Green Moon von Rosenmaedchen (Full Eclipse: One [♥]) ================================================================================ Kapitel 2: Fateful acquaintance ------------------------------- Schicksalhaftes Kennenlernen „Mann kann sich wohl den Weg wählen, aber nicht die Menschen, denen man begegnet.“ - Arthur Schnitzler Jetzt, als sie in seine leblosen, schwarzen Augen blickte fielen ihr auf einmal ein dutzend Gründe ein, wieso sie sich von ihm getrennt hatte. Sein gefühlloser, harter Charakter, seine unheilvolle Ausstrahlung und schlimme Beleidigungen fielen ihr ein. Weg waren alle schönen und positiven Momente mit ihm. Für ihn war Selena in den letzten Zügen ihrer Beziehung nur noch eine griechische Volksschlampe gewesen. Ja, sie war nun mal eine Halbgriechin. Durch ihre Adern floss griechisches Blut und sie war stolz darauf. Sehr stolz. Selena liebte ihre Abstammung. Die Griechen waren seither ein stolzes Volk und vor allem in der Antike hatte ihre Kultur einen Höhepunkt. Sie hatten soviel geschaffen. Und auch so viel verloren. Trotzdem galten die Griechen als Väter des heutigen Europas. In ihren Verfassungen waren schon damals Grundzüge der Demokratie zu erkennen. Aber Norman hasste natürlich alles, was vor seiner Zeit war. Wieso verband er sie bitte mit dem antiken Griechenland nur weil ihre Mutter eine Griechin war? Selena hatte diesen Mann nie wirklich verstanden und jetzt wollte sie es nicht mehr. „Endlich habe ich dich gefunden“, flüsterte Norman an ihr Ohr und trat um Selena herum. Dabei wanderten seine Augen auf und ab. Er begutachtete sie wie ein Stück Vieh auf dem Rindermarkt. „Wieso hast du mich gesucht?“ Er ignorierte ihre Frage und blieb wieder vor ihr stehen. Ihre Handgelenke hielt er immer noch umschlossen und selbst wenn Selena es versucht hätte, sie hätte sich nicht befreien können. Norman hatte einfach zu viel Kraft. „Du hast versucht, dich vor mir zu verstecken“, meinte er und Selena war verwirrt. Wieso sollte sie das tun? Er war doch damals spurlos verschwunden nach ihrer Trennung. Selbst wenn sie gewollt und ihn aufgesucht hätte, gefunden hätte sie Norman ja doch nicht. „Böses Mädchen.“ „Du bist anders.“ Diese schlichte Feststellung stimmte. Norman hatte vorher nie so geredet. Irgendwas musste passiert sein, dass er noch verkorkster war als vorher. Und sie dachte schon, dass ginge nicht mehr. Da hatte sie wohl falsch gedacht. „Ich habe mich geändert, Selena.“ Das kaufte sie ihm sogar ab. „Zum positiven.“ Das eher nicht. „Niemand, der sich zum positiven ändert, überfällt seine Ex abends auf der Straße und hält sie fest. Was soll daran bitte positiv sein, Norman?“ Wieder blitzten seine schwarzen Augen auf und es schien, als würde irgendetwas knapp unter seiner Oberfläche sitzen. Nur darauf wartend, dass Norman es raus ließe. Plötzlich stieg ihr ein Geruch in die Nase, die Selena sonst nur aus dem Zoo kannte. Es roch auf einmal nach Wildkatze. Nein, eher Berglöwe, schoss es ihr durch den Kopf und ihre Stirn legte sich in Falten. Es stank fürchterlich nach Puma, aber wo kam dieser Geruch so plötzlich her? Der Zoo war in einem ganz anderen Stadtteil von Chicago. Normans Grinsen brachte Selena nur noch mehr durcheinander. „Reiz mich nur weiter, da steh ich drauf.“ „Perverser“, murmelte sie, was Norman aber zu hören schien, da auf einmal fürchterlich meine Handgelenke schmerzten, die er immer noch fest umklammert hielt. Als würde er mit spitzen Nadeln durch meine Haut bis auf die Knochen stechen. Nein, keine Nadeln – Krallen. Woher sie nur die ganze Zeit diese sonderbaren Gedanken hatte, wusste sie nicht. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aber ihr Gehirn weigerte sich in der Sache weiterzudenken. Selena hatte im Moment größere Probleme als meine schmerzenden Handgelenke. „Norman, was willst du nun?“, zischte sie durch die Lippen, was ihn nur noch mehr ein Grinsen entlockte. Oh, natürlich. Er hatte sich zum positiven geändert, stand aber darauf, wenn er ihr offensichtliche Schmerzen zufügte. Er war es nicht einmal mehr würdig beim Namen genannt zu werden. Monster würde viel besser passen. Blitzschnell ließ er eines ihrer Handgelenke los, aber nur um beide zusammen mit einer Hand festzuhalten. Mit seiner nun freien Hand hob er ihr Kinn an und kam ihrem Gesicht näher. „Ich will dich, Selena“, flüsterte er heiß gegen ihre Lippen. Selena zog ihren Kopf nach links zurück, weswegen er ihr Kinn loslassen musste. „Ich will dich zurück und du wirst zu mir zurückkommen.“ „Du bist krank, Norman. Einfach nur krank. Ich werde niemals wieder mit dir zusammen sein. Nie wieder freiwillig, in meinem ganzen Leben.“ „Oh, du verstehst mich falsch, Schätzchen.“ Mit einem groben Ruck zog er sie an seine Brust und hielt sie fest. „Du wirst zu mir zurückkommen. Und wenn nicht freiwillig, dann zwing ich dich.“ Panik stieg in ihr auf. „Du kannst mich nicht zwingen… ich…ich zeig dich an!“ Ein Lachen erklang leise aus seiner Kehle. Und dann wurde es lauter. Er lachte wirklich! „Was ist daran so lustig?!“ Sein Lachen erstarb und unsanft zog er ihren Kopf hoch. „Du hast keine Ahnung, was ich alles kann, Selena.“ Danach kam es ihr so vor, als würde er knurren. Wie ein gefährliches Raubtier Selena hatte wirklich keine Ahnung, zu was er mittlerweile alles in Stande war. Aber er scherzte nicht. Kein bisschen. Und seine komischen Verhaltensweisen jagten ihr Angst ein. Sie musste weg von ihm. Ohne zu wissen, was sie tat, zog Selena ihr Knie ruckartig hoch und traf ihn genau da, wo es am meisten weh tat bei einem Mann. Zischend ließ er sie schlagartig los und ging in die Knie. Diese Chance nutzte sie sofort aus. Selena drehte sich um und rannte davon. Versuchte Distanz zwischen ihn und sich selbst zu bringen. Wie aus dem nichts stand er plötzlich vor ihr und Selena lief direkt in seine Arme. Verwirrt versuchte sie sich aus seinem starken Griff zu befreien aber er packte sie nur noch fester, sodass sie am nächsten Morgen dort bestimmt blaue Flecke entdecken konnte. Diesmal schien es, als spürte Selena Krallen in ihrem Rücken. Der Gestank nach Wildkatze wurde stärker und Norman knurrte an ihrem Ohr. „Versuch das nicht noch einmal. Ansonsten bring ich dich um.“ Selena schluckte und spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Er war so widersprüchlich. Er sagt, er habe sich zum Positiven geändert, drohte ihr aber sie umzubringen, sollte sie vor ihm flüchten oder ihn angreifen. Panisch versuchte Selena an ihm vorbeizuschauen, aber sie sah nur seine Schultern, seine Haare oder generell sein Gesicht. Wenn sie nach Hilfe schreien würde, würde sie vermutlich niemand hören und Norman würde es rechtzeitig verhindern. Es gab keinen Ausweg. Sie sollte sich ihrem Schicksal fügen. Oder ihren persönlichen Fluch anwenden. Aber Selena hatte sich dann nicht unter Kontrolle. Und sie wollte nicht, dass wieder Menschen starben. Sie hatte riesige Angst. Urplötzlich kam ein anderer Geruch dazu. Ein sehr gegensätzlicher Duft. Die Wildkatze wurde überdeckt. Es roch nach nassem Hund. Nein, einem Wolf. Warum sie diese Gerüche nur so genau einem Tier zuordnen konnte? Häufige Ferienarbeit im Zoo trug daran Schuld. Irgendwann wusste man einfach so etwas. Norman knurrte gefährlich und ließ etwas von ihr ab. Eine tiefe Stimme ertönte hinter Selenas Rücken, wenige Meter von ihnen entfernt. „Lass sie los, Missgeburt.“ „Verzieh dich. Du hast hier gar nichts zu sagen.“ Ein Knurren erklang, aber es kam nicht von Norman. Es raschelte und Norman ließ sie rasant los. Irgendetwas hatte ihn dazu veranlasst, sich von ihr zu entfernen. Oder besser irgendwer. Der Mann hinter ihr. Selena stand wie angewurzelt da. Konnte sich keinen Zentimeter von Norman wegbewegen. Zu ihrem scheinbaren Retter flüchtete sie ebenfalls nicht. Wer wusste schon, ob er sie wirklich gerettet hatte oder schlimmeres mit ihr vor hatte? Dafür kam er aber vor und nahm ihr somit ihre Entscheidung ab, zu wem ich gehen sollte. Als er in ihr Blickfeld trat erschrak Selena. Er war viel größer als sie mit ihren einhundertfünfundsechzig Zentimetern, mit denen sie generell nicht die Größte war. Aber er war mit Sicherheit über einen Meter neunzig groß und somit, im Gegensatz zu ihr, ein Riese. Er trug eine Lederjacke und normale Jeans, die ihm locker auf der Hüfte hingen. Sein rabenschwarzes Haar ging ihm fast bis in den Nacken und in dem schwachen Licht der Straßenlaterne konnte sie erkennen, dass seine Haut leicht sonnengebräunt war. Eine Hand lässig in der Hosentasche und die andere um etwas in seiner Jackentasche geschlossen stand er schräg vor ihr und sah Norman an. „Werden wir ja sehen, wer sich hier verzieht. Sie hat dir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass du sie ihn Ruhe lassen sollst.“ Selena wurde mit einem Schlag klar, dass er mehr mitbekommen hatte, als nur die letzten Sekunden. Und er hatte die ganze Zeit nicht eingegriffen – also wieso gerade jetzt? An seiner Stimmgebung konnte sie erkennen, dass er kein gebürtiger Amerikaner war. Selena würde auf irgendwas Hispanisches tippen. Sein Akzent klang jedenfalls danach. Normans Augen funkelten indes hasserfüllt, dabei schien er den Mann nicht einmal zu kennen. „Das geht nur sie und mich etwas an.“ Der Mann schnaubte. „Das bezweifle ich.“ Er zog seine Hand aus der Jackentasche und ich sah nur etwas aufblitzen. Norman fauchte unmenschlich und zischte mir ein “Wir sehen uns wieder“ zu, bevor er urplötzlich verschwunden war. Wie von Zauberhand im Erdboden versunken. Ungläubig blinzelte Selena und starrte auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Nichts. Der Boden schien unberührt. Norman war weg. Und mit ihm war der Gestank nach Berglöwe verschwunden. Der Mann drehte sich zu ihr herum, und sie konnte endlich in sein Gesicht blicken. Seine Augen waren dunkelblau und eines davon wurde halb von schwarzen Haaren verdeckt. Er hatte hohe Wangenknochen und volle Lippen. Er war wirklich hübsch und Selena konnte sich schon denken, dass er, wenn er keine Frau, Verlobte oder Freundin zu Hause sitzen hatte, mit Sicherheit sich nicht vor weiblichen Schönheiten retten konnte. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Jetzt erst bemerkte sie, dass sie ihn angestarrt hatte und blinzelte. „Ähm, ja. Danke.“ Er nickte knapp. „Schon gut. Hat er Ihnen etwas getan?“ Selena schüttelte ihren Kopf. „Nein, aber er hatte es sicherlich vor.“ Er legte den Kopf leicht schräg, was sie irgendwie an einen Hund erinnerte. „Was macht Sie da so sicher?“ Sie straffte ihren Schultern und wollte nicht verletzlich wirken. Immerhin hatte sie diesen fürchterlichen Mann einmal geliebt – zum Glück war dies vorbei. „Er ist mein Exfreund.“ Darauf sagte er nichts sondern steckte das blinzende Ding weg und fuhr sich durch das Pony. Selena beobachtete ihn dabei genau, was ihm nicht entgangen zu sein schien. „Sie sollten nach Hause. Machen Sie sich keine Sorgen. So schnell wird er Ihnen nicht wieder auflauern.“ Ein knappes Nicken brachte sie zustande, doch dann bemerkte sie, dass er gehen wollte. „Warten Sie!“, rief sie und er drehte sich wieder zu mir um. Ein fragender Ausdruck stand in seinem Gesicht. Merkwürdigerweise wirkten seine Augen nun heller. Das Blau schien nicht mehr fast schwarz sondern kobaltblau. Und als Selena noch einen Moment länger in seine Augen sah kam es ihr so vor, als würden sie sich weiter erhellen. Mit einem kleinen Kopfschütteln beendete sie den Augenkontakt. Wahrscheinlich war sie zu erschöpft durch die ganze Aufregung und den harten Tag. Dann musste Selena sich kurz sortieren. „Verraten Sie mir Ihren Namen?“ Er schien überrascht zu sein. Aber er antwortete schließlich doch. „Alessio.“ Sie lächelte. „Dann danke ich Ihnen sehr, Alessio.“ Seine Augen suchten ihr Gesicht ab. Wonach wusste sie nicht genau. Danach nickte er. „Gern geschehen. Wie ist Ihr Name?“ „Ich heiße Selena.“ „Selena…“ Als er ihren Namen aussprach spürte sie irgendetwas tief in ihr. Aber sie konnte es einfach nicht deuten. Und wie er sie anschließend ansah – es war merkwürdig und traumhaft zugleich. Durch seinen Akzent und seine besonders schöne Stimme wirkte ihr Name wie ein lieblicher Zauber. Dann schaute er Selena direkt in die Augen und seine Augen waren wieder deutlich heller. In sanftes aquamarinblau blickte sie jetzt. „Ich muss jetzt los. Vielleicht sieht man sich einmal wieder“, sagte er und Selena bedauerte sofort, dass er schon gehen musste. „Dann werde ich Sie nicht weiter aufhalten wollen.“ „Das haben Sie nicht. In keinster Weise.“ Alessio nahm ihre rechte Hand und führte sie zu seinem Mund. Sanft legte er seine Lippen auf ihren Handrücken und ließ ihre Hand dann wieder sinken. Ungläubig schaute Selena ihn an. „Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.“ Er wirkte zwar nicht so, aber sie glaubte ihn. In seinen Augen stand die ganze Zeit pure Ehrlichkeit. Ein Lächeln schlich sich auf Selenas Lippen. „Ebenfalls.“ Dann ließ er ihre Hand los. „Ich hoffe wirklich, wir sehen uns eines Tages wieder“, flüsterte er und drehte sich um. Nach einigen Sekunden wollte Selena ihm nachsehen, aber er war bereits verschwunden. Genauso spurlos wie vor ihm Norman war er einfach weg. Und mit ihm der Geruch nach Wolf. Allein stand Selena nun in der dunklen Gasse und schloss die Augen. Sie musste erst einmal alles, was gerade passiert war verarbeiten, bevor sie die letzten Schritte zu ihrer Wohnung gehen konnte. Ohne es zu bemerken streichelte sie über ihren Handrücken – da, wo kurz davor die weichen Lippen dieses unglaublich schönen Mannes, namens Alessio, lagen. Ein leises Seufzen entglitt ihr. Dann straffte Selena ihre Schultern und verließ die Gasse, ohne zu wissen, dass sie noch immer beobachtet wurde. Was Selena jedoch nicht wusste, war, dass sie Alessio schon bald wiedertreffen würde. Und genauso wie Alessio würde auch Norman erneut in ihr Leben treten. Das Schicksal ließ sie einfach nicht im Stich. Aber nur einer der beiden würde die Nacht über in ihren Gedanken und in ihren Träumen sein. Denn unglaublicherweise träumte sie einmal nicht von Kampf zwischen Berglöwe und Wolf, wobei letzterer starb. Sondern von ihm. To be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)