Between Potions and Quidditch von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 6: Casanova ------------------- Der neunte Oktober war ein herrlich schöner Tag. Es war Mitte Herbst und die Sonne schickte noch einige wärmende Sonnenstrahlen, bevor der Winter bald die Landschaft unter dickem Schnee vergraben würde. Der Himmel strahlte in reinem Azur, keine einzige Wolke zierte die blaue Decke, es war windstill. Das Wetter war perfekt für einen Ausflug nach Hogsmeade. An diesem schönen Tag waren alle in Hogwarts in guter Stimmung. Nun, fast alle. Argus Filch war inmitten der Horde aufgeregter und vorfreudiger Schüler vermutlich der Einzige, der keine gute Laune hatte. Er ließ sich weder von dem guten Wetter, noch von der Tatsache, dass das Wochenende begann, aufheitern. Mit mürrischem Gesicht kontrollierte er mit Hilfe einer Liste, ob die Schüler eine gültige Erlaubnis besaßen, um nach Hogsmeade gehen zu dürfen. Sollte diese nicht vorhanden sein ließ er sie nicht passieren. Zwei Erstklässler waren mutig genug sich an ihm vorbeischleichen zu wollen – ohne Erfolg. Misses Norris bemerkte die beiden sofort und gab ein lautes Fauchen von sich. Filch packte die beiden am Kragen und zog sie wütend schreiend und drohend zurück zum Eingangsportal. Sollten sie es noch einmal wagen ihn austricksen zu wollen, dann würden sie seine Daumenschrauben kennenlernen. Filch konnte nicht verstehen, was die Schüler an diesem Zaubererdorf so sehr faszinierte: Honigtopf, Zonkos, Drei Besen – alles Firlefanz und Zeitverschwendung! Den Schülern wurde hier in dieser Schule seiner Meinung nach viel zu viel Spaß erlaubt. Hinterher hatte er dann nur den Ärger alle Schüler zu kontrollieren, ob sie nicht womöglich verbotene Gegenstände versuchten ins Schloss zu schmuggeln. Jede Tasche wurde von ihm auf Feuerwerkskörper, Stinkbomben und Liebestränke hin strengstens untersucht. Die Liste mit verbotenen Dingen war in den letzten Jahren recht lang geworden. Es dauerte, bis die Schüler kontrolliert waren und die Schlange kleiner wurde. Die meisten von ihnen gingen bereits nach dem Frühstück nach Hogsmeade, um die meiste Zeit des Tages dort verbringen zu können. Vor allem die Drittklässler, die nun das erste Mal ins Zaubererdorf gehen durften, waren ganz aus dem Häuschen. Gegen Mittag begegnete Filch auch einigen Lehrern des Schlosses, die zwar keine Erlaubnis benötigten, um nach Hogsmeade gehen zu dürfen, aber dennoch einen misstrauischen Blick vom Hausmeister zugeworfen bekamen. Um kurz vor zwei Uhr kam Ginny am Portal an und stellte fest, dass Draco noch nicht da war. Beim Frühstück hatten sie besprochen, dass sie sich nach dem Mittagessen treffen wollten, da Draco sich am Morgen noch das Training der Slytherins ansehen wollte. Das erste Quidditchspiel der Saison stand kurz bevor und Draco gab wahrscheinlich seine Tricks, wie man am erfolgreichsten foulte, an die nächste Generation weiter. Ginny schob den Ärmel ihres Kleids zurück und schaute auf ihre Armbanduhr. Vier Minuten vor zwei. Er war noch nicht da, aber er war auch noch nicht zu spät. Der beunruhigende Gedanke, dass er sie vielleicht versetzen könnte, kam ihr in den Sinn, ein Gedanke, den sie in den letzten Tagen oft gehabt hatte, denn immerhin war Draco mit dieser Verabredung zu Beginn nicht einverstanden gewesen. Ihm wäre es zuzutrauen, wenn er es sich anders überlegen würde. Zuletzt hatte Ginny ihn beim Frühstück gesehen und als sie ihn nach der Uhrzeit ihres Treffens gefragt hatte, da hatte er so qualvoll das Gesicht verzogen, als würde es sich um einen Termin beim Kopfheiler handeln. Noch ein Blick auf die Uhr. Zwei Minuten vor zwei. Bestimmt war er noch unten am Quidditchfeld und hatte die Zeit vergessen. Während Ginny wartete beobachtete sie die Schüler, die an Filch vorbeimarschierten, mit ihren vor Freude strahlenden Gesichtern. Sie konnte sich noch genau an ihren ersten Ausflug nach Hogsmeade erinnern. Wenn man mit sechs Brüdern aufwuchs, die einem ständig von Hogsmeade vorschwärmten, dann begann man frühzeitig die Tage zu zählen, bis man selbst hingehen durfte. Obwohl sich Hogsmeade kaum von der Winkelgasse unterschied, gab es doch ein gewaltiges Privileg, das die Schüler hier genießen durften: Sie waren ohne ihre Eltern da. Die Familie Weasley bestand aus so vielen Mitgliedern, dass Ausflüge in der Winkelgasse meist hektisch und chaotisch abliefen. Der eine wollte hier hin, der andere da hin. Der eine wollte dies, der andere das. Aber entweder hatten sie dafür keine Zeit oder kein Geld. Und auch wenn Ginny in ihrer Schulzeit nicht viel Taschengeld zur Verfügung hatte, so hatte sie es genossen in den Läden von Hogsmeade zu bummeln, sich die Schaufenster anzusehen oder im Drei Besen ein Butterbier zu trinken, ohne dass die Eltern ihr neugierig auf die Finger sahen oder sie von einem Laden zum nächsten drängten, da sie in Eile waren. In Hogsmeade waren die Schüler unter sich, es gab keine Eltern, die aufpassten und meckerten. Sogar die Lehrer waren, wenn man sie dort antraf, viel lockerer drauf. Ginny verband mit diesem Dorf viele schöne Erinnerungen und die Vorfreude, die sie als Teenager empfunden hatte, regte sich auch jetzt wieder in ihr. Sie freute sich auf diesen Ausflug und würde ihn sich sicher nicht von Draco Malfoy kaputt machen lassen! Wenn er nicht kam, dann würde sie eben alleine gehen. Als Ginny abermals auf ihre Uhr schaute, zeigte der große Zeiger auf die Zwölf. Sie seufzte. „Bin ich zu spät?“ Ginny sah von ihrer Uhr auf in zwei graue Augen. Sie war so sehr in ihren Kindheitserinnerungen versunken, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte. Draco hatte sein Versprechen also gehalten. „Nein“, antwortete sie. „Auf die Minute genau.“ Ginny lächelte, aber Draco erwiderte es nicht. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und nickte kurz in Richtung Filch. „Na los, bringen wir es hinter uns.“ „Überschlag dich nicht vor Freude …“, murmelte Ginny und strafte ihn mit einem finsteren Blick. Na das fing ja gut an … Gemeinsam gingen sie an Filch vorbei, den Draco keines Blickes würdigte, und beschritten den Weg nach Hogsmeade. Währenddessen warf Ginny immer wieder Seitenblicke zu Draco. Über sein schwarzes T-Shirt trug er ein offenes, dunkelgraues Jackett, mit der passenden maßgeschneiderten Hose dazu. An seinem Revers steckte eine silberne Anstecknadel in Form einer Schlange. Dieses Outfit wirkte trotz dass es Freizeitmode war sehr elegant. In diesem Aufzug könnte er ebenso zu einem Bankett gehen, so schick wie er aussah. Dabei gingen sie nur nach Hogsmeade. Ginny trug nur ein rotes Kleid, knielang, mit hochgeschnittenem Kragen und mit langen Ärmeln. Aber Draco lief immer so vornehm herum. Der besaß bestimmt keine bequemen Sachen. „Wie lief das Training?“, erkundigte sich Ginny als die ersten Häuser von Hogsmeade in Sicht kamen, bemüht, ein Thema anzufangen, um das unangenehme Schweigen zu durchbrechen. „Hervorragend“, lautete seine knappe Antwort. Er sagte es so neutral wie möglich um möglichst wenig Information preiszugeben. Auch wenn Ginny nicht die Hauslehrerin von Gryffindor war, so konnte er sich denken, dass sie ihre Finger im Spiel hatte, was deren Training anging. Ein paar seiner Schüler hatten sie nämlich zusammen mit der gryffindorschen Quidditchmannschaft gesehen. Sie wollte ihm nur Informationen entlocken, den Feind auskundschaften, aber von Draco würde sie nichts erfahren. In Wahrheit war das Training der Slytherins ziemlich stümperhaft gewesen. Aber das brauchte sie ja nicht zu wissen. Draco konnte nur hoffen, dass die Mannschaft sich in den nächsten vierzehn Tagen noch verbesserte. Stark verbesserte. „In zwei Wochen ist das erste Spiel das ich beaufsichtigen werde und dann treten auch noch ausgerechnet Gryffindor und Slytherin gegeneinander an. Gryffindor wird natürlich gewinnen“, fügte Ginny zuversichtlich hinzu. Draco lachte trocken. „Sollten die Gryffindors fair spielen – und wir beide wissen, dass sie das tun –, dann werden sie von den Slytherins in den Boden gestampft.“ „Freu dich mal nicht zu früh“, sagte Ginny geheimnistuerisch und in einem leichten Singsang. „Das Team hat eine neue Strategie entwickelt.“ „Wenn sie anfangen wie Frauen zu fliegen, dann weiß ich, woher diese Strategie kommt“, spottete er. Ginny schüttelte nur den Kopf. Frauen hatten immerhin die Weltmeisterschaft gewonnen. Wie die Slytherins zu weiblichen Mannschaftsmitgliedern standen, wusste sie – sie hatten schließlich keine. „Was musst du denn so wahnsinnig Wichtiges besorgen?“, wechselte sie rasch das Thema, als sie in Hogsmeade ankamen, damit die Diskussion über Quidditch nicht noch in einem Streit endete. „Zaubertrankzutaten. Und ich würde die gerne zuerst besorgen. Gilda's ist gleich da vorne.“ Draco deutete auf ein Häuschen inmitten der Geschäfte, welches Ginny noch nie zuvor gesehen hatte und wohl eher in der Nokturngasse vermuten würde. Die Fenster waren schwarz verklebt, sodass es unmöglich war hineinzusehen. Mehrere Plakate hingen stattdessen dort, die Angebote und Rabatte proklamierten. Über der Tür hing ein Holzschild, mit dem Namen des Geschäfts, die Buchstaben in gotischer Schrift. „Diesen Laden kenne ich nicht“, sagte Ginny stirnrunzelnd, als sie vor dem Geschäft standen. „Ist der neu?“ „Ja. Den gibt es erst seit zwei Jahren.“ Draco stand vor der Tür, hatte die Hand bereits an der Klinke und sah Ginny abwartend an, die immer noch neugierig und argwöhnisch zugleich Gilda's betrachtete. „Kommst du mit rein oder willst du hier warten?“, fragte er. Ginny stutzte. Wieso sollte sie hier warten? Wollte er etwas vor ihr verheimlichen? Vielleicht mysteriöse Zutaten, von denen sie nicht erfahren durfte? Jetzt wurde sie nur noch neugieriger auf diesen Laden. „Was hast du vor? Willst du mich loswerden? Gibt es da drin etwas, dass ich nicht sehen darf?“ „Ich kaufe Zutaten für Aufpäppelungstränke, die Madam Pomfrey für die Kinder im Krankenflügel benötigt“, klärte Draco sie auf und er kam nicht umhin missbilligend mit dem Kopf zu schütteln. „Ehrlich, Weasley, du solltest mal deine Vorurteile ablegen. Das ist beleidigend.“ Er öffnete die Tür und betrat den Laden. Ginny folgte ihm mit hochrotem Kopf. Der Raum wurde nur von Kerzenlicht erhellt, da durch die abgeklebten Fenster kein Tageslicht hineindrang. Ein abgestandener Geruch kam ihnen entgegen. Anscheinend wurde nicht oft gelüftet. Die Regale waren prall gefüllt mit Gläsern, einige davon standen unter einer feinen Staubschicht. Bis auf Ginny und Draco waren nur noch zwei weitere Kunden anwesend: eine alte Hexe, mit schiefen gelben Zähnen, die ihre Katze in ihrer Handtasche herumtrug, sowie ein Zauberer, der die Kapuze seines Umhangs so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass man von seinem Gesicht nichts erkennen konnte. Die breite Statur ließ aber einen großgewachsenen, gutgebauten Mann vermuten. Ginny versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass er bei dem Regal mit der Aufschrift ‚Giftige Substanzen‘ stand. Dafür, dass der Laden recht neu war, kannte Draco sich hier ziemlich gut aus. Immerhin ging er hier regelmäßig einkaufen. Zielstrebig ging er durch den Raum zu einem bestimmten Regal. Seine Augen suchten die Zutaten ab und schließlich fand er, was er suchte: Gläser mit einer dunkelroten, beinahe schwarzen, Flüssigkeit. Die vergilbten Etikette trugen die Aufschrift Salamanderblut. Draco zog seinen Zauberstab, machte eine leichte Bewegung und vier Gläser Salamanderblut schwebten aus dem Regal. Draco ging weiter und sah sich nach einer weiteren Zutat um. Ginny folgte ihm schweigend. Er ging einen Gang weiter, zu den Regalen mit den Tierinnereien, wo er nach den Fledermausmilzen suchte, der zweiten Zutat, die er heute kaufen wollte, um die Aufpäppelungstränke für Madam Pomfrey herstellen zu können. Draco suchte die einzelnen Gläser ab. Aalaugen, Drachenleber, Käferaugen … Da waren sie: Fledermausmilzen! Wieder schwang er seinen Zauberstab und mehrere Gläser schwebten aus dem Regal in Richtung Kasse, wo auch bereits das Salamanderblut auf dem Tresen stand. Die Frau, die dahinter stand, hatte ihre besten Jahre bereits hinter sich; ihr Haar war kurz und verfilzt, ihre Augen grau und trüb. Sie trug viel Schmuck: Ketten, Armbänder und Ringe an jedem einzelnen Finger; alles aus Silber. Die langen Nägel hatte sie schwarz lackiert. „Guten Tag, Mister Malfoy“, begrüßte Gilda ihren Kunden. Sie hatte eine kriecherische und rauchige Stimme. „Darf es noch etwas sein? Die Wellhornschnecken sind gerade im Angebot.“ Sie deutete auf ein großes milchiges Glas neben der Kasse, das mit einer gräulichen Flüssigkeit gefüllt war. Dutzende, zwölf Zentimeter lange Wellhornschnecken mit gelblichen Schneckenhäusern schwammen darin. „Nein, danke“, sagte Draco mit einem Blick auf das Angebot. Von den Schnecken hatten sie in der Schule noch genug. „Nur diese beiden Zutaten. Schicken Sie sie nach Hogwarts.“ „Natürlich, natürlich.“ Gilda machte sich auf einem Fetzen Pergament eine Notiz. „Das macht dann fünfzehn Galleonen und sieben Sickel.“ Während Draco bezahlte sah Ginny wie der vermummte Mann sich der Kasse näherte. In seinen Händen, die er in schwarze Handschuhe hüllte, hielt er ein Paket. Anscheinend war er fündig geworden. „Seltsamer Laden“, murmelte Ginny, als sie wieder an der frischen Luft waren. Bei dem Tageslicht musste sie blinzeln. Draco rollte mit den Augen. „Gilda's hat eine große Auswahl. Dort bekomme ich im Gegensatz zu anderen Läden alle Zutaten, die ich brauche.“ Dieser Zaubertrankzutatenladen war vielleicht nicht so schick und vornehm wie die Apotheke in der Winkelgasse, aber dafür bekam man alles für einen guten Preis. Und wie gesagt: Hier bekam ein Zaubertrankmeister alles, was man brauchte, auch einige schwer zu bekommende Zutaten und vielleicht auch einige, die das Zaubereiministerium als ‚unzulässig‘ erklärte. „Das glaube ich dir aufs Wort.“ Dracos rechter Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln. Draco konnte Ginnys Gedanken in ihrem Gesicht ablesen. „Was denkst du denn? Dass ich, wenn du nicht dabei gewesen wärst, mit in ihr abgelegenes Hinterzimmer gegangen wäre, um verbotene Substanzen zu kaufen, damit ich in den Kerkern heimlich meine Gifte brauen kann?“ Aber Ginny erwiderte nur schulterzuckend: „Was du in deiner Freizeit machst, geht mich nichts an.“ Draco schmunzelte. „Wohin gehen wir jetzt?“, fragte Ginny, die sich in der Straße neugierig umsah. „Auch für den Fall, dass ich es bereuen werde“, seufzte Draco, „ich richte mich ganz nach dir.“ „Da fällt mir doch gleich was ein“, sagte Ginny und ein Leuchten kehrte in ihre Augen. „Der Laden, den man keinesfalls bei einem Besuch in Hogsmeade auslassen sollte: Der Honigtopf!“ Draco konnte sich eine Antwort verkneifen, aber nicht das Augenrollen. Die Aufsicht auf einen Besuch im Süßwarenladen, überfüllt mit drängelnden, lärmenden Kindern mit klebrigen Händen, verursachte bei ihm beinahe Kopfschmerzen. Es war nicht weit bis zum Honigtopf und wie zu erwarten war er brechend voll mit Hogwartsschülern. Ginny nahm sich am Eingang eine bunt bedruckte Papiertüte und während sie an den Regalen und Körben vorbeikamen nahm sie sich immer wieder etwas von den Waren und schon bald war ihre Tüte voll. „Erinnerst du dich noch an deinen ersten Besuch hier?“, fragte Ginny, während sie sich einen Kampf mit ein paar Lakritzschnappern leistete, die sich weigerten sich in ihre Tüte stecken zu lassen. „Weiß nicht“, antwortete Draco, der den Drittklässlern finster hinterher starrte, die sich unhöflich an ihnen vorbei drängelten. „Kann sein.“ Aber Draco erinnerte sich noch genau: Für seinen ersten Hogsmeade-Ausflug hatte seine Mutter ihm einen Haufen Gold mitgegeben, wovon er sich so viel Süßkram gekauft hatte, wie Crabbe und Goyle tragen konnten. Danach hatte er einen Tag lang mit Magenschmerzen im Krankenflügel gelegen. Draco legte bei dem Gedanken daran eine Hand auf seinen Bauch. Bei der Menge an Süßigkeiten, die er damals immer in sich hineingestopft hatte, fragte er sich, wie er es geschafft hatte seine gute Figur zu behalten. „Ich liebe den Honigtopf. Ich war so oft hier.“ Ginny versank in ihren Erinnerungen an längst vergessene Tage. „Ich werde richtig nostalgisch. Ah, guck mal. Bertie Botts Bohnen.“ Drei Schokofrösche, einige zischende Wissbies und eine Packung Bertie Botts Bohnen später verließen sie den Laden. „Willst du das alles alleine essen?“, fragte Draco, den skeptischen Blick auf die Tüte vom Honigtopf gerichtet. Ginny hatte in dem Laden ein halbes Vermögen gelassen. „Klar. Nicht auf einmal, versteht sich.“ „Hast du keine Angst, dass du fett wirst?“ „Nö.“ Draco hob eine Augenbraue. Die Mädchen, die er kannte, achteten auf jeden Bissen und hungerten sich fast zu Tode. Aber Ginny schien da wohl anders zu sein. „Ist das der Grund wieso du nichts gekauft hast?“, wollte Ginny wissen. „Befürchtest du, du könntest ein paar Gramm zunehmen?“ Sie piekte ihm kichernd in die Seite. Draco schnaubte nur auf ihre Frage hin und verscheuchte ihre Hand. „Na dann kannst du ja eine Bohne probieren.“ Aus der prallgefüllten Tüte holte Ginny die Schachtel Bertie Botts Bohnen heraus. Als Draco zögerte, verzogen sich ihre Lippen zu einem verschlagenen Grinsen. „Na los, greif einfach hinein.“ Auffordernd hielt sie ihm die Schachtel hin. „Oder bist du ein Feigling?“ Das ließ Draco sich nicht zweimal vorhalten. Ohne hineinzusehen griff er in die Schachtel und nahm sich eine Bohne. Zum Vorschein kam eine in einem dunklen Beereton. Draco steckte sie sich in den Mund und kaute darauf herum. Er verzog keine Miene und lies sich keine Gefühlsregung anmerken. Ginny sah ihn erwartungsvoll an. „Und?“ „Hm … Kirsche“, antworte Draco nachdem er die Bohne hinunterschluckte. „Ich muss gestehen, ich bin ein wenig enttäuscht.“ Jahrelang hatte er die Bohnen in sämtlichen Geschmacksrichtungen nicht mehr angerührt, nachdem er einmal eine mit Würstchensaftgeschmack erwischt hatte. Das Comeback hatte er sich aufregender vorgestellt. Ginny nahm sich auch eine Bohne. Ihre war gräulich, was sie ein wenig verunsicherte. Sie warf Draco einen Blick zu, den er herausfordernd erwiderte und steckte sie sich dann in den Mund. Augenblicklich verzog sie das Gesicht. „Bäh, die schmeckt nach Moms Kesselreiniger!“ Der Geschmack war zu eklig, um die Bohne hinunterzuschlucken, von daher spuckte Ginny die zerkaute Bohne in die Seitengasse. Draco lachte sie mitleidslos aus. „Ich brauch irgendetwas, um den Geschmack zu überdecken!“ Ginny wühlte in der Schachtel und nahm sich eine schwarze Bohne. Entweder hatte sie Glück, und die schwarze Bohne stellte sich als Brombeere heraus oder es war wieder etwas Fieses, Kohle zum Beispiel. Ginny steckte sie sich in den Mund. Ihre Augen begannen zu tränen. Mühselig würgte sie hervor: „Pfeffer.“ Draco lachte noch mehr. Nach diesem Fiasko legte Ginny die Schachtel zurück in die Papiertüte. Ihr Hals brannte vom Pfeffergeschmack. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und beobachtete Draco. Sein Lachen steckte an und brachte sie ebenfalls zum Lächeln. Mit kratziger Stimme sagte sie: „Siehst du, ich hab doch gesagt, es würde witzig werden.“ Draco sah Ginny an, das langsam verschwindende Lächeln immer noch in seinem Gesicht. Er erinnerte sich an ihre Worte, mit denen sie ihn versucht hatte ihn zu dieser Verabredung zu bewegen. Zugeben würde er es nicht, aber in Gedanken stimmte Draco ihr zu. Es tat immer gut sich auf Kosten anderer zu amüsieren. Jemand anderes lenkte Ginny schließlich ab. „Oh, schau mal, da ist Professor Stone.“ Als Draco sich umdrehte erkannte er die Lehrerin für Muggelkunde. Karen Stone stand winkend auf der anderen Straßenseite und versuchte sich einen Weg zu ihnen durch die Menschenmenge zu bahnen. „Lass uns weitergehen“, drängte Draco. Sein Blick war wieder ernst. „Wieso denn?“, fragte Ginny irritiert. „Was ist so falsch daran Guten Tag zu sagen?“ „Sie ist eine Squib!“, flüsterte er ihr aufgebracht zu. „Dass so etwas an Hogwarts unterrichten darf ist eine Frechheit!“ Das Fach Muggelkunde hatte Draco schon als Schüler für unnötig gehalten und noch mehr verabscheut als Pflege magischer Geschöpfe. Aber das auch noch eine Frau ohne magische Fähigkeiten in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberer, lehrte, brachte das Fass beinahe zum Überlaufen. „Und wenn schon!“ Ginny stieß Draco ihren Ellenbogen in die Seite, damit er die Klappe hielt. „Benimm dich!“, flüsterte sie ihm streng zu, gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Kollegin vor ihnen stand. „Na das ist ja eine Überraschung Sie beide hier zu sehen.“ Karens neugierige grüne Augen huschten zwischen Draco und Ginny hin und her. Dann linsten sie zu der Tüte, die Ginny in ihren Händen hielt. „Wie ich sehe waren Sie im Honigtopf? Da wollte ich auch gerade hin.“ „Oh, Sie müssen unbedingt die Kracher probieren“, empfahl Ginny, die sich davon selbst ein paar gekauft hatte. „Die sind der Wahnsinn. Die explodieren im Mund.“ „Das klingt ja spannend. Meine Lieblingssüßigkeit gibt es im Honigtopf leider nicht“, seufzte Karen ein wenig niedergeschlagen. „Mäusespeck. Das gibt es nur in den Einkaufsläden der Muggel.“ Ginny spürte wie Draco sich neben ihr verkrampfte. Ob wegen der Erwähnung der Muggel oder der Bezeichnung ‚Mäusespeck‘ - was ihr ebenfalls ziemlich fragwürdig vorkam - wusste sie nicht. Vermutlich war es wegen beidem. „Haben Sie bei den Muggeln gelebt?“, erkundigte Ginny sich höflich, Draco einfach ignorierend. „Ja, einige Jahre, bevor ich angefangen habe zu unterrichten“, erzählte Professor Stone, die immer wieder verstohlene Blicke zu Draco warf. Er hingegen starrte stur in eine andere Richtung. „Das muss sicher hart gewesen sein“, murmelte er. Den feindseligen Ton in seiner Stimme bemerkte Karen nicht. „Ach, wo denken Sie hin? Ich habe einige Jahre als Kindergärtnerin gearbeitet. Es ist ja fast das gleiche, was ich auch jetzt mache.“ Karen fing an zu lachen und Ginny stimmte mit ein. Draco verstand kein Wort, ganz im Gegensatz zu Ginny, die wusste, was eine Kindergärtnerin war und was man in diesem Beruf machte. Von ihrem muggelvernarrten Vater hatte sie viele Sachen aufgeschnappt. „Und wie kommt es, dass sie doch wieder in der magischen Welt gelandet sind?“ „Wissen Sie, Ginny, meine Schwester arbeitet im Ministerium. Nachdem die Aufbauarbeiten für Schloss Hogwarts beendet waren hörte sie, dass sie eine Lehrkraft für das Fach Muggelkunde suchten. Die ehemalige Lehrerin konnte nicht länger unterrichten, da sie den Krieg nicht überlebt hat. Sie kannten sicher Professor Burbage?“ Draco zuckte unmerklich zusammen. Auch wenn er das Fach Muggelkunde während seiner Schulzeit nicht belegt hatte, so erinnerte er sich noch gut an die zuständige Lehrerin. Er war Zeuge des Todesfluches gewesen, der ihr Leben beendet hatte. Das Gesicht von Charity Burbage hatte sich auf ewig in seine Netzhaut gebrannt. „Ich kannte sie, hatte aber nie Unterricht bei ihr“, begann Ginny, als Draco ihr das Wort abschnitt. „Wir müssen jetzt weiter“, sagte er barsch und packte Ginny am Arm, um sie wegzuziehen. „Ihr könnt später im Schloss weiterplaudern.“ „Oh, ich wollte Sie nicht aufhalten“, entgegnete Karen verlegen und verabschiedete sich rasch. „Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Es war schön Sie zu sehen, Ginny, Draco …“ Ginny winkte noch zum Abschied und sobald Professor Stone im Honigtopf verschwunden war konnte sie den Ärger, den Draco in ihr hervorrief, nicht länger verbergen. „Du warst unhöflich, Draco!“ „Ich kann sie nicht leiden“, rechtfertigte er sich. „Tja, dieses Gefühl scheint allerdings nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen.“ Ginny biss sich auf die Unterlippe, um ein Grinsen zu unterdrücken. „Hast du gesehen wie sie dich angesehen hat?“ Sie ließ bedeutungsvoll die Augenbrauen hüpfen. Draco rollte abermals mit den Augen und seufzte. „Auch das noch.“ Womit hatte er das nur verdient? „Was hast du denn?“ Ginny konnte nicht widerstehen ihn ein wenig aufzuziehen. „Sie ist doch hübsch.“ Draco verzog das Gesicht. Nicht-magisches Blut in den Adern wirkte auf ihn abstoßend. Muggelkunde kam für ihn nicht in Frage, denn er würde nie etwas mit Muggeln zu tun haben wollen. Von dieser Squib hielt er sich lieber fern. „Und sie ist wirklich eine Squib?“, fragte Ginny nachdenklich. Im Gegensatz zu Draco gefiel ihr der Gedanke. Muggelkunde war genau das richtige Fach für eine Squib. Vor allem, wenn die Lehrerin selbst jahrelang als Muggel gelebt hatte, konnte sie den Schülern sicher viel berichten. „Ja.“ Draco spuckte die Antwort beinahe hinaus. Die Abscheu konnte man kaum überhören. „Dir müsste man mal den Zauberstab wegnehmen“, schimpfte Ginny, „und dich für einen Tag lang in die Muggelwelt schicken, damit du von deiner gewaltigen Intoleranz befreit wirst.“ Draco schnaubte. „Ich bete zu Salazar, dass das niemals geschehen wird.“ Nicht noch einmal, dachte Draco. In der Zeit, in der er ohne Zauberstab auskommen musste, weil Potter ihm seinen gestohlen hatte, hatte er sich ziemlich hilflos gefühlt. Das wollte er nicht noch einmal erleben. Sie gingen gerade an den Zeitungsständern von Flourish and Blotts vorbei, als Draco ausgerechnet das brillentragende Gesicht ins Auge sprang, an das er gerade gedacht hatte. „Verdammter Potter!“ Ohne groß darüber nachzudenken, was er sagte, kam ihm die Bemerkung über die Lippen. Diese Squib hatte ihn gereizt und jetzt lächelte ihn auch noch das Narbengesicht seines Erzrivalen von der Titelseite des Tagespropheten an. Das war eindeutig zu viel des Guten. Draco dachte, er hätte es leise genug gesagt, aber Ginny hatte ihn gehört und war stehengeblieben. „Was hast du gesagt?“ „Nichts. Potter ist nur mal wieder auf dem Titelblatt“, erklärte er verärgert und deutete auf den Zeitungsständer in dem die heutige Tagesausgabe steckte. Ginny ging auf den Ständer zu, um sich die Zeitung genauer anzusehen. Ihr Gesicht verdunkelte sich, als sie das Bild sah. Es war nicht das übergroße Bild, das ihren Exfreund darstellte und beinahe die halbe Seite einnahm, sondern das zweite Bild auf dieser Seite, das sich inmitten des Textes befand. Es war klein und in einer schlechten Qualität und doch zog es Ginnys sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Die Fotografie zeigte Harry in einer Bar sitzend, neben ihm eine Frau, dicht an ihn geschmiegt und bei ihm eingehakt. Die beiden sprachen angeregt miteinander und schienen nicht zu bemerken, dass sie fotografiert wurden. Wahrscheinlich war das Foto aus der Ferne im Geheimen geschossen wurden. Die beiden wirkten vergnügt, waren sich sehr nahe und lachten herzhaft. Über dem Foto stand die Schlagzeile: Potter - Der neue Casanova? „Ist aber nicht nett, was er da macht“, sagte Draco, der über ihre Schulter hinweg auf das bewegte Bild starrte. „Ist doch schließlich dein Freund, oder?“ „Er ist nicht mehr … mein Freund“, brachte Ginny mühsam über die Lippen. „Hm … das erklärt einiges“, entgegnete Draco, aber Ginny hörte ihm nicht zu. Sie las sich den Bericht durch. In dieser Woche wurde Harry Potter, kein geringerer als der Bezwinger des Unnennbaren, in Litauen gesichtet. Was aber viel interessanter ist, als die Frage, aus welchen Gründen sich der Auror so weit entfernt von seinem Heimatland England aufhält, ist diejenige, wer die Frau an seiner Seite ist, die sich so aufreizend und in aller Öffentlichkeit an ihn schmiegt! Mehreren Gerüchten zufolge ist die Beziehung von Harry Potter und Ginevra Weasley, Spielerin der Holyhead Harpies, den diesjährigen Quidditch-Weltmeistern, vor einiger Zeit in die Brüche gegangen. Diese Fotografie scheint dies nun zu bestätigen. Allem Anschein nach sind die beiden sehr miteinander vertraut, wie man auf den Bildern unschwer erkennen kann. Eleonore Rutherford, Expertin in Sachen Körpersprache, sagte zu den Bildern, das Paar wirke „sehr verliebt“. Zeugen vor Ort berichteten sogar von leidenschaftlichen Umarmungen und zärtlichen Küssen! Unklar ist, ob aus dieser Romanze eine ernste Beziehung wird oder ob Potter nach all den Jahren des Kampfes und der Selbstaufopferung beschließt einige heiße Affären einzugehen und der neue Casanova zu werden. Ginny starrte auf das Bild, auf die Frau, die sich an Harry klammerte. Trotz der schlechten Qualität der Fotografie konnte man erkennen, dass sie viel Make-up trug. Ginny dachte immer, in Litauen wäre es kalt, weil es so weit im Osten lag, aber die Frau trug so wenig, dass sie sich in ihrem Minikleid und mit ihrem üppigen Ausschnitt vermutlich mehr als eine Erkältung einfangen würde. Ginny konnte es nicht fassen, ihre Gefühle, ihren Schmerz nicht in Worte fassen. Sie hatte immer gedacht, Harry würde zu ihr zurückkommen und sie würden, nachdem er seinen Auftrag erledigt hatte, wieder ein Paar werden. Sie hätte nicht angenommen, dass er sich so schnell eine Neue suchte - dass er es überhaupt tat -, in Litauen, wo er doch seinen Aufgaben als Auror nachgehen musste, die so wichtig waren, dass er keine Zeit mehr für eine Freundin hatte. Und wo war eigentlich Ron? Er war schließlich mit ihm im Ausland. Wieso passte er nicht auf ihn auf? Ginny drückte die Zeitung in Dracos Hände und wandte sich ab. Ihr war übel. „Wirst du jetzt wieder nostalgisch?“, versuchte Draco einen miesen Scherz, als er kurz den Artikel überflog. Als Ginny nicht reagierte, sah Draco sie prüfend über den Rand der Zeitung hinweg an. „Du wirst doch jetzt nicht anfangen zu heulen, oder?“, fragte er und steckte den Tagespropheten schließlich wieder zurück in den Ständer. Er war nicht besorgt um sie, eher beunruhigt, dass sie mitten in der Öffentlichkeit in seiner Gegenwart eine Szene machte. Ginny war froh, dass ihre Stimme nicht zitterte, als sie antwortete. „Natürlich nicht … Lass uns … lass uns ins Drei Besen gehen.“ Sie konnte jetzt einen Drink vertragen. Der Laden war rammelvoll mit Schülern, aber sie hatten Glück und ergatterten den letzten freien Tisch. Draco erkannte einige bekannte Gesichter. Mary Baker saß mit anderen Mädchen aus dem Hause Gryffindor an einem Tisch in der Nähe. Sie warfen verstohlene Blicke zu ihnen hinüber und kicherten. Aber nicht nur sie, auch andere Schüler warfen ihnen neugierige Blicke zu. Draco und Ginny gaben eben ein ungewöhnliches Paar ab. In der Schule würde das bestimmt für Gerüchte sorgen. „Was darf ich Ihnen denn bringen?“, fragte Madam Rosmerta, ihren Notizblock griffbereit. Sie hatte ein freundliches Lächeln aufgesetzt, das aber einzig und allein Ginny galt. Sie strahlte sie mit einem Lächeln an, als erhoffe sie sich eine extra Portion Trinkgeld von der berühmten Quidditchspielerin. „Feuerwhisky“, kam es kurz angebunden von Ginny. „Einen doppelten.“ „Sehr gerne doch. Unser Feuerwhisky ist der beste, den Sie bekommen können: Odgens Old Feuerwhisky, Jahrgang elfhundertdreiundfünfzig.“ Ginny zuckte mit den Schultern. Ihr war das im Moment so ziemlich egal. Madam Rosmerta widmete sich, ein wenig gekränkt von Ginnys Desinteresse, nun Draco. „Und Sie?“ Draco kam nicht umhin zu bemerken, dass Rosmerta zu ihm nicht mehr so freundlich war wie früher. In seiner Schulzeit hatte sie seinem Charme kaum widerstehen können, ihm schöne Augen gemacht und ihm das ein oder andere Mal ein Butterbier aufs Haus spendiert. Aber nach dem Krieg waren viele Leute nicht mehr nett zu ihm. Kaum noch einer versuchte sich bei ihm einzuschleimen, was er eigentlich immer genossen hatte. Da es sich bei ihm um einen ehemaligen Anhänger Voldemorts handelte war das wohl kaum verwunderlich. Draco bestellte sich ein Butterbier. Nachdem Madam Rosmerta davoneilte, beugte er sich über den Tisch zu Ginny. „Was du trinkst, ist mir ja egal, aber meinst du nicht, du solltest dich nicht ein wenig zurückhalten? Der Laden ist voll mit Schülern. Wir wollen doch nicht, dass sich die berühmte Ginny Weasley ihren Ruf verdirbt.“ Ginny warf ihm einen düsteren Blick zu. „Bist du meine Mutter, oder was? Ist doch nur einer“, rechtfertigte sie sich. Aber dabei blieb es nicht. Eine Stunde später hatte sie bereits vier Gläser davon getrunken. „Wenn man einmal probiert hat, kann man nicht mehr aufhören“, hatte Ginny beim zweiten Glas Feuerwhisky zwischen zwei Schlucken argumentiert. Die Tüte Süßigkeiten lag auf dem Stuhl neben ihnen. Ginny hatte nun die Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt und ihr Gesicht in die Hände gelegt. So starrte sie trübselig in die Tiefen ihres Whiskyglases hinein. Draco hingegen hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, die Beine unter dem Tisch übereinandergeschlagen und die Arme vor der Brust verschränkt. „Du langweilst mich“, sagte er, nachdem er versucht hatte irgendwelche Gespräche in Gang zu setzen, aber Ginny war zu nichts mehr zu gebrauchen. Wieso er sich überhaupt die Mühe gab diese Verabredung weiterhin aufrecht zu erhalten, wusste er nicht. Eigentlich könnte er auch genauso gut ins Schloss gehen und mit dem Brauen der Tränke beginnen. Selbst Hausaufgaben kontrollieren wäre produktiver, als hier herumzusitzen. Aber irgendwie tat Ginny ihm auf unerklärliche Weise tatsächlich leid. Der Grund für ihre schlechte Stimmung war offensichtlich. Und dabei war es bisher eigentlich ganz nett mit ihr gewesen. Draco war sogar kurz davor sich noch eine von Bertie Botts Bohnen zu nehmen, nur, damit es ein wenig aufregender wurde, aber das war ihm dann doch zu waghalsig. Das Butterbier hatte es nicht geschafft den Kirschgeschmack zu vertreiben und dabei durfte es gerne bleiben. Am Ende erwischte er noch so eine Bohne mit Popelgeschmack. Nein, danke. Das Lokal leerte sich allmählich und durch die Fenster drang immer weniger Sonnenlicht, sodass Rosmerta die Kerzen mithilfe ihres Zauberstabes entzündete. Es wurde Abend. „Nur damit das klar ist“, schnarrte Draco. „Noch einmal werde ich mich nicht mit dir verabreden. Egal zu was.“ „Fein“, sagte Ginny gleichgültig. Sie schwenkte ihr Glas in einer Hand und beobachtete dabei die Eiswürfel, die gegen das Glas klirrten. „Ich hätte dich auch nicht gefragt, wenn Neville mich nicht versetzt hätte.“ „Ich war also deine zweite Wahl.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Wieso nur kümmerte ihn diese Erkenntnis? Es war ja wohl klar gewesen, dass sie zuerst jemand anderen gefragt hatte. „Ich gebe zu, du bist nicht unbedingt meine erste Wahl gewesen“, gestand Ginny schulterzuckend. „Wie beruhigend.“ Als Ginny noch einen weiteren Schluck von ihrem Whisky nehmen wollte riss Draco ihr das Glas aus der Hand. „Es reicht jetzt!“, zischte Draco. Er gab Madam Rosmerta das Zeichen, dass sie bezahlen wollten. „Wir gehen jetzt.“ „Tut mir leid, dass ich dir den Tag verdorben habe“, murmelte Ginny, während sie träge aufstand. Draco reichte ihr die Tüte aus dem Honigtopf. „Macht nichts. Hab schließlich damit gerechnet.“ Den Weg zurück zum Schloss verbrachten sie schweigend. Dracos gute Erziehung gebot es ihm sie noch zu ihrem Zimmer im dritten Stock zu begleiten, außerdem wusste er nicht, wie betrunken sie wirklich war. Einige Male hatte sie ziemlich gefährlich auf dem Weg zum Schloss geschwankt - was für verwirrte Blicke von den Schülern gesorgt hatte, die ebenfalls auf dem Rückweg waren. Er wollte nicht riskieren, dass man sie am nächsten Morgen besoffen und schnarchend in den Gängen liegend fand. Er fand es schade, dass dieser Tag solch ein Ende nehmen musste, denn eigentlich war es zeitweise ganz angenehm gewesen. Das Unterrichten in Hogwarts grenzte seine Freizeit ziemlich ein und er hatte sich schon lange nicht mehr so amüsiert. Unweigerlich musste er sich eingestehen, dass es wieder einmal Potter war, der ihm alles ruiniert hatte. Ginny versuchte gerade den Schlüssel in ihr Schlüsselloch zu stecken, als Draco die Worte nicht mehr zurückhalten konnte. „Ich weiß nicht wieso du dich wegen dem so runterziehen lässt. Potter ist ein Arsch. Selbstverliebt und arrogant. Merlin weiß wie du es überhaupt so lange mit ihm aushalten konntest.“ Ginny schloss die Augen, als würde sie seinen Worten dadurch ausweichen können. „Ich will nicht darüber reden“, stellte sie klar. Draco seufzte entnervt. Es kam ihm vor, als würde er mit einem seiner naiven, pubertierenden Schüler reden, nicht mit einer erwachsenen Frau. „Du tust ja fast so, als würde die Welt untergehen“, motzte er. Bestürzt starrte sie ihn an. „Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle, okay?“ „Tze, als ob du die einzige wärst, die eine Trennung durchmachen musste! Ich weiß, wie sowas ist!“, behauptete er barsch, obwohl das ein wenig übertrieben war. Das mit ihm und Pansy war wohl kaum vergleichbar. „Was interessiert es dich überhaupt?“, fuhr sie ihn an. „Es interessiert mich nicht im Geringsten! Es ist mir sowas von scheißegal!“ „Dann lass mich gefälligst in Ruhe. Es ist ja wohl verständlich, dass es mich nicht kalt lässt wenn ich erfahre, dass … d-dass …“ Ginny stockte. Sie brachte es nicht über sich es auszusprechen. Das Bild aus der Zeitung tauchte wieder vor ihren Augen auf und eine eisige Hand umklammerte ihr Herz. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf, um das Bild zu vertreiben. „Wir waren ja auch nur sechs Jahre zusammen“, murmelte sie eher zu sich selbst. „Vielleicht hatte er ja einfach nur die Nase voll von dir?“ Vielleicht hätte er das lieber nicht sagen sollen. Ihre Unterlippe fing bedrohlich an zu zittern. Sie blinzelte ein paar Mal, schaffte es aber nicht die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Ginny ließ die Tüte aus dem Honigtopf fallen und stürzte sich auf Draco, aber, statt auf ihn einzuschlagen, wie er zuerst befürchtete, warf sie sich in seine Arme und brach an seiner Schulter in Tränen aus. Reglos verharrte Draco für einen Moment, überrascht über diesen plötzlichen Gefühlsausbruch. Er wusste nicht was er sagen sollte und auch nicht was er tun sollte. Diese körperliche Nähe behagte ihm überhaupt nicht. Aber er war ja selbst schuld. Wieso hatte er nicht seine blöde Klappe halten können? Prüfend sah er sich im Korridor um. Hoffentlich würde niemand sehen, was er im Begriff war zu tun. Zuerst zögerte er, aber dann legte er seine Arme um sie. Sanft strich er über ihre Arme und ihren Rücken, versuchte sie mit seinen Berührungen zu trösten. Ginny ließ ihren Tränen freien Lauf und krallte sich an Dracos Jackett fest. In diesem Moment war es ihr egal, an wen sie sich klammerte, bei wem sie Trost suchte. Es ging ihr elend. Schon bald bemerkte sie, wie seine Umarmung, seine starken Arme, die sie festhielten, sie beruhigten. Nähe war das was sie momentan wollte, was sie brauchte und genau das gab er ihr. „Es t-tut mir leid“, stammelte sie, nachdem die Schluchzer abebbten. „Eigentlich … b-bin ich nicht so weinerlich. D-das ist … der Alkohol. Dein Jackett …“ „Ist schon gut.“ Draco starrte aus einem der Fenster hinaus, die in der gegenüberliegenden Mauer eingelassen waren. Von hier aus konnte man sogar den Mond sehen. Ein sichelförmiger, heller Fleck leuchtete am nachtschwarzen Himmel. Es war spät geworden. Umso länger sie hier standen, desto dringender wollte er hier wieder weg. „Du bist so lieb“, murmelte Ginny und es war wohl der Feuerwhisky, der plötzlich aus ihr sprach. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg und legte ihren Kopf seitlich gegen seine Schulter, sodass sie ihn ansehen konnte. Sie blickte auf seinen Hals, sah die blasse, makellose Haut. Sie konnte, da sie ihm so nah waren, sein Parfum riechen. Ginny atmete einmal tief ein. War es überhaupt Parfum? „Hmm … du riechst so gut.“ Draco spürte ihren warmen Atem an seinem Hals. Er fühlte sich nicht wohl. Er fühlte sich überhaupt nicht wohl. Ginny hob ihre Hand, legte sie an seine Wange und drehte sein Gesicht ihrem zu. Ihre Nasenspitzen berührten sich, als er zu ihr hinabsah. Er roch den Feuerwhisky in ihrem Atem und er war sich sicher, dass man ihn auf ihren Lippen noch würde schmecken können. „Du bist betrunken“, meinte er leise. Ginny sah ihn aus halb geschlossenen Augen an. Die Wimpern waren tränenverschmiert, ihre Wangen rot, vom Alkohol und vom Weinen. „Nur ein bisschen“, hauchte sie gegen seine Lippen. Draco wusste, dass es nicht nur ein bisschen war. Ginny schien weniger zu vertragen, als er ihr zugetraut hatte. Der Alkohol machte sie entscheidungsunfähig. Unbewusst war er ihr näher gekommen, er zog sich aber sofort wieder ein Stückchen zurück, als er es bemerkte. Es sollte nicht so schwierig sein sich zu beherrschen. Es fühlte sich fast so an, als wäre er ebenfalls betrunken und außer Stande logisch zu denken. „Ich sollte lieber gehen“, flüsterte er. Ginny zog ihre Hand zurück, die auf seiner Wange geruht hatte, blieb aber weiterhin an ihn gelehnt. Leise, kaum wahrnehmbar, wisperte sie: „Dann geh doch.“ Aber Draco rührte sich nicht. Er konnte sich einfach nicht von ihren Augen lösen. Die hellen braunen Augen sahen ihn so intensiv an, dass es ihm unmöglich war den Blick von ihr zu nehmen. Draco wusste, dass ihr Vorhaben nur eine Reaktion auf diesen dämlichen Zeitungsartikel war, der ihre Gefühle hochkochen ließ und dass der Alkohol zusätzlich noch alles verstärkte. Und doch ließ er es zu, dass sie ihre Lippen auf seine legte und sie diese Dummheit begangen, die sie beide am nächsten Tag bestimmt bereuen würden. Sie schmeckte wirklich nach Feuerwhisky. Und es war wie bei dem richtigen Getränk, wie bei Ginny, als sie es im Drei Besen getrunken hatte: Wenn man einmal probiert hatte, konnte man nicht mehr aufhören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)