Von Engeln und anderen Dämonen von RyuSadavia ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Wüst sah es in dem Zimmer aus. Um nicht zu sagen chaotisch. Auf der riesigen, einst so prachtvollen Tafel häuften sich Teller, Tassen und Unrat. Auf dem Boden lagen weiße Tücher und Stofffetzen verstreut, von denen man größtenteils nicht mehr behaupten konnte, dass sie einmal Kleidungsstücke oder Ähnliches gewesen sein mochten. Mitten in diesem Chaos stand ein riesiger Sessel, eine Art Thron, auf dem mit angezogenen Füßen ein Mann saß, dessen Alter man schlecht schätzen konnte. Er wirkte wie Anfang dreißig, seine Augen verrieten jedoch, dass er viel älter war. In ihnen lag eine Weisheit und ein Wissen, das er sich über Jahrhunderte hinweg angehäuft haben musste. Im Moment sah dieser Mann jedoch alles andere als weise oder gar edel aus. Er hatte soeben gespeist, die halbe Mahlzeit stand noch auf dem Tisch und nun versuchte er sich umständlich, einen Essensrest zwischen den Zähnen heraus zu pulen. Dafür benutze er allerdings weder Zahnstocher oder vielleicht seine Finger, sondern ein Schwert von gut einem vollen Meter Länge. Es war allerdings nicht irgendein Schwert, das allein verriet die rot geschmiedete Klinge und der über und über mit kostbaren Edelsteinen besetzte Schaft - es war das heilige Feuerschwert des Erzengels Michael. Mit dem kleinen Unterschied, dass derjenige, der die Klinge gerade zur Mundhygiene benutzte nicht wirklich der wunderbare Feuerengel war. "Hat dich der Alte geschickt?" fragte der Mann anteilnahmslos, ohne denjenigen auch nur anzusehen, der gerade eben durch das himmlische Portal in seine Gemächer getreten war und jetzt stocksteif vor ihm stand. Der junge Mann rang nach Luft. Er spürte noch den abwertenden Blick auf seinem Körper ruhen. Nervös fummelte er an seinen langen, roten Haaren, schnappte sich eine Strähne und machte Knoten hinein. Seine blau- grünen Augen weiteten sich, als er den letzten Satz noch einmal Revu passieren ließ. Was hatte dieser Typ gerade gesagt?! Der Alte?! Seine Verwirrung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. "Ja, werter Herr. Unser Gebieter hat mich geschickt. Er sagte, ich sollte „zu dem nichtsnutzigen Kerl, gleich dahinten neben der Unendlichkeit rechts“ und ihm eine Nachricht überbringen.“ Stolz strahlte er über beide Ohren, da er sich alles gemerkt hatte – bis jetzt jedenfalls. Bei den Worten "nichtsnutziger Kerl" zuckte die Augenbraue des Mannes auf dem Thronimprovisorium kaum merklich nach oben. Hatte ihm der Alte doch glatt wieder einen dieser Rotzlöffel... dieser übereifrigen, dieser MOTIVIERTEN Erzengeladepten geschickt... Wortlos schmiss er bei diesem Gedanken säuerlich die Beine auf den Tisch, die prompt eine Lammkeule in die Richtung seines scheinbar ungebetenen Gastes schleuderte. Nicht, dass sie den Jungen hätte treffen können, noch nicht einmal der dicke Fettfleck auf dem kostbaren Teppich kümmerte ihn. "Un wasch will der Alte dieschesch Mal fon mir?" murrte er. Er hörte sich mit dem Schwert, das immer noch zwischen seinen Zähnen hing, etwas seltsam an. Langsam kamen verschiedene Informationen in Hirn des Jüngeren an. Er hatte etwas vergessen. Für einen kurzen Moment erstarrte der ca. 1.72 große Körper des etwa 20 Jahre alten Mannes. Es war wichtig gewesen! Hektisch schaute er auf seine Handfläche, doch seine Notizen waren verwischt. Die Aufregung hatte ihm, neben einem Blackout auch noch feuchte Hände beschert. Er dürfte sich keinen Fehler erlauben. Ich bin doch nur auf Probe! schoss es ihm durch den Kopf. Deinen Namen, du hast deinen Namen vergessen! "Ich heiße…" Seine Blicke wanderten an seinem Gegenüber herunter durch das unordentliche Zimmer. "Schweinestall…" sagte er verwirrt, dachte aber Aaron. Er bemerkte noch nicht mal seinen Fehler und redete direkt munter weiter. "Ich soll dir sagen, dass wir was erledigen sollen." Ein kurzer Moment des Schweigens folgte. Was ist das für ein Schwert? Irgendwo habe ich das schon mal gesehen. dachte er sich verträumt und seine Gedanken schweiften ab. Wieder zog sich die Augenbraue des älteren Mannes nach oben, dieses Mal jedoch blickte er auf und betrachtete sich den Jungen näher. Irgendwie fand er sein schlankes Gegenüber merkwürdig. Warum um alles in der Welt war er so nervös? Ach ja - er hatte ja vergessen, dass ein blutjunger Anfänger vor ihm stand. Nun gut - dann sollte er ihn empfangen, wie es sich gehört. Sich unnötig räuspernd stand er auf und nahm das Schwert nun endlich aus seinem Mund, richtete es dabei mit der Spitze auf Aaron. Sein linkes Auge schloss sich, als ob er zielen wollte. "Nun..." Er räusperte sich abermals und es glich einem verfehlten Hustenanfall. "DU." donnerte die Stimme plötzlich. Saustall... Darüber kam er nicht hinweg. "Ich fragte dich nicht nach deinem Namen. Nicht nur, dass du mir anscheinend nicht richtig zuhörst, nein, sind wir uns denn schon so vertraut, dass ich dir erlaubt habe, mich mit "Du" anreden zu können?" Schritt für Schritt ging er auf Aaron zu, senkte dabei das feuerrote Schwert und baute sich letztendlich in seiner vollen Größe vor ihm auf. "Außerdem hast du scheinbar keine Ahnung, WER hier eigentlich vor dir steht, Bürschchen!" grollte er anschließend. Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. Warum zur Hölle, sah er ihn nicht an?! "ANTWORTE!" brüllte er schließlich in solcher Lautstärke, dass die gesamte Halle unter dem Dröhnen seiner Stimme zu erzittern begann. Verschreckt starrte Aaron auf den Boden, noch lange bohrten sich die Worte in seinen Hirn. Seine Unterlippe fing unkontrolliert an zu zittern. Was sollte er jetzt machen? WAS?! Er war so ratlos. Er merkte, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und rang mit sich. Nein, ich werde jetzt stak sein und nicht weinen! Ich habe nichts falsch gemacht! Sein ganzer Körper begann zu zittern. Mit jeder Sekunde, die verstrich wuchs seine Angst vor diesem... diesem Mistkerl! dachte er sich. Er holte tief Luft und sprach mit unsicher Stimme: "Es tut mir leid, ich bitte euch um Vergebung." Noch stärker bebten seine Knie, seine Atmung beschleunigte sich. Gleich so etwas. Das halte ich nicht aus, aber der Herr hat mich darum gebeten… Er traute sich noch immer nicht, den Kopf zu heben. "Wir haben nicht viel Zeit, werter Herr. Wir müssen uns beeilen - ein Mädchen wurde entführt und er schickt uns, es zu holen!" Langsam hob Aaron seinen Kopf und schaute seinem Gegenüber in die Augen. Oh Gott, er wird mich gleich zerfetzen! schoss es ihm durch den Kopf. Er wird gleich Michaels Schwert nehmen und meinen Kopf von meinem Körper trennen - Was?! Ja, daher kenne ich das Schwert! Es gehörte Michael und dann muss das… NEIN, das muss Raphael sein! Alle wissen davon, er hat Michael das Schwert gemopst und gibt es nicht mehr her. WOMIT HABE ICH DAS VERDIENT?! Ich muss weg, er soll so... nein, ich will mich nicht daran erinnern, was sie gesagt haben. Das war zu grausam! Mit diesen Gedankengängen weiteten sich die Augen des Jünglings. Ihm wurde speiübel und er hatte das Gefühl, als müsse er sich übergeben. Oder weinen. Oder wegrennen. Oder alles auf einmal! Unendlich lange Momente schwieg Raphael. Man hörte förmlich den Sekundenzeiger ticken. "Gut, sei dir vergeben..." Mit diesen Worten drehte sich der ältere Mann schlaksig um und ließ sich wieder auf den Thron plumpsen. Er musste sich sehr zurückhalten, nicht einfach laut los zu lachen, als er das verwirrte und vollkommen aufgelöste Gesicht Aarons sah. Mit diesen Neulingen gab es doch immer wieder etwas zu lachen und er war nicht mehr ganz so schlecht gelaunt über die Tatsache, dass sich der Alte mal wieder etwas ganz Feines für ihn ausgedacht hatte. "Und was für ein Mädchen ist es dieses Mal? Die Reinkarnation der Jungfrau Maria?" Jetzt lachte Raphael wirklich lauthals los und er gab sich auch keine sonderliche Mühe, es zurück zu halten. Als Aaron nach mehreren Sekunden noch immer nur stocksteif da stand und die Farbe seines Gesichts die, einer unreifen Banane annahm, legte sich die Stirn des Mannes in Falten. "He, wenn du kotzen musst, mach das draußen!" Dass es in all dem Chaos gar nicht mehr aufgefallen wäre, wenn sich Aaron sein Mittagessen wirklich noch einmal durch den Kopf hätte gehen lassen, vergaß er vollkommen. Aaron rang mit sich, um wieder Herr seines Körpers zu werden. Mehrere Male atmete er tief aus und ein und genoss die wohltuende, frische Luft. Immer noch ein wenig verschreckt, hob er zitternd seine Hand und pustete einmal leicht über seine Handfläche, als wolle er jemand einen Kuss zu werfen. Langsam materialisierte sich etwas über den dürren Fingern des aufgeregten Engels. Eine kleine Figur nahm langsam Gestalt an. Leicht durchschimmernd konnte man einen Teenager erkennen. Die Haare der Gestalt waren lang und schwarz gefärbt. Das kleine Gesicht weiß geschminkt, mit dicken schwarzen Ringen unter den Augen. Sein T-Shirt zierte die Aufschrift „Dimmu Borgir“ und ein fettes, umgedrehtes Pentagramm. Eng um den schmalen Hals schmiegte sich etwas nietenbesetztes, nicht näher definierbares Irgendwas. Schwarz war auch die Lederhose, welche seine schmalen Beinchen bedeckte. Stolz lächelt Aaron vor sich hin. Das hatte er gut gemacht! Kurz räusperte er sich. "Also! Erst einmal müssen wir diesen Jungen finden und ihn in Sicherheit bringen. Er ist der Schlüssel zu dem Mädchen. Alles Weitere erfahren wir später - hat er gesagt und dann sagte er noch was bezüglich des Mädchens. Es wäre sehr wichtig, er liebe sie so, als wäre sie seine eigene Tochter. Wir sollten uns beeilen!" „Seine eigene Tochter… soso…“ murmelte Raphael und besah sich das kleine Hologramm nachdenklich. Seine Augen blitzen kurz auf. „Hat der Alte denn wenigstens gesagt, wo wir anfangen sollen zu suchen? Ich hab nämlich keinen Bock, mich ein halbes Jahrhundert für den krumm zu ackern.“ Ein Lächeln huschte über die schmalen Lippen; dieser Typ da gefiel ihm. "Er hat mir die Adresse seines Lieblings-Clubs gesagt, es ist das „Hell and Haven“. Weiterhin meinte er, wir sollen ihn erst einmal überzeugen. Was das heißen soll... ich habe keine Ahnung. Ich wollte auch nur weg, da der Herr sehr schlechte Laune hatte." Aarons Stimme klang nun klar und bestimmt. Er war voll in seinem Element, die Aufregung war wie weg geblasen und auch die Übelkeit ließ von ihm ab. "Laut Paragraph 13c Absatz 2.12 des Passus über "Wechseln auf die Erde" müssen wir zu den Herren der Welten und uns eine Genehmigung und eine Nummer für ein Portal holen. Und dann werden wir wie in Absatz 6.3 des Paragraphen 45 "Regeln zum Aufenthalt" beschrieben, erst mal zu der inneren Verwaltung, um Geld zu holen, abzuwarten und hoffen, dass es schnell bewilligt wird." Seine Stimme überschlug sich in euphorischer Freude. "Nach der Bewilligung werden wir die Portalnummer bei den zuständigen Portalwächtern abgeben, damit sie darauf achten, dass der Absatz 8.6 Bestandteil des Paragraphen 13 "Wechseln auf die Erde" gegeben ist und den Übergang verbergen, damit niemand uns sieht. Dann sehen wir weiter." Während Aaron wie ein scheinbar unaufhaltsamer Wasserfall alle möglichen Zitate aus den ungeschriebenen Gesetzesbüchern des Himmels herunter ratterte, hatte Raphaels linke Augenbraue kaum merklich zu zucken begonnen. Jetzt, da der euphorische Redefluss des Engels geendet war, stand sie hoch über dem Auge. Herren der Welten…? Innere Verwaltung…? GENEHMIGUNGEN? Raphael glaubte, sich verhört zu haben. Wortlos stand er abermals von seinem Sessel auf, näherte sich mit großen Schritten dem Engel und packte ihn einfach hinten am Nacken. Wie eine kleine Katze zog er ihn hinter sich her. „Vorschriften. Pah.“ Seine rechte Hand hob sich. „Paragraphen, Absätze. Das ich nicht lache.“ In ihr formte sich eine brodelnde Lichtkugel. „Genehmigungen…“ Die Lichtkugel löste sich aus der Umklammerung, formte sich in eine riesige Wand, die aus purer Energie zu bestehen schien. Es war ein geöffnetes Portal. „Ich glaube, du musst noch viel lernen, Junge.“ Sagte Raphael schließlich an Aaron gewandt und stieß den kleinen Engel mit den großen Augen einfach in die erschaffene Öffnung hinein. Kopfschüttelnd holte er das Schwert und trat ebenfalls in das helle Licht, das kurz nachdem der Windengel dahinter verschwunden war, einfach erlosch. Nichts mehr als ein verlassener, ziemlich unaufgeräumter Raum war zu sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)