Eis von Ryourin ================================================================================ Kapitel 1: "Also geben wir uns als Nessie-Spinner aus?" ------------------------------------------------------- Die Kreatur näherte sich mit kleinen, trippelnden Schritten. Sie war umgeben von kalten Dunstwolken, die sie mit jedem Atemzug ausstieß, und sie schlich langsam auf die kleine, haarige Gestalt zu, die eingerollt vor dem Kamin lag. Solche Lebewesen kannte die Kreatur nicht, doch sie war neugierig – und mit einem Satz, der bei ihren obskuren, dünnen Beinchen fast unmöglich wirkte, war sie neben dem Kamin. Der Boden unter ihren Füßen gefror augenblicklich mit jedem Schritt, den sie tat. Dann hob sie langsam eine Kralle und strich über das Fell des kleinen Hundes. Eine Sekunde später wurde aus dem warmen, lebendigen Tier eine kalte, leblose Statue aus Eis. Die Kreatur sprang auf das nächste Fensterbrett und verschwand wieder in der Nacht. ** „Das war eine beschissene Idee“, schimpfte Dean, der gerade mit einer verdächtig grünen Gesichtsfarbe die Treppe des Flughafens zum Ausgang hinunterstolperte. „Ehrlich, Mann. Ich mach das nicht nochmal mit!“ Sam verdrehte nur genervt die Augen. „Du bleibst also für den Rest deines Lebens in Schottland?“, fragte er spöttisch. Dean quittierte das mit einem beleidigten „Hmpf!“ und beließ es dabei. Das Schweigen war eine willkommene Abwechslung zu den angespannten Schimpftiraden, die sich Sam während des ewig langen Flugs anhören durfte. Dean fluchte lieber, statt zuzugeben, dass er tierische Angst vor dem Fliegen hatte. Sam hätte sich längst an diese verquere Methode der Stressbewältigung gewöhnen müssen, aber das würde wohl nie passieren, zumindest nicht, solange Deans Stolz noch seinen Verstand übertraf. „Grins nicht so blöd!“, fuhr ihn ein völlig überforderter Dean erneut an. Sam zuckte nur die Schultern und hielt Ausschau nach einem Taxi, als sie das Gebäude verlassen hatten. Die bevorstehende Fahrt würde anstrengend genug werden, wenn er sich den Zustand ansah, in dem sich sein Bruder momentan befand. Eine ganze Weile später befanden sie sich schließlich an ihrem eigentlichen Ziel: Ein winziges Städtchen am Ufer eines ganz bestimmten Sees: Loch Ness. „Drumma-was? Wie heißt das Kaff?“, fragte Dean gereizt, der den Flug offensichtlich noch nicht verdaut hatte. „Drumnadrochit“, antwortete Sam und ignorierte das gehustete „Besserwisser“, das er meinte, gehört zu haben. „Wir werden hier nicht auffallen, hier ist alles bevölkert von Touristen.“ Der Anflug eines Grinsens huschte über Deans bisher eisige Miene. „Also geben wir uns als Nessie-Spinner aus?“ Sam ignorierte die Frage und deutete auf ein modernes Hotel am Ende der Straße, das nicht so recht in die Szenerie der kleinen Stadt passte. „Bobbys Freund trifft uns dort in einer Stunde.“ - „Ja, um uns noch mehr Schauermärchen über das böse Monster aus dem Loch Ness anzuhören.“ Dean rollte die Augen. „Ehrlich, Sammy, warum zum Teufel sind wir hier? Was kommt als nächstes – Bigfoot?“ „Dean“, seufzte Sam, ohne auf die kindischen Witze einzugehen. „Bobby sagt, dass etwas dran zu sein scheint. Hältst du Bobby auch für bekloppt?“ „Wenn er an Nessie glaubt...“ Sam beschleunigte seine Schritte und achtete nicht weiter auf das Geplänkel hinter ihm. Stattdessen stapfte ungerührt durch die Pforten des Hotels, nahm sich der nötigen Formalien an und wartete nach dem Einchecken schließlich gelassen auf einem der Lobbysofas, während Dean irgendwo Fressalien auftrieb. Ihm kam die ganze Geschichte selbst nicht besonders glaubwürdig vor, aber er hatte genug Vertrauen in Bobbys Urteilsvermögen, um es nicht sofort als Unsinn abzutun. Und wenn hier etwas dran war, dann würden sie es herausfinden. Schließlich öffnete sich die Eingangstür des Hotels, das gerade nicht sonderlich belebt schien, erneut, und ein seltsam aussehender Kerl betrat das Gebäude. Er trug abgewetzte Kleidung und schien eigentlich völlig normal, aber die Art, wie er sich betont gelassen umsah, war auffällig. Zu aufmerksam für jemanden, der nicht ständig von übernatürlichen Viechern umgeben war. Dann fiel sein unruhiger, stechender Blick auf Sam und mit wenigen Schritten saß er neben ihm. „Sam Winchester?“ Seine Frage war eher rhetorisch, er wusste, wen er vor sich hatte. Sam nickte. „Kyle Dunn“, sagte er und mühte sich nicht weiter mit Höflichkeiten ab, denn er ignorierte Sams ausgestreckte Hand. „Ich nehme an, Bobby hat euch das Gröbste bereits mitgeteilt.“ Sam nickte wieder, und Kyle sprach ohne Zögern weiter. „Ich kann mir denken, was ihr davon haltet. Ich würde ähnlich denken, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte.“ „Am See-“, setzte Sam an, aber er wurde unterbrochen. Höflichkeit schien wirklich nicht zu den Stärken dieses Kerls zu gehören, dachte er, aber Kyle sprach schon wieder. „Ich glaube nicht an Schauermärchen, an Nessie, oder irgendeinen Unsinn der Art. Der meiste Mist, den die Leute hier glauben zu sehen, ist nicht ernst zu nehmen, aber ein paar Vorfälle passen in das Muster. Ich war auf der Spur von ein paar Vampiren, die vor ‘ner Weile ein paar Touristen hier kaltgemacht haben, in der Nähe des Sees. Viel konnte ich nicht sehen, aber das Vieh, dem ich begegnet bin, war nichts, was ich kannte.“ Er hielt einen Moment inne, und Sam sah ihn skeptisch an, blieb aber stumm. „Letzte Woche, verdammt kalte Nacht, am Westufer des Sees. Wie gesagt, ich war auf der Suche nach dem Blutsaugernest, hab ihnen in der Kälte aufgelauert. Dann wurde es seltsam. Ich hab erst nicht darauf geachtet, aber irgendwann wurde die Kälte beißender, ziemlich unnormal, und dann, vielleicht 300 Meter entfernt, wurden die Bäume zu Eis. – Nicht wie bei normalem Frost“, fuhr er fort, als er Sams Blick bemerkte. „Als würde man sie in Eis hüllen. Das kann kein Blutsauger der Welt, dachte ich, und ging näher ran. Die Kälte war kaum zu ertragen, und dann war da dieses Vieh.“ Er schauderte. Einen Moment war seine grobe Fassade vergessen, dann fasste er sich. „Es schien mich bemerkt zu haben – plötzlich ließ die stechende Kälte nach, und dann konnte ich sehen, wie sich das Vieh in den See verzog. Viel hab ich nicht erkennen können“, beantwortete er sogleich Sams unausgesprochene Frage. „Es war etwa groß wie ein Hund, aber schuppig, und genau konnte ich nur die kralligen Füße – Pfoten – Was auch immer sehen, die im Wasser verschwanden. Darüber bildete sich eine Schicht aus Eis.“ Sam hatte schweigend zugehört und sah Kyle nachdenklich an. Er erschien ihm seltsam, aber davor hatte Bobby ihn schon gewarnt. Kyle wäre vieles, aber kein Spinner, hatte Bobby gesagt, und auf sein Wort vertraute Sam. „Und was sind die anderen Vorfälle?“, fragte Sam. Kyle sah ihn stirnrunzelnd an. „Ja, gleich. Jedenfalls hab ich mich dann aus dem Staub gemacht, Blutsauger hin oder her – das war nichts, was ich gekannt hab. Und dann rannte ich in Miss York.“ Wieder wartete Sam, aber Kyle schien in seine absonderlichen Gedanken versunken. Er räusperte sich kurz und fing sich einen irritierten Blick ein. „Das ist die zweite Sache. Die Alte ist ziemlich klapprig und schrullig, und normalerweise hätte ich ihr Gerede ohne weiteres abgetan, aber als sie anfing, von Eis zu faseln – du kannst dir den Rest denken. Vor ihrem Kamin lag ihr Köter in einer Schicht aus dickem Eis.“ „Das – Ding – hat es eingefroren?“ Sam war überraschter, als er sein sollte, aber dies war tatsächlich nichts, von dem er je gehört hatte. „Wie ein Eis am Stiel“, murmelte Kyle. „Fangt bei der Alten an. Bei ihrer kranken Verehrung für den Köter wird sie sich sicher nicht davor scheuen, noch jemandem die Geschichte über ihren armen Liebling auftischen zu können.“ Mit den Worten erhob er sich auch schon. „Wenn ihr mehr rauskriegt – du weißt von Bobby, wo ihr mich findet.“ Damit verschwand er ohne weitere Worte. Sam sah ihm nach, bis die Tür zufiel, dann war er auch schon in Grübeleien versunken. Das war nichts, das sie je gesehen hatten, und das machte die Sache verdammt riskant. „Schammy?“ Dean tauchte hinter ihm auf, beladen mit einem Haufen, der wie eine Menge zerdrückter Sandwiches aussah, und einem davon zwischen den Zähnen. „Wo isch der Kerl nu?“ „Gegangen“, murmelte Sam, und Dean fiel das Sandwich – die Reste davon – aus dem Mund. „Was?“ Seine Stimme klang genervt. Ein übles Zeichen, denn ein genervter Dean war ein anstrengender Dean. Ein genervter Dean hatte unübersehbare Ähnlichkeiten mit einem beleidigten Kind. Sam seufzte und sah seinen Bruder an. „Also – Hör zu.“ ** „Der arme Rex hatte das nicht verdient“, schniefte die alte Dame, auf deren Sofa sich die Winchesterbrüder befanden, voller Trauer. „Wisst ihr, ich kam heim, völlig ahnungslos, und da merkte ich schon, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise bellt – bellte“, verbesserte sie sich mit einem unterdrückten Schluchzen. „Er bellte immer schon, bevor ich zur Tür rein kam. Aber es war totenstill.“ Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. „Und dann kam mir diese unheimliche Kälte entgegen, als ich aufschloss. Wie in einem Kühlhaus.“ Sie schauderte. „Ich war schon beunruhigt, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Und dann – dann war da Rexi – und –“ Ein erneuter Schluchzer unterbrach ihren Monolog, und Sam tätschelte peinlich berührt ihre Schulter, während Dean hinter dem Rücken der alten Dame schadenfroh grinste. „Ich verstehe, Miss York“, sagte er in beruhigendem Sam-Tonfall, und die alte Frau lächelte ihn dankbar an. „Wo ist Rex jetzt?“, fragte Sam. Er konnte sich nicht vorstellen, was man mit einem Eisklumpen aus Dackel anstellte. Auftauen und begraben? „Nun ja“, murmelte die Frau und schien plötzlich verlegen. „Wissen Sie, ich konnte mich nicht von ihm trennen, nicht so, und... im Gefrierfach.“ Sie sah betreten auf den Boden, während ihr erneut Tränen in die Augen schossen. Dean musste schwer an sich halten, nicht in Gelächter auszubrechen, als Sam erneut den Arm der Frau tätschelte. „Könnten wir ihn sehen?“, fragte Dean plötzlich, und Miss York sah ihn seltsam an. „Damit wir... uns ein eigenes Bild machen können“, fügte er hastig an. „Um den Täter zu finden.“ Das tat den Rest. Die Alte nickte entschlossen und stand auf. „Folgt mir.“ ** „Olle Schrulle“, sagte Dean augenrollend, als sie das Haus verließen. „Was für ein Theater wegen einem Dackel. Ich werd' nicht mehr.“ „Wir sollten uns weiter umsehen“, meinte Sam nur, ohne auf die geschmacklosen Witzeleien einzugehen. „Das könnte dauern.“ Fünfzehn Unterhaltungen, drei weitere Schrullen und einen wütenden Ladenbesitzer später saßen Sam und Dean wieder in ihrem Hotelzimmer und brüteten über einem Plan der kleinen Stadt. „Hier ist der See“, sagte Sam und deutete mit dem Finger auf die Karte. „Dort“, er kreiste ein Haus ein, „ist der Anschlag auf den Hund geschehen.“ Dean grinste ob der Wortwahl, aber Sams weitere Ausführungen verhinderten weitere Dean-Witze. „Hier“, er kreiste wieder eines ein, „wohnt Kyle. Und hier“, der nächste Kreis, „ist das Haus des Kerls mit dem eingefrorenen Sofa.“ Dean grinste immer noch, als er sich an diese Unterhaltung erinnerte. Der Typ war entsetzter gewesen über die eingefrorene Fernbedienung seines TV-Geräts als über die Erscheinung an sich. „Und hier“, Sam kreiste ein drittes Haus ein, „war das gefrorene Bett.“ „Und die Häuser stehen näher als alle anderen am Loch Ness“, schlussfolgerte Dean, der sich zur Abwechslung ihren Ermittlungen widmete. „Damit bleibt nur noch ein Haus, das so nahe am See liegt.“ Sam kreiste das vierte und letzte Haus in unmittelbarer Nähe ein. „Und damit hätten wir eine Idee, wo wir Ausschau halten sollten“, sagte Dean und sah Sam an, der nachdenklich auf die Karte starrte. „Alle vier Vorfälle, Kyle eingeschlossen, geschahen unmittelbar nacheinander. Also wissen wir, wo wir heute Nacht Ausschau halten müssen.“ Sam jedoch schüttelte den Kopf. „Ich seh mir das Haus an, Dean, du das Ufer. Heute Nacht.“ ** Dean kauerte in der Eiseskälte inmitten eines dornigen Busches und hielt sich erstaunlicherweise sogar an Sams ausgeklügelte Anweisungen, während er in einer mehr als unangenehmen Pose verharrte. Waffen? Check. Lage? Check. Bösewicht? Hm. Garausmachen? ... In Arbeit. Sam war jetzt in einem warmen, trockenen, nicht kalten Haus. Und spielt nicht das Nadelkissen, dachte Dean missgelaunt, während er weiterhin auf das Seeufer starrte, das sich vor ihm erstreckte. Die Oberfläche war mit silbernem Eis bedeckt, das ekelerregend ansehnlich im Mondlicht schimmerte – Vollmond natürlich, um die Atmosphäre zu gewährleisten. Als hätten bei ihren Fällen die Klischees jemals einen Bogen um sie gemacht! So verdammt aufmerksamkeitserregend das Eis vor ihm auch glitzerte, dementsprechend scheißkalt war es in seinem Scheißbusch. Mit zunehmender Kälte sank Deans Laune ein weiteres Stückchen, und die Nacht bekam diesen Unmut in Form von leisem Grummeln und Brummen in regelmäßigen Abständen zu spüren. Er starrte wieder auf das Eis. Bescheuertes Eis, bescheuerte Kälte, bescheuertes Schottland. Natürlich konnte nur Sam der bescheuerten Idee zustimmen, einem von Bobbys Freunden aus der Patsche zu helfen, und eigentlich hätte Dean das nicht gestört. Aber warum, verdammte, bescheuerte Scheiße nochmal, musste das in Schottland sein?! Zwei Stunden später war Dean sich nicht sicher, ob seine Zehen noch vollständig waren oder er sich nur einbildete, kein Gefühl mehr im Großteil seines Körpers zu haben. Wahrscheinlich war er so gelangweilt, dass seine Gliedmaßen davon Wind bekommen hatten. Das Spannendste waren ein paar verirrte Tiere und verfrorene Wanderer gewesen. Wer zum Teufel ging bei der Kälte wandern? Aber Dean wäre das scheißegal, würde er nicht selbst in der Kälte stehen müssen, weil sein kleiner Bruder an Schauermärchen glaubte. Und dann sah er das das Glitzern. Irgendetwas bewegte sich in der Nähe des Ufers im Wasser, und es hätte ihn nicht so aufmerksam gestimmt, hätte es nicht so seltsam geschimmert. Endlich, verdammte Scheiße!, dachte er missmutig, aber auf der Hut. Langsam wand er sich aus seinem Versteck hervor und schlich näher an den Ort des Geschehens. Und wieder – ein seltsames Glitzern, und eine Woge, die zu stark für einen Fisch und die windstille Nacht war. Noch einen Schritt, und dann – landete er im Wasser. Hämisches Gelächter ertönte, und während er prustend zurück ans Ufer kletterte, konnte er drei halbstarke Witzbolde erkennen, die sich gerade aus dem Staub machten. Wieder an Land blieb er flach auf dem Boden liegen und starrte resigniert vor sich hin. ** Die Nacht war schon fortgeschritten, und Sam hatte alle Mühe, in der wohligen Wärme des Hauses nicht einzuschlafen oder die Bewohner zu wecken. Er kauerte hinter einem Sofa im Wohnzimmer und sah wachsam umher, auch wenn seine Aufmerksamkeit im Laufe der Stunden nachgelassen hatte. Nichts, bisher gar nichts, und langsam glaubte er selbst nicht mehr daran, am richtigen Ort zu sein. Bis ein eisiger Wind unter seine Kleidung fuhr und ihn innerhalb Sekunden hellwach machte. Er lauschte in das Halbdunkel – und hörte nichts. Doch dann nahm die Kälte zu, so stark, dass er seine Zähne vom Klappern abhalten musste, und dann – dann hörte er Schritte. Trippelnde Schritte, die nicht nach Hundepfoten klangen. Und noch mehr Kälte. Angespannt lugte er hinter dem Sofa hervor, und wieder steigerte sich die klirrende Kälte. Er wusste nicht, wie lang er diese aushalten könnte, aber jetzt, wo er auf der richtigen Fährte zu sein schien, war es ihm egal. Und dann sah er es. Sein Atem stockte, als er die seltsame Kreatur in voller Größe betrachten konnte. Sie war etwa groß wie ein Hund, so, wie Kyle gesagt hatte, und von Kopf bis Fuß aus glänzenden Schuppen. Die vier Beinchen waren grotesk dürr und sahen nicht aus, als könnten sie den rundlichen Körper tragen, doch das seltsamste war der Kopf. Es sah aus wie ein Alien aus einem Hollywoodfilm... oder, mit viel Fantasie, wie ein schuppiger Hund. Dann sah es hoch und erwiderte Sams Blick, und der letzte Gedanke, der ihm in den Kopf schoss, war ein wüster Fluch, der Deans Wortschatz Konkurrenz gemacht hätte. ** Dean war klitschnass. Klitschnass, eiskalt und sehr, sehr schlechtgelaunt. Den Weg zum Hotel, der von seinen übellaunigen Flüchen begleitet war, trabte er eher, als dass er ihn gegangen wäre, und irgendwann stand er schließlich vor seinem Hotelzimmer. Und gerade, als er den Schlüssel herauskramen wollte, bemerkte er den eisigen Hauch, der ihm unter der Tür entgegen wehte. Scheiße, scheiße, scheiße, Sammy! Seine Gedanken rasten ebenso schnell wie sein Herz, das soeben von null auf hundert beschleunigte, und ohne irgendeinen Plan zu fassen, trat er die Tür ein. Völlig ignorierend, dass er einen Schlüssel hatte, aber das war gerade nicht Deans höchste Priorität. Sam, schoss es durch seinen Kopf, wieder und wieder, und schließlich splitterte die Tür und gab nach. Die Wände im Innern waren von einer silbrigen Eisschicht bedeckt, bemerkte er, als er sich gehetzt umsah. Innerhalb von Sekunden gingen im mehrere Varianten von Sams qualvollem Tod durch den Kopf, die sein Herz und seinen Willen unermüdlich antrieben, und bevor er irgendetwas anderes tun konnte, vernahm er ein Räuspern. Sein Blick fiel auf den Boden. Auf Sam. Und neben ihm saß etwas, das große Ähnlichkeit mit einem ausgestopften Fisch auf vier Beinen hatte. „Dean“, begrüßte ihn Sam grinsend. „Darf ich dir unseren Gast vorstellen?“ Dean war sprachlos. Die ganze Szene entbehrte jeglicher Realität, und dieses Ding, was zum Teufel war dieses Ding? „Das ist Nessie“, fuhr Sam fort und deutete auf das Vieh. Es schien ein Schwanzwedeln anzudeuten, zumindest wackelte der Stummel am hinteren – war es das hintere? – Ende seines Körpers. Nessie bleckte die Zähne. Nein, es grinste. Grinste Dean an. Und dann redete Sam weiter. ** „Wisst ihr“, sagte Nessie und gähnte dabei herzhaft, „es ist verdammt schwer hier. Und immer dieses Monstergerede! Ich wollte den Hund übrigens nur streicheln“, murmelte er verlegen und grinste schüchtern. „Aber es ist schwer, wenn alles unter deinen Händen erfriert.“ Seine Stimme war belegt, und Dean tat sich schwer damit, zu glauben, dass dieses Vieh so etwas wie Schmerz verspürte. „Ich hätte da einen Vorschlag für dich“, meinte Sam und ignorierte Deans irritierten Blick. ** Es war ein kalter Tag in Alaska für Chris Porter. Und trotzdem musste er, wie jeden Tag, seinen Job erledigen und zahllose Pakete an die Bürger aus New Hemlin verteilen. An der nächsten Adresse stieg er aus dem Wagen, öffnete den Laderaum und griff nach dem entsprechenden Paket – um es sofort wieder fallen zu lassen. Es war eiskalt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)