Schatten der Vergangenheit von raylight ================================================================================ Kapitel 7: Der Neuanfang ------------------------ Drei Monate später brach Theo nach Stralsund auf. Niemals hätte Theo je gedacht, daß er so schnell eine Wohnung im ersten Stock findet, wo er darunter auch einen kleinen Laden hatte und die Miete nicht zu hoch war. Alles lag am Stadtrand und nur hundert Meter vom stralsunder Strand entfernt. Sein Glück war es auch noch, daß es dort kein Geschäft gab, wo man Fernseher, Radios und so weiter kaufen beziehungsweise reparieren konnte. Doch er brauchte weitere fünf Jahre um den Status, den Felix kurz vor seinem Tod hatte, zu erlangen Katja stöhnte. Doch ihr Chef hatte sie mit Arbeit so überhäuft, daß sie nie Zeit für Freizeit hatte. Wenn sie Urlaub hatte, arbeitete sie zu Hause. Nun endlich hatte sie vierzehn Tage Urlaub, wo sie sich auch mal entspannen durfte, weil ihr Chef wollte das sie sich auch einmal schont. Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, hatte sie die steile Falte zwischen den Brauen bemerkt, die nicht mehr verschwand. Sie war entstanden, weil sie bei ihrer konzentrierten Arbeit immer unbewußt die Augenbrauen zusammenzog. Nun saß sie im Sessel, las ein Buch und wollte gerade das Radio per Fernbedienung anschalten. Das Rauchen hatte sie endgültig an den Nagel gehängt, obwohl sie zweimal rückfällig geworden war. Doch das zuckte sich nicht. Seufzens legte sie das Buch weg, stand auf und versuchte alles, um das Radio in Gang zubringen. Alles war vergebens. “Na toll! Das Radio ist nur ein Jahr alt! Jetzt muß ich es auch noch reparieren lassen und der Laden hat letzte Woche dicht gemacht.”, schimpfte sie. Sie ging zum Bücherregal und holte das Branchenbuch hervor, wo alle Firmen im Umkreis aufgezählt waren. Eine Firma war hier in der Nähe, der Inhaber hieß Theodor Stein. “Herje, hoffentlich ist nicht der Mörder meiner Mutter. Ich hoffe es zu mindestens nicht. Mit meinen Auto bin ich in ein paar Minuten da.”, sagte sie sich und ging zum Telefon. Sie tippte die Nummer ein. “TV-Service Stein, Frau Wagner am Apparat.” “Guten Tag, mein Radio funktioniert nicht mehr. Könnte ich da heute noch vorbei kommen?” “Natürlich. Es ist erst fünfzehn Uhr. Wir haben bis achtzehn Uhr auf. Wie spät kommen Sie ungefähr?” “In ca. siebzehn Minuten.” “Gut. Wie ist Ihr Name?” “Katja Steinert.” “Wie alt ist das Radio?” “Ähm, ein Jahr.” “Na gut. Bringen Sie bitte auch Ihren Garantieschein mit.” “Ich muß sie immer gut aufheben, weil bei mir alles nicht lange hält, egal ob Radio, Fernseher oder Videorecorder. Komisch ist, das es sich immer um solche Geräte handelt, die schnell Mal die Mücke macht, obwohl sie eigentlich eine gute Firma sind. Das Vorgängerradio hat zum Beispiel nur zwei Monate gehalten.” Die Frau am Telefon mußte lachen. “Sie sind ein richtiger Pechvogel. Aber so etwas höre ich zum ersten Mal. Keine Ahnung, ob mein Chef schon einmal so etwas erlebt hat.” “Also wenn ich hier Stammkundin werde, dann machen sie sich auf etwas gefaßt. Mein früherer Stammladen ist schon an mir verzweifelt und den gibt es seit einer Woche nicht mehr. Auf jeden Fall hatte ich schon immer so ein Pech. Der Fernseher, den ich mir vor fünf Jahren gekauft habe, hat bis jetzt gehalten, was mich total wundert.” “Also. Da können wir uns ja auf etwas gefaßt machen.” “Oh ja.” “OK. Mein Chef wird sich das Problem einmal ansehen. Ich hoffe, Sie haben viel Zeit.” “Ich habe seit heute für vierzehn Tage Urlaub. Also von daher.” “Gut. Ich sage meinem Chef Bescheid. Bis später.” “Sagen Sie ihm, aber nicht das jedes Rundfunkgerät das ich anfasse kaputt geht, dann verkauft er mir sicher kein Radio mehr.” “OK. Wir werden ja sehen.” “Ja. Bis später.” Sie legte auf. “Hoffentlich wird das nicht schon wieder ein Kabelsalat. Ach herje, ich will gar nicht daran denken.” Sie wußte es war verrückt, aber ihre Sehnsucht nach Theo wurde mit jedem Jahr immer stärker. Sie verpackte das Radio. Da draußen eine Hitze war zog sie ein hellgelbes Kleid und schlüpfte in ihre Sandalen, machte die Tür auf, trug das Radio, was nicht sehr schwer war, schloß zu und ging zu ihren sieben Jahre alten, hellgrünen Ford Fiesta. Schließlich fuhr sie los. Als sie dort war, bemerkte sie wie leer der Parkplatz beim Geschäft war. Sie stellte ihr Auto ab, holte das Radio heraus und schloß die Türen. Dann lief sie zum Geschäft und drückte leicht an der Tür. Sie ging sofort auf. Ein Läuten war zu hören. Nach ein paar Sekunden kam aus einem Zimmer eine mollige, grauhaarige Frau, die sie auf etwa sechzig Jahre schätzte. “Guten Tag, Sie müssen Frau Steinert sein.” “Ja, die bin ich.” “Was funktioniert denn nicht?” “Tja, alles!” Sie hob überrascht die Brauen. “Gut, ich werde es mal meinen Chef geben. Ist das Radio schwer?” “Nein, sogar ein Kind könnte es tragen.” “Aha.” Mit diesen Worten ging sie damit in das Zimmer, woher sie gekommen war. Theo sah Birgit Wagner erstaunt an, als sie mit dem Radio kam. “Was ist kaputt?”, fragte er. “Alles, meint sie.” “OK. Sag ihr, sie muß eine halbe Stunde warten. Mal sehen ob ich etwas finde.” Birgit nickte nur und ging zu Katja. Als er das Radio auspackte, durchsuchte er erst alles außen und schließlich innen. Doch er merkte schnell, das alles kaputt war, was kaputt gehen kann. Eine Reparatur wäre teuerer, als ein neueres Radio zu kaufen. Dann suchte er alle sämtlichen Kataloge durch, wo sehr gute Radios beschrieben waren und kreuzelte ein paar an. Da Katjas Garantieschein vor zwei Tagen abgelaufen war. Währenddessen sah sich Katja im Laden um. “Sind Sie von Berlin?” “Ja. Ich bin vor fünf Jahren hierher gezogen. Warum?” “Man hört es heraus. Außerdem kommt mein Chefin auch aus Berlin.” “Verstehe. Ein toller Zufall. Arbeiten Sie schon lange hier?” “Seit drei Jahren. Mein Mann ist schon lange hier Kunde, also seit er auf gemacht hat und hat hier nach einer Arbeitsstelle gefragt, da ich ja sowieso Verkäuferin gelernt habe. Herr Stein hat mich ja nur eingestellt, weil sein Laden sehr gut läuft, seit er ihn eröffnet hat und er dringend hilfe braucht. So einen Chef, wie ihn kann man sich nur wünschen.” “Verstehe. Also das Gefühl habe ich nicht. Hier ist nicht viel los.” “Nee, meistens ist hier Hochbetrieb. Solche Tage wie heute sind selten und sie sind für uns wie Urlaub.” “Aha.” Ein hagerer Mann mit grauen Haaren tauchte aus dem Zimmer auf, wo Birgit das Radio hereingeschafft hatte. Er war größer als Katja und hatte Stirnfalten und die Falten um die Augen verrieten Humor und Nachsicht. Der Mann trug eine Brille. “Guten Tag. Ich habe mir kurz Ihr Radio angesehen und es ist ein Kabelsalat. Kurz gesagt.” “Oh nein. Heißt das ich muß mir wieder ein neues Radio kaufen?” “So ist es.” Katja stöhnte. “Das ist schon mein hundertstes Radio, was kaputt gegangen ist. Ich kriege gleich einen Anfall.” “Aber bitte nicht hier.”, warnte er sie. “Ein Jahr hat es gehalten. Mich wundert es, das der Fernseher noch nicht die Mücke gemacht hat, den ich mir vor fünf Jahren gekauft habe? Aber ich bin sicher der kommt sicher auch bald daran. Wissen Sie, wieviel das Radio gekostet hat?” “Ja. Tausend Euro. Normalerweise halten diese mindestens zehn Jahre. Sie sind wirklich vom Pech verfolgt.” “Oh ja. Das ist nichts neues mehr.” Er schmunzelte über ihren unbeholfenen Blick, der ihm irgendwie bekannt vorkam. “Hören Sie, ich habe Ihnen ein paar Vorschläge in diesen Katalog angekreuzt. Sie brauchen nur etwas zuzahlen, wenn das Radio teuerer ist, als dieses. OK?” “Gut. Wenigsten ein Trostpflaster, aber ich glaube nicht, daß das etwas bringt, ich zeihe mit den Radios immer die Nieten.” Ihr kam plötzlich Theo in den Sinn, der ihr hätte helfen können. Er hatte ihr ja damals als Einziger Glück gebracht. Er gab ihr den Katalog. “OK, ich komme wieder, wenn ich mich entschieden habe.” “Um das kaputte Radio werde ich mich kümmern.” “Gut. Tschüss.” “Auf Wiedersehen.”, riefen Birgit und Theo gleichzeitig. Dann ging Katja aus dem Laden. Er sah ihr nachdenklich hinter her. Irgendetwas kam ihm an ihr bekannt vor, nur was? “War sicher ein anderer Theodor Stein. Immerhin wohnt der Mörder meiner Mutter noch in Berlin.”, seufzte sie zu sich. Sie stieg ins Auto und fuhr zum Strand, parkte das Auto und setzte sich auf eine Bank. Seufzend betrachtete sie den Sonnenuntergang. “Genau vor fünf Jahren haben wir uns getrennt, bevor es überhaupt begonnen hatte und nun habe ich dich für immer verloren. Nur weil ich dich habe gehen lassen. Ach, was soll ich nur tun?”, seufzte sie verzweifelt. Sie schloß ihre Augen und lauschte den Geräuschen des Meeres. Plötzlich höre sie wie jemand näher kam. “Darf ich mich zu Ihnen setzen?”, ertönte links neben ihr eine Männerstimme, die ihr bekannt vorkam. “Natürlich dürfen Sie das.” Katja öffnete ihre Augen und blickte zu den Mann. Es war der Mann von dem Geschäft, wo sie das Radio abgegeben hat. Er sah sie sanft an. “Also so schnell bin ich nicht mit dem Radio aussuchen.” “Ich habe doch noch gar nichts gesagt. Damit können Sie sich ruhig Zeit lassen.”, meinte er lächelnd. “Das beruhigt mich aber.” Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war fast achtzehn Uhr. “Müssen Sie nicht bis zum Ende beim Laden bleiben?” “Das ist schon Inordnung. Ich habe heute etwas zeitiger zu gemacht, weil ich und Birgit gestern eine Stunde länger gearbeitet hatten und weil ich an diesem Tag vor langer Zeit mehrere Schicksalsschläge erlitten habe, als mir lieb war. Deshalb setze ich mich an jedem Jahrestag an den Strand und beobachte den Sonnenuntergang und da habe ich Sie gesehen.” “Verstehe.”, ihre Stimme klang belegt. “Was haben Sie?”, fragte er besorgt. “Ach, das geht Sie nichts an.” “Ich weiß, aber ich Ihnen auch gesagt, warum ich jetzt hier bin.” Sie wollte eigentlich nichts sagen, aber er schien viel Geduld zuhaben. “Also gut, ich habe Angst wieder in drei Monaten ein neues Radio zu kaufen.” “Dann kaufen sie halt kein Radio mehr.” Sie senkte bedrückt den Kopf. “Das geht nicht, ich habe viele CDs und liebe Musik, außerdem will ich nicht den ganzen Tag Fernsehen.” “Ja, da ist etwas Wahres dran.” “Genau, aber bei meinem Glück ziehe ich wieder nur Nieten.” “Ist das bei allen Elektrogeräten bei Ihnen so, das sie so ein Pech haben?” “Nein, nur beim Radio und Fernseher. Aber beim Fernseher ist ein Wunder geschehen.” “Welches Wunder?”, fragte er mit gerunzelten Brauen. “Der Fernseher bei mir hält meistens auch nur drei Monate, aber mein jetziger ist schon fünf Jahre alt. Das ist neuer Rekord. Ich habe ihn damals nicht ausgesucht, das hatte ein Mitarbeiter eines Fernsehenladens für mich gemacht. Dieser Mann hat mir damit Glück geschenkt. Mein großer Wunsch ist, das er das Radio aussucht, egal ob er damals vor fünfundzwanzig Jahren meine Mutter getötet hat.” Er hob verwundert die Brauen. “Aber müssen Sie ihn nicht dafür hassen?” “Ja, ich weiß, aber meine Mutter hat die Dinge schon immer sehr genau genommen. Sie hat an einer Tankstelle gearbeitet, als ihr Mörder an der Kasse war, hatte er sein Geld vergessen und meine Mutter halt so ist, hat sie ihm gedroht, die Polizei zu verständigen, wenn er einfach so wegfährt. Tja und so ist es passiert. Ich war vielleicht geschockt und benommen, als er mir es gesagt, hat, aber auf der anderen Seite hätte ich es vielleicht irgendwann getan. Viele Kassiererinnen hätten ein Pfand des Kunden da gehabt, als Sicherheit, das er wiederkommt, aber meine Mutter hält nichts davon, bei ihr muß alles gleich gemacht werden. Im Grunde verstehe ich sein Verhalten, auch wenn es verrückt klingt.”, seufzte sie. “Und ich dachte sie haßt mich.”, dachte er erstaunt zu sich. “Soll ich Ihnen ein Radio aussuchen?” “Das funktioniert so wieso nicht. Ich habe es vor zehn Jahren mal gemacht und es hat nicht geklappt. Mein Konto ist fast immer leer nur wegen solcher Sachen. Er, Theodor Stein, war der Einzige, der das fertig gebracht hat.” Seufzends sah er sie an. “Verstehe, wenn das so ist, werde ich Ihnen ein Radio aussuchen.” Katja sah verdattert an. “Haben sie mir nicht zugehört?” “Doch! Besser als Sie glauben. Es klingt total verrückt. Ich hätte nie gedacht, das so ein Fall in der Geschichte auftaucht. Jedenfalls habe ich meine Gründe, warum ich Ihnen helfen will.” “Die wären?” “Felix hat an dem Tag geahnt, was mein Schicksal ist, als wir beide uns trafen. Ich konnte es ihm ansehen. Nämlich, das ich dich liebe.” “Wer sind Sie?”, fragte sie mit gerunzelten Brauen. “Theodor Stein, der ehemalige Angestellte von Felix Hoffmann in Berlin. Katja Kabelsalat.” Sie sah ihn überrascht an und brachte kein einziges Wort heraus. “Ich habe dich erst erkannt, als du gegangen warst. Tut mir Leid. Du hast dich gar nicht verändert, bis auf die Falte zwischen deinen Brauen.” Katja musterte ihn nachdenklich. “Theo? Bist du es wirklich, der meine Mutter auf dem Gewissen hat?” “Ja.”, meinte er verlegen. “Das gibt es nicht? Oder doch? Doch du mußt es sein, du kennst den Namen den mir immer Felix gegeben hat. Wie geht es Felix eigentlich?” Theo senkte traurig den Kopf. “Er hat vor genau fünf Jahren einen Schlaganfall bekommen. Ich war an dem Tag bei dir und bin ich nicht zum laden zurückgekehrt, weil er mir frei gegeben hatte. Wenn ich bei Felix geblieben wäre, wäre vielleicht heute noch am leben.” “Das tut mir sehr Leid. Felix war ein guter Mann.” “Ja, das war er.” “Was passierte mit seinem Laden?” “Sein Sohn hat ihn übernommen. Ich halte mit seiner Familie bis heute noch Kontakt. Der Sohn ist letzte Woche Vater geworden.” “Das ist ja toll, aber was ist mit dir? Warum bist hier und nicht in Berlin?” Er stieß einen tiefen Seufzer aus und starrte zur untergehenden Sonne. “Nachdem ich dich verlassen hatte, war ich richtig enttäuscht und wußte, jemand wie ich würde niemals eine Frau heiraten können, die die Tochter der Frau ist, die ich getötet habe. Doch dann, ein paar Stunden später bat mich Felix’ Frau nach ihrem Mann im Laden zu sehen, weil er noch nicht zu hause war. Ich fand ihn leblos. Der Notarzt konnte nichts machen. Felix’ Tod hat mich schlimm getroffen, dann traf ich auch meinen ehemaligen Anwalt Robert Koch, das war zu viel! Ich beschloß nach Stralsund zu gehen, um ein neues Leben zubeginnen und mit meiner Vergangenheit abzuschließen. Diese Veränderung hat mir gutgetan, aber dich konnte ich trotzdem nicht vergessen. Egal was ich versuchte.” Er sah ihr sanft in die Augen. Ihre Wangen erröteten. “Mir ging es nicht viel anders, seitdem Tag, wo ich dich das erstemal gesehen habe. Du hast dich etwas verändert.” “Etwas ist gut.”, schmunzelte er. Mit Tränen in den Augen umarmten sie sich und es folgte ein leidenschaftlicher Kuß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)