Blood Painted von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 3: Headache-Tablets --------------------------- Ich wachte mit bohrenden Kopfschmerzen auf. Sie waren so schlimm, dass ich überlegte, einfach die Decke über meinen Kopf zu ziehen und weiter zu schlafen, doch dann erinnerte ich mich an all die Dinge, die ich heute tun musste und quälte mich aus dem Bett. Widerwillig nahm ich eine Aspirin, ehe ich mich unter die Dusche stellte, und als ich mir ein Brot schmierte, das ich auf dem Weg zur Hokage hinunter schlang, konnte ich sogar fast wieder etwas sehen. Ich bekam immer Kopfschmerzen, wenn ich zu wenig trank, schlief und zu viel arbeitete, aber das waren Faktoren, die in meinem Leben, wie es sich momentan gestaltete, einfach nicht auszumerzen waren, also musste ich wohl oder übel mit dieser Unpässlichkeit leben. Meistens ließ ich es mir auch nicht anmerken, aber wenn ich, so wie heute Morgen, derart schlimme Migräne hatte, dass ich am liebsten gekotzt hätte, rang ich mich dazu durch, ein Mittel dagegen zu nehmen – Das dann ein oder zwei Stunden half. Ich klopfte an der Bürotür der Hokage, wartete aber nicht auf eine Antwort und trat einfach so ein. „Hab die Berichte, Baa-chan.“ eröffnete ich Tsunade, der ich die Papiere auf den Tisch knallte. „Was fällt dir eigentlich ein, hier so hereinzuplatzen und dann auch noch so unverschämt zu reden?!“, brauste sie auf, obwohl sie das eigentlich ja schon gewöhnt sein müsste. Den Locher, den sie nach mir warf, pflückte ich aus der Luft wie nichts und warf ihn ihr lässig wieder zurück. „Tschuldigen Sie.“, gab ich zurück, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Sie funkelte mich noch einen Moment an, überflog dann aber den recht ordentlichen, ausführlichen Bericht und sah wieder zu mir auf, jetzt eher besorgt als wütend. „Keine Hinweise.“, stellte sie fest. „Nein. Aber Sakura hat den Verdacht, das ein Verbrecher, den er hinter Gitter gebracht hat, Mato Kishira oder so, etwas damit zu tun hat.“ „Masato Kiruga.“ korrigierte meine Vorgesetzte mich nachdenklich. Sie zog einen anderen Stapel Unterlagen aus ihrem Schrank und schlug ihn auf. „Ich habe bereits einige Leute geschickt, um ihn zu suchen. Aber ich nehme an, das ihr das selbst in die Hand nehmen wollt, nicht wahr?“ „Wäre nicht schlecht zur Klärung des Falls.“, bestätigte ich nickend. „Ich weiß nicht, ob Sie uns alle schicken wollen, aber wir könnten den Leuten sicher helfen, diesen Miro...“ „Masato...“ „Wie auch immer, wir könnten sicher helfen, ihn aufzutreiben.“ Tsunade legte den Kopf schief und musterte mich eine ganze Weile, als dächte sie intensiv über etwas nach, dann zog sie aber nur gelassen einige Formulare hervor und stellte uns unsere Mission aus. „Also gut, ihr könnt gehen – Heute noch, wenn ihr wollt. Nicht nur, dass uns das vielleicht im Bezug auf Misais Tod weiter bringt, es ist auch wichtig, Masato in Gewahrsam zu nehmen, da er sehr gefährlich ist, nach wie vor. Es wird allerdings besser sein, wenn ihr euch der bisherigen Truppe nicht anschließt und separat sucht, so wird ein größeres Gebiet abgedeckt. Solltet ihr ihn tatsächlich ausfindig machen, setzt ihn außer Gefecht und bringt ihn sicher hierher, die Befragung wird im Gefängnis durchgeführt, wo ihr verhältnismäßig sicher seid.“ Bei dem Gedanken ans Gefängnis wurde mir schlecht und die Kopfschmerzen kehrten so unvermittelt zurück, dass ich aufstöhnte und mir an den Kopf fasste. Besorgt lehnte meine Vorgesetzte sich vor. „Was ist los?“ „Nichts... Nur etwas Migräne...“, gab ich gepresst zur Antwort, drückte meine kühlen Finger gegen die pochenden Schläfen. Seufzend erhob Tsunade sich, kam zu mir, schob meine Hände beiseite und legte ihre eigenen stattdessen an meinen Kopf. Ich protestierte schwach, doch als ich die Kraft von ihrer Haut auf meine übergehen spürte und fühlte, wie sie den Schmerz verringerte, ließ ich es geschehen, schloss sogar erleichtert meine Augen, bis sie mich wieder losließ. „Danke.“, sagte ich erschöpft. Sie nickte nur und kniff die Augen etwas zusammen. „Du bist überarbeitet.“ „Nein, ich...“ „Du bist hypersensibel auf deine Umwelt, übermüdet und laut den Aussagen deiner Freunde neigst du zu Depressionen“, fuhr sie erbarmungslos fort, woraufhin ich, mir auf die Lippe beißend, den Kopf wegdrehte. Diese Kameradenschweine...! „Ich denke, noch eine Belastung mehr ist nicht gut für dich.“ „Tsunade...“ „Du wirst Sasuke für´s erste nicht mehr sehen.“ „Aber...“ „Das ist mein letztes Wort, Naruto“, betonte sie streng, doch ich stieß nur ein leises Knurren hervor. „Du kannst mir nicht verbieten, zu ihm zu gehen, es sei denn, du sperrst mich ein, und das wirst du nicht tun. Er braucht mich, Tsunade, und das weißt du auch.“ „Er braucht vor allem einen Psychiater“, schoss sie scharf zurück. Wir stierten uns eine ganze Weile durchdringend an, ehe ich das Gesicht abwandte. „Die nächsten Tage bin ich sowieso nicht da, danach... Werden wir sehen.“ „Du wirst nicht auf mich hören, nicht wahr?“ Sie wirkte betrübt, aber ich konnte nicht anders und nickte, was sie zum seufzen brachte – Obwohl sie meine Antwort wohl schon erahnt hatte. Dass sie trotzdem versucht hatte, mich von meiner Entscheidung abzubringen, zeugte davon, dass sie sich wirklich um mich sorgte, was ich ihr hoch anrechnete, doch es hielt mich nicht davon ab, bei meiner Meinung zu bleiben. „Also gut... Sein Gesundheitszustand hat sich etwas stabilisiert – Endlich.“ Endlich traf es gut, Sasuke lag nämlich bereits seit über einem Monat im Krankenhaus. Erst seit zwei Wochen durfte ich ihn besuchen, was ich fast jeden Tag getan hatte. Am Anfang hatte er sich geweigert, mit mir zu sprechen, doch das hatte mir nichts ausgemacht, ich hatte ihm alles Mögliche erzählt, angefangen bei den Kleinigkeiten wie den Aufs und Abs der Beziehungen zwischen den Shinobi, über mein Leben, bis hin zu dem Zeitpunkt, als ich es über mich brachte, ihm, aber auch mir selbst, Vorwürfe zu machen für das, was passiert war und ihm zu sagen, wie es mir damit gegangen war und wie ich jetzt mit allem umging, wie ich unsere Freundschaft sah, was ich erwartete und was ich bereit war, dafür zu tun. Irgendwann hatte er angefangen, mir einsilbige Antworten zu geben, nur, um mir zu sagen, ich solle still sein, doch mittlerweile ging er auf mich ein – Obwohl er selbst jetzt nicht halb so viel redete wie ich – Und sprach mit mir, fast wie früher. Nur die Zeit, die er nicht in Konoha verbracht hatte, darüber schwieg er eisig. Ich war aber glücklich genug, dass er sich mir überhaupt so weit öffnete, denn wenn ich den Krankenschwestern, die sich um ihn kümmerten, glauben konnte, unterhielt er sich sonst mit niemandem. Wahrscheinlich sah er keinen großen Sinn in dem Gewäsch der anderen, was ein noch viel größeres Lob als seine bloße Aufmerksamkeit war. „Ich denke, in ein oder zwei Wochen werde ich ihn aus dem Krankenhaus entlassen, unter der Bedingung, dass er einer permanenten Überwachung zustimmt, zu seinem eigenem Schutz, sowie zu dem Konohas. Du wirst diese Aufgabe übernehmen wollen, aber wenn ich mir deinen momentanen Gesundheitszustand ansehe, bin ich mir nicht sicher, ob ich dir diese Bürde auch noch aufladen kann.“ „Sasuke ist keine Bürde“, gab ich wütend zurück und funkelte sie an. „Und mir geht es gut.“ „Sicher, du hast nur Schlafprobleme, neigst zu Depressionen und arbeitest zu viel, sonst geht es dir prima.“ Der Spott in ihrer Stimme war beißend und ich zuckte unter der Wahrheit in ihren Worten zurück. Man konnte Tsunade vieles vorwerfen, aber sie hatte ihre Schäfchen immer im Blick. „Tsunade...“ Sie ließ mich gar nicht ausreden: „Schon gut, schon gut. Ich weiß, dass ich dich so oder so nicht davon abhalten kann zu versuchen, auf ihn aufzupassen.“ „Nicht nur versuchen“, brüstete ich mich, was sie zum schmunzeln brachte. „Wie du meinst... Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück mit ihm. Ich werde dich für diese Aufgabe einteilen, sobald du wieder hier bist – Sofern sein Zustand sich bis dahin gebessert hat, ansonsten werde ich ihn weiter im Krankenhaus behalten. Und bevor du jetzt protestierst: Du weißt, dass es zu seinem eigenen Besten ist. Wenn es so weit ist, wirst du dich um ihn kümmern. Das heißt, du wirst rund um die Uhr für ihn da sein, seinen Gesundheitszustand überwachen, ihn in Konoha herumführen, ihn mit Menschen zusammenbringen, wenn du denkst, er ist bereit dafür. Außerdem ist es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er genug isst und trinkt und sich danach nicht übergibt – Damit hat er nämlich nach wie vor Probleme.“ Wütend biss ich mir auf die Unterlippe. „Dieser Teme... Immer noch so schlimm?“ Sie nickte. „Er hat gestern wieder versucht, sich umzubringen.“ Ich erstarrte auf meinem Stuhl, dann sprang ich auf und wäre fast über den Tisch auf sie zugehechtet, um sie am Kragen zu packen; nur ihr warnender Blick hielt mich auf meiner Seite. „Wie das...?“ Es war nicht das erste Mal, das Sasuke seinem Leben ein Ende hatte setzten wollen, wie ihre Wortwahl bereits andeutete. Kurz nachdem er angekommen war hatte er einen Teller seines Abendessens, den die Krankenschwester, die für ihn zuständig war, dort stehen gelassen hatte, zerdeppert und sich mit den Scherben die Pulsadern aufgeschnitten; Seitdem bekam er seine Mahlzeiten nur noch auf Papptellern und –Bechern und unter Aufsicht. Danach hatte er Tabletten gesammelt und sie alle auf einmal geschluckt und nur dadurch, dass ich ihn zufällig gefunden hatte, (Das war mein erster Besuch bei ihm gewesen) als er schon im Delirium war, hatte man rechtzeitig seinen Magen auspumpen können. Er hatte versucht, aus dem Fenster zu springen, als sein Zimmer gelüftet wurde und sich mit seinem Bettuch fast erhängt, sich beim Baden beinahe ertränkt und das Essen verweigert, bis man ihn künstlich ernährt hatte, seine Kreativität hatte keine Grenzen gekannt – Bis ich angefangen hatte, ihn zu besuchen. In den letzten beiden Wochen hatte er keinen Selbstmordversuch mehr begangen und ich hatte gedacht, ich hätte ihn davon abgebracht, aber das war wohl ein zu arroganter Gedanke gewesen, den er mit seinem Dickschädel unbedingt widerlegen musste, obwohl er, wenn ich ihn fragte, wieso er versucht hatte, sich umzubringen, nur monoton behauptete, es täte ihm leid – Obwohl ich genau wusste, dass das nicht stimmte – Und erklärte, was ihn dazu bewegt hätte; Ein schlechter Traum etwa oder eine unfreundliche Schwester. Seine Stimmungen waren instabil, auch während ich bei ihm war, war es schon öfter vorgekommen, dass er mich ganz plötzlich weggeschickt hatte, obwohl wir uns Sekunden davor noch unterhalten hatten. Ich verstand ihn nicht, versuchte aber, mir das nicht anmerken zu lassen und Mitgefühl und Geduld aufzubringen. „Er hat Streit mit einem Shinobi angefangen, der ihm auf dem Gang begegnet ist und sich dann kaum gegen ihn gewehrt, immer nur so sehr, um den anderen weiter zu reizen. In seinem körperlichen Zustand kann er aber keine weiteren Verletzungen verkraften und das weiß er auch.“ Ich zog die Brauen hoch. Das klang nicht nach Sasuke, das war feige und wäre gegen seinen Stolz gegangen, der immer noch so stark war wie früher, obwohl er sich selbst aufgegeben hatte, wie es schien. „So?“ Tsunade, die die Skepsis in meiner Stimme hörte, machte eine unbestimmte Geste mit der Hand. „Ich verstehe es auch nicht; in letzter Zeit schien es ihm ganz gut zu gehen – Und plötzlich so etwas.“ „Hat er geredet?“, fragte ich, sie schüttelte den Kopf. „Mich sieht er noch nicht mal an, egal, was ich sage, und wenn ich fremde Psychiater schicke schweigt er die genauso beharrlich an...“ Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie etwas nicht aussprach, was mich ungeduldig schnauben ließ; wenn es etwas gab, womit ich Sasukes Zustand verbessern konnte, sollte sie damit rausrücken, ich würde alles tun, das müsste sie doch wissen. „Tsunade...“, knurrte ich eindringlich. „Lass mich überlegen“, verlangte sie mit abwehrend erhobener Hand und geschlossenen Augen. Vor Aufregung wäre ich am liebsten von einem Fuß auf den anderen gesprungen, doch sie ließ sich von meiner Hibbelei nicht beirren und überlegte geschlagene fünf Minuten, ehe sie mich wieder ansah. „Ich habe eine Idee.“ sagte sie dann schlicht. „Ach ne?“, gab ich sarkastisch zurück und wich dem Stift aus, den sie nach mir warf. Er fiel klappernd hinter mir auf den Boden. „Sei nicht so frech, sonst bleibst du hier und schreibst Berichte!“ fauchte sie, was ich nur mit einem Grinsen quittierte. „Ich werde dir ein Mini- Walky-Talky geben und dir dadurch Fragen an ihn übermitteln, die du ihm dann stellst und für dich Antworten auf seine Aussagen geben. Es ist mir zwar immer noch nicht recht, dass du ständig bei ihm bist, aber da du dich nicht davon abhalten lässt und der Einzige bist, mit dem er redet, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als das auszunutzen.“ „Ich... Soll ihn ausspionieren?“ „Du sollst ein Therapiegespräch mit ihm führen“, korrigierte sie mich lächelnd, woraufhin ich eine Braue hochzog. „Nein, Sie werden es durch meinen Mund führen.“ Tsunade zuckte mit den Schultern. „So könnte man es auch nennen, aber das ist Erbsenzählerei; was wichtig ist, ist das Ergebnis, das sagst du doch selbst immer. Und er muss mit jemandem sprechen.“ Ich schwieg eine Weile und sah auf meine Hände. In gewisser Weise war das, was sie von mir verlangte, Verrat, aber sie hatte recht, er musste seine Erlebnisse verarbeiten und konnte das alleine offensichtlich nicht. Da ich selbst nicht die Erfahrung und das nötige Feingefühl hatte, ihm zu helfen, war es wohl das Beste, es jemand anderen tun zu lassen – Aber dabei stellte er sich ja quer. Mir fiel keine andere Lösung für das Problem ein, sodass ich schließlich langsam nickte und sie ansah. „Also gut, ich werde es tun – Für ihn.“ Sie lächelte gerissen, als hätte sie meine Antwort schon vor mir gekannt. „Natürlich wirst du das – Heute noch, morgen werden du, Sai und Sakura euch nämlich auf den Weg machen, sofern die Suchtruppe Masato noch nicht gefunden hat bis dahin.“ Sie drückte den Knopf einer Gegensprechanlage, woraufhin sich die Stimme einer jungen Frau meldete. „Hokage-sama?“ „Wir brauchen zwei Walky-Talky“, sagte Tsunade knapp und löste die Verbindung, bevor die andere hatte antworten können. Keine fünf Minuten später klopfte es an der Tür und ein Junge, vielleicht fünfzehn Jahre, öffnete sie. Ich lächelte ihn an, doch er ging nur zu seiner Vorgesetzten, gab ihr, was sie gewünscht hatte und verschwand mit einer kleinen Verbeugung wieder. Ich seufzte. „Die werden auch immer braver.“ „Kann ja nicht jeder Jahrgang so unmöglich sein wie deiner“, konterte die Hokage. Ich zuckte grinsend die Schultern und nahm das Gerät, das sie mir hinhielt. „Nein... Schade, was?“ Ich steckte mir das Walky-Talky so unter das Stirnband, dass man es nicht sah und überprüfte mit der Älteren die Lautstärke, wobei sie mir einmal absichtlich ins Ohr brüllte, dann war alles vorbereitet und ich verließ das Hokage-Anwesen, um mich zum nahegelegenen Krankenhaus zu begeben. Die Krankenschwester, die am Empfang saß, lächelte mich an, als ich zu ihr trat und öffnete schon das entsprechende Dokument am Computer, mit dem sie meine Anwesenheit vermerkte. „Guten Morgen, Naruto-kun", begrüßte sie mich freundlich. „Ich nehme an, du willst zu Sasuke-kun?“ Ich nickte und erwiderte ihr Lächeln. „Sonst ist, glaube ich, kein hochgefährlicher Freund von mir im Krankenhaus.“ Sie lachte und gab mir einen Zettel zum unterschreiben, dann nickte sie den Gang runter. „Du weißt ja, wo du hin musst... Ach, Naruto-kun.“ Als ich noch mal stehen blieb und sie fragend ansah, spielte sie mit ihrem Rock, ehe sie zu mir aufsah. „Du bist mit dem Mordfall betraut, oder? Habt ihr schon jemanden unter Verdacht? Es... Es war ja wirklich eine schreckliche Tat.“ Unbehaglich biss ich mir auf die Lippe und musterte sie. Es war nicht gut, dass sie davon wusste, obwohl sie in dem Sinne keine richtige Zivilistin war, vielleicht hatte sie auch nur von einem bekannten Medic-Nin davon gehört, aber trotzdem sollte über diesen Fall strenges Stillschweigen bewahrt werden, solange wir noch nichts Genaueres wussten, um eine Panik zu verhindern. „Tsunade hat bereits einen Trupp nach dem Verdächtigen ausgeschickt; er befindet sich im Moment auf der Flucht“ sagte ich, mit Absicht so, als stünde schon fest, dass der Betreffende den Mord begangen hatte. Meine Worte schienen sie zu erleichtern, denn sie nickte wieder mit einem Lächeln. „Das ist gut... Es ist so schrecklich... Vorgestern war er noch hier...“ Ich horchte auf. „War er das?“ Sie nickte erneut. „Ja, er hat einen Bekannten besucht... Dabei hat er auch Sasuke-kun gesehen, wenn es dich interessiert.“ „Sicher doch. Haben... Haben sie sich geschlagen?“ „Was? Gott bewahre, nein! Misai war sehr ruhig und verständnisvoll. Er fand es zwar nicht gut, dass Tsunade ihn wieder ins Dorf gelassen hat, aber er hat Sasuke nichts getan. Du redest von der Prügelei, oder? Das war einer der älteren Jo-Nin, aber ich weiß nicht, wie er heißt.“ „Oh... Ich verstehe“, sagte ich und konnte nicht verhindern, enttäuscht zu klingen; natürlich wusste ich, dass diese Gedanken falsch waren, aber es gelüstete mich nach Rache an demjenigen, der ihm wehgetan hatte. „Vielleicht weiß Sasuke-kun es ja selbst, du kannst ihn fragen“, erklärte sie lächelnd, offenbar ahnte sie nichts von meinen bösen, verdorbenen Gedanken. Ich nickte und machte mich auf den Weg den Flur runter. An jedem Ende des Ganges im obersten Stockwerk, in dem die Verbrecher untergebracht waren, stand ein Mann Wache und ich nickte demjenigen, an dem ich vorbei kam, höflich zu, während er mich nach meiner Besucher-Erlaubnis fragte, obwohl er mich eigentlich schon kannte, und mich dann durchließ. Vor Zimmer zweihundertdreiundvierzig blieb ich stehen und hob die Hand, zögerte aber einen Moment, bevor ich den Schlüssel, den der Wachmann mir gegeben hatte, ins Schloss schob und ihn herumdrehte. Drinnen war es düster; die Vorhänge vor den vergitterten Fenstern waren zugezogen und das Licht aus. Die Luft roch schal, nach Krankheit und Verletzungen. Mir wurde schlecht und ich hatte Angst vor dem, was ich sehen würde, doch trotzdem knipste ich die Lampe an, bevor ich hinter mir wieder abschloss. „Sasuke?“, fragte ich ruhig, während ich langsam den kleinen Flur runter ging. Als ich um die Ecke kam, brauchte ich etwas, um mich zu überwinden, zu seinem Bett zu sehen, doch als ich es schließlich tat war der Anblick gar nicht so schlimm. Die Schwestern hatten anscheinend die schlimmsten Blessuren bereits verschlossen und er hatte nur noch ein paar blaue Flecken und Kratzer im Gesicht, außerdem war sein Handgelenk verbunden, aber auf eine Art, die mir zeigte, dass es höchstens geprellt war. Ich seufzte erleichtert auf; so einen Anblick wie den, den er abgegeben hatte, als er zurück gekommen war, hätte ich nicht noch ein Mal ertragen. Sein ganzer Körper war verletzt gewesen, sein Kopf bandagiert und Blut hatte ihm im Gesicht und an der Kleidung geklebt. Er hatte mehrere gebrochene Knochen gehabt, außerdem eine Gehirnerschütterung und innere Verletzungen – Von seinem mentalen Zustand brauche ich gar nicht reden, der hatte sich nur spärlich gebessert. Ich frage mich bis heute, wie er zurück gekommen war, aber insgeheim verdächtigte ich seine Mitreisenden, ihn hierher gebracht zu haben, weil er Ballast für sie war und sie vielleicht auch gewusst hatten, dass er ohne eine Behandlung, wie er sie nur hier bekommen konnte, sterben würde. „Das ist mein Zimmer, wen anderes erwartest du, hier zu treffen?“, antwortete seine raue Stimme in einem sarkastischen Tonfall, der mich das Gesicht verziehen ließ. „Hätte ja sein können, dass du in Behandlung bist, nach dem Mist, den du gestern abgezogen hast.“, gab ich ungnädig zurück, während ich zum Fenster ging, um die Vorhänge aufzuziehen. „Lass die zu, es ist sowieso schon so hell...“ „Bist du ein Höhlenmensch? Etwas Sonne wird dir gut tun.“ Ich zog den Stoff zurück und die warme Oktobersonne flutete den spärlich eingerichteten Raum. Tatsächlich fauchte Sasuke, als würde ihm das Licht Schmerzen bereiten, was mich zum Lachen brachte. „Jetzt weiß ich, was du bist: Ein Vampir!“ Er drehte sich vom Fenster weg und schwieg. Ich nutzte die Gelegenheit, um das Head-Set anzuschalten und mich zu ihm zu setzten. „Naruto, ich hoffe, du hörst mich.“ hörte ich Tsunades Stimme in meinem Ohr und wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen, konnte mich aber gerade noch zusammenreißen und Sasuke, der mir abgewandt dalag, bemerkte gar nichts. „Sprich ihn einfach auf das an, was passiert ist.“ „Hatte ich sowieso vor...“ murrte ich leise, woraufhin der Uchiha sich stirnrunzelnd umdrehte. „Hm?“ „A-Ach nichts!“, sagte ich schnell und fuhr mir durch die Haare. „Wegen der Sache gestern...“ „Ich will nicht darüber reden“, gab er kalt zurück und drehte sich wieder weg. „Ich aber.“ Kurz herrschte Schweigen, weil er sich weigerte, mir zu antworten, dann sprach ich weiter: „Wieso, Sasuke?“ Keine Reaktion. „Sasuke.“ Nichts. „Bitte.“ Die Antwort, die er gab, war so leise, dass ich sie zuerst nicht verstand und mich weiter vorlehnen musste, um ihn zu hören. „Ich hab´s verdient...“ Ich runzelte die Stirn. „Hä? Was hast du verdient?“ „Zu sterben", flüsterte er plötzlich, setzte sich auf und starrte mich aus seinen zerstörten, leeren, schwarzen Augen an, die mir jedes Mal einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließen. Es war, als sähe er durch mich hindurch, obwohl er sich mir so direkt zuwandte, ich spürte, dass er sich zwingen musste, mich in all seinem Leid wahrzunehmen. Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein. Nein, hast du nicht. Du hast Fehler gemacht, ja, aber...“ „Ich hab ihn umgebracht...“, stammelte er leise, er meinte wohl Itachi. „Und es hat Spaß gemacht, viel zu viel Spaß...“ Ich fühlte mich vollkommen überfordert, zum Glück half Tsunade mir aus und ich konnte ihre Worte einfach wiederholen: „Du bereust es jetzt, das ist schon genug, denn es zeigt, dass du dich geändert hast, Sasuke. Wenn du es nicht mehr tust, heißt das, du bist auf einem sehr guten Weg.“ Er sah auf, musterte mich und für den Bruchteil einer Sekunde flackerte etwas Rotes in seinen Augen auf, als hätte er die Sharingan aktiviert, aber das konnte nicht sein, soviel Chakra konnte er in seinem Zustand gar nicht konzentrieren. „Naruto...“ sagte er ganz leise, beugte sich zu mir und streckte die Hand nach mir aus. Zögernd kam ich der Aufforderung nach und lehnte mich ebenfalls zu ihm, bis unsere Gesichter kaum mehr dreißig Zentimeter voneinander entfernt waren. Sasuke kam noch näher, so nahe, dass unsere Lippen sich fast berührten und ich seinen Atem spüren konnte, was mir ziemlich seltsam vorkam, doch ich hielt still, auch, als ich seine Hand an meiner Wange fühlte, die zu meinem Hals und von dort zu meinen Haaren glitt. Er strich durch die Strähnen, zog leicht daran, wie um sich zu überzeugen, dass sie wirklich echt waren, dann glitten seine Finger weiter – Und fanden das Kabel des Head-Sets. Schlagartig zog ich mich zurück und fasste mir unwillkürlich an das Walki-Talki, aus dem Tsunades Stimme mich des Öfteren fragte, was passiert wäre. Ich ignorierte sie, konnte nur Sasuke anstarren, der wohl erahnt hatte, dass so eine geistreiche, durchdachte Antwort nicht von mir kommen konnte. Er sah mich kalt an, ich weiß nicht, wie ich seinen Blick beschreiben soll oder was er aussagte, vielleicht Enttäuschung, vielleicht bestätigte Erwartungen, aber ich wusste, dass er sich betrogen fühlen musste und vorerst nicht mit mir reden würde. „Geh“, verlangte er und verengte die Augen zu Schlitzen, als ich nicht sofort reagierte. „Verschwinde. Sofort.“ Langsam erhob ich mich, ohne den Blick von ihm zu lösen. Ich wollte ihm nur helfen, und das wusste er auch, da war ich mir sicher, aber er wollte keine Hilfe und betrachtete es deshalb als Verrat. Aber würde ich ihn nicht noch viel mehr Verraten, wenn ich es nicht tat? „Ich bin ab morgen auf einer Mission“, erklärte ich, schon auf dem Weg zur Tür. „Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme.“ Er antwortete nicht. „Bitte... Sei noch da, wenn ich zurück komme.“ Ich sprach leise, aber er musste es gehört haben, trotzdem reagierte er nicht und sah mich nicht mal mehr an, was mir mehr weh tat als jede Verwünschung, die er mir hätte hinterher brüllen konnte. Er benahm sich wie tot, weil er wusste, dass es mich schmerzte und ich hasste ihn für diese Berechnung und mich selbst für meine Berechenbarkeit, aber ich konnte nicht aus meiner Haut heraus, was ihn betraf. „Aaah, dann verreckt doch, du störrischer Idiot!“ fauchte ich, ehe ich die Zimmertür aufriss und mit Wucht hinter mir wieder zuschmiss und sie schnell absperrte. „Naruto...“, sagte Tsunade in das Walky-Talky, doch ich zerrte mir das Gerät aus dem Ohr und stolperte weiter. Weit kam ich allerdings nicht, dann war mir zu schwindelig, um mich zu bewegen. Die Kopfschmerzen waren zurück, noch schlimmer als heute Morgen und mir war schlecht. Ich hätte mich gerne übergeben, das hätte sicher geholfen, aber ich konnte nicht und so lehnte ich nur, kraftlos und zitternd, an der Wand, bis ich schnelle Schritte hörte und jemand meinen Namen rief. Ich hob den Kopf, konnte aber nichts erkennen, wegen der Migräne war mein Sichtfeld fast komplett weiß. Die Stimme erkannte ich trotzdem. „Hinata...“, sagte ich schwach und zwang mich zu einem Lächeln. Sie sollte mich nicht so sehen... „Naruto-kun!“ Sofort schob sie sich meinen Arm um die Schulter und stützte mich, um mich zu einer Bank zu führen, die am Ende des Ganges stand. „Warte hier, ich hole dir ein Glas Wasser oder...“ „Nicht!“, unterbrach ich sie, als sie gehen wollte, und zog sie auf meinen Schoß. „Bleib bei mir, Takara...“, bat ich sie leise und legte die Stirn an ihren Hals. Zuerst war ihr Körper angespannt, doch dann ergab meine Freundin sich in die Berührung und streichelte mir sanft durchs Haar, massierte mir die verkrampften Schultern und küsste ab und zu schüchtern meine heiße Stirn, bis der Anfall sich etwas gelegt hatte und ich sie ansehen konnte. „Danke“, sagte ich erschöpft, doch sie lächelte nur und schüttelte den Kopf. „Was machst du hier?“ „I-Ich... Ich bin als Wächterin hier eingeteilt und Shina..." - Das war die Empfangsschwester - "Sagte mir, dass du da bist, deshalb dachte ich...“ Sie verstummte errötend und ich gab ihr einen Kuss. „Du dachtest, du kommst mich besuchen? Du bist süß“, meinte ich, woraufhin Hinata noch viel röter wurde, doch da runzelte ich schon besorgt die Stirn. „Aber ich finde es nicht gut, wenn du hier arbeitest, die Leute sind gefährlich. Was, wenn dir etwas passiert?“ „Ich bin im Moment eben nicht für eine Mission eingeteilt“, erwiderte sie sanft, mit leicht hochgezogener Braue. „Und es könnte jedem, der hier Wache schiebt, etwas passieren.“ „Bei dir macht es mir aber eben am meisten aus“, erwiderte ich, ihr noch einen Kuss aufdrückend. Wir waren seit fast einem halben Jahr zusammen und ich war sehr glücklich mit ihr, obwohl mich ihr Liebesgeständnis doch sehr überrascht hatte. Danach waren wir ein paar Mal ausgegangen und hatten beschlossen, es miteinander zu versuchen – Und bisher hatte es wirklich gut geklappt, obwohl sie nach wie vor recht schüchtern war. Aber ich fand es süß, wenn sie wegen Kleinigkeiten rot wurde und genoss ihre ungeteilte Zuneigung. Warum ich Sasuke noch nichts von ihr erzählt hatte, konnte ich mir selbst nicht erklären, vielleicht, weil es mir komisch vor kam, ihm von meinem Glück vorzuschwärmen während er im Krankenhaus eingesperrt war und Suizidgedanken hatte. Das Mädchen senkte den Kopf, doch ich konnte sehen, dass sie lächelte, und das genügte mir als Reaktion. Ich erhob mich, stellte sie auf die Füße und strich ihr ein paar Strähnen hinters Ohr, wobei ich sie warm anlächelte. „Schon gut, ich weiß, dass du deinen Job gut machst. Aber pass auf dich auf, versprich mir das.“ Sie nickte brav, zögerte dann und gab mir einen schnellen Kuss. „Natürlich, Naruto-kun... I-Ich... Darf ich... Also...“ „Willst du bei mir übernachten?“, half ich nach, woraufhin sie hastig nickte. „Das würde mich freuen. Ich koche auch...“ „Musst du nicht, ich bringe etwas von zu Hause mit“, erwiderte sie schnell, was uns beide zum schmunzeln brachte, weil wir wussten, wieso sie das sagte; ich konnte absolut nicht kochen. „Auch gut. Wann kommst du vorbei?“ Wir verabredeten uns für den Nachmittag und ich leistete ihr eine Weile Gesellschaft, bevor ich sie alleine ließ, da sie ja immerhin bei der Arbeit war. Ich war froh, dass sie die Nacht bei mir verbringen würde, denn wenn sie da war, konnte ich besser schlafen. Als ich ihr noch einen letzten Kuss gab, war mir, als hörte ich ein leises Knurren und eine sich schließende Tür, doch als ich den Flur runter sah, war da nichts und ich ging, um mich mit Sakura und Sai zu treffen. Die beiden warteten bei Sakura zu Hause, wo es Mittagessen gab und wir besprachen, was sie über den Mord herausgefunden hatten; Nämlich nichts. Unsere einzige Hoffnung war unsere Mission morgen und die Aussicht darauf, den Täter zu schnappen und ihm ein Geständnis zu entlocken. Ich starrte auf den Tisch und dachte an Hinata und die Schwerverbrecher, die sie gerade bewachte und mir wurde schlecht, als mir in den Sinn kam, wie die Leiche ausgesehen hatte, die wir gestern gefunden hatten. So, wie der Tote entstellt gewesen war, war es leicht, sich noch ein paar lange, seidige blaue Haare an ihm vorzustellen... Plötzlich ohne Appetit schob ich meinen Teller beiseite, lächelte aber die anderen beiden an, als sie mich besorgt musterten. Wir würden ihn schon finden, diesen Verrückten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)