Eine blaue Holztür von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Glocken der Kapelle verstummten, als auch der letzte Besucher eilig hineinhastete und die blaue, frisch gestrichene Holztür mit einem leisen Knarzen ins Schloss fiel. Die hohen, wenig bunten Fenster der Kapelle waren hell erleuchtet und es bot sich ein malerischer Anblick, den das Mädchen sichtlich genoss. Jeden Abend kam Abby um diese Uhrzeit hierher, doch nicht, um am Gottesdienst teilzunehmen, wie der Rest der Dorfbewohner - in der Zeit der Messe saß sie auf der anderen Seite des Sees im Schatten einer grün-blühenden, großen Trauerweide und genoss die Idylle, den die lauen Sommerabende mit sich brachten. Sie rutschte nah an das Ufer heran, entledigte sich ihrer Schuhe und ließ die Füße in das kalte Wasser des Sees gleiten, wackelte mit den Zehen, denn das kühle Nass kitzelte auf ihrer warmen Haut. Das Wasser stand still, war grau und klar, sodass sie ihr Spiegelbild auf der Oberfläche betrachten konnte. Glühender Abendhimmel und hohe Berge mit schneebedeckten Spitzen spiegelten sich darin, Grillen surrten nah und fern - das einzige Geräusch, das Abby hören konnte, bis der Chor einsetzte, den man auch außerhalb der Kapelle singen hörte. Sie summte leise mit, denn sie kannte die Lieder schon auswendig. Gerne wäre sie einmal ins Innere der Kapelle vorgedrungen, zusammen mit den anderen Menschen, aber es wusste, dass sie dort nicht geduldet werden würde - so wie auch der Rest ihrer Familie. Sie mochte es aber auch, nur hier zu sitzen und die Stille zu genießen. Die Luft roch nach Tannenbäumen und ein bisschen nach feuchter Erde und Abby betrachtete die hohen Nadelbäume, die sich hinter der Kapelle auftürmten. Ein kleiner Pfad führte tiefer in den Wald hinein, dort, wo sie noch nie gewesen war, denn ihre Mutter erlaubte es nicht. Irgendwann, sagte sie sich, würde sie sich trauen und dem Weg folgen. Sie würde entdecken, ob der kleine Holzzaun, der entlang des Weges führte, irgendwann aufhörte. Und sie würde den kleinen Friedhof sehen, der sich hinter der Kapelle befinden sollte. Sie würde Abenteuer erleben! Nebel stieg auf, als eine kühle Brise ihre Haarsträhne erfasste, und sie merkte, wie es langsam dämmerte. Abby strich sich das Haar zurück. Der Himmel leuchtete in einem trüben Gelb, als die am Horizont untergehende Sonne ihre letzten Strahlen über das Land schickte. Sie hörte Schritte hinter sich, einen knackenden Ast. "Schon wieder sitzt du hier herum!" Eine empörte Stimme. Ihre ältere Schwester, die Hände in die Hüften gestützt. "Mom hat doch gesagt, du sollst nicht mehr hierher kommen. Komm schon." Abby seufzte und stand auf, und während sie wieder mit ihren kalten, nassen Füßen, deren Zehen sie kaum noch spürte, in ihre Schuhe schlüpfte, warf sie einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf die Kapelle, den geheimen Pfad, die hohen Fichten dahinter. Ihre Reflektion im grauen Wasser sah sie erwartungsvoll an. Sie kehrte dem Anblick den Rücken zu, als die blaue Holztür der Kapelle wieder aufschwang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)