust ruhte. In meinem Rücken lag sein Arm, der mich schwach an sich drückte. Die Bettdecke schräg und durcheinander über uns. Ich selbst war zwar nur noch in Unterwäsche, fühlte mich jedoch erhitzt. Mein schwummerigen Blick glitt auf, meinen Oberkörper musste ich jedoch etwas anheben, um sein Gesicht zu erkennen. Edward hatte die Augen zur Decke gerichtet. Nun schaute er mich mit liebem Lächeln auf den Lippen an. „Du- du bist ja noch da“, sagte ich perplex. Eigentlich war es mir mehr rausgerutscht. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass er in der Nacht, nachdem ich eingeschlafen war, nicht klammheimlich nach Hause verschwunden war. Und ich hätte es ihm nicht übel genommen. Es wäre verständlich und richtig gewesen – und vernünftig. Nicht Edwards Stärke. Warum musste ich immer die Vernünftige sein?, dachte ich niedergeschlagen. Es fiel mir auch immer schwerer… „Warum sollte ich nicht?“, fragte er immer noch mit dem Lächeln, doch sein ganzes Gesicht wirkte ausdruckslos. „Das war unsere letzte gemeinsame Nacht“, stellte ich zwar streng fest, doch eigentlich war es auch eine Art Appell an ihn – alles nicht schlimmer zu machen. Er küsste schweigend meine Stirn, weil er wusste, dass ich recht hatte. Keinem von uns war gestern Nacht nach Sex gewesen, doch nach allem anderen. Seine Liebkosungen hatte ich so genossen und diese kribbelten immer noch fest unter meiner Haut. Ein letztes Mal… Edward rutschte ein wenig runter zu mir und legte die Wange an meine Stirn. Er drückte mich ganz fest an sich, sodass ich halb auf ihm lag. Die Boxershorts streiften meine Beine. Ganz seicht nässte er meine Stirn. „Edward?“ Ich sah mühsam, da er mich so an sich gepresst hatte, hoch und erkannte so eben, dass über sein Gesicht stumme Tränen liefen. Es rührte mich zutiefst, berührte mich in meinem Innersten, dass er wegen unserer bevorstehenden, endgültigen Trennung, die nicht mal mehr Minuten dauern würde, Tränen vergoss. Wir würden füreinander nicht mehr sein – nicht mehr sein dürfen – als Kommilitonen. „Bitte nicht“, sagte ich mit zitternden Lippen, weil ich fürchtete, gleich bitterlich zu weinen und schob mich mit dem Gesicht über seines. Er schaute mich mit wässrigen Augen an und legte die Lippen an meinen linken Wangenknochen, wo er mit geöffnetem Mund darüber fuhr. Seine Unterlippe kostete meine Haut. „Edward… es wäre falsch, das jetzt zu leugnen“, hatte ich mich über Nacht um entschieden. Ich würde es ihm sagen, es erwidern. „Ich liebe dich. Sehr sogar. So stark habe ich noch nie für jemanden empfunden, aber das alles ändert nichts an den Tatsachen und Umständen.“ Meine Stimme war zunehmend piepsiger gewesen und es fiel mir immer und immer schwerer standhaft zu bleiben. „Weißt du, was mich zu Hause erwartet?“, wisperte er wehmütig. „Jede Sekunde, die jetzt verstreicht, rücke ich dem Abschied von dir und meinem neuen Leben näher. Weißt du, was für Leben meine Eltern für mich bereithalten?“ Seine ehrlichen Augen fixierten mich. Er schluchzte nicht, er wirkte sogar gefasst, nur Tränen entfleuchten hin und wieder seinen Augenwinkeln. Ich sah ihn mit einem Hauch von Mitleid an. „Ich werde immer für Tanya da sein müssen und nach der Geburt auch noch für das kleine Wesen. Vielleicht soll ich mit ihr zusammenziehen, sie heiraten…“, schnaubte er. „Du sollst sie heiraten?!“, fragte ich entsetzt, mit aufgerissenen Augen. Er schüttelte matt den Kopf. „Nein, das soll ich nicht. Das verlangen sie nicht. Zumindest noch nicht“, grübelte er niedergeschlagen, „aber der Zwang und die Verpflichtung wird sich genauso anfühlen.“ Er streichelte mir eine Strähne sorgsam aus dem Gesicht. „Ich möchte bei dir sein“, flüsterte er unter Tränen. Seine Hand an mein Gesicht gekuschelt. „Ich würde gehen, ich würde auch jetzt noch gehen, um dir nahe zu sein-“ „Du solltest jetzt wirklich gehen“, murmelte ich und setzte mich abrupt auf. Er musste mit diesen Hirngespinsten, die schmerzliche Hoffnungen heraufbeschworen, aufhören. Jetzt konnten wir uns nichts mehr vormachen. „Aber nach Hause“, fügte ich hinzu. „Sie machen sich bestimmt Sorgen.“ Ich zog mein Shirt über und reichte ihm seins vom Boden. „Ja“, erwiderte Edward tonlos, „und warum ich meiner Pflicht nicht nachkomme.“ Er zog sich missmutig an. „Edward, es muss sein“, sagte ich leise, als wir einander angezogen gegenüber standen. Er machte Anstalten auf mich zuzukommen und mich zu berühren. Flugs ging ich zur Tür, die Hand an der Klinke. Ich schaute nicht auf. „Wir haben nur noch zwei Woche Laborarbeit, bevor die Prüfungsphase beginnt. Ich denke, wir sollten uns in den nächsten Wochen nicht treffen und die Arbeiten für Mr. John lediglich absprechen. Das wird schon gehen.“ Edward stand schweigend vor mir, ich glaubte aber aus dem Augenwinkel zu sehen, wie er nickte. Mit bebenden Fingern drückte ich die Türklinke herunter. In meinen Augen sammelte sich die salzige Flüssigkeit an, die sie vergießen wollten. Edward vor mir hob mein Gesicht am Kinn an und legte all seine Wehmut in seinen Blick. „Mach es uns nicht so schwer, ja?“, wisperte ich mit piepsender Stimme. „Bis dann“, brachte ich so eben noch hervor, ehe ich fest auf meine Lippe biss, um nicht loszuheulen. Ich erkannte sein schönes Gesicht durch die Tränen in meinen Augen kaum noch. Ja… ja, ich würde diese Liebe aufgeben und ich hatte Angst davor, aber ja, ich tat es, weil man nicht immer im Leben eine Wahl hatte. Das mochten viele behaupten, doch das war Unsinn. Wir hatten keine. „Geh’ jetzt bitte“, murmelte ich flehend. Seine Daumen glitten wie Scheibenwischer über mein Gesicht und er selbst blieb reglos stehen. „Lass uns die vier Wochen noch nutzen, in denen du hier bist“, schlug er sanftmütig vor. „Mach es uns nicht so schwer“, bat ich wieder. „Du weißt genau, was du zu tun hast, ob es deinen Wünschen und Vorstellungen entspricht oder nicht. Jetzt sind nur Tanya und das Baby wichtig.“ Mein Tonfall brach mehrmals. Ich fühlte mich schwindelig, schlecht… Edward verzerrte das Gesicht vom Schmerz. „Und was ist mit mir? Interessiert es gar nicht, was ich will?“, hauchte er. Ich starrte ihn an und konnte einfach nicht anders. Ich musste ihn verletzen, denn er verstand es einfach nicht und er musste jetzt wirklich gehen. „Nein! Edward, genau, nein!“ Ich riss mich los. „Es interessiert nicht! Gar nicht! Es geht jetzt mal nicht um dich, es ist egal, was du willst!“, schrie ich ihn unter Tränen an. „Bitte Bella, die vier Wochen-“, begann er mit zusammengepferchten Gesichtszügen und glasigen Augen. „Nein“, formten meine Lippen und ich öffnete die Tür. „Geh’ doch jetzt. Bitte.“ Keine Berührung. Keine Umarmung. Kein Kuss. Kein Blick. Ich schob ihn mit aller Kraft vor die Tür und schlug diese zu. Wenige Atemzüge vermochte ich zu warten, in denen ich ihn kraftlos den Flur entlang schlurfen hörte, bis ich zusammensackte und meinem Schmerz, meinen Tränen, meiner Trauer, freien Lauf ließ. ---------------- freue mich über kommis ^^ Kapitel 20: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 6 (Edward & Bella) --------------------------------------------------------------- @kyra nix da ^^ freies land du darfst hier gerne deine meinung sagen ;)^^ @aestas89 alles gleichzeitig O.O oh man... trotzdem vielen lieben dank für das lob und dein kommi !!! :-* ;) ------------------------------- Musiktipps: Chandler Nash - Heartbreak http://www.youtube.com/watch?v=qUD1Oq9Bj58 & Matthew Perryman Jones - Save You http://www.youtube.com/watch?v=ouWxe4CSPX4 Oh man, ich liebe die songs.... vor allem "save you"!!! wah das klingt so toll!!! Inhaltlich passt es auch so toll, genau wie heartbreak ... trennung aus "schutz" für den anderen .... aus bellas sicht... viel spaß ihr lieben ;)^^ [img]http://img638.imageshack.us/img638/1721/bannerteil6.jpg[/img] Edward Das war’s. Das war’s, pochte es in mir. Nicht mal die letzten vier Wochen meines Lebens mit ihr, schenkte sie mir und ich konnte es ihr nicht verübeln. Mit nicht für mich fassbaren Gedanken fuhr ich zurück. Es war fast Mittag. Die Ampel sprang auf rot. Ich lugte auf mein Handy, welches ich aus der Hosentasche holte. 47 Anrufe in Abwesenheit. Ich legte das Handy auf den Sitz neben mich, denn es interessiere mich nicht. Klar, natürlich würde ich mir gleich Standpauken anhören dürfen, dass ich einfach so über Nacht weggeblieben war, mich nicht gemeldet hatte… und so weiter. Meine Magengegend war taub. Sie ließ keinen Schmerz mehr zu, weil sie in diesem Augenblick zu überlastet war, als dass irgendein Gefühl noch durchdringen konnte. So langsam ich konnte, fuhr ich nach Hause. So langsam ich konnte, ging ich den Weg zum Haus hoch. So langsam ich konnte, öffnete ich die Tür. So langsam ich konnte, schritt ich herein, kroch durch die Glasschiebetür ins Wohnzimmer. Ich wollte Zeit schinden, doch das änderte nichts daran, dass ich mich dem Ganzen stellen musste. „Edward!!“, rief meine Mutter und kam auf mich zu – mit Tanya im Schlepptau. Tanya?! Was machte Tanya hier?! Allein, wie ich mit einem Blick durchs Wohnzimmer vorläufig feststellte. „Wo warst du?! Warum meldest du dich nicht?!“, fauchte meine Mutter. Tanya stand mit einer Mischung aus Entrüstung, Besorgnis und Unverständnis neben ihr. Mein Vater erschien hinter den beiden. „Edward, deine Mutter und ich wissen sehr wohl, dass du 21, volljährig und selbstständig bist. Aber so ein Verhalten dulden wir nicht länger“, sagte er streng, aber vollkommen ruhig, obgleich Anschreien mir fast lieber gewesen wäre in diesem Moment. „Wir erwarten, dass du Verantwortung übernimmst und dich wie ein erwachsener Mensch verhältst. Ich tue das hier nicht gerne, aber ist unsere Vorstellung damit eindeutig?“ Ich schaute mit mir schlingernd vorkommenden Blick zu ihm hoch und nickte. „Sehr gut“, sagte mein Vater und wendete sich ab. „Also?“, kam nun der Part meiner Mutter, die mit verschränkten Armen vor mir stand neben der schweigenden Tanya. „Wo warst du? Was hast du gemacht?“ Ich schaute schnaubend auf. Ich war unfair, ich war gehässig, ich war verletzend und jenes war sogar gelogen, doch ich sagte matt: „Ich hab’ Bella gevögelt.“ Bevor meine Mutter, die die Augen weit aufriss, irgendetwas sagen oder tun konnte, spürte ich Tanyas Ohrfeige hart an meiner Wange. „Du Arsch! Du bist widerlich!!“, kreischte sie hysterisch. „Das ändert jetzt auch nichts mehr“, zischte ich und floh rückwärts durch den Korridor, über die Treppen, hoch in mein Zimmer, wo ich direkt meine Ausdrucksquelle ansteuerte. Vivaldi. Winter. Ich hämmerte die Noten des schnellen Stücks grauenvoll durcheinander in die Tasten, sodass mir die Finger schmerzten – doch das war angenehm, im Vergleich zu den anderen Dingen, die mir weh taten. Viel angenehmer. „Edward?! Edward!! EDWARD!“, schrie Emmett erst vor der Tür, dann in der Tür, dann hinter mir. Ich verstummte ein wenig außer Atem. „Hey Papi in spe, Dad will mit dir reden. Bald-Mama ist auch dabei, na das kann ja lustig werden.“ Sein dämliches Grinsen strahlte mir innerlich entgegen, obgleich ich es nicht mal sehen konnte. Zorn stieg in mir auf. „Du hast echt nerven. Poppst Bella, während deine Ex hier sitzt und brütet“, lachte er. Ich konnte mich nicht mehr halten. Es schien, als hätte ich derzeit nichts mehr unter Kontrolle. „Sei still, du Idiot!!“, fuhr ich ihn ungehalten an. Ich stellte mich wutentbrannt hin, drehte mich zu ihm um und drückte ihm am Kragen an das Bücherregal. „Du hast doch keine, aber auch gar keine, Ahnung, von was du hier sprichst! Mein Leben ist gerade ein Scherbenhaufen, Bella hat sich von mir getrennt und Tanya drückt mir ein Kind auf!! Du kannst gerne mit mir tauschen!“, pfiff ich ihn zusammen. „Komm mal runter“, würgte er hervor und stieß mich zurück, ehe er lauter wurde. „Was kann ich dafür, wenn du zu dämlich zum Verhüten bist und mit deinem kindischen Verhalten alles nur noch schlimmer machst?!“, fauchte er mich mit funkelnden Augen an. „Und was soll das mit Bella?! Du wärst doch viel zu feige gewesen, um wirklich mit ihr nach Deutschland zu gehen!“, schrie er mich an. Das war zu viel. Viel zu viel. Um Längen zu viel. Ohne die Entscheidung bewusst und wirklich getroffen zu haben, schnellte meine Faust zu seiner Wange, traf sie hart und ich sah zu wie Emmett nach hinten gegen das Regal krachte. Ich hatte mich noch nie viel geprügelt. Im Grunde hatte ich mich in der Schule mal ein wenig mit Jungs gekabbelt, wie man das so macht, wenn man jünger ist, aber geprügelt hatte ich mich nie. Mit Emmett erst recht nicht. „Wer ist hier kindisch, huh?!“, raunzte Emmett mich lauthals an, stand wackelig wieder gerader und wollte wieder auf mich losgehen, doch, von uns unbemerkt, schritten meine Eltern ein. „Ich glaube es nicht! Wie alt seid ihr?!“, gab meine Mutter mit leicht heiserer Stimme entrüstet preis und ging mit meinem Vater zwischen uns. Emmetts Nase hatte etwas abbekommen und er blutete leicht, während sich seine Wange ungesund wölbte. Tanya trat zögernd durch die Tür ein und riss die Augen auf. Sie machte wieder einen Schritt zurück in den Türrahmen. „Gehst du bitte mit Emmett raus?“, richtete mein Vater das Wort an meine Mutter und wand mich mir zu. „Ich muss mit Edward reden.“ Sein Tonfall war ernst. Ich schaute zur Seite. „Würdest du bitte in meinem Büro oben warten?“, bat er dann die unschlüssig in der Tür stehende Tanya. Sie nickte hastig und unsicher und schloss die Tür hinter sich. Mein Vater schritt wortlos vor zu dem Tisch in der Zimmermitte und platzierte sich ruhig dort. Seine Fingerkuppen legte er andächtig wartend aneinander und sah gerade aus – in Richtung Tür. Er saß seitlich zu mir und so setzte ich mich dann auch zu ihm. Ich fühlte mich wie ein kleiner Junge, der vor dem höchsten Gericht saß und viel Mist verzapft hatte. „Ich habe dir vorhin schon einmal gesagt, dass ich das nicht gerne tue und mir das sehr unangenehm angesichts deines eigentlichen Alters ist“, sagte er zu mir und hatte den Blick weiter geradeaus gerichtet. Ich versuchte ruhig zu atmen. „Ich weiß auch nicht mehr wirklich, was ich dir sagen soll, außer, dass ich dein Verhalten mehr als unangebracht finde. Ich möchte gar nicht erst mit Konsequenzen drohen, weil ich das albern finde, aber sag mir, was ich machen soll?“ Nun schaute er mich kurz eindringlich an und hatte den Blick danach weiter auf den Tisch gerichtet. „Ich meine damit gar nicht die Sache mit Emmett“, er wandte den Blick wieder ab, „sondern wie du mit Tanya umgehst. Bitte bedenk, dass ihr Los viel schwieriger ist als deines. Natürlich müsst ihr beide Verantwortung tragen, aber sie trägt das Kind aus. Was glaubst du, wie sie sich fühlt, wenn der Vater des Kindes ihr gegenüber so abweisend und feindlich eingestellt ist?“ Wieder schwieg ich, als er kurz den Kopf zu mir gewandt hatte. „Reiß dich ihr gegenüber zusammen“, bat er. „Sie leidet mindestens genauso unter der Situation wie du und ich bitte dich inständig, dich um sie zu kümmern. Nicht als Paar, sieh’ es als baldige Eltern oder Freunde. Ich weiß, dass dich das überfordert, besonders angesichts der Sache mit Bella-“ „Dad?“, unterbrach ich ihn matt. Er verstummte, sah mich von der Seite geduldig an und nahm mir die Unterbrechung nicht übel. „Bella hat es beendet. Sie hat sich von mir getrennt und gibt uns keine Chance mehr. Nicht mal die Wochen, bis sie fliegt“, gestand ich tonlos. „Du brauchst dir keine Sorgen machen.“ Er legte mir eine Hand mitfühlend auf die Schulter. „Glaub’ mir, ich bin nicht glücklich darüber, wenn es dir so schlecht geht, aber eure Entscheidung und sei es nur Bellas, war sehr vernünftig. Ich hoffe, dass du damit zu recht kommst, wirklich.“ Das hoffte ich auch, so sehr. Ich wusste nur nicht wie. Mein Körper, mein Geist, meine Seele hingen an ihr. Sie war wie ein Komet in meine Welt eingedrungen, hatte sie irgendwann im Sturm erobert und nun ließ sie sie einsam und führungslos zurück. Mein Vater wartete einen Augenblick in die Stille, atmete dann durch und fragte: „Bist du im Stande mit Tanya und mir gemeinsam zu reden? Ohne Vorwürfe, Ausflüchte und Schuldzuschreibungen?“ Ich nickte, denn ich hatte keine Wahl. Ob es heute oder morgen war, spielte keine große Rolle. „Bitte versuch’ sie etwas aufzumuntern oder ihr wenigstens die Angst hinsichtlich deiner Verantwortung zu nehmen; dass du für sie da bist und sie unterstützt“, bat er mich weiter. „Ich weiß sehr gut, wie viel ich verlange, du weißt, ich bin selbst früh Vater geworden.“ Er klopfte mir sanft auf den Rücken und stand auf. Langsam schritt er zur Tür, ehe er sich umdrehte. „Und ich bereue es nicht“, sagte er lächelnd. Ich sah ihm nach, ehe ich ihm folgte. Und das, obwohl ich nicht mal sein leibliches Kind war… er war ein bewundernswerter Mann. Ein wundervoller, sich aufopfernder Mensch. Jemand, der ich nie sein würde, egal, wie sehr ich es auch versuchen mochte. So viel Selbstlosigkeit würde ich nie besitzen – und dafür schätze ich ihn mit jedem Tag mehr. Tanya und mein Vater saßen auf der kleinen Couchecke im Büro. Ich setzte mich neben Tanya, da nur noch dort Platz war – ob jetzt beabsichtigt oder unbeabsichtigt, von wem auch immer, wusste ich nicht. „Folgendes“, erhob mein Vater das Wort und sah mir in die Augen, „ich habe heute, obwohl es Sonntag ist, einen Termin bei Tanyas Gynäkologin gemacht, allerdings in der Klinik. Sie wird Tanya komplett untersuchen und auch einen Ultraschalltest machen. Hinterher bekommst du auch deinen Mutterpass“, berichtete er in Tanyas Richtung, die nur nickte. Dann wurde es still und ich merkte, wie Tanya nervös neben mir saß und dann kleinlaut fragte: „Willst du mitkommen?“ Wie konnten zwei Buchstaben so viel Überwindung kosten? So viel Zwang, es auszusprechen? „Ja“, meinte ich mit trockenem Hals. „Gut“, ich hörte die Erleichterung heraus, mein Vater blickte Tanya an. „Dann ist das geklärt und ich werde dich nicht bringen, das macht dann Edward.“ Ich nickte ihm zu und verließ vor Tanya das Zimmer, den Flur und das Haus. Ein eigenartiges Gefühl, wie sie so neben mir im Auto saß und wir zu ihrer ersten „richtigen“ Untersuchung fuhren. Tanya nestelte noch am Gurt herum und ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Unter dem dicken Pullover würde niemand erkennen, dass sie schwanger war. Das empfand ich als angenehm, denn es steigerte dann die Präsenz des Themas nicht noch zusätzlich. „Edward?“, fragte sie zaghaft. „W-Willst du mal fühlen?“ Sie schob den von mir eben so vergötterten Pullover hoch, das Shirt darunter auch, bis ihr Bauch nur noch von einem weiteren, eng anliegenden Shirt benetzt war. Ich hätte fast aufgeseufzt, denn nun war es mehr als erkennbar, wenn man darauf achtete. Tanya sah mich fragend, zunehmend unsicherer, an. Ich erinnerte mich wieder an ihre Frage. „Äh, ja“, sagte ich, legte die Hand lieblos auf ihren Bauch und nahm sie dann wieder herunter. Warm und fest, war ihr Bauch an dieser minimalen Wölbung. Mehr nicht, dachte ich. Noch merkte man nicht viel, aber es schien ihr scheinbar doch wichtig zu sein, dass sie dort mal anfasste. Ich startete den Wagen, nachdem keiner mehr etwas sagte. Tanya neben mir tat mir fast leid. Ihr schien es wirklich nicht gut zugehen – doch vermochte ich das im Augenblick nicht zu ändern. Dazu sah ich mich nicht im Stande. „Hast du dir überlegt“, begann sie zaghaft, den Blick auf ihre Hände gerichtet, „wie wir das alles machen sollen?“ Mir steckte ein harter, fester Kloß im Hals, als sie mich so ängstlich von der Seite ansah. „Keine Sorge, ich lasse dich nicht im Stich“, sagte ich tonlos. Denn alles andere würden meine Eltern sowieso nicht zulassen, ergänzte ich in Gedanken. Ich wollte sie anlächeln, starrte jedoch nur geradeaus. Es ging nicht. Wie sollte ich ihr Mut machen, wenn ich das alles so sehr hasste. „Ja, ja ich- danke“, murmelte sie durcheinander, „aber in der Öffentlichkeit… wie geben wir uns da? Was sagen wir? Was- was ist mit uns?“, sprudelte es aus ihr heraus. Nichts, verdammt Tanya, nichts ist mit uns!, schrien meine Gedanken sie an. Meine Lippen brachten hervor: „Wir werden sehen.“ Traurig senkte sie den Blick. Das war ja nicht mit anzusehen, schnaubte ich innerlich und nahm meine ganze gute Kinderstube zusammen, ehe ich gestand: „Es tut mir leid, dass ich dir dazu mehr nicht sagen kann. Ich weiß, dass du dir momentan jemand anderes an deiner Seite wünschst.“ Tanya schüttelte den geneigten Kopf. Ich unterdrückte ein Seufzen und hoffte inständig, dass sie mich nicht mehr liebte; dass ich sie so sehr verletzt hatte, dass sie nie wieder etwas Positives für mich empfinden würde. Allenfalls für den Vater ihres Kindes. Unseres Kindes… Eine Ärztin mittleren Alters steuerte uns an und Tanya stand sofort von der Stuhlreihe, im so gut wie leeren, Flur auf. Mein Zeichen, dass es ihre Ärztin war und ich tat es ihr gleich. „Hallo Miss Denali“, grüßte die kurzhaarige Frau, deren Locken beim Hände schütteln leicht wippten. „Danke, dass sie heute ausnahmsweise für mich Zeit haben“, bedankte sich Tanya höflich. „Natürlich. Als Dr. Cullen mir das heute Morgen berichtet hat, war ich selbstredend gerne bereit dazu. Herzlichen Glückwunsch“, zwitscherte sie aufrichtig, denn eigentlich tat man das auch. Gratulieren. Mir wurde schlecht. Dermaßen schlecht. Tanya nickte mit einem kleinen Lächeln, bevor die Ärztin auf mich, der ich noch etwas abseits stand, zukam. „Edward Cullen“, sagte sie herzlich und nahm ebenfalls kurz meine Hand. Ich war irritiert, ob sie mich von irgendwoher kannte und ich sie kennen müsste oder ob ich ihr einfach durch meinen Vater bekannt war. „Carla Nueno, freut mich sehr. Ihr Vater hat mich unterrichtet. Dann Ihnen auch herzlichen Glückwunsch.“ Sie lächelte. „Danke“, presste ich so eben aus mir heraus. „Ich würde gerne zunächst mit Tanya allein reden und ein paar Untersuchungen mit ihr machen. Zum Ultraschall würde ich Sie dann dazuholen“, sagte Frau Nueno zu mir und wand sich dann zu Tanya. „Wenn dir das Recht ist.“ Zu meinem Leidwesen nickte Tanya knapp. Sie schaute mich nicht an und verschwand dann mit der Ärztin hinter der nächstgelegenen Tür. Ich versuchte durchgehend ruhig zu atmen, auch wenn mich das alles mehr mitnahm, als ich es mir eingestehen mochte. Noch viel schlimmer war in diesem Augenblick, dass ich nicht an Tanya, nicht an das Baby, nicht an die Zukunft, nicht an mein neues bzw. kommendes Leben dachte, sondern an Bella. Meine Gedanken kreisten nur um sie. Jedes Lächeln von ihr in meinem Sinn, jedes Wort von ihrer himmlischen Stimme, das in mir erklang, peinigte mein Inneres. Und doch: Schöne Erinnerungen. Selbst bei diesem Wort – Erinnerung – wurde ich schmerzlich darauf hingewiesen, dass Bella uns nicht mal die nächsten Wochen hier gab. Nicht mal das. Wenigstens das. Vielleicht hätten wir Wege gefunden, irgendetwas. Wir hätten gemeinsam überlegen können, es musste doch eine Lösung geben- Aus dem Behandlungszimmer ertönte lautes Schluchzen. Es riss mich hart in die Gegenwart. Tanyas Stimme drang mal aufgeregt, mal piepsig, mal hoffnungslos, durch die Wände. Ich verstand jedoch kein Wort – andererseits verstand ich sehr gut. Sie war verzweifelt, sie hasste das Ganze genauso wie ich. Ich schloss fest die Lider. Das wollte ich alles nicht hören. Ich kam doch selbst kaum mit allem klar… Die Tür öffnete sich wenige Minuten später. „Sie können reinkommen“, verkündete die Ärztin. Ich nickte matt und erblickte eine künstlich lächelnde Tanya mit gerötetem Gesicht. Sie legte sich gerade auf die Unterlage, während Mrs. Nueno angetippelt kam und mir den Hocker neben der Liege zuwies. Während die Ärztin Gel auf Tanyas Unterleib gab, erzählte sie mir: „Bislang kann ich keine Unregelmäßigkeiten oder Probleme feststellen. Nach den Befunden von Dr. Cullen gestern, werde ich vermutlich jetzt auch nichts Bedenkliches finden. Es sieht alles sehr gut aus“, lächelte sie mich an. Ich erwiderte es nicht halb so ehrlich. „Sie brauchen sich ebenfalls keine Sorgen zu machen, weil Miss Denalis Bauch noch so klein für die sechzehnte Schwangerschaftswoche ist“, sprach sie weiter zu mir. „Das ist bei zierlichen Mädchen mit noch härterer, muskulöserer Bauchdecke öfter der Fall. Auch das Kind wächst nicht gleich schnell, aber ich kann sie beruhigen, es ist alles im Rahmen des Normalen.“ Sie nickte mir freundlich zu, wartete keine Reaktion ab und fuhr mit dem Ultraschallgerät über Tanyas Unterleib. Tanya folgte dem Blick der Ärztin auf den Monitor und ich tat es ihr gleich. „So… da ist der Kopf, hier der Körper…“, zeigte Mrs. Nueno und ich hörte gar nicht richtig zu. Ich versuchte auch, bei gleichbleibend dorthin gerichteten Kopf, nicht hinzusehen. Das schwarz-weiße Wesen würde mein Leben in eine Richtung drehen, die ich verabscheute… Schuld hatte es jedoch nicht, musste ich mir eingestehen. „Das sieht alles gut aus. Ganz unauffällig“, schloss die Doktorin und schaute dann Tanya und mich im Wechsel an. „Möchten Sie das Geschlecht wissen? Dann würde ich die Einstellungen ändern und nachsehen, ob ich nun schon etwas erkenne“, fragte sie nach. „Vielleicht haben sie Glück. Das kommt vor, dass man es in dem Stadium schon sieht.“ Tanya nickte stumm, nachdem sie mich angesehen hatte. Ich tat es ihr, ihr zuliebe, gleich. Wie egal mir das war… Die Ärztin nickte, drückte eine paar Knöpfe und neigte sich konzentriert vor. „Hmmm…“, machte sie und führte den Finger zum Bildschirm, während das Bild hin und her wackelte. Tanya beobachtete es aufmerksam, während ich am liebsten laut geseufzt und die Augen verdreht hätte. „Wenn es das ist, wofür ich es halte, präsentiert uns das Baby gerade stolz, dass Sie beide einen Jungen bekommen“, berichtete Dr. Nueno. Ich sah sofort die Wärme in Tanyas Gesicht, als sie es erfuhr und wie hypnotisiert auf das undeutliche Bild schaute. Ein erster, winziger Anflug von Muttergefühlen für den Winzling. Ich fühlte mich fehl am Platze. Komplett. Als gehörte ich hier nicht hin, als würde ich hier nie hingehören, wurde es mir schlagartig bewusst. Danach verlief alles routiniert und schnell. Tanya zog sich an, bekam den Mutterpass, ein Ultraschallbild, wie ich – zu meiner Verstimmung – auch, ein nächster Termin wurde vereinbart und wir gingen. Das Foto brannte sich in meine Hosentasche ein und würde mich nun mein ganzes Leben lang verfolgen. Ein Leben ohne Bella. Sie ignorierte mich – zu meinem „Schutz“, dessen war ich mir bewusst. Die erste Woche, die erste unserer beiden letzten in der Uni, war bereits herum. Wir redeten nicht. Wenn sie etwas zu den Versuchen zu sagen hatte, war es mehr ein Selbstgespräch mit sich selbst. Ich erkannte in ihrem Blick, wie weh es ihr tat, doch niemand machte Anstalten, irgendetwas zu ändern. Wie sollte ich auch? Ich durfte es nicht, sie wollte es nicht, sie wollte die radikale Trennung, die sofortige. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich sie noch überzeugen konnte, dass das falsch war. Wie überzeugte ich sie davon, die Zeit noch zu nutzen? Wie nur? Tanyas und meine Eltern hatten sich in den letzten Tagen oft getroffen, geredet- nein, für uns bestimmt. Ich sollte Tanya ab und an treffen. Eis essen, ins Kino, einkaufen und so weiter, um in der Öffentlichkeit ein positives Bild von uns zu etablieren. Wir sollten wenigstens gute Freunde sein – jeder in meiner und ihrer Familie wusste, dass ihnen eine tiefer gehende Verbindung zwischen uns am liebsten war. Ich empfand es als unausstehlich. „Edward?“, trat meine Mutter fragend in mein Zimmer ein, der ich am Tisch über meiner Komposition tüftelte. In ungefähr zwei Wochen war das Abschlusskonzert, wofür ich nun Tag und Nacht mir die verhassten Symphonien beibrachte. Meine Prüfungen waren dagegen läppisch, weil ich die Stücke liebte und die theoretische Klausur befasste sich mit einem meiner Lieblingsthemen – Stilkunde in der historischen Musikwissenschaft –, was also auch kein Problem darstellte. „Tanya und Carmen kommen gleich zum Essen, du-“ „Ich habe gleich Probe, tut mir leid“, murmelte ich ohne aufzusehen. „So spät noch?“, fragte sie misstrauisch. Ich sah auf und versuchte zu verbergen, wie genervt ich war, dass sie mir nicht glaubte, wenn es um eine Ausrede bezüglich eines Treffens mit Tanyas ging. „Mum, Mr. Cato setzt in jeder freien Minute Proben an. Wenn’s nach ihm ginge, würden wir Nächte durchmachen und die Probe heute ist erst um sechs“, erklärte ich so freundlich wie möglich. Ich schaute auf die Uhr, die halb sechs anzeigte. „Ich muss dann auch“, teilte ich ihr mit und packte meine Zettelstapel zusammen. Meine Mutter beobachtete mich noch kurz und schloss dann die Tür hinter sich. Und ja, dachte ich, natürlich drückte ich mich und war Mr. Cato sehr dankbar dafür… Bella Er ging mir nicht aus dem Kopf. Das Gefühl ging mir nicht aus dem Kopf. Das Gefühl, wenn ich ihn in dem Labor neben mir sitzen sah. Das Gefühl, was aufkam, wenn er konzentriert auf den Gasbrenner sah, wenn er mir das Reagenzglas abnahm, wenn ich morgens von ihm begrüßt wurde. Das Gefühl unsterblich verliebt zu sein, sich ihm hingeben zu wollen und einfach nur jede Sekunde, in der ich und er atmeten, gemeinsam genießen zu können. Aber ich konnte es nicht zulassen… Noch eine Woche, dann würde ich meine ersten vier Klausuren schreiben und Anfang der zweiten Woche direkt die zwei letzten. Da mein Flieger erst an dem Montag darauf ging, hatte ich überlegt meinen Flug eher zu nehmen, um schneller hier fort und schneller wieder dort zu sein, bei meiner Mutter. Diese war allerdings nicht begeistert. „Bella, denk’ doch mal an deinen Vater“, sagte sie bei unserem ersten Gespräch seit der Sache mit ihrer Abschlussuntersuchung. Wir hatten nur SMS geschrieben, weil ich ein Gespräch bewusst umgangen war und es mir vor einem Thema grauste… „Und was ist eigentlich mit diesem Edward?, begann meine Mutter am anderen Ende. „Möchtest du nicht auch noch mit ihm Zeit verbringen? Habt ihr euch überlegt-“ „Ich werde Dad gleich anrufen, um mit ihm ein paar Tage auszumachen, in der wir uns dann treffen“, warf ich schnell ein. „Wie geht es mit der Behandlung voran?“ „Lenk nicht ab, Schatz, ich habe dich zuerst was gefragt“, sagte sie mit einem Grinsen in der Stimme. Es klang auch als zwinkerte sie mir zu. „Ich erzähle dir alles, wenn ich bald wieder bei dir bin, okay?“, schlug ich vor und musste dafür all meinen Mut zusammen nehmen. „Wir können dann aber nicht über eure Zukunft reden. Mir wäre es lieber, du erzählst es mir jetzt“, bat sie sanft. „Und mir wäre es lieber, wenn du mir sagst, wie es dir geht, damit ich gleich beruhigt weiterlernen kann“, wandte ich ein, einen Hauch kühler als gewollt, denn ich wusste, dass ich sie damit überzeugen konnte. Sie würde nicht wollen, dass ich mich hier sorgte und mein Studium sowie meine Prüfungen vernachlässigte. Sie seufzte laut. „Gut, ich bin zwar unglaublich neugierig, aber gut“, gab sie preis und erzählte mir dann, welche Behandlungen sie bislang über sich hatte ergehen lassen, die aber alle eher vorläufig waren, da die Ärzte immer noch unentschieden waren und sie selbst auch. Sie wollte warten, bis ich da war und dann gemeinsam eine Entscheidung treffen. Ich legte auf und versprach ihr noch, Dad anzurufen, was ich dann auch tat. Eure Zukunft, hatte sie gesagt. Es gab nur meine und Edwards. Kein euer, kein uns. Montag – einer der letzten Tage mit Edward. Ich löschte seine Nummern aus meinem Handy. Dienstag – der vorletzte Tag mit Edward. Ich legte den Ring ab. Mittwoch – der letzte Tag mit Edward. Heute würde ich mich verabschieden und ihm den Ring wiedergeben. Er verweilte in meinem Etui. Ich war nervöser als sonst. Das wohl möglich letzte Wiedersehen mit ihm in meinem Leben… „Morgen“, sagte ich leise, nachdem er mit einem viel fröhlicheren „Guten Morgen, Bella“, gegrüßt hatte. Ich riss mich zusammen, zog mir Schutzkleidung an und analysierte erst mal die Situation. Der Tisch war voll, komplett voll, mit einer Versuchsapparatur. Mein Blick glitt über die Tische der anderen Versuchsgruppen, die nicht halb so voll waren. „Ich habe mir erlaubt, die Zusatz- und Kontrollversuche direkt mit aufzubauen, da heute das letzte Mal ist und wir die schnellsten bislang sind“, klärte Edward mich auf, während ich ihn nicht ansah. „Wir müssen uns allerdings beeilen, damit wir es in der kurzen Zeit schaffen.“ Ich nickte knapp und las den Zettel mit den Versuchsdurchführungen durch. Das schafften wir nie… Edward reichte mir Materialien und begann bereits selbst. Ich biss mir unauffällig auf die Unterlippe, als mich seine Stimme nachträglich erschaudern ließ. Mein Blick fiel seitlich, ohne den Kopf zu drehen, auf ihn. Mit andächtigen Bewegungen, die sanft, wie sein Klavierspiel, erschienen, goss er Flüssigkeiten zusammen, mikroskopierte, erhitzte. Mich auch. Unweigerlich. Gab es etwas undankbareres, als den Menschen ignorieren zu müssen, den man so sehr liebte? „Das hier bitte nachsehen“, sagte er, deutete auf einen Begriff im Text und schob mir das Mikroskop zu. Die Schwingungen zwischen uns waren merkwürdig… irgendwie erwartungsvoll. Ich wischte jeglichen Gedanken fort und konzentrierte mich von da an nur noch auf die Arbeit – nicht auf ihn. Natürlich wurden wir nicht fertig. Das hätte ich ihm auch gleich sagen können, dachte ich. Nicht mal den Versuchsabbau hinterher, schafften wir in den eineinhalb Stunden. „Ich muss zu meinem nächsten Seminar“, sagte der Dozent zu uns. „Mr. Cullen, geben Sie den Schlüssel“, er deutete auf das Pult, „bitte nachher im Sekretariat wieder ab?“ „Selbstredend“, antwortete Edward hochgestochen, ehe ich die Konsequenzen verstand. „Sie können sich auf mich verlassen.“ „Davon gehe ich aus“, nickte Mr. Pomary uns zu und verschwand. Ganz einfach. Eine ganz einfache Konsequenz: Wir waren allein. Gut, sagte ich mir, Ruhe bewahren, ihr seid fast fertig und du kannst ihm dann den Ring wieder geben. Ich entkleidete mich zügig, hing die Laborkleidung weg und gab Edward nach seiner kurzen Aufforderung die letzten Behälter. Edward legte selbst seinen Kittel ab und packte seine Sachen zusammen. Einschneidende Stille… „Edward?“, begann ich mutig und hielt mein Etui, das letzte, was nicht eingepackt war, in der Hand. Er stand wartend direkt vor mir – und neugierig, ich hatte ihn seit zwei Wochen nicht direkt angesprochen. Ich kramte darin und fand den Ring. Mit gesenktem Haupt legte ich ihn ihm, mit so wenig Berührungen es möglich war, in die Hand. Doch allein schon der kleinste Kontakt mit ihm, kitzelte mein Innerstes sanft wie eine Federspitze die Luft. „Du gibst ihn mir zum zweiten Mal wieder, nachdem ich ihn dir zwei Mal geschenkt habe?“, fragte er mit einem undefinierbaren Unterton. Ich nickte. „Ja.“ Sein Blick brannte sich in mein Gesicht, während ich herabsah. „Gut“, murmelte er zu meiner unerwarteten Erleichterung. Ich hätte nicht gedacht, dass er es mir so leicht machte. Nein. Nein, natürlich machte er es mir nicht leicht. Ich wollte mich von ihm abwenden, doch er ergriff meine Hand, sodass ich zu ihm gedreht stehen bleiben musste. Rasch hob er meine Hand zu seinem Gesicht. Mir stieg Hitze in die Wange. Genauso so langsam, wie zuvor schnell, legte er die warmen, weichen Lippen auf meinem Handrücken ab und schaute mit tiefen, glanzvollen grünen Augen zu mir auf. Mein Herz schnellte unweigerlich in meiner Brust. „Ich weiß von Mr. Pomary, dass wir uns für die Prüfung dringend unseren allerersten Versuch angucken sollten“, hauchte er mir mit seiner Samtstimme entgegen. „Besonders die Stelle, an der du damals etwas nachgeschlagen hast, weil wir unterschiedlicher Meinung waren…“ Ich starrte ihn an. Rauschend durchströmten mich seine Worte, als er meine Hand freigab. „Ich bitte dich inständig darum“, sagte er nachdrücklich, mehr ein Flehen. „Okay“, flüsterte ich, zuckte zurück und eilte mit meinen Sachen aus dem Raum. Ich floh in meine lange Mittagspause, rannte in die Bibliothek, wo ich bis zur Vorlesung in den späten Nachmittagsstunden bleiben würde. Mein Appetit war mir sowieso vergangen. Ich schmiss meinen prallen Ordner, gefolgt von allem anderen, auf den runden Tisch in meine Lieblingsecke. Regen. Laut und doch geschmeidig prasselten die unendlich vielen Tropfen gegen die Scheibe vor mir und ließen mich einen Augenblick inne halten und Ruhe finden. Ich atmete mit geschlossenen Augen durch und versuchte einen Moment nicht an ihn zu denken, ehe meine Gedanken wieder mit mir Amok liefen. Was hatte er gesagt? Der erste Versuch? Was hatte ich nachgeschlagen? Der erste Versuch würde ganz sicher nicht Gegenstand der Prüfung werden, weil es mehr eine Wiederholung gewesen war, eine Einleitung. Das konnte Mr. Pomary ihm nicht gesagt haben, das hatte er missverstanden – zumal Mr. Pomary die Klausur nicht stellte. Ich schüttelte den Kopf. Wollte er sich über mich lustig machen? Mein Blick glitt über meinen Ordner. Ungeduldig und doch neugierig langte ich danach und schlug die Seite mit dem ersten Versuch auf. Ich las alles, es war nicht sehr viel, noch mal durch. Und? Was war damit? Ich tippte mit den Fingern auf dem Tisch, während ich mit dem Stuhl nach hinten, gegen das Regal, kippelte. Hätte er nicht einfach „Mach’s gut und tschüß“ sagen können? Und sich nicht so ein mühsames Geheimnis hüllen können? Seufzend blätterte ich im Ordner. Was hatte ich denn damals nachgeschlagen? Worüber waren wir uns uneinig gewesen… Bei einer Seite, die vergleichsweise schwerer war, hielt ich inne. Mir klappte der Unterkiefer herunter und ich kippte mit dem Stuhl nach vorn, zum Tisch hin, um mich näher darüber zu beugen. Ein wenig unbeholfen war eine Karte einklebt worden, die direkt auf einer Definition, ich erinnerte mich wieder daran, prangte. Ich löste die Karte ab. Das war nicht irgendeine: Orangener Rahmen, dunkelblauer Hintergrund mit gelber Schrift – eine Eintrittskarte für das Musikkonzert. Auf der Rückseite war ein kleiner Zettel aufgeklebt: Um halb acht wartet ein Fahrer auf dich, ob du kommst oder nicht. Mein erster, instinktiver Affekt war, die Karte in zwei zu reißen, um seine Unverschämtheit zu tadeln. Doch mit diesem Affekt kehrte sein bittendes Gesicht mir in den Sinn. Ich hatte noch Alice’ dunkelblaues Kleid von- Bella! Da gehst du nicht hin!, schärfte ich mir ein. Das ist an dem letzten Montag vor deinem Abflug und somit hast du an diesem Tag und an dem darauf eine Klausur. Schmink’ es dir ab! Ich legte den Kopf seitlich auf die verschränkten Arme, die auf dem Tisch ruhten, starrte die Karte an, ehe ich die Augen schloss – mich an sein wunderschönes Spiel erinnernd. Seine Hände auf meinen. Seinem Spiel lauschend. So stelle ich mir dich vor… Ich lernte stur weiter, bereitete mich weiter vor, dachte nicht mehr daran. Die Karte stets auf meinem Nachttisch. Wie eine Maschine, wie ein Pferd mit Scheuklappen, wie ein Zug, der nur den Schienen folgen konnte, schrieb ich meine Klausuren. Keine Ablenkungen, keine Gefühle, nur der Lernstoff, die Prüfungen und mich. Ich funktionierte. Das tat nicht so weh, wie die ganze Zeit zu grübeln. Doch auch wenn es nicht schmerzte, war es dadurch nicht angenehm. Sonntag, meine ersten vier Klausuren hatte ich hinter mich gebracht, rief ich meinen Dad und Mum an. Erzählte ein bisschen wirr, tat meine Pflicht und ging früh schlafen – anders, ich ging früh ins Bett. Morgen war das Konzert… war es kindische Sturheit nicht hinzugehen oder erwachsene Vernunft? Oder keines von beidem, weil Liebe weder kindisch, noch erwachsen war? Tick. Tack. Ich atmete durch, hellwach auf die Karte blickend. Etwas klirrte draußen. Ich wälzte mich auf die andere Seite, die Karte nun in der Hand. Mein Vorhang wölbte sich vom Wind. Ich legte die Karte beiseite. Es hatte jedenfalls nichts mit Vernunft zu tun. Ich vertagte die Entscheidung. Mit einer unverblümten Verbissenheit schrieb ich die Klausur letztlich passabel, wie ich glaubte. Ich war nicht verbissen, um des Leistungsgedankens, des Willens, eine gute Note zu bekommen. Nein, nicht vordergründig. Ich war verbissen, meine Gedanken beisammen zu halten und bei dem Thema auf dem Blatt vor mir zu bleiben, schaffte es jedoch und ging geradewegs durch den plätschernden Regen nach draußen. „Mistwetter“, fluchte ich in der Wohnung angekommen und duschte erst einmal ausgiebig und vor allem heiß. In einer Stunde würde ein Fahrer vergebens warten, seufzte ich in Gedanken – in erster Linie, um es mir selbst bewusst zu machen. In Bademantel setzte ich mich, an einem Brötchen kauend, zu Tisch und las meine Zusammenfassung für Morgen durch. Meine Finger trommelten auf dem Buch neben mir. Ich konnte den Blick kaum am Blatt heften, weil ich wusste, dass ich das alles beherrschte. Die morgige Klausur würde nicht allzu schwer werden… Viertel vor acht. Ich würde ihm wenigstens absagen. Solch eine gute Kinderstube besaß ich. Rasch tippte ich „Tut mir leid, Edward, ich komme nicht“, ins Handy und suchte vor dem Senden nach seiner Nummer. Verträumt suchend dämmerte mir erst beim dritten Suchversuch, dass ich Edwards Nummer gelöscht hatte. Ich starrte auf den Text. Ich würde nicht hingehen… ich würde nicht kommen… Blitzartig sprang ich auf und hob Alice’ dunkelblaues Kleid aus der Tüte. ----------- Würde mich riesig über Kommis freuen :)^^ Kapitel 21: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 7 (Bella) ------------------------------------------------------ Musik: Roxette - Listen to your Heart http://www.youtube.com/watch?v=y7R_WjQ0ELQ Sam Tsui - Hold it against me http://www.youtube.com/watch?v=uxTDK1S5qJ0 Ok... das erste Lied ist echt alt, aber es passt wie faust aufs auge zu diesem Kapitel! Sowohl von der Stimmung, als auch vom text, es ist so perfekt zu diesem Kap! Das zweite Lied ist ganz neu und ein GENIALES cover von einem sonst nicht so dollen lied von britney spears, aber das ist echt hamma,... und das lied passt, finde ich, auch sehr... es beschreibt den etwas zerrissenen teil in diesem kap, obwohl der song vor "listen to your heart" doch das nachsehen hat iwie..... aber entscheidet selbst ;)^^^^ http://img171.imageshack.us/img171/7707/bannerteil7.jpg Ich wusste nicht, was meine Meinung geändert hatte, doch das hatte sie sich. Vielleicht war es das Pflichtbewusstsein gewesen, weil ich nicht absagen konnte. Vielleicht war es der Anstand gewesen, ihm kein zweites Mal einen Korb zu geben und mich zu drücken. Vielleicht war es auch einfach nur die Angst gewesen… Angst, ihn nie wieder zu sehen… „Miss Swan?“, fragte mich der schick gekleidete Chauffeur, der vor dem schwarz glänzenden Auto stand, erwartungsvoll. „Ja“, nickte ich hastig und fühlte mich sehr gehetzt, obwohl ich seit meiner Entscheidung eine dreiviertel Stunde Zeit gehabt hatte. Doch irgendwie war diese, mit fönen, anziehen, schminken und Handtasche packen, wie im Fluge vergangen. Er hielt mir die Tür hinten auf, setzte sich selbst auf den Fahrersitz und fuhr wortlos los, wie die Fahrt dann ebenfalls verlief. Ich hing meinen Gedanken nach, die von dem nahezu schmerzhaften Pochen meines Herzens lauthals gestört wurden. Dieses Konzert war Edwards Konzert, dachte ich, die Karte fest in den Händen haltend. Überall prangte sein Name am größten und es war nicht schwer zu erahnen, dass er eine tragende Rolle spielen würde – im wahrsten Sinne des Wortes. Am Treppenaufgang zur Universität wurde ich abgesetzt, jener war nicht wiederzuerkennen. In die klare Dunkelheit schienen überall Lichter an den Geländern und selbst die Brunnen, durch die zurzeit kein Wasser floss, waren geschmückt und beleuchtet. Bewundernd machte ich mich auf den Weg und mir fiel auf, dass der ganze Weg zur ein wenig versteckten Aula in diesem leuchtenden Stil gekennzeichnet war. Mit mir strömten auch viele andere, sehr edel gekleidete Leute, zum Konzertsaal. Die ganze hochwohlgeborene Gesellschaft von Seattle, musste ich etwas darüber herziehen. So wirkte es auf mich. Nachdem die Karten kontrolliert und eingerissen wurden, schaute ich mich im bereits gut gefüllten Saal um, damit ich meinen Platz fand. Die Bühne war bereits mit Stühlen und den Instrumenten versehen. In der Mitte prangte das Klavier, in mehreren Halbkreisen darum die übrigen Stühle. Das alles, die prunkvolle Halle, die Atmosphäre, wirkte gigantisch auf mich. Überrascht stellte ich fest, während ich suchend die Treppen herunterging, dass ich einen gehobeneren Platz in der Mitte hatte, direkte Sicht auf das Klavier. Bei der Vorstellung, dass Edward gleich, in nicht weniger als zehn Minuten, dort stehen würde, pulsierte das Blut in meinem Körper noch schneller. Ich nahm das Programm von meinem angenehm gepolsterten Sitzplatz und warf einen Blick hinein. Wie ich richtig gedacht hatte, war Edward in jedem Stück, das ein Klavier vorsah, dabei. Seine Eigenkomposition wurde von ihm als krönender Abschluss gespielt. Da ich von dem Rest sowieso keine Ahnung hatte, verweilte das Programm im Weiteren auf meinem Schoß. Ich ließ den Blick wartend umher schweifen, um zu schauen, ob ich jemanden erkannte – was eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen war. Viele Studenten aus meinem Fachbereich würden nicht hier sein und ganz davon abgesehen, kannte ich die ja sowieso kaum. „Die lassen sich wirklich etwas einfallen, letztes Jahr war die Beleuchtung ganz anders-“ „Schatz, das weiß ich wirklich nicht mehr…“ Ich sah herab und erblickte zwei Reihen unter mir die Cullens inklusive Rosalie und Jasper eintrudeln und Platz nehmen. Mit ihnen setzte sich auch die Familie von Tanya in die Reihe. Allerdings waren die jüngeren Schwestern nicht dabei. Wie ich erkennen konnte, trug Tanya kein Kleid, sondern einen grauen Hosenanzug der ihr Bäuchlein geschickt kaschierte, sodass man es kaum sah, wenn man nicht aufmerksam hinsah oder es wusste. Ihre Mutter schien der Solidarität halber auch einen Anzug angezogen zu haben. Mrs. Cullen, die noch stand und sich an der Decke interessiert umsah, bemerkte mich. Ihr Lächeln war erst sehr herzlich, doch auf einmal wurde ihr Gesichtsausdruck matt, ehe sie sich eines besseren besann, künstlich – wie ich fand – lächelte und grüßte. Ich tat es ihr, wie auch den anderen Cullens, die ebenfalls zu mir hoch nickten, gleich. Sie wirkten reserviert mir gegenüber, abgesehen von Emmett natürlich der mich vergnügt anzwinkerte und grinste, während Alice und die Denalis gar nicht grüßten. Alice wirkte genau wie am Anfang, wo sie mir gegenüber scheinbar nicht wohl gesonnen gewesen war. Nachdenklich glaubte ich zu wissen, woran das lag. Sie war mit Tanya befreundet und daher vermutlich auf ihrer Seite. Sie hatte mich anfangs nicht gemocht, weil ich plötzlich die Neue an Edwards Seite gewesen sein musste und nun auch nicht mehr erwünscht. Mir war mulmig. Natürlich mochten sie mich alle nicht mehr, weil ich Edwards Leben noch weiter durcheinander rütteln konnte, als es das sowieso schon war. Eine Liebhaberin konnte Edward neben der schwangeren Tanya jetzt, in den Augen seiner Eltern, kaum benötigen. Aber Sie brauchen da keine Bedenken zu haben, Mr. und Mrs. Cullen, sprach ich die beiden innerlich an. Selbst wenn Edward nicht vernünftig war, ich würde es sein. Ich hatte am eigenen Leibe erfahren müssen, was es hieß, ein Teil seines Lebens ohne den Vater verbringen zu müssen – dies, geschweige denn ein ganzes Leben, wünschte ich niemanden und erst recht nicht dem ungeborenen Kind. Ich würde die Abneigung schon durchstehen, dachte ich insgeheim, und das Konzert begann. Vor jedem Stück trat ein runderer, in schwarzem Anzug mit Krawatte gekleideter Mann nach vorne und gab einige Information zu dem Stück oder den Solisten zum Besten. Aus dem Programmheft erfuhr ich, dass dieser Mann ein gewisser Mr. Cato war, Musikdozent und Hauptverantwortlicher für die Semesterkonzerte. Mir hatte kurz der Atem gestockt, als Edward zum ersten Mal auf die Bühne getreten war. Sein Körper war verhüllt durch einen schwarzen Frack, ein weißes Hemd darunter und schwarzen edlen Lackschuhen. Eine schwarze Fliege zierte seinen Hals, während das Haar von ihm ordentlich zu Recht gemacht war und nicht leicht zerzaust und wuschelig wie sonst. Es war unglaublich, welchen Charme er in diesem klassischen Aufzug versprühte. Er wirkte völlig edel und wie ein ehrwürdiger Pianist auf mich, sodass mein Herz es sich erlaubte, zu flattern. Ich konnte mir nicht verwehren, dass ich ihn hinreißend, gar umwerfend fand. Wäre sein zartes Klavierspiel nicht so eingehend gewesen, hätte ich wohl nur seine betörende Silhouette angestarrt – und ich ertappte mich auch, dass ich es tat, denn Edward war ununterbrochen am Klavier. Wenn kein Stück mit dem Orchester gespielt wurde oder kein Klavier gebraucht wurde, stand er feinsäuberlich aufgereiht am Rand und trat zu den Umbaupausen bzw. Künstlerwechseln auf die Bühne und spielte ein paar bekannte Melodien. Nachdem eine Toiletten- und Getränkeunterbrechung gemacht wurde, verging die Zeit relativ schnell bis zu Edwards prunkvoller Abschlusssymphonie. Ab und an warf ich einen Blick herab zu Edwards Familie, die alle samt anerkennend klatschten, während Mrs. Cullen – stolz, wie es schien – ihrem Mann ab und an etwas ins Ohr flüsterte. „Sehr verehrte Damen und Herren“, trat nun wieder Mr. Cato auf die Bühne, während Edward neben ihm stand und ein paar Streicher Platz genommen hatte. „Nun kommen wir zum Höhepunkt des Abends und von Ihnen mit Sicherheit lang ersehnter Moment-“ Verwirrt brach er ab, als Edward den Arm hob und ihm Einhalt gebot. Im Publikum wechselten mehrere Konzertbesucher irritierte Blicke, wie auch ich die Augenbrauen leicht zusammen kniff. Mr. Cato verstummte. „Sehr geehrte Damen und Herren“, erhob Edward nun das Wort. „Ich möchte Ihre Ohren nicht mit einer Aufwärmung, der im Programm genannten Symphonien belästigen, weshalb ich heute nicht das angekündigte Stück spiele.“ Nun war leises Gemurmel vernehmbar. Auch die Streicher auf der Bühne tuschelten aufgeregt. Man sah Mr. Cato deutlich an, dass ihm dies gegen Strich ging, doch er machte gute Miene zum bösen Spiel und lächelte nur – wenn auch gequält. „Die Symphonie, die ich Ihnen gleich zum Besten geben werde, entstammt mit einigen erkennbaren Elementen von Vivaldi und Debussy meiner Feder und ist einer ganz besonderen Person in meinem Leben gewidmet.“ Edward sah bedächtig auf – direkt in meine Richtung. Meine Wangen wurden heiß, als ich seinen warmen Blick empfing, obgleich sein Kopf mehr in Richtung seiner Familie – bzw. Tanya gerichtet – war. „Diese Person hat mir viel in sehr kurzer, viel zu kurzer Zeit gegeben“, sprach Edward rührend weiter, während mein Herz als einziger, für mich derzeit vernehmbare, Ton, laut pochte. Es schien nur eine Schneise zwischen Edward und mir zu geben – ich war gefesselt in seinem Augenblick. „Diese Person hat mich zu diesem Stück, genauso wie zu meinem ganzen Lebensweg, inspiriert und mir viele Dinge klar gemacht. Das Stück ist von mir ‚La sinfonia della bella sconosciuta’ benannt worden – ‚Die Symphonie des schönen Unbekannten’.“ Edward verbeugte sich und schritt an das Klavier. Mr. Cato stapfte so fröhlich und glücklich er konnte, bzw. dies vorspielen konnte, von der Bühne. Die Streicher folgten ihm verwirrt. Ich bemerkte, wie sich Mrs. Cullens Kopf zu mir hoch wandte, ihr Blick mir jedoch nicht galt und von ihr rasch gesenkt wurde, ehe sie sich wieder klatschend nach vorne drehte. Am Klavier sitzend atmete Edward tief in die nun aufkommende Stille ein. Er schloss die Augen, machte ein kurz angestrengtes, konzentriertes Gesicht und legte die Hände auf die Tasten. Ich spürte das Blut vor Aufregung in mir wallen. Er spielte für mich? Er spielte von mir?, fragte ich mich dann präziser, obgleich ich keine Antwort suchte. Seine Gesichtszüge glätteten sich, sobald er einhändig mit wenigen Tönen begann. Ein paar wenige Töne Clair de Lune von Debussy erklangen. Es war die Melodie der Spieluhr, als ich noch klein war und das war mein erster Berührungspunkt mit der Musik, kam mir seine sanfte Stimme von damals in den Sinn. Ich hielt meine Hände ineinander fest, spürte seine Berührungen auf ihnen nach, als wir damals jene Töne gemeinsam gespielt hatten. Nun ging sein Spiel, zweihändig, in eine andere Melodie über, die ich nur zu gut erkannte: Vivaldis Winter. Ein sehr einprägsames, impulsives Stück aus meiner Schulzeit, die er jedoch langsam und gemächlich spielte. Nach dieser Einleitung wie ich fand, begann er eigene Noten zu spielen – die mir aber auch bekannt waren, glaubte ich. Sie erinnerten mich an die Melodien, die er mir zu meinem Charakter damals, hier in der Aula, vorgespielt hatte und an die beiden Tonanreihungen, von denen ich eine aussuchen sollte, die mir besser gefiel. Zitternd, so schien es mir, saß ich da, lauschte und verfolgte mit meinen Augen das Schauspiel. Andächtig erklang es und berührte mich tief. Seine Hände streichelten die Tasten nahezu, als spielten sie nur für ihn von selbst. Mir stiegen Tränen der Rührung in die Augen. Die Symphonie des schönen Unbekannten… ich presste die Lippen sanft aufeinander, um einem Schwall Tränen stand zu halten. Wenn er doch nur wüsste, wie sehr ich nach einem Weg suchen wollte und wie innig ich mir bewusst war, dass es keinen gab. Ich liebe dich doch auch… Passagenweise wurde sein Stück schneller, das Edward inbrünstig, mit vollem Körpereinsatz weiterhin auswendig und zeitweise sogar mit hingebungsvoll geschlossenen Augen spielte. Es schien nie enden zu wollen… doch das tat es. Denn alles hatte ein Ende, jeglicher Genuss – nichts war von Dauer. Genauso wie dieses Herz zerreißende Stück für mich, welches er so zärtlich spielte. Mit einer leisen, hohen Endnote beendete er sein Spiel. Ließ sie ausklingen, während der ganze Saal sich weiterhin in Schweigen hüllte. Den Tränen nahe, bahnte sich eine schließlich den Weg über meine Wange. Edward stand langsam auf, während das Publikum immer noch paralysiert zu sein schien. Hatten sie es genauso oder auch nur annähernd so intensiv empfunden, wie ich? So sehr, wie mich klassische Musik noch nie mitgerissen hatte? Mit seiner Verbeugung erklang der zaghafte, dann lautere Applaus. Wenn ich mutig gewesen wäre, wäre ich aufgestanden, zu ihm gelaufen, wäre ihm in die Arme gefallen, hätte ihn geküsst. Doch es ging hier nicht um Mut, wenn ich ihn dadurch vor seiner Familie und der Gesellschaft von Seattle öffentlich brüskierte – ganz zu Schweigen davon, dass ich mit von Tränen gekitzeltem Gesicht derzeit gar nicht in der Lage war, irgendetwas zu tun. Selbst das Klatschen fiel mir schwer. Edward setzte ein smartes Lächeln auf, verbeugte sich dankend in alle Richtungen und schaute geradeaus zu seiner Familie auf. Dann zu mir. Elektrisch durchfuhr es mich, als mich seine grünen hypnotisierend zu durchfahren schienen und er seinen letzten Blick abwendete, um, zum ersten Mal heute, hinter der Bühne zu verschwinden. Mr. Cato trat vor und sagte irgendetwas. Irgendetwas Beschwingliches, vielleicht Milderndes, ich hatte keine Ahnung. Meine Gedanken waren von ihm augenblicklich eingenommen worden. Das Konzert wurde offiziell beendet. Vielerorts erhob man sich und es wurde aufgescheut geredet, während nicht Edward, sondern ein anderer Junge zum Klavier trat und ein Stück zum Austritt der Konzertbesucher spielte. Ich war mir sicher, dass das auch nicht so gedacht war. Nun, im Aufbruch des Publikums, hielt mich nichts mehr. Ich sprang auf, schnappte mir meine Tasche und das Programm und eilte, so schnell es mir möglich war, durch die Reihe und dann die Treppen hinab zur Bühne. Ich erklomm die wenigen Stufen zur Bühne und bahnte mir den Weg durch die Stühle zum Vorhang. Ich wusste, dass mir viele Blicke folgten, allen voran mit Sicherheit, die von Edwards Familie, doch ich konnte sie ignorieren, da ich nur noch zu ihm wollte – vom Verlangen getrieben. Ich glitt hinter den Vorhang und kam in herrschen Treiben an. „Sollten wir nicht noch auf die Bühne?“, fragte ein Mädchen mit einer Geige in der Hand. „Mr. Cato hat wohl darauf verzichtet oder sollen wir jetzt noch-“, schnappte ich die erregte Antwort der Violinistin neben ihr auf. Mit gerecktem Hals schaute ich mich weiter in alle Richtungen um, bis ich endlich Edward weiter hinten erkannte. „Edward!“, rief ich, um mich bemerkbar zu machen und sofort empfing ich seinen Blick mit den leuchtenden Augen. Doch bevor ich ihn erreicht hatte und er einen Schritt auf mich zu machen konnte, schob sich Mr. Cato vor. „Mr. Cullen!“, herrschte er ihn an. „Was sollte das?! Sind Sie von Sinnen?! Sie können nicht einfach tun und lassen, was Sie möchten!“, war er völlig außer sich und gestikulierte wild. Edwards Augen huschten immer wieder zu mir und er schien ihm gar nicht zuzuhören, was Mr. Cato nur noch mehr aufbrachte. „Das wird ein Nachspiel haben! Das schwöre ich Ihnen-“ „Entschuldigen Sie mich bitte?“, unterbrach Edward ihn im höflichen Ton und schlängelte sich elegant an ihm vorbei – zu mir. „Edward! Ich-“, begann ich und wollte ihm in die Arme stürzen, doch mit einer raschen Bewegung nahm er sanft meine Hand und zog mich in dem Gedränge hinter sich her. Ich versuchte, so hastig ich konnte, Schritt zu halten, ehe er mich durch eine Tür in einen Abstellraum für Instrumente schob und die Tür mit einem Klicken verriegelte. Es überkam mich und es war nichts Bewusstes, Steuerbares. Ich warf mich an seine Brust, schlang die Hände um sein Genick und küsste seine weichen Lippen beherzt. Edward hatte die Hände auf meine Taille gelegt und mich enger an sich gezogen, während er sich langsam an die freie Wand hinter sich lehnte und meine Küsse zärtlich erwiderte. Zeitlupenartige glitten unsere Lippen voneinander und wir blickten uns, nah aneinander gestellt, innig in die Augen. „Es freut mich sehr, dass du gekommen bist“, flüsterte er in die angenehme Stille zwischen uns, während ich nach Luft rang und ihn einfach nur musterte. Jedes Fältchen, jede Kontur seines Gesichtes mir einprägen wollte. „Aber…“, hauchte er leise, nahm eine Hand von meiner Taille und streichelte andächtig mein Gesicht, „warum weinst du?“ Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. „Dein Stück-“ „Es war dein Stück“, unterbrach er mich sofort und lehnte seine Stirn an meine. „Nur deines, ganz allein.“ Ich verdrückte eine weitere Träne und schluckte leicht. „Es war so schön“, wisperte ich, „und- und- Edward, ich will dich nicht verlieren!“, platzte es schluchzend aus mir heraus, bevor ich den Kopf an seine Brust legte. Seine Hand drückte mich mehr an sich und strich über meine Gesichtshälfte auf und ab. „Ich weiß“, murmelte er nur. Dass er nichts sagte, dass es einen Weg gab, dass wir eine Chance hatten, zeigte mir eines nur zu deutlich: Er genau wie ich verstanden, dass das Leben nichts dergleichen für uns übrig hielt. Er legte die Lippen auf meinem Scheitel ab und wir verweilten ein wenig, so aneinander geschmiegt und hingen unseren Gedanken nach, die alle samt in eine Sackgasse führten. „Du bekommst jetzt bestimmt eine Menge Ärger, oder?“, flüsterte ich an seiner Brust. „Ach was“, lachte Edward leise hüstelnd. „Was soll er schon tun? Mir eine schlechte Note geben? Das würde er sich nicht trauen. Wer sollte mir verübeln, dass ich dem Mädchen meines Herzens eine Symphonie schenke? Einem so atemberaubenden Mädchen, wie das Stück selbst?“ Ich wandte mich leicht aus seinen Armen und sah ihn an. „Das war wirklich wunderschön“, gestand ich. „Genau wie du…“ Er führte mein Gesicht am Kinn zu seinen Lippen und küsste mich leidenschaftlicher werdend, dass ich darin versank und nichts anderes mehr wahrnahm. Er nahm meinen Kopf fest in seine Hände und blickte mir tief in die Augen, als könne er durch mich hindurch und alles sehen. „Gibst du uns die nächsten Tage? Die letzten?“ Ich wusste, dass es ein Fehler war, meine letzten Tage hier mit ihm zu verbringen, da die Sehnsucht dann nur noch größer werden würde, doch ich war zu schwach, um zu verneinen. Gleichzeitig war ich mir auch bewusst, dass ich es bereuen würde und mir eigentlich nichts sehnlicher, als seine Nähe, wünschte. Mein „Ja“ ging in seinen zart schmelzenden Küssen unter, die er mir Sekunde für Sekunde schenkte. Weich und lieblich berührten sich unsere Lippen, verschlangen einander sehnsüchtig und in mir kribbelte es beinahe unangenehm – denn ich wusste, dass wir uns gleich trennen mussten. Genau das, teilte Edward mir dann auch mit: „Ich glaube, ich muss mal meine Familie aufsuchen, Liebste.“ Ich nickte einen Hauch zu niedergeschlagen und machte mich ein wenig von ihm los. „Hey“, sagte er sanft und grinste leicht. Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Rufst du mich morgen nach deiner Klausur an? Wann schreibst du?“ „Um zwei“, antwortete ich, als mir etwas dann schmerzlich bewusst wurde. „Aber ich kann dich leider nicht anrufen, weil ich deine Nummer nicht mehr habe – also gelöscht habe“, konkretisierte ich etwas peinlich berührt. Edward lachte leise auf und nickte. „Okay, dann rufe ich dich heute Abend an, dann hast du sie wieder, ja?“ Ich nickte lächelnd und ging mit ihm Hand in Hand zur Tür. Ehe er aufschloss, erklärte er: „Der Fahrer wartet wieder unten an den Treppen, bei der Bushaltestelle.“ Bevor ich, wie auch immer, reagieren konnte, fanden seine Lippen die meinigen, sodass ich zittrige Knie bekam und trat dann mit mir in den nicht minder wuseligen Bereich hinter der Bühne heraus. „Bis bald“, hauchte er mir ins Ohr und bahnte sich den Weg durch die vielen Leute und Instrumente – von mir fort. Das alles war so schnell geschehen, dass ich nicht mal Zeit hatte, alles geistig richtig nachzuarbeiten. Nicht mal auf der Autofahrt. Äußerlich saß ich stumm, nahezu steif, da, doch innen drin fühlte ich mich aufgewühlt. Nur Gefühle rauschten mir durch die Sinne, nichts anderes – und sein Antlitz. Schleichend ging ich die Treppen zu meiner Wohnung empor und atmete so ruhig es mir möglich war. Ganz routiniert zog ich das Kleid aus, mümmelte an den Resten des Mittagessens von gestern, wusch mich, kämmte mir die Haare und schlüpfte in meine Schlafkleidung. Gedankenlos legte ich mich ins Bett und blätterte durch meine Unterlagen für morgen, obwohl es eigentlich sinnlos war, denn ich erfasste die Wörter und Sätze nicht wirklich. Mein Handy machte sich laut bemerkbar. Sofort schreckte ich hoch und griff danach. „Mama Home“ blinkte auf und einen enttäuschten Seufzer konnte ich mir nicht verkneifen. „Hallo Liebling, wusst’ ich doch, dass du noch wach bist. Wie geht es dir? Wie war deine Klausur heute? Bist du für die Morgige gut gerüstet?“, plapperte sie in einem durch. Ich antwortete spärlich, aber so flugs ich konnte. Ungeduldig wibbelte ich im Bett auf und ab und der Redeschwall mochte genau jetzt, genau heute, nicht aufzuhören. „Hast du denn schon alles an der Uni geregelt? Wegen deiner Abreise?“, fragte sie immer weiter nach. „Mache ich alles morgen nach der Klausur“, erwiderte ich knapp. „Du Mum, ich- ich warte noch auf einen Anruf, reden wir morgen weiter?“ „Von wem denn noch? Es ist doch schon relativ spät bei euch…?“, wollte sie unbewusst neugierig wissen. „Von Charlie etwa?“ „Äh… ja“, machte ich absolut unauffällig und verdrehte innerlich die Augen. „Bis morgen dann, ja?“ Ich wartete nicht mehr wirklich ab. „Bis dann, tschüß“, verabschiedete ich mich so munter es ging und legte auf. Nervös legte ich mich wieder auf die Matratze und hielt das Handy in der Hand, wartete auf die leisen Töne und die Vibration zwischen meinen Fingern. Das Licht, was dann erglimmte- Ich fuhr sanft zusammen, als ich genau das alles vernahm und auf den Display schaute. Eine Nummer wurde unter „unbekannter Anrufer“ angezeigt. Nein, korrigierte ich. Und wie bekannt… Ich sammelte mich mit einem Lächeln auf den Lippen und pochendem Herzen und ging dran. „Hi“, sagte ich nur. „Hi“, kam es vom anderen Ende mit einem Lachen. „Bist du gut nach Hause gekommen?“, fragte er nach einer kleinen Pause. „Jaah“, hauchte ich nur knapp, so fasziniert seine Stimme zu hören. Sein Lachen rüttelte mich seicht wach. „Ähm… hast du noch Ärger von Mr. Cato bekommen?“ „Ach was, er hat zwar die ganze Zeit geflucht und war sehr schlecht aufgelegt und meinte zu mir, dass wir uns noch unterhalten würden, aber ansonsten“, sagte Edward mit einem kleinen Seufzer. „Ich weiß gar nicht, was er hat. Das Feedback war durchaus positiv, auch wenn das heute etwas ungewöhnlich war.“ „Etwas ungewöhnlich…“, wiederholte ich murmelnd. Nein, das war für mich das absolut außergewöhnlichste, was ich bisher erlebt hatte… „Liegst du schon in deinem Bett?“, wollte er wissen. „Äh ja“, antwortete ich perplex. „Da wäre ich jetzt auch gern“, sagte er mit einem hörbaren ein und aus atmen. „Schläfst du gleich noch nicht?“, fragte ich irritiert nach. Es war immerhin gleich Mitternacht. Er lachte ein wenig lauter am anderen Ende. „Doch schon, aber das meinte ich nicht. Ich wäre gerne in deinem Bett“, kicherte er. Nun musste ich auch lachen und machte mich in meinem Bett breit, dessen Rascheln der Decken er nur vernehmen konnte. „Hier ist kein Platz“, giggelte ich. „Bitte?!“, sagte er gespielt entrüstet. „Nicht mal für mich?!“ Wir lachten beide. „Ich überleg’s mir“, neckte ich sanft und eine wohlige Stille trat ein, in der wir nur dem Atem des anderen lauschten. „Schlaf’ gut“, flüsterte er dann auch. „Du auch“, tat ich selbiges zurück. „Du rufst mich morgen an?“ „Ja, mach ich.“ „Träum’ von mir.“ Ich hörte sein Grinsen heraus und hauchte noch „Ich überleg’s mir“ zurück, ehe wir auflegten, ich noch einmal seine Nummer einspeicherte und dann in den Schlaf glitt. Ich schrieb die Klausur genauso verbissen, wie die letzte gestern – doch aus ganz anderen Gründen. Ich musste mich von den Gedanken an Edward vor Glück losreißen. Abgesehen von dem heutigen Tag, hatten wir fünf gemeinsame Tage von denen ich allerdings zwei noch mit meinem Dad teilen musste – und wollte. Morgen hatte er sich frei genommen und holte mich ab. Die Klausur verging, erfolgreich, wie im Flug. Das Semester, der offizielle Teil in der Uni, war beendet, mein Auslandssemester war hinter mich gebracht, kam es mir in den Sinn, als ich meinen Klausurhefter nach zwei Stunden zum Pult brachte. Ich schnappte mir meine Jacke, Tasche und den Schal und stiefelte durch den ausgestorbenen Gang. Lange fackelte ich nicht und holte mein Handy raus. Suchend tippte ich nach Edwards Nummer, während ich durch den verlassenen Flur ging. „Ich hab dich!“ Ich zuckte heftig zusammen und ließ scheppernd mein Handy fallen, als ich von zwei starken Armen zur Seite gezogen wurde. „Edward?! Was machst du denn hier?!“, zischte ich atemlos. „Ich dachte, ich hole dich ab“, grinste er und kuschelte sein Gesicht, mich in seinen Armen, an meine Wange. „Traust du mir nicht?“, sagte ich lachend, wandte mich kurz aus seinen Armen, um mein Handy aufzuheben und es ihm demonstrativ unter die Nase zu halten. Er kicherte leise, ehe ich mich auf Zehenspitzen stellte, um nach seinen Lippen zu langen. Edward jedoch schob mich sanft weg, sah sich nach rechts und links in dem Flur um und zog mich dann wortlos an der Hand weiter. „Was ist?“, fragte ich nach und folgte ihm an seiner Hand. „Gleich“, murmelte er. Wir bogen um die Ecke, in der sich eine Gruppe strahlender Studenten nach ihrer hinter sich gebrachten Prüfung befand. Edward wich einen Schritt zur Seite und ließ meine Hand los. Verwirrt ging ich neben ihm, der er die Hände nun lässig in den Hosentaschen versunken hatte, her. Er wirkte, als wäre nichts gewesen. Wir kamen an der Tür zur Tiefgarage an und liefen wortlos zu seinem Auto. Sobald die Türen geschlossen waren, wandte ich mich an Edward. „Was war das?“, fragte ich irritiert. Edward drehte sich auf dem Fahrersitz zu mir um, das rechte Knie angezogen. „Tut mir leid, Bella, bitte verstehe das nicht falsch. Meine Eltern setzen mir das Messer auf die Brust. Sie haben durch das Konzert erkannt, wie wichtig du mir bist und wie sehr ich dich liebe und sie gestatten mir die restliche Zeit mit dir, weil sie wissen, dass danach…“, er machte eine Pause und sah kurz zur Seite, „alles vorbei ist. Aber sie verlangen von mir, dass keiner etwas mitbekommt, damit Tanya nicht diskreditiert wird. Gestern beim Konzert, haben es die wenigsten gemerkt, dass es dir galt und nicht ihr.“ Ich blickte in seine ehrlichen Augen. „Das war klug“, überlegte ich leise. „Du hast mich von uns überzeugt und die anderen, dass du Tanya magst.“ „Es tut mir leid, dass wir so ein Versteckspiel machen müssen, aber glaube mir, du wirst ab heute nichts mehr davon merken und solche Situationen, wie eben, kommen nicht mehr vor“, versprach er mir mit einem verzerrtem Gesichtsausdruck. Ich lächelte ihn an und zitierte ihn von damals: „Geheimhaltung? Romantische Vorstellung…“ Ich beugte mich vor und nahm Edwards Kuss mit hochgezogenen Mundwinkeln entgegen. „Wie ist es denn so bei dir zu Hause?“, fragte ich vorsichtig im Auto nach, als wir bereits ein paar Minuten unterwegs waren. Er seufzte leise vor sich hin. „Es wissen nun viele bereits von Tanyas Schwangerschaft, noch nicht alle, weil man es noch nicht richtig sieht, aber genug. Das heißt, ich muss mich, wann auch immer es geht, zusammenreißen und neben Tanya eine gute Figur machen – so wie unsere Eltern das wünschen. Ich brauche sie nicht zu küssen oder so, also wir spielen kein Paar, aber Vertrautheit und Sympathie zu spielen, wo keine ist oder keine mehr ist, fällt mir schwer.“ Betreten blickte er auf die Straße. Das muss sich schrecklich anfühlen, schloss ich innerlich und nahm seine Hand vom Lenkrad, die ich andächtig tätschelte. Themenwechsel, dachte ich prompt. „Was machen wir heute Abend? Bleiben wir einfach bei mir?“, fragte ich nach. Edward lächelte mich schnaubend an. „Wie gerne würde ich ‚ja’ sagen“, seufzte er, „aber heute Abend muss ich leider meinen Pflichten nachkommen. Tanya und ich gehen essen. Das gehört auch zu dem, was unsere Eltern von mir verlangen. Wir sollen uns ab und an in der Öffentlichkeit zeigen. Eis essen, einkaufen gehen, solche Dinge eben. Heute Abend ist leider so ein Termin…“ Na klasse, Bella, gratulierte ich mir innerlich selbst. Dein Plan ist ja vorzüglich aufgegangen… Sein trauriger, in die Leere gerichteter Blick brannte mir in den Leib. Es war grauenvoll ihn so betrübt zu sehen. Noch mehr, wenn ich wusste, was ich ihm jetzt mitteilen musste: „Morgen bin ich den ganzen Tag mit meinem Dad unterwegs…“, gestand ich leise. Edward sah nichtssagend zu mir herüber. „Er holt mich ab und wir fahren nach Forks. Na ja, seine Frau und die Kleine besuchen und so… und die Fahrzeit ist immer ziemlich lang“, redete ich einfach drauf los. Ganz kurz überlegte ich, ob Edward nicht einfach mitkommen sollte. Ganz kurz. Ich wollte nicht, dass Charlie es erfährt, denn dann würde es mit Sicherheit auch Mum erfahren und ich wusste, was sie sagen würde. Nur zu gut. Edward wandte den Blick immer nur kurz ab und die Niedergeschlagenheit darin stach mir immer wieder ins Herz. „Ich möchte dich jeden Tag bis Montag sehen“, meinte er schlicht und es tat mir weh, ihm sagen zu müssen, dass wir auf den morgigen Tag verzichten mussten. „Wir- wir können morgen Abend telefonieren, ja? Ich rufe dich an, sobald ich wieder da bin, aber es wird spät werden, denke ich“, wandte ich ein. Edward schaute einen Hauch missmutig auf die Straße, nickte aber knapp und hielt dann wenig später am Straßenrand. „Wir sind da.“ Sein Seufzen konnte er nicht unterdrücken. Während ich bereits verlangend zu ihm gewandt da saß, drehte er sich sehr gemächlich und langsam zu mir um. Mit einer jedoch umso flinkeren Bewegung, drückte er mich an sich und stahl mir unendlich viele Küsse. Unerwartet hob er mich an den Achseln seitlich auf seinen Schoß und küsste mich weiter, während ich kicherte. „Wenn uns jetzt jemand sieht“, giggelte ich – völlig außer Acht lassend, dass seine Scheiben leicht getönt waren. „Ich liebe dich“, flüsterte er über seine Küsse und ich lächelte ihn freudestrahlend an. Seine Hände glitten immer wieder über meinen Rücken, malten meine Schulterblätter nach, streichelten meine Schultern bis hin zum Nacken. So betörend, dass wir ewig hier hätten verweilen können. „Ich weiß, du musst“, murmelte ich leise, als ich spürte, wie Edward unter mir etwas ruheloser wurde. „Ich wünschte, ich müsste nicht…“, wisperte er und strich eine Strähne aus meinem Gesicht. „Was mich jetzt erwartet, ist gezwungen und künstlich. Jeden Satz muss ich aus den Fingern saugen. Glaub’ mir, ich wäre so viel lieber bei dir“, gestand er zärtlich und grinste plötzlich, als er fortfuhr: „Du bist zwar nicht weniger kompliziert-“ Ich gab ihm einen sanften Klaps auf linke Gesichtshälfte. „Aber um einiges liebenswerter…“ Seine Lippen hoben sich wieder zu mir hoch. „Hmmm“, machte er, als unsere Lippen fast aufeinander lagen. „Tolles Wort, liebenswert… wert zu lieben, wert sein, geliebt zu werden-“ Ich lachte ein wenig heiser auf und küsste seine säuselnde Stimme stumm. „Spinner“, hauchte ich, legte die Lippen noch mal rasch auf seiner Stirn ab und rutschte dann auf den Beifahrersitz herüber, auf dem ich eilig meine sieben Sachen zusammen klaubte. „Ich rufe dich an, bis dann“, sagte ich noch, beugte mich noch mal vor, küsste seine ein wenig unbeteiligten Lippen und lief dann zügig über die Straße. Ich hatte meinen Vater selten so munter gesehen, als ich klein war – zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern. Heute wirkte er noch gelöster, als die Treffen und Telefonate zuvor schon. Es war, als belebte ihn das Glück mit Sue und Zoey richtig. Ich gönnte es ihm so sehr. Wie er die Kleine bei einem Waldspaziergang herumwirbelte, beide ausgelassen herum blödelten und Sue sich neben mir den Bauch vor Lachen hielt. Ich war überwältigt von der Harmonie der drei. „Ist es nicht komisch, am Montag einfach wieder in Deutschland weiter zu machen, wie bisher?“, fragte Sue mich, während der Alberei ihres Mannes mit Zoey. „Ich meine, du hast ja bestimmt auch Freunde gewonnen und dich wieder ein wenig an das Leben im Amerika gewöhnt, oder?“ Ich nickte ihr zu. „Doch, das stimmt, es wird im ersten Moment komisch sein, aber… na ja, ich habe meine Mum auch vermisst und so gewinne ich jemand und verliere andere“, kam es mir melancholisch über die Lippen. Sue lachte. „Weißt du was, Bella?“ Ihre Augen fixierten mich. „Manchmal kommst du mir so vor, als wärst du viel älter, lebenserfahrener und weise. Ich weiß nicht, obwohl ich dich noch nicht sehr lange kenne, kommt mir das manchmal in den Sinn.“ Ich lächelte ihr ein wenig verlegen zu und wusste nicht recht, was ich darauf sagen sollte. „Hältst du denn Kontakt zu deinen Freunden?“, wollte Sue weiter wissen und machte es mir somit leicht, gar nicht auf ihre Aussage von eben eingehen zu müssen. „Ähm, ich denke nicht. Das verliert sich sowieso, glaub’ ich“, wich ich ihrer Frage ein wenig aus. „Hey Sue!“, rief Dad plötzlich ein paar Meter vor uns. „Wir nehmen einen kleinen Umweg, sind aber gleich wieder bei euch!“ Sue nickte einverstanden, während Dad mit Zoey auf den Schultern ins Dickicht lief. „Na ja, hast du nicht noch mal vor nach Amerika zu kommen? Nach Seattle? Für länger?“, griff Sue das Thema wieder auf. Ich schüttelte bereite den Kopf. „Meine Mutter braucht mich jetzt und wenn sie dann wieder ganz gesund ist“, bei dem Gedanken musste ich schlucken, weil vieles in mir – erschreckenderweise – nicht mehr daran glaubte, „dann möchte ich erst recht bei ihr sein.“ „Gut, das kann ich verstehen“, meinte Sue, „obwohl du hier natürlich mehr Möglich-“ Kindergeschrei ertönte und Dad erschien wieder auf dem Weg zu uns, der die zappelnde Zoey in den Händen hielt, die bitterlich weinte. „Mama! Mama!“, schrie und wimmerte sie abwechselnd. Sue und ich eilten zu den Beiden. „Keine Ahnung- sie ist einfach gestolpert und hingefallen-“, stotterte mein Vater aufgeregt. Zoeys Stirn blutete, während sie ganz herzzerreißend weinte. „Das passiert, Liebling. Ruhe bewahren“, sagte Sue beschwichtigend zu meinem Dad und nahm Zoey in die Arme, die sich schreiend an sie schmiegte, während Sue sie ununterbrochen zu beruhigen versuchte. Ich beugte mich über sie und hob die feinen Härchen von der Stirn. „Ist sie auf einen Ast gefallen? Einen Stein?“, fragte ich nach. Zoey wandte sich zu allen Seiten. „Stein, glaube ich, weiß nicht, eigentlich nur auf den Boden…“ Mein Dad war käseweiß, als wäre Zoey von einem Auto überfahren worden. „Es sieht nicht sehr schlimm aus, zumindest die Wunde nicht. Reinigen, Salbe und Pflaster reichen da“, meinte ich. „Aber wenn sie im Laufen auf einen Stein gefallen ist, solltet ihr trotzdem vielleicht ins Krankenhaus, nur damit ihrem Kopf nichts passiert ist“, schlug ich vor. Ich mied bewusst das Wort „Gehirnerschütterung“, damit mein Dad nicht vor Angst umkippte. Sue nickte ruhig und professionell, gab Zoey ein Fläschchen zur Ablenkung und lief mit ihr auf dem Arm den Weg zurück. Letztlich war alles halb so wild, doch die Reaktion von Dad und Sue hatten mich schon schmunzeln lassen. Es zeigte einerseits die Veränderungen bei meinem Vater. Er hatte sich damals auch um mich gesorgt, aber soweit mir bekannt war, niemals so heftig reagiert – geschweige denn, so eine Angst gehabt. Er war nie ein überängstlicher Vater gewesen. Andererseits zeigte es aber auch, wie sehr Sue und Dad zusammenpassten – gerade trotz der Unterschiede. Es war herrlich mit anzusehen und Zoey konnte man nur beglückwünschen. Ihre Eltern schienen ein Herz und eine Seele zu sein, die sich ergänzten, wo es nötig war. Verträumt schaute ich aus dem Autofenster auf der Rückfahrt. Nicht jedes Kind wurde in solch elterliche Arme geboren, doch waren zwei, auch wenn ihr Verhältnis nicht so innig war, besser als einer… Völlig erschöpft von dem Tag kam ich erst spät abends wieder am Wohnheim an. Wir waren in Forks den ganzen Tag in der Stadt, dem Spielplatz und dem Wald, bis zu dem kleinen Unfall, unterwegs gewesen und meine Füße schmerzten. Auch mein leichter Hunger hielt mich nicht davon ab, nach der eiligen Katzenwäsche in mein wohliges Bett zu gleiten. Mit kleinen Augen wählte ich Edward – wie versprochen – an. Ausgeschaltet? Merkwürdig. Ich sprach ihm nicht auf die Mailbox, falls – auch nur falls – sein Handy mal in die Hände seiner Eltern geriet, sondern versuchte es noch wesentlich müder eine halbe Stunde später noch mal. Wieder die Mailbox. „Dann morgen, Edward“, nuschelte ich, gab meinem Handy einen Kuss und schlief ein. ---------------------------------------- Freue mich seeeeehr über kommis ^^^^^^^^^^ Dachte ich spute mich mal mit dem kap ^^^^ Kapitel 22: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 8 (Bella) ------------------------------------------------------ Musiktipps: Bell X1= I see your heart (and I'll raise you mine) - http://www.youtube.com/watch?v=-3Qh1etWlew & Light catches your face - http://www.youtube.com/watch?v=6nog3F0yy5c Mannooo, das erste lied ist soooo toll, aber auf youtube "nur" als live-version zu finden, aber soooo toll, hört es euch an, es ist echt toll (das zweite natürlich auch^^). Die beiden passen so super zu diesem Kap... hach, ich liebe es... es ist eines meiner liebsten mit den beiden liedern, vor allem dem ersten^^, zusammen ^^ Eines meiner liebsten Lieblingskaps :) besonders wg der Kombi mit dem Song ^^ :-* [img]http://img156.imageshack.us/img156/3994/bannerteil8.jpg[/img] Das Dröhnen in meinem Kopf wurde lauter. Ein durchdringendes Pochen. Immer und immer wieder. Und eine Stimme. Leise, aber genauso eindringlich. Ich kniff die Augenbrauen zusammen, als ich durch irgendetwas unsanft aus dem kurzen Schlaf gerissen wurde. „Bella, Bella, ich bin’s, mach’ bitte auf“, flüsterte jemand, nun verstand ich es. Ich blinzelte ganz langsam und verzerrte die nach Müdigkeit schreienden Gesichtszüge. Wieder und wieder klopfte es leise aber vernehmbar. „Bella? Bist du wach?“ „Nein“, murrten meine Lippen von selbst. Mit einem Ruck widerstand ich dem Schlaf, stand auf wackeligen Beinen und taumelte zur Tür. Kraftlos drückte ich nur die Türklinke herab und wandte mich sogleich um, damit ich mich wieder auf mein Bett schmeißen und der Traumwelt wieder sehr nahe sein konnte. Ich hörte Edward eintreten und leise die Tür hinter sich schließen, bevor er mit Katzenpfoten meine Wohnung durchschritt. Ich fühlte mich erneut unglaublich sehr schläfrig. „Bist du wach?“, fragte Edward viel näher an mir mit einem lächelnden Unterton, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich wieder schlief und träumte oder wirklich hörte. Als seine Lippen sich an meinem, gänzlich stummen und regungslosen, Mund vergingen, war ich mir sehr sicher, dass ich nicht träumte. So real, so kribbelig, so verführerisch, konnte ich nicht träumen oder jetzt vielleicht doch? Unter großer Anstrengung öffnete ich die Lider und sah ein wenig genervt an Edward vorbei zum Wecker. „Edward! Es ist-“ „Vier Minuten vor 12, ich weiß“, grinste er. Er küsste meine Wange und verharrte darüber. „Ich sagte doch, dass ich dich jeden Tag sehen will…“ Ich seufzte theatralisch und wandte mich wieder um. „Gut, das hast du ja jetzt. Lass mich schlafen“, murmelte ich wieder in den Schlaf gleitend. „Nichts da“, wandte Edward ein. Er tat irgendetwas, was ich nicht wirklich ausmachen konnte, und es landete irgendein Stoff auf meinem Gesicht. „Zieh’ dich an“, sagte er weiter und warf mir nun noch etwas aufs Bett. Widerwillig setzte ich mich schlagartig auf und schaubte. „Edward, was soll das? Ich bin total k.o., heute war wirklich ein anstrengender Tag und ich möchte jetzt wirklich schlafen-“ „Später, später“, unterbrach mich Edward und zog mich an der Hand aus dem Bett. Er hielt mir die Kleidungsstücke, die zuvor über meinem Stuhl gehangen hatten, hin. „Das ist nicht dein ernst, oder?“, lallte ich ein wenig. „Und wie, vollkommen“, lachte er leise. In den darauffolgenden Minuten kämpfte ich unter Hilfestellung von Edward mit meiner Kleidung und ließ mich von ihm resigniert an der Hand aus dem Wohnheim ziehen – zerren wohl eher. Ich war auf Nachtwanderungen nicht sonderlich erpicht. Bitterkalt erschien es mir draußen. Ob es wirklich so war, vermochte ich nicht zu deuten, da ich müde immer mehr fror, als ausgeschlafen und nun, nach zwei Stunden Schlaf, sowieso. Er ließ mich zuerst auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und stieg dann selbst an der Straßenseite ein. Herrlich warm war es im Auto, sodass mein Körper alarmierend ‚Schlaf! Schlaf!’ rief und mich genau dort wieder hinschicken wollte. Instinktiv zog ich die Kapuze von meinem Pullover über den Kopf und versuchte eine angenehme Sitzposition zum Schlafen zu finden, was aber gar nicht so einfach war. Halb wach, spürte ich, wie Edward mir die Schuhe entledigte und den Sitz nahezu liegend herunterfahren ließ. Wie angenehm… dachte ich prompt und lächelte leicht, obwohl mir trotzdem, unerklärlicherweise, noch kalt war, während ich die müden Lider ununterbrochen geschlossen hielt. Doch auch gegen mysteriöse Kälte hatte Edward ein Mittel. An meinen Füßen vorbei, aus dem Fußraum, spürte ich, wie er eine Decke hervorzog und mir über den Körper legte. Sofort griff ich instinktiv nach der weichen Wolldecke und schmiegte mich genüsslich an sie. Schlief ich schon?, fragte ich mich selbst, denn es konnte, angesichts der Bequemlichkeit nicht mehr lange dauern. Eine weitere Decke legte sich bis zu den Schultern über mich. Eine Bettdecke, aufgeschüttelt und flauschig. Sogleich kuschelte ich die Wange kraftlos daran. An selbiger verspürte ich dann Edwards Hand, dessen Daumen meinen Wangenknochen entlang strichen. „Mein Schatz“, flüsterte er zärtlich. Ich öffnete kurz und minimal die Augen und erblickte ihn leicht schemenhaft. Den Kopf an seine weiche Hand gelehnt, schmuste ich genießerisch mit ihr. Ich fühlte mich so geborgen bei ihm – auch wenn ich keine Ahnung hatte, wohin er mich jetzt führte. Edward startete den schnurrenden Motor. Unterschwellig spürte ich ein Ruckeln in der aufkommenden Stille um mich herum. Das seichte Poltern und die schwerfälligen Bewegungen von mir, an mir, ließen mich sanft zur Oberfläche gleiten, doch minderten den Schlaf nicht, sodass ich wieder herab in meine Träume sank… „Hey Schlafmütze…“ Es kitzelte an meinem Gesicht unangenehm. „Du verschläfst alles“, lachte nun die zärtliche Stimme. Das Kribbeln hörte nicht auf, sodass ich die Nase rümpfte und niesen musste. „Gesundheit, Schlafmütze“, hauchte mir dieser jemand ins Ohr und strich mit den Lippen darüber. „Hey Nachteule“, brummte ich verschlafen und blinzelte nun langsam in die Dunkelheit, erkannte einen mich peinigenden Glashalm in der Dunkelheit über mir und rollte mich mit dann wieder geschlossenen Augen auf die andere Seite. Ich nahm meine Umwelt – in Dunklen meiner Sinne tapernd – gar nicht wirklich wahr. „Schahaatz“, machte Edward gedehnt, strich meine Haare von meinem Nacken und küsste jede Stelle andächtig. Ich schüttelte ihn ab. „Morgen, Edward, morgen…“, gähnte ich leise. „Na schön“, seufzte er resigniert und ich hörte, wie er neben mir raschelte. Zufrieden mit meinem Durchsetzungsvermögen änderte ich die Position meines Kopfes im Kissen, rollte mich mehr ein und spürte die Müdigkeit wieder in mir hoch kriechen. Jäh erwischte mich etwas Kaltes, Nasses im Gesicht, platschte auf mich herab. Ich fuhr zusammen, öffnete schlagartig die Augen und erblickte Edward hockend vor mir. „Spinnst du?! Was machst du?!“, fauchte ich, schreckte hoch und wischte mir das Wasser aus dem Gesicht. Er grinste mich nur verschmitzt an und rutschte zur Seite auf der großen, quadratischen Luftmatratze am- am- am See?! „W-wo sind wir?? Was- was machen wir hier???“, entfuhr es den Lippen, meines nun staunenden Gesichtes. Nun erst erblickte ich die gesamte Gegend und erfasste sie auch. Edward und ich lagen in einem Chaos von mehreren Decken, die ich auch aus dem Auto wiedererkannte, auf einer großen Luftmatratze. Wir lagen so nah an einem tiefschwarzen See, dass direkt vor unserem Liebesnest das Wasser still ruhte. Der See lag oval mitten im Wald, wie auf einer Lichtung. Rundherum ein wenig Kies und Wiese ab und an, bis die Bäume dicht aneinander standen. Das Mondlicht glitzerte verführerisch auf der Wasseroberfläche in die Dunkelheit. Mit offenem Mund begutachtete ich das Schauspiel noch eine Sekunde und wandte dann den Kopf tief ein und aus atmend zu Edward. Eine Gesichtshälfte war von einer Campinglampe hinter uns erhellt, während die andere in das Licht des Mondes gehüllt war. Ich gab mich geschlagen und schmunzelte. „Du bist ganz schön geschickt, weißt du das? Erst kidnappst du mich mitten in der Nacht und bevor ich dann sauer werde, präsentierst du mir diesen tollen Ort hier und lullst mich damit total ein“, seufzte ich und ließ mich nach hinten in die Kissen sinken. „Küss’ mich“, forderte Edward mit einem gewinnenden Grinsen und beugte sich über mich. Seine Unterarme hatte er neben meinen Brustkorb gelegt, während seine Knie und Unterschenkel abseits meines Beckens verweilten. In seinen Augen funkelte es berauschend, als er den Kopf zu mir herabsenkte und mich innig küsste. Die Erschöpfung in mir, wie auch die Müdigkeit, schien verflogen, obwohl es tiefste Nacht war und ich nicht wirklich lang, während und seit der Autofahrt geschlafen haben konnte. „Und…“, murmelte ich unter seinen mich liebkosenden Lippen. „Was machen wir hier?“ Er schaute mich ein wenig schmollend an. „Außer dem hier“, lachte ich und küsste ihn noch einmal kurz, aber mit all meiner Leidenschaft für ihn. „Hmmm…“, grübelte er verspielt, drehte den Kopf in alle Richtungen und ließ den Blick schweifen. „Vielleicht baden?“ Er lächelte schief. „Ich habe keine Badesachen mit!“, protestierte ich mit zusammengekniffenen Augenbrauen. Edward lachte laut und rollte sich von mir, auf seine leere Matratzenhälfte. „Du etwa?“, fragte ich mit großen Augen, das Gesicht nach links zu ihm gerichtet, nach. Er lachte wieder und schaute mich seitlich an. „Du brauchst keine und ich auch nicht.“ Ich zog die Augenbrauen hoch, als mir das dämmerte, was er vor hatte zu tun. „Aber das Wasser ist eiskalt!“, rief ich ihm ins Gedächtnis. Edward zuckte grinsend mit den Schultern. „Daran würden ein paar Zentimeter Stoff auch nichts ändern, außerdem ist es nicht eiskalt… das Wasser hier ist wärmer, weil-“ „Das Wasser ist eiskalt!“, urteilte ich lautstark, als ich etwas herunter gerutscht war und mit dem nun nackten Fuß im Wasser paddelte. „Na ja, das Wasser in diesem See ist etwas wärmer als in Seen in Seattle üblich, wegen der-“ „Mir egal“, murmelte ich ihn küssend schweigsam, nachdem ich mich auf ihn gelegt hatte. Ich wollte ihn von dieser Schnapsidee abbringen und einfach nur so liegen bleiben und- „Waaah!“, kreischte ich unwillkürlich, als Edward mich mit einer schnellen ruckartigen Bewegung packte und hoch nahm. Über die Schulter hatte er mich gehievt und ich hörte und sah bereits, wie er mit Socken und Jeans ins Wasser stapfte. „Edward! Lass mich runter! Was zum Teufel tust du?!“, schrie ich in seinem Rücken und hämmerte darauf herum. Ich hörte Edwards Lachen, ehe er mich vor sich, vor seine Brust, hielt. Zärtlich blickte er zu mir herab. „So habe ich dich vorhin auch getragen. Du sahst so niedlich aus“, neckte er mich. „Mein kleines Fliegengewicht…“ Er küsste meine Stirn sachte. Ich verdrehte die Augen und bemerkte das Wasser an meinem Po. Edward stand schon bis zum Becken darin. Erschrocken krabbelte ich etwas an ihm hoch, doch es nützte nicht viel. „Wasserscheu?“, feixte er und ließ mich den Bruchteil einer Sekunde später in den See plumpsen. Japsend erklomm ich wieder die Wasseroberfläche. „Edward“, ertönte es schrill aus mir. Ich strich mir die wirren Haare aus dem nassen Gesicht und rieb mir die Augen um Edward möglichst böse anzustieren – der jedoch lachte nur ausgelassen und tauchte selbst unter. Das konnte ja heiter werden, dachte ich, war allerdings auch gerührt, was er alles für mich auf die Beine gestellt hatte. Meine Rührung flog wieder relativ schnell aus meinen Gedanken, als Edward etwas weiter hinten auftauchte, nach mir rief und mich mit Wasser bespritzte. „Entweder kommst du oder ich hol’ dich“, drohte er lachend. Bevor ich noch einen Schwall Wasser über den Kopf bekam, schwamm ich komplett bekleidet – allerdings höchst widerwillig – die wenigen Meter zu ihm. Er nahm mich sofort in die Arme und küsste meine Schläfe. „Geht doch“, grinste er. „Und das Wasser ist doch kalt“, wechselte ich besserwisserisch das Thema. „Ja… deine Lippen haben einen blauen Rand“, erkannte Edward mit einem spielerischen Unterton. „Das ändern wir…“, flüsterte er und knete sofort meine Eiszapfen mit den seinen heißblütig durch. Ich nahm ebenfalls Notiz daran, wie er den Reißverschluss meines Kapuzenpullovers öffnete und von meinen Schultern gleiten ließ. „Weißt du…“, murmelte er, „die Sachen stören nur und wärmen so auch nicht…“ Ohne reagieren zu können, streifte er mir den Pullover gänzlich ab, sodass er auf dem Wasser trieb. „Nicht- wenn die wegschwimmen, dann hab ich keine mehr“, gab ich zu bedenken und griff danach, „und ich kann ja schlecht nackt zurück-“ „Bella… nicht so viel denken…“, forderte Edward mich mit einem kehligen Lachen auf. „Ich habe Wechselkleidung für uns beide dabei. Nicht immer so viel nachdenken…“, bat er leise, mit den Lippen nun an meinem Hals. „Das hier analysieren wir nicht…“ Er küsste mein Schlüsselbein und entledigte mich nach wenigen Handgriffen meiner Jeans. Ich spürte das kühle Wasser meine nackten Schenkel umhüllen. „Edward, wir können uns doch hier nicht ausziehen-“ „Es ist niemand da“, wisperte Edward, küsste mich kurz und zog sich sein Pullover samt Hemd über dem Kopf aus. Er wusste genau, welchen Effekt das auf mich hatte. „Clever“, nuschelte ich und presste mich an ihn. Den einen Arm um seinen Nacken, den anderen innig an seinen Oberkörper gelegt. „Nicht so eilig“, grinste Edward und fischte mir zuerst noch mein T-Shirt von Leibe. Bibbernd drückte ich mich nun fest an ihn. Er hatte schließlich keine Gänsehaut. „So kalt ist es aber wirklich nicht“, fand er grinsend, als er meine zitternde Haut an sich spürte. „Vielleicht bin ich aber auch einfach geübter“, meinte er dann grübelnd, während er in meinem Rücken unter Wasser auf und ab strich. Ich schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an. „Na ja, ich bin öfter hier- „-mit anderen Frauen“, ergänzte ich belustigt, obwohl der Ernst auch durchzuschimmern schien. „Nein“, lacht Edward und streichelte mein Gesicht. „Ich komme hier her, wenn ich Ruhe und Inspiration brauche. Hauptsächlich für die Musik, aber auch für andere Dinge… vielleicht komme ich in nächste Zeit öfter hierher…“, überlegte er und ließ sich etwas nach hinten gleiten, während ich weiter auf ihm lag. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte, ohne, das Thema „Tanya“ und damit verbunden „Zukunft“ anzusprechen – auch unsere nicht vorhandene... Edward nahm mir die Entscheidung ab, indem er mich wieder für meine feste Gänsehaut auslachte. „Schauen wir mal, ob wir das nicht ändern können…“, hauchte er, küsste mich einmal und fuhr mit den Lippen rasch herab zu meinem Dekolletee und schließlich zu dem Teil meiner Brüste, die nicht von meinem BH bedeckt wurde. Seine Hände verweilten sanft auf meinem Po. Mit den Fingern fuhr ich genüsslich durch sein nasses, trotzdem noch in Form gegeltes Haar. „Lass uns etwas probieren…“, begann er, kam wieder zu mir hoch und schenkte mir heiße Küsse, obgleich ich nicht verstand, was er meinte – bis er die Hand in meinen Nacken legte und mich zu sich zog. Selbst dann noch, als er untertauchte. Mein Fazit: Unterwasserküsse waren wirklich sehr nass… Auch wenn das Wasser nicht so kalt war, wie von mir gedacht, konnten wir nicht sehr lange darin verweilen, weil die sonstige Außentemperatur für fast März doch noch sehr frisch war. Unbekleidet bis auf die Unterhosen stiefelten wir aus dem Wasser. Edward hatte einen Arm um mich herum gelegt und drückte mich an sich, während ich Zähne klappernd bibberte. Er erlaubte es mir nicht, meine Sachen wieder rauszufischen. Nicht jetzt zumindest, hatte er es mir lachend verboten. „Hier sind ein paar Handtücher“, sagte Edward und schmiss mir ein paar in den Schoss, während ich frierend auf der Matratze hockte. Er selbst, hatte sich die Haare trockener gerubbelt, das Handtuch über die Schulter gelegt und machte sich an etwas Holz zu schaffen. Interessiert beobachtete ich ihn, während ich mein Haar in ein Handtuch wickelte und meinen Körper trocknete. Ich fragte gar nicht erst nach Kleidung, da ich glaubte, dass das von Edward beabsichtigt war, überlegte ich innerlich grinsend. Edward war dabei, Holz und trockenes Gras im Kies aufzustellen bzw. zu platzieren, um es dann zu einem schnuckeligen Feuer zu entzünden. „Das… das sieht gut aus, wie du das machst“, lobte ich – wenn auch etwas irritiert. Ich hätte nicht gedacht, dass er das konnte bzw. so gut konnte. Edward lachte über meine mitschwingende Skepsis und kam, als das Feuer unweit unserer Matratze zu Brennen begann, neben mir auf diese. Wir legten uns beide unter eine Wolldecke auf den Bauch, das Gesicht sofort vom Feuer erwärmt. Edward schmiegte den Arm um meinen Oberkörper und somit mich an seine Schulter. „Mein Dad und ich waren früher ab und an zelten“, begann Edward und entfernte sanft, das ihn scheinbar störende Handtuch von meinem Kopf. „Ist dir das so zu kalt?“, fragte er zwischendurch und glitt mit den Lippen durch mein feuchtes, nun leicht gewelltes Haare. „Nein“, grinste ich, während ich seinen Mund an meiner Kopfhaut spürte. „Wenn ich krank werde, pflegst du mich ja, ne?“ Ich kuschelte mich näher an ihn, sodass mein Körper nun ganz an seinem lag – einen wärmenden Effekt hatte es kaum. Edward lachte neben mir heisern auf. „Dazu wird es nicht kommen…“ Er langte nach hinten, wickelte mich in eine zweite Wolldecke, bedacht vor allem auf meine eisigen Füße, und legte schließlich die flauschige Bettdecke uns noch über den Kopf. Wie eine Höhle, grinste ich innerlich. Nur für uns zwei… Wir lagen einfach so da und schauten dem knisternden, größer werdenden Feuer zu. Ich wollte ihn nicht drängen, aber wissen, was das mit dem Zelten auf sich hatte, wollte ich schon… „Ich war da noch in der Grundschule…“, begann Edward, nachdem er mich kurz angesehen hatte. „Immer, wenn mein Vater der Meinung war, ich müsste mal raus aus der Stadt und unserem zu Hause, sind wir Zelten gefahren. Nicht lang, aber immer mal wieder – vorausgesetzt, er hatte an dem Wochenende Zeit. Meistens waren wir Zelten, wenn es zu Hause wegen der Klavierstunden Stress gab. Wenn ich mich geweigert hab und einfach keine Lust hatte-“ „Warum hast du dich geweigert?“, fragte ich zwischendurch nach und kniff die Augenbrauen leicht zusammen. „Ich meine, du hast doch erzählt, du wolltest das Spieluhrenlied unbedingt können und Klavier spielen lernen und so…“ Ich spürte, wie meine Wangen von dem Feuer warm wurden. „Ja, das schon“, gestand er mir zu. „Ich wollte auch Klavier spielen, aber meine Mutter war da sehr akribisch. Sie hatte mein Talent erkannt und wollte es auf jeden Fall fördern. Heute hätte ich das anders – positiver – gesehen, aber als achtjähriger bist du nicht so diszipliniert und willst nicht jeden Tag Klavier üben oder Klavierstunden haben“, meinte er. „Jeden Tag hattest du Klavierstunden?“, wollte ich wissen. „Meistens drei bis vier mal die Woche. Aber üben musste ich jeden Tag“, erklärte er. „Ich wollte auch, es hat mir Spaß gemacht, aber je nach Laune hatte ich dann nach den Hausaufgaben mehr Lust auf fernsehen oder mit Emmett Fußballspielen oder was weiß ich…“ Er streichelte mir mit der Hand über das Haar und massierte sachte meinen Kopf, was ich sehr genoss. „Und dann seid ihr hierher gefahren?“ Ich schaute ihn von der Seite an. Seine Gesichtzüge waren durch das orangene Flackern des Lagerfeuers verführerisch angemalt, stellte ich mit aufkeimender Begierde fest. „Nein, hierhin nicht“, erwiderte er. „Irgendwo anders hin. Dad hat sich dann ein kleines Zelt aus unserem Keller geschnappt, Luftmatratze, Schlafsäcke, Gaskocher, alles was so dazu gehört, vorher noch einkaufen gefahren und dann zu unserem Zeltort aufgebrochen.“ Er lächelte sanft bei der Erinnerung. „Da war bestimmt schön damals, oder?“, fragte ich nach und nahm seine Hand von meinem Haar innig in meine. Edwards Augen verfolgten dies. „Ja, das war es. Das war ein wesentlicher Bestandteil der Beziehung zwischen mir und meinem Vater und unter anderem der Grund, warum sie jetzt so gut ist, denke ich… obwohl er nicht mein leiblicher Vater ist“, fügte Edward hinzu und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich nickte nachdenklich. „Deinen Leiblichen kennst du gar nicht, oder?“, forschte ich nach. „Nein, nie gesehen, geschweige denn kennen gelernt“, gab Edward zu. „Das Thema kam aber auch nie bei uns auf, weil ich ja Carlisle als Vater hatte.“ Ich schaute geradeaus in die Flammen. Er hatte zwar keinen leiblichen Vater an seiner Seite gehabt, aber einen viel wichtigeren: Einen echten, einen liebenden, einen der für ihn da war. Eine richtige Bezugsperson. Egal, mit welchen genetischen Übereinstimmungen oder eben nicht… Ich konnte mir das unfreiwillige Gefühl, das ich neidisch war, nicht verwehren. Nicht bösartig, doch Edwards Familie war so wunderbar. So vollkommen irgendwie… Edward legte die Hand an meine erhitzte Wange und schob mein Gesicht zu sich. „Woran denkst du?“, fragte er interessiert nach und schaute mir tief in die Augen. „Dass du eine tolle Familie hast“, blieb ich, wenn auch nicht gänzlich, bei der Wahrheit. Er lächelte und kam meinen Lippen näher, bis sie sich trafen und ineinander verschmolzen. So einfach und selbstverständlich waren unsere Küsse. Es war ein unglaubliches Gefühl, sich so gehen lassen zu dürfen, seinem Innersten freien Lauf zu lassen… wenn auch nicht für lang. Edward hob mich, während er sich auf den Rücken rollte, samt Decken, in die ich eingekugelt war, über sich. Seine Hände hielten meine Haare aus meinem Gesicht, damit er mich ununterbrochen mit Küssen beschenken konnte. Meine Hände glitten seinen Hals immer auf und ab. „Sag mal“, lachte er plötzlich, „hast du noch deinen Slip an?“ „Was? Ja, wieso?“, erwiderte ich irritiert. „Den Nassen doch nicht etwa?“, wollte er weiter wissen und sah mich mit einer Mischung aus Belustigung und Entrüstung an. „Du etwa nicht?“ Ich hob die Augenbrauen. „Nein.“ Er lachte auf. „Die hab ich vorhin unter der Decke rasch zur Seite verschwinden lassen“, grinste er. „Du holst dir den Tod, Schatz.“ Er wühlte sich mit den Händen durch die vielen, kreuz und quer liegenden Decken, bis er meinen eiskalten Po fand und mir den Slip erfolgreich entfernte. „Du bist aber kalt“, fiel ihm auf und knete sanft meinen Po, während seine andere Hand meinen Rücken hinauffuhr. Ich sah ihm, während des Küssens, in den Augen an, wo das enden würde… „Edward? Hältst du das für eine gute Idee?“, fragte ich leise. Er verstand meine Andeutung sofort – hinsichtlich Tanyas Schwangerschaft. Edward legte seine Hände beide auf mein Becken. „Bella… wir müssen nicht, aber ich denke, dass es einfach immer passieren kann – egal, wie man verhütet. Und dieses Mal gehören Tanya und ich eben zu der Negativstatistik…“ Ich schaute ihn grübelnd an. Er hatte recht und wenn er das so sehen konnte, würde ich nicht „Nein“ sagen. Ich wollte nur, dass er sich gut dabei fühlte. Zumal ich ihn mehr als alles andere auf der Welt jetzt wollte… Ich grinste ihn an und legte seine Hände zurück auf meinen Po. Ganz zaghaft erfühlte ich die Sonnenstrahlen auf meinen Lidern. Die frische, angenehme Luft waberte um mich herum und entfernt ertönte Vogelgezwitscher. Mein nackter Körper war warm in viele Decken gehüllt. Herrlich, dachte ich genügsam. Ich wollte gar nicht aufwachen, sondern einfach so liegen bleiben. Langsam reckte ich meine schlaffen Arme und verriet mich damit. „Wach, Liebste?“, vernahm ich seine Stimme, lautes Wasserplätschern und eine Erschütterung auf der Luftmatratze. Ich blinzelte mit zusammengekniffenen Augen links neben mich. Edward lag splitterfasernackt auf dem Bauch, den Kopf auf die Hand gelegt – und komplett nass. „Du warst gestern Nacht wieder so schnell müde“, grinste er. Ich verdrehte die Augen, hob meinen Oberkörper durch meine Ellenbogen an und erfüllte ihm seinen Wunsch. Wir küssten uns kurz. „Du warst schwimmen?“, fiel mir auf. Mein Blick schweifte über den eisig aussehenden See, über dem Nebel waberte. Ich drehte mich mit dem Oberkörper zu ihm auf die Seite. „Ja“, sagte er, „sehr belebend, man kriegt den Kopf frei…“ Augenblicklich wich seinem sanften Gesichtsausdruck eine nachdenkliche, ferne Maske, obgleich sich seine Gesichtszüge nicht änderten. Leichte Sorgenfalten schmiegten sich auf der Haut seiner Stirn ein und sein Blick wirkte ganz woanders. „Nein“, murmelte ich und warf mich sanft auf ihn, sodass ich auf ihm lag. Ich strich mit den Fingern massierend über seine Stirn. „Nicht grübeln, bitte…“ Edward legte beide Arme um mich und drückte mich an sich, während er sich auf den Rücken legte. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf sein nun vertieftes, gen Himmel gestrecktes Gesicht, ehe er meinen Kopf zu seiner Brust führte. „Gestern das Essen… ich glaube, ich drehe langsam durch. Tanya hat ununterbrochen darüber geredet, was sie jetzt wie essen soll, was Carmen ihr alles über Ernährung erzählt hat… Sie war teilweise total panisch, weil sie nicht weiß, wie viel sie essen soll, um nicht dick zu werden, aber auch noch genug für das Baby.“ Edward atmete ganz langsam ein und aus, ich spürte es an seinem Brustkorb, während er leise erzählte. Ab und zu zitterte sein Atem leicht. „Und ob sie jetzt vielleicht mehr essen müsse, weil sie ja schon relativ weit wäre, aber noch kaum runder, obwohl die Ärztin uns gesagt hat, dass das alles normal bisher ist. Und ob Alice ihr alles umnäht oder was schneidert, weil sie nicht weiß, ob ihr die Sachen im Laden passen-“ Er brach ab. Ich strich beruhigend mit der Hand über seine Brust, ehe er mein Gesicht in seine beiden Hände nahm und zu sich hochzog. „Ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll… ohne dich …“, flüsterte er. Seine Augen wirkten leer und die Gesichtszüge kraftlos. Ich legte mein Gesicht, Wange an Wange, an seines und war völlig gerührt von ihm. „Dieses ewige hin und her bei Tanya… sie ist euphorisch in dem einen Moment, in dem nächsten schockiert über das, was passiert ist, findet kaum Worte und fängt im schlimmsten Fall noch an zu weinen, wenn irgendjemand auf das Baby zusprechen kommt. Und alles, was ich zu Hause höre, ist, dass ich sie unterstützen muss. Ihr fällt das alles viel schwerer – glauben sie“, nuschelte Edward. „Ich leide genauso mit, auch wenn ich das Kind nicht austrage…“ Ich sagte nichts und ließ den Augenblick auf uns wirken. Angenehm beobachtete ich seinen Atem und dachte darüber nach, was er gesagt hatte. Nie hatte ich im Blick gehabt, dass der Mann bei einem ungewollten Kind auch einer Belastung ausgesetzt war, die der der Frau ähnelte, obwohl nicht gleich war. Ich sah dies bei Edward ganz deutlich. Er litt. Unweigerlich. Und ich könnte nichts für ihn tun – nicht mehr lange. Edward strich in sanften Kreisen über meinen Rücken. Ich konnte mir nicht verwehren zu glauben, dass ihm unsere Zweisamkeit gut tat. So eingebildet es klingen mochte, er schien in meiner Anwesenheit ein wenig zu vergessen – schließlich hatte er das Tanya-Thema bzw. die Sache mit dem Essen gestern und erst jetzt wieder angesprochen. Er hatte darüber nachgedacht, als ich noch geschlafen hatte… „Weißt du, was wir gestern vergessen haben?“, fragte er einen Hauch belustigt. Ich hob den Kopf, unsere Gesichter waren sich ganz nah. „Ne, was? Das Kondom?“, rutschte es mir feixend raus. „Ähm-“ Sein Gesichtsausdruck blieb grinsend, war jedoch irgendwie merkwürdig. „Tut mir leid, zu früh zum Scherzen.“ Ich räusperte mich kurz. Nun lachte er laut und sein Körper unter mir erzitterte ein wenig. Er stupste mir mit dem Finger auf die Nase. „Nein“, er lachte immer noch, „du bist so niedlich.“ Mit hochgezogenen Mundwinkeln küsste er mich innig. Ich schmunzelte ebenso. „Und? Was haben wir dann vergessen?“, wollte ich neugierig wissen. „Das hier“, murmelte Edward, machte sich etwas von mir frei und streckte einen Arm nach hinten aus. Er hob den Bastkorb zu uns auf die Matratze. Ich setzte mich neben ihm auf, eine Decke schulternfrei um mich gewickelt, und schaute zu, wie er ihn öffnete und eine Menge Köstlichkeiten hervorholte. „Gekauft“, wandte Edward ein. „Ich wollte dir meine Kochkünste nicht zumuten.“ Er schmunzelte leicht. Ich tat es ihm Kopf schüttelnd gleich. „Hier probier’ das mal“, sagte er und hielt mir etwas vor den Mund. „Ein Erdbeersahnetörtchen? So früh morgens?“, entgegnete ich skeptisch und zog die Augenbrauen hoch. Edward hielt sich den Bauch vor Lachen. „Was glaubst du, wie viel Uhr wir haben??“ Er wartete glucksend keine Antwort ab. „Bella, wir haben nach zwei“, klärte er mich auf. „Du hast so lange geschlafen.“ „Du hast mich ja gestern auch laaaaange“, dehnte ich absichtlich, „verwöhnt.“ Auf allen Vieren vor ihm stehend küsste ich verlangend seine Lippen. „Und das Törtchen“, kicherte Edward unter meinen Küssen. „Hat das blöde Törtchen etwa Ansprüche?“, murmelte ich grinsend. „Und wie…“, lachte Edward. Ich wich ein kleines Stück von ihm zurück und biss herzhaft hinein. Ich hatte genau genommen wirklich richtig Hunger. Die Sahne breitete sich auf meinem Mund aus und selbst meine Nase bekam etwas ab – ein gefundenes Fressen für Edward. Er beugte sich vor, ehe ich etwas tun konnte und leckte die Sahne von meiner Nasenspitze. „Edward-“ Jeglichem Protest zum Trotz küsste er meinen sahneverschmierten Mund großflächig, sodass ich seine Zunge überall um meine Lippen herum spürte. „Das ist echt eklig“, flüsterte ich atemlos, während er mich, statt dem Essen, zu verputzen schien. Edward schmunzelte nur sanft und führte zwischen den Küssen eine Erdbeere vom Törtchen zu meinem Mund. Wir genossen noch ein wenig den Ort, die Stille, das Beisammensein, bis wir langsam aufbrachen, alles zusammenpackten und diesen idyllischen Ort verlassen mussten. Ich seufzte laut, als wir bepackt durch ein kurzes Waldstück zu Edwards Auto gingen. „Keine Sorge, ich habe noch mehr geplant“, gestand Edward grinsend. „Wie… ‚geplant’?“ Ich schaute ihn von der Seite an. Wir kamen an seinem schwarzen Winterauto an. „Na ja, bis- also diese Woche“, unterbrach er sich selbst und ich, wie er vermutlich, spürte den feinen Stich in die Magengegend, „habe ich genauso verplant, wie die Nacht gestern bzw. den Tag heute“, grinste er geheimniskrämerisch. „Samstag kann ich nicht“, wandte ich direkt ein. „Mein Dad kommt mittags hierher.“ Er schaute angestrengt drein und überlegte, ehe er sagte: „Gut, dann ist Samstag wieder ‚Tanya-Tag’.“ Er lächelte tapfer. „Außerdem bleibt die Zeit davor, oder?“, grinste er sein Auto beladend. Ich kicherte leise und reichte ihm meine Sachen für den Kofferraum an. „Und… was hast du so geplant?“, fragte ich beiläufig. Er lachte wieder. „Guter Versuch“, er wuschelte mir durchs Haar, „aber das sage ich natürlich nicht.“ Wir stiegen ein. Klar, dachte ich, wie sollte es auch anders sein. „Einzig und allein eines kann ich dir verraten“, meinte er, als er das Auto auf den Waldweg beförderte. „Wir werden weder in die Öffentlichkeit gehen, noch zu mir nach Hause.“ Ersteres verstand ich. Er konnte sich schlecht mit Tanya als Paar, na ja wenigstens als Freunde, zeigen und gleichzeitig mit mir in Kino gehen – aber das machte auch nichts. Ich wollte bei ihm sein. Egal, ob im Wald, in der Uni oder beim einkaufen. Bei letzterem fragte ich nach: „Deine Eltern mögen mich nicht mehr sonderlich, oder?“ Sein Gesicht wurde weicher. „Nein, so stimmt das nicht. Sie mögen dich sehr – aber nicht an meiner Seite. Nicht jetzt, wo Tanya ein Kind von mir erwartet“, beichtete er mit belegter Stimme. „Glaub mir, ich würde dich gerne mit zu mir nach Hause nehmen, aber das würde nur für Zündstoff sorgen – aber nicht wegen dir persönlich“, sagte er nachdrücklich. Ich nickte ihm lächelnd zu. „Aber alles andere ist ja auch schön…“ „Oh ja“, grinste er verschmitzt. Ich erwiderte es – und machte mir ein wenig Sorgen, was er noch alles vor hatte… „Danke, es war wirklich sehr schön am See – trotz Entführung“, sagte ich kichernd zu Edward an der Türschwelle. Er hatte darauf bestanden, mich noch mit hoch zu geleiten. Ich nahm seinen Hals zwischen meine Hände, zog ihn zu mir und küsste ihn – zuvor hatten wir uns versichert, dass der Flur leer war. „Bis Morgen, schlaf gut-“ „Morgen? Ich fürchte nicht“, seufzte er. „Wieso?“, fragte ich – unverkennbar enttäuscht – nach. Ich dachte, er hatte was von „verplanten Tagen“ gesagt… „Weil ich gleich wiederkomme“, grinste er verräterisch. „Was? Wie…“ Ich runzelte die Stirn. „Bis nachher“, murmelte Edward, küsste meine Wange andächtig und lief den Flur entlang zum Treppenhaus. Verwirrt sah ich ihm nach. Was war das denn jetzt?? Ich trat in meine Wohnung ein und schüttelte den Kopf. Was hatte er jetzt wieder vor? Einen anderen See entdecken? Seufzend ließ ich mich aufs Bett sinken. Aber es war so schön gewesen… ein kleiner Stich peinigte meine Eingeweide: Nicht mehr lange, pochte es in mir. ------------------------------------------------- Freue mich seeeehr auf kommis ^^ Kapitel 23: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 9 (Bella) ------------------------------------------------------ Musiktipps: Black Eyed Peas - Rock that Party (Skrillex Mix) - http://www.youtube.com/watch?v=OMi4g6wzOZI&feature=related & Kelly Rowland und David Guetta - Commander - http://www.youtube.com/watch?v=xtABEXIrCVU Warum die Lieder und wann die kommen, entdeckt ihr ganz schnell ;) leider gibts das erste lied in dem mix nur als lifeversion... aber mega toll und beim schreiben seeehr inspirierend ^^ -------------------------------------------------------------------------------- http://img715.imageshack.us/img715/920/bannerforumcodateil9let.jpg „-ja, ich denke, ich bekomme die Ergebnisse erst, wenn ich wieder in Deutschland bin, bei dir.“ Das letzte sagte ich einen Hauch zu wehmütig. Einen Hauch zu bitter. Doch meine Mum am anderen Ende der Leitung, hörte es nicht heraus. „Ja, nächste Woche sehe ich dich wieder… das ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht“, gestand meine Mutter theatralisch. „Jaah…“, sagte ich langsam und schluckte eine Träne herunter. „Und? Wie geht es dir? Wie ist die Behandlung?“, lenkte ich ab. „Immer kräftezehrender, aber nicht so häufig dafür. Na ja, du bist ja bald wieder da und dann sind die Tests, denke ich, auch recht schnell abgeschlossen“, erklärte sie mir. „Noch ist nichts entschieden, Liebes, und ich stehe mit meiner derzeitigen Diagnose, die wiedergefundenen Krebszellen, in der Schwebe. Aber, Schatz, ich bin zuversichtlich-“ Es klingelte laut und durchdringend an meiner Tür. Befreiend, wirkte es auf mich. Ich wollte meine Mutter nicht gegen Edward tauschen und das noch als Genugtuung erfahren, aber umso mehr ich mit meiner Mutter in Kontakt trat, umso mehr entfernte ich mich gedanklich von Edward. Ich war immer mehr in Deutschland und in der Zukunft, als in Amerika und im hier und jetzt. Und genau da wollte ich jetzt nicht sein. „Mum?“, unterbrach ich sie, während ich Edward aufdrückte. „Ich muss Schluss machen-“ „Warum? Ist was passiert?“, fragte meine Mutter irritiert nach. „Nein, nein-“, drängelte ich, um sie abzuwürgen – so unfreundlich das klang. „Aber du musst doch nicht mehr lernen, oder?“, fragte sie mich weiter sanft aus. „Nein, ich bekomme Besuch“, sagte ich eilig, da Edward gerade durch die Tür geschritten war und die Arme um meine Hüfte gelegt hatte. Ich bemerkte seinen leicht schneller gehenden Atem. „Ach, du triffst dich mit Charlie? Siehst du ihn jetzt öfter?“, verwickelte sie mich weiter in ein Gespräch. „J-Ja“, stockte ich, während Edward mit Absicht innig meinen Hals liebkoste – und das ziemlich kitzelig. Leise kicherte ich und schimpfte stumm: „Edward!“ „Bella?“, fragte meine Mutter misstrauisch nach. „J-Ja, Mum? Charlie- D-Dad ist hier“, stotterte ich herum, während Edwards Lippen über meine Wangen zu meinen Mund glitt. „Verstehe“, lachte meine Mutter. „Viel Spaß mit Edward, bis dann.“ Sie legte auf. „Mum? Mum?“, sagte ich verwirrt ins Handy, als es tutete. „Aufgelegt“, entfuhr es mir verwirrt. Viel Spaß mit Edward… „Umso besser“, grinste Edward, drückte mich leicht gegen mein Bücherregal und küsste nun meine unbeteiligten Lippen. Glaubte sie, ich vergnügte mich hier? Machte mit dem Erstbesten rum, nur weil sie mich nicht mehr störte? Was glaubte sie jetzt nur? „Was ist los?“, fragte Edward mich weiterhin küssend, schaute mich jedoch über sein Grinsen irritiert an. „Edward, ich kann das nicht“, stieß ich ihn leicht zurück und huschte unter seinen Armen her. Mein Blick war von ihm weggerichtet. „Was kannst du nicht?“, fragte Edward nach. Ich schaute ihn entschuldigend an und verzerrte die Gesichtszüge. „Oh nein, Bella, oh nein!“, las er es mir laut und deutlich von den Lippen ab. „Wir waren schon an dem Punkt, warum jetzt wieder?“ Er nahm meine Hand und selbst als ich sie wegziehen wollte, ließ er nicht locker. „Auf keinen Fall, Bella. Ich gebe unsere letzten gemeinsamen Tage nicht her.“ Ich blickte in seine warmen, ehrlichen Augen und sah mit zusammengekniffenen Gesichtszügen zur Seite. Warum verstand er meine Sorge nicht? „Du kannst die Tage auch nicht mehr hergeben“, flüsterte er und zog mich – von mir unfreiwillig – an sich. „Ich weiß das…“ Er verführte meine Lippen leidenschaftlich zu einem prickelnden Kuss, dem ich nicht widerstehen konnte. Nach einer schier unendlichen Zeit, in der wir ineinander verschlungen auf meinem Bett lagen und uns küssten, blieb Edward regungslos über mir und grinste verwegen. Ich tat ihm letzteres gleich, führte die Hände zu dem Saum seines Oberteils und zerrte daran. Edward lachte auf und rollte sich von mir vom Bett, sodass er stand. Er zog seinen Pullover wieder herab und zupfte ihn in die richtige Ausgangsposition. Grinsend wandte er sich zu mir und meinem verdutzten Gesicht um, ehe er mir die Hand reichte, die mich dann aufstehen ließ. „Was?“, fragte ich verständnislos. „Ich habe etwas anderes für heute geplant“, meinte Edward schmunzelnd und scannte meine Gesichtszüge. „Aha und das wäre?“, fragte ich mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen nach. Edward wandte sich um und holte die Taschen, die ich nicht bemerkt hatte, von der Wohnungstür zu uns. Er schaute mich bedeutungsvoll an, während er sie vor mir in der Hand hielt. „Wir gehen auf eine Party“, offenbarte er schlicht. „Was?“ Mein „Was“ war nun zu der Verständnislosigkeit auch noch von Entsetzen gekennzeichnet. „Auf meine Geburtstagparty wolltest du nicht und das war auch nicht schlimm“, erklärte Edward einfach so vor mir stehend, „weil ich dich nicht hätte anfassen dürfen. Aber heute machen wir das anders. Wir fahren etwas weiter raus, wo uns keiner mehr kennt und verbringen einen Abend dort-“ „Moment. Wir gehen auf eine Party?“, unterbrach ich ihn mit erstarrten Gesichtszügen. „Du meinst… mit… Musik und na ja, tanzenden Leuten und Licht und so was…?“, druckste ich herum. Edward lachte. „Jaah…, ich schätze schon.“ Ich sah ihn einen Augenblick an, um endlich zu verstehen, dass das sein Ernst war und mir war meine Meinung dazu sofort mehr als deutlich: „Keine Chance“, sagte ich und setzte mich auf den Stuhl neben dem Bett. „Entweder wir schweigen uns hier an oder wir gehen auf eine Party“, erpresste er mich. „Wir können uns gerne anschweigen“, verkündete ich kühl und zog eine Augenbraue kurz hoch. Ich konnte mir nicht vormachen, dass es mir leicht fiel, die „Harte“ zu spielen, doch bei so einer absurden Idee, war es mehr als angebracht. Wieder lachte er amüsiert und setzte sich mir gegenüber. „Ich werde heute nicht mal in deine Nähe kommen – wenn wir nicht auf die Party gehen.“ „Und wenn ich einen Stripp hinlege“, lockte ich ihn mit zusammengepressten Lippen grinsend. Nun lachte Edward noch lauter und meine kalte Maske fiel. „Ach Edward, ich kann nicht mitkommen“, gestand ich, blickte ihn wehleidig an und legte meine Arme auf dem Tisch ab. Er ergriff die Chance und nahm meine Hände. „Warum denn nicht?“, wollte er hauchzart mit Hundeblick wissen. „Das ist nichts für mich… ich war noch nie so wirklich auf einer Party und ich trinke eigentlich nicht und- und ich tanze nicht. Gar nicht“, versuchte ich irgendwie zu begründen. Edward sah mich schweigend an, als hätte ich nichts gesagt und er wartete nun auf ein Argument. „Ich kann- ich kann einfach dieses Hüftgewackel nicht. Dabei komme ich mir doof vor“, gestand ich. „Das passt einfach nicht zu mir. Das bin einfach nicht, ich…“ „Hast du es schon mal richtig probiert?“, fragte er sanft nach. „Das hat damit nichts zu tun“, wandte ich ein. „Ich weiß, dass ich kein Tanzgen habe und Talent zum Tanzen in der Disco habe ich noch weniger-“ Ich brach ab, als Edward laut auflachte und sah ihn mit hängenden Mundwinkeln an. Ich erzählte ihm das alles und er machte sich darüber lustig. Na toll. Er nahm mich nicht ernst und sein Gelächter schallte in mir verletzend. Ich blickte verstimmt zur Seite. „Entschuldige, Schatz“, flüsterte er zärtlich und umfasste meine Hände enger, „aber das, was du sagst, ist insofern lächerlich, als dass dann niemand in eine Disco gehen würde, wenn man ‚Talent’ dafür bräuchte – welches auch immer. Das Tanzen in der Disco ist nicht erlernbares wie Standardtanz, es ist einfach eine Form, um Gefühle nach außen zu projizieren. Entweder Alkohol… oder Liebe.“ Seine Worte rührten mich, doch das änderte nichts. „Mag sein, aber… ich kann es nicht, ich komme mir bescheuert vor und solch eine Blamage will ich nicht durchstehen. Ich kann mich nicht gut bewegen und so… ich fühle mich da einfach nicht wohl“, sagte ich strikt und abschließend. Ich hatte meine Hände zurückgezogen und bereits wieder verschränkt. „Hmmm“, machte Edward und schaute mich nachdenklich an. Ich blickte stur an zur Seite und ignorierte ihn. Gut, dann schwiegen wir uns an. Ich würde niemals mit ihm auf eine Party gehen. Punkt. „Okay, wie erkläre ich dir das…“, murmelte er grübelnd. Ich schaute mit den Augen – lediglich mit den Augen – zu ihm herüber. „Was willst du mir erklären?“ „Ich will dir erklären, warum mir das so wichtig ist. Allerdings finde ich nicht die richtigen Worte, um es schonender zu sagen.“ Nun machte es mich doch hellhörig und ich drehte den Kopf zu ihm, während er weiter sprach. „Bella, die Stunden, die wir zusammen verbringen können, sind gezählt.“ Er schluckte hart – mein Kloß im Hals wollte sich nicht runter schlucken lassen. „Ich möchte mit dir noch so viel erleben wie möglich, jede Sekunde nutzen, die ich mit dir habe. In meiner Welt gehört dazu auch eine Party. Trinkgelage, feiern, tanzen, das gehört genauso wie ein Ball oder ein Empfang zu dem Leben in der Gesellschaft von Seattle. Und da es zu meinem Leben gehört, ist es mir wichtig, das auch mit dir zu erleben. Ich würde es ewig bereuen…“ Ich schaute in seinen herzzerreißenden Blick und spürte kribbelnd die Tränen in mir hochkommen. Unsere Tage sind gezählt… „Bitte…“, wisperte er leise und sah mir tief in die Augen. Seine Worte machten mich so betroffen, dass mein Herz sofort antwortete, eher als ich mein Hirn einschalten konnte: „Okay, gut.“ Ich nickte wie paralysiert. Wenn es das war, was er wollte… jede Sekunde würde ich ebenso mit ihm verbringen wollen. Egal wie. Er lächelte schmal, aber das gewinnende Leuchten schien mir entgegen und er kam zu mir herum. Ich seufzte, als ich bemerkte, wozu ich gerade zugestimmt hatte. „Ich hasse es, wenn du mich so um den Finger wickelst…“ Edward hatte sich auf meinem Bett platziert und zog mich auf seinen Schoß. „Ich passe schon auf dich auf, mach dir keine Sorgen. Und danke.“ Er küsste meine Schläfe kurz. Ich lehnte matt den Kopf an seine Stirn. „Gut“, seufzte ich nochmals, diesmal aber gedehnt. „Wo hast du Alice versteckt?“ „Ähm, nirgendwo…“ Ich merkte in seinem Gesicht die peinliche Berührung. Er drehte sich rasch weg, erhob sich und nahm die Tüten wieder hervor. Er stellte sie auf den Tisch und packte ein paar Kleidungsstücke aus. „Die sind aus Alice’ Schrank, du kannst ja mal schauen, was dir gefällt“, meinte Edward matt, lächelte mich dann aber an. Klar. Ich verstand. „Alice kann mich, so wie deine Eltern, wegen Tanya nicht mehr leiden.“ Ich fragte nicht, ich stellte fest. Edward blickte mich gequält an. „Nein, so ist es nicht. Alice mag dich, wie meine Eltern, nach wie vor. Bei Alice ist das schwierig, weil sie Tanya verletzen würde, wenn sie sich mit dir trifft. Es würde sie kränken, wenn Alice dich sehr mag, nach den anfänglichsten Schwierigkeiten, ebenfalls wegen Tanya. Meine Schwester wäre sehr gerne mitgekommen und hätte dich zu Recht gemacht, aber…“ Edward schaute kurz herab. „Jedenfalls hat sie die Sachen mit mir ausgesucht… sieh einfach mal nach, was dir gefällt. Partytauglich seien sie wohl alle“, grinste Edward leicht. „Im Gegensatz zu mir“, murmelte ich verdrießlich und beugte mich vom Bett aus zu den Klamotten. Ich seufzte mehrmals, als ich die Sachen eine nach der anderen hochhielt. „Grauenvoll“, nuschelte ich, legte das letzte Teil weg und blickte Edward an. „Ich finde sie alle scheußlich, zu aufreizend.“ „Das ist der Sinn“, zwinkerte Edward mir zu. „Ich mag das am liebsten“, sagte er und holte das locker fallende dunkelblaue Top mit seitlichen Pailletten hervor. „Und den dazu.“ Er hielt einen Jeansrock hoch. Ich seufzte wieder, diesmal theatralischer und starrte Edward missmutig an. Meine Lippen verließen kein Wort. Er grinste. „Komm’ schon. Mir persönlich ist es gleich, wie dort aufkreuzt, aber ich weiß – auch wenn du mir das jetzt nicht glauben wirst –, dass du dich dort in dieser Kleidung wohler fühlst.“ Stumm nahm ich ihm die Sachen ab und entfernte mich mit voller Absicht ins Bad, um mich umzuziehen. Widerwillig streifte ich mir die Sachen über. Das Top ging so. Es fiel ab der Taille weiter und in sanften Wellen, während es oberhalb relativ eng saß. Das Oberteil ging ja noch. Den Rock fand ich schrecklich. „Da sehen meine Oberschenkel scheiße drin aus“, vergaß ich meine gute Kinderstube vor Edward, als ich mich trotzig vor ihn stellte, den Rock auszog, ihm in die Arme pfefferte und murrte, dass ich jetzt erst mal meine Haare waschen würde. Er rief mir hinterher, dass er sich auch eben umziehen würde. Mit in ein Handtuch gewickelte Haare stieß ich wieder zu Edward. „Gibt’s noch was anderes, als den fürchterlichen- Wow“, entfuhr es mir, als Edward sich zu mir umdrehte. Okay, es war nur eine verwaschene, aber an ihm trotzdem elegant aussehende, Jeans, ein weißes, halbzugeknöpftes Hemd und mit Gel zerzauste Haare, doch es versprühte so einen Charme… Ich schritt auf ihn zu und schloss zwei Knöpfe des anrüchigen Hemdes. Mein Räuspern ließ Edward lachen, ehe er sich zu mir herunter beugte und mich kurz sanft küsste. „Wie findest du die?“, fragte Edward und bot mir eine dunkle Röhrenjeans an – ich sah aber gelinde vorbei. „Du siehst umwerfend aus. Es sollte verboten sein, in so einfachen Sachen so gut auszusehen“, sprach ich meine Gedanken geradewegs aus und errötete leicht. „So ein schönes Kompliment…“ Er küsste meine Wangenknochen. „Das gebe ich nur gern zurück“, säuselte er und legte die Fingerkuppen unterhalb des Saums meines Slips am Po. „Hmmm“, machte ich und begutachtete die Jeans in seiner Hand kritisch. Stöhnend presste ich mich da herein. „Na klasse, Edward. Erst ein Rock, bei dem meine Oberschenkel sich bis ins Unermessliche erweitern und dann eine hautenge Jeans, wo mein Hinterteil selbiges tut. Tja… was soll ich wählen…“, witzelte ich maulend und sah an mir herab. „Du siehst so super aus, Schatz.“ Er küsste meine Stirn. „Lass uns deine Haare machen“, meinte er locker, nahm eine der Taschen und zog mich an der Hand ins Bad. „Hä? Wie?“, stieß ich irritiert hervor. Edward stellte sich schweigend hinter mich, während er mich vor den Spiegel schob und mein Handtuch, nachdem er kurz noch mein Haar etwas getrocknet hatte, entfernte. Sanft löste er Haarsträhne für Haarsträhne daraus, nahm eine Rundbürste aus seiner Tasche, die er geöffnet auf den Waschenbeckenrand gestellt hatte und kämmte meine Haare sachte. Ich war verblüfft von der Situation, dass ich sie erst einmal auf mich wirken lassen musste. Seine Berührungen in meinem Haar, wie er es aufschüttelte, waren so zärtlich. Und wenn er meine Kopfhaut streichelte, erschauderte ich leicht. Er gab sich etwas Schaum in die Haare und massierte es in meine Haarspitzen hinein. Angenehm berührte er mit seinen Fingerspitzen meinen Hals, Nacken bis hinauf zu meinem Haaransatz. Nun wurde ich wirklich misstrauisch und wandte mich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem fragenden Blick zu ihm. „Crash-Kurs made by Alice“, scherzte er hinreißend, als er zu mir herabsah. „Hm“, machte ich und drehte mich Kopf schüttelnd wieder um, damit ich Edward wieder im Spiegel betrachten konnte, während seine Augen im Spiegel nur meinen Haaren galten. Gekonnt fönte er meine Haare trocken und knetete noch eine Flüssigkeit herein, bevor er meinen Pony zur Seite und geschwungen wölbte. „Was so alles in dir steckt…“, meinte ich anerkennend. Ich fand es wirklich nicht schlecht. „Das fasse ich dann mal als Lob auf und dass es dir gefällt“, lachte er und schlang die Arme von hinten um meinen Bauch. Er legte den Kopf auf meine Schulter und neigte jenen kurz zu meinem Hals, um ihn zu küssen. „Ich glaube, wir sind startklar“, hauchte er in mein Ohr. „Du siehst unwiderstehlich aus…“, gestand er mir sanft. „Wenn du noch ein paar Mal seufzst, dann musst du mir für jeden Seufzer einen Tanz in dem Club mehr gönnen“, mahnte Edward mich feixend, als die Disco vom Taxi aus bereits in Sicht war. Das Gebäude war unabweisbar unser Ziel. Es war in einer sehr ablegenden Gegend von Tacoma, welche wir nach einer gut halbstündigen Fahrt erreichten. Das mehrstöckige Haus war hell und bunt unter dem Schriftzug erleuchtet. Der Bass einer mir undefinierbaren Melodie drang mir entgegnen – genau genommen waren es mehrere Lieder. Trotz der abgelegenen Ortschaft schien es brechend voll zu sein. Es strömten gerade ein paar Personengruppen in den Club. „Warum ist hier donnerstags so voll?“, fragte ich nach. „In Tacoma ist morgen der Gründungstag der Stadt und somit frei“, antwortete Edward schlicht, kurz bevor das Taxi zum Stehen kam. Ich nickte langsam und schob mich nach Edward aus dem Taxi auf den Bürgersteig. Während Edward etwas mit dem Fahrer regelte, stand ich mit missmutiger Miene zu dem Fahrzeug gedreht und schaute empor zu dem Gebäude. Das durfte nicht wahr sein, dachte ich grummelnd. Das, was ich hier tat, durfte nicht wahr sein… unglaublich. Flugs war Edward fertig, legte seine rechte Hand auf meine Hüfte und zog mich mit sich zu dem Eingang. Ich bemerkte bereits, dass er zwei Karten – Eintrittskarten – in der Hand hielt und ich fragte weder mich selbst, noch ihn, wo er die her hatte. Ich seufzte laut, aber unwillkürlich, und Edward knuffte mir in die Seite. Mein Blick, der daraufhin ihm galt, war vernichten. „Ach Schatz, du siehst so heiß aus“, flüsterte er in mein Ohr. „Habe ich ein Glück, dass du schon zu mir gehörst und die anderen Jungs dort schön neidisch sein dürfen…“ Er grinste keck. Zu ihm gehören… Er legte einen Arm um meine Schulterblätter und drückte mich an sich, während wir uns durch die anderen hindurch schoben, die noch eine Karte brauchten (oder hofften eine zu ergattern, dachte ich bei dem plötzlichen Ansturm). Oh. Mein. Gott. Was anderes ging mir gerade nicht durch den Kopf, als wir zur Garderobe gingen und ich einen Blick auf einen Tanzraum erhaschte, aus der die Musik laut dröhnte. In mir pochte es unangenehm und ich wäre am liebsten schreiend – na ja vielleicht auch nicht, dafür war ich nicht mutig genug – heraus gerannt. Betont lässig kam Edward wieder zu mir, sah sich einen Moment an einer Tafel um, die ich gar nicht richtig wahrnahm, geschweige denn las, murmelte etwas, dass ich ebenso wenig vernahm und schleifte mich hinter sich her auf die zweite Ebene. Giggelnde, ausgelassene Menschen kamen auf uns zu, uns hinterher und waren um uns herum, während ich meine ein wenig angewiderte Miene nicht wirklich ablegen konnte. Mir war das alles suspekt… irgendwie. Hier gehörte ich nicht hin. Nie. Edward zog mich am Rand der überfüllten Tanzfläche vorbei und stellte mich an der langen Bartheke ab. Er schrie mir ins Ohr, dass er kurz ein Stück weiter gehen würde, Getränke holen. Ich nickte ihm betreten zu – das würde wohl etwas dauern bei dem Andrang – und beobachtete die Leute beim Tanzen. Vielleicht konnte ich einfach ein paar Stunden mit Edward hier stehen, was trinken und wir würden dann wieder fahren? Ich schnaubte innerlich auf. Wohl kaum. Was zum Teufel machte ich hier? Warum war ich hier? Warum hatte ich mich bereit schlagen lassen und war weich geworden? Weil ich es für Edward tat?, fragte ich mich prompt. So weit hatte er mich schon? Dass ich mich von ihm hierher bringen und er mich umkrempeln ließ…? Irgendwie musste ich innerlich auch lachen. Ich hätte nie gedacht, dass es einen Menschen geben würde, der so viel Einfluss auf mich haben könnte… Ich musterte die vielen tanzenden Leute vor mir, versuchte mir die Bewegungen einzuprägen, legte den Kopf leicht schief. Mit den Augen registrierte ich alle Abläufe – war mir aber sicher, dass ich das niemals umsetzen konnte. Das blondhaarige Mädchen im Tanktop schien, für meine Begriffe, sehr gut tanzen zu können, aber selbst, wenn ich noch zehn Stunden hier stehen würde, änderte das an meinen tänzerischen Fähigkeiten nichts. Die anderen, meinem Tanztalent etwas näheren, scherten sich nicht darum, wie sie auf der Tanzfläche aussahen – entweder wegen des Alkoholpegels in ihrem Blut oder aufgrund ihres Selbstbewusstsein. Oder wegen beidem. Beides würde ich aber nicht besitzen an diesem Abend, da war ich mir sicher… „Allein hier?“, ertönte eine Stimme laut neben mir. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück und fuhr zusammen. „Bist du schon mal hier gewesen?“, fragte der Typ neben mir einfach weiter. „Ähm, nein“, erwiderte ich perplex und scannte den komischen Vogel kurz von oben bis unten. Er trug schwarze Shorts mit Sneakers und dazu ein enges graues Shirt. Seinen Kopf zierten blonde längere, total durcheinander gegelte Haare, die im Discolicht leicht schwitzig aussahen. „Ich komme aus Tacoma, bin ein- oder zweimal im Monat hier“, plapperte er drauf los. „Ist ein total guter Laden hier. Die Preise stimmen und die Musik auf den einzelnen Floors ist top. Warst du schon oben? Eine höher? Der DJ spielt da eher klassischere Lieder, aber auch ganz lustig eigentlich“, redete er weiter, während ich den Kopf schüttelte. „Hey, das Lied ist spitze!“, fiel ihm plötzlich auf und strahlte mich an, während ich ihn schweigend anstarrte. „Lust zu tanzen?“ Prompt nahm er meine Hand, wandte sich um und wollte mich zur überfüllten Tanzfläche schleppen. In mir erzitterte alles und ich zog meine Hand aus seiner. „Ne, danke“, sagte ich bloß und hoffte, dass er einfach ging. Schultern zuckend stellte er sich – zu früh gefreut – neben mich, legte die Hand auf der Theke ab und lehnte sich nah zu mir. „Ich bin übrigens Jimmy“, stellte er sich dann verspätet vor und hob die Hand zum Gruß. Irgendwie sah es dämlich aus. Ich lächelte mit zusammengekniffenen Lippen und schaute an ihm vorbei auf die Tanzfläche, als würde ich interessiert dahin sehen. Versucht ihn zu ignorieren, betete ich, dass er endlich ging und meine Abneigung merkte. „Wie heißt so eine schöne Frau eigentlich? Gibt es für so jemanden überhaupt einen Namen?“, raspelte er gewaltig viel Süßholz und ich hätte über diese billige Anmache am liebsten aufgestöhnt. Wartend beuge er sich vor und gaffte mir in die Augen. „Kollege“, vernahm ich Edwards laute Stimme, mit einem leicht aggressiveren Unterton und schob ihn etwas ruppig an der Schulter zur Seite. „Ich fürchte… das geht nur mich etwas an“, zwitscherte er zuckersüß, aber eisig. Das war die andere Seite an ihm, die kühle, abweisende – und jetzt genau richtige, musste ich mir eingestehen. „Schwirr’ ab“, zischte Edward, legte einen Arm um mich und küsste meine Lippen innig. Abgelenkt schaute ich nach rechts, beobachtete Jimmy, wie er die Augenbrauen hochzog und dann schnaubend in der Menge verschwand. „Hier spielt die Musik“, sagte Edward über meine Küsse und richtete mein Gesicht wieder gerade zu sich. „Dass du dich so armselig anbaggern lässt“, lachte er mir ins Ohr. „Hab ich nicht“, widersprach ich sofort. Edward grinste, ließ dann aber von mir ab und schaute dem Typen hinterher. „Idiot. Wen interessiert es, wo er herkam und was er an dem Schuppen hier toll findet?!“ Ich blickte ihn mit großen Augen geschockt an. „Wie lange standest du denn schon da?“, fragte ich nach. „Hmmm, sagen wir eine Weile?“ Er grinste verräterisch. „Oder die ganze Zeit?“ Sein Grinsen wurde noch breiter und meine Augen noch weiter. „Ich habe dich beobachtet…“, gestand er. „Es war sehr spannend, dir zuzusehen, wie auf deiner Stirn ein Banner läuft und all deine Gedanken preisgibt. Dein Gesicht sagt einfach alles… ein offenes Buch…“ „Unfreiwillig“, knurrte ich verdrießlich, während er meine Wange liebkoste und zu meinem Ohr glitt, an welchem er sanft knabberte. „Ach hier“, erinnerte sich Edward wieder und griff hinter sich zu den Getränken. Er reichte mir einen milchig aussehenden, orangefarbenen Cocktail – der jedoch nicht mehr voll war. „Ich musste mal probieren… mir die Zeit vertreiben, während ich Zuschauer war, du verstehst.“ Er grinste keck und zwinkerte mir zu. „Der wird dir schmecken. Man merkt den Alkohol nicht so, mit Sahne und Pfirsich und so. Für kleine Mädchen eben, die gerade mit dem Bösen anfangen“, lachte er ausgelassen, wuschelte mir absichtlich kindlich über den Kopf und schlang die Arme von hinten um meine Taille. Ich neigte den Kopf zu ihm, verkniff mir dann aber einen Kommentar und probierte selbst. „Ganz lecker“, sagte ich, während Edward sein Bier trank. Ich schlürfte sehr langsam an meiner Mixtur – das war meine neue Strategie. Fünf Stunden an einem Cocktail nuckeln, damit wir nicht tanzen konnten. „Ah, danke“, hörte ich Edward laut sagen und wandte sich nach hinten. Ich sah, wie er einen weiteren meines Cocktails von dem Barkeeper entgegen nahm, diesem einen Schein zu steckte und mir Drink Nummer zwei reichte. „Du bist ganz schön langsam“, neckte er mich. „Die trinkst du jetzt erst mal beide und dann schauen wir mal, wo wir unseren Platz auf der Tanzfläche finden… ach ja“, bemerkte er noch, „und deine Strategie kannst du dir sparen. Die haben hier lange geöffnet…“ Er küsste abwärts von meinem Ohr meinen Hals, während ich an meinem Getränk nippte. Ich seufzte leiser. Bei dem Krach hier, würde er es nicht hören… „Das ist unfair“, sagte ich, als er so nah an mir war. „Du füllst mich ab, selbst bleibst aber du komplett nüchtern und trinkst nur Bier“, maulte ich herum. Edward lachte und stellte den Cocktail, den ich vor der Brust festhielt, auf den Tresen. „Nein, Bella“, lachte er und wurde dann ernster. „Du musst das nicht trinken, keineswegs, aber wir werden heute auf jeden Fall tanzen und durch Alkohol wird man nun mal lockerer. Das könnte dir helfen, aber ich werde dich nicht dazu drängen.“ Er zog mich an sich und küsste meinen Pfirsich-Sahne-Mund. Ich schaute ihn danach seufzend an und langte, mich geschlagen gebend, nach dem Cocktail. „Prost“, murrte ich und konnte mir das Grinsen dann aber doch nicht verkneifen. Laut ließ ich das leere, längliche Glas auf dem Tresen aufkommen und schaute Edward an. „Du hast recht“, meinte ich nickend zu mir selbst. „Ich muss lockerer werden, denn es gibt Dinge, die muss man sich schön trinken…“ Edward lachte herzlich und beugte sich bei dem Krach noch etwas weiter zu mir herunter. „Lass uns nicht mehr reden“, sagte er und zupfte an meinem Top. Ich sperrte mich. „Das Lied ist doof“, sprach ich die erste Ausrede, die mir in den Sinn kam, aus. Edward grinste über meine Notlüge und schüttelte nur sachte den Kopf, während er mich an den Händen zur Tanzfläche zog. Zögerlich tat ich einen Schritt vor den anderen. Ich wusste nicht, ob der Alkohol in meinem Blut schon wirkte oder nicht. Wenn er es tat, war das ein ziemliches Armutszeugnis, denn ich merkte eigentlich nichts, obwohl ich ziemlich schnell getrunken hatte. Wenn er es nicht tat, dann sollte er sich beeilen… Ich bemerkte, wie Edward seine Lippen, um nicht lauthals zu lachen, verkrampft zusammenpresste. „Hör auf“, sah er meine Lippen formen und ich warf ihm einen bösen Blick zu. Wir befanden uns nun außerhalb von Tacoma, in einem Discoschuppen und mitten auf einer Tanzfläche. Ich spürte, wie es aufgeregt unter meiner Haut kribbelte – die Angst in mir nicht zu vergessen. Angst, albern auszusehen. Angst, dass Edward mich auslachte. Angst, was man über mich sagte, wenn ich nicht dazupasste. Angst, dass jemand über mich redete… Aber warum störte mich das alles so sehr? Und vor allem, seit wann? Sonst waren mir die anderen so egal gewesen… aber gut, ich war nie in Deutschland auf einer Party gewesen und hatte mich bis jetzt immer gedrückt- „Nicht denken, sonst kitzele ich dich, bis du vor Erbarmen schreist“, rief mir Edward zu und tanzte bereits vor mir zu dem lauten Beat um uns herum – und das sah verdammt gut aus, musste ich anerkennend feststellen. Ich biss mir schmal schmunzelnd von innen auf die Lippen und herrschte mich an, mich zusammenzureißen – einfacher gedacht, als getan. Mit den Beinen wippte ich etwas hin und her, um nicht stocksteif zwischen den Leuten zu stehen und schaute, hoffentlich nicht zu hilflos, auf meine Füße. Apropos, meine Arme, mit denen musste ich ja auch irgendwas machen. Aber was nur, damit es nicht zu auffällig war… Kurzerhand spürte ich Edwards eine Hand an meinem Beckenknochen und seine andere an meinem Gesicht, welches er anhob. Sein Blick war sanft, irgendwie beruhigend, verständnisvoll. Er küsste mich auf die Lippen und führte die andere Hand ebenfalls zur meine Hüfte. Ich spürte den Druck seiner Hände an meinem Becken und merkte, wie er es lenkte, während ich zaghaft die Arme zu seinem Hals hob. Er half nach und ich schlang die Arme locker um seinen Hals und bemerkte die Bewegungen seines Körpers an mir; die Musik dröhnend um uns. Es hatte etwas Berauschendes, ganz gleich, ob jetzt der Alkohol, die Musik oder das Tanzen. Die Situation war ungewohnt und wirkte somit noch heftiger auf mich ein. Ich tanzte… ich tanzte wirklich… und zumindest hatte mich bisher keiner schief angesehen. Sagen wir es so, ich hatte es bislang noch nicht bemerkt. „Das ‚Hüftgewackel’“, zitierte er mich, seine Lippen an meinem Ohr, „kannst du unglaublich gut. Das sieht so heiß aus“, sagte er, während wir zum wievielten Lied aneinander tanzen. Ich spürte wie ich rot wurde, wenn ich daran dachte, was ich hier tat und wie ich mich preis gab – was ich niemals für möglich gehalten hätte. „Mir ist auch heiß“, offenbarte ich ihm laut. „Was trinken?“, fragte er zurück. Ich nickte und Edward zog mich, nach ebenfalls zustimmendem Nicken, aus der Menge. Er gab mir zu verstehen, dass ich eben warten sollte und ließ mich allein, um wie anfangs zur Bar zu gehen. Durchatmend warf ich einen Blick auf die Tanzfläche und riss ein wenig die Augen auf. Da war ich gerade drin gewesen und das hatte ich auch getan und Edward hatte es gut gefunden und ich- ich auch??, eilten meine wirren Gedanken. Böser Alkohol, dachte ich. Nur daran konnte es liegen. Na ja, gestand ich mir dann zu, und an Edward. Seine Anwesenheit war immer atemberaubend, niederschmetternd. Ich hatte das Gefühl mit ihm alles tun zu können – und es dann auch noch zu mögen, egal was. „Danke“, sagte ich noch einen Hauch japsend und nahm den in meiner Hand kühlen Cocktail entgegen – ich trank direkt einen großen Schluck. Ich musste wirklich schon betrunken sein, überlegte ich. Das Schwummerige kam bestimmt nur von der Hitze und meine beginnende Hemmungslosigkeit bestimmt auch, redete ich mir, angesichts der Menge an Alkohol, die ich gerade mal getrunken hatte, ein. Ich war in diesem einen Moment mal keine Medizinerin. Edward strich mir liebevoll mit der Hand die schweißnassen Strähne aus meinem Gesicht auf mein wirres Haupt. Ich las die Zufriedenheit in seinem Gesicht, als er so an den Tresen gelehnt neben mir da stand. Er erwiderte mein Grinsen, ehe ich ihm ins Ohr sagte: „Das gefällt dir, oder?“ Er lachte. „Sehr sogar“, gab er selbstgefällig preis, „aber du solltest nicht zu hastig trinken, denn die Dinger haben es in sich, auch, wenn man es nicht schmeckt.“ Er zwinkerte mir zu. Da ich nicht vor hatte gleich unter, statt neben, dem Tresen zu liegen, beherzigte ich seinen Rat und nahm die Schlücke langsamer zu mir. Einen leichten Schwindel konnte ich an mir ausmachen, obwohl das bei dem flackernden Licht und der schlechten Luft nicht unbedingt auf den Alkohol – nicht nur – zurückzuführen war. „Hey, das Lied magst du doch, oder?“, fiel mir auf und ich sah mit großen Augen zu Edward hoch. Er hatte es im Auto mal erwähnt. „Komm“, forderte ich ihn, nicht auf eine Antwort wartend, auf und zerrte an seine Hand, sodass er so eben noch Zeit hatte, unsere Getränke abzustellen. Ich war verrückt, ich war komplett durchgedreht – schließlich lag die Initiative zum Tanzen nun bei mir, nicht bei ihm. Edward kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Wie Edward das mit dem Taxi geregelt hatte, wusste ich nicht und bekam es auch nicht wirklich mit. Es stand dann einfach vor dem Club und der Fahrer nahm uns im Empfang. Edward verfrachtete mich auf den Rücksitz, wechselte draußen noch ein paar Worte mit dem Mann und setzte sich dann zu mir. Ich hatte vor Müdigkeit mühe, meine Augen offenzuhalten. Meine Glieder schmerzen ein wenig, aber angenehm, vom vielen Tanzen und in meinen Ohren sauste es in die Stille hinein. „Na Kleine“, witzelte Edward neben mir und strich mir über den Kopf. „Nicht so laut“, nuschelte ich und hielt ihm etwas unbeholfen mit der Hand den Mund zu, ehe ich sie zu meiner pochenden Stirn führte. Jene legte ich mit geschlossenen Augen zusammen in Falten und massierte sie sanft. Edward kicherte leise neben mir, küsste meine Schläfe und feixte: „Ich bin stolz auf dich, auch wenn du nicht sehr lange durchgehalten hast.“ „Nächstes Mal halte ich länger durch“, murmelte ich unwirsch und blickte ihn mit kleinen Augen an. „Wir werden das vermutlich nicht mehr testen können“, trotz seines Grinsens auf den Lippen, war die Bitterkeit herauszuhören, „aber danke für den schönen Abend. Ich kann mir keinen besseren Discobesuch vorstellen.“ Was er sagte, war süß, doch sein Tonfall durchtrennte mir das Herz und schnitt mir die Luft ab. Einzig und allein die Tatsache, dass mich gerade viel zu viele Sachen in meinem Körper beschäftigten, als dass ich noch tiefer gehende Gedanken zulassen konnte, hinderte mich daran, in Traurigkeit zu verfallen. Ich legte das Kinn auf seine Schulter und holte mir einen, von meiner Seite aus, etwas unkoordinierten Kuss ab. Meinen Kopf ließ ich dann seitlich auf seiner Schulter ruhen. Wenig später rutschte ich mit dem Ohr an seinem Oberkörper herab in seinen Schoß. Im Halbschlaf fühlte ich noch seine sanften Streicheleinheiten auf mir, ehe ich dann ganz in die Traumwelt glitt. Am Wohnheim angekommen, hatte er mich sanft geweckt, den Taxifahrer gebeten zu warten und war mit mir hoch gestiefelt. Ich nahm alles nur am Rande wahr. Er brachte mich hoch in meine Wohnung, half mir – wie ein Kleinkind – in meine Schlafsachen und drückte mich noch mal an sich, ehe er gehen wollte. Ich lag aufgerichtet im Bett und stellte gerade die Wasserflasche beiseite, die ich vertilgt hatte. „Ich hole dich morgen gegen Mittag, denke ich, ab. Morgen früh muss ich mit Tanya frühstücken gehen. Schlaf dich aus und mach dich in Ruhe fertig“, sagte er zu mir und ich kuschelte mich dann nickend und mit so gut wie geschlossenen Augen in mein Kissen. Edward schnaubte vor Lachen leicht und legte die Lippen sanft auf meinem Wangenknochen ab. „Träum schön, Liebste.“ Ich hörte gar nicht mehr wie er meine Wohnung verließ. In den Morgenstunden weckte mich ein dumpfes Geräusch aus der Nachbarwohnung, das ich nicht ausfindig machen konnte – und der leichte Kopfschmerz. Ich drehte mich unter meiner warmen Decke noch mal auf die Seite zur Wand und hielt die Augen geschlossen, obwohl ich wach war. Es war unheimlich niedlich von ihm gewesen, wie er mich gestern ins Bett gebracht und sich um mich gekümmert hatte, kam es mir in den Sinn. Und gleich würde ich ihn wieder sehen… Ich kicherte in mich hinein. Dieses bleibende und zeitweise stärke aufkeimende Glücksgefühl wollte gar nicht verschwinden und ich genoss es so sehr… Ich wandte mich wieder um und warf einen Blick auf die Uhr. Bereits halb zwölf. Und hatte Edward nicht gesagt, er würde mittags kommen? Und vorher frühstücken? Mit Tanya? Wo wir doch gestern feiern waren?? Ich richtete mich im Bett auf. Daran hatte ich gestern gar nicht gedacht, als mir das mitgeteilt hatte. Sitzend erblickte ich einen Zettel auf dem Tisch einen Meter vor mir. Danach reckend nahm ich den Zettel an mich und las: Guten Morgen, Schatz! Ich komme etwa mittags zu dir. Vorher bin ich noch mit Tanya zum Frühstücken verabredet. Ich liebe dich, Edward. (Nur für den Fall, dass du gestern, wider meines Eindrucks, doch zu betrunken warst, um dich daran zu erinnern.) Darunter war noch ein breit grinsender Smiley von ihm gemalt worden und ich konnte das Glucksen nicht unterdrücken. Er war wirklich… wow. Und ja, ich liebte ihn… aber…. Mein Herz schlug schneller, mein Magen drehte sich heftiger, mein Gewissen schrie lauter, wenn ich auf den Kalender sah. Es war bereits Freitag. Noch drei Tage seiner Nähe durfte ich genießen und danach: Der eiskalte Entzug. Umso mehr ich meine Gefühle für ihn in mir spürte, umso schlimmer würde es werden, doch Verdrängen war so oder so nicht leicht und in diesem Fall schon gar nicht. Ich konnte allerdings einsehen, dass Edward recht hatte und wir unsere letzten gemeinsamen Tage nutzen mussten. Unsere letzten Tage… Gut, Bella, sagte ich mir voll Aktionismus und sprang, ein wenig wackelig auf den Beinen, auf. Duschen, anziehen, etwas essen, ging ich in Gedanken durch. Es fiel mir in diesen Tage nicht so unglaublich schwer, das Thema Trennung beiseite zu schieben, denn Edward berauschte mich einfach zu sehr. Dafür würde es dann, wenn es soweit war, nur noch heftiger werden… Ich war an dem Punkt, wo es mir gleich war. Abgehetzt zog ich mich gerade an – ich hatte zu sehr getrödelt –, als es klingelte. Halb in Jeans und T-Shirt stolperte ich zur Tür und drückte auf. Unbeholfen streifte ich das Shirt über, während meine andere Hand zur Klinke griff und dazugehörige Tür öffnete. Frisch und munter schlüpfte Edward ein Blinzeln später hindurch. Er musterte mich kurz und lächelte bei meinem Anblick: Geöffnete, halb über den Po gezogene Jeans und ein schmales Shirt, in welches ich nur mit einem Arm hereingeschlüpft war. „Öffnest du jedem so?“, kicherte er. „Nein“, grinste ich und schlang die Arme um seine Mitte, bevor wir uns begrüßten. „Nur ganz besonderen Menschen.“ „Soso“, gluckste Edward im Einklang mit mir. „Darf dich dieser besondere Mensch denn heute wieder entführen?“ Ich überging seine Frage zunächst. „Bist du nicht müde?“ Ich streichelte über sein Gesicht zu seinem Haar. „Ich meine… du musstest doch heute wieder früh raus oder?“ „Ach was, nicht der Rede wert“, winkte er ab und legte die Hände an meine Wangen. Seine Stimme wurde augenblicklich leiser und melodischer. „Schlafen kann ich später… wenn du nicht mehr bei mir bist.“ Ich presste die Lippen aneinander und kuschelte die eine Gesichtshälfte an seinen Oberkörper. Er legte die Arme sanft um mich. Auch er dachte an das, was uns bevor stand und auch er handhabte das so, wie ich derzeit: Verdrängen, um zu genießen. Das Ende nicht im Sinn. „W-wie war es denn heute morgen…?“, fragte ich vorsichtig nach. Ich wollte ihn nicht drängen darüber zu reden oder zu neugierig erscheinen, allerdings wollte ich ebenso nicht, dass er dachte, es interessierte mich nicht und ich würde es absichtlich übergehen. Seine Arme drückten sich etwas fester an mich. „Ach weißt du, es war nicht sonderlich angenehm. Ich war bei den Denalis zum Frühstück und ihre Abweisung mir gegenüber ist ziemlich verletzend. Sie geben mir die Schuld und tragen Tanya auf Wolken – weil sie ja schwanger und das Opfer ist. Eleazar, Tanyas Vater, ist etwas hin und hergerissen, aber Carmen, seine Frau, sieht das Ganze eindeutig. Ich bin nun in der Verantwortung“, sagte er mit einem seichten Seufzer und fuhr langsam fort, während wir weiterhin ineinander verschlungen da standen. „Tanya ist derzeit nur am nörgeln. Das Kind ist jetzt sehr aktiv und sie sagt, sie kann nicht schlafen, weil es immer nachts tritt und ihr ist öfter schwindelig… und dann beschwert sie sich auch über den Bauch. Er ist in den letzten Wochen sehr schnell gewachsen und jetzt nicht mehr so übersehbar, wie noch zuvor. Ich weiß nicht, aber… diese ‚klassisch Schwangeren’ sind schrecklich.“ Edward schnaubte und ich sah sein leichtes, makaberes Grinsen, nachdem ich mich ein wenig von ihm weg schob, um in sein Gesicht zu sehen. „‚Klassisch schwanger’?“, fragte ich irritiert nach und musste auch schmunzeln. „Na ja, dieses von weinerlich zu euphorisch und wieder weinerlich und sie sei so hässlich und es tut ihr alles weh… so was eben…“ Er hob ganz leicht, aber unglaublich gequält, die Mundwinkel. Ich stellte mich leicht auf Zehenspitzen. Er kam sofort meinem Wunsch nach und küsste mich. Dieser trübe Gesichtsausdruck von ihm brach mir das Herz – obgleich ich natürlich verstand, wenn auch nicht nachempfinden konnte, in welcher Situation er sich befand… „Bist du fertig?“, schwenkte er um und schaute mich begierig an. „Wir wollen doch los“, lächelte er. „Fast, gib mir zwei Minuten“, sagte ich ebenfall lächelnd und machte mich von ihm los. „Also zwanzig“, neckte Edward mich. Ich wandte mich kurz und streckte ihm die Zunge heraus. ---------------------- Sooo... also es gibt noch Teil 10 der coda und den Epilog, was ich zusammen posten werde, weil der epilog relativ knapp ist und mit dem teil 10 direkt zusammengelesen werden sollte^^ Freue mich doll über kommis :)^^ Kapitel 24: Coda: Traurige Gewissheit - Teil 10 (Bella) ------------------------------------------------------- Hach....... das ist schon... schwer iwie... heute kommt der letzte Teil der Coda + direkt danach der Epilog, weil letzterer sehr kurz ist und man es - meiner meinung nach - direkt hintereinander weg lesen sollte... Ist schon komisch, wenn man so das letzte Kap postet, wenn man ein gutes 3/4 jahr daran geschrieben hat - und so liebe leser noch dazu! :) Zu Zukunftsprojekten etc. sage ich am Schluss etwas, jetzt erst mal "grand finale" von sm *wehmut* :S -------------------------------------------- Musiktipps: A Fine Frenzy - Almost Lover http://www.youtube.com/watch?v=6NGA53pU3GQ Christina Aguilera - Bound to you http://www.youtube.com/watch?v=pkVfANH5Zrc Peter Gabriel - The Book Of Love http://www.youtube.com/watch?v=6nZGv8VTBVE Ich finde die songs passen in dieser reihenfolge auf dieses (lange) kap... bound to you hat mich hierbei am meisten berührt... das letzte lied hat so eine angenehme melancholie iwie... so gleichzeitig zurück und anch vorne schauend =) Bild zum Kap-Teil: http://img707.imageshack.us/img707/3686/bannerteil10.jpg „Hmmm…“, machte ich, während ich grübelnd aus dem Autofenster sah. „Willst du mir nicht doch sagen, wo wir hinfahren?“ Die verlassenen Gegenden, die wir passierten, erinnerten mich an… „Sag mal, fahren wir wieder zum See?“ Dann würde es noch eine ganze Weile dauern, dachte ich. Wir waren erst knapp eine halbe Stunde unterwegs. Er lachte Kopf schüttelnd. „Du gibst ja doch keine Ruhe, aber wir sind sowieso gleich da, daher kann ich es dir ja sagen.“ Edward schaute mich kurz geheimnisvoll von der Seite an. „Wir gehen reiten.“ „Reiten? Wie reiten? Auf Pferden?“, brachte ich irritiert hervor, ehe ich begriff, was ich Doppeldeutiges gesagt hatte. Edward und ich prusteten gleichzeitig los und bekamen uns kaum wieder ein. Alsbald sah ich dann auch schon den Reiterhof. „Ja“, japste Edward immer noch. „Auf Pferden, ganz richtig erkannt. Kluges Köpfchen“, flachste er. Edward parkte am Reitgelände und stieg mit mir gemeinsam aus, obwohl ich noch so viele Fragen hatte und das mulmige, sehr mulmige, Magengefühl spürte. „Edward, ich kann nicht reiten“, sagte ich ihm zuerst, als ich zum Kofferraum lief, in dem er gerade kramte und hoffte, dass wir vielleicht umkehrten und uns einfach auf eine Wiese legen würden oder so. „Brauchst du auch nicht“, erwiderte er. „Wir werden heute keine Turniere reiten, sondern nur Spaß haben und etwas ausreiten.“ Er zwinkerte mir zu und nahm zwei riesige Stofftaschen heraus. „Was ist darin? Wofür brauchen wir das alles?“, fragte ich prompt. Ich fürchtete, dass ich nicht drum herum kam, er schien sich wieder viele Gedanken um den heutigen Tag gemacht zu haben. „Langsam, langsam“, lachte Edward, stellte sie ab, um den Kofferraum zu schließen und hob sie wieder hoch. „Meine Mum hat hier ein eigenes Pferd“, begann er zu erzählen, als wir dann zu den Stallungen stiefelten, „aber sie reitet nicht mehr allzu oft und ich fürchte, dass sie das in Zukunft noch seltener tun wird.“ Edward seufzte vielsagend und fuhr fort: „Na ja, der Reiterhof pflegt und bewegt das Pferd nun jeden Tag, aber heute tun wir das.“ Edward lächelte mich strahlend von der Seite an. „Wichtig ist nur“, sein Gesicht war augenblicklich ernster geworden, „dass wir uns auf dem Gut nicht als Paar zeigen. Zu viele Leute hier kennen meine Eltern, insbesondere eben meine Mutter.“ Ich nickte, um zu zeigen, dass ich verstanden hatte und wusste, wie ernst es ihm war, und hörte dann, wie Edward nach einem Stalljungen, wie ich vermutete, namens Steven rief: „Wo steht Max?“ „Hey Edward“, antwortete der Junge, vielleicht gerade sechzehn oder siebzehn, der sich in Regenhose und Stiefeln mit Gartenschlau in der Hand zu uns umgedreht hatte, „hinten im Paddock. Er ist schon geputzt, aber Lady muss noch gestriegelt werden.“ Edward nickte ihm zu und ging durch die Ställe hindurch, zu dem Bereich dahinter. Das „Paddock“ war scheinbar der eingezäunte Außenbereich auf Sandboden, in welchem sich ein größeres, braunes Pferd mit schwarzer Mähne aufhielt, dachte ich, als wir darauf zuliefen. Dem Tier war eine Abdeckung übergehangen und es schritt sofort auf Edward zu, als jener laut rief. „Na, Großer“, begrüßte Edward Max und klopfte ihm auf den Rumpf. „Wir haben gleich einiges vor, ruh’ dich noch etwas aus.“ Edward neigte sich näher an das Tier und strich ihm über die Mähne. Er tat so, als flüsterte er etwas ins sich drehende Pferdeohr. „Glaub’ mir, sie wird begeistert sein…“ Einen Schritt von dem Pferd einen guten Meter weg, beobachtete ich, die sanftmütige Art, wie Edward mit dem Tier redete und es behandelte. Das hätte ich ihm auch so nicht zugetraut geschweige denn erwartet. Edward ein Tierfreund? Ein Pferdefreund? Nein, das hatte ich wirklich nicht vermutet. Und ich würde begeistert sein…? Was hatte er geplant?, überlegte ich schmunzelnd. „Dein Pferd für heute ist ein Privatpferd von einem befreundeten Pärchen meiner Eltern“, wandte sich Edward zu mir und wir liefen wieder zu den Stallungen herüber. „Ich wollte dir kein steifes Schulpferd antun und Lady ist wirklich ein stattliches Tier“, meinte er mit einem Lächeln. „Sie ist sehr schön… deiner würdig“, lächelte er. Ich nickte wieder nur stumm und das entging Edward nicht, denn er fragte: „Ist alles in Ordnung mit dir? Du…“, er musterte mich intensiv und kniff dann leicht die Augen zusammen, ehe ich wegschaute, „du hast doch keine Angst vor Pferden oder?“ „Ähm“, machte ich eine Sekunde verzögert und wusste, dass ich mich verraten hatte. Ich wollte mich wenigstens erklären: „Nein, also ich meine, eigentlich… also reiten ist kein Problem, oben drauf sitzen und so, das macht mir nicht so viel, das ist nicht schlimm, aber… also, aber ich hab immer etwas Schiss neben dem Tier zu stehen… vor dem Maul oder so und den Beinen…“ Edward lachte nicht gerade taktvoll, weshalb ich ihn böse anblickte. Er räusperte sich und wischte das Lachen fort: „Entschuldige Bella, aber wie du das gerade so gesagt hast… das war irgendwie unglaublich niedlich.“ Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, küsste er rasch meine Schläfe. Ich lächelte etwas verlegen und bemerkte erst jetzt, dass wir neben einer Pferdebox stehen geblieben waren. In jener befand sich ein nicht weniger großes Tier, als das vorherige, jedoch hellbraun mit ebenfalls heller Mähne. „Das ist Lady“, verkündete Edward, „aber bevor wir uns der Guten widmen, müssen wir uns noch umziehen.“ Er reichte mir verblüfft eine der prall gefüllten, großen Stofftaschen. „Hier sind mehrere Hosen und Stiefel in verschiedenen Größen drin, schau einfach was dir passt. Ich werde kurz noch was klären und mich dann selber umziehen-“ „Edward?“, ertönte es hinter Genanntem. Neben uns erschien ein etwas kräftiger gebauter Herr mit südländischem Aussehen und einem satten Akzent. „Schön, dich hier mal wieder zu sehen“, redete er weiter, als wir uns zu ihm gewandt hatten. „Wie geht es Ihrer Mutter? Ihren Eltern?“ „Danke, Flavio, gut, danke der Nachfrage“, setzte Edward seinen hochwohlgeborenen Charme in Szene und schüttelte Flavio die Hand. „Ich dachte, ich schaue mal wieder vorbei, Max sieht prächtig aus“, begann Edward sanften Smalltalk. „Ja, nicht wahr? Meine Tochter kümmerte sich am Wochenende persönlich um ihn und die Dressuren reitet er wirklich vorzüglich“, lobte der Mann überschwänglich das Pferd. „Und nun der Herzdame mal unser Gestüt zeigen?“ Edward lächelte, als wäre nichts gewesen und erwiderte: „Ich möchte Ihr großartiges Anwesen einer guten Freundin zeigen, die noch nie geritten ist.“ Nun galt die Aufmerksamkeit des Mannes mir, er hielt mir die Hand zum Gruße hin. „Flavio Techesto, Inhaber, Reitlehrer und Pferdezüchter“, stellte er sich ein wenig protzend vor. „Freut mich sehr, Miss.“ „Mich auch, Bella Swan“, sagte ich ein wenig unsicher, ob das reichte, doch Edward nahm mir alles weitere ab und meinte: „Wir wollen dann auch gleich aufbrechen. Es sieht so aus“, meinte Edward mit einem Blick gen Himmel, „dass es vielleicht noch im Laufe des Tages regnen könnte. War schön, Sie wiederzusehen.“ „Dann wünsche ich einen schönen Ausritt, hat mich auch gefreut, bis dann“, verabschiedete sich Mr. Techesto und schritt, an den Ställen vorbei, zurück. Ich sah ihm irgendwie verwirrt nach. Edward hatte diese Höflichkeitsmasche wirklich perfekt eingeübt, doch das musste er ja auch. „Nicht träumen, Liebste“, kicherte Edward neben mir und strich ganz kurz über meinen Rücken. „Flavio ist nicht so interessant, wie er tut. Er hat das hier alles von seinem Vater übernommen und außer mit seiner Pferdezucht, sollte er eigentlich mit nichts angeben.“ Edward zwinkerte mir zu. „Er war mal eine Zeit lang mein Reitlehrer und hat mich auch auf Turniere vorbereitet und begleitet-“ „Du hattest Reitstunden? So richtig?“, fiel ich ihm ins Wort. „Also für Wettbewerbe und so?“ Edward lachte. „Ja, meine Mutter fand reiten toll und Alice und ich hatten dann Reitstunden hier. Das ist auch so ein ‚Oberschichtsprivileg’“, seufzte er. „Ich habe ein Jahr lang mal Sprungturniere gemacht, aber eher mit mittlerem Erfolg. Ein Talent war ich nie und ich habe dann auch aufgehört und mich mehr dem Klavier gewidmet“, erklärte er und als ich nichts mehr sagte, drehte er mich dann um 180 Grad um. „Da hinten kannst du dich umziehen. Die Holztür dort.“ „Okay, bis gleich“, sagte ich und stampfte dorthin. Ich sah, wie Edward in die andere Richtung, dort wo Mr. Techesto zurückgegangen war, stiefelte. Mir kam eine kleine Reitgruppe aus vier Kindern auf Pferden entgegen, angeführt von einem Mann, in etwa so alt wie Edward und ich, der neben herlief. Ich machte einen auffälligen Satz zur Seite und bemerkte den verwirrten Blick des Reitlehrer oder Betreuers, wie auch immer. Er grüßte mich kurz und herrschte dann ein Kind auf einem Pony an, in der Reihe zu bleiben. Das konnte ja heiter werden, dachte ich. Mir waren Pferde, nicht mal diese kleinen, nicht wirklich geheuer. Ich konnte mir ebenfalls ein Mustern des Mannes nicht verkneifen. Die Reithosen für Frauen und Männer schienen von der Art her gleich bzw. sehr ähnlich zu sein. Eng anliegend, aus Stoff, und mit Ledereinsatz an den Beininnenseiten, die den Sattel berührten. Wie würde Edward wohl darin aussehen… überlegte ich kurz, als ich an der Holztür angekommen war und in eine der Umkleiden verschwand. Doch dort dachte ich eher darüber nach, wie ich darin aussehen würde… In der Tüte hatten sogar Hosen gelegen, die komplett ledern gewesen waren, doch die hatte ich gar nicht erst angerührt, weil ich glaubte, dass die an mir scheußlich aussehen würden. Somit zog ich eine braune Reithose mit hellbraunem Leder an den Innenseiten an. Wirklich bequem war die enge Hose, es erinnerte mich an einer Strumpfhose, nicht, doch scheinbar zum Reiten auf noch unbequemeren Satteln bestens geeignet. Ich schlüpfte danach in ein passendes Paar Reitstiefel, ließ mein T-Shirt mit der Fleecejacke an und stapfte zurück zu der Pferdebox vor der Edward bereits das Pferd versorgte. „Hey“, sagte ich, damit er mich, fast mit dem Rücken zu mir stehend, bemerkte. Er grinste urplötzlich verschmitzt und zog mich am Arm in den Stall, obgleich ich mich sträubte, und zog das Gatter zu. Meine Hände umschloss er mit seinen und betrachtete mich, während er Lady mit seinem Rücken zurückschob. So fühlte ich mich unweigerlich sicherer. Wortlos drehte er mich einmal um die meinige Achse und hockte sich dann hin – mich mit sich ziehend, sodass wir hinter der Stalltür verschwanden. Ich fühlte mich von den vielen raschen Bewegungen schwindelig. „Wow, so hab ich mir das vorgestellt. Du glaubst gar nicht, wie sexy dein Po in dieser Hose aussieht“, strahlte er bis über beide Ohren und legte sachte die Hände auf mein Hinterteil. Ich lachte geschmeichelt auf. „Na ja, ich finde ja, dass Männern solche ‚Höschen’ viel besser stehen…“ Während meine rechte Hand über seinen Bauch abwärts strich und an dem Saum der Hose Halt machte, küsste er grinsend, aber innig, meine Lippen. Er lachte hüstelnd, legte die Knie ab, um mir näher zu sein und ich tat es ihm gleich. „Ich hätte ja…“, flüsterte er über die innigen Küsse im Stroh, „eine Hose“, er küsste mich weiter, „komplett aus Leder“, er grinste, „bevorzugt.“ „War mir klar“, sagte ich und rückte näher zu ihm. „Wir gehen reiten, nur weil man dort diese total engen Hosen-“ Edward küsste mich stumm. „Du weißt gar nicht, wie heiß dein Po und deine Beine darin aussehen. Dann würdest du nicht ‚nur’ sagen…“ Ich lachte leicht heiser und verlegen auf und gab mich seinen Küssen hin – das Stroh knackte unter uns und selbst den scharenden Gaul in der Ecke, vergaß ich für Sekunden. „Mr. Cullen?“, vernahmen wir beide erschrocken eine sehr nahe Stimme. Edward fuhr sofort hoch, drückte mich aber wieder herab, als ich ähnliche Intentionen hatte. Vor dem Gatter schien ein Junge zu stehen, wie ich am Boden sitzend, unter die Stalltür hindurchblinzelnd, erkannte. „Ja?“, antwortete Edward zerstreut und hatte rasch noch eine Bürste aus dem Stroh geklaubt, um sein am Boden kauern zu erklären. „Ich würde dann Max für den Ausritt fertig machen, direkt satteln und ihn Ihnen dann bringen?“, wollte sich der Stallbursche, schloss ich, vergewissern. Instinktiv griff Edward nach Lady und zog sie näher zu sich – zu mir! Ich krabbelte rückwärts bis zur Stallwand, während das Tier gemächlich näher zur Stalltür kam. Mir stockte der Atem. Lady neigte den Kopf zum Stroh und schnupperte daran, wenige Zentimeter vor meinen angezogenen Beinen. Ich starrte es unentwegt mit schnell mich durchströmendem Blut an. „Ja, das ist eine gute Idee. Danke“, sagte Edward lässig, doch ich hörte seinen leicht zitterndem Unterton. Mit laut pochendem Herzen wartete ich ein paar Sekunden und sprang dann, ohne jegliche Vorsicht, auf und schob das Gatter beiseite, damit ich rausspurten konnte. Edward schaute mich verwirrt an und verstand erst jetzt meine kleine Panikattacke, als ich japsend vor ihm stand und er mir lange in die Augen sah. „Komm her“, sagte er zärtlich und streckte mir die Hand entgegen, jedoch so, dass es von außerhalb nicht erkennbar war. Ich atmete tief die stinkende Stallluft ein, nahm seine Hand und ließ mich von ihm wieder in den Stall ziehen. Er legte den Arm auf meinen Rücken und zog mich leicht an sich, nachdem ich das Gatter wieder geschlossen hatte. „Tut mir leid, Schatz. Beine und Gesicht… daran habe ich gerade gar nicht gedacht.“ Er streichelte mitfühlend meinen Rücken. „Warum hast du eigentlich Angst davor?“, wollte er wissen. Lady hielt er bewusst so weit von mir weg, wie es ging. „Na ja, ich habe generell Angst von Tieren gebissen zu werden und bei so Großen erst Recht. Und als Kind bin ich mal auf einem Bauernhof geritten, zu übermutig gewesen, heruntergefallen und unter die Hufe gekommen“, fasste ich es in einer kurzen Zeitraffer zusammen. Edward nickte sanft und nahm mit der freien Hand wieder die Meinige. „Lass uns etwas versuchen, vertrau mir. Aber ich werde dich nicht zwingen und du musst auch nachher nicht mit mir ausreiten, wenn du zu viel Angst hast. Ich hätte dich vorher fragen sollen, ob-“ „Nein, nein“, wandte ich rasch ein, „ich denke, reiten geht schon…“ Das glaubte ich wirklich und ich wollte auch, denn schließlich bereitete es ihm so viel Freude und ich glaubte auch, dass er noch was geplant hatte – seine Mühe würde ich in keinem Fall boykottieren wollen. Die Zeit tickte… Edward nickte. Dann zog er, ganz langsam, Lady an der Trense näher zu uns und gleichzeitig meine Hand zu dem Tier. Ich zuckte sofort zurück, doch Edward hielt meine Hand fest. Er würde es zwar nicht mit Gewalt durchsetzten wollen, dass ich das Pferd anfasste, aber er war auch ein Sturkopf und meinte es eigentlich nur gut, ging es mir durch den Kopf. Er führte meine Fingerspitzen zu der Stirn des Tieres, wo sich eine weiße, sternartige Verfärbung befand. Ganz kurz berührte ich die Stelle und wandte mich aus Edwards Hand, als Lady den Kopf ruckartig anhob. „Alles okay? Sie wollte nur an deiner Hand riechen“, meinte Edward ruhig, da er bemerkte, wie ich mich erschrocken hatte. „Komm, wir versuchen es noch mal“, schlug er vor und langte wieder nach meiner Hand, die ich ihm zögerlich hab. Doch allein seine Berührung schmälerte meine Angst und Aufregung. Ich strich mit seiner Hand auf meiner von der Pferdestirn abwärts zu den Nüstern. Edward bemerkte wie meine Hand unter seiner zitterte und drückte die meinige fester. Ich konnte mein laut pochendes Herz nicht abschalten, auch wenn Edward da war und ich mich eigentlich sicher fühlte… Ich atmete erleichtert auf, als wir die kleine Streicheleinheit beendeten. Edward grinste, ehe er mir einen raschen Kuss auf die Wange gab. Danach holte ich den Sattel aus der Sattelkammer, während Edward Lady zu Ende striegelte und sie anschließend ausrittfertig machte. Max war bereits von dem Stalljungen gebracht worden. „Bereit?“, fragte Edward schmunzelnd und reichte mir einen schwarzen Helm – selbigen setzte er sich auf. „Ja, denke schon“, meinte ich, als wir vor den beiden Pferden standen, die Edward festhielt. „Klingt überzeugt“, lachte er und zog mich zu Lady. „Keine Sorge, du wirst deinen Spaß haben. Wenn nicht beim Reiten, dann danach.“ „Ach so“, grinste ich. „Es gibt ein ‚danach’.“ „Klar, gibt’s das“, gab er zurück und half mir dann aufs Pferd. Ich fühlte mich oben aufsitzend sofort besser, denn jetzt hatte ich das Sagen, lachte ich innerlich. „Sitzt du gut?“, fragte Edward mit kritischem Blick. „Ja, alles super“, meinte ich, streichelte Lady am Hals und schaute dann verwirrt drein, als Edward mir eine Gerte reichte. „Brauch’ ich die?“ Edward grinste. „Wir werden sehen, wie Lady sich anstellt. Aber mach dir keine Sorgen“, sagte er sofort, „es wird alles gut gehen.“ Mit diesen Worten huschte er selbst leichtfüßig auf Max und gab ihm leicht die Sporen. Ich tat es ihm gleich und eierte, etwas ungewohnt, hinter ihm her. Wir ritten ein paar Feld- und Waldwegen, bis wir die Pferde in den Wald, über Trampelpfade, steuerten. Die Luft war kühl, aber frisch und verhalf mir zu einem klaren Kopf. Edward und ich redeten, begutachteten die Umgebung und es fühlte sich jede Minute locker mit ihm an. Ich genoss seine Blicke, sein Lachen, sein Interesse an mir und vor allem das Gefühl, bei ihm willkommen und akzeptiert zu sein. „Na, was macht der Po? Schmerzt?“, fragte er mich neckend, nachdem er sich wegen eines Asts geduckt hatte. „Etwas“, antwortete ich mit einem kleinen Seufzen und einem Grinsen. „Wohin reiten wir eigentlich? Gibt es ein Ziel?“, fragte ich neugierig nach. „Ja, das gibt es“, erwiderte Edward geheimnisvoll, „und es ist auch nicht mehr allzu weit. Ich hoffe, wir schaffen es noch vor dem Regen.“ Er blickte herauf zum grauen Himmel, den man durch die teils dichteren Bäume erahnen konnte. Dieses Glück war uns nicht gegönnt. Als die Sträucher und Bäume lichter zu werden schienen, nieselten die ersten Regentropfen zu uns herab. „Ach mist“, fluchte Edward schwach hörbar, fasste Lady an der Trense und zog sie mit mir in einem schnelleren Tempo vorwärts. „Wohin müssen wir denn?“, rief ich durch den nun einsetzenden Regen und den aufkommenden Wind zu ihm nach vorn. „Dort, zur Hütte!“, rief Edward zu mir nach hinten und nickte nach vorn, wo sich eine Holzhütte auf einer schmalen, ovalen Lichtung befand. Ich war durch den plötzlich eintretenden Regenschauer nach wenigen Sekunden bereits bis auf die Knochen durchnässt. Edward lotste Lady und mich zu dem Stall neben der kleinen Hütte, stieg ab und führte beide Tiere in die Stallungen. Ich rutschte an Lady herab, während Edward die Pferde an den Pfosten band. „Lauf ruhig schon rein“, sagte Edward zu mir. „Ich muss die beiden eben noch trocken reiben.“ „Ich helfe dir“, sagte ich selbstverständlich. „Du holst dir den Tod, wenn du hier noch lange so nass stehst.“ Ich empfing Edwards ruhigen, nachdenklichen Blick. „Bella-“ „Ich reiß’ mich zusammen, das krieg ich hin“, versuchte ich es ihm optimistisch – optimistischer als ich war – klar zu machen. Edward überlegte nicht lang und ließ mich den Rumpf bei beiden Tieren abrubbeln, kümmerte sich selbst um den Rest. Es war eine Überwindung, aber die Vorfreude auf die gemeinsame Zeit in der Hütte, die durch meine Mithilfe schneller kommen würde, überschattet panische Ängste in mir. „Das ist okay so“, sagte Edward nach einem prüfenden Blick auf die Pferde, nahm mich bei der Hand und zog mich rasch mit sich zur Hütte. Mit einer flinken Handbewegung schloss er auf, sodass wir nicht lange in dem anhaltenden Regen verweilen mussten. Sofort glitt ich drinnen aus den Stiefel, die von innen feucht waren und machte meinen Helm ab, ehe ich umher sah – und unweigerlich beeindruckt war. Ein schwaches Feuer knisterte im Kamin in der Ecke, welches den Raum in eine leichte Wärme und seichten Lichtschein tauchte. Die Hütte bestand aus dem einen Zimmer mit einem großen Doppelbett, Schrank und einem alt aussehenden Holztisch mit dazu passenden Holzstühlen. Es wirkte insgesamt wie eine Bauernhütte. Von dem Zimmer ging eine Tür, vermutlich zum Badezimmer, ab und ein Durchgang zur Küche, wie ich erkennen konnte. Doch das war nicht – nicht nur – das, was mich begeisterte. Die Fensterbank, der Tisch und das Bett waren mit Blumensträuße bzw. Blüten versehen. Auf einer Art Couchtisch standen verschiedenste Köstlichkeiten auf welchem Edward wortlos, mich an der geschlossenen Tür stehen lassend, ein paar Kerzen entzündete. Ich musste erst mal alle Eindrücke in mich aufnehmen. „Du bist großartig, das hier ist großartig, vielen Dank“, säuselte ich ungehalten und stürzte mich in seine Arme. Edward schmunzelte und erwiderte jeden meiner Küsse zärtlich. „Das freut mich, dass es dir gefällt“, begann er neutraler werdend, „aber wir sollten uns rasch entkleiden und die Sachen über den Kamin hängen, sonst holen wir uns noch eine Lungenentzündung.“ „Schwarzseher“, murmelte ich nicht von seinen Lippen los kommend – und mich auch kein Zentimeter bewegend. „Dann muss ich das wohl machen“, lachte Edward über meine Untätigkeit und zog mir meine klitschnasse Fleecejacke samt meinem Shirt in einem Zug aus. „Du bist aber wirklich kalt“, sagte Edward, als er seine Hände an meine Körperseiten gelegt hatte und zerrte mich zum Bett. „Jetzt bist du dran“, überging ich das von ihm und zog ihm seine Oberteile nacheinander aus. Unter meinen kalten Fingern erfühlte ich seine nicht weniger kalte Brust, die leicht mit einer Gänsehaut bedeckt zuckte. Edward nahm meine Finger von dieser, küsste meinen Handrücken und verhalf mir danach aus der schmal geschnittenen Reithose, welche er dann mit seiner und den übrigen Kleidungsstücken über dem Kamin platzierte. Das Feuer in selbigem entfachte er noch etwas mehr. Ich krabbelte derweil in Unterwäsche aufs Bett und hockte mich im Schneidersitz darauf. Die Decke hatte ich über meine Beine gelegt, während ich auf ihn wartete. Edward nahm einen Umweg über den Couchtisch und brachte ein Tablett davon mit. Ich ließ mich von ihm im Sitzen zärtlich in den Arm nehmen, die Decke um uns, und auf die Schläfe küssen. „Du hast doch bestimmt Hunger, oder?“, sagte er, die Lippen noch verführerisch an meiner Schläfe, als er das Tablett vor uns auf die Bettdecke stellte. Seinen warmen Atem hauchte er mir prickelnd auf meine Haut. „Etwas“, sagte ich kichernd und nahm mir ein kleines Törtchen Käsekuchen von dem Tablett. „Selbstgemacht?“, flachste ich. „Selbst bestellt“, lachte Edward, während seine Lippen sachte meine Schläfe herab zu meinen Wangenknochen glitten. „Wann hast du das hier alles gemacht?“, fragte ich kauend nach und sah mich in dem wunderschön eingerichteten Raum um. „Heute Morgen. Das Essen habe ich natürlich eher organisiert und das mit den Pferden auch, aber die Hütte habe ich kurz fertig gemacht, nachdem ich mit dem Frühstück mit Tanya fertig war“, offenbarte er mir, während er sich immer noch meiner linken Gesichtshälfte widmete. Ich wandte den Kopf langsam zu ihm um und schaute ihm in seine vom Kaminlicht, welches nun den ganzen Raum einhüllte, leuchtenden Augen. Wie glänzendes Gold in mattem Grün. Wir tauschten einen Moment den innigen Blick aus, ehe sich unsere Lippen gleichzeitig einander näherten und liebkosten. Es bedurfte keinerlei Worte, nicht mal einem Geständnis. Edward stellte das Tablett auf den Boden, unsere Münder nicht voneinander weichend, und zog mich näher an seine nackte Brust. Er legte die Decke höher, bis zu unseren Schultern und kuschelte uns darin ein, damit wir von ihr und dem Feuer gewärmt wurden. Die Hitze, die in mir aufstieg, würde jedoch alles entschädigen. Wir legten uns sachte auf dem weichen Bettzeug ab, schauten uns auf der Seite liegend in die Augen und verführten einander mit süßesten Küssen. Seine Hand glitt an meinem Hals herab, über meine Schulter hinweg, sodass er ihr einen BH-Träger entwendete. Meine Haut wurde in anrüchige Gänsehaut getaucht. Edward beugte sich genießerisch vor und berührte meine immer weniger fröstelnde Haut sanft mit dem Mund. Meine Finger glitten fest durch sein Haar und über seinen markanten Rücken. Sekunde für Sekunde, die wir so aneinander geschmiegt beieinander waren, pochte die Zeit unaufhörlich gegen uns, gegen uns und unsere Gefühle. Nichts würde die das Ticken in unseren Köpfen stoppen können – erst der allzu baldige Abschied. Leise vernahm ich das sanfte Knistern des Feuers in den frühen Morgenstunden. Mit geschlossenen Augen realisierte ich, dass ich auf dem Bauch lag, mein Haar kitzelnd auf Nacken, Schultern und Rücken. „Liebste“, hauchte mir jemand ganz besonderes ins Ohr und strich eine Strähne liebevoll von meinem nackten Rücken. Ich schmunzelte und öffnete langsam die Lider, die linke Gesichtshälfte auf dem flauschigen Kissen abgelegt. Im Augenwinkel erblickte ich Edward mit ebenfalls noch kleidungsfreiem Oberkörper. „Später“, sagte Edward leise, als ich mich aufsetzen wollte und drückte mich sachte herab. Seine Lippen näherten sich meinem Wangenknochen und küssten jede Stelle dessen andächtig. „Guten Morgen“, erwiderte ich lächelnd, sodass sich meine Wange leicht unter seinen Küssen wölbte. Edward glitt mit der Nase darüber. Ich kicherte leise. „Hmmm“, machte Edward mit einem Lächeln in der Stimme, raschelte etwas mit der Decke und hockte sich dann auf meinen, so eben noch von der Bettdecke bedeckten, Po. Ich schaute fragend nach hinten, als ich bereits Edward Hände sachte auf meinem Rücken spürte und ich mich wieder in die Matratze kuschelte. Seine Daumen massierten kreisend den Bereich zwischen meinen Schulterblättern. „Was kannst du eigentlich nicht?“, murmelte ich mit geschlossenen Augen genussvoll. Seine Berührungen taten so gut… „Also malen und basteln fürchte ich, ansonsten klappt alles mehr oder weniger gut“, lachte er auf mir. Ich erwiderte sein herzliches Lachen und erinnerte mich an die Karte, die er mir für Sylvester geschrieben hatte – und gebastelt. Was für eine niedliche Geste, dass er das für mich getan hatte. Sylvester… Edwards Hände glitten langsam rechts und links meiner Wirbelsäule herab, strichen über meinen Rücken und kneteten meine Muskeln zärtlich. „Mhmmm“, seufze ich. „Klavierspielerhände, wie?“, grinste ich ins Kissen. Seine Finger waren so weich und rhythmisch, als spielte er ein Musikstück auf mir, einprägsam in meine Haut. Edward beugte sich schweigend über mich, ich spürte seinen Oberkörper auf meinem Rücken und küsste meine Lippen seitlich. „Ich liebe dich so sehr“, wisperte er mir ins Ohr. Doch sein Wehmut war unüberhörbar und kippte die leichte, romantische Stimmung. „Ich liebe dich auch… noch zwei Tage…“, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst, ins Kissen. „Danach müssen wir das alles vergessen…“ Edward richtete sich auf und stieg von meinem Po runter. „Du kannst das hier alles vergessen?“ Er legte sich auf die Seite, direkt vor mich. Unsere Gesichter unmittelbar voreinander. Die tiefgrünen Augen, in denen es betrübt blitzte, schauten mich an, als lasen sie meine Seele, mein Innerstes. Ich atmete tief durch und legte mich auf den Rücken, die Augen geschlossen. Vergessen… ein hartes Wort, aber ein Notwendiges, wenn wir beide jemals wieder ohne Kummer leben wollten. „Das ist keine Sache des Könnens, sondern des Wollens“, sagte ich deshalb leise und presste die Lider aufeinander, unterdrückte jede Traurigkeit, die in mir aufsteigen wollte und mich innerlich zusammenbrechen ließ. Ich spürte, wie Edward die Hand an meine Seite legte und mich auf seinen Körper zog. Er schlang die Arme fest um mich. Meine Wange war an seinem Schlüsselbein ablegt, sodass er mein Haar sachte küssen konnte. „Ich kann und will nichts von alle dem vergessen, niemals“, sprach er mit gedämpfter Stimme. Ich schwieg und atmete flach und gleichmäßig, während ich seinem Herzschlag lauschte. Vielleicht ein letztes Mal… Wir verweilten nicht mehr allzu lang dort, da wir noch den Ritt zurück antreten mussten und ich gegen Mittag mit Charlie verabredet war. Er besuchte mich mit Zoey das letzte Mal vor der Abreise. „Wann sehen wir uns das nächste Mal?“, fragte Edward über unsere Küsse, als ich mit ihm im Auto vor dem Studentenwohnheim stand. „Du kannst morgen kommen, wann du willst“, antwortete ich nach Luft ringend, während unsere Lippen weiter ineinander verschmolzen und seine Hand sachte meinen Nacken massierte. „Morgen ist ja die große Packaktion“, seufzte ich, als er mir kurz eine Sekunde zum Verschnaufen gab. „Ich schaue, wann ich kommen kann. Ich weiß nicht, was Tanya- unsere Eltern geplant haben“, korrigierte er sich mit einem Augenrollen. „Bis Morgen“, hauchte ich ihm noch entgegen und stieg tiefenentspannt und einfach nur glücklich aus dem Auto. Ich fühlte mich gut, alles erschien mir in dieser Sekunde positiv. Ich stiefelte die Treppen zu meiner Wohnung hoch und schloss auf. Erblickte jeden Gegenstand in diesem Raum, was mir so viele Erinnerungen an die Oberfläche holte. Ein tiefer Luftzug glitt durch meine Lungen und ließ mich schlagartig darauf an der Realität schnuppern, die mich immer wieder einholte. Nichts war gut, positiv oder glücklich. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und trat näher zu meinem Bett. Das Hochgefühl eben kam mir jetzt so fremd und weit weg vor… Ich zog meine herrlich nach Edward duftenden Sachen aus und tauschte sie gegen frische, ehe ich die Wohnung wieder verließ und am Straßenrand auf das mir wohl bekannte Polizeiauto meines Dads wartete. „Hallo“, grüßte ich bereits während des Einsteigens auf die Rückbank, nachdem ich gesehen hatte, dass Zoey hinten saß. „Na, hallo kleine Maus“, begrüßte ich auch sie und strich ihr über die Hand, die vom Keks ganz klebrig war. „Ich dachte, du freust dich, wenn ich sie mitbringe“, lächelte Charlie mich an. „Ja und wie“, nickte ich und schaute nach vorne, während er den Wagen weitersteuerte. „Übermorgen geht’s heimwärts, nicht wahr…“, brummelte er und sah mich kurz von der Seite an. Ich nickte tief atmend. „Ja… und wir haben gar nicht so viel miteinander verbracht“, gestand ich mir laut ein. „Tut mir leid… irgendwie war so viel los…“ Ich dachte an die Uni, ich dachte an meine Prüfungen, ich dachte an die Sachen mit meiner Mum – und ich dachte an Edward. „Ach Bells, jedes Treffen war schön und mehr als ich nach so langer Zeit erwarten durfte.“ Er zwinkerte mir zu. „Mach dir keine Gedanken, ja? Wir sehen uns bestimmt öfter, wenn du mit dem Studium fertig bist und richtig Karriere machst“, lachte er. Nein, dachte ich mir und hing so meinen Gedanken nach. Dass er das so mitmachte und mich immer so herzlich empfing, war mehr, als ich erwarten durfte… Zuerst gingen wir was essen, vertraten uns die Beine in der Stadt und setzen uns dann auf die Bank an einer kleinen Spielecke für Kinder im Einkaufszentrum. Zoey quiekte jedes Mal beim Rutschen, sodass Charlie und ich nicht aus dem Lachen herauskamen. „Hör mal, Bella, ich habe mit deiner Mutter geredet“, kam es ihm urplötzlich über die Lippen. Ich blickte ihn schlagartig von der Seite an und runzelte die Stirn, während Zoey mir in die Arme rutschte. „Was? Warum?“ „Sie hat mich angerufen und mir erzählt… na ja, wie es ihr gerade geht. Und sie war sehr überrascht, dass ich es nicht wusste.“ Er sah mich fragend an. „Ich… ich wusste nicht, ob ich dir das sagen sollte und es gab auch irgendwie keine gute Gelegenheit“, murmelte ich und übergab Zoey, auf Charlies unausgesprochene Aufforderung, an ihn. Ich folgte ihm zu der Bank, wo er Zoey etwas zu trinken gab und ließ mich dann bei den beiden nieder. „Jedenfalls weiß ich jetzt Bescheid, aber sie hatte auch ein Anliegen“, begann er. Ich beobachtete Zoey ablenkt, während sie die Backen mit dem Tee füllte und gierig runterschluckte. Ihr Haar war etwas verschwitzt und stand in alle Richtungen. „Sie hat von einem Edward geredet…“, redete mein Dad weiter und ich zuckte innerlich leicht zusammen. Äußerlich blieb ich, so glaubte ich, ganz ruhig und atmete beschaulich. „Sie meinte, dass er dein Freund wäre…“ Ich spürte seinen Blick fest auf mir und mied ihn bewusst, nahm Zoey die Flasche ab und reichte ihr ein Stück Waffel. „Bella?“, lachte er. „Eigentlich wollte ich mit dir darüber reden.“ „Weißt du, Dad… da gibt es nicht viel zu reden“, sagte ich so locker ich konnte und zuckte auch mit den Schultern. „Das kannst du ihr gerne heute Abend sagen, sie will doch bestimmt nachher alles wissen oder?“, grinste ich etwas halbherzig. „Warum bleibst du nicht noch hier? Deine Mutter findet auch, dass du nicht sofort flüchten musst, wenn du hier mit allem fertig bist“, witzelte mein Dad ironisch. Zoey wippte an der Waffel nuckelnd auf seinem Schoß herum. Mein Blick galt starr ihr, um nicht meinem Dad in die Augen sehen zu müssen. „Das mit dem späteren Rückflug geht doch bestimmt, dass du umbuchst… und dein Visum müsste doch sowieso noch gültig sein. Dann kannst du noch mehr Zeit mit ihm verbringen-“ „Das will ich aber nicht“, unterbrach ich ihn ruhig, aber strikt. „Es ist okay, so wie es ist und ob ich jetzt noch ein oder zwei Wochen länger bleibe oder nicht…“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das war jetzt nicht auf dich bezogen“, sagte ich sofort, damit er das nicht falsch verstand. Er lächelte verständnisvoll. „Und wenn du wieder kommst? Wenn es Renée besser geht?“ Ich sah ihn direkt an. „Es wird ihr nicht mehr besser gehen. Und…“, ich atme flach, „und sollte es eine Besserung für sie geben, wird das dauern.“ „Ach, Bella, du siehst das zu schwarz“, revidierte er und ließ Zoey runter, die dann zu der Rutsche wieder watschelte. „Phil meinte-“ „Ich kann mir vorstellen, was er gesagt hat, aber er verkennt die Tatsachen.“ Ich stand auf und ging zu Zoey, nahm sie hoch. Dass es so war, wie es ist, hatte ich mir nicht ausgesucht. Daran änderte Schönreden, Stoßgebete zum Himmel schicken oder Wünschen auch nichts. Wenn es einen Gott gab, war es jetzt seine Chance… denn wir brauchte ein Wunder. „Lass uns gehen“, sagte ich und kam auf ihn zu. Sein Blick durchbohrte mich, während er geräuschvoll atmete, schließlich aber nickte. Wunschdenken. Nichts als Wunschdenken. Er setzte mich, es war mittlerweile Abend geworden, am Wohnheim ab und wir verabschiedeten uns für eine vermutlich sehr lange Zeit wieder. Ich bat ihn nicht, mit zum Flughafen zu kommen, da ich früh flog und er arbeiten musste. Er fragte aber auch nicht und mir war klar, dass es wegen Edward war. Vermutlich glaubte Dad, dass Edward mich verabschieden würde und er stören würde. Doch beides war nicht der Fall. Stören würde er nicht, selbst wenn Edward mitkäme. Dagegen würde ich mich sträuben. Ich wollte keine großen Abschiedsszenarien. Langsam schloss ich die Haustür auf, holte meine wahrscheinlich letzte Post aus dem Postkasten und schlenderte hoch zu meiner Wohnung, während ich die wenigen Briefe und Werbebroschüren durchsah. Ich blickte auf, als ich jemanden im Flur bemerkte und stutzte. „Edward?“ Fahles Licht ließ mich ihn vor meiner Tür erkennen. Er rappelte sich auf, als er mich sah und lächelte matt. „Ja, ich dachte…“ Er stockte und mir wurde etwas mulmig, da sein Auftreten und sein Tonfall irgendwie merkwürdig waren. „Du dachtest…?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und schloss auf. Wir waren doch morgen erst wieder verabredet gewesen… Ich spürte, wie er seine weichen Hände unter meine Jacke auf meine Hüfte legte und wir so in meine Wohnung glitten, die ich dann mithilfe des Lichtschalters erleuchtete. „Ich…“, ich spürte seinen Atem an meinem Hals, „ich musste dich sehen. Jede Sekunde, in der du noch hier bist. Bei mir…“ Unwillkürlich musste ich schmunzeln. „Aber du hast doch was, oder?“ fragte ich nach und kicherte unpassend zur Situation, weil seine sanften Bartstoppeln meinen Hals entlang kitzelten. „Ja und wie“, wisperte er, während er mir das Entkleiden schwer machte. „Ich bin hoffnungslos verliebt.“ Ich drehte mich zu ihm, küsste seine Lippen andächtig und überging das, so eisig das wirken musste. „Bist du schon lange hier? Und warum…“ „Reicht es nicht, dass ich dich sehen will?“, fragte er leise. Ich sah ihm tief in die Augen und er erblickte meine Skepsis. Er seufze, ließ seine Maske fallen und hockte sich auf mein Bett, während ich Teewasser aufsetze und schwieg. Als er das nachdenklich auch noch ein paar Minuten tat, der Tee schon längst zog, hockte ich mich vor ihn und blickte ihm in das glänzende Grün. „Was ist passiert? Ist was mit Tanya? Mit dem Kind?“ fragte ich langsam und behutsam. Innerlich nickte ich zu mir selbst, als das Leuchten um seine Iris zu erlöschen schien. Natürlich… Tanya und das Baby… Er nahm meine Hände und schaute darauf herab. „Ich war bei meinem Vater. Er wollte mit mir reden, um sich zu vergewissern, dass das mit uns…“, er sah kurz, ehe er den Kopf seitlich wandte, hoch, „dass es morgen ein Ende hat“, flüsterte er kaum hörbar. Er holte eine gefühlte Ewigkeit Luft, während ich einfach nur zuhörte und er fortfuhr: „Wir haben über alles geredet. Wie es weitergeht, wie das mit den rechtlichen Sachen ist und all so was… und ich habe auch einen Rat bei ihm eingeholt, ob“, er hielt kurz inne, „ob wir nicht trotz allem einen Vaterschaftstest machen sollten. Ich glaube nicht, dass sie mir das Kind aufzwängen will oder Absicht dahintersteckt. Wenn ich eines in der letzten Zeit und in den Stunden, die ich mit ihr verbringe, verstanden habe, dann, dass sie nicht bösartig ist oder das so geplant und gewollt hat. Sie ist sehr unglücklich damit und Carmen hat meiner Mutter erzählt, dass sie jeden Abend weint und kaum mehr zu Uni gehen möchte.“ Ich schwieg vor ihm und legte die Hand in seinen Nacken, kraulte ihn sanft, während seine Sorgenfalten sich immer mehr in seine Stirn brannten. „Aber es geht nicht. Erst nach der Geburt und dann ist sowieso alles schon zu… zu fest“, sprach er weiter. „Jetzt ist es ein Risiko.“ Ich nickte, als er pausierte und holte den Tee zu uns heran, stellte ihn auf den Nachttisch, doch Edward verneinte. Sobald ich mich wieder neben ihm niedergelassen hatte und seine Hände hielt, erzählte er leise mit gesenktem Blick weiter: „Tanya hat es mitbekommen. Sie war nebenan Schnittmuster für Alice holen und hat jedes Wort von mir zu meinem Vater gehört. Sie ist total ausgerastet, dass ich ihr so etwas zutraue und war völlig außer sich. Sie war aufgelöst und hat mir Geständnisse gemacht- Entschuldige bitte.“ Er wandte den Kopf zu mir. „Das ist nicht sehr taktvoll-“ „Hey, nein, ist okay, red’ weiter“, sprach ich ihm gut zu und schaute ihn ermutigend an, ehe ich einen Schluck Tee nahm. Er hielt kurz inne, dachte dann nach und nickte schließlich knapp. „Sie hat geschrien, dass sie mir gerne vorrechnet, dass ich der Vater bin und wie ich es wagen könnte, ihr so etwas zu unterstellen, ob ich denn nichts mehr von ihr hielte und ich sie für so widerlich halten würde…“ Ich legte den Arm um ihn und streichelte über seinen Kopf. Kein Wort verließ meine Lippen. „Ich stehe das nicht durch“, sagte er leise. „Ich kann das einfach nicht, was alle von mir verlangen. Meine Eltern, ihre Eltern, sie selbst… und nicht zuletzt das Kind. Und am wenigsten kann ich es, wenn du nicht bei mir“, wisperte er und es wirkte einen Hauch schluchzend. Ich spürte selbst, wie sich meine Augen mit Tränen füllten und ich versuchte rasch, mich nicht zu sehr hineinzusteigern, um nicht in Tränen auszubrechen. „Bitte bleib bei mir“, hauchte er herzzerreißend und hielt sogleich mein Gesicht in seinen Händen. Sein Blick, dem ich nicht entweichen konnte, durchstach mir das Herz. Was sollte ich ihm sagen? Ich schloss die Augen und näherte mich seinen Lippen, die er sanft empfing. „Bleibst du?“, fragte ich leise. Die Stille schien erdrückend. Leicht legte ich den Kopf an seine Brust. „Nichts lieber…“ Aber… Die Nacht brach rascher ein, als wir es wollten und die Sonne stieg früher empor, als wir es für möglich gehalten hatten. Warm lagen wir in meinem schmalen Bett aneinander gekuschelt, die Decke das Kinn kitzelnd. Er hielt mich fest im Arm und an sich gepresst, dass ich ihn fast gar nicht für schlafend halten konnte. Mein Blick fiel musternd herauf zu seinem Haupt. Ich kroch mit einer geschmeidigen Bewegung etwas höher zu ihm, sodass meine Gesicht über seinem war. Ganz seicht strich ich über sein Gesicht und betrachte jede Wölbung, jeden Schatten, jeden Strich, den seine Haut zeichnete. „Ich würde bleiben, ich würde es…“, formten meine Lippen nahezu lautlos. Tränen stiegen mir in die Augen. „Ich liebe dich, aber ich kann nicht. Es geht einfach nicht…“ Ich schluchzte leise und legte mein Gesicht an die Senke seines Halses, bevor ich noch mal einschlief. Mein offiziell letzter Tag in Amerika. Morgen zählte nicht. Ich würde sehr früh das Land der unbegrenzten Möglichkeiten von oben sehen. Ich spürte das heftige Drücken in der Magengegend, welches ich so gut es ging zu überspielen versuchte. Wenn ich nachgegeben hätte, hätte ich jeder Zeit in Tränen ausbrechen können. Wir packten meine Sachen aus allen Ecken zusammen und überlegten, was ich noch morgen früh brauchen würde, was ich anzog, was ins Handgepäck kam. Diese banalen Sachen waren angenehm. Und obwohl sie so nah am Thema Abschied waren, vereinnahmten sie mich und ließen mir keinen Raum für trübe Gedanken. Falls doch erinnerte ich mich eindringlich an meine Mutter, die ich in nicht allzu langer Zeit wieder in die Arme schließen würde. „Pause, Mittagessen“, seufzte ich und ließ mich auf den Stuhl fallen. Edward setzte sich lachend neben mich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Es ging ihm gut. Es ging ihm besser, sagen wir es so. Der Tag war bisher recht ausgelassen und ungezwungen verlaufen, weil wir beide das verdrängten, was uns am meisten auf der Seele lag, uns aber bald blühte. „Gut… machen wir Mittagessen, um halb fünf“, grinste er und ging zu meiner Küche, wo ein paar Einkaufstüten standen, die wir am Vormittag besorgt hatten. Ich beobachtete ihn von hinten grinsend, während er ein paar Sachen zurechtlegte und ging dann lachend zu ihm. „Ich denke, ich helfe dir mal, damit am letzten Tag nicht noch die Wohnung in Brand gesteckt wird. Oder machst du Suppe?“, fügte ich feixend hinzu. Er lachte auf. „Keine Sorge, Chefin, ich überlasse Ihnen die Regie…“, kicherte er melodisch. Ich reichte ihm mehrere Zutaten, nachdem ich sie gewaschen hatte. Er lehnte an der Anrichte. „Der letzte Tag, hm?“ Seine Fingerkuppen glitten über meine Wange. Ich blickte nachdenklich herab und holte eine Schüssel aus dem Schrank. „Edward…“, begann ich leise, während ich den Salat schnitt. „Wir sollten es uns nicht schwerer machen, als es ist. Deshalb denke ich, dass du morgen nicht mit zu Flughafen kommen solltest“, sagte ich direkt, wenn wir schon mal beim Thema waren. „Jede Sekunde, die du hier bist, will ich mit dir verbringen“, erwiderte er tonlos. „Es wird nur schwerer und ich denke, dass keine gute Idee ist“, erklärte ich mich weiter und gab das Dressing dazu. „Schwer wird das so oder so schon.“ Edward sagte einen Moment lang nichts und drehte mich dann zu sich um. „Okay, aber ich bringe dich“, gab er relativ schnell – ungewöhnlich schnell – klein bei. „Gut, das ist doch ein Kompromiss“, lächelte ich. Ich glaubte nicht, dass ich ihn noch runterhandeln konnte. „Aber ich hab noch etwas“, gestand ich direkt, ehe es Missverständnisse gab. Er sah mich geduldig und ruhig an, die Arme um meine Taille geschlungen. „Ich möchte nicht, dass wir uns Geschenke machen. Abschiedsgeschenke oder dergleichen“, sagte ich offen, aber merkte, wie sehr ich mich überwinden musste, dies zu sagen, obwohl ich die Worte schon oft im Kopf durchgegangen war. Sein Blick traf mich nichtssagend, doch so voller Zuneigung, dass ich es unterdrücken musste, mir auf die Unterlippe zu beißen. „Keine Erinnerungen“, fügte ich leise hinzu und hielt seinem Blick tapfer stand. „Ja…?“ Er glitt mit der Hand über meinen Hals. „Keine Erinnerungen also…“, seufzte er in einem undefinierbaren Unterton, nickte aber langsam. Gegen Abend hatte ich noch mit meiner Mutter telefoniert und mich nach ihrem Befinden erkundigt. Sie sagte, es ginge ihr den Umständen entsprechend, aber die Freude über meine baldige Ankunft in Deutschland, schien sie über ihre Krankheit hinweg aufzuheitern. Sie wirkte ausgelassen und redete ununterbrochen, während ich mein Bestes gab, es ihr gleich zu tun. Meine Gedanken waren etwas schwammig und nicht wirklich aufmerksam. Edward war am späten Abend gegangen. Keiner hatte mehr ein Lächeln für den anderen übrig – nicht, weil wir es nicht wollten. In seinem Kuss schmeckte ich so viel Wehmut, dass dessen Bitterkeit meinen Körper kurz erschaudern ließ, ehe er verschwand. Ich trottete in die leere Wohnung, die ganz wie zu Beginn aussah. Vielleicht etwas sauberer… mir kam meine Ankunft vor sechs Monate wie eine Ewigkeit vor. Aber gleichzeitig auch, als wäre es gestern gewesen, dass ich hier reingestiefelt war. Es war seltsam. Und es tat weh. An Schlaf war nicht zu denken. Ich döste ein paar Stunden, wurde wieder wach; ich schloss die Augen, fand aber keinen Schlaf. Auf meine Brust drückte eine große Last, die mich wach hielt, mir klare Gedanken raubte und alles um mich herum sich drehen ließ. Ich wandte mich auf die andere Seite und schaute in den Raum hinein, der von draußen etwas erleuchtet wurde. Mir flimmerten tausend Filme und Szenen durch den Kopf, die ich hier erlebt hatte. Ich legte meinen Kopf auf die Hand und spürte ein Drücken. Nachdenklich hob ich die Hand hervor und sah den Ring tonnenschwer an meinem Finger glänzen. „Und was mache ich mit dir…?“, wisperte ich in die Dunkelheit. Ich konnte ihn ihm nicht noch mal – das dritte Mal – zurückgeben… nachdem ich den Ring zum dritten Mal zurück bekommen hatte. Ich hatte ihn an einem Morgen, in einer Rosenblüte liegend, vor meiner Tür vorgefunden. Wortlos, aber es hatte auch keine Worte gebraucht. Ich schmunzelte bei den Bildern, die in meinem Kopf flatterten, aber mein Herz und meinen Magen nicht beruhigen konnten. Nein. Nein, das ging nicht. Zurückgeben kam nicht in Frage. Das würde ihn zu sehr kränken. Aber wegschmeißen? Behalten? Ich wollte keine Erinnerungen… In zähfließenden Bewegungen schob ich mich auf den Rücken und blickte empor zur Decke. Ich nahm den Ring ab und legte ihn auf den Nachttisch. Gewöhn’ dich schon mal dran. Gewöhn’ dir alles ab, was hier war… und noch ist. Warum klingelte der Wecker überhaupt? Ich starrte sowieso seit mindestens vier Stunden auf die Uhr – nur mit dem Unterschied, dass es jetzt legitimiert war, aufzustehen. Seufzend erhob ich mich, wusch mich und zog mich routiniert, wie eine Maschine, an. Und jetzt? Ich kramte zwei, drei Sachen nach links und rechts und sah dann aus dem Fenster. Und wartete. Auf ein Wunder? Einen Kometen? Ein Wink? Irgendetwas. Irgendetwas, was half. Ich stand schon in Jacke und Schuhen im Zimmer, als Edward klingelte und in Windeseile oben war. „Guten Morgen“, wisperte er mit der Wärme eines Eisblocks und legte kurz seine Lippen auf meine. „Hey…“, murmelte ich und fürchtete, dass meine Stimme die Tonlosigkeit eines Felsbrockens erreicht hatte. Er zog schmal die Mundwinkel hoch und nahm meine Koffer, die er sogleich herunterbrachte. Ich packte alle Kleinigkeiten noch in meinem Rucksack und den Ring in meine Hosentasche. Ich stellte alle Sachen, die ich noch hatte, auf den Flur und schritt noch mal in die Wohnung. „Bereit?“, wisperte Edward mit zitterndem Unterton und legte die Hände massierend auf meinem Nacken. Ich schwieg, schüttelte innerlich den Kopf und schloss die Wohnung ab. Den Schlüssel ließ ich klirrend in den Hausmeisterbriefkasten fallen und verließ mit Edward das totenstille Gebäude. Der Motor schnurrte bereits und ich stieg ein. Nervös nestelte ich in meinem Rucksack herum, kontrollierte Pass, Ticket, Handy, mp3-Player und den Pass, Ticket, Handy, mp3-Player und den Pass… „Hoffentlich hab ich alles… wo sind denn die Uni-Unterlagen, die ich brauche… Das Ticket habe ich“, nuschelte ich leicht zitternd vor mich hin, um meinem Gefühlsleben irgendwie Ausdruck zu verleihen. „Meine Abschlussarbeit und das Buch… und das Armband von Dad-“ „Bella“, unterbrach Edward mich zurechtweisend. Sein Tonfall ließ mich erschaudern. Niemand sagte etwas, bis wir ankamen, die Koffer und Taschen ausluden, auf einem Gepäckwagen verstauten, in der Halle gelangten und uns in die Schlange zur Gepäckaufgabe stellten. Normalerweise würde mir die Müdigkeit nach solch einer Nacht, zu solch einer Zeit, ohne einen starken Kaffee einen Streich spielen. Doch ich war nicht müde, ich war hellwach und mein Herz schlug unangenehm heftig in meiner Brust. Regelmäßigkeit hatte es heute wohl auch verlernt. Ich spürte wie Edwards Hand die meinige berührte und sanft umschloss. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen, die ich, ein Gähnen vorgebend, wegblinzelte. Isabella Swan. Du wirst nicht weinen. Keine Träne. Du wirst an deine Mutter denken, an dein zu Hause, dass du endlich dorthin zurückkehrst… Du. Wirst. Nicht. Weinen. Ich atme tief durch und drückte Edwards Hand unbewusst fester; Edward erwiderte es. Die Schlange vor uns verringerte sich viel zu schnell. Ich ließ Pass und Ticket kontrollieren, gab mein Gepäck ab und schlenderte langsam mit Edward die Halle entlang zu den Sicherheitschecks, hinter denen sich die Gates befanden. Ich verlangsamte meine Schritte und blickte zu Boden. „Hier muss ich reingehen…“, wisperte ich und mein Hals wurde trocken. Die Feuchtigkeit in meinen Augen hielt sich unaufhaltsam konstant – aber aufhaltsam vor der Flut. Kurz und schmerzfrei. Einfach ein Abschied, wie man sie vielfach im Leben beging. Edward ließ meine Hand los und legte selbige an meine Wange, die andere ebenso. Ich sah bewusst herab, während ich seinen eindringlichen Blick auf mir spürte. „Bitte lass das“, flüsterte ich mit einem dicken Kloß im Hals. „ Mach’ es uns nicht so schwer…“ „Bleib“, hauchte er mir entgegen. Ich hatte nicht bemerkt, wie nah sein Gesicht meinem gekommen war. „Bitte Bella, ich flehe dich an. Bleib bei mir. Geh’ nicht…“ Ich widerstand nicht mehr und schaute auf. Wie brennende Flammen, die alle samt in eisiger Kälte glühten, fixierte er mich intensiv. Sanft glühende Asche stahl sich aus dem Feuer und ergoss sich über seine Wange. „Dann geh’, geh’ nur, aber komm wieder… oder lass mich zu dir kommen, gib mir deine Anschrift, deine Telefonnummer… irgendetwas…“ Seine Stimme hatte panische Züge angenommen. „Du weißt…“ Ich atmete durch, um Sprechen zu können und ließ die Arme weiterhin neben meinem Körper anteilnahmslos hängen. „Du weißt, dass nichts von dem, was du verlangst, möglich ist. Wir finden uns damit ab. Du lebst dein Leben und… und ich wünsche dir alles erdenklich Gute“, sagte ich auswendig auf und schloss die Augen, um nicht in Versuchung zu kommen zu weinen. „Und ich werde in Deutschland meiner Mutter beistehen und weiterstudieren. So wie es immer vorher gewesen ist…“ „Bella“, flehte er und rüttelte meinen Kopf leicht, sodass ich ihn wieder ansah. Seine Augenränder waren leicht gerötet und der Zug seiner Tränen auf den glatten Wangen sichtbar. „Bitte… lass es nicht das Ende sein. Lass das nicht zu, ich bitte dich-“ „Wir sagen leb’ wohl“, unterbrach ich ihn tief atmend und blinzelte rasch. „Einfach leb’ wohl.“ Ich löste mich von ihm, trat einen Schritt zurück und betrachtete ihn einen Moment lang. „Alles Gute“, wisperte ich und wich noch wenige Zentimeter zurück, während mein Magen sich längst in eine undefinierbar kleine Größe verabschiedet hatte. Edward starrte mich an, innerlich so aufgelöst und aufgewühlt wie ich es wohl war – nur, dass ich es besser verbarg und meine Tränen im Zaum hatte. „Ich liebe dich“, sagte er mit einer Sanftheit, die ich in seiner Stimme immer noch nicht gewohnt war. Ich ließ den Blick sinken und wandte mich um. Mechanisch, als müsste ich jeden Schritt, den ich tat, zuvor neu überdenken und lernen, ging in Richtung der Frau, die die Pässe und Bordkarten abglich und einen dann zu den Sicherheitskontrollen schickte. Der Weg schien mir lang. Länger werdend. Edwards beißender Blick in meinem Rücken. Wie ein Dolch von hinten. Dreh’ dich nicht um, widerstehe, lass es nicht zu, dass du dir noch mehr wehtust… „Ihren Pass bitte“, vernahm ich nun die leicht schrille Stimme der Flughafenangestellte, die in mir klingelte. Ich nickte hastig und reichte ihn ihr. Diese Sekunde reichte. Diese eine Sekunde, in der sie daraufblickte und ich warten musste. Mein Kopf schnellte nach rechts, wo ich hergekommen war. Edward stand an Ort und Stelle, gleiche Körperhaltung, gleicher Blick. Diese Sekunde reichte, um meine Vorsätze zu brechen, Pass und Ticket dort zu lassen, wo sie sich gerade befanden, die mir entgegenkommenden Leute zu umlaufen und Edward in die Arme zu springen. „Es tut mir so leid“, wimmerte ich und ließ meinen Tränen freien Lauf. Seine Arme hatten mich sogleich fest umschlungen und sich gedrückt. „Ich liebe dich so sehr und ich weiß nicht, wie sehr ich dir für die Zeit danken kann, aber wir haben keine Wahl und auch wenn ich dich nie vergessen werde, ich kann nicht…“, sprudelte es aus mir heraus, während ich seine Schulter nässte. Er zog mein Gesicht zu seinem und küsste meine Lippen, wie er es noch nie getan hatte. Nichts, was wir einander sagen wollten, bedarf weiterer Worte. Den Ring hatte ich auf den Boden des Beifahrersitzes seines Autos gleiten lassen. ------------------------- geht sofort weiter: Epilog: Epilog -------------- Musiktipps: Julia Sheer - Far away http://www.youtube.com/watch?v=ohZQQC5cfx4] (DAS SM-Lied schlecht hin ;)^^) und book of love vom teil 10 habe ich hier auch noch zugeordnet, neben Julia Sheer ^^ (mag den banner total ^^) Bild zum Kap: http://img821.imageshack.us/img821/7294/bannerepilog.jpg Atmen, sehen, leben, einfach so, weil es nicht anders ging, weil ich es nicht aufhalten, geschweige denn abschalten konnte. Mein Gesicht war gerötet und von Tränen gezeichnet. Pass und Ticket zitternd und so fest haltend, dass meine Finger schmerzten. Paralysiert starrte ich auf das Blumenmuster der Handtasche des Schulkindes direkt vor mir. Sie machte die Tasche auf, holte etwas Süßes heraus, bot es dem Bruder an, steckte es weg, er wollte nicht, öffnete die Tasche, nahm ein Spielzeug heraus, die Mutter verbot es, es machte Geräusche, sie steckte es weg, sie holte ein Stift, fragte nach Papier, es sei im Rucksack, im Flugzeit sei genug Zeit, wurde ihr geantwortet. Genug Zeit. Hatte man jemals im Leben genug Zeit? War Zeit nicht das einzige, gegen das wir in jeder Sekunde unseres Lebens ankämpften? Und war sie nicht am Entferntesten, wenn wir sie am Dringendsten benötigten? Waren sechs Monate nicht mein ganz persönlicher Fluch gewesen? Mein Todesurteil? Das Mädchen steckte den Stift weg, nahm die Trinkfalsche heraus, trank, spielte mit dem Decke, ließ ihn fallen, die Mutter genervt, wischte den Deckel ab und verschloss die Flasche, steckte sie weg, das Mädchen rutschte den Sitz herab, kippte die Tasche aus, entdeckte nicht mehr, als sie vorhin schon rausgezogen hatte. Nicht viel mehr. Sie steckte die Sachen weg. Ich steckte es nicht weg. Einfach da sitzend und weinend. Ich ignorierte Blicke und Stimmen und lauschte nur der einen, die mich am Leben hielt: Meiner Eigenen, Inneren, die mich mit „Du siehst deine Mutter wieder! Du siehst deine Mutter wieder!“ durchgehend peinigte. Mein Schluchzen schien in der Wartehalle zu echoen und meinen Schmerz nur noch zu verstärken. Ging solch ein Schmerz, der mir auf mein Innerstes drückte, jemals wieder weg? Wie fühlte sich ein Leben ohne an? Gab es die Hölle auf Erden? Jemand rüttelte mich sanft, dann energischer. Ich blinzelte in das wirsche Licht, das Durcheinander und die wirren Geräusche. „Tee? Kaffee? Saft?“, fragt die Stewardess an meiner Reihe angekommen. Die zwei Fluggäste neben mir sahen mich fragend an, mein Kopf an das Flugzeugfenster gelehnt, während die Stewards alles noch mal in sämtlichen Sprachen zu wiederholen schien. Ich schüttelte nur den Kopf und richtete mich auf, sah aus dem Fenster. Tief unter mir eine seichte Wolkenbank. Meine Gedanken verwehrten mir selbst den Eintritt in mein Innerstes und so starrte ich heraus und passte das Surren in meinem Kopf, dem Surren der Turbinen an. Ich spürte ein Zittern an meinem Fuß und glaubte, verrückt geworden zu sein, bis mein Nachbar, scheinbar sprach er kein Englisch, eindringlich auf meinen Rucksack wies und ich auch endlich eine Melodie vernahm. Ich hob den Rucksack auf meinen Schoß und suche nach meinem Handy. Sobald ich es in der Hand hielt, vernahm ich ein Stechen in meinem ganzen Körper, sodass ich mit geschlossenen Augen kurz die Klappe des Handys öffnete, schloss und seinen Klang ersticken ließ. Wie vom Donner gerührt suchte ich in meiner Tasche nach meinem Portmonee, nahm die größte Münze heraus, die ich besaß, und ritze so kräftig ich konnte in die soeben aus meinem Handy genommene Telefonkarte. Die brauchte ich nicht mehr. War sowieso ein amerikanischer Tarif, sagte ich mir, und jetzt würde sie für immer verstummt sein. Die Sachen glitten wieder in meinem Rucksack, zusammen mit dem Getuschel neben mir, was dann verebbte. Ich warf einen Blick auf die Uhr, um mich zu vergewissern, dass möglichst viel Zeit vergangen war – oder auch nicht, wie man es sehen mochte. Doch statt dieser simplen Information, erblickte ich eine tief gezeichnete Narbe auf meinem Handrücken. Mir schossen die Tränen in die Augen. „Keine Erinnerungen“, formten meine Lippen lautlos meinen einstigen Wunsch, den Edward schon ganz zu Beginn des Semester zunichte gemacht hatte, während ich das Gesicht an die eiskalte Scheibe lehnte und auf selbigen Handrücken legte. „Aber ich werde keine Sekunde jemals vergessen…“, wisperte ich, blendete alles um mich aus und ließ innerlich alles zu. Jedes Bild von ihm, mir und uns. Wie ein Musikstück ging auch unsere Liebe zu Ende. Was nicht hieß, dass wir sie nicht genossen hatten… -------------- ;( das war SM.... Erst mal ein herzliches Dankeschön an alle stummen und aktiven Leser!! Es hat mir sehr sehr viel Spaß gemacht, SM zu schreiben, zu posten und euer feedback zu lesen! =) Ich weiß, dass happy ends höher im kurs stehen, aber die story zwang mich dazu und war auch von anfang an so konzipiert :blush: :/ Aber was schönes (hoffentlich): Es wird SM 2 - die Fortsetzung - geben! Ich habe den Prolog bereits verfasst und das erste Kap durchgeplant im Kopf. Ich weiß nicht, ob ich an den Erfolg (wenn ich das so nennen darf ?) anschließen kann, aber ich habe spaß daran, noch weiter zu schreiben - ideen natürlich ;)^^ Soooo schnell wird SM 2 nicht kommen, aber ich werde euch auch kein halbes Jahr warten lassen... ich "plane" mit dem posten so in 1-2 Monaten (?) zu beginnen... vllt eher 1 Monat als 2 ... :D Noch mal meinen herzlichsten Dank an alle, auch an meine liebe beta *love* fane Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)