Tagträume von Roter_Panda (Wenn Träume wahr werden (?)) ================================================================================ Kapitel 2: Ein ungutes Gefühl ----------------------------- Die folgenden Tage verbrachte ich mit den Vorbereitungen für den Winteranfang. Tatsächlich kam Medrahel vorbei, um mir beim Nähen des neuen Kleides zu helfen. Während er mit dem entstehenden Kleid auf meinem Bett saß, hängte ich verschiedene Wurzeln, Kräuter und Gemüsesorten zum Trocknen auf. Im Winter etwas frisches Pflanzliches für einen Eintopf zu finden, grenzte an ein Wunder. Bald würde ich Äpfel ernten können. Ich räumte gerade die Kartoffeln auf, die ich am Vortag von einem fahrenden Händler gekauft hatte, als ich hörte, wie die Leiter zu meinem Flet stramm gezogen wurde. Anscheinend bekam ich Besuch. An dem vorfreudigen Quietschen erkannten Medrahel und ich, dass es nur eine Person sein konnte: Irelaa. Im nächsten Moment streckte keine Andere als sie den Kopf durch die Leiteröffnung und strahlte uns an. „Ausflugstag!“, trällerte sie. Medrahel und ich schauten uns an. „Ausflugstag?“, fragte ich und half Irelaa auf mein Flet. „Was hast du dir jetzt schon wieder ausgedacht?“ „Nun ja, ich dachte mir, da wir alle in den letzten Tagen garantiert sehr hart gearbeitet haben- Medrahel hör auf zu lachen! Auch ich habe hart gearbeitet!“ „Was denn? Bist du Gerüchten nachgegangen und hast neue verbreitet? Wow, ich bin beeindruckt! Du musst völlig erschöpft sein!“, brachte Medrahel zwischen seinem Lachen heraus. Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Irelaa war nicht die fleißigste Elbin und wir ernährten sie meistens durch den Winter, da sie nie genug Vorräte hatte. Aber sie war die beste Freundin, die man haben konnte, und auf sie war immer Verlass. Nicht jeder konnte alles. Ich konnte nicht nähen… Irelaa ignorierte Medrahel und plapperte weiter: „Auf jeden Fall, dachte ich mir, da demnächst ja das Fest auf der Sternenlichtung ist, könnten wir die Gegend dort doch mal auskundschaften, oder? Immerhin waren wir eine ganze Weile nicht mehr dort. Vielleicht finden wir den Weg nicht mehr?“ „Das… halte ich für unwahrscheinlich“, bemerkte Medrahel noch immer grinsend und machte sich weiter an den Saum meines Kleides. „Aber wir können es uns doch mal anschauen, oder?“ Irelaa wandte sich flehend an mich. „Ich bin so aufgeregt! Bitte, bitte, bitte!“ Ich schaute nach Beistand bittend zu Medrahel. Diesen großen braunen Augen von Irelaa konnte ich nicht wiederstehen. Medrahel winkte ab. „Oh nein! Ohne mich! Ihr und eure Abenteuer sind einfach nichts für mich. Geht da alleine hin, ich muss hier arbeiten.“ Zur Verdeutlichung hob er mein halbfertiges Kleid hoch und grinste. Dann musste ich wohl alleine Irelaas Wunsch entgegen kommen. Ich seufzte. „Also gut, Irelaa. Aber nur für ein paar Stunden.“ Jubelnd sprang sie in die Luft. Auf was hatte ich mich da wieder eingelassen? Irelaa hüpfte den Weg voraus wie ein kleines Kind. Immer wieder musste ich sie rufen, damit sie mir nicht davon lief. Ich genoss die Wärme der Spätsommersonne, die durch die rauschenden Bäume fiel. Überall sah ich fleißig beschäftigte Elben, die schweigend arbeiteten, sich gegenseitig etwas zuriefen oder während der Arbeit gemeinsam sangen. Ich lauschte den Geräuschen des lebendigen Waldes und wusste, dass ich niemals wo anders hätte leben können. Je weiter wir kamen, umso weniger wurden die bewohnten Bereiche. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, zu einem Platz zu gehen, der aus gutem Grund einmal als nicht mehr betretbar erachtet wurde. In den Tagen zuvor hatten wir oft gehört, dass sich die Spinnen im Laufe der Jahre aus dem Bereich zurück gezogen hatten. Anscheinend hatte es zu wenig Beute gegeben. War es trotzdem schlau, das gesellschaftliche Leben wieder dorthin zurück kehren zu lassen? Ich verwarf den Gedanken. Wäre die Entwarnung nicht hundertprozentig, wäre wohl nie ein Fest dort zugelassen worden. Irelaa kam quiekend zu mir zurück gerannt, packte mich am Handgelenk und zog mich hinter sich her. „Ela! Ela! Wir sind da!“ Ich musste lachen und versuchte, sie zu beruhigen, aber in diesem Moment betraten wir den Festplatz und mir verschlug es die Sprache. Ich hatte ganz vergessen, wie schön die Lichtung war. Sie war von Weiden umkreist und strahlte mit den schönsten Blumenwiesen. Drei kleinere Pavillons aus Stein umgaben den Platz und an der Stirnseite auf einer Anhöhe stand ein großer Pavillon, der einen atemberaubenden Blick bis zu den Hallen und vor allem auf den Sternenhimmel erlaubte. Anscheinend war der Ort für das Fest schon seit längerem geplant, da die Pavillons hergerichtet worden waren und in der Mitte des Platzes ein Holzgestell aufgebaut worden war, das sich über die Tanzfläche spannte und an dessen Streben Efeuranken entlang wuchsen. Im Geiste konnte ich schon die darunter tanzenden Paare sehen. Irelaa rannte vergnügt über den Platz, drehte sich unter den Pavillons und redete die ganze Zeit von den jungen Elben, mit denen sie tanzen wollte. Sie malte sich das Festessen aus, das es geben werden würde und spekulierte, wo der König und sein Sohn wohl sitzen würden. Ich lief ihr schmunzelnd hinterher und machte es mir irgendwann unter einem Pavillon auf einer Bank bequem, während sie auf Erkundungstour ging. Ich freute mich auf das anstehende Fest. In zwei Tagen sollte es soweit sein. In Gedanken ging ich meinen Kleiderschrank durch. Es ist lange her, dass ich auf einem solch wichtigen Fest gewesen bin. Aber ich konnte mich an ein gutes Kleid erinnern, das ich wohl zu dem Anlass tragen könnte. Wie ich weiter dort saß, schweiften meine Gedanken zu dem Traum aus der Nacht nach dem Sommerfest. Ich hatte zwar Irelaa und Medrahel von dem Traum erzählt, aber nur ich wusste, was er bedeutete. Als Kinder hatten wir oft miteinander mit anderen Elbenkindern gespielt. Eines Tages kam ein fremdes Kind dazu – Caledorn. Er wollte mitspielen und nahmen ihn – wie Kinder es nun mal taten – ohne jegliche Nachfragen auf. Es war eine schöne Zeit. Eines Tages passierte es, dass Caledorn und ich alleine spielten. Wo die anderen waren, weiß ich schon gar nicht mehr. Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen. Wir streiften durch die Gegend und ich hätte den Tag als einen sehr schönen in Erinnerung behalten, wäre dann nicht die Dämmerung gekommen. Beim Spielen an einer alten Eiche sind wir eingeschlafen – ich in einer tiefen Spalte im Baum weiter oben, er vorm Baum. Davor hatten wir kichernd ausprobiert, wie es sich anhörte, im Baum zu sitzen, während unten gegen den Stamm geklopft wurde. Als ich wieder aufgewacht bin, war Caledorn weg. Dafür war Blut am Boden und ein Stück seiner Tunika – blutdurchdrängt. Ich weiß nicht, was passiert war, aber es musste ihm etwas zugestoßen sein. Seit diesem Tag hatten wir ihn nie wieder gesehen. Schuldbewusst fraß ich die Geschichte in mich rein und erzählte sie niemandem. Es war mittlerweile sowieso zu spät, es irgendjemandem zu erzählen. Es war mehrere tausend Jahre her und wir wussten nicht, woher er kam und zu wem er gehörte. Wir wussten nur seinen Namen. Ich wurde aus meiner Erinnerung gerissen, als ich hinter mir ein Geräusch im Gebüsch hörte. Die Augen verdrehend drehte ich mich um. „Irelaa, hör auf, dich an mich anzuschleichen! Du weißt, dass ich das nicht leiden- Irelaa?“ Doch es war keine Irelaa zu sehen. Ich stand auf und beäugte misstrauisch das sich bewegende Unterholz. Eigenartige Geräusche drangen zu mir. Als würde ein Tier tief schnaufen, aber ein solches Grollen hatte ich zuvor noch nie im Düsterwald gehört. Wie versteinert stand ich da, während das Geräusch näher kam. „Ela! Komm schnell! Das musst du dir anschauen!“ Abrupt hörte das Geräusch auf und ich hörte nur noch, wie sich etwas Großes schnell im Unterholz davon machte. Unruhig strich ich mit den Händen über die Gänsehaut an meinen Oberarmen. Ich beschloss, nicht wissen zu wollen, was mir da quasi gegenüber gestanden hatte – obwohl ich auch sehr neugierig war. Eine Spinne war es garantiert nicht. Die fackelten nicht lange und griffen sofort ihre Opfer an. Langsam drehte ich mich zu Irelaa um und ging eiligen Schrittes zu ihr. Durchweg hatte ich das Gefühl, dass etwas hinter meinem Rücken lauerte. „Ela, komm mit! Ich will dir etwas zeigen!“ Sie griff bereits nach meiner Hand, doch ich zog stattdessen meine Freundin zu mir. „Irelaa, ich habe gerade ein ganz ungutes Gefühl. Lass uns bitte nach Hause gehen. Du kannst mir ja übermorgen zeigen, was du entdeckt hast.“ Zögernd gab Irelaa nach und wir machten uns auf den Heimweg. Damals hätte ich meinem Gefühl glauben sollen, dass etwas nicht stimmte, und an obersten Stelle Bescheid geben sollen. Aber woher hätte ich das in jener Zeit wissen sollen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)