Outnumbered von -Lelias- (Zombiecalypse) ================================================================================ Kapitel 5: Tinte lügt niemals ----------------------------- „Oh nein, das darf doch nicht wahr sein.“ Cat und Aaron waren am frühen Morgen von ihrem Lager aus aufgebrochen und hatten gerade einen fast vierstündigen Fußmarsch durch Amerikas „Wildnis“ hinter sich. Aaron hatte fast durchgängig geflucht, nach jedem Stein – und das waren wirklich viele – getreten, der sich ihm in den Weg stellte und dabei auf die Erfinder des Benzinmotors geschimpft. Cat hatte versucht das ganze mit Humor zu nehmen. Sie lebten noch und der Streit vom Vorabend war auch vorerst vergessen, wozu also aufregen? Mit der geplanten Ruhe hatte es sich aber auch ziemlich schnell, als sie das Ortsschild nach Clayton passierten. Eigentlich war ihnen ja klar, was sie erwartete, schließlich standen schon Kilometer vor der Stadt teils ausgebrannte Autowracks herum, aber der Anblick der einst bewohnten Stadt verdarb ihnen noch zusätzlich die Laune. „Ich fass es nicht.“, stöhnte Aaron und setzte sich resigniert auf den Asphalt. Clayton wirkte komplett ausgestorben, keine Menschen waren zu hören, kein Verkehr und nicht einmal Untote torkelten durch die Straßen und wurden von den Neuankömmlingen angezogen. Die Stadt war im wahrsten Sinne eine Geisterstadt. „Naja, immerhin eine hübsche Stadt.“, versuchte es Cat schwach und musterte die grüne Allee, in der sie sich befanden. Ein verrostetes Straßenschild verkündete „Wydown Boulevard“. Cat konnte sich vorstellen, das die Stadt einmal wirklich schön gewesen war, mit Schulen, Kiosks und Leuten die ihre Hunde spazieren führten. Nun hatte der Krieg wohl auch diese Stadt geopfert und Cat seufzte resigniert. „Komm. Wir suchen uns erstmal ein Auto. Sei vorsichtig, falls sich nicht doch ein paar Untote hierhin verirrt haben.“ „Ja schon klar.“, brummte Aaron und strich sich ein paar Haare aus dem Gesicht. Ihm war warm und er war müde, Aaron hoffte, dass er Cat nachher zu einer Pause überreden konnte. So gingen sie schweigend durch die leeren Straßen, Cat hatte seine Waffe zur Hand und Aaron schüttelte darüber nur den Kopf. „Und wenn es hier noch lebende gibt? Schießt du einfach auf alles was sich bewegt?“ „Wenn es sich feindlich in meine Richtung bewegt, kann ich für nichts garantieren.“ Der Blonde verdrehte die Augen und blieb abrupt stehen. „Schau mal! Dort ist das Einkaufszentrum. Wollen wir uns dort umsehen?“, er deutete dabei auf ein richtungsweisendes Schild. „Von mir aus. Wir sollten etwas essen und vielleicht steht ja dort noch ein funktionierendes Auto herum.“ Sie durchquerten eine kleine Parkanlage und Cat sah sich verwundert um. „Weißt du, was mich wirklich irritiert?“ „Was denn?“ „Hier ist weit und breit kein Lebewesen, keine Menschen, keine Tiere, nichts.“ „Ja und?“ „Guck dir mal die Parkanlage an. Es gibt kein Zeichen dafür, dass die Natur ihr Territorium zurückerobert und bis auf ein bisschen zu hohes Gras ist alles in einem Top Zustand.“ Er hatte recht. Auf den Wegen lag kein Müll, die Hecken wirkten, wie gerade erst geschnitten und sonst wuchs keine Pflanze anders als sie sollte. „Das ist fast gruseliger als die Vorstellung, dass hier eine Armee Zombies herumlaufen könnte.“, frotzelte Aaron und ging weiter. Wenn Cat’s größtes Problem ein ordentlicher Park war, dann musste er da schon selbst mit zurechtkommen. Stirnrunzelnd blickte sich der Ältere noch einmal misstrauisch um und lief dann Aaron hinterher um diesen einzuholen. „Essen!“, rief Aaron verzückt und verschwand schneller in einem Laden, als Cat etwas dazu sagen konnte. Sollte er hinterher? Oder sollte er sich zur Abwechslung mal darauf verlassen, dass sich Aaron nicht bei der nächsten Gelegenheit töten lassen würde? Vielleicht war er auch nur über die Jahre hinweg Paranoid geworden und fing an seinen Verstand zu verlieren? Cat hielt dies für viel zu wahrscheinlich und so schlenderte er für sich durch die kleine Einkaufspassage. Auch hier, alles tadellos sauber. Hör auf damit, ermahnte sich Cat selbst und versuchte das zu sehen, was Aaron sah. Einen Haufen Möglichkeiten für Spaß und Ablenkung. Juhu. Was gab es hier denn? Klamottenläden, deren Türen so offen standen, als ob ihre Besitzer gleich wiederkommen würden. Ein chinesischer Schnellimbiss, zwei Fastfood-Restaurants, aus denen es verdächtig schimmlig roch und ein Fischimbiss, dem er lieber gar nicht näher kam. „Woah was stinkt hier denn so?“, jammerte Aaron, als er Cat eingeholt hatte. Die Taschen seiner Jacke waren gefüllt mit Süßigkeiten und er strahlte wie ein Kind zu Weihnachten. „Der Fisch scheint nicht mehr gut zu sein.“, witzelte Cat und lehnte einen Schokoriegel ab, den ihm Aaron anbot. „Schau! Klamotten! Raus aus den miefigen, kaputten Sachen und rein in sauber und neu! Wie klingt das für dich?“ Cat wollte lieber nicht aussprechen wie das für ihn klang, aber er tat Aaron den Gefallen und trottete dem Teenager in einen der Läden hinterher. Es gab Momente, da fühlte er sich unglaublich alt. „Wie findest du das?“, Aaron präsentierte sich in enger, hellblauen Jeans und weitem, löchrigem Oberteil vor dem Älteren, der entnervt auf dem Boden hockte und einen Kleiderbügel zerstörte. „zu unpraktisch, zu auffällig und sagtest du nicht, du willst heile Klamotten?“ Aaron zog beleidigt wieder ab und das ganze Spiel widerholte sich ein paar Mal, bis Aaron sich mit zwei identischen, schwarzen Hosen zufriedengab, die jeweils viele Taschen und somit Stauraum hatten und deckte sich mit einigen Shirts ein, zu denen es ihm egal war, was Cat dazu sagte. Sollte der doch rumlaufen wie er wollte. Aaron beobachtete seinen Partner dabei, wie er wahllos bequeme und praktische Kleidung für sich selbst zusammensuchte und sich auf dem Weg zur Kabine machte. War das sein ernst? Cat war keine zwei Minuten hinter einem Vorhang verschwunden, da riss der Blonde diesen wieder auf und lachte. „Wozu denn die Kabine? Niemand außer uns kann uns hier sehen.“ Cat starrte ihn an, öffnete und schloss den Mund ein paar Mal, ehe er unter einem knurrenden Fluch den Vorhang wieder zuzog und dabei „Recht auf Privatsphäre“ murmelte. Täuschte sich Aaron, oder war er rot geworden. Aber nun, ob Scham oder nicht, es hatte nicht verhindern können, das Aaron die Narben wahrnahm, die seinen Oberkörper übersäten. Tiefe Narben, die nie wieder verschwinden würden. Das dämpfte Aarons Euphorie über die Shoppingmöglichkeiten gewaltig und er stand still herum und wartete bis Cat fertig war. „Hast du was gefunden?“ „Ja, ein bisschen Neues kann ja nicht schaden, oder?“ „Sehe ich genauso.“, der Junge lächelte ihn an und küsste Cat kurz auf die Lippen. „Komm, wir suchen nach einem Wagen, damit wir weiterkönnen.“ Verdutzt nickte Cat und gemeinsam schlenderten sie über den Platz, dorthin wo sie einen Parkplatz vermuteten. „Sie mal dort.“, Aaron hatte die Stadtbibliothek erspäht und blieb abrupt stehen. „Was sollen wir hier?“ „Naja, ich dachte, vielleicht kann uns die Bibliothek Aufschluss darüber geben, was hier in diesem Umkreis passiert ist.“ „Aber wenn hier tatsächlich Solanum ausgebrochen ist, dann wird sich keiner mehr die Mühe gemacht haben die Daten zu aktualisieren.“ „Vielleicht nicht für diese Stadt, aber wenn hier noch alte Zeitungen einlagern, erfahren wir vielleicht etwas über die noch kommenden Städte.“ „Das klingt nach einer guten Idee. Dann komm.“ Aaron betrat nach Cat das große Gebäude und fühlte sich plötzlich beobachtet. Wie schon zuvor in St. Louis hätte er schwören können, einen Schatten vorbeiflitzen zu sehen, aber nachdem nach mehrmaligem Umsehen nichts zu entdecken war, tat er es erneut als Hirngespinst ab. „Kommst du? Ich habe das Zeitungsarchiv entdeckt.“ Vergessen war die vermeintliche Illusion und Aaron folgte seinem Partner in die Archive. „Schade das wir keinen Strom haben, hier ist wirklich wenig Licht.“, beschwerte sich Aaron und Cat zuckte nur mit der Schulter. Was sollte er dazu sagen? Mit seinen infizierten Augen hätte er auch nachts alles tadellos erkennen können. „Hast du schon irgendwas Brauchbares gefunden?“ „Wie denn? Du?“ „Nein, naja schon, aber nichts wirklich Hilfreiches. Ich hoffe herauszufinden, wann die Stadt zum ersten Mal mit Solanum in Berührung gekommen ist.“ „Und da bist du nicht fündig geworden? In letzter Zeit stand es viel in den Medien.“ „Mag sein, nur habe ich hier Zeitungen von vor zwölf Jahren und überall wird vereinzelt gemeldet das seltsame Lebewesen gefunden worden.“ „Inwiefern?“ „Ich bin mir sicher, dass sie Untote meinen, aber es wundert mich, dass das Solanum schon so früh hier im Süden bekannt war, während es im Osten erst vor gut acht Jahren das erste mal erwähnt wurde. Guck nicht so, ich habe mich in meiner Freizeit viel mit dem Virus beschäftigt.“ Aaron brummte etwas vor sich hin und trollte sich in einen anderen Bereich der Bibliothek, überließ die Nachforschung lieber dem Recherchierfreak. Cat war dies nur Recht und er blätterte sich weiter durch die Lokalen Nachrichten, bis er auf einen Beitrag über Michigan im Oktober aufmerksam wurde. Der Artikel war mehr als vierzehn Jahre alt und in dem ganzen Jahr konnte Cat nichts von merkwürdigen Erscheinungen entdecken. Nur der Beitrag über Michigan fing seine Aufmerksamkeit und er blätterte zu dem Teil, der den ganzen Artikel beinhaltete. „Detroit, Michigan – Debatte über Lebensmittelpakete und Rettungsmaßnahmen für Drogenopfer.“ Cat erinnerte sich, dass Aaron etwas über diese im Zusammenhang mit seinen Eltern erzählt hatte und er las den Artikel genau durch. Offensichtlich rätselte die Politik über die plötzlichen Toten, die überall am Lake Erie angeschwemmt wurden. Jeder der Untersuchten wies einen erhöhten Wert einer unbekannten Substanz auf, die vorerst als Rauschgift identifiziert wurde. Ob die Opfer an der Substanz an sich oder an ihren Folgen gestorben waren, war zu dem Zeitpunkt noch ungeklärt, ebenso woher die Opfer genau stammten. Ein paar der Opfer konnten Buffalo zugewiesen werden, andere North Madison, Port Clinton. Sie kamen wirklich von überall her, aber Cat konnte sich nicht vorstellen, dass sie von dieser Distanz aus alle nach Detroit geschwemmt wurden. Weder als Leiche, noch als Lebender. Aber woran erinnerte ihn dies? Was war damals um den Lake Erie passiert? Er suchte weiter, gezielter und nachdem er völlig die Zeit vergessen hatte und nach Aaron schauen wollte, fiel ihm im Augenwinkel ein Beitrag auf. Werbung, eigentlich völlig unwichtig, doch die Annonce weckte in ihm Erinnerungen. „FLASH! Der neue Energiedrink! Schnapp ihn dir als kostenlose Probe unter www.Slash-energy.com oder auf unseren Touren auch in Deiner Stadt!“ Keine neue Erfindung, aber Cat erinnerte sich, dass er damals im Nordosten unterwegs gewesen war, als ihm so eine Anzeigetafel ins Auge fiel. Erst hatte er sich darüber lustig gemacht, doch die Neugierde in ihm war geweckt. Eine der Städte stand sowieso auf seinem Plan. Aber durch eine Verkettung diverser Umstände schaffte er es nicht rechtzeitig und kurz darauf erfuhr er, dass die ganze Aktion abgeblasen werden musste, da die Betreiber der Aktion in Verdacht standen, illegale Substanzen dem Energydrink beizumischen. Daher also vermutlich die Toten? Nur eine Vermutung natürlich, andere wären sicher auch auf diese Idee gekommen. Doch seltsame Energydrinks an sich verursachten keine Solanuminfektionen, das war ihm klar, doch als er sich selber als Forschungsobjekt bereitstellen musste, hatte er von einem der Ärzte erfahren, das dass erste Solanumvirus durch eine Chemische Reaktion hervorgerufen wurde. Er blätterte zurück zu der Debatte mit der Versorgung. Die Regierung hatte damals alles daran gesetzt, die Zahl der Opfer möglichst klein zu halten und die, die noch mehr oder weniger lebend angespült wurden bekamen so genannte Rettungspakete. Unter anderem mit speziellen Vitaminen, die extra für den Ausgleich der Opfer hergestellt wurden, künstliche, synthetische Vitamine sozusagen. Je mehr Cat darüber nachdachte, desto schlimmer wurde der Schmerz in seinem Kopf. Was fehlte ihm in der Erinnerung? Plötzlicher Tumult in der Eingangshalle und ein erschrockener, heiserer Schrei Aarons, ließen Cat alarmiert auffahren. Da unten war nicht nur Aaron, er konnte fremde Stimmen hören, die auf Aaron einredeten. Schnell sprang der Ältere auf und lief zur Brüstung, um die Situation besser ins Auge fassen zu können. Unten stand Aaron an die Wand gedrängt, vor ihm ein kleines Pulk von Menschen, es waren maximal Zehn, die alle ziemlich wütend wirkten. Cat zögerte. Untote? Nein. Infizierte? Vielleicht… Trotz allem was ihm durch den Kopf jagte, lief er die Treppe nach unten und rief: „Was ist hier los? Aaron?“ Aaron schien unfassbar erleichtert Cat zu sehen und er deutete mit einer vorsichtigen Geste auf die Menschen vor ihm. „Vorsicht Cat, die sind bewaffnet.“, doch der hatte seine eigene Waffe längst gezogen. Die zwei letzten Menschen, zwei Mädchen, wichen vor ihm zurück und tauschten nervöse Blicke aus. „Was seit ihr? Plünderer?“, fragte Cat an die Menschen gewandt und näherte sich langsam. „Bleib zurück!“, rief ein Mann, der etwa zwei Köpfe größer war als Cat und stellte sich ihm in den Weg. Cat war nur froh, dass es hier drinnen mittlerweile so dunkel war, das niemand seine Augen richtig erkennen konnte. Die offensichtliche Infektion hätte wohl jedes Gespräch direkt im Keim erstickt. Aber wie Aaron sagte, sie konnten alle froh sein, dass Cat nicht direkt auf alles was sich bewegte schoss, andererseits hätte dann wohl auch Aaron dran glauben müssen. „Wir sind die Einwohner von Clayton, zumindest die die noch übrig sind und wir wissen uns gegen Räuber wie euch zu wehren!“, der Mann hob kurz seine Waffe. Cat seufzte und ignorierte den letzten Teil des Satzes. „Ich bin Cat und das da hinten ist mein Partner Aaron. Wir sind Jäger.“ Der Mann, der gesprochen hatte, senkte seine Pistole und sah ihn, nicht ansatzweise überrascht, an. „Ich weiß, ihr seid die, die St. Louis zerstört haben, richtig?“ Cat lächelte etwas schief. „Naja, wir hatten keine Wahl…“ „So? Dann kommt mal mit.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)