1989 - Der Dritte Weltkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Erinnerungen an die Schulzeit ---------------------------------------- Plön, 9:00 „Heute um etwa 8:40 Wurde der nationale Verteidigungsfall ausgerufen. Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich seit 8:40 Offiziell im Krieg mit dem Warschauer Pakt. Um 8:45 ist auch die gesamte NATO dem Krieg beigetreten. So viel zum Diplomatischen.“ Erklärte der Inspektionschef vor versammelter Mannschaft, während im Hintergrund bereits Lastwagen heranfuhren. „Die 2. Marineinfanteriedivision und die mit ihr einquartierten englischen Marineinfanterieeinheiten sollen nun unverzüglich nach Heiligenhafen ausrücken um einer Landungsoperation des Ostens entgegen zu wirken. Mit heftigem Widerstand ist zu rechnen, bis jetzt gibt es keine genauen Informationen über Feindstärke oder Ausrüstung. Wir werden nur durch ein Fallschirmjägerbattalion verstärkt, das sich mit und bei Harmsdorf treffen wird um uns von dort an mit leichten Flugabwehrwaffen zu unterstützen. So viel dazu, mehr kann ich ihnen im Moment leider nicht sagen, denn ich weiß genau so viel wie sie jetzt. Also, meine Herren, aufsitzen.“ Kamen die letzten Worte über seine Lippen bis seien Stimme vom Motorengeräusch der LKWs übertüncht wurde. Paul und seine Kameraden des 3. Zuges stiegen auf die Ladefläche eines LKW, zusammen mit einigen Briten. Als alles aufgesessen waren setzte sich der Konvoi in Bewegung über die Straßen Richtung Heiligenhafen. Während der Fahrt bekamen alle Männer Munition und sogar Granaten ausgehändigt, alles ein Zeichen dafür, das der Marschbefehl so überraschend kam, dass selbst auf Sicherheitsvorschriften und Dienstvorschriften keine Rücksicht mehr genommen wurde. Während die Lastwagen über die Landstraßen heizten sahen die Männer lange Flüchtlingsströme in die Richtung ziehen aus der sie kamen. Sie kamen langsam voran. Immer wieder musste der Konvoi Autos beiseite in die Straßengräben schieben, da die Flüchtlinge aus Heiligenhafen und Umgebung alle Straßen verstopften. Zeitgleich waren Pionierbattalione damit beschäftigt alle Schnellstraßen frei zu räumen und für den Zivilverkehr zu sperren. Pauls Magen verkrampfte sich. Flüchtlingsströme im Fernsehen zu sehen, wie sie aus irgend einem Kriegsgebiet weit weg flohen war schon beinahe eine alltägliche Sache geworden, doch Flüchtlinge aus dem eigenen Land zu sehen war etwas ganz anderes. Obgleich sie schnell fuhren konnte man immer lautes Geschrei und das laute Weinen von Kindern hören, hin und wieder die Sirene von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen. Bei Harmsdorf stieß eine Fahrzeugkolonne aus mehreren Jeeps zu ihnen, es waren die Fallschirmjäger. Ihr Vormarsch wurde nach ca. 90 Minuten Fahr jäh unterbrochen. Sie hatten gerade Oldenburg in Holstein erreicht als dicke Schwarze Rauchschwaden am Himmel zu sehen waren. Der Konvoi wurde von Polizisten aufgehalten, die verzweifelt damit beschäftigt waren die Zivilbevölkerung aus der Stadt zu evakuieren. Paul kletterte ans Ende der Ladefläche und sah einen Polizisten mit dem Konvoiführer sprechen. Der Polizist sah aufgelöst aus. Er trug keine Jacke mehr, sondern nur noch einen Schusssichre Weste über seinem Hemd und seine Pistole in den Händen. Seine Mütze war dreckig und saß schief auf seinem Kopf. Paul konnte nicht verstehen was gesprochen wurde, doch als das Gespräch beendet war und der Polizeibeamte wieder an seien Arbeit ging sah Paul nur den kreide bleichen Konvoiführer schnell Befehle an die Truppführer zu brüllen. „Absitzen, Absitzen los jetzt!!!“ schrieen kurz darauf die Truppführer und jagten ihre Trupps von den Ladeflächen der LKWs. Wie sie es gelernt hatte gingen sie sofort alle in den Straßengräben verteilt in Deckung. Pauls Zugführer holte sie alle zu sich und gab ihnen eine kurze Lageeinweisung. Die NVA war bereits näher als erwartet. Sie hatten bereits die Stadtgrenze mit Infanterie und leichten Panzerfahrzeugen erreicht. Als es zu Schusswechseln mit der örtlichen Polizei kam geriet der Vormarsch kurz ins Stocken. Nun bestand ihre Aufgabe darin die Flucht die Zivilbevölkerung zu decken, sich in der Stadt zu verschanzen und die Stellung zu halten bis Verstärkung anrücken würde. Ein simpler Plan mit extremen Tücken. Pauls Zug bekam auf einer taktischen Karte einen bestimmten Bereich zugeteilt den sie zu sichern und halten hatten. Nach einer kurzen Besprechung ging es dann los. Der Zug aus Infanteristen setzte sich vorsichtig in Bewegung und sickerte in die Stadt ein. Aus der Ferne waren Schüsse und das krachen von Granaten zu hören. Offensichtlich leistete sich die Polizei an einigen Stellen immer noch Feuergefechte mit der NVA. Sie kamen den gegnerischen Kräften immer näher und es dauerte nicht lang bis sie auf brennende Autos und die Leichen von Polizisten trafen. Die Aufgabe von Pauls Zug war es, das Gymnasium Freiherr vom Stein und den dazugehörigen Fußballplatz zu sichern und ihn als Landestelle für Hubschrauber zu markieren. Die Aufgabe der britischen Züge bestand hauptsächlich darin bis zur nahegelegenen Autobahn vor zu dringen und diese für gegnerische Kräfte zu blockieren. Das Gymnasium lag in der Nähe eines Parks mit einem kleinen See. Als sie das Schulgebäude erreicht hatten, gerieten sie zum ersten mal unter Feindfeuer, denn die NVA musste wohl den selben Plan gehabt haben. Aus dem oberen Stockwerk des Gymnasiums wurden sie von einem Mg unter Feuer genommen. Im Sprung hetzten die Männer zu nächst besten Deckung, einer Hausecke. Zwei Männer wurden getroffen, brachen zusammen und jeder wusste, dass sie nie wieder aufstehen würden. Die Situation war klar, Sperrfeuer auf das Maschinengewehr legen und die Stellung dann flankieren. Die Aufgaben waren bereits verteilt worden und so brauchte es nur Sekunden um sich neu zu ordnen. Während das MG-Nest mit Sperrfeuer belegt wurde hetzten fünf Männer zum Seiten Eingang des Schulgebäudes, drangen ein und bahnten sich ihren Weg nach drinnen. Plötzlich waren Schüsse aus dem inneren des Gebäudes zu hören, der Maschinengewehrschütze verschwand vom Fenster und es krachten wieder einige Schüsse durch das Gebäude, danach nur Stille. Die anderen Männer sahen sich fragen an, als plötzlich die fünf Soldaten die losgeschickt worden waren am Fenster erschienen von dem aus sie der Schütze der NVA unter Feuer genommen hatte. Das Schulgebäude gehörte ihnen, aber sie hatten einen hohen Preis dafür bezahlen müssen. Als sie die Leichen der NVA Soldaten sorgsam neben die ihrer Kameraden gelegt hatte richteten sich die Männer im Gymnasium ein und bezogen Stellung. Paul musste dabei unweigerlich an seine eigene Zeit auf dem Gymnasium denken, wie er das Abitur gemacht hatte und auf dem Gymnasium seine erste große Liebe kennen gelernt hatte. Er fragte sich ob so etwas je wieder in diesem Schulgebäude geschehen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)