Due mondi [Tsuna X Reader] von gluecklich (Ein langer Weg) ================================================================================ Kapitel 46: Glühwürmchen ------------------------ Es ist ein lauer Abend. Die Stimmung im Vongola-Hauptquartier ist immer noch gedrückt, und selbst die Varia hat den Anstand, dort nicht lauthals wie sonst reinzuplatzen. Ihr macht stillschweigend eure Arbeit und sorgt dafür, dass es nicht zu noch mehr Niederlagen kommt. Aber genau das war es – eine Niederlage. Kyoko hat niemandem von euch etwas bedeutet, aber dass es sie erwischt hat, bedeutet, dass ihr in eurer Aufgabe versagt habt. Und das macht die Laune auch bei euch nicht besonders gut. Zwischen all den frustrierten und trauernden Parteien fällt dir die Decke auf den Kopf. Außerdem hast du seitdem nicht mehr mit Tsuna gesprochen. Du hast ihn zwar gesehen, du weißt, dass er lebt, aber du weißt nicht, wie es ihm mittlerweile geht. Ob er es packt, oder ob er Hilfe braucht. Ob er am Boden ist, oder ob er wieder aufstehen konnte. Die Luft ist warm, obwohl es schon dunkel ist. Lussuria hat dir irgendwas vom japanischen Sommer erzählt, der in den nächsten Wochen angeblich eintreffen und euch alle zum Schwitzen bringen soll. Du störst dich nicht daran. Wenn man in einer schwarzen Lederuniform in Palermo arbeitet, wird man schon mit dem japanischen Sommer klarkommen, denkst du. Fürs Erste findest du es angenehm, dass du am späten Abend in kurzen Hosen und T-Shirt nach draußen gehen kannst. Genau so etwas brauchst du jetzt, eine schöne Nacht, in der du deine Gedanken wandern lassen kannst und nicht so verkrampft daran denken musst, dass an deinem Arbeitsplatz, der gleichzeitig dein Zuhause ist, seit Tagen die Welt untergeht. Du hast keine Ahnung, wo genau du hingehst. Zunächst einmal wolltest du einfach nur das Vongola-Grundstück verlassen, damit du auch wirklich von allem wegkommst. Nicht nur geistig, sondern auch körperlich. Und nun hast du also die großen Mauern des Anwesens hinter dir gelassen und streifst etwas ziellos durch die dunkle Umgebung, die um diese Zeit schon wie leergefegt ist. In der Stadt wäre es sicherlich voller, aber du willst jetzt weder Licht noch Gesellschaft von wildfremden Idioten. Du brauchst Ruhe, und Entspannung. So wie jeder momentan. Du steigst einen grasbewachsenen Hügel hinauf, und im nächsten Moment bist du beeindruckt davon, wie ähnlich euer Verstand funktionieren muss. Zwar siehst du ihn nur von hinten, aber diese unordentliche Mähne auf seinem Kopf ist einfach unverkennbar. Stumm näherst du dich Tsuna, dir fällt allein schon deshalb ein Stein vom Herzen, weil du ihn atmen, aber nicht schluchzen hörst, und dann kommst du neben ihm zum Stehen und siehst verhalten zu ihm herunter. »Darf ich mich setzen?«, fragst du vorsichtig. Normalerweise wäre er längst erschrocken, dessen bist du dir sicher. Aber heute hebt er nur träge den Kopf und sieht dich aus Augen an, die in einer völlig andren Welt zu sein scheinen. Du schluckst trocken. »Gerne«, sagt er. Er klingt, als habe jemand seine Stimmbänder mit Schmirgelpapier bearbeitet. Du setzt dich also neben ihn ins Gras, ziehst die Beine an und schlingst die Arme darum, und dann schweigst du. Gott, es gibt viel, was du ihm sagen willst, so unendlich viel, aber du spürst, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. Kyokos Tod ist erst ein paar Tage her, es ist nur logisch, dass er noch nicht so weit ist. Du fühlst dich schon geehrt, dass er dich überhaupt in seine Nähe lässt, statt dich abzuweisen. Also sitzt du nur stumm da und starrst geradeaus. Du versuchst, ihm positive Energie zu schicken, aber du hast keine Ahnung, ob sowas überhaupt geht. Es ist das erste Mal, dass du überhaupt auf diese Idee kommst. Du willst Tsuna auf jede Art und Weise helfen, die möglicherweise funktionieren könnte. Der Himmel über euch wird immer mehr zu einer schwarzen Wand vor euren Augen, und du musst ein paar Mal blinzeln, bis du feststellst, dass es ein kleiner Schwarm Glühwürmchen tatsächlich geschafft hat, diese Dunkelheit direkt vor eurer Nase ein kleines Bisschen zu verscheuchen. Du hörst Tsuna zittrig seufzen und traust dich nicht, ihn anzusehen. »Sie geben ihr… ihr Bestes«, sagt er stockend, »um die Nacht zu erleuchten… Aber sie schaffen es nicht, die Nacht bleibt immer dunkel. Sie ist zu… zu groß.« Für einen Moment sieht dein Gesicht aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen. Dann senkst du den Kopf und lächelst gequält. »Man muss die Nacht nicht erleuchten«, sagst du leise. »Sie ist nun mal dunkel, das… das ist eben ein Fakt. Aber sie hier geben trotzdem nicht auf und bringen somit wenigstens ein bisschen Licht in die Dunkelheit…« Er antwortet nicht, und schließlich siehst du ihn vorsichtig von der Seite an. Im ersten Moment bist du erleichtert, dass er nicht weint, aber im nächsten Augenblick wirkt er dadurch nur noch trister. Du atmest leise durch und hoffst, dass du die Metapher verstanden hast. »Du kannst nicht immer alle beschützen«, sagst du sachte. »Aber du versuchst es immer wieder, und das… das ist es, was wir so an dir schätzen.« Deine Worte haben nicht den gewünschten Effekt. Tsuna verzieht nur kurz die Mundwinkel, und dann scheint er ein klein wenig in sich zusammenzufallen. »Was bringt mir das jetzt noch«, sagt er. Ohne Fragezeichen. Es ist in Wahrheit keine Frage. Er will keine Antwort. Du beißt dir auf die Unterlippe und bist kurz davor, für ihn zu weinen, wenn er das schon nicht kann. Aber du willst dich zusammenreißen, du musst. »Wir zählen auf dich, Tsuna«, flüsterst du, und der erschreckende Gedanke, ihn endgültig zu verlieren, ihn nicht nur nicht bei dir haben zu können, sondern seine ganze Existenz nicht mehr auf dieser Erde zu wissen, schießt durch deinen Kopf und bereitet dir Schwindel. »Wir brauchen dich, wir… I-Ich brauche dich. Du darfst jetzt nicht aufgeben…« Du weißt nicht, ob du jemals in deinem Leben so flehend geklungen hast. Tsuna schließt die Augen, und im nächsten Moment lässt er sich einfach zur Seite fallen. Du zuckst zusammen, weil er gegen deine Schulter prallt, aber dann verstehst du, dass er sich an dich lehnt, müde, schlaff, und du seine Stütze bist. »In Wahrheit leuchten Glühwürmchen bloß wegen der Paarung«, murmelt er dumpf. »Ich wünschte, ich wäre genauso unbedeutend.« Du schweigst, weil es darauf keine Antwort gibt. Tsuna liegt schwer auf deiner Schulter, aber es ist okay. Gemeinsam starrt ihr durch das Flimmern der Leuchtkäfer die schwarze Nacht an. Vorsichtig legst du eine Hand an seinen Rücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)