Nightingale´s Song von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: 1: Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2013, London, Whitechapel -------------------------------------------------------------------- „Guten Abend, willkommen bei Happy Burger. Was möchten sie bestellen?“ Die Frau hinter der Theke wirkt freundlich, wenn auch ziemlich müde. Sie lächelt und meint es sogar ernst. Doch ziemlich verwunderlich, ob der späten Uhrzeit. Niemand sonst befindet sich in dieser Filiale der Burgerrestaurantkette Happy Burger, nur der einzelne Kunde, der gerade angesprochen wurde. „Zwei Cheeseburger ohne Käse bitte.“ bestellt er, die Frau lächelt und sagt: „Kein Problem, Mister Nightingale, darf es sonst noch was sein?“ Sie kennt den Mann, schließlich kommt er einmal in der Woche her, jeden Mittwoch, meistens gegen Eins des Morgens, was ja eigentlich schon Donnerstag ist. Und da sie ihn kennt, kennt sie auch seine Art, Hamburger zu bestellen. Immer bestellt er sie, die Cheeseburger ohne Käse. Der Mann, ließ ein breites Grinsen sehen, spreizte die Arme ein wenig und beantwortet ihre Frage: „Nein, dieses Mal nicht. Und bitte, können sie die Burger einpacken? Ich kann leider nicht bleiben, auch wenn mir ihre Gegenwart natürlich sehr angenehm ist.“ Die Frau packt die Burger in eine Tüte, stellt sie auf den Tresen und nennt ihn einen alten Schleimer. Von alt konnte zwar keine Rede sein, immerhin war er allerhöchstens Anfang zwanzig, aber nun, sei´s drum. Er nimmt die Tüte, legt zwei Ein-Pfund Münzen auf den Tisch, tippt sich an den Strohhut den er trägt, verabschiedet sich und verlässt das Restaurant. Woanders, wenn auch nicht weit weg, lacht sich ein bierbäuchiger Mann gerade tot, zieht an seiner Zigarette und ruft lautstark: „Ja, genau, zeigs ihm, George!“ Objekt seiner Belustigung sind zwei Männer in einem Ring, beide tragen Shorts und schwitzen. Und beide sind damit beschäftigt sich nach allen Regeln der Kunst zu vermöbeln. Der eine, der Mann namens George trug blaue Shorts und setzte gerade zu einer links-rechts Kombination an, während sein Gegner, schon deutlich erschöpft zurückwich und den Angriff abblockte, was ihm auch gelang. Allerdings sah er nicht den Fuß kommen und einen Augenblick später flogen Spucke und Zähne durch die Gegend und er kippte um, nicht mehr bei Bewusstsein. George hatte es ihm gezeigt. Menschen applaudierten oder pfiffen, freuten sich oder schrien ihre Entrüstung aus und andere jubelten, weil sie gerade eine Menge Geld gewonnen hatten. Andere schrien vor Wut, weil bei ihnen das Gegenteil der Fall war. Der schwitzende aber erfolgreiche Kämpfer George begab sich aus dem Ring, trank eine 0,5-Liter Flasche Wasser in einem Zug, tauchte seinen Kopf in einen Eimer voll Wasser, zog ihn wieder heraus und ging dann in Richtung des bierbäuchigen Mannes, der am lautesten von allen jubelte und sich freute. Als er ihn erreicht hatte, setzte sich George auf die Band neben ihm und beobachtete, wie sein Bewusstloser Konkurrent aus dem Ring gezerrt und nach Möglichkeit wieder aufgepäppelt wurde. Der dicke Mann sagte: „Ha! Dem hast du´s gegeben! Was?“ „Hmm.“ antwortete George, rieb sich das Kinn und meinte dann. „Stimmt.“ „Tja, das war jetzt dein wievielter siegreicher Kampf in Folge?“ „Zehnter.“ Der Kämpfer riss seinen Blick von dem nun leeren Ring los und sah seinen Gesprächspartner nun unverwandt an. „Ganz genau. Und du weißt was das heißt?“ „Ja. Stadtmeisterschaft.“ „Ganz genau, Mann! Das bedeutet fettere Preisgelder, schärfere Mädels und vor allem ne Menge Ruhm, ist dir das klar?“ „Hmmm.“,bestätigte George und machte sich daran die Bandagen von seinen Händen zu lösen und schüttelte seine Hände dann, die von dem Kampf noch schmerzten. „Was denn, freust du dich nicht, George?“, wollte der Dicke wissen. „Doch, schon. Was willst du überhaupt, Tobi?“ Der Dicke namens Tobi blinzelte und rieb sich dann die Glatze. „Na, ganz einfach, ich will dir anbieten, dich weiterzubringen, bekannter zu machen. Quasi dein Management zu übernehmen. Für ein kleines Entgelt versteht sich.“ „Und was solls bringen?“, fragte George, schüttelte dann den Kopf und meinte: „Nein, sag nichts. Wäre Luftverschwendung. Ich wills gar nicht höre. Würde eh ablehnen.“ Tobi wollte diese Antwort natürlich nicht gefallen und er sagte, leicht angesäuert: „Ey, was soll das? Lass deinen alten Kumpel Tobi nicht hängen, Mann. Immerhin hab ich dich in die Szene gebracht.“ George verzog eine Miene sondern schüttelte nur noch mal den Kopf. „Ich weiß. Dafür bin ich dir dankbar, Tobi, ehrlich. Aber ernsthaft: Ich brauche keinen Manager. Ich kann meinen Kram alleine regeln. Danke für das Angebot, aber nein. Und wenn du Kohle brauchst, frag einfach.“ Jetzt war es an Tobi den Kopf zu schütteln. „Na, dann eben nicht, lass mich ruhig verrecken.“ „Hey, ich hab gesagt wenn du Geld brauchst...“ Tobi unterbrach den Kämpfer. „Alter, ich will aber keine Almosen, ich will verdammt noch mal nen Job und ich will dir weiterhelfen!“ George schwieg und dachte nach, nach einiger Zeit dann sagte er kapitulierend: „Na gut, na gut. Dann machst du den Manager für mich und kriegst Kohle dafür, meinetwegen.“ Tobi klopfte ihm auf die massige, muskulöse Schulter. „Danke Mann! So gefällt mir das ganze schon besser. So, und jetzt gehste duschen und dich umziehen und dann... Ja, dann gehen wir deinen Sieg begießen, so wie´s sich gehört, ne?“ „Hmm.“ Der Kämpfer nickte, erhob sich und verließ die Arena, die mittlerweile so wie leer war. Doch kaum war er gegangen, betrat jemand anders den Raum. Ein großer, schlaksiger Mann in Shorts, einem ärmellosen Shirt und einem lächerlichen Hut aus Stroh auf dem Kopf. Seine Sandalen machten ein flappendes Geräusch auf dem Boden. In einer Hand trug er eine Tüte mit dem Logo von Happy Burger, die andere, die linke Hand an der seltsamerweise zwei Finger fehlten, hatte er mit dem Daumen am Hosenbund festgehakt. „He, Bürschlein, wo solls denn hingehen?“ Bull, der Arenaleiter war ihm entgegengetreten. Der Mann verdiente seinen Spitznamen zurecht, denn wie ein Bulle sah er aus. Groß, massig, genau so muskulös wie fett und mit einem gewaltigen Stiernacken war er eine beeindruckende wenn auch unschöne Erscheinung, dem das grobschlächtige Gesicht mit der breiten, mehrmals gebrochenen Nase keinen Abbruch tat. Tobi spitze seine Ohren und beobachtete was weiterhin passierte, denn der Strohhutmann antwortete und seine hohe, irgendwie unangenehme Stimme war tatsächlich ziemlich gut hörbar. „Na, nach hier natürlich“, sagte er. Bull entgegnete: „Neee, und ich dachte nach Jericho. Idiot. Die Kämpfe sind für heute vorbei, also, verpiss dich. Oder willst du Witzfigur etwa selber kämpfen?“ Der schlaksige Typ nickte und sagte tatsächlich: „Ganz genau so ist es, Joseph.“ Niemand nannte Bull Joseph wie er mit richtigem Namen hieß, die meisten wussten nicht mal, dass er so hieß. Der aber wunderte sich offenbar nicht mal, sondern lachte gellend. „Ahh, bist wohl n ganz Mutiger, he?“ „Jo.“ Bull hörte auf zu lachen und sah den Typen mit dem Strohhut genauer an. Die beiden waren fast gleich groß, also beide fast einen Meter neunzig, mit dem Unterschied, dass Bull etwa doppelt so breit wie der Neuankömmling war und weitaus beeindruckender aussah. Dann sagte der bullige Mann: „Mhm, merks schon, frech wohl auch noch.“, wieder gab es ein Nicken von dem anderen. „Also, noch mal, du willst also kämpfen, ja?“ Erneutes Nicken. „Wie heißt du überhaupt, Mann?“ „Johann Wolfgang von Goethe.“ Er grinste. Bull grinste nicht sondern versuchte den Typen am Kragen zu packen, was ihm allerdings nicht gelang, da der andere schnell zurückgewichen war. „Hör auf mich zu verarschen und sag mir wie du verdammt noch mal heißt. Ohne Name macht hier niemand mit, klar?“ Der Strohhutmann grinste noch breiter als er es ohnehin schon tat, entblößte blitzweiße Zähne und meinte dann: „Klar wie Tintenfischtinte. Aber gut, ich heiße... Mhh... Mal überlegen... Spaiderman.“ „Alter!“, brüllte Bull, „Wenn du mir keinen scheiß Namen nennst, wird es mir ein großes Vergnügen dich hier raus zu befördern, klar?“ Er trat einen Schritt auf Spaiderman zu und baute sich zu voller Größe auf. Tobi auf seinem Platz grinste bei dem Gedanken an das was gleich passieren würde und schloss im Geiste Wetten ab. Hundert Pfund auf Bull. Nun, wäre die Wette offiziell gewesen, Tobi wäre jetzt hundert Pfund ärmer. Der Strohhutmann hatte nämlich blitzschnell gehandelt, so schnell, dass Tobi einige Sekunden brauchte um zu kapieren, was eigentlich gerade passiert war. Bull wohl auch, denn er taumelte überrascht zurück, schlug die Hände vor das blutige Gesicht und hielt seine Nase, völlig ungläubig dreinblickend. Strohhutmann hatte nämlich plötzlich seine linke Hand ausgestreckt, die zwei verbliebenden Finger, Zeige- und Mittelfinger angewinkelt, in die Nasenlöcher von Bull gesteckt und blitzschnell umgedreht, was die Nase nicht nur gebrochen sondern auch ziemlich übel angerissen hatte. „Scheiße! Du dämlicher Wichser!“ brüllte Bull und löste seine Hände vom Gesicht und schlug nach dem schlaksigen Kerl. Ein böser Fehler wie er feststellte, als dieser sich unter dem Schlag wegduckte und mit der linken Hand erneut handelte. Er streckte die beiden Finger, legte den Daumen auf die Handfläche und stieß mit erschreckender Wucht in Bulls Schritt. Dieser brüllte vor Schmerzen, ging in die Knie und versuchte noch mal nach seinem agilen Gegner zu schlagen. Der hingegen wich wieder einmal aus, trat einen Schritt zurück und fand sich plötzlich eingekreist, denn die verbliebenen Leute in der Arene hatten sich fast alle um ihn und Bull gesammelt. Nur einige wenige, zum Beispiel Tobi, waren auf ihren Plätzen geblieben und beobachteten die weiteren Geschehnisse. Diese bestanden zum Beispiel darin, dass die Leute alle durcheinander riefen. Dinge wie „Was zur Hölle soll das?“ „Ey, hört auf.“ „Der blöde Wichser hat meine Eier zerquetscht“ und „Was für ein Arschloch ist das?“ waren zu hören und die Menge sammelte sich noch dichter und enger um Bull und den Fremden, offenbar um eben diesen am Entkommen zu hindern. Diesem wollte das gar nicht gefallen und er verschränkte die Arme vor der schmalen Brust, die Burgertüte immer noch in der rechten Hand, und sagte: „Also gut. Ich höre auf, kein Problem. Ich bin ja nicht auf Ärger aus.“ „Du dämliches Arschloch, ich mach dich platt!“ brüllte Bull und schoss in die Höhe. Er war offenbar nicht gewillt, auf das Friedensangebot einzugehen.“ Der Strohhutmann sagte etwas, dass Tobi nicht verstand und schüttelte langsam den Kopf ehe die Hölle losbrach. Tatsächlich sagt der Strohhutmann: „Ein ganz blöder Fehler.“ Dann hat Bull ihn erreicht und will ihn mit beiden Händen packen. Dies gelingt ihm aber nicht, denn wieder weicht der Hutträger aus und streckt dabei ein Bein von sich. Bull fällt fast hin, kann sich aber noch fangen und stolpert nur ein paar Schritte, in die Arme von einem der umstehenden Männer. Dieser hilft Bull sich zu fangen und stimmt dann in die Anfeuerungsrufe ein. Die Leute lecken Blut und wollen sehen, wie Bull seinen Gegner fertig macht. Immerhin ist es schon eine Weile her, dass sie den Arenaleiter mal kämpfen sahen. Er stürzt sich einmal mehr auf seinen Gegner der unterdessen die Burgertüte fallen gelassen hat und jetzt beide Hände frei hat. Bull beschleunigt und will seinen Gegner wohl einfach zu Boden rammen, allerdings, wen wundert es noch, weicht dieser einmal mehr aus und plötzlich segelt Bull durch die Luft, an den Händen gepackt und über die Schulter des schmalen Mannes geworfen. Er schlägt mit furchtbarer Wucht auf dem Boden auf und bleibt einen Moment liegen, dreht den Kopf hin und her und weiß nicht was passiert ist. Die Geräusche um ihn herum hört er nur gedämpft, allerdings kann er erkennen, dass die Leute wütend sind. Er erhebt sich und sein Blick und sein Gehör klären sich langsam wieder. Dann fällt er wieder, Schmerzen schießen durch seinen Rücken. Schmerzen wie ihn der harte Tritt verursacht den der Strohhutmann gerade ausgeführt hat. Bull schreit und fällt aufs Gesicht, die Schmerzen die er spürt sind groß und seine ohnehin ramponierte Nase sendet wahre Feuerwellen aus Schmerz durch seinen Körper und auch sein Rücken schmerzt. Auf einmal fühlt er sich gepackt und hochgezerrt, einer seiner Leute hat ihm aufgeholfen und stützt ihn. Bull befindet sich außerhalb des improvisierten Rings und weiß nicht wie ihm geschieht, er ist völlig benommen. Aber er hört laute Schreie und dann einen Schuss. Mehrere Schüsse sogar. Dann ist er tot. Nachdem Bull zu Boden gegangen war und dort liegen blieb, ehe er hochgezerrt und weggeführt wurde, hatte sich die Meute aus Arenakämpfern und Zuschauern dichter um den Strohhutmann geschlossen, der den Kampf mit einem gezielten Tritt beendet hatte. Sie sammelte sich immer dichter, einige von ihnen rieben sich die Knöchel, ein oder zwei Männer hatte sogar Messer gezogen. „An eurer Stelle, Leute, würde ich mich ganz schnell verpissen. Ehrlich, ich lasse euch gehen, euch muss nichts passieren.“ Das sagte der Strohhutmann, kackdreist und wie eh und je grinsend, er hatte während des ganzen kurzen Kampfes nicht aufgehört zu grinsen. Das Grinsen war sogar noch breiter geworden. Er bückte sich und hob seine Burgertüte wieder auf, während irgendjemand brüllte: „Fick dich, du beschissenes Arschloch, dafür bezahlst du!“ Der Mann der gebrüllt hatte löste sich aus der Menge und stürmte auf den Fremden zu. Das letzte was er in seinem Leben tun würde. Denn der Strohhutmann öffnete die Tüte und griff mit der linken Hand hinein und zog eine nicht gerade kleine Pistole daraus hervor, zielte und drückte ohne zu zögern ab. Die Brust des Angreifers spie einen Blutnebel aus als das Geschoss in sie eindrang und der Mann kippte von seinem Schwung getragen vornüber. Auf den ersten Schuss hin, erstarrte die Menge, dann schoss der Strohhutmann noch einmal, ein weiterer Mann fiel, von der Kugel in den Hals getroffen, von dem fortan nicht mehr viel übrig war. Dann ging entsetztes Schreien los, die Leute rannten durcheinander und in Richtung des einzigen Ausgangs. Doch keiner sollte entkommen. Mit der eiskalten Präzision eines erfahrenen Killers schoss der Strohhutmann ein ums andere Mal, traf jedes Mal einen Rücken, eine Brust, einen Hals oder einen Kopf und jedes Mal starb ein Mensch. Nach sechzehn schnellen Schüssen war auf einmal Schluss, aber nicht lange, denn das Nachladen einer Pistole nahm nicht wirklich viel Zeit in Anspruch, vor allem nicht wenn man ein Ersatzmagazin in einer Burgertüte aufbewahrte. Immerhin war diese kurze Zeitspanne des Nachladens aber ausreichend um einigen die Flucht zu ermöglichen und diejenigen die es nicht schafften zu entkommen würden es auch niemals mehr schaffen, denn auch sie starben. Zweiundzwanzig Menschen verloren im allgemeinen Chaos also ihr Leben und nur fünf konnten fliehen. Der Strohhutmann machte sich aber nicht die Mühe sie zu verfolgen, er hielt auf einen Mann zu, der am Boden lag, von einer Kugel ins Bein getroffen. Tatsächlich war er absichtlich ins Bein getroffen worden, denn noch sollte er nicht sterben. Der Mann war glatzköpfig und hatte einen Bierbauch, sein Name war Tobi. Er lag auf dem Rücken und starrte den näherkommenden Killer panisch an, seine rehbraunen Augen vor Schreck geweitet, und sie starrten genau in die zwei funkelnden Diamanten unter der Krempe des Strohhutes. Einer war grün, der andere blau mit einem leichten Stich ins graue und natürlich handelte es sich bei beiden nicht um Diamanten sondern um die lustig funkelnden Augen des Killers. Alles an ihm schien lustig, fast schon lächerlich. Das helle, mehrfarbige ärmellose Shirt, die kurzen Hosen die nur bis knapp unter den Knien gingen, die flappenden Sandalen, das breite Grinsen, der Ring den der Mann am linken Mittelfinger trug und sogar das sich spiegelnde Licht auf der Pistole. All das war lustig. Tobi wäre fast von einem lachen überkommen worden, wäre die ganze Situation nicht so schrecklich und hätte er nicht dummerweise eine Kugel im Bein stecken. Aber das seltsamste war, dass Tobi nicht mal wusste, warum er eigentlich so erheitert war, warum er lachen wollte... Die Schmerzen, der Schock, genau! Daran muss es liegen. Man sagt doch, man würde in einem Schockzustand seltsame Dinge fühlen, lachen wollen. Das kam von diesen körpereigenen Drogen. So war es, genau. Tobis Schulbildung war zwar miserabel, aber das hatte er irgendwann mal irgendwo gelesen oder im Fernsehen gesehen, er wusste es nicht genau. Der Killer stand jetzt neben ihm, sah zu ihm herab und ließ sich dann auf ein Knie herab. „Hallo Tobi,“ sagte er, „es hat ganz schön lange gedauert dich zu finden. Weißt du das?“ „Verdammte Scheiße, wer sind sie! Was sollen sie von mir?“ Tobis Stimme war ungewohnt hoch, fast quiekend. Er hatte panische Angst und schiss sich fast in die Hose. Der Strohhutmann schüttelte den Kopf, wedelte vorwurfsvoll mit seine Pistole, die dabei ganz nebenbei auf Tobis linkes Knie zielte und sagte: „Also wirklich. Na na na, solche bösen Wörter. So etwas möchte ich aber nicht noch mal von dir hören.“ Seine hohe Stimme hatte einen tadelnden Klang an sich, fast so wie eine Kindergärtnerin die gerade einen ihrer Schützlinge dabei erwischt hatte, wie er einem anderen Kind ein Spielzeug wegnehmen wollte. Tobi wollte weg von ihm. Natürlich, immerhin hatte dieser Kerl gerade über zwanzig Menschen getötet und hatte jetzt nichts besseres zu tun als blöde zu grinsen und dämlich daherzureden. Er versuchte nach hinten zu kriechen, allerdings wurde er ganz schnell daran gehindert, wenn auch nur indirekt, denn er stieß gegen einen noch warmen Körper. Als er sich umsah, starrte er direkt in Bulls Gesicht, jedenfalls in das, was noch davon übrig war, nachdem die Kugel die seinen Hinterkopf getroffen hatte, wieder ausgetreten war. „Also wirklich. Jetzt bleib doch hier, ich mag es nicht, wenn Leute vor mir weglaufen... Oder, naja... Weg kriechen, so wie du gerade. Warum stehst du eigentlich nicht auf?“ „Weil sie mir verdammt noch mal ins Bein geschossen haben, sie dämlicher Scheißkerl!“ „Ach ja richtig, hatte ich ganz vergessen.“ Der Killer lachte und sah dann von einem Moment auf den anderen nachdenklich drein und sogar sein Grinsen wurde ein bisschen kleiner und weniger strahlend. „Aber Moment mal, habe ich nicht gesagt, ich möchte so böse Wörter nicht noch mal hören?“ Er richtete seine Waffe erneut auf Tobis linkes Knie und drückte diesmal tatsächlich ab. Blut spritzte und Tobi schrie gepeinigt auf, als das Geschoss das Gelenk zertrümmerte und ihm den Unterschenkel fast abriss. „Sch... AHHHHHH!“ war zu vernehmen. Aber immerhin hatte er sich einen lautstarken Scheiße!-Schrei verkniffen. „Gott! Was soll das!“ „Muss ich mich wiederholen oder bist du dumm? Ich habe doch gesagt, dass ich so schmutzige Wörter von dir nicht hören möchte. Das sage ich jetzt übrigens zum dritten Mal, aber ich hoffe mal, du hast es jetzt verstanden. Schade, dass ich dir nicht damit drohen kann, dich zu erschießen, ich meine, immerhin bin ich ja hier um dich zu erschießen, aber das dürftest du ja wohl selber gemerkt haben, oder nicht?“ „Aber warum?“, fragte Tobi durch zusammengebissene Zähne. „Was hast du gesagt?“ „Aber warum!?“ jetzt schrie er, vor Wut und vor Schmerzen. Der Killer wackelte sich mit einem Finger im Ohr und sagte dann: „Kannst du das auch leiser sagen? Ich bin ja nicht taub. Also, was hast du gesagt?“ „Warum zur Hölle machen sie das? Wer sind sie überhaupt?“ „Ahhh, geht doch.“, der Killer klang zufrieden, „du kannst ja doch eine vernünftige Lautstärke annehmen, sogar mit zerschossenem Knie.“ Er lachte und fuhr dann fort: „Aber ich finde, dass hier entwickelt sich ja fast schon zu einem typischen Krimi, oder nein, eher zu einem kleinen Actionfilm...“ noch ein Lachen, dann: „Warum tun sie das? Weil ich der Böse bin, hahaha! Oh nein, bitte nicht! Oh doch. PENG!“ Das Grinsen wuchs wieder an, noch ein Lachen erklang. „Aber jetzt ernsthaft. Warum ich das tue? Ach... Nur so, aus Spaß. Und du willst wissen wer ich bin? Hmmm... Lass mal überlegen, vielleicht verrate ich es dir sogar noch.“ Tobi, fassungslos über diesen offenbar nicht ganz dichten Killer schwieg, biss die Zähne weiterhin tapfer zusammen, konnte aber ein paar Tränen nicht zurückhalten, die aus seinen Augenwinkeln flossen. Nicht unbedingt weil er weinte sondern einfach nur wegen den höllischen Schmerzen die so ein zerschossenes Knie nun mal bereitet. „Ach nein“, wieder sprach der Hutmann, „nicht weinen, kleiner Tobi. Das Aua Aua geht bestimmt bald wieder weg, soll Papa mal pusten?“ Er pustete natürlich nicht, schnappte aber blitzschnell nach Tobis Mittelfinger, den dieser ausgestreckt hatte und brach ihn ohne zu zögern mit einer raschen, seitlichen Bewegung. Der am Boden liegende, verletzte Mann schrie auf und wälzte sich zur Seite, begann zu heulen und rollte sich wieder auf den Rücken, als er feststellte, dass es seinem Knie nicht gut tat sich zu bewegen. Dann, auf einmal, erstarrte er, als er etwas hörte, von dem er glaubte, dass es sein Leben retten würde. Sirenen. Die Sirenen von Polizeiwagen. „Oh.“ machte der strohhuttragende Killer und richtete seine Pistole auf Tobis Kopf. „Schade, ich dachte, ich könnte mich noch ein bisschen mit dir unterhalten, aber ich schätze, ich sollte besser verschwinden, nicht wahr? Aber, ach ja, ehe ich es vergesse: Mein Name ist Nightingale. Jack Nightingale. Falls du die anderen,“ seine Hand deutete in Richtung der herumliegenden Leichen, „wo auch immer du jetzt hingehst wiedersiehst, dann kanst du ihnen ja ausrichten, dass es ihre Schuld war, dass sie dummerweise sterben mussten. Aber jetzt entschuldige mich, ich habe noch zu tun.“ Er drückte ab, die Kugel flog aus dem Lauf, drang in den glatten Schädel von Tobi ein und dessen Gehirn verabschiedete sich durch die Hintertür. Der Killer namens Jack erhob sich, ging herum und sammelte die herumliegenden Patronenhülsen ein, jede einzelne, pfiff dabei ein Lied und ging dann in Richtung Türe. Er ging durch ein paar verfallene Gänge und meinte einmal eine Bewegung wahrzunehmen, da aber nichts passierte ignorierte er sie einfach und ging weiter. Nach ein oder zwei weiteren Biegungen kam eine Treppe, diese ging er hoch und durchschritt eine weitere Tür. Damit hatte er das Gebäude verlassen in dem sich die illegale Kampfarena befand und er wandte sich in Richtung des Autos, das ihn hierher gebracht hatte. Das Auto war nicht unbesetzt, in ihm saß ein weiterer Mann, etwas älter, vielleicht Ende vierzig, seine Haare waren kurz geschnitten von hellbrauner Farbe mit einigen grauen Haaren dazwischen und sein dunklerer Schnurrbart war von beeindruckender Größe, ebenso wie sein Bauch übrigens. Der Fahrer kurbelte das Fenster runter und rief mit tiefer Stimme: „Jacob. Beeil dich, die Polizisten kommen schon und ich habe Hunger.“ Er hatte einen starken russischen Akzent und klang ziemlich ungeduldig. Jack beschleunigte seine Schritte, umrundete das Auto, einen dunkelblauen, großen und sehr teuren Mercedes der S-Klasse, öffnete die Beifahrertür und setzte sich auf den Beifahrersitz ehe er sagte: „Was denn, Onkelchen, schon wieder Hunger? Du hast doch grade erst einen Burger gegessen.“ „Ja. Einen.“ er hob demonstrativ die rechte Hand und streckte einen Finger aus. „Um satt zu werden brauche ich aber so viele.“, er streckte zwei weitere Finger aus. „Jaja, schon klar. Gut, lass uns fahren, dann können wir sicher noch mal bei Happyburger reinhüpfen. Ich liebe diesen Laden. Nette Bedienung, rund um die Uhr geöffnet und vor allem ist das Zeug genießbar.“ Jack schnallte sich an, entlud und sicherte seine Pistole und verstaute sie mitsamt Munition im Handschuhfach in dem sich offenbar noch mehr Munition befand. Daraufhin ließ der Russe den Jack eben 'Onkelchen' genannt hatte den Motor an, der sehr leise und schnurrend wie ein dicker Kater lief und kurz darauf setzte sich das teure Auto in Bewegung, in die Richtung, die der Richtung entgegen lag, aus der die Polizeisirenen erklangen. Und so entkamen die beiden auch völlig ohne Probleme. Natürlich lebten immer noch Zeugen, aber das würde kein Problem darstellen. Überhaupt keines. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)