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Das Buch

Mein Tagebuch von Naruto
von

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Mein Tagebuch - von Naruto

Mal wieder. Und wieder ganz plötzlich. Ich kam von der Schule nach Hause, grüßte kurz und wollte mich in mein Zimmer verziehen um zu lesen, als meine Mutter sagte: „Sasuke, mein Schatz.“

„Verstehe, wir ziehen wieder um.“
 

Und jetzt stand ich vor meiner neuen Klasse in Konoha. Die wievielte war es in diesem Jahr? Die Dritte oder schon die Vierte? Irgendwann hört man auf zu zählen, sogar wenn es darum geht, umzuziehen.
 

„Das ist euer neuer Mitschüler – Sasuke Uchiha,“ sagte der Lehrer gerade. Kannte man einen, kannte man alle. Ich hörte gar nicht großartig zu, es war ohnehin immer das Gleiche. Der Lehrer hielt mir die Kreide entgegen, ich klemmte meine Schultasche zwischen die Beine und schrieb meinen Namen auf die Tafel. Hinter mir hörte ich helle Stimmen tuscheln. Auch das war wie immer.

Die Mädchen interessierten sich nicht für mich, nur für mein Aussehen, und das war eben – überdurchschnittlich gut. Das soll nicht eingebildet klingen, ich sag ja nur, wie es eben ist. Ich meine, das war ja nicht meine Schuld, ich hatte das Aussehen meiner Mutter geerbt, wenn einer daran schuld war, dann sie. Wie gesagt, sie interessierten sich nur für mein Aussehen, aber nicht für meine Person, und ich hasste diese Oberflächlichkeit.
 

Die Jungs sahen mich teilweise neugierig, teilweise gelangweilt an. Ich versuchte einen zu finden, der – irgendwie – anders war. Nein, das waren alles Normalos. Also würde ich auch hier wieder alleine sein. Wenigstens hatte ich meine Musik und vor allem meine Bücher, sonst wäre oder würde ich vor Langeweile sicher sterben. Oder in die medizinische Geschichte eingehen, als neue tödliche Krankheit. „Fünfzehnjähriger über Nacht vor Langeweile um hundert Jahre gealtert.“ Und natürlich würden es mir wieder mal alle nachmachen, anstatt sich selbst etwas einfallen zu lassen.
 

Nachdem, nennen wir es mal die Begrüßungszeremonie (wie ich heiße, woher, wie alt, wie froh man wäre, das ich da sei, etc. ) vorüber war, kam etwas Neues. Es brachte mich fast aus dem Konzept. Mein Sensei sagte, ich solle mir einen Platz aussuchen. Aussuchen. Er sagte mir nicht, setz dich da hin oder dorthin, sondern – such dir einen aus. Als ich Ja gut, sagen wollte verschluckte ich mich vor lauter Schreck und bekam einen Hustenanfall. Hustend mit der Hand vor der Mund suchte ich mir einen leeren Tisch am Fenster aus. Wenn das nicht super war - ey, ich könnte hier wenigstens aus dem Fenster sehen. Um einiges besser gelaunt, lächelte ich sogar jemandem zu, die mich mit grünen Augen anstarrte, was ich sofort aber wieder bereute, denn sie jauchzte, wurde rot, presste sich beide Hände so fest gegen ihr Gesicht, das es aussah wie Kuchenteig, der geknetet wurde und drehte sich so schnell herum, das ihre Haare die Augen ihres Hintermannes streiften, der daraufhin fluchte und sich die Augen zuhielt mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie entschuldigte sich nicht einmal. Okay, Sasuke, nicht lächeln, gibt nur Ärger.
 

Ich setzte mich auf den Platz direkt neben dem Fenster und stellte meine Tasche auf den andern Stuhl. Die ersten beiden Stunden plätscherten vor sich hin. Dann hatten wir Zeichnen. Jemand fragte, ob sie sich neben mich setzen dürfe. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass der Platz schon von meiner Tasche besetzt war. Dann kam auch schon der Lehrer. Ein alter Kauz, pervers schätzte ich sofort, der sich für recht lustig zu halten schien, aber ich würde ihn nicht unterschätzen. Ich hatte genug Menschenkenntnis sammeln können.
 

Die Malutensilien wurden von der Schule gestellt, und lagen in dem Klapptisch. Ich hob den Deckel hoch, holte Block, Lineal, Bleistifte und Buntstifte heraus und da – lag es. Ein rotes Buch. Leder. Als ich es in die Hand nahm fühlte ich ein seltsames Kribbeln in den Fingern, als wären sie eingeschlafen und grade am Wachwerden. Was war das? Ein – wie lerne ich zeichnen – Buch? Ich öffnete es.

Mein Tagebuch von Naruto. Ich beeilte mich und steckte es in meine Tasche, bevor es jemand sah und mir wieder wegnehmen konnte. Nervös sah ich alle paar Minuten auf die Uhr. Ich wollte endlich nach Hause und – das Buch lesen.

Erster Eintrag

Eine Ewigkeit später läutete es endlich. Schulschluss. Eingeräumt hatte ich schon Minuten vorher, jetzt klemmte ich mir meine Tasche unter den Arm und wollte gehen. Hausaufgaben hatten wir im letzten Fach keine auf bekommen und der Lehrer packte Unterlagen, eingesammelte Hefte und Bücher in seine schwarze Ledertasche. Mich hielt nichts mehr hier, ich stand von dem etwas zu kleinen Stuhl auf und marschierte Richtung Ausgang.

„Sasuke, warte.“

Ich drehte mich um. Vier Mädchen standen hinter mir. Ah, ich wusste, was sie wollten. Fragen stellen. Ob ich eine Freundin hätte, ob ich noch Zeit hätte, oder nach der Schule vielleicht auch später - „Tut mir leid, ich muss heute sofort nach Hause gehen und meiner Mutter beim Auspacken helfen. Den ganzen Tag.“ Ich versuchte erst gar nicht so zu tun, als ob ich es bedauern würde.

Damit hatte ich sie hoffentlich vom Hals. Für heute. Draußen waren ein paar Jungs, die mich zum Fußballspielen aufforderten. Ich erzählte die gleiche Ausrede und vertröstete sie auf morgen. Anschließend schwang ich mich auf mein Fahrrad und radelte los, in der Hoffnung, dass nichts mehr dazwischen kam.

Eine Viertelstunde später war ich bei unserem neuen Zuhause, ich lehnte das Rad gegen den Holzzaun, ging zur Tür, schloss auf, zog meine Schuhe aus und ging sofort auf mein Zimmer. Aus den Augenwinkeln sah ich einen Zettel. Ich beachtete ihn aber nicht weiter. Mir war auch so klar, was darauf stand. „Bin bei den neuen Nachbarn, alle sind sehr nett, dein Essen steht im Kühlschrank, du musst es dir nur noch warm machen, wünsche dir einen guten Appetit mein Schatz und lass es dir schmecken, bis nachher. Mama.“

Ich schloss meine Zimmertür hinter mir, und öffnete die braune Schultasche. Einen Moment zögerte ich. Nein, es war eher, ich kostete den Moment aus. Dann fischte ich mit zitternden Fingern das Buch heraus. Wie schon in der Schule fühlten sich meine Fingerspitzen auch diesmal irgendwie taub an. Es war also keine Einbildung gewesen.

Mit dem Buch in der Hand warf ich mich auf mein Bett und öffnete nervös den Einband. Ich konnte selbst nicht sagen, wieso ich so aufgeregt war, das mein Herz zu trommeln anfing.
 

Mit großen Buchstaben und sehr schwungvoll, zweifellos mit Feder und Tinte, gezeichnet stand auf der ersten Seite „Mein Tagebuch“ und viel kleiner und rechts „von Naruto“

Narutos Tagebuch, dachte ich. Es gab niemanden in meiner Klasse mit diesem Namen.

Ich blätterte die erste Seite um. Die Tinte war leicht verblichen, aber die Wörter und Sätze standen so gerade auf einer Linie nebeneinander, als wären sie auf einem Lineal gezeichnet worden und dicht untereinander.

Links stand das Datum.

10. Oktober – eine Jahreszahl stand leider nicht dabei.
 

10. Oktober.
 

Mein Name ist Naruto. Und heute ist mein Geburtstag. Ich habe ein besonderes Geschenk bekommen. So kann man es vielleicht sagen. Aber auch dieses Tagebuch. Ich weiß, ich schreibe nicht gut, und ich mache sehr viele Fehler. Es ist auch nicht mein Ding, ich meine meine Art ein Tagebuch zu schreiben, aber ich glaube, ich muss das machen. Solange ich es noch kann. Solange ich noch schreiben kann. Solange ich noch ich bin.
 

Solange es noch ging. Solange er noch er selbst war. Ich strich zaghaft über die Schrift. Und fühlte mich seltsam verbunden mit – Naruto. Es war, als könne ich seinen Schmerz und seine Einsamkeit spüren und ich wünschte, er wäre da. Leider war dieses Buch bestimmt schon zehn Jahre alt. Vielleicht sogar älter. Und er hatte dort gesessen, wo ich jetzt saß. Ich bekam bei dem Gedanken eine Gänsehaut und es kribbelte in meinem Nacken.
 

„Sasuke?“ Itachis Stimme, „was gibt es zum Essen?“

Mist. Wieso musste er schon da sein? „Keine Ahnung.“

„Keine Ahnung?“ Ich hörte seine Schritte näher kommen und versteckte das Buch schnell unter dem Kissen.

„Was versteckst du da?“

Warum bemerkte mein Bruder immer alles? „Das geht dich überhaupt nichts an.“

„Und wieso hast du unser Essen nicht warm gemacht? Du warst doch vor mir da.“

„Ich habe keinen Hunger, mach es dir selbst warm wenn du essen willst.“

Er sah mich seltsam an. „Glaub ja nicht, du kriegst dann später was ab.“

„Mir egal, geh jetzt.“

Er blieb stehen.

„Was ist? Hau ab, Itachi. Ich habe jetzt keine Zeit für dich.“

„Das ist mir ja ganz neu. Sonst beschwerst du dich doch immer, dass ich zu wenig Zeit für dich hätte?!“

„Heute eben nicht.“

„Was hast du da versteckt, etwa – einen Porno?“

„Wie bitte? Du spinnst wohl, nein.“

„Dann zeig doch mal.“ Itachi stürzte sich plötzlich auf mich, ich wehrte mich so gut ich konnte, aber obwohl ich stark war, war er immer noch stärker als ich. Verdammt. Er griff nach dem Kissen.

„Nein. Nein, bitte nicht, bitte – tu das nicht.“ Meine Stimme klang verzweifelt und mein Bruder sah mich erschrocken an.

Er ließ mich los. „Na gut. Wenn es dir so wichtig ist, aber Sasuke – das ist nichts wofür du dich schämen müsstest, du kannst jederzeit mit solchen Dingen zu mir kommen. Weißt du das nicht?“

Ich nickte nur, denn ich hatte einen Kloß im Hals. Wäre es doch nur ein Porno gewesen, aber – niemand durfte es sehen. Ängstlich sah ich zum Kissen. Nein, zum Glück war nichts von dem Buch zu sehen.

„Also, dann mach ich mal das Essen.“

Ich nickte wieder. Itachi wandte sich zum Gehen. „Itachi?“ rief ich.

Er drehte den Kopf zu mir um. „Ja?“ fragte er erwartungsvoll. Nein, ich konnte es unmöglich sagen, obwohl ich meinen Bruder über alles liebte. Er durfte es nicht wissen, niemand durfte das. Ich wusste selbst nicht, warum. Den Grund sollte ich erst sehr viel später erfahren.

„Gar nichts.“

Zweiter Eintrag

Hi

erstmal ein fettes Danke für alle Kommis

hab mich mal an Horror versucht, wenigstens etwas^^, hoffe es gelingt mir einigermaßen
 

und nu back to story
 

Ich warf einen letzten bedauernden Blick auf mein Kissen, dann packte ich die Tasche aus. Bisher hatte ich mir meine neuen Bücher noch nicht angesehen, und ich hatte auch keine Angst, dass ich vielleicht nicht mitkommen würde. Aber wenn ich keinen Ärger wollte musste ich funktionieren. Die Schulsachen legte ich erst einmal auf meinem Schreibtisch ab und der Stundenplan kam an meine Pinnwand.

Ich drehte mich um und sah mir die restlichen Kartons an. Zum Glück hatte ich die meisten Sachen schon eingeräumt. Der Rest war Kleinkram und Kleinkram hasste ich am meisten. Ein Versteck. Ich brauchte ein Versteck. Mein Bett und überhaupt fast das komplette Zimmer war nach westeuropäischem Stil eingerichtet.

Zuerst nahm ich meinen Kleiderschrank in Augenschein. Ursprünglich war er weiß gewesen, darum hatte ich ihn mit einer königsblauen Folie beklebt. Ein ganz normaler Schrank, der wahrscheinlich nicht länger als ein Jahr lang halten würde, und dann Sperrmüll war. Er hatte ein oberes Fach, auf das ich Pullover legen konnte, dann eine Stange zum Aufhängen von Anzügen und Schuluniformen und Hosen. Unten gab es noch zwei Schubladen, eine für Strümpfe und eine für Wäsche.

Ob ich da vielleicht – nein, ganz sicher nicht. Meine Mutter würde das Buch sofort finden und anfassen. Ich wollte nicht, das es von jemandem angefasst wurde.

Das Bett war auch ungeeignet. Der Nachttisch – Mist, ein eigenes Zimmer und trotzdem keine Privatsphäre.

Denkbar schlecht gelaunt kippte ich die restlichen Sachen aus den drei Kartons einfach auf den Boden. Ein paar Dinge die ich noch behalten wollte, fischte ich heraus und verstaute sie in der Nachttischschublade, für den Rest holte ich mir Schaufel und Besen aus der Küche, kehrte ihn zusammen und warf ihn in meinen Abfalleimer.

Mir war immer noch kein Versteck eingefallen. Der Grund dafür war einfach, es gab keines.

„Hm, das Essen schmeckt einfach herrlich. Der reinste Gaumenschmaus“, hörte ich Itachi mit lauter Stimme aus der Küche rufen. „Wer kann da schon widerstehen?“

Ich stellte mich ans Fenster. Der einzige Lichtblick in diesem Zimmer, im wahrsten Sinne des Wortes. Es war sehr groß, die Vorhänge lang, weiß und durchsichtig von meiner Seite aus. Aber von draußen herein sehen konnte man nicht so einfach, außerdem lag es im ersten Stock.

„Ach, ich habe fast schon alles gegessen, kein Wunder. Ist ja auch der beste Nudelauflauf seit Langem.“

Ich hob den Kehrbesen und die Schaufel auf, ging auf den Flur hinaus, schob die Tür hinter mir zu und brachte die Sachen in die Küche zurück. Nebenbei bemerkte ich, das Itachi höchstens einen halben Teller gegessen hatte.

„Na, hast du wirklich keinen Hunger?“ fragte er und sah mich genau an.

„Nein. Kann ich dich mal was fragen?“

„Klar, alles was du wissen willst.“ Er zeigte mit der Hand auf den Stuhl ihm gegenüber.

Ich schob den Stuhl etwas vom Tisch weg und setzte mich.

„Also?“

„Also – wenn du einen – mal angenommen, du hättest einen Schatz, wo würdest du ihn verstecken?“

Itachi sah mich an, dann schaute er zur Decke. „Gar nicht.“

„Wie?“

„Wenn ich einen Schatz hätte, ich glaube ich würde ihn ausgeben.“

Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. Itachi sah mich erstaunt an.

„Nein, nicht so einen Schatz. Ich meine, einen echten Schatz.“

Er schien mich nicht zu verstehen. Und ich wusste nicht, wie ich es erklären sollte. Eigentlich hatte ich keine Probleme, die passenden Worte zu finden, aber hier - „Es ist kein Schatz, den du ausgeben oder verkaufen kannst.“

„Was daran ist dann ein Schatz?“ fragte er und stocherte mit der Gabel in den Nudeln herum.

Ich überlegte. „Es ist ein Gegenstand, der für dich persönlich ganz besonders wertvoll ist“, begann ich langsam. „Ein Gegenstand, der ja, sehr speziell ist, sehr kostbar aber nur für dich und darum, darum willst du auch nicht, das ein anderer ihn sieht oder – noch schlimmer – anfasst, weil – du hättest das Gefühl, er wäre dann entweiht.“

Ich hörte meine eigenen Worte und mir wurde klar, wie verrückt sie für jemand anders klingen mussten. Hätte ich nur nie gefragt.

„Dann würde ich ihn einfach ständig bei mir tragen,“ sagte Itachi einfach. Ich fuhr von meinem Stuhl hoch. Warum war ich darauf nicht selber gekommen?

„Danke, Itachi,“ rief ich und rannte in mein Zimmer zurück.
 

Ich warf mich wieder bäuchlings auf mein Bett, und hob vorsichtig das Kissen an. Mit der anderen Hand zog ich das rote Lederbuch darunter hervor und ließ das Kissen wieder los.

Ich spürte wieder dieses Kribbeln ähnlich, als würde man etwas anfassen, durch das Strom hindurch fließt und drehte das Buch hin und her, aber ich konnte nichts erkennen, was es verursachen könnte.

Wie auch immer.

Ich schlug wieder die erste Seite auf, und überflog nochmal den Teil den ich schon gelesen hatte.
 

Eigentlich habe ich mich schon gefreut auf Heute. Denn immerhin bin ich jetzt 16 Jahre alt, also schon bald erwachsen, und wer träumt nicht davon, erwachsen zu sein. Selbst über sein Leben bestimmen zu können. Selbst für sich zu entscheiden. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Nur habe ich nicht gewusst, das ich niemals über mein Leben bestimmen kann. Ich dachte, es wäre so, aber ich habe mich geirrt.
 

„Sasuke.“

Schnell verstaute ich das Buch unter meinem Hemd.

„Ja, Mama.“ Ich stand auf und setzte mich an meinen Schreibtisch. Die Tür ging auf. „Oh, du arbeitest.“

Sie freute sich.

„Hm, ich muss das eine und das andere nachholen.“

„Gut, dann lasse ich dich in Ruhe,“ lächelte mir Mutter zu.

Dritter Eintrag

„Und ich meine“, dachte ich und lächelte zurück. Sie schloss die Tür. Ich hätte tatsächlich in die Bücher sehen müssen, aber im Moment interessierte mich ein anderes Buch sehr viel mehr.

Also holte ich es wieder unter meinem Hemd hervor, und legte es einfach in ein aufgeschlagenes Mathematikbuch. Zum Glück war das Tagebuch dünner und kleiner. Also könnte ich zur Not einfach das Mathematikbuch wieder zuklappen und so tun, als sei ich fertig. Falls jemand herein kam.
 

Wie gesagt, ich bin nicht gut im Schreiben und so. Aber ich glaube, ich erzähle etwas von gestern. Wie jeder normale Junge in meinem Alter habe ich mich gefreut. Auf Heute. Na ja, ich dachte eben, es würde so sein, wie an meinem letzten Geburtstag, oder so ähnlich. Meine Freunde habe ich schon vorher eingeladen. Für eine Party. Und ich wusste gestern auch nicht, warum mich keiner angesehen hat oder mit mir so richtig gesprochen hat. Weil ich ja auch nicht gewusst habe, das sie ausgeladen worden waren und es überhaupt keine Party geben würde. Ja klar, kam mir das komisch vor, und ich habe auch gefragt, ob irgendetwas los wäre. Ob vielleicht jemand gestorben ist, und ich das nicht mitbekommen hatte. Aber jeder sagte, nein nein, alles okay und sogar wir kommen morgen. Deswegen habe ich mir dann nichts mehr weiter dabei gedacht. Höchstens, das die komisch drauf sind, heute. Also – gestern. Und heute, heute weiß ich nicht, ob ich ihnen ihre Lügerei übel nehmen soll oder nicht. Und der Lehrer, den habe ich gestern auch noch gefragt, ob ich morgen, also heute, keine Hausaufgaben auf bekomme. Das ist so übel, wenn man Geburtstag hat. Er sagte, nein du bekommst keine auf. Und ich habe vor Freude sogar noch gejubelt. Weil, ich hasse Hausaufgaben. Ehrlich. Aber er hat nicht gesagt, das ich morgen sowieso nicht mehr in die Schule gehe. Also – was soll ich machen? Ich meine, was ich davon halten soll. Gelogen hat er ja eigentlich nicht, nicht so direkt jedenfalls, aber trotzdem. Ich glaube, von gestern zu erzählen, war doch keine so gute Idee.
 

Ich klappte Mathematik samt Tagebuch wieder zu. Und fragte mich, was da los war. Vor zehn Jahren. Das Buch zu lesen nahm mich richtig mit. Als ob es dabei um mich ginge. Oder um einen guten Freund, dabei kannte ich ihn ja gar nicht. Aber – ich wollte wissen, wer Naruto ist. Oder gewesen war, als er sein Tagebuch schrieb. Ob sein Lehrer damals der Gleiche war, wie meiner heute? Zu dumm, das er das Unterrichtsfach nicht dazugeschrieben hatte. Es stand auch gar nichts dabei, woraus ich hätte schließen können, welches Fach er da grade hatte. Ich packte das Buch in die Tasche und sah auf den Stundenplan. Zwei Stunden Sport hatten wir morgen auch noch. Wohin dann mit dem Buch? Itachi, so toll war deine Idee doch nicht.

Der Klassenlehrer schoss es mir durch den Kopf. Der könnte, nein das musste der Klassenlehrer gewesen sein. Genau. Aber so wirklich brachte mich das dann doch nicht weiter. Irgendwie musste ich etwas herausbekommen, aber alle Fragen, die mir durch den Kopf gingen, die ich vielleicht stellen könnte, hörten sich albern an, milde ausgedrückt.

Ich packte meine Sachen zusammen. Was war mit der Stadtbibliothek, oder der Schulbibliothek? Nein, alles Geheime könnte noch im Tagebuch stehen, und wenn es so geheim war, stand es ganz sicher nicht in irgendeinem Zeitungsarchiv. Falls es geheim war.

Mich interessierte es aber nun mal, wer dieser Junge war. Wie war sein Name, wo hat er gewohnt? Wenigstens saß ich auf seinem Platz, das war schon mal beruhigend. So, als wäre ich ihm dadurch näher, und wahrscheinlich deshalb konnte ich den nächsten Schultag kaum noch abwarten.

Bis zum Abendessen hing mir der Magen dann doch in den Kniekehlen, so dass mir sogar schon richtig schlecht war und wir durften ja zwischendurch nichts essen. Stattdessen nervte meine Mutter mich die ganze Zeit damit, dass ich raus gehen sollte, mich in der neuen Wohngegend umsehen sollte.

„Wozu? Wir ziehen ja sowieso demnächst wieder um,“ antwortete ich.

Und ehrlich, als ich das sagte, bekam ich einen tierischen Schrecken. Ich wollte hier nicht weg. Nicht jetzt, nicht so schnell.

Als Vater nach Hause kam, gab es endlich essen und nach dem Essen nahm ich ein Bad, sah noch ein wenig fern und ging dann in mein Zimmer, wo ich mich aufs Bett legte. Meine Eltern machten sich Sorgen, besonders meine Mutter, ob es mir nicht gut ginge. Pah, als ob es mir jemals gut gegangen wäre. Schließlich wurde ich nicht gefragt, ob ich ständig in eine andere Stadt ziehen wollte. Da wäre es wirklich mal eine Abwechslung gewesen, krank zu sein.

Aber die Idioten in der Schule verstanden ohnehin nicht, warum ich keine Freunde wollte. Wenn man es nicht selbst erlebte, konnte man es wohl nicht verstehen. Ich habe nur einmal versucht es zu erklären. Die Antworten waren ziemlich ernüchternd gewesen. Das macht doch nichts. Wir bleiben trotzdem in Kontakt. Telefon, Briefe schreiben. Tatsächlich hatte mir mein Sitznachbar einen Brief geschrieben. Aber auf meinen Antwortbrief hin kam nichts mehr.

Und jetzt lag ich in meinem Zimmer auf dem Bett und überlegte, wohin mit dem Tagebuch wenn ich Sport hatte. Nicht das ich die anderen ohne zu kennen gleich als Diebe ansah, aber ich wusste, sie waren Neugierig auf den Neuen, und der Neue war ich.

„Naruto,“ seufzte ich, „wo steckst du bloß?“

Ich drehte mich zur Seite. Im Grunde war es mir egal, was andere über mich dachten, also konnte ich auch Fragen stellen. Genau.

Der Klassenlehrer von Naruto

Noch vor Schulbeginn erkundigte ich mich, wie es hier bei den Sportstunden abläuft mit einem ernüchternden Ergebnis. Die Schultaschen blieben im Klassenzimmer, das Sportfach war, wie der Name schon sagt, ein Fach oder eher Regal für die Duschsachen, Sportkleidung, und Schuhe. Ohne Tür zum Schließen und daher natürlich auch nichts was man abschließen konnte. Wertsachen konnte man vor dem Sport dem Lehrer übergeben, der sie in eine Schublade seines Schreibtisches einschloss.

Wie sollte ich diesem viereckigen Mann mit den haarigen Händen Narutos Tagebuch geben? Und was, wenn er es aus Langeweile vielleicht lesen wollte? Den kurzfristigen Gedanken, das Tagebuch in meinem Pullover einzuwickeln und ihm zu geben verwarf ich sofort wieder. Den zweiten Gedanken, Bauchkrämpfe oder eine andere Krankheit vorzutäuschen musste ich ebenfalls wieder verwerfen, da ich keinerlei Talent zur Schauspielerei besitze. Blieb nur mal wieder mein Notfallplan I.

In den ersten beiden Englischstunden hatte ich zumindest keinerlei Probleme dem Unterricht zu folgen, auch wenn sie an dieser Schule im Lehrstoff sehr viel weiter waren, als an meiner alten oder vorherigen Schule, dafür schickte ich eine kleines Dankgebet zum Himmel, weil wir auch einmal siebzehn Monate lang in den USA umher gereist waren, angefangen von Baltimore, nach Norden zur Grenze Kanadas, dann wieder nach Süden, Californien und wieder Richtung Norden, New York. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an eine Sprache gewöhnen und sie erlernen kann, wenn man fern sieht. Und hört.

Nach diesen beiden Stunden wäre Sport angesagt gewesen. In der fünfzehn-minütigen Pause klingelte ich Itachi über Handy an. Etwas, was ich an meinem Bruder besonders schätzte war, dass er zuerst handelte und erst hinterher fragte.

So war es auch dieses Mal. Kurz nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen hatte, rief er im Büro an.

Davon wusste ich allerdings noch nichts. Die fünfzehn Minuten waren schon vorbei und wir bereiteten uns auf die anstehenden beiden Stunden vor, als ich immer noch nichts gehört hatte, und schon recht verzweifelt daran dachte, einfach meine Tasche zu nehmen und wegzulaufen.

So sehr es auch gegen meine Natur war, und sicher würde mich jeder dafür auslachen, so hatte ich mich doch auch so sehr auf Itachi verlassen, dass ich keinen weiteren Notfallplan geschmiedet hatte, und mir im Moment nichts anderes einfiel, als davonzulaufen um nachher zu behaupten, ich hätte vor der neuen Schule Panik bekommen.

Trotzdem, alleine schon der Gedanke, dass ich gerade Fußball spielen würde, während der Sportlehrer vielleicht noch mit den Füßen auf dem Tisch das Buch...nein, das wollte ich mir nicht einmal vorstellen. Was für ein Albtraum.

In der gleichen Sekunde in der ich meine Schultasche nahm um besagten Plan auszuführen, wurde mein Name von der Lehrerin aufgerufen. Ich sei vom Sport befreit, da die Ergebnisse der gestrigen Untersuchungen nun da wären, und ich eine Kniegelenkentzündung hätte.

Erleichtert atmete ich auf. Danke, Bruder. Ein bisschen dick aufgetragen vielleicht, aber danke.

Allerdings, fuhr die Lehrerin fort, hätte ich jetzt nicht zwei Freistunden, sondern müsse beim Direktor im Büro Aufgaben machen, die man mir noch geben würde.

Das war nun wirklich kein Problem in meinen Augen. Es interessierte mich zwar nicht, was er für ein Mann war, aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme. Die Lehrerin, deren Name ich wieder vergessen hatte, weil er mich auch nicht interessierte, führte mich zum Büro des Direktors.

Sie stellte mich vor, als der Kniegelenkfall, umgekehrt wurde mir der Direktor aber nicht vorgestellt. Durchgefallen, dachte ich nur noch über sie, und hoffte, dass sie keine meiner Lehrerinnen war oder gar wurde.

Es sah aus, als wäre ich mit meiner Antipathie nicht alleine, denn als sie ihm meine Akte, die noch recht dünn war, in die Hand drückte, sagte er nur knapp, danke, und das sie nun gehen könne.

Ohne sich die Akte anzusehen, sah er sich lieber mich persönlich an, gab mir die Hand und stellte sich als Kakashi Hatake vor. Und auch ohne Akte, kannte er bereits meinen Namen. Der Mann war also auf Zack und wusste, was in seiner Schule vor sich ging, obwohl er im ersten Moment eher desinteressiert beziehungsweise schläfrig wirkte, da sein rechtes Augenlid herunterhing.

Noch während ich ihm die Hand schüttelte, überlegte ich, wie viel ich ihm anvertrauen konnte. Unglaublich, dass er von dem Buch, nichts gewusst hatte. Es war zwar etwas versteckt gewesen, aber nicht so, dass es schwer zu finden war. Ich hatte ja nur die Sachen ein wenig ausgeräumt, und dann eine rote Ecke entdeckt, auf der eine dünne, sehr dünne Platte lag. Um nicht zu sagen, schon fast papierdünn.

Wollte man, dass das Buch gefunden wurde? Von einem Schüler? Hatte Naruto es dort versteckt und war dann nicht mehr in der Lage gewesen, es herauszunehmen? Er hatte geschrieben, er sei am nächsten Tag, an seinem Geburtstag überhaupt nicht mehr zur Schule gegangen, also an dem Tag, an dem er angefangen hatte, in das Tagebuch zu schreiben. War er danach doch noch zur Schule gegangen?

Ich war mir absolut sicher, dass er auf dem gleichen Platz gesessen hatte, wie ich, aber seit wann war das Buch dort? Und warum?

Das rätselhafte Tagebuch warf mehr Fragen auf, als der Inhalt es ohnehin schon tat.

Kakashi gab mir ziemlich schwierige Aufgaben, die meine ganze Konzentration beanspruchten und beobachtete mich amüsiert, auch wenn er so tat, als arbeite er nur. Mist, ich hatte Fragen.

„O je“, ich setzte ein Lächeln auf, „da bekommt man ja Kopfschmerzen.“

Kakashi sagte nichts, sondern lächelte nur zurück. Ich merkte, dass er mir nicht glaubte. Er durchschaute mich sofort.Trotzdem fuhr ich fort: „Sind sie schon lange Direktor dieser Schule?“

„Seit einem Jahr“, antwortete er mir.

Verdammt, so ein Pech. Ich wollte aber noch nicht aufgeben. Er schien noch jung zu sein. Besonders für einen Rektor.

„Sind sie hierher versetzt worden? Unterrichten sie auch?“

Kakashi zögerte. Wenn er jetzt sagte, ich solle meine Aufgaben machen, würde ich gar nichts erfahren.

„Ja, ich unterrichte auch. Noch vor einem Jahr war ich nur Klassenlehrer und davor Lehrer. Und davor natürlich...“

Das davor interessierte mich nicht. „Sie waren Klassenlehrer?“ Ich setzte alles auf eine Karte. „Von meiner Klasse?“

Überrascht sah er mich an. Und zögerte wieder, so als wolle er nicht antworten, mich lieber abwimmeln.

„Ja. Von deiner Klasse.“

Ich war jetzt nicht mehr zu halten. „Kennen, ich meine, kannten sie dann nicht auch – Naruto?“

„Ja.“

Meine Bauchhöhle war plötzlich mit flatternden Schmetterlingen überfüllt und mein Herzschlag stimmte einen Trommelwirbel an, als mir klar wurde, dass ich gerade auf eine Goldgrube gestoßen war.

„Dann kennen sie bestimmt auch seinen Nach...“

„Mach deine Aufgaben. Wir möchten doch keinen Ärger mit deiner Lehrerin, nicht wahr?“
 

Nein, das konnte doch nicht wahr sein. Unmöglich. Total aus dem Konzept gebracht, saß ich über den Aufgaben ohne aufzunehmen, was ich las, egal wie oft. Es läutete. Kakashi stand auf und ging an mir vorbei zur Tür.

„Sein Nachname. Ich wollte doch nur seinen Nachnamen wissen. Damit ich ihn finden kann,“ sagte ich schnell. Meine letzte Chance.

Kakashi hielt inne, die Hand schon auf der Türklinke zögerte er eine Sekunde lang.

„Wenn du nicht aufpasst, wird er dich finden.“

Er öffnete die Tür und verließ das Büro.

Vierter Eintrag

Von Kakashi würde ich nichts mehr erfahren. Jedenfalls nicht für´s Erste. Ich legte ihm die Aufgaben auf seinen Schreibtisch und packte meine Schreibutensilien zusammen. Wie immer, wenn ich etwas in meine Schulmappe packte oder herausnahm, nutzte ich die Gelegenheit, um das Buch zu berühren. Es war wie ein innerer Drang.

Und ich wusste auch, es wäre besser für mich, vor der nächsten Stunde nach draußen zu gehen, um frische Luft zu schnappen, aber es zog mich zu meinem Platz im Klassenzimmer. Am Fenster. Dort, wo einst Naruto gesessen hatte, und bestimmt hatte er auch nach draußen gesehen, genau wie ich jetzt. Es war einfach dieses Gefühl der Ruhe, welches mich jedes mal überkam, sobald ich sein Buch berührte oder mich auf seinen Platz setzte.

Ja, genau. Ich hatte ja immer viel Zeit gehabt, um über mich selbst nachzudenken. Ruhe hatte ich nie gehabt, in meiner Familie oder besser gesagt, durch die Umstände in denen ich groß wurde und lebte. Vielleicht war es mir bisher nicht so bewusst gewesen, das und vor allem wie sehr ich mich danach gesehnt hatte.

Nach – Stille. Stillstand. Nicht ständig umher zu rasen, sondern einfach mal anzuhalten und stehen zu bleiben. Und das Buch, nein Naruto, gab mir dieses Gefühl. Darum war es so kostbar für mich.

Im Klassensaal angekommen, stellte ich erleichtert fest, dass sonst noch keiner da war, den ich hätte ignorieren müssen. Vielleicht waren sie noch beim Duschen, Umziehen oder die Stunde wurde einfach überzogen, ich hatte keine Ahnung und es war mir auch egal.

Ich setzte mich auf meinen Platz, schloss die Augen und genoss den inneren Frieden der mich überkam einfach für ein paar Minuten.

Er würde mich finden, hatte Kakashi gesagt. Wenn es nur so wäre. War es möglich, das Naruto mich genauso fühlte wie ich ihn? Das es eine Verbindung gab?

Ich hatte schon davon gehört, das sich zum Beispiel ein Zwilling in China das Bein brach, während der andere sich am Nordpol das Bein brach. Aber das war in meinen Augen reiner Zufall und das war auch jetzt, zumindest meiner Ansicht nach, reiner Zufall.

Aber wenn es wirklich eine Art Verbindung gab, wenn er mich genauso sehr finden wollte, wie ich ihn, das wäre einfach nur grandios. Dann musste ich mich nur zurücklehnen und warten. Ach nein, Quatsch. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Ich seufzte, öffnete meine Tasche und holte das schmale rote Buch zusammen mit dem fetten Englischwälzer heraus. In der nächsten Stunde hatten wir zwar Chemie, aber falls jemand zufälligerweise herein kam und ich unbedingt mit der Person reden musste, konnte ich das Englischbuch einfach zuschlagen und gemeinsam mit dem Tagebuch wieder zurück stecken und, falls nötig, sagen, dass ich mir die Englischvokabeln nochmal angesehen hätte, oder etwas in dieser Art. Das Chemiebuch dagegen konnte ich ja schlecht wegpacken. Meine Tasche lehnte ich an den Tisch.

Ich nahm das Buch nochmal genau in Augenschein. Ob seine Eltern reich waren, wusste ich nicht, aber das Leder war zweifellos aus hochwertigem Material, dennoch war das Buch sehr abgegriffen und hatte speckige Flecken. Ich schlug es auf. Die Seiten waren aus Pergament, aber nicht vergilbt, wie man hätte meinen können, nach dem äußeren Erscheinungsbild. Auch nicht zerknickt, fleckig oder eingerissen. Naruto musste es, genau wie ich – und bei dem Gedanken schlug mein Herz wieder aus vollkommen irrationalen Gründen schneller – immer mit sich herumgetragen haben, trotzdem hatte er es sorgfältig behandelt. Der Buchrücken hatte unten einen kleinen Einriss, man konnte sehen, das er dort mit Pappe verstärkt worden war. Warum hast du das nicht repariert?

Kakashi war noch ziemlich jung. Vielleicht Anfang oder Mitte Dreißig. Er hatte gesagt, noch vor einem Jahr sei er Klassenlehrer von dieser Klasse gewesen. In meiner Aufregung war ich automatisch davon ausgegangen, dass er auch der von mir gesuchte Klassenlehrer von Naruto gewesen sei. Möglicherweise war er das auch sogar mal, aber ich bezweifelte, dass er zehn Jahre lang der Klassenlehrer der Neunten Klasse war. Er war wohl eher irgendwann mal Narutos Lehrer gewesen.

Es brachte nichts. Ich kam so nicht weiter. Wenn ich nur noch einen weiteren Namen hätte, eine Jahreszahl, irgendetwas. Gab es denn keine Möglichkeit herauszufinden, wie alt genau dieses Buch war, ohne es aus der Hand geben?

Frustriert schlug ich es auf.
 

27. Oktober

Jemand hat in meinem Tagebuch gelesen.
 

Vor meinen Augen wurde alles schwarz und ich bekam keine Luft mehr.

Im Krankenzimmer

Als ich aufwachte, dachte ich zuerst ich wäre zuhause in meinem Bett. Es dauerte ein paar Minuten bis ich klar denken konnte. Was war passiert? Und wo war ich? Ich hatte im Klassensaal gesessen und in Narutos Tagebuch gelesen, und dann? Mein Gott, das Buch. Erschrocken fuhr ich hoch, und bemerkte jetzt erst, das ich den Englischwälzer fest an meine Brust geklammert hielt. Ich schlug ihn auf und ja – das Buch war noch da. „Gott sei dank.“

„Ah, du bist wach. Sehr schön. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

Eine junge Frau in weißem Kittel schob einen Vorhang zurück und sah mich lächelnd an.

Sie musste mir meine Verwirrung wohl ansehen, denn ohne das ich etwas sagte, erklärte sie mir, dass ich plötzlich hyperventiliert hätte und ohnmächtig geworden sei. Zum Glück sei gerade meine Lehrerin dazugekommen, und gemeinsam hatten mich vier Jungs aus meiner Klasse auf einer Bahre ins Krankenzimmer gebracht.

Ich sah mich um. Neben mir stand eine Sauerstoffflasche.

„Ja, da du nicht mehr bei Bewusstsein warst, mussten wir sie benutzen.“

„Vielen Dank.“

Sie lachte. „Kein Problem. Deine Eltern hätten es bei der Anmeldung allerdings angeben müssen.“

„Was denn?“

„Na, das du solche Anfälle bekommst, natürlich.“

„Ich – ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen Anfall. Ich war noch nie ohnmächtig.“ Ich musste schlucken. Das war irgendwie peinlich.

Die Schwester sah mich überrascht an. „Aber – was hat den Anfall denn dann ausgelöst?“

Oh ja, das Buch. Ich erinnerte mich. Dieser eine Satz. Ich fühlte mich ertappt, angesprochen. Dann war da nichts mehr.

„Oh ich verstehe. Die neue Schule nicht wahr?“

Ich wandte der Schwester wieder das Gesicht zu. Ihr Blick war jetzt ein wenig mitleidig. „Hast du Probleme, dem Unterricht zu folgen?“

Am besten zustimmen. „Ja,“ ich nickte.

„Leider konnte ich deine Eltern nicht erreichen, aber dein Bruder kommt und holt dich ab?“

„Was? Nein, das ist nicht nötig wirklich,“ beeilte ich mich zu sagen. „Mir geht es wieder gut, ich kann zurück an meinen Platz.“

„Aber die Schule ist doch schon seit zehn Minuten zu Ende.“

Oh. Das war – so ein verdammter Mist.

Sie lachte plötzlich. „Wir haben wohl einen Musterschüler bekommen? Das da,“ sie zeigte auf das Englischbuch, das ich nach wie vor an mich presste, „konnten wir dir einfach nicht wegnehmen. So fest hast du es gehalten, das ich im ersten Moment schon an einen Krampfanfall dachte.“

„Wie?“

„Epilepsie. Dabei verkrampfen sich sämtliche Muskeln mit einer unheimlichen Kraft.“

Ich wusste, was ein Krampfanfall war, das hatte ich eigentlich nicht gemeint, aber egal. „Und wissen sie vielleicht, wann mein Bruder kommt? Meine Tasche liegt noch oben, ich gehe sie schnell...“

„Deine Tasche ist hier.“ Sie zeigte auf einen Stuhl in der Ecke.

„Dein Bruder müsste auch gleich hier sein, ruh dich noch etwas aus.“

Ich sagte nichts mehr. Wenigstens hatte ich das Buch nicht verloren, auch wenn ich nicht mehr zu meinem Platz konnte.

Die Schwester lächelte mir nochmal aufmunternd zu und setzte sich dann an einen Schreibtisch voller Papiere.

Ich schlug das Buch auf.
 

27. Oktober

Jemand hat in meinem Tagebuch gelesen. Es lag zwar noch am gleichen Platz, aber verkehrt herum. Darum werde ich es in Zukunft lieber verstecken.
 

Ich verstand. So war das also. Deshalb hatte es in der Schule gelegen. Naruto hatte es dort versteckt. Hauptsache, es war nicht bei ihm zuhause. Zumindest dieses Rätsel war gelöst.

Ich sah auf den Rücken der Schwester. Ob sie ihn kannte?
 

„Da bist du ja. Ich dachte schon, ich finde dich nie, der reinste Irrgarten hier.“ Zur Schwester gewandt: „Guten Tag, ich bin Itachi Uchiha. Wollte meinen schwächlichen Bruder abholen.“

Fünfter Eintrag

Zuhause verfrachtete mein Bruder mich ins Bett, um nicht gleich zu sagen, er behandelte mich wie einen Invaliden. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um zu verhindern, dass er mich nicht auch noch trug.

Dabei war der Vorfall in der Schule heute ziemlich ernüchternd für mich gewesen. Ich hatte beschlossen, mich nicht mehr so von diesem Buch in den Bann ziehen zu lassen. Sicherlich waren diese ganzen Gefühle nur – freundlich gesagt - Einbildung, oder unfreundlich ausgedrückt Hirngespinste.

Dagegen sollte man etwas unternehmen, also hatte ich mir vorgenommen, tatsächlich in die Bücher, Schulbücher zu sehen oder mein Zimmer zu putzen, irgendetwas zu tun, was mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück brachte. Denn wer – außer mir – fiel beim lesen eines Tagebuchs in Ohnmacht? Peinlicher ging es überhaupt nicht mehr und ich fragte mich, wie viel meine neuen Mitschüler wohl davon wussten, mit welchen dummen Sprüchen ich am nächsten Tag zu rechnen hatte. Dank meines Bruders lag ich nun im Bett. Die Frage, ob er heute nicht noch wegginge hatte er zu meinem Bedauern verneint.
 

Aber – okay, ich konnte auch im Bett Geschichtsbücher durchsehen, Vokabeln lernen, alles – nur nicht über das Tagebuch und vor allem nicht über Naruto nachdenken. Rein zufällig hatte ich dieses Buch eines vermutlich kranken Jungen gefunden, der einem vielleicht leid tun konnte, aber mehr war da nicht. Außerdem – Kakashis Worte hallten mir plötzlich wieder durch den Kopf. Nun gut, die waren seltsam gewesen, aber welcher normale Direktor sagte so etwas zu einem Neuen Schüler? Einer mit Humor, schlechtem Humor, der dem Neuling etwas Angst machen wollte. Nichts weiter. Wie war ich nur auf diese alberne Idee gekommen, nach ihm zu suchen?! Wer wusste schon, wie alt der Kerl überhaupt war? Vielleicht war er ja der Hausmeister der Schule, einer mit viel Phantasie, und hatte sein altes Buch entsorgen wollen. Wegen irgendetwas war er dazu nicht gekommen, und hatte es einfach in eine Schulbank gelegt, und dann dort vergessen. Vergessen, weil es nichts Besonderes war, genau.
 

Ich vertiefte mich in besagtes Geschichtsbuch. Die Inhaltsangabe zeigte mir schon, dass ich die meisten Sachen schon irgendwann und irgendwo durchgenommen hatte. Aber es konnte ja nichts schaden, dies und das zu wiederholen und anderes schon mal vor zu lernen. Im Stillen hegte ich die Hoffnung, jemand würde mir meine Hausaufgaben vorbeibringen.

Nach gefühlten zehn Stunden brachte mir Itachi mein Mittagessen ans Bett und leistete mir obendrein noch Gesellschaft. Er hatte sogar richtig gekocht. Fisch mit Reis und zusätzlich hatte Itachi einen Salat zubereitet. Ja, Vitamine konnten nicht schaden.

„Alles in Ordnung?“

„Ja. Danke fürs Abholen. Mir geht es wieder gut, kein Grund zur Sorge, wirklich.“

„Das meinte ich nicht, Sasuke.“

Ich sah fragend auf.

Mit der Gabel fuchtelte er in der Luft herum. „Normalerweise hättest du herum getobt und mich aus dem Zimmer geworfen. Hat das vielleicht etwas mit deinem Schatz zu tun?“

Ich fühlte mich plötzlich, als hätte mir jemand in den Magen getreten. Und seltsam traurig.

„Nein, es gibt keinen Schatz. Es ist nur – besser als alleine zu essen. Und ich habe gehofft, einer meiner neuen äh Klassenkameraden würde mir die Hausaufgaben vorbeibringen. Ja, genau.“

So war es doch, also warum fühlte es sich wie eine Ausrede an?

Itachi warf mir einen misstrauischen Blick zu, sagte dann aber, er könne mich trösten. Als er draußen am Briefkasten gewesen sei, wäre er einer gewissen Sakura Haruno begegnet, die mir die Hausaufgaben gebracht hätte. Er wollte sie mir nach dem Essen geben.

Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Wahrscheinlich, weil das ein Grund zur Freude war, das war er doch, oder?

Egal, ich konnte meine Gefühle noch nie gut zeigen. „Dann ist es ja gut.“

„Kennst du das Mädchen?“

„Vermutlich. Wenn sie in meine Klasse geht.“

„Ah gut. Das klingt schon wieder mehr nach dir selbst.“

„Was meinst du nun schon wieder?“

„Für deine Klassenkameraden hast du dich doch noch nie interessiert, oder?“

„Warum sollte ich? Du weißt doch selbst, wie es ist, Itachi.“

„Na ja, eben hast du noch so geredet, als seien sie gute Freunde, die du erwartest.“

Ich zuckte nur mit den Schultern. „Jedenfalls bin ich froh, dass ich nachher meine Hausaufgaben machen kann.“ Alles besser, als noch mehr Geschichte.

„Dann kannst du dich ja morgen bei ihr bedanken.“

„Wozu? Entweder ein Lehrer hat sie geschickt, oder sie wollte es selbst, ich habe sie nicht darum gebeten.“

Ich wollte das Thema wechseln, und fügte hinzu: „Der Fisch ist ganz schön trocken.“
 

Es waren erstaunlich viele Hausaufgaben dafür, das heute auch noch Sport und es nur fünf Stunden gewesen waren. Sogar ich brauchte fast zwei Stunden bis ich fertig war. Na ja, es konnte mir ja eigentlich nur Recht sein. Wie üblich sah ich gemeinsam mit Itachi fern, bis mein Vater als letzter kam und wir zusammen zu Abend aßen. Und wie üblich fragte er die ganze Zeit meinen Bruder, wie es bei ihm gelaufen war, während er mich fast vollkommen ignorierte. Itachi erzählte, das er bei mir in der Schule gewesen war, weil ich ohnmächtig geworden sei. Mein Vater sah mich nur kurz an, fragte ob alles in Ordnung sei, und wandte sich dann wieder Itachi zu.

Ich fragte Mutter, ob ich aufstehen und in mein Zimmer gehen könne. Sie nickte mir zu.

Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, und heute auch nicht mehr öffnen wollte, machte ich mich seufzend ans Packen für den nächsten Schultag. Ich wollte meine Tasche kurzerhand auf dem Bett ausleeren, als Narutos Tagebuch aufgeschlagen auf den andern Büchern zu liegen kam. Einen Moment lang überlegte ich, es einfach zu nehmen und in die Schreibtischschublade zu legen, aber – es ohne Emotionen weiter zu lesen, war das nicht der beste Beweis dafür, dass ich geheilt war? Geheilt wovon, dachte ich und hob es hoch.
 

28. Oktober

Heute ist Vollmond. Drei Uhr nachts. Ich kann nicht mehr schlafen. Leider habe ich nur noch Bruchstücke meines Traumes(?) im Kopf.

Ich bin aufgewacht, im Traum, und war gefesselt. An eine Säule. Mit den Knien auf der Erde. Rechts vor mir war die riesige Statue einer Frau, eine Göttin vielleicht, oder das Gegenteil. Davor Flammen. Und hinter mir lauter Leute mit Kapuzenumhängen, also, wie soll ich das beschreiben, ich war zwischen beiden, ich bin nicht gut im Schreiben, hab ich schon gesagt oder?

Ich war zwischen der Statue und den vermummten Gestalten. Von dem Rauch war mir ganz schlecht, und auch von diesem monotonen Singsang. Und hinter der Figur waren ein paar vermummte Leute. Priester und Priesterinnen vielleicht. Sie hantierten an einer Art Sockel oder Altar herum. Mir wurde immer schlechter, und als ich gesehen habe, das ich blute musste ich mich fast übergeben. Eine Priesterin (?) bemerkte das, und kam angerannt. Sie flößte mir einen fürchterlich bitter schmeckenden Trank ein. Ja, ich bin dann wieder eingeschlafen glaub ich, als ich das nächste Mal wach wurde, lag da nämlich so was wie eine Figur auf dem Altar.
 

Ich schob meine Schulbücher beiseite und legte mich mit dem Buch aufs Bett

Mondfinsternis-sechster Eintrag

Yo,
 

danke für eure kommentare, total cool finde, und vor allem motivierend^^

und nu - viel spass und gänsehaut
 

Einige fielen polternd zu Boden, aber das interessierte mich nicht.
 

Mir war immer noch schlecht. Nur weil ich festgebunden war, kippte ich nicht um. Und als ich sah, was unter mir war, weil mein Kopf nach unten hing, wäre ich vor Scham am liebsten gestorben. Da war eine Lache. Ist ja klar, das ich dachte, na ja, das ist mir selbst zu peinlich um es in ein Tagebuch zu schreiben. Tja, nach ner Weile, keine Ahnung wann, hob ich den Kopf so ein bisschen. Da sah ich eben, das die Lache viel größer war, als gedacht. Mein erster Gedanke war – hm denk es dir selbst, liebes Tagebuch, also ich sah von der Lache direkt unter mir, ich kniete praktisch drin, ein Rinnsal, und da hab ich entlang gesehen, es führte bis zu der Statue und weiter. Aus der Entfernung sah ich das es ein fettiges Zeug war. Öl. Nicht das, was ich gedacht hab. Zuerst war ich erleichtert. Aber weil da ja das Feuer war, ich dachte die Teufelsanbeter da würden mich wahrscheinlich in Brand stecken wollen. Wegen meinem Schrecken hatte ich glatt meine Übelkeit vergessen und sah noch weiter. Die Figur hatten sie weiter ähm gebaut. Und zwar mit Lehm oder Schlamm irgend so was. Sie lag auf dem Altar und sah wie eine Puppe aus. Besonders fiel mir der Mund auf, der war ein weit offenes Loch. Eine Priesterin oder ein Priester, hielten der Puppe ein Glas an den Mund. Quatsch, ein Becher. Es sah überhaupt alles total alt aus, das ganze Gebäude. So unterirdisch alt. Ich dachte, was machen die da mit der Puppe? Klar, hab ich jetzt genauer geguckt, und mich auch gewundert. Über alles. Was für ein Traum, meine ich. Die Priesterin hielt den Becher also über das Loch im Gesicht, da wo normalerweise der Mund ist. Und kippte ihn. Eine dunkle, rote Flüssigkeit tropfte langsam da rein, und im gleichen Moment wusste ich, das ist mein Blut. Ich wusste es einfach.
 

„Sasuke.“ Wurde ich beim Lesen unterbrochen.

Ich stöhnte, ausgerechnet jetzt, musste das sein? Aber wenn ich keine Antwort gab, dann – vielleicht konnte ich so tun, als würde ich schlafen? Nein, ich hatte das Licht an.

„Oma ist am Telefon.“

„Ja, ja ich komme schon,“ rief ich.
 

Ich mochte meine Oma. Aber nicht am Telefon. Es war immer das Gleiche. Sie redete ununterbrochen. Ich saß auf der Couch, mit dem schnurlosen Hörer in der Hand, den Kopf auf die Hand gestützt und nach etwa einer Stunde wechselte ich das Ohr, weil mein rechtes Ohr schon ganz heiß war. Eine halbe Stunde später war es auch das Linke. Also wieder Wechsel. Ab dann ging es schneller und ich musste schon nach einer Viertelstunde wechseln.

Es spielte überhaupt keine Rolle, ob ich müde war, noch Hausaufgaben zu erledigen hatte, wohin gehen wollte, das Letztere war aber eigentlich nie der Fall. Um es kurz zu machen, sie hörte nicht auf, ganz egal was ich sagte. Einmal war ich sogar während des Telefonates eingeschlafen, weil es schon nach Mitternacht war. Nicht einmal meine Eltern sagten etwas dazu, wenn Oma anrief.

Den Hörer zur Seite legen konnte ich auch nicht, weil sie zwischendurch immer Fragen stellte, die ich entweder mit Ja oder Nein beantworten musste. Dabei ging es im Moment noch. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da war ich bei jedem Telefonklingeln zusammengezuckt.

Gerade forderte mich meine Oma auf, mir Papier und Stift zu holen. Früher mal hatte ich das noch getan, jetzt nicht mehr. Ich hielt den Hörer vom Ohr weg, wartete einen Moment und sagte dann, „so, bin wieder da Oma.“

Sie diktierte mir ihr Geheimrezept für Erdbeerkuchen. Als Kind hatte ich ihn geliebt. Bei jeder Zutat fragte sie, ob ich fertig mit aufschreiben sei und ich sagte, ja fertig.

Gelangweilt sah ich aus dem Fenster. Ich war jetzt nicht mehr verärgert oder nervös, weil ich weiter lesen wollte, sondern hatte mich damit abgefunden.

Draußen wurde es dunkel. Vollmond. 28. Oktober? Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Blitz. Wann war Vollmond? Letztes Jahr im Oktober? Keine Ahnung, ich achtete auf so etwas überhaupt nicht. Wer kannte sich damit aus? Es gab Mondkalender, oder? Wo konnte man die kaufen? Aber ich brauchte einen alten. Oder war noch etwas an diesem Tag passiert?

Narutos Traum. Ja, er war seltsam. Noch dazu, das er während des Traums nach eigenen Angaben einschlief und aufwachte, und dennoch im Traum gefangen war. Oder war es kein Traum. Aber was dann?

Meine Gelassenheit war wie weggeblasen. Ich hatte eine weitere Information gefunden, eine wichtige, jedenfalls war ich davon überzeugt. Ich schrie geradezu in den Hörer ja Oma, ja Oma, Oma jaaa.

Mutter warf mir einen missbilligenden Blick zu. Unwillkürlich legte ich die Hand auf das Buch unter meinem Hemd. Aber zum Glück war ich kurz darauf erlöst.

Ich rannte in mein Zimmer, setzte mich an den Tisch, legte das Tagebuch neben meinen Laptop und schaltete ihn ein. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich das komplette Datum gefunden hatte. Und – es war ein Schock.

Am 28. Oktober 1985 war Vollmond. Aber – dann war – das war ja – vor 27 Jahren??? Und dann war Naruto jetzt 43 Jahre alt.

Und nicht nur das. Vollmond ja. Aber auch – Mondfinsternis.

Der Fremde auf der Mauer

Mittlerweile war es spät geworden, ich hatte meine Schultasche gepackt, das Tagebuch lag neben mir im Bett. Zuerst hatte ich es unters Kopfkissen legen wollen, aber – ich wollte es lieber neben mir haben. Und sah es an. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass es schon so alt war. Zehn – nun gut – maximal auch fünfzehn Jahre, aber siebenundzwanzig? So sah es nicht aus. Ich nahm es in die Hand. Zum wievielten Male jetzt schon? Und strich mit der Hand zärtlich darüber.

Dann legte ich es wieder zurück.

Also musste ich nach einem 43jährigen Mann suchen, oder? Wie die Stecknadel im Heuhaufen. Alte Männer gab es viele. Lebte er noch hier? War die Mondfinsternis schuld an dem seltsamen Traum? Warum hatte er sie nicht erwähnt. Oder wusste er es nicht? Finden wollte ich ihn mehr denn je. Irgendwie, selbst wenn ich eine Antwort auf eine Frage fand, kamen zehn neue Fragen hinzu. Das – war doch nicht normal.

Egal, diesmal finde ich dich, Naruto. Warum hast du dein Tagebuch so sorgfältig behandelt und es doch so leicht finden lassen? Warum hast du keine Jahreszahl dazugeschrieben, tut man das nicht normalerweise bei Tagebucheinträgen? Oder wolltest du, das ich dein Buch finde?

Kurz fiel mir auf, das meine Gedanken recht wirr waren. Na gut, ich war eben auch sehr müde. Trotzdem lächelte ich erwartungsvoll vor mich hin.
 

Ich hatte, was ich brauchte. Vorname, den gab es nicht gerade oft und genaues Geburtsdatum. Selbst wenn er hier nicht geboren war, wenn er weggezogen war, am 28. Oktober 1985 war er hier.

Ich dachte an Kakashis Andeutung die wie eine Warnung geklungen hatte und wurde wütend. Kakashi war überhaupt noch nicht so alt. Er war niemals Narutos Lehrer gewesen, dennoch hatte er so getan, als ob. Verärgert streckte ich die Hand nach dem Buch aus um darüber zu streichen und mich zu beruhigen. Mit dem wollte ich noch ein oder auch zwei Worte reden. Am besten gleich Morgen. Und das Gerede meiner Großmutter war, auch wenn ich sie mochte, sehr anstrengend gewesen. Mehr noch als Schule. Kaum zu glauben, aber Tatsache. Langsam fielen mir die Augen zu. „Hoffentlich fragt sie mich beim nächsten Besuch nicht, ob ich ihr...chrr...Erdbeer....chrrr..“
 

Irgendwann in der Nacht wurde ich wieder wach. Auch das noch. Ich stützte mich auf den Ellbogen und sah auf das Buch runter. Wie ein Kleinkind mit seinem Teddybär schlief, schlief ich mit diesem Buch. Unfassbar, ausgerechnet ich.

Obwohl ich noch so müde war, war es schon hell. Am besten, ich brachte die Toilettengeschichte so schnell wie möglich hinter mich, und schlief noch die eine Stunde, oder vielleicht auch zwei. Also beeilte ich mich und schwang meine Beine über die Bettkante, mit den Armen wollte ich mich beim Aufstehen abstützen, als mir etwas seltsam vorkam. Ich musste überhaupt nicht zur Toilette. Ich sah zum Fenster, ohne mir etwas dabei zu denken. Vollmond, dachte ich. Darum war es so hell, wahrscheinlich hatte der mich geweckt. Ich hatte vergessen, den Laden zu schließen. Wenigstens hatte ich keine seltsamen Träume gehabt, die eher an Rituale als an Träume erinnerten. Ich gähnte und stand auf. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr. Wie gedacht, es war noch relativ früh. Erst halb drei. In gewisser Weise erleichterte mich das.

Mein Blick fiel wieder auf das Buch und ich setzte mich. Als ich es in die Hand nahm, schlug es sich wie von allein auf. Die Seite mit dem Traum, den ich bis jetzt gelesen hatte. Ich nahm das Blatt vorsichtig in die Hand, auch ich wollte sorgfältig damit umgehen, und schlug es um. Auf der anderen Seite ging der Traum weiter. Unwillkürlich musste ich grinsen und schlug die Seite wieder zurück. Ich beugte mich zu meiner Schulmappe hinunter und holte aus der Seitentasche einen Stift.

Du kannst es ruhig wissen, flüsterte ich leise, und schrieb an den unteren Rand – Ich werde dich finden, Naruto.
 

Zufrieden lächelnd legte ich den Stift auf meinen Nachttischschrank.

Ow, ich klappte das Buch schnell zu. Das war nicht normal, ich war nicht mehr normal. Das lag an der Müdigkeit, genau. Und....

Vollmond, also.

Ich legte das Buch diesmal auf den Nachttisch, stand auf und ging zum Fenster. Ich streckte die Hand aus, nach dieser Kurbel, diesem unpraktischen Teil, um den Laden zu schließen.

Gegenüber, auf der anderen Straßenseite entdeckte ich jemanden. Und dieser Jemand stand genau unter der Laterne. Dann war es wohl kein Räuber oder so, auch wenn die Gestalt vermummt war. Meine Eltern hatten mir eingebläut bei verdächtigen Personen Vorsicht walten zu lassen. Wir waren nicht gerade arm, ich fand es zwar übertrieben, aber meine Eltern fürchteten sich immer davor, dass man mich entführen könnte.

Trotzdem, was machte dieser Typ so spät, mitten in der Nacht vor unserem Haus. Das es ein Typ war erkannte ich an seiner Haltung. Er saß auf der kleinen Mauer gegenüber, mit dem Profil zu mir. Das eine Bein lässig auf der Mauer, mit dem anderen sich am Boden abstützend. Die Hände lagen im Schoß. Und was sollte diese Aufmachung? Wir hatten doch kein Halloween. Die Kutte, die er trug, war offen, dort wo die Beine waren. Blaue Jeans, weiße Turnschuhe. Wirklich keine gute Tarnung. Unter der Kapuze konnte ich blondes Haar erkennen, welches ihm ins Gesicht hing. Ob ich rausgehen und ihn verjagen sollte?

Nein, er saß ja nicht auf unserer Mauer. Er wandte den Kopf und sah mich an. Zumindest dachte ich das, aber das war nicht möglich, von draußen konnte man nicht durch die Vorhänge sehen, also – wieso sah er mir direkt in die Augen? Es waren keine Monsteraugen, sie waren nicht rot, sondern blau, trotzdem lief mir ein Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter. Er sah mich an. Ich war mir sicher, dass er mich ansah.

Siebter Eintrag

Ohne den Laden zu schließen, wich ich schnell zurück. Unheimlicher Kerl. Mein Herz pochte wie wild, was mich störte. So uncool.

Ich überlegte. Wegen dem Vollmond hatte er vielleicht meine Silhouette gesehen am Fenster. Nichts weiter. Schmerzhaft stieß ich mir den unteren Rücken an der Bettkante. „Au, verflixt.“

War ich vielleicht ohne es zu merken weiter zurückgegangen, nur weil dort ein Typ saß der mit Halloween zu früh dran war? Vielleicht konnte er einfach nicht schlafen, einer aus der Nachbarschaft, egal, was ging mich das an. Aber, ich wollte keine Sekunde länger in diesem Zimmer bleiben.
 

Ich schnappte mir Decke und Kissen, und natürlich mein – Narutos – Buch und beeilte mich, um ins Wohnzimmer zu kommen. Immer noch verwirrt funktionierte ich mir die Couch zum Bett um und legte mich hin.

Der Gedanke, dass dieser Typ immer noch da draußen saß und vielleicht zu uns starrte, war sehr unangenehm und störend, aber ich drehte mich um, versuchte nicht mehr daran zu denken und zu schlafen. Es blieb ohnehin nicht mehr viel Zeit.

Vergiss den Fremden. Der ist ohne Bedeutung. Viel wichtiger, morgen gehst du zum Standesamt, lässt dir Name und Adresse geben und – findest ihn. Und dann? Ich könnte sagen, verzeihen sie aber ich habe ihr Buch gefunden – der erste Eintrag fiel mir wieder ein. Ob er reden konnte? Vielleicht ein Gehirntumor, etwas in dieser Art?

Ich schlug mir gegen den Kopf, das siehst du dann schon, schlaf jetzt.
 

Ich fand mich in einer Höhle wieder. Wassertropfen? Vielleicht eine Tropfsteinhöhle, aber wie zum Teufel kam ich hierher? Ich drehte mich um. Dort ging es nach oben. Schwierig zu erklimmen. Vor mir ging es nach unten. Dicke Felsbrocken lagen im Weg. Ich stolperte einige Male. Aber das Wasserrauschen wurde intensiver. Wenn dort ein Fluss war, gab es auch einen Ausgang. Ich stieg weiter nach unten, diesmal stützte ich mich mit den Händen ab. Und dann sah ich ihn. Den Fluss. Davor am Ufer kniete eine – Gestalt, und die kam mir sehr bekannt vor, obwohl ich ihn nur von hinten und etwas von der Seite sah. Er saß in der Hocke, aber nur die weißen Turnschuhe berührten den Boden. Seine Hände lagen auf den Knien. Allerdings trug er jetzt keinen Umhang mehr, sondern ein Hemd. Aber das war der Kerl. Ohne jeden Zweifel.
 

Was zum Henker machte er hier? Plötzlich öffnete er eine Hand. Mit einer roten Blume. Er streckte die Hand aus und legte die – Kamelie? - vorsichtig ins Wasser. Dann drehte er sich zu mir um und vor Schreck stolperte ich über diesen verdammten Felsbrocken. Ein heftiger Schmerz durchfuhr meinen Knöchel und ich wachte auf.

„Au“, jammerte und fluchte ich los.

Die Wohnzimmertür flog kurz darauf auf. „Sasuke, was machst du hier, was ist denn los?“ Es war meine Mutter.

„Mein Bein, mein Knöchel, ich hab mir den Knöchel gebrochen“, stöhnte ich.

Der Schmerz war so intensiv, dass ich kaum reden konnte. Kaum Luft bekam. Meine Mutter knipste das Licht an.

„Was? Du hast dir den Knöchel gebrochen? Bist du vom Bett gefallen, oder von der Couch?“

„Nein, ich bin über diesen Felsbrocken gestolpert.“

Meine Mutter kam zu mir gerannt und legte ihre Hand auf meine Stirn.
 

Eine halbe Stunde später saß ich in der Notaufnahme. Meine Mutter war sehr besorgt, und rannte alle zwei Minuten zum Schalter, um zu fragen wo der Arzt blieb. Fremde Leute würden wohl vermuten, dass ich im Sterben lag. Itachi war auch mitgekommen. Er hatte mich getragen, das wollte ich so schnell wie möglich vergessen. Wenigstens nicht auf den Armen, sondern Huckepack. Und das in meinem Alter. Was für eine Demütigung. Ich sah ihn von der Seite her an. Sein Verhalten war trotz allem seltsam, anders. Er starrte vor sich hin auf den Boden, anstatt mich aufzuziehen. Und das lag nicht daran, dass er mitten in der Nacht aus dem Bett geholt worden war, auch wenn ich es gerne glauben würde.
 

Endlich wurde mein Name aufgerufen. Rechts und links eingehakt, tragen kam überhaupt nicht mehr infrage, humpelte ich in das mir zugewiesene Zimmer. Der Arzt sah sich das Aufnahmeformular an, setzte sich an seinen Schreibtisch und fragte noch nach Dingen, wie Allergien gegen irgendetwas, letzte Impfung und so weiter, die im Formular nicht ausgefüllt waren. Er ergänzte die leeren Zeilen und drehte sich dann auf seinem Hocker zu mir herum.

„Na? Wo tut´s denn weh?“ fragte er mit salbungsvoller Stimme, die ich bislang nur bei Pfarrern in der Kirche gehört hatte.

Oh Gott.

Mein Knöchel war mittlerweile dick angeschwollen. Ich hob ihm schweigend meinen Fuß entgegen.

Sein Gesicht wurde ernst. „Mh, mh.“ Er legte die Hand vorsichtig an meine Ferse und drehte den Kopf hin und her, dabei immer wieder nickend und wissend „Mh“ sagend. Anscheinend war er ein Mann von Fach, der etwas von seiner Arbeit verstand.

„So kann man noch nichts sagen. Der muss geröntgt werden“, lautete schließlich seine Diagnose.

Um in die Röntgenabteilung zu kommen musste ich praktisch von einem Ende des Krankenhauses bis zur nächsten humpeln. Wenig begeistert sah ich mir die Sachen im Regal an, während der Arzt telefonierte. Dann sagte er, „gleich geht’s los. Na, freust du dich schon?“ Er lachte mich dabei an, als würde er die Frage ernst meinen.

Die Tür ging auf, und ein Rollstuhl wurde von einer Schwester herein gefahren. Ah, das war nicht schlecht.
 

Zwei Stunden später war ich wieder zuhause. Ich hatte ich einen Verband um den Knöchel. Er war dick angeschwollen, und schimmerte in dunkelblau, grün und schwarz. Zum Glück war er nur verstaucht, nicht gebrochen, obwohl ich das hätte schwören können, bei dem Schmerz. Salbe und Tabletten hatte ich ebenfalls bekommen. Nach den ganzen Untersuchungen war ich froh, nach Hause zu kommen, aber ich wurde vorher noch alleine in einen Raum gerufen. Mutter und Itachi durften nicht mitkommen. Zu meiner Überraschung waren vier Leute dort, die mich alle anstarrten. Nein, sie glotzten mich an, als würden sie in mich hineinsehen wollen. Was ging hier denn ab? Eine Frau, mittleren Alters lächelte mir freundlich und gleichzeitig mitleidig entgegen. Dann sagte sie: „Deine Mutter erzählte, es sei zu diesem *räusper* Unfall gekommen, weil du gefallen bist?“

Ach so war das. Ich verstand. Wie sagten die misshandelten Kids immer, damit man sie in Ruhe ließ?

„Stimmt, bin die Treppe runter gefallen.“

Die Gruppe tauschte Blicke aus. Dann wandte sich die Frau wieder an mich. „Du bist hier absolut sicher, glaub mir. Du kannst uns die Wahrheit erzählen.“

Die Wahrheit. Ich erinnerte mich. Irgendwie hatte ich die ganze Sache verdrängt, wegen den Schmerzen. Bis jetzt.

Und ich sagte kein Wort mehr. Ich konnte einfach nicht. Das hier – war unmöglich.
 

Die Stimmen wurden plötzlich zu Gemurmel, welches ich nicht mehr verstand und schienen immer weiter weg zu sein. Ich musste hier raus. Mühsam hob ich den Kopf. „Ich habe Schmerzen, und ich bin müde, ich will nach Hause.“

„Aber...“

„Nichts aber. Sie haben kein Recht, mich hier festzuhalten. Ich bin krank, es ist unverschämt mich hier zu verhören, als sei ich ein Verbrecher.“

Sie winkten entsetzt ab und ich drehte den Rollstuhl um, was viel schwieriger war, als wenn man es auf der Straße sah um zur Tür zu rollen. Ich würde wohl Hilfe brauchen. Genau. Wenn man mich schon wie einen Idioten behandelte, warum sich nicht auch wie einer benehmen? War ja nur Familie.

„Mama, Itachi, HILFE,“ schrie ich.
 

Jetzt lag ich wieder in meinem Bett zuhause. Meine Mutter hatte von der Arbeit aus in der Schule angerufen und mich entschuldigt. Heute Nachmittag sollten mir Krücken angepasst werden, in einem Sanitätshaus, damit ich wenigstens einigermaßen umher laufen konnte.

Itachi klopfte und kam ohne auf ein Herein zu warten ins Zimmer.

„Ich muss jetzt auch gleich los. Brauchst du noch was?“

Ich schüttelte den Kopf und sah an die Decke.

„Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn irgendetwas ist.“

Ich nickte nur.

„Sasuke.“

Ich sah ihn an. Seine Stimme hatte seltsam ernst geklungen. „Was ist passiert?“

„Hab ich doch gesagt.“

„Ja, du hast gesagt, du seist über den Felsbrocken gestürzt oder so. Musst nicht so gucken. Mutter hat es mir erzählt. Nur – in unserem Wohnzimmer gibt es keine Felsbrocken.“

Das ich das gesagt hatte, war mir komplett entfallen. „Ein Traum.“

„Ein Traum bei dem man sich so etwas – er zeigte auf meinen Fuß der etwas erhöht auf der Decke lag – holt?“

„Ich ...also ...habe, es war – ich hab unruhig geträumt, hatte schon vorher Albträume, deswegen bin ich auch ins Wohnzimmer, und da – bin ich runter gefallen, von der Couch, weil sie so eng ist. Ein Unfall.“
 

Warum erzählte ich ihm nichts von dem fremden Jungen? Das er mich erschreckt hatte, und ich deshalb diesen Traum hatte? Aber von der Couch gefallen war ich nicht, ich wusste selbst nicht, wie das passiert war.

Itachi blieb noch einen Moment stehen und sah mich an. Schließlich seufzte er: „Sasuke, du kannst mir alles erzählen, ganz egal was es ist. Ich werde dir auf jedem Fall helfen, wenn du in Schwierigkeiten bist, ich dachte und ich hoffe, das weißt du?!“

Als er die Tür schließen wollte, kam mir ein Gedanke, eine Frage in den Sinn. „Was glaubst du denn, was passiert wäre?“ rief ich.

„Hast du Probleme in der Schule? Wir sind erst den dritten Tag hier, und was passiert? Du musst im Büro des Direktors Aufgaben machen, dann muss ich dich von der Krankenstation abholen und jetzt das. Gibt es da jemanden, der dich nach draußen gerufen hat?“

Ich schüttelte den Kopf. Also dachte er, irgendein Schläger hätte es auf mich abgesehen?

„Na gut. Wenn du nicht reden willst, kann ich nicht helfen, das ist dir schon klar, oder?“

„Es ist nichts.“

Wortlos schloss Itachi die Tür. Ein paar Minuten später hörte ich die Haustür.

Endlich allein. Es war doch nur ein Traum. Das würde nicht wieder passieren. Aber es war schon ärgerlich. Ich hatte mir so fest vorgenommen, Naruto heute zu treffen.

„Ah.“ Narutos Traum fiel mir ein. Ich hatte ihn noch gar nicht zu Ende gelesen.
 

Eine dunkle, rote Flüssigkeit tropfte langsam da rein, und im gleichen Moment wusste ich, das ist mein Blut. Ich wusste es einfach. Aber nicht wie normales Blut, nicht dünnflüssig. Eher zäh, richtig wäh. Wie Honig. Die Konsistenz. Cool, was für schwierige Wörter ich kenne oder? Na okay, ich geb es zu, ich hab gefragt. Darum geht’s ja nu auch nicht. Sie hielt den Becher erst an das Loch dann hob sie ihn hoch und das Blut floss wie Honig rein. Ähm, gut. Honig mit Blut zu vergleichen ist nicht sehr tja, phantasievoll, oder wie das heißt, aber mir fällt nun mal nichts anderes ein, was besser passt. Aber der Schock kam ja erst noch. Das zieh dir mal rein, du Tagebuch, als der Becher leer war, da fing sich die Puppe plötzlich zu bewegen an. Und zwar wie ein Kind, das grad laufen lernt, das glaubst du nicht? Ich schwöre es. Genauso wars. Ich hab meinen Augen ja selber nicht getraut, aber das war ja auch noch nicht alles. Das Ding sah richtig scheußlich aus, und um das Maul rum klebte mein Blut, und dann sah die Puppe mich an. MICH. Natürlich hab ich los geschrien, und versucht, ob ich mich irgendwie freibekommen könnte. Zwei Kapuzenleute kamen zu mir und machten mich los. Ich wollte mich schon bedanken, da schleiften sie mich zu dem Dingsda hin. Schleiften ehrlich, weil meine Beine waren so taub, und wackelig. Ich konnt nicht drauf stehen. Und das ist auch noch nicht alles. Eigentlich dachte ich, es will mich auffressen, na ja so ähnlich wars auch irgendwie. Also , die legten mich auf den Altar, so ein rechteckiges Steindings eben, und dann – und das war übel, legte sie die Puppe auf mich, und weißt du was? Die Puppe war ein Kerl. Ich meine, die hatten da unten sogar Bälle ran geklebt. Soooo eklig. Und es geht noch weiter. Die war so schwer, als wäre sie ganz aus Stein, dabei war das Ton oder Knete oder so. Und sie presste ihr Loch auf meinen Mund. Ich bekam keine Luft mehr. Mir war klar, ich würde sterben.

Achter Eintrag

Mir fielen beim Lesen immer wieder die Augen zu, und ich musste von vorne anfangen. Das waren wohl die Schmerztabletten. Natürlich – gut geschlafen hatte ich auch nicht. Und vor allem wenig. Ich drehte mich zur Seite und schlief ein.

Als ich wach wurde, hörte ich die schimpfende Stimme meiner Mutter. Ich gähnte. Wie viel Uhr war es und was für ein Radau war das?

„Noch nie – noch nie habe ich eine derartige Unverschämtheit erlebt“, schnaubte meine Mutter empört.

Sie war völlig aus dem Häuschen und ich hellwach.

„Das wird Konsequenzen haben“, hörte ich meinen Vater schreien.

Was denn? Der war auch da?

Ich nahm meinen Wecker vom Nachttisch. Erst kurz nach ein Uhr mittags? Die Schule war jetzt grade aus. Ich wäre gerne dort gewesen.
 

„Verschwinden sie sofort aus meinem Haus.“

Das Gebrüll ging weiter.

Langsam wurde ich leicht nervös und setzte mich auf, um besser zu hören.
 

„Beruhigen sie sich doch bitte. Es ist ganz normal, dass wir bei...“

„Haben sie mich nicht verstanden? Verlassen sie auf der Stelle mein Haus, sonst rufe ich die Polizei.“

„Nicht, bevor wir den Jungen gesehen haben“, mischte sich nun eine andere weibliche Stimme resolut ein. „Und mit ihm gesprochen haben.“

Den Jungen? Meinten die etwa mich?

„Frechheit“, schrie Mutter. Bis dato hatte ich gar nicht gewusst, dass sie so laut sein konnte.

„Es ist wirklich nur Routine, Frau Uchiha“, das war wieder die Stimme, die beruhigen wollte. War das vielleicht dieses Spiel? Guter Bulle, böser Bulle?

„Bitte kooperieren sie mit uns, sonst müssen wir uns an die Polizei wenden und ihren Sohn zu uns kommen lassen.“

Ein Stuhl polterte. „Was glauben sie, mit wem sie hier reden? Wen glauben sie, vor sich zu haben?“ Das war Papa.

„Uns interessiert nur das Kind. Und so etwas kommt leider in den besten Familien vor.“ Welches Kind, fragte ich mich irritiert.

„So etwas?“ Meine Mutter hatte kaum noch eine Stimme, mit der sie normal reden konnte.

„Das Krankenhaus ist verpflichtet uns jede Verletzung mitzuteilen, bei der die Ursache unklar ist. Ich bitte sie noch einmal eindringlichst um Verständnis.“
 

Ach so. Jugendamt. Mist, ich sah zur Decke. Ich hatte gehofft, ich hätte mich bei den Ärzten durchgesetzt, als sie so komische Andeutungen gemacht hatten, im Krankenhaus.

Nun, das war ja alles schön und gut, aber ich wusste selbst nicht, wieso mein Knöchel verstaucht war. Das heißt, ich wusste, dass ich ihn mir verstaucht hatte, als ich bei diesem Felsen ausrutschte. Im Traum. Nur konnte ich das schlecht sagen. Ratlos sah ich immer noch zur Decke.

Im Wohnzimmer war es leiser geworden. Vielleicht lenkten meine Eltern doch ein, trotz aller Empörung, um mir den Gang zum Amt zu ersparen? Dann musste ich mir ganz schnell etwas einfallen lassen. Und mir fiel auch etwas ein. Itachi. Von mir aus konnten sie jetzt kommen.
 

Zuerst klopfte jemand zaghaft an meine Zimmertür. „Herein“, sagte ich.

Meine Mutter öffnete die Tür einen Spalt breit. Sie war sehr blass im Gesicht. Ich würde am Besten wohl den Ahnungslosen spielen. „Mama, du bist ja so blass. Und zuhause? Geht es dir nicht gut? Bist du krank?“

Traurig schüttelte sie den Kopf und ihre langen schwarzen Haare flogen von einer Seite zur anderen. „Leider nicht. Ah, ich meine, nein, mach dir keine Sorgen, Sasuke, es geht mir gut.“

Ich nickte. „Gibt es bald was zu essen?“

Normalerweise war ich nicht so gesprächig, aber ich wusste ja, wer da lauschte.

Erfreut sah sie mich an. „Hast du Lust auf etwas Bestimmtes, Sasuke?“

Nein, hatte ich nicht. Aber ich nickte und wollte grade etwas sagen, als wir unterbrochen wurden.

„Nun, das können sie später klären, nicht wahr?“

Das war die unfreundliche Stimme. Eine Frau, die recht alt aussah, ich schätzte, sie sah älter aus, als sie in Wirklichkeit war, drängte sich an meiner verärgerten Mutter vorbei in mein Zimmer. Die andere folgte ihr.

„Mutter, wer sind diese Leute?“

„Oh, also das...“

„Wir würden gerne allein mit ihrem Sohn reden,“ sagte die Unfreundliche mit der Brille, während die andere sich im Zimmer umsah.

Mit verkniffenem Mund schenkte Mutter ihr einen erdolchenden Blick, dann sah sie mich entschuldigend an und schloss hinter sich die Tür.

Wie aufdringlich, tz, konnten sie nicht dorthin gehen, wo Hilfe wirklich gebraucht wurde?

Ich war kein Schauspieler, also versuchte ich auch erst gar nicht, mich wie einer zu benehmen. Stattdessen erzählte ich ihnen Itachi´s Version der Geschichte, ich wäre mitten in der Nacht hinausgerufen worden, milderte sie aber ab, dass es eine Mutprobe gewesen sei. Und nein, wer der Junge war wusste ich nicht, auf meiner Schule hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich wusste nicht mal seinen Namen, nur das er etwa in meinem Alter war, blond mit blauen Augen. Und das er weiße Turnschuhe trug.

Die Frauen sahen sich an. Offensichtlich kannten sie niemanden auf den die Beschreibung zutraf.

Ich kam mir selbst etwas blöd vor, weiße Turnschuhe waren ja nun keine Seltenheit. Aber seine – sie waren so weiß, als wären sie nagelneu.

Endlich gingen sie wieder. Wahrscheinlich hatten sie sich noch eine Notiz gemacht, als Erinnerung, falls ich nochmal im Krankenhaus landete.

Ich lehnte mich zurück und holte das rote Lederbuch unter der Decke hervor.
 

Ich konnte die Luft nicht länger anhalten, ich musste einfach atmen, und die Luft die ich einatmete schmeckte nach Erde. Sie war richtig abgestanden und ich hatte die Augen weit aufgerissen, genau wie die Puppe. Deswegen sah ich meinen Namen auf ihrer Stirn. Und ich hörte eine Stimme in meinem Kopf, die nicht aufhörte zu reden und in sinnlosen Reimen sprach. Ich glaube, das es die Puppe war. Als ich ausatmete, atmete die Puppe ein. Und als sie ausatmete atmete ich wieder ein. Nach einer Weile hatte ich irgendwie einen Rhythmus gefunden, und trotz der schrecklichen Situation schob ich wenigstens keine Panik mehr, sie würde mich ersticken wollen.
 

Auf der anderen Seite hatte er Notizen gemacht. Anscheinend hatte er versucht, die Reime die er gehört hatte, zu rekonstruieren. Manchmal stand nur ein Satz da, einige Wörter waren durchgestrichen und durch neue ersetzt worden und mit einem anderen Stift war ebenfalls ein Satz darunter geschrieben worden. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er es zu verschiedenen Zeiten getan hatte. Eben immer dann, wenn ihm wieder etwas eingefallen war.

Meine Mutter klopfte an die Tür. „Ja?“

„Deine Klassenkameraden würden dich gerne besuchen.“

Auch das noch. „Sag ihnen, ich schlafe, nein – warte.“

Vielleicht konnte ich sie ja nach Naruto fragen, schließlich waren sie hier aufgewachsen. Möglicherweise waren ihre Eltern mit Naruto sogar befreundet.

Besuch

Anders als ich, ist meine Mutter extrovertiert und freundlich, aber nicht peinlich in dem Sinne, das sie voller Stolz Babyfotos von mir herumzeigen würde. Und freundlich begrüßte sie auch den Besuch, der da gekommen war.

Zwei Leute betraten mein Zimmer. Mein erster Blick ging hoch zum Gesicht. Lange blonde Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die hatte ich noch nie gesehen, aber das hatte nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Die andere, lange rosa Haare. Die kannte ich. Das war die, die ihrem Hintermann fast das Auge mit diesen schrecklichen Haaren ausgeschlagen hatte, gleich am ersten Tag, als ich mir einen Platz in der Klasse aussuchen sollte. Vielleicht täte sie gut daran, es ihrer Freundin gleich zu tun und die Haare zusammen zu binden. Aber da ich es nicht war, die hinter ihr saß war es mir egal.

Der zweite Blick wanderte zu den Händen. Anstatt das heutige Schulmaterial hatte jede eine Blume in der Hand. Verärgert sah ich auf meine Bettdecke.

„Sasuke, bist du schwer verletzt?“

Die mit den grünen Augen beugte sich zu mir. „Hast du Schmerzen?“

Natürlich hatte ich die. Ich war ja nicht aus Gummi. Seufzend verdrehte ich die Augen. Meine Mutter kam mit einer Vase herein, warf mir einen warnenden Blick zu, stellte die beiden Blumen hinein und stellte die Vase auf meinen Nachttisch.

Ich grummelte leise, wurde aber von Mutter übertönt, die sagte, „wir haben einen Termin um Sasuke Krücken anpassen zu lassen. Wenn er den verstauchten Knöchel nicht belastet ist es auch kein Problem und er kann morgen wieder zur Schule kommen.“ Sie lächelte den Beiden zu und beim hinausgehen zwinkerte sie mir zu. Das bedeutete, keine Sorge, ich nehme die Vase nachher wieder weg.

Kaum war sie draußen - „Du hast dir den Knöchel verstaucht, wie furchtbar.“

Die andere wollte wohl nicht zurück stehen. „Einfach schrecklich, wie ist das passiert?“

Daraufhin wurde sie von der anderen fast schon aggressiv unterbrochen, und eine Art Streit entstand.

Ich fühlte mich überflüssig, lehnte mich zurück und schaltete ab.
 

Meine Gedanken schweiften ab zu Narutos Tagebuch und den Einträgen. Realistisch betrachtet ergaben die meisten keinen wirklichen Sinn. Genauso wenig wie mein verstauchter Knöchel. Nicht mal gestempelt war das Buch. Keine Auflagenzahl, kein Verlag hatte eine Spur hinterlassen. Was genau wusste ich? Realistisch betrachtet!

Naruto war ein mittlerweile 43jähriger Mann, dem im Alter von 16 Jahren mitgeteilt wurde, dass er...einen Gehirntumor hatte? Dann lebte er vielleicht gar nicht mehr. Oder hatte eine erfolgreiche Operation gehabt, bei der man dennoch so viel Hirnmasse entfernen musste, dass es extrem zweifelhaft war, ob er danach noch schreiben und sprechen konnte.

Wenn ich mich korrekt an die Stelle erinnerte, wo im Gehirn das Sprachzentrum saß, musste er wohl Rechtshänder gewesen sein.

Solange ich noch ich bin. Vielleicht hatte er da übertrieben. Weil er nicht genau über die OP aufgeklärt worden war.

Und – jemand las sein Tagebuch. Vielleicht die Mutter. Weil sie sich Sorgen machte und er ihr nichts von seinen Sorgen erzählen wollte, las sie eben sein Tagebuch. Heimlich. Oder sie war als Person genauso aufdringlich wie die beiden Mädchen hier, die sich immer lauter stritten.

Ein Gehirntumor würde vielleicht auch diese merkwürdigen Träume erklären. Falls es davon noch mehr gab.

Aber trotzdem – es passte nicht wirklich zusammen.

Welche Eltern erzählten ihrem Kind an seinem Geburtstag, das es ein Gehirntumor hatte und eine gefährliche Operation bevorstand? Niemand. Und diese Operation würde man auch so schnell wie möglich durchführen. Im Tagebuch waren wir aber schon beim 28. Oktober. Fast drei Wochen später.

Selbst wenn ich Kakashis seltsamen Spruch und die Tropfsteinhöhle außer Acht ließ, es blieben zu viele Dinge übrig, die nicht zueinander passen wollten. Kurz schloss ich die Augen. Ich war nicht der Typ der an Vampire oder Zombies glaubte, ich war Realist. Und genau deswegen, eben weil ich Realist war, und kein Angsthase der Dinge nur verdrängen wollte, war ich mir so gut wie sicher, das ich meinen Knöchel während des Traumes verstaucht hatte. Es gab keine andere Möglichkeit. Wäre ich wirklich nur unglücklich auf den Teppichboden gefallen, war das vielleicht eine Erklärung für die Verstauchung, aber nicht für die Schürfwunden.

Ich sah auf und in ein blaues und grünes Augenpaar. „Kennt ihr Naruto?“

Überraschte Gesichter.

Ich setzte mich auf. „Erzählt mir alles was ihr wisst über den alten Mann.“

„Wir – wir wissen überhaupt nichts, hab ich Recht, Ino???“

„Wie? Ähm ja, wir wissen überhaupt nichts über den – hm – alten Mann.“

„Und – wir müssen jetzt gehen, unsere Eltern machen sich sonst Sorgen, bis morgen in der Schule, Sasuke.“

Die Blonde winkte. „Bis morgen.“
 

Was war das denn? Hätten sie mir nicht wenigstens sagen können wo er wohnt? Ob die ganze Stadt so war? Aber warum?

„Du warst wieder gemein zu den Mädchen, nicht wahr?“ Mutter erschien in der Tür.

Ich schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Sie sind von alleine weggerannt.“

Es war offensichtlich, das sie mir nicht glaubte. Leicht verärgert nahm sie die Vase. „Ich habe dir beigebracht, höflich zu sein, oder nicht?“

„Ich habe doch nur gefragt ob sie...“

„Ja?“

„Ob sie mir sagen können, was morgen in Mathe drankommt.“

Mutter seufzte und verließ mit der Vase mein Zimmer.

„Mutter“, rief ich laut.

„Was ist?“

„Das Tuch.“

„Welches Tuch?“

„Das mit dem du gestern Nacht meine Verletzung gesäubert hast.“

Sie kam zurück. „Was ist damit?“

„Wo ist es? Ich will es sehen. Unbedingt.“

„Aber wozu denn? Ich habe es natürlich weggeworfen. Was willst du denn nur mit diesem schmutzigen ...“ Sie hielt inne und sah mich mit großen Augen an. Meine Mutter war nicht eben schwer von Begriff. „Warst du etwa draußen?“

„Glaubst du, ich war draußen, bin dann mit dem verstauchten Bein, bei dem ich zuerst dachte, es wäre gebrochen, wieder durchs Fenster rein geklettert, hab mich auf die Couch gelegt und zu stöhnen angefangen?“

„Was ist hier los, Sasuke?“

Ich lehnte mich wieder zurück und ordnete meine Decke. „Wenn ich das bloß wüsste.“

Die Nachbarin

Am Nachmittag hatte ich endlich meine Krücken, und spazierte damit in meinem Zimmer auf und ab. Das ging ganz gut, es war recht groß, Etwa 40 qm², und ich hatte keine unnützen Dinge herumliegen oder stehen. Auf diese Weise konnte ich endlich meinen Kreislauf wieder in Schwung bringen und mich an die Krücken, die ich laut Arzt immerhin zwei Wochen lang benutzen musste, gewöhnen. Schließlich würde ich Naruto nicht finden, wenn ich im Bett herumlag, ich wollte ja eigentlich heute schon zum Standesamt. Unwillkürlich knirschte ich mit den Zähnen.
 

Verflixtes Pech. Im Moment war meine größte Sorge, dass wir in ein paar Wochen wieder umziehen würden, bevor ich ihn gefunden hatte. Und ich konnte mich nicht erinnern, dass mir in den letzten Monaten, sogar Jahren, jemals etwas so wichtig gewesen war. Nach dem Grund fragte ich mich nicht. Das war ja auch uninteressant. Tocktock. Tocktock. Ich musste leise lachen. Heimlich an schleichen konnte ich mich damit nicht. Unbemerkt davonschleichen auch nicht, kam es mir in den Sinn, denn plötzlich dachte ich wieder an den fremden Jungen und ich sah zum Fenster. Wirklich jemand, der mal nach draußen gegangen war, weil er nicht schlafen konnte?

Es war nicht meine Art, aber...normalerweise stellte man sich seinen neuen Nachbarn vor. Viel zu lange hatte ich untätig hier herum gelegen, ohne lange zu überlegen humpelte ich nach draußen.

„Sasuke?“

„Ich geh mich den Nachbarn vorstellen, Mutter.“

Vater, Mutter und Itachi warfen mir ungläubige Blicke zu, als ich zur Haustür hüpfte. Erst als ich mit der Hand nach der Türklinke griff, erholten sie sich wieder und mein Bruder kam angerannt und öffnete mir die Tür. Er sah mir intensiv in die Augen, so als wolle er sagen, ich weiß doch, dass hier irgendetwas faul ist, dass du etwas verschweigst und ich komme schon noch dahinter.

Wohl kaum, dachte ich für mich, ich konnte das Buch deutlich unter meiner Jacke spüren.

Die Straße war stark befahren, selbst um diese Zeit noch, und mein erstes Ziel war natürlich die gegenüberliegende Seite. Ich hob eine Krücke und fuchtelte damit in der Luft herum, so wie ich es schon bei älteren Leuten gesehen hatte und tatsächlich, die Autos wurden langsamer und hielten an, um mich vorbei zu winken.

Auf der anderen Seite stand ich vor der Mauer, auf der der Fremde so lässig gesessen hatte, als wäre es die normalste Sache der Welt, mitten in der Nacht...

Er hatte vor einem Kamelienstrauch gesessen, fiel mir jetzt auf. Der Busch war gute zwei oder drei Meter hoch, und hatte nur zwei Farben. Rot und Weiß, was eigentlich ungewöhnlich war. Bei der Größe stand er schon einige Jahre dort, außer – der Besitzer hatte die gemischten, die rosafarbenen Blumen entfernt. Vielleicht mochte er diese Farbe einfach nicht? Hatte der Junge sich von hier eine Blüte mitgenommen?

Wie auch immer, ich hatte keine große Mühe zum Eingang zu humpeln und dort zu klingeln. Eine Frau zwischen 30 und 35 öffnete mir. Sie war schlank mit langen roten Haaren.

Freundlich lächelte sie mich an. Ihre Augen betrachteten mich neugierig aber nicht aufdringlich. „Hallo, ich bin Sasuke Uchiha. Wir sind – ich deutete mit der Krücke auf das gegenüberliegende Haus – vor kurzem hierher gezogen.“

„Oh ja. Ich habe den Laster gesehen. Tut mir leid, dass du in der Schule warst, als ich mich Mikoto vorgestellt habe.“ Sie lächelte und legte den Kopf zur Seite.

Die Frau war schon bei uns gewesen? Davon hatte Mutter ja gar nichts erzählt. Ich fühlte mich gerade etwas überrumpelt.

„Ja, mir auch“, sagte ich schnell. „Darum dachte ich, ich komme einfach persönlich vorbei.“ Puh, nochmal die Kurve gekriegt.

„Ich wollte sie auch fragen, falls das nicht zu aufdringlich ist, ob sie vielleicht einen Sohn in meinem Alter haben?“

Sie sah mich erstaunt an. Dann wanderte ihr Blick traurig zur Seite. „Nein, leider nicht. Ich habe keine Kinder.“

„Oh, das ist schade.“

„Möchtest du vielleicht hereinkommen?“ fragte sie wieder so freundlich wie zuvor.

„Nein, danke. Meine Familie wartet.“

„Auf einen Tee?“

Wozu? dachte ich. Davon hatte ich nichts. Nur weil sie sich vielleicht ein Kind wünschte, jedenfalls hatte sie eben so ausgesehen, als ob, würde ich sicherlich nicht den Ersatz spielen wollen. Am Ende erwartete sie noch, dass ich jeden Tag zum Teetrinken kam? Ohne mich. Ich wollte grade ablehnen, als ich die beiden Mädchen von heute Mittag auf unser Haus zusteuern sah. Wieder mit Blumen. Jeez, so etwas Lästiges.

„Sehr gerne“, beeilte ich mich zu sagen.
 

Später trank ich schweigend Tee bei ihr im Wohnzimmer. Es sah so aus, als würde sie alleine leben. Sie fragte mich, wie es mir hier gefiel, und ob ich in der Schule gut mitkam, aber an meinen eintönigen Antworten bemerkte sie wohl, dass ich keine Lust auf smalltalk hatte und schwieg. Ich trank meine Tasse leer und verabschiedete mich. Außerdem musste ich auf die Toilette, und war froh, dass ich nur auf die andere Straßenseite musste.

„Also, vielen Dank für den...“

„Oh“, ihr schien etwas einzufallen. „Warte mal kurz.“

Mit fliegenden Haaren rannte sie den Flur entlang. Ich hoffte, dass sie sich beeilen würde. Aus dem Raum, in dem sie verschwunden war, hörte ich das Klirren von Flaschen. Ah, sie wollte mir wohl etwas für meine Eltern mitgeben, ein Geschenk oder so. Ich ging auf den Raum zu und sah kurz nach links, wo eine Tür etwas offen stand. Verwundert blieb ich stehen. Das war das Zimmer eines Jugendlichen. Hatte sie nicht gesagt, sie hätte keine Kinder?

Tatsächlich kam sie freudestrahlend mit einer Flasche Wein zurück. „Hier bitte, sag Mikoto es ist ein Geschenk von mir. Oh ha ha, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich heiße Hansuki.“

Ich hob abwehrend eine Hand. „Tut mir ehrlich leid, aber ich habe gerade keine Hand frei.“

„Oh, wie gedankenlos von mir.“

„Sagen sie, - ich sah zu dem Zimmer – dieses Zimmer, ist das ein Gästezimmer.“

„Ja, ein Gästezimmer. So könnte man es wohl nennen. Manchmal, bekomme ich Besuch, weißt du? Nun, dann bringe ich den Wein später vorbei. Es war wirklich nett, dich kennengelernt zu haben.“

„Ja, für mich auch“, wir verbeugten uns und Hansuki öffnete mir die Tür.

Ich schielte nach rechts und links und konnte nur hoffen, das die beiden Mädels nicht im Wohnzimmer saßen und auf mich warteten.
 

Zuhause setzte ich mich in meinem Zimmer auf den Stuhl und legte das Bein hoch. Ich wollte mir nähere Gedanken über Narutos Traum machen. Diesmal irrational. Es war ziemlich eindeutig eine Art Opferungszeremonie oder – Ritual gewesen.

Eine Puppe, wie er sie nannte, also ein Wesen war aus Erde geformt worden, aber nicht mit Wasser, sondern mit Öl, Blut und Feuer. Nicht zu vergessen mit Geschlechtsmerkmalen, sowie einem Namen. Es musste irgendwie getauft worden sein. Vielleicht hatte Naruto die Taufe nicht mitbekommen, weil er zeitweise ohnmächtig war. Das Gebilde war von Ranghöheren geschaffen worden, den Priestern, wie Naruto sie nannte, und unterstützt wurden sie dabei von der Gemeinde, also den Kapuzenträgern. Der sogenannte monotone Singsang war nicht zu unterschätzen. Nicht zu vergessen, die Statue. Man brauchte ja nur an das OHM der Yogis zu denken. Nur mit dem Unterschied das Ersteres an Hexerei grenzte und eine wichtige Unterstützung war, für die Erschaffung des Wesens, welches am Ende hin zum Leben erweckt wurde. Blieb die Frage, warum sie sich Naruto dafür ausgesucht hatten. Dafür musste es einen Grund geben. Und warum hatten sie ihn am Leben gelassen? Jedenfalls hörte sich der gesamte Traum sehr danach an, als sei er Zeuge bei der Entstehung eines Golems geworden. Und der Beschreibung nach, hatte er keine Ahnung gehabt, in welche Machenschaften er da geraten war, geschweige denn, was passierte. Mehr als das. Was mit ihm passierte. Die Reime waren auch wichtig. Ich hoffte, Naruto hatte sie noch einigermaßen gut im Gedächtnis gehabt, als er sie aufschrieb. Es wurde Zeit, sie mal näher zu betrachten.

Die Reime

Ich nahm ein Blatt Papier und schrieb die Reime aus dem Tagebuch noch einmal auf. Im Gegensatz zu der sonst ordentlichen Schrift waren die Reime zu durcheinander und öfters ausgebessert worden.
 

selbst beherrscht, ironisch

halt mich innen für dämonisch
 

magisch selbst sich zu verwandeln

heißt in meinem sinne handeln
 

deine Lebenskräfte aufgesaugt

was mir selbst als Nahrung taugt
 

für ewig an mich gebunden

wirst du nimmer mehr gefunden
 

mit jedem Atemzug gibst du mir Leben

es ist ein Nehmen und ein Geben
 

Als ich die Seite umschlug, um nach weiteren Versen zu suchen, sah ich, dass sein Traum sogar noch weiter ging. Aber zuerst wollte ich mir die Reime genauer ansehen. Ich glaubte nicht, dass dies die richtige Reihenfolge war.

In den ersten beiden Reimen beschrieb der Golem sich selbst. Im dritten und fünften Reim beschrieb er seine Handlung. Und im vierten und letzten die Folge davon.

Dann wandte ich mich dem Rest des Traumes zu. Dabei ging es eigentlich um Narutos Aufwachen, wie ich schnell erkannte.
 

Dann hörte ich einen lauten Schrei, wie aus ganz vielen Kehlen, es klang so wie Hoooar. Und bin in meinem Bett aufgewacht. Zuerst konnte ich mich nicht bewegen. Hab gewartet. Es dauerte so lange, bis ich mich bewegen konnte, dass ich schon dachte, ich hätte mir im Schlaf irgendwie einen Nerv eingeklemmt, oder so. Wie ich aufstehen wollte, war ich so gerädert und kaputt, dass ich es grade mal vom Bett zur Toilette, und von dort zur Couch geschafft habe.

Heute Abend geht es mir endlich besser, ich werd noch ein bisschen schlafen und ich hoffe ohne zu träumen.
 

Ich verstand. Mit diesem Schrei hatte die Gruppe ihn aus der – anderen – Welt zurück in seine eigene befördert. Die ganze Prozedur hatte ihn so mitgenommen, dass er nicht mal Energie zum Aufstehen hatte. Sich nicht bewegen konnte.

War das wirklich ein Traum gewesen? Wirkte ein Traum noch so weit in die bewusste Realität hinein, dass es praktisch den ganzen Tag andauerte, bis er sich besser fühlte, körperlich besser, selbst wenn es ein Albtraum war?
 

Mit einer Hand klappte ich das rote Lederbuch zu. Was für ein seltsamer Traum. Auch ich hatte einen Traum gehabt, der sich von normalen Träumen unterschied, sehr realistisch war und weit bis in die normale Realität wirkte. Bis jetzt war mir noch keine vernünftige Erklärung für meinen verstauchten Knöchel in den Sinn gekommen.

Ich humpelte wieder zum Bett, legte mich hin, und nahm eine der Schmerztabletten aus der Packung. Dann schluckte ich die Tablette mit Wasser runter, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte über Narutos Traum nach. Das war der einzige Eintrag unter diesem Datum. Am 28. Oktober 1985. Nirgendwo hatte etwas gestanden, das er vorher einen Horrorfilm angesehen hatte. Bei meinem Traum konnte ich wenigstens noch davon ausgehen, dass ich von dem blonden Jungen geträumt hatte, weil ich ihn kurz vorher vom Fenster aus gesehen hatte.

Vielleicht hing es doch mit dem Vollmond und der anschließenden Mondfinsternis zusammen. Es gab ja Leute, die da empfindlich waren, oder es sich einbildeten. Aber so oder so lief es auf das Gleiche hinaus. Sie konnten entweder gar nicht, oder nicht gut schlafen.

Ich dagegen hatte mich kaum noch wach halten können. In der Regel träumte ich dann überhaupt nichts.
 

Es war wirklich schade, dass er die Göttin beziehungsweise die Statue nicht näher beschrieben hatte. Dann hätte ich im Internet anhand der Beschreibung vielleicht – Moment mal, was war mit dieser Höhle aus meinem Traum? Es war nicht die Gleiche oder? Naruto hatte nichts von einem Fluss geschrieben. Aber vielleicht gab es in der Nähe eine solche Höhle wirklich?

Danach würde ich morgen gleich fragen.

Ich sah mir noch einmal das Blatt mit den Reimen an. Besonders stachen mir die Worte des letzten Verses ins Auge.
 

Mist, was tat ich hier eigentlich? Sasuke, das ist ein Traum, er hat doch selbst geschrieben, es war ein Traum und er ist in seinem Bett aufgewacht. Es war gut möglich, dass er krank war, und sich deshalb so schlecht fühlte. Ich hatte auch schon schlecht geträumt, wenn meine Nase verstopft war. Verärgert faltete ich das Blatt zusammen und wollte es in das Tagebuch legen. Aber als ich danach griff, fiel ein altes Foto heraus.

Im Gegensatz zu dem Tagebuch war das Bild schon vergilbt. Es war nur eine Person darauf abgebildet. Eine Person, die ich schon zweimal gesehen hatte. Mit zitternden Fingern griff ich danach und hob es auf. Kein Zweifel. Es war der gleiche Junge, der auf der Mauer gesessen hatte. Auf der Rückseite fühlte sich das Foto klebrig an, ich drehte es um. Spuren eines Klebers zogen sich Schneckenspuren über die Rückseite des Bildes. Es musste festgeklebt gewesen sein. Daher hatte ich es auch jetzt erst entdeckt, anders gesagt, es hatte sich erst jetzt gelöst und war herausgefallen. War das Naruto? Ich drehte es wieder auf die Vorderseite.

Der Junge, der mich anlachte, hatte blondes Haar, blaue Augen, ein ebenmäßiges rundes Gesicht, und trug einen unifarbenen Anzug in Orange. Vielleicht ein Hausanzug oder Jogginganzug? Er war schlank und sah sehr jung aus, obwohl ich wusste, er war so alt wie ich. Und er saß auf der Schulmauer. Ich erkannte sie an den Steinen, außerdem waren im Hintergrund die Fenster zu sehen, und die Treppe die hinauf ins Erdgeschoss führte.

Wo war das Bild eingeklebt gewesen? Ich nahm das Buch und blätterte es durch, bis ich zu den beiden Seiten kam, die zusammenklebten. Vorsichtig löste ich sie voneinander. Auf der anderen Seite war auch ein Bild eingeklebt. Diesmal stand er mit verschränkten Armen in einem, in seinem? Zimmer, das mir seltsam bekannt vorkam. Ich wusste nur nicht woher, bis ich die Vase mit den Kamelien entdeckte. Es war das gleiche Zimmer, das ich bei der Nachbarin gesehen hatte. Unter dem Bild stand mit den großen schnörkeligen Buchstaben, also mit der gleichen Handschrift des Buches, das Datum und der Name. Naruto Uzumaki. Auf der anderen Seite ebenfalls, dort wo jetzt kein Bild mehr war, nur noch der abgenutzte Kleber.

„Ich glaube“, sagte ich leise und auch ärgerlich, „es gibt hier Leute, die mir einige Antworten schulden.“

Eine andere Zeit

Am nächsten Morgen fand ich mich pünktlich um Viertel vor acht in der Schule wieder. Aber irgendetwas war seltsam. Anders. Ich hatte nur keine Ahnung was. Auf dem Schulhof waren Kinder und Jugendliche aus allen Altersklassen. Ja, genau. Das war es. Normalerweise war der Schulhof um diese Zeit leer.

Meine Mutter hupte. Ich drehte mich um, und winkte zum Abschied. Aber – seit wann hatten wir ein neues Auto? Es machte einen Heidenlärm, als es davonfuhr. Und aus dem Auspuff quoll fetter, schwarzer Rauch. O je, sie musste es sich geliehen haben. Wahrscheinlich war unseres nicht angesprungen. Na dann – lass dich nicht erwischen mit diesem Ding, Mutter, sonst bist du wegen Umweltverschmutzung dran.

Normalerweise wäre ich in den Klassensaal gegangen, aber weil alle draußen waren, oder fast alle, so viele waren es ja gar nicht, schlenderte ich über den Schulhof. Komisch. Keiner, der noch schnell seine Hausaufgaben beim Nachbarn abschrieb, oder ein Spiel zockte. Und warum trugen die älteren Mädchen alle kurze Haare? War das jetzt wieder Mode? Da hatten die Friseure gestern ja jede Menge zu tun gehabt. Tz.

Eins, zwei, drei und vier,

Naruto ist ein wildes Tier,

Fünf, Sechs, sieben und acht,

er kommt nur in der Nacht,

Neun, acht, zehn und Elf

misch dich nicht ein und helf

Als ich seinen Namen hörte, drehte ich mich unwillkürlich zu den spielenden Kindern. Sie spielten Seilspringen und hatten geflochtene Zöpfe.

Meinten sie DEN Naruto? Ich lief langsam auf sie zu.

„Hi“, grüßte ich und hob die Hand. Anstatt mir zu antworten, unterbrachen sie ihr Spiel und starrten mich an, wie einen Außerirdischen.

„Ähm, was spielt ihr denn da?“

Sie sahen sich gegenseitig an. Waren die Kinder gar nicht von dieser Schule? „Ah, verstehe, eure Schule macht einen Ausflug zu unserer Schule, nicht wahr?“ Ich bemühte mich um ein Lächeln. Die Kinder liefen schreiend davon.

Den Verdacht hatte ich ja schon vorher gehabt, aber jetzt war ich mir sicher. Sie kamen von einer anderen Schule. Einer für geistig zurückgebliebene Kinder, vermutlich.

Na gut, wenn das so war...hatte ich hier ja nichts mehr verloren. Es klingelte schon, und ich wollte mir eigentlich noch Kakao vom Hausmeister holen. Mist. Aber wenn ich rannte, konnte ich das schaffen. Zu meiner Überraschung beeilten sich die anderen Leute hier jetzt auch alle, um ins Schulgebäude zu kommen. Sie hatten sogar Schultaschen dabei. Egal. Ich sprang schnell die Treppe hinunter, kaufte mir die Schokomilch und ging dann hoch zum Saal. Als ich durch die Tür trat musste ich erst mal schlucken. Sämtliche Plätze waren besetzt. Und alle starrten mich an. Was hatte ich eigentlich verpasst? Und wieso war ich nicht informiert worden? Na gut, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig, als zu fragen, in welchen Saal ich heute musste. Und sicher zu spät kommen würde, aber ich konnte es ja auf meinen verletzten Knöchel und die Krücken schieben – wo waren meine Krücken? Wo der Schmerz im Knöchel?

Verwirrt sah ich auf. Es war nicht beabsichtigt, dass ich zu meinem Platz sah, aber ich tat es. Die Milchtüte fiel mir aus der Hand und platzte.
 

Schweißgebadet fuhr ich in meinem Bett hoch. Ich bekam kaum Luft und schnappte vermutlich wie ein Fisch auf dem Trockenen danach, die Hand auf meine Brust gepresst.

Zum Glück war mir sofort bewusst, das es nur ein Traum war, aber wahrscheinlich hatte ich geschrien, denn ich hörte wie sich das Getrampel von Füßen meinem Zimmer näherte. Im nächsten Moment ging auch schon die Tür auf.

„Nur ein Traum, ein schlechter Traum,“ sagte ich schnell.

„Du bist ja klatschnass“, rief Mutter, als sie meine Stirn fühlte.

„Ich sag doch, ein schlechter Traum.“

„Was hast du denn geträumt?“ wollte Itachi wissen.

„Ah, nichts Besonderes, nur von der Schule.“
 

Nach einer Weile und nachdem Itachi meinte, es wäre besser, wenn ich morgen noch einmal zuhause blieb, meine Mutter meinem Einwand keine Beachtung schenkte und Itachi zustimmte, war ich die Beiden endlich los. Ich dachte über meinen Traum nach, während ich aufstand, um mich zu duschen. Mein Bettlaken war auch total nass. Na gut. Meine Mutter wollte ich nicht nochmal stören, ich konnte es auch selber wechseln. Ein verstauchter Knöchel war noch lange kein Beinbruch.

Ich humpelte zum Bad, ließ die Shorts und das T-shirt mit dem ich schlief einfach zu Boden fallen und stellte mich unter die Dusche. War ich im Traum etwa in der Vergangenheit gelandet? Mir war jetzt nämlich absolut klar, was mir an den Kindern komisch vorgekommen war. War es ein ähnlicher Traum wie der mit der Höhle, oder war der Traum nur ein Traum?

Ich hoffte, es war das Erste, denn nicht nur ich hatte Naruto gesehen, sondern er mich auch.
 

Schlafen konnte ich lange nicht mehr, erst als ich die Vögel zwitschern hörte. Langsam ging es auf September zu. Richtig gut ausgeschlafen wachte ich gegen elf Uhr auf, machte mir ein Frühstück, und fühlte mich voller Tatendrang. Ein wenig ärgerte ich mich allerdings, das mein Traum auf diese Weise geendet hatte. Hätte ich früher gemerkt, was los war, wäre ich zu ihm gegangen. Ja. Und dann – ja was dann? Hallo ich bin Sasuke aus der Zukunft und suche dich, Naruto?!

Nein, vielleicht war es doch besser so.

Nach dem Frühstück nahm ich Narutos Bild und kopierte was der Kopierer nur hergab. Dann klebte ich das Original wieder ins Tagebuch.

Mein erster Weg würde mich zur Nachbarin führen, das war klar.
 

Sie war auch zuhause und öffnete. Wie war nochmal ihr Name. Ich warf einen Blick auf das Schild. „Umaziku Hansuki.“

Die Tür öffnete und ich erschrak ganz schön. Ihr Gesicht war grau und eingefallen. Unter den Augen hatte sie dunkle Ränder. Nein, hier störte ich nicht gerne. Auch sie hatte wohl nicht gut geschlafen.

„Tut mir leid, sie zu stören.“ Ich verbeugte mich und wollte mich beeilen. „Mir ist die Milch gestern Nacht auf den Boden gefallen. Haben sie vielleicht noch welche?“

Sie nickte und ging, noch im Morgenmantel vor mir her Richtung Küche. Eigentlich hatte ich sie mit dem Bild konfrontieren wollen. Das hatte noch Zeit. So freundlich war ich normalerweise gar nicht. Ich lief hinter ihr her und wartete im Flur vor dem sogenannten Gästezimmer. Als sie in der Küche verschwand, drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür.

Sofort wehte mir der Blumenduft in die Nase. Kamelien. Ich ging weiter hinein. Die Schuluniform, die am Schrank hin, wenn auch nicht so gut zu erkennen, weil sie mit Plastik überzogen war, die kannte ich doch oder besser, ich erkannte sie. Die Leute aus meinem Traum hatten die Gleiche angehabt. Auch Naruto. Seit wann hingen in einem Gästezimmer Schuluniformen?

Ich hörte schlurfende Schritte zurückkommen. Mist. Schnell humpelte ich ihr entgegen und sagte: „Haben sie auch Schokolade. Bitte??“

Wortlos drehte sie sich wieder um. Ich kümmerte mich nicht mehr um den verdammten Knöchel, ging schnell in das Zimmer, öffnete das Fenster, hüpfte wieder raus und schloss die Tür. Aus der Küche hörte ich noch Geräusche. Eigentlich gut für mich, das es ihr nicht so gut ging.

Es war wohl besser zu warten, als gleich zu verschwinden. Sie erschien wieder in der Tür. „Schokolade habe ich leider keine mehr.“

Macht nichts, wollte ich gerade rufen, als sie auf die Milch zeigte. „Milch hat mein Sohn auch immer gerne getrunken.“ Sie lachte ein wenig. „Sogar wenn sie abgelaufen war.“

„Ihr Sohn?“

„Ja“, sie nickte.

Von einem Sohn hatte sie nie etwas erwähnt. „Ist er weggezogen?“ Eigentlich interessierte mich das nicht wirklich. „Ja. Ist er.“

Aha, vielleicht vermisste sie ihn, und hatte deswegen nicht geschlafen.

„Weit weg von hier? Sehen sie ihn noch?“

Sie nickte. „Er kommt manchmal vorbei. Darum lasse ich auch sein Zimmer so, wie es ist.“

Sein Zimmer, damit meinte sie sicher das Gästezimmer. Wie alt war die Frau eigentlich? Egal, ich wollte weg.

„Na, er kommt bestimmt bald mal wieder vorbei. Auf Wiedersehen und Danke für die Milch.“

Außerhalb des Friedhofs

Als nächstes nahm ich mir ein Taxi und fuhr zum hiesigen Standesamt. Zum Glück war vor mir nur ein Paar, das heiraten wollte, und jemand der eine Geburtsurkunde wollte. Dann wurde ich aufgerufen.

Das Zimmer war klein und irgendwie gemütlich, obwohl es doch ein öffentliches Büro war. Zu meiner Freude war die freundliche Dame schon recht alt. Ich stellte mich so höflich vor, wie nur möglich und hoffte, das meine Mühe nicht vergeblich sein würde.

„Und? Was kann ich für dich tun mein Junge?“

„Es ist so, ich suche einen alten Freund meines Vaters. Fugaku Uchiha. Wir sind immer unterwegs, wissen sie, da haben die beiden sich aus den Augen verloren. Ich hörte, der Freund meines Vaters wäre hier in dieser Stadt aufgewachsen, also wollte ich ihn ausfindig machen und Papa überraschen.“ Ich bemühte mich, die Frau anzustrahlen, kam mir furchtbar dämlich vor, und ärgerte mich, das ich in meiner Ansprache vergessen hatte zu erwähnen, das die beiden unzertrennlich gewesen seien. Außerdem hatte ich nicht sehr glaubwürdig geklungen.

Deswegen fügte ich schnell hinzu: „Mein Vater hat als Kind kurz hier gelebt“, und nutzte die Gelegenheit um hinzuzufügen, „und er hat sich mit einem Jungen angefreundet, und – nun ja ...“ Ich verlor den Faden. Warum war ich nur kein besserer Schauspieler? „Sie wurden unzertrennlich und hielten über Telefon und schriftlich Kontakt, nutzten jede Gelegenheit sich zu treffen, aber dann ...“ ich bemühte mich traurig zu klingen und sah zu Boden...“riss die Verbindung plötzlich ab. Als er sechzehn war. Von heute auf morgen gab er keine Antwort mehr, und war auch telefonisch nicht mehr zu erreichen.“ Die letzten Worte sprach ich absichtlich immer leiser werdend aus. Eigentlich hatte ich die Absicht gehabt, mich an die Beerdigung meiner Tante zu erinnern, aber – ich konnte meine Gefühle ohnehin nicht gut zeigen. Außer wenn ich wütend war, vielleicht.

Ich schielte nach oben. Die Frau sah mich mit einer Mischung aus Mitleid und Freude an. Innerlich atmete ich auf. Offensichtlich hatte sie mir die Nummer abgekauft.

„Wenn der Freund deines Vaters hier gelebt hat, finden wir ihn auch“, sagte sie mit energischer Stimme.

O je. Jetzt musste ich – ich hob den Kopf, riss die Augen auf und rief laut: „Ehrlich?“

Sie nickte mit geschlossenen Augen. „Auch wenn er weggezogen ist, muss er sich um gemeldet haben, ein paar Anrufe genügen.“

Dann lächelte sie mich an und zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Naruto. Allein hierfür bist du mir eigentlich schon was schuldig, dachte ich.

Sie drehte sich auf ihrem Bürostuhl zum PC, bereit alle Angaben zu tippen.

„Nun, sag mir alles, was du über den Freund deines Vaters weißt. Am Besten wäre natürlich, wenn du auch den Nachnamen und das Geburtsdatum wüsstest, aber wenn wir Glück haben, finden wir ihn und damit auch die anderen Angaben.“

Ich nickte.

„Naruto Uzumaki. Geboren am 10. Oktober 1969.“

Die Finger schwebten über der Tastatur, bewegten sich aber nicht. Ich hatte keine Ahnung wie lange. Es war ein seltsamer Augenblick, als würde die Zeit stillstehen und ich fragte mich schon, ob das vielleicht wieder nur ein Traum war, als sie die Augen bewegte und mich ansah.

„E...Ein Freund d...deines Vaters?“

„Ja. Ich habe sogar ein Foto dabei.“

Ich wollte grade eine Kopie aus meiner Hosentasche holen, als wieder Leben in die Frau kam. „Nein,“ schrie sie fast schon hysterisch und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. „Nein, das...musst du mir nicht zeigen.“

Ich versuchte wieder möglichst enttäuscht zu wirken. Diesmal ohne Erfolg. Eigentlich war es eine Überraschung, das sie mir mein Schauspiel zuvor abgenommen hatte.

„Ein solcher Mann wohnt hier nicht. Und hat es auch nie gegeben. Tut mir leid.“

Sie stand auf. „Ich habe jetzt Mittagspause. Tut mir wirklich leid.“

Ich vermutete, die freundliche Frau wollte mir nicht einfach die Tür weisen, aber allmählich hatte ich es satt, mit den Leuten hier.

„Warum spricht keiner über ihn? Hat er etwas Schlimmes getan?“ brauste ich auf und holte nun doch die Kopie heraus. „Ich weiß, er hat hier gelebt, aber jeder weicht mir aus. Hier stimmt doch was nicht,“ platzte es aus mir heraus. „Keiner sagt, er ist gestorben, er ist umgezogen, gar nichts.“

„Raus hier“, schrie sie fast schon panisch.

Aber daran dachte ich ja überhaupt nicht. Wie sollte ich sonst etwas herausfinden?

Ich zeigte ihr das Foto. „Das ist er.“

„Oh Gott, ich bin verflucht. Oh Gott, oh nein.“ Jetzt schien sie auch noch den Verstand zu verlieren. „Er wird mich holen. Warum bist du nur gekommen? Oh, oh. Was soll jetzt aus meinen Kindern werden.“

Weinend sackte sie zu Boden.

„Ich habe ihn gesehen“, versuchte ich es.

Erschrocken starrte sie mich aus weit aufgerissenen Augen an. „Du – hast ihn gesehen? Oh Gott. Dabei bist du noch so jung.“

„Was meinen sie?“

„Geh.“

„Sagen sie mir...“

„Geh.“

Verwirrt und verärgert zugleich stand ich auf, ging zur Tür und schlug sie so heftig zu, wie ich nur konnte.

Ich hatte gedacht, mein Plan wäre perfekt. Ich hatte mich zum Affen gemacht, mich nicht so schnell abwimmeln lassen, und dennoch – wusste ich immer noch nicht mehr, als zuvor.

Konnte es sein, das diese ganze Stadt übergeschnappt war? Und noch schlimmer, mir lief die Zeit davon. Zwar waren wir noch nicht lange da, aber – wir waren schon einmal nach nur zwei Tagen wieder umgezogen, und ich wusste nicht, wann es diesmal sein würde.

Falls wir umziehen, bevor ich ihn gefunden habe, komme ich zurück.

Diesen Entschluss fasste ich in dem Moment und er gab mir ein wenig Ruhe zurück.
 

Ich ließ mich nach Hause fahren, hatte meine Klassenkameraden zum Glück verpasst, und lernte den Unterrichtsstoff aus der Schule.
 

Das Foto hatte ich nicht umsonst kopiert. Ich wollte es aufhängen. Überall in der Stadt. Aber wegen meiner Verstauchung brauchte ich Hilfe. Nur wen. Mein erster Gedanke galt Itachi, aber dem hätte ich alles erzählen müssen und wenn ich an die Reaktion der Leute dachte, da würde keiner helfen. Nicht mal gegen Bezahlung. Oder – Moment mal – doch?

Das Verhalten kam eher von der älteren Generation. Wie reagierten eigentlich die Jüngeren darauf?

Ich griff zum Telefon und ließ mich von der Auskunft mit Sakura Haruno verbinden. Eigentlich hatte ich noch nie verstanden, warum sich fremde Leute freuten, wenn ich anrief, und ich hielt mein Handy auf Entfernung für ein paar Minuten. Als die Lautstärke normal geworden war, sagte ich zu ihr: „Sakura, es gibt bei den Hausaufgaben etwas das ich nicht verstehe, ich dachte, du könntest vielleicht kommen und - „ es wurde wieder laut, dann hörte ich ein Klicken.

Aufgelegt. Kam sie oder nicht?

Wie auch immer. Ich legte Narutos Foto zwischen die Hausaufgaben. Kurz darauf kam sie auch schon, allerdings nicht alleine. Das blonde Mädchen war auch dabei, und obwohl sie wohl Freunde waren, schienen sie zu streiten. Mir wäre es lieber gewesen, Sakura wäre alleine gekommen, das hätte doch auch genügt, um jemanden die Hausaufgaben zu erklären.

„Dürft ihr nur zu zweit auf die Straße?“ fragte ich. Inzwischen hielt ich hier alles für möglich.

„Nein, aber wenn Sakura kommt, komme ich auch.“ Die schnippische Erklärung kam von der Blonden, während Sakura sie verärgert ansah. Die Zwei wunderten sich wohl nicht über meine Frage?

„Ja, nun. Ich habe es mittlerweile verstanden. Könnte jemand nachsehen, ob es stimmt? Meine Rechnungen?“

Zu zweit stürzten sie sich darauf. Eigentlich hatte ich schon überlegt, für die zweite die Geschichtsaufgaben mit einem weiteren Foto zu präparieren, aber – okay. Das machte es mir einfacher.

Fast auf Anhieb entdeckten sie das Foto. „Wer ist das?“

„Ein Freund.“

Ich war nicht so dumm, den Namen zu sagen, ich war sicher, dass sie den kannten. Wenn auch nicht sein Aussehen.

Sie überflogen die Hausaufgaben nur und bombardierten mich mit Fragen.

Anstatt zu antworten, sagte ich, und ich wusste aus Erfahrung, es war besser nicht zu antworten, denn nach der ersten Frage kam die nächste, und es ging endlos weiter. Total anstrengend. Lieber selbst fragen. Also ich sagte: „Ich suche meinen Freund. Er ist ausgerissen. Von zuhause.“

Sie taten einen auf Verständnisvoll.

Wie die Alte vom Standesamt, dachte ich.

Komische Stadt.

„Aber weil ich den Knöchel verstaucht habe, und heute wieder nicht zur Schule konnte, na ja, also ich hab das Foto kopiert und wollte es in der Stadt verteilt aufhängen. Aber alleine kann ich das nicht.“

Beide erklärten sich bereit zu helfen, und fingen schon wieder Streit an, wer mit mir gehen solle.

Ich bekam Kopfschmerzen. „Ja, besser wir teilen uns auf, und jemand kommt mit mir. Aber – wir – also ihr könnt euch abwechseln. Oder ihr lasst es ganz sein und geht jetzt.“

Nicht wirklich zufrieden stimmten sie dennoch zu.
 

Zuerst ging ich mit Ino, so hieß die Blonde, ich beschloss mir den Namen zu merken. Ich war nun doch ganz froh, mit einer Einheimischen unterwegs zu sein, denn sie kannte die besten Plätze, um das Foto aufzuhängen.
 

Dringend gesucht

Bild

Naruto Uzumaki

Sachdienliche Hinweise an Sasuke Uchiha, Telefon (nehme keine unterdrückten Nummern an).
 

Ab da, wo ich mehr laufen musste, ließ ich Ino alleine die Zettel aufhängen und machte mich mit Sakura auf den Weg. Mein Bein schmerzte immer mehr. „Machst du den Rest alleine?“

„Natürlich. Ein guter Platz ist auch die Kirche.“

„Die Kirche? Na – ich weiß nicht – aber okay, wenn du meinst.“

Als wir ankamen, verstand ich was sie meinte. Der Platz vor der Kirche war voll mit Handzetteln, kein Wunder das auch viele Jugendliche dort im großen Vorhof saßen.

Sakura bemerkte meine Verwunderung und erklärte, der Pfarrer sei sehr jung und modern. Es gäbe keinen Treffpunkt für Jugendliche, außer hier, und man könne mit wirklich jedem Problem zu ihm kommen. Während wir die Zettel befestigten überlegte ich kurz, ob ich mal mit ihm reden sollte, denn den Verdacht auf einen Golemtraum hatte ich wieder verworfen. Zur Erschaffung eines Golems brauchte man kein Blut, und er verfügte über keine Telepathie oder Sprache. Er tat, was sein Herr ihm befahl, nichts weiter. Der Legende nach, jedenfalls.

Ich fühlte plötzlich, das wir beobachtet wurden. Als ich mich umdrehte stand ein buckliger zerzauster Alter vor mir. In seiner Hand einen der Zettel.

„Hey! Was fällt ihnen ein, die Vermisstmeldung abzureißen?“ rief ich erbost.

Er legte den Kopf schief und grinste sogar schief. Dann humpelte er davon. Irgendwie erinnerte er mich an den Glöckner von Notre Dame. Ich humpelte hinter ihm her. Er war erstaunlich schnell, trotz seiner Behinderung. Sakura kam hinterher. „Das ist der Grabpfleger, also der Friedhofsgärtner“, erklärte sie.

„Das gibt ihm trotzdem nicht das Recht, meine Suchzettel abzureißen. Tz, die ganze Mühe umsonst, wenn er alle abreißt.“

Er führte uns über den kompletten Friedhof, und blieb schließlich vor einem verrosteten Tor stehen. Jetzt konnte ich ihn zur Rede stellen.

„Wo sind wir hier?“ fragte Sakura zu meiner Überraschung.

„Woher soll ich das wissen?“ fuhr ich sie an.

Als ich dachte, ihn endlich erreicht zu haben, ließ er mein kostbares Bild fallen, zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das verrostete Schloss.

„Oh, das ist...“

„Was denn?“

„Ich dachte nicht, dass es das wirklich gibt.“

„Ja, was denn?“

„Hinter dem Tor. Man sagt, dort seien früher Hexen und so verscharrt worden. Eben jeder, dem kein Pfarrer eine Beerdigung geben wollte.“

Mir schwante plötzlich Übles.

Der Alte, der trotz der Hitze einen riesigen Mantel trug, holte eine Stange hervor, mit dem er versuchte, das uralte Tor aus dem Mittelalter aufzustemmen.

Ich half ihm, und das Tor wurde ziemlich verbogen bevor es endlich aufsprang und zusätzlich gleich noch halb aus den Angeln fiel.

Vor mir erstreckte sich eine Landschaft, auf der nicht mal Unkraut wuchs. „Wieso – also es sollten doch Samen über die Friedhofsmauer fliegen sollte man meinen.“

„Sasuke hat recht. Wieso ist hier nur – Dreck?“

Wir bekamen keine Antwort. „Haben sie hier ein Feuer gemacht oder so?“ fragte ich, während ich hinter dem Humpelten hinterher humpelte.

Nichts.

„Ist er stumm?“ fragte ich Sakura.

„Ich weiß nicht.“

Endlich blieb er stehen.

„Schön, tolle Aussicht,“ murmelte ich sarkastisch.

Er zeigte mit seinem Finger auf den Boden. Ich konnte keinen Unterschied zur anderen Erde entdecken und wollte mich bücken, als er mich festhielt. „Nicht anfassen.“

Also konnte er reden, er war nicht stumm.

Zu meiner Überraschung holte er ein Wischdings aus dem Mantel, das total fehl am Platz hier war, mit den bunten Farben. Sogar der einzige Baum der hier stand war verdorrt. Ich vermutete, das man manche Leute, die hier begraben worden waren, zuvor vergiftet hatte. Vielleicht Quecksilber. Aber irgendwann würde die Natur sich erholen und wieder durchsetzen.

Das Wischding des verrückten Alten jedenfalls kannte ich. Mit so etwas wischte meine Mutter manchmal Staub vom Fernseher oder den Büchern.

Jetzt fing er an, über den Boden zu wischen damit, gleichzeitig wehte mir eine üble Alkoholfahne entgegen.

Was tat ich hier überhaupt?

Er wischte in zügigem Tempo über den Boden, als ich plötzlich eine Holzplatte erkennen konnte. Ich bückte mich, aber er packte meine Schulter so fest, das ich ein Stöhnen unterdrücken musste. „Nicht anfassen.“

Ich stellte mich wieder grade und der Alte, der munter weiter die seltsam verbrannt aussehende Erde weggewischt hatte, zeigte mit dem Finger auf das Holz, das ganz neu aussah und dessen Inschrift.

„Gefunden,“ grinste er mir zu, und schlug mir den Zettel gegen die Brust.

Nach der Depression

Hi, vielen Dank für die Kommentare und sorry, dass ich gestern kein neues Kapitel mehr hochladen konnte. Aber nun - viel Spaß beim Lesen.
 

„Blödsinn. Sasuke sucht seinen Freund, kein altes Grab. Komm Sasuke. Der Kerl ist betrunken, lass uns gehen,“ empörte sich Sakura und wollte sich bei mir unter haken.

Ich hätte vielleicht ähnlich gedacht, hatte aber einen genaueren Blick auf die Holzplatte geworfen und bückte mich jetzt wieder.
 

Naruto Uzumaki
 

geboren 10. 10. 1969 gestorben 12.01.1986
 

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte ich den Alten.

Als ich keine Antwort bekam, sah ich auf in der Erwartung, er hätte die Kurve gekratzt. Aber er hatte immer noch sein schiefes Lächeln aufgesetzt. War er auch geistig behindert?

Ich stand auf und fühlte einen Druck auf den Ohren und Schwindel. Kreislauf.

War meine Suche hier zu Ende? Und warum lag er hier? An diesem schrecklichen Ort? Verdammt.

Ich drehte mich wieder zu dem Alten. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte ich laut. Gestorben 1986? Wieso liegt er dann hier? Das ist kein Mittelalter.“

Der Alte streckte mir seine offene Hand entgegen. Was sollte das denn jetzt?

„Gefunden,“ sagte er wieder.

„Du willst Finderlohn? Ich habe kein Kopfgeld ausgesetzt und ich habe auch nichts ...“ Wertvolles verloren wollte ich sagen, aber – genauso fühlte es sich an. Schweigend holte ich meinen Geldbeutel hervor.

„Sasuke, was machst du denn da?“ kreischte Sakura mir ins Ohr.

Konnte sie nicht einfach verschwinden?

Ich fühlte mich seltsam betäubt und legte einen Schein nach dem anderen auf die Hand des Alten. Dummerweise hatte ich nämlich keine Idee, welchen Finderlohn man in so einem Fall gab. Aber schließlich schloss er grinsend seine Hand.

Ich sah ihn an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Die Augen waren vom Alkohol getrübt, aber sonst...nein, verrückt war er nicht. Vielleicht seltsam, aber nicht verrückt. Einen Augenblick lang war ich sogar dankbar jemanden getroffen zu haben, der wohl irgendwie etwas wusste, oder gehört hatte, und nicht in Panik fiel. Gleich darauf fühlte ich mich unendlich einsam und verlassen. Viel mehr noch als zuvor. Schweigend drehte ich mich um. Ich ging in den Vorpark und setzte mich auf die Bank. Sakura wollte mich allerdings nicht allein lassen, auch nicht als ich ihr sagte, ich bräuchte Zeit für mich. Natürlich – ich hätte einfach gehen können, aber ich sagte: „Was bist du nur für eine aufdringliche Person?“

Schweigend blieb sie dennoch neben mir sitzen.

Das störte mich nicht. Meine Gedanken schweiften ab. Aber es gab keinen Gedanken, den ich greifen konnte. Jedes Mal, wenn ich einen hatte und ihn klarer sehen wollte, entglitt er mir.

Naruto war tot. Sicher hatte er das an seinem Geburtstag erfahren. Meine Suche war zu Ende. Schluss, Aus. Zurück blieb nur Leere.

„Was ist Sasuke? Komm, wir gehen ein Eis zusammen essen, ja? Ich lade dich ein. Sieh mal. Du hast ihn doch gar nicht gekannt, nicht wahr? Er starb 1986. Um ehrlich zu sein, kam mir das Foto gleich merkwürdig vor, weil – ja, man sieht das es alt ist. Aber da du sagtest, er sei dein Freund...“

„Sei still.“

Mein Leben würde so weiter gehen, wie bisher. Wir würden umziehen und umziehen und irgendwann, wenn ich alt genug war, würde ich studieren, heiraten, Kinder haben und sterben. Sakura – es stimmte ja, was sie sagte. Ich hatte ihn nicht mal gekannt. Warum also diese Leere, und diese Traurigkeit in mir? Es gab überhaupt keine rationalen Grund dafür.

Vielleicht brauche ich einen Psychiater.

Ich stand auf und ging den gesamten Weg langsam zurück. Sakura lief neben mir her, ich bekam mit, das sie mich stützen wollte, ein Taxi rufen wollte bis plötzlich Ino auftauchte. Die beiden Mädchen fingen wieder an zu streiten, aber das interessierte mich nicht.

Ich lief weiter und war ganz froh, das ich ihre Stimme nicht mehr im Ohr hatte.
 

Als ich endlich nach Hause kam, vorbei an einigen meiner Handzettel, wurde es schon dunkel.

Mein Vater hielt mir eine Predigt, weil ich zu spät zum Essen gekommen war, und ich wurde ohne Abendessen zu Bett geschickt. Nicht, das es mich interessiert hätte. Ich hatte ohnehin keinen Appetit.
 

Ich drehte mich zur Seite und wollte nur noch schlafen. Es dauerte auch nicht lange, und ich schlief ein ohne zu träumen. Ein tiefer und traumloser Schlaf von dem ich wünschte, er würde nie enden. Mir war zwar bewusst, das mich das Finden des Grabsteins – obwohl man dazu nicht mal Grabstein sagen konnte – irgendwie in ein Loch gestoßen hatte, fast schon in eine Depression, aber ich konnte nichts dagegen tun. Nur hoffen, das es mir am nächsten Tag besser ging.
 

Aber dem war nicht so. Die nächsten Tage waren nicht besser. Ich hatte das Gefühl, jeder würde mich anstarren. Manchmal wurde ich gefragt, ob man mir helfen könne, ob etwas passiert sei, woraufhin ich verwundert den Kopf hob und ihn dann schüttelte. Ich war doch sonst auch kein gesprächiger Mensch, und man kannte mich kaum.

Sakura kam zu mir an den Tisch. „Sasuke, tut mir leid. Ich wollte nur sagen, das ich es nicht war, die die Zettel weggenommen hat.“

Als ob das noch eine Rolle gespielt hätte. Ich nickte nur, und malte mein Bild weiter. Wir sollten unsere Vorstellung von unserer Zukunft malen. Ich wusste, wie meine Zukunft aussehen sollte, aber – ich hasste allein schon die Vorstellung, darum malte ich mein Blatt ausschließlich schwarz an. Das Sakura immer noch da stand, bemerkte ich nicht mal. „Zugegeben, seltsam ist es schon. Wer geht in der Nacht hin, und vernichtet alle Zettel? Mh?“

Einen Moment hielt ich inne. In der Nacht noch waren die Suchplakate verschwunden? Egal.

Ich gab mein Bild ab und wollte nach Hause gehen, als mich mein Lehrer Iruka aufhielt. „Sasuke Uchiha?! Der Direktor möchte noch mit dir reden.“

Ich nickte und humpelte immer noch ein wenig zum Büro von Kakashi. Draußen setzte ich mich auf die Bank im Flur, ohne vorher zu klopfen. Sollte er doch zu mir kommen, wenn er was wollte. Und das tat er. Kaum das ich saß. Er musste mich wohl gehört haben.

„Sasuke, du musst nicht warten. Komm rein.“

Ich stand auf und folgte ihm in sein Büro. Mit einer Handbewegung deutete er auf einen Platz vor seinem Schreibtisch. Während ich mich setzte, ging Kakashi um seinen Schreibtisch herum und setzte sich in einen viel bequemer aussehenden Sessel. Er sah mich eindringlich an. Dann zeigte er mir mein Bild. Anscheinend erwartete er eine Reaktion von mir, aber als keine kam meinte er: „Sasuke, so kann das nicht weitergehen. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, deine Eltern zu informieren.“

Zum ersten Mal fühlte ich wieder etwas. Und zwar Ärger.

„Soll das eine Drohung sein?“

„Nein, aber du brauchst Hilfe. So kann es nicht weitergehen.“

„Es tut mir wirklich leid, dass ich für sie so eine Enttäuschung bin, aber mehr als Einsen schreiben geht ja leider nicht. Damit hebe ich schließlich das Klassenniveau. Was haben sie dagegen? Sie als Direktor?“

„Darum geht es nicht, Sasuke, das weißt du genau, nicht wahr?“

Ich schwieg.

„Ich bin nicht nur Direktor, ich sorge mich auch um meine Schüler.“

„Oh, keine Sorge, wir sind sicher nicht lange hier.“

Er schnaufte. Dann hob er wieder das Bild hoch und fragte: „Siehst du so deine Zukunft?“

Ich wusste, würde ich ja sagen, rief er meine Eltern an. „Meine Zukunft sieht so aus. Ich werde studieren, einen angesehenen Beruf haben, gut Geld verdienen, heiraten und zwei Kinder haben.“

„Warum dann das hier?“

„Ich finde es nicht besonders toll, meine Zukunft schon zu kennen.“

„Niemand kennt seine Zukunft.“

„Ich schon.“

Kakashi schnaufte wieder. „Ich weiß, was du getan hast. Auf dem Standesamt, das mit den Zetteln, obwohl ich keine Ahnung habe, wie du zu dem Foto kommst, bevor ich es vergesse, das Foto musst du mir geben. Und ich weiß auch von der Sache auf dem Friedhof.“

Das überraschte mich nicht. Allerdings war ich überrascht, dass er das Foto haben wollte.

„Das habe ich in meinem Schreibtisch gefunden. Hier in der Schule. Ich habe es nicht mehr.“

„Im Schreibtisch“, seine Stimme klang nun alarmiert. „Wem hast du es gegeben?“

„Niemandem. Ich habe es zerrissen.“

Kakashi sah mir in die Augen. „Ist das auch wahr?“

„Ja, wieso? Ich wollte ihn finden und das habe ich. Also was soll ich noch mit dem Foto?“

Das wusste ich wirklich nicht. Ich hatte nicht mal in seinem Tagebuch weiter gelesen. Vielleicht glaubte er mir deshalb.

„Sasuke, es tut mir leid, das du ausgerechnet an meiner Schule Narutos Bild gefunden hast. Wir dachten, wir hätten alle Fotos vernichtet.“

Ich horchte auf. Warum wurden alle Fotos vernichtet? Er wollte das Bild, um es auch zu vernichten? Wieso? Ich spürte den Drang diese Frage hinauszuschreien. Aber ich wusste auch, ich würde keine Antwort bekommen.

Jetzt fängst du schon wieder an zu fragen. Verdammt hör auf, Sasuke. Es spielt keine Rolle mehr. Und ich wollte nur noch raus hier. „Ich werde keine schwarzen Bilder mehr malen. Tut mir leid.“

„Nein, mir tut es leid. Ich wusste nichts von dem Foto und das er dich schon so fest an der Angel hat, sonst hätte ich es dir sofort weggenommen. Gut, ich verstehe, das du Zeit brauchst. Wir reden in einer Woche nochmal miteinander.“

Kakashi stand auf. Das war wohl das Zeichen, dass das Gespräch zu Ende war. Ich stand auch auf und versuchte, mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Was mir wohl schlecht gelang, denn Kakashi kam plötzlich zu mir und legte mir den Arm um die Schulter.

„Keine Sorge. Es war nicht deine Schuld. Und du musst auch nicht zur Beerdigung kommen.“

„Beerdigung?“ fragte ich überrascht.

Nun war Kakashi überrascht. „Wusstest du es gar nicht? Frau Nishii ist gestorben.“ Sollte ich die kennen? Eine Lehrerin? „Die Dame vom Standesamt.“

Ich schrak zusammen.

Kakashi klopfte mir auf die Schulter. „Es war nur eine Kopie. Nicht wahr? Nicht das Echte. Das hast du zerstört, so ist es doch?“

Benommen nickte ich.

„Dann ist ja alles in Ordnung.“ Alles in Ordnung?

Kakashi schob mich zur Tür. Dabei sagte er leise: „Ich weiß, du hast behauptet, du hättest ihn gesehen, aber das war doch eine Lüge, genauso wie die Geschichte mit dem Freund deines Vaters, nicht wahr?“

Ich nicke wieder.

„Dann musst du auch nichts befürchten,“ sagte er mit beruhigender Stimme, wobei mir nicht klar war, ob er wirklich mich beruhigen wollte, oder eher sich selbst.
 

Ich stand noch vor der Tür, ohne wirklich zu Begreifen. Naruto – er war – es war, als sei er mein Freund. Ich fühlte mich nicht bedroht. Sein Grab zu sehen, war wie wenn einem das Teuerste entrissen wurde.

Und jetzt das. Was eigentlich? Was hatte Kakashi gesagt? Er habe nicht gewusst, das Naruto mich schon so fest an der Angel hätte? Das ich nichts zu befürchten hätte, da ich das Bild vernichtet hätte. Aber – das hatte ich nicht. Im Gegenteil, ich hatte sogar sein Tagebuch, und – nicht zu vergessen, ich saß auf seinem Platz. Ich wollte überhaupt keinen anderen Platz.

Glaubten diese Verrückten ernsthaft, ein Bild könne morden, töten was auch immer? Ich wandte mich zum Gehen. Ob es wohl Selbstmord war, aus Angst heraus? Die freundliche Frau tat mir leid. Ich dagegen fühlte mich wieder lebendiger. Ja, ich hatte mich – tot – gefühlt. Wie eine Marionette, die zu funktionieren hatte. Seit langem fühlte ich mich wieder lebendig.

Meine Güte, Naruto, was haben dir diese Abergläubischen nur angetan? Verscharrt bei vermeintlichen und wohl auch echten Verbrechern ohne anständiges Begräbnis, und tun so als hätte es dich nie gegeben.

Kein Wunder das er gestorben war. Auch Selbstmord?

Ich wollte nach Hause, bestimmt hatte er darüber im Tagebuch etwas geschrieben. Und einen Abschiedsbrief. Den sie natürlich vernichtet hatten, wie alles. Außer – ich blieb stehen und hatte das Gefühl unter Strom zu stehen. Außer er hatte es versteckt. Vor meinen Augen sah ich deutlich den unten leicht kaputten Buchrücken, bei dem ich mich noch gefragt hatte, warum er ihn nicht repariert hatte. Dabei war die Antwort ganz einfach. Er hatte dort seinen Abschiedsbrief versteckt, und war nicht mehr dazu gekommen. Ich wusste, dass es so war.
 

Wenn ich dich nicht mehr sehen kann, nicht mit dir reden kann, vielleicht kann ich dafür sorgen, dass diese Leute ihre Strafe bekommen und du ein richtiges Begräbnis.

Ja, je mehr ich darüber nachdachte, war ich überzeugt, dass es so und nicht anders sein konnte. Naruto war mir erschienen, als Freund, weil er meine Hilfe brauchte. Mir, einem Fremden, der nichts mit dem Wahnsinn dieser Stadt zu tun hatte.

Und auch, wenn ich es zu leugnen versuchte, selbst wenn er nicht mehr lebte, so hoffte ich darauf ihn wieder zu sehen. So sehr.

Er hatte mir im Traum die Vergangenheit gezeigt. Seine Zeit. Die Kinder, die gespielt hatten. Und dabei sangen, er sei ein wildes Tier, misch dich nicht ein. Ach du liebe Zeit. Hielten sie ihn gar für einen Werwolf?

Oha, hatten sie ihm das eingeredet, so dass er dachte, irgendwann nicht mehr er selbst zu sein. War er gar erschossen worden mit einer Silberkugel? Dann musste sie wohl noch bei ihm sein. Eine Exhumierung, dachte ich. Nur hatte ich keine Beweise. Das war ein Fall für die Polizei.

Keuchend stand ich vor unserem Haus. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, das ich den ganzen Weg gerannt war.

Das Erbe

Ich hatte recht gehabt. Im Buchrücken war etwas versteckt. Mit einer langen Pinzette versuchte ich es herauszuholen, ohne das Buch zu beschädigen. Nur gut, das Mutter eine solche gehabt hatte. Es fühlte sich nach Papier an, das zusammen gefaltet worden war, und ganz oben steckte. Hoffentlich kein Pergament, dachte ich. Nicht das es am Ende noch zerriss. Nach den mehr als zwanzig Jahren.

Mit der einen Hand am Buchrücken wo es steckte, und mit der anderen Hand, welche die Pinzette hielt glitt ich vorsichtig hinein, packte es und zog es ganz langsam heraus. Ich hätte nicht gedacht, das es so einfach ging und schon beim ersten Versuch klappte. Aber – fest im Griff von Mutters Pinzette wanderte es nach unten und ich konnte es einfach herausziehen.

Ich legte das Buch auf mein Bett, und betrachtete das Päckchen. Zeitungspapier? Nein, da war etwas eingewickelt, oder? Hoffentlich der Beweis.

Vorsichtig ließ ich es auf meine Hand fallen, legte auch die Pinzette weg und öffnete es, ständig darauf bedacht, nichts einzureißen.

Der Inhalt der Zeitung lag endlich auf meiner Hand. Ich seufzte und ließ mich mit dem Oberkörper aufs Bett fallen. In meiner Hand hielt ich die zarte Goldkette mit dem flachen Anhänger.

Das durfte doch nicht wahr sein. Ich hatte nur eine Antwort gefunden, nämlich wieso das sonst so sorgfältig behandelte Buch unten etwas zerfranst war. Und mit der Antwort hatte ich wahrscheinlich zehn oder mehr neue Fragen bekommen. Ein Anhänger aus Gold mit einer Gravur in einer Sprache, die ich nicht kannte.

Ich fühlte mich wie der Akteur in einem Rollenspiel, der auf die Suche nach Schlüsseln geschickt wurde, einen fand, anschließend die passende Tür dazu suchen musste, von denen auch noch welche bewacht waren, und sobald er die passende Tür gefunden hatte und aufschloss in einen Raum kam, in dem zum Lohn zehn weitere Schlüssel lagen. Wenn das mal nicht zum Kotzen war. Aber vor allem -

ich setzte mich auf und schrie gegen die Decke: „Naruto! Du NERVST!“
 

Das hatte einfach sein müssen. Puh! Leises Lachen. Ich fuhr herum. Itachi stand in der Tür und schien nicht zu wissen, ob er besorgt, amüsiert oder normal dreinschauen sollte.

„Kannst du nicht klopfen, Itachi, und was gibt’s zu lachen?“

„Ich lach doch gar nicht.“

„Du hast doch grade eben gelacht.“

Itachi schüttelte den Kopf und hatte nun definitiv einen besorgten Gesichtsausdruck.

Sehr langsam wagte er sich in mein Zimmer hinein, und ließ mich dabei keine Sekunde lang aus den Augen, als erwarte er ich würde ihn jeden Augenblick schreiend mit einem Messer in der Hand anspringen.

Aber – wer hatte dann gelacht?

„Ist der Fernseher an?“

Kopfschütteln.

Ich sah zum Fenster. Es war zu. Wenn es von draußen kam, hätte ich es nicht gehört, aber ich wollte mich vergewissern, warf die Decke über die Sachen auf meinem Bett, und ging zum Fenster.

Auch nichts. Keine Menschenseele. Nur die Kamelien der Dame von drüben stachen mir ins Auge und erinnerten mich daran, dass Naruto auch eine in der Hand gehalten hatte. In meinem Traum. Falls es einer war.

„Ich mache mir Sorgen um dich, Sasuke. Wir alle machen uns Sorgen um dich.“

„Vater auch?“

Im Fenster sah ich Itachis Spiegelbild, er sah aus als sei ihm grade eine Erkenntnis gekommen.

„Natürlich“, seine Stimme klang nun fest und sicher. „Wieso fragst du das, schließlich liebt dich Vater über alles.“

A so. Ich verstand. Es stimmte ja, ich benahm mich – seltsam, und mit Sicherheit anders als normalerweise. Man befürchtete wohl, ich sei verrückt geworden, und die Lösung war nun, das es mir zu schaffen machte, das ich von Vater keine Aufmerksamkeit bekam. Ein Grund zum Aufatmen, sozusagen. Nichts Schlimmeres.

Die Wahrheit allerdings war, das ich mich wie ein Insasse bei einer Berg- und Talbahn fühlte. Und zwar mit Tempo 180.

Ich drehte Itachi mein Profil zu. „Wenn du das sagst, Itachi, glaube ich dir. Mir geht’s im Moment ohnehin nicht so gut.“

„Warum, was hast du denn?“

„Seit ich in der neuen Schule bin fühle ich mich wie – tja, ähm – manchmal wie in einem dunklen Loch und manchmal als könnte ich fliegen.“

„Oohh. Du bist verliebt? Das hätte ich nun überhaupt nicht erwartet.“

Ich hatte gleich gewusst, dass es auf die Pubertät geschoben wurde. Deswegen sagte ich es ja. Damit er sich nicht noch mehr Gedanken machte. Denn das war echt nervig. Aber das er dachte ich sei verliebt? War ich das vielleicht sogar? Und wenn ja, in wen?

Tatsache war, das ich mir selbst unsicher war, ob ich verrückt war oder nicht. Immerhin hörte ich schon Stimmen. Was ich brauchte, waren Beweise. Bestätigung von anderen, dass das alles keine Einbildung war, sondern die Wahrheit. Jemanden von hier, der mir erzählte, warum oder was eigentlich mit Naruto genau passiert war, jemand der mir glaubte und Erklärungen hatte.

Was Itachi wohl sagen würde, wenn ich ihm vom Besuch im Standesamt erzählte? Er war nicht dabei gewesen. Und Sakura. Sie hatte den Namen ja gesehen auf der Platte, und trotzdem nicht darauf reagiert. Also keine Märchen im Kindesalter vom bösen Naruto Uzumaki.

Ich sah wieder zum Nachbarsgarten. Und was, wenn Itachi selbst Erfahrungen damit machte?

„Kann ich dich um einen Gefallen bitten, Itachi?“

„Klar, alles was du willst.“

„Ich habe ein Schmuckstück gefunden.“ Ich beschrieb Itachi die Kette mit Anhänger. 24 Karat, 50 cm lang, die einzelnen Glieder wie Ringe. Der Anhänger in rechteckiger Form, aber ohne harten Kanten, die linke Seite sogar etwas rund. Beschrieben mit arabischen Worten. Sehr fein. „Kannst du nachfragen?“

„Sicher. Gib ihn mir.“

„Ich hab ihn nicht hier. Deswegen habe ich ihn dir ja auch so genau wie möglich beschrieben.“

„Hm. Und du hast keine Ahnung, wem er gehören könnte?“

Gute Frage. Irgendwo musste er ja anfangen.

„Na ja, ich bin nicht sicher. Hab kaum hingesehen. Also neulich habe ich meine Klassenkameradin zum Standesamt begleitet, dort war eine Frau, ich glaube sie trug ihn. Aber im Nachhinein bin ich nicht hundertprozentig sicher.“

„Na, das ist doch schon mal was.“ Itachi sah auf die Uhr. „Die müssten noch aufhaben, oder?“

„Ähm, nein. Also, ein Todesfall. Ich hörte heute in der Schule, die Frau sei gestorben. Sie wird gerade beerdigt.“ Welcher Teufel ritt mich hier zum Henker. Hör auf und halte wenigstens Itachi da raus. Du hast ihn schon genug angelogen. „Aber vielleicht freut sich die Verwandtschaft, wenn sie ihn wieder bekommt?“

„Das ist nett von dir gedacht, Sasuke.“ Itachi lächelte mich an. Er nickte mir zu und ging.

Im Stillen leistete ich Abbitte. Entweder es passierte gar nichts. Itachi war diskret genug. Er würde auch nicht fragen, wenn es grade nicht ging, weil jemand am Zusammenbrechen war oder so. Oder es wurde verneint. Oder – sie kannten ihn, den Anhänger und damit auch seinen Besitzer und gerieten in Panik. Er sollte, nein er musste es selbst sehen. Vielleicht war es egoistisch, aber ich hoffte auf Letzteres.

Langsam ging ich zum Bett zurück und zog die Decke weg. Ich nahm die Kette und hängte sie mir um den Hals. Sie hatte keinen Verschluss, aber sie war lang genug um sie einfach überzustreifen und im Hemdausschnitt verschwinden zu lassen. Jetzt musste ich auch noch herausfinden, was die Inschrift aussagte, oder?

Naruto, du hast so viele Spuren hinterlassen, ich frage mich warum, und – wenn ich ihnen folge – wo komme ich an?

Die drei Entchen

Hi, *wedelfuchtelwink*

danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, und mir Reviews darüber schreibt, wie euch die Geschichte gefällt. Macht ja leider auch nicht jeder, dabei müsste es doch nicht regelmäßig sein....Besonders freu ich mich natürlich über Gänsehaut, Angstzustände und Schweißausbrüche. Eine Ohnmacht wäre auch nicht schlecht *hüstel* bin wohl nicht so ganz normal, aber egal - könnte auch Schlafmangel sein.

dann - ja, ich weiß, ich habe die Tagebuchauszüge vernachlässigt, in diesem Kapitel ist auch keiner, sorry, aber es werden wieder welche kommen, versprochen

und - wenn einer die drei entchen kennt, wird er sich wohl fragen, was haben die hier zu suchen. natürlich nichts. ist nur ein tick von mir - in einer geschichte etwas aus einer anderen zu erwähnen.

also, wünsche euch viel spass beim lesen^^ generell, nicht weil ich es geschrieben hab ;-)
 


 

Ich setzte mich auf mein Bett und holte die Kette hervor. Vielleicht gab es da auch noch eine Überraschung. Eine Art Geheimmechanismus mit dem sich das Ding öffnen ließ? Auch wenn es dünn war, ein kleiner Zettel, ein Bild oder ähnliches hätten Platz.

Nein, ich konnte nichts entdecken, das einzig ungewöhnliche war, das es sich anfühlte wie das Buch, wenn ich sie berührte. Also, gehörte sie Naruto. Eine Lupe brachte mich auch nicht weiter.

Nachdenklich legte ich mich hin. Hoffentlich erlebte Itachi das wahre Gesicht der Menschen hier. Wenn ich wenigstens jemanden zum Reden hätte. Jemanden zum Reden. Hm. Oder hören.

Ich schloss die Augen und dachte nach. Nein, ich war nicht verrückt. Die Frau hatte oh Gott oder oh nein geschrien und war nun tot. Keiner wollte reden. Das war keine Einbildung. Und wenn es keine Einbildung war, war ich auch nicht verrückt. Wie hieß dieser Spruch nochmal? Wenn du Angst hast, du bist verrückt, bist du nicht verrückt. So oder so ähnlich.

Ich könnte als eine Art Test nochmal Sakura mitnehmen, damit sie das Gleiche hörte und mir bestätigte, aber – das war nicht nötig. Sie hatten etwas zu verbergen. Kakashi hatte gesagt, es war nicht deine Schuld und so. Warum sollte man so etwas sagen, zu einem der kurz zuvor dort war, und nur nach einem ehemaligen Bewohner gesucht hatte.

Und das Bild von Naruto. Es war im Haus, in diesem verstaubten Zimmer gegenüber aufgenommen worden.
 

Ich stand auf. Höchste Zeit, der Nachbarin ein Geschenk vorbei zu bringen. Als Dankeschön für die Milch. In die Stadt wollte ich nicht gehen, ich nahm einen der Blumensträuße, die im Haus verteilt waren aus der Vase, trocknete ihn ab, wickelte ihn in Seidenpapier ein, und Voilá.
 

Zuerst ging ich durch den Vorgarten um das Haus herum und suchte nach dem Zimmer ihres Sohnes.

Ich stand vor dem Fenster und drückte dagegen, aber als ich den Vorhang zur Seite schieben wollte, kam mir eine ordentliche Staubwolke entgegen. Sagte sie nicht, sie hätte das Zimmer so gelassen, weil er manchmal vorbei kam? Warum konnte sie dann nicht den Vorhang waschen?

Ob ich einsteigen sollte? Ich tat es einfach.

Zuerst versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen. Es war ein Jugendzimmer. Nur eben alt. Und staubig.

Ja, das hier war ganz eindeutig und zweifellos der Hintergrund des zweiten Fotos von Naruto. Er war hier gewesen. Lebendig, so alt wie ich. Was er wohl gedacht hatte, als er fotografiert wurde? Mochte er das genauso ungern wie ich?
 

Bei Hansukis Alter hatte ich mich sicher verschätzt. Sie konnte nicht zwischen 30 und 35 sein, wenn der Sohn schon ausgezogen war. Mein Blick fiel wieder auf die Uniform. Ob Naruto eine Zeitlang hier – nein, das konnte auch nicht sein.

Selbst wenn er hier gelebt hatte, spätestens bei der Geburt hätte sie das Zimmer gebraucht, und Naruto wäre vermutlich nicht ohne seine Schuluniform gegangen. Falls es seine war. Oder alles war eben nur ein Traum gewesen. Aber hatte ich die alte Version unserer Uniformen mal irgendwo gesehen? Als Ausstellungsstück oder so?

Seufzend legte ich die Blumen aufs Bett. Es war totenstill. War sie überhaupt da?

Oh nein, was wenn sie gerade ihren Sohn abholte? Ich musste wissen, ob sie da war. Leider konnte ich schlecht zur Tür hinaus spazieren. Ich legte mein Ohr dagegen. Nichts. Schade das ich kein Detektiv war und...

Könnte ich nur einen engagieren. Aber das würde Vater niemals erlauben, egal wie wichtig es mir war. Und Itachi? Hör auf, denk zu Hause nach, sinnloser weise, jetzt bist du hier, also sieh dich um. Ich redete mir einfach ein, das sie nicht da war oder schlief und machte mich daran, leise das Zimmer unter die Lupe zu nehmen. Zuerst der Nachttisch. Vorsichtig zog ich die obere Schublade auf.

Ein Märchenbuch. „Die drei Entchen.“ Ob Hansuki ihrem Sohn daraus vorgelesen hatte? Abends am Bett. Das konnte ich mir gut vorstellen, und der Gedanke gefiel mir irgendwie. Früher hatte ich mir auch gewünscht, meine Mutter würde mir manchmal eine Geschichte vorlesen. Aber sie sagte, sie sei zu müde, ich könne noch fernsehen, wenn ich wolle.

Ich schlug das Buch auf.
 

Es war einmal ein Mensch, der glaubte sich mit Zauberkünsten auszukennen. Wie alle Menschen dürstete es auch diesen nach Gold und Geld, Geschmeide und Weib. Und wie alle Menschen war er sehr faul. Also beschloss er, sich seine Gelüste mit unserer Kunst zu beschaffen.

Er kaufte sich ein Schriftstück mit Zaubersprüchen aus einem Menschengeschäft (Anmerkung des Autors – hier lachen die Kinder am meisten), aus einem Menschengeschäft und probierte allerlei aus, aber nichts funktionierte.

Anstatt zu arbeiten, schmiedete der Mann weitere Pläne, wie er mit Zauberei an Gold kommen könne. Er träumte von einer Gans die goldene Eier legt. Zu diesem Zwecke verfolgte er uns in der Walpurgisnacht, wenn wir zum Blocksberg gehen um uns mit dem Meister zu treffen. Natürlich bemerkten die Hexen den Menschen, und eine von ihnen, die schönste und talentierteste, wollte lieber mit ihm spielen, als unseren Herrn zu treffen. Sie ließ sich von der Gruppe zurückfallen, und sich gefangen nehmen. Er brachte sie auf seinem Pferd in sein Haus. Der Mensch sagte ihr, was er begehre, so sagte sie zum Scheine, wenn du mich laufen lässt, so helfe ich dir, und er versprach es. Daraufhin sagte sie, so nehme er einen kleinen Stein in den Mund, und sage er, goldfarbene Entchen fein, ihr sollt mein Goldstück sein, dann wäre der Stein aus Gold. Der dumme Unwissende tat wie sie sagte, und ward kaum hatte er ausgesprochen ein Entchen. Die kluge Hexe nahm es mit und fütterte es fett, bis man es braten und essen konnte. Das Menschenfleisch des Entchens schmeckte der Hexe so gut, das sie sich noch einen Menschen suchte, anstatt unseren Meister zu treffen, der mit ihr schlafen wollte um stärker zu werden, durch ihre sexuelle Energie. Als sie auch in der dritten Walpurgisnacht nicht kam und stattdessen ein Entchen nach Hause brachte, erschien ihr der Meister persönlich, und er nahm sie mit zu sich in die Hölle, wo sie bis zum heutigen Tage drei Entchen füttern muss, ohne sie essen zu dürfen.
 

Okay, vielleicht war es doch ganz gut, dass Mutter mir keine Märchen vorgelesen hatte. Von der Gans die goldene Eier legte, hatte ich schon gehört, aber ich hätte nie gedacht, dass das Märchen so blöd ist. Ich blätterte das Buch kurz durch und besah mir auch den Buchrücken. Nichts. Also zurück mit dem Schund.

Der untere Teil war eine Art kleiner Schrank, es gab eine Tür zum Aufmachen, keine Schublade. Das Fach war leer. Ich tastete den Hohlraum nach irgendwelchen Geheimfächern ab. Auch nichts. Verdammt, was tat ich hier überhaupt? Ich war bei meiner freundlichen Nachbarin eingebrochen und durchsuchte ihr Haus. Das war mehr als genug für heute. Nichts wie weg bevor sie zurückkam.

Der Blumenstrauß/Die Markierung

Hi, als Dank für eure lieben Kommentare dachte ich mir, ich lade zwei Kapitel hoch, hoffe sie gefallen euch^^
 

Zuhause fotografierte ich die Inschrift auf dem Anhänger, retuschierte den goldenen Hintergrund so gut wie es ging weg, und schickte ihn zur Übersetzung per Mail einer Frau, mit der ich vorher telefoniert hatte. Sie kam aus einer anderen Stadt und ich versprach ihr mehr Lohn, wenn sie mir die Übersetzung so schnell wie möglich und vor allem so genau wie nur möglich sandte. Es brauchte etwas Verhandlungsgeschick, da sie das Geld im Voraus wollte, aber ich sagte ihr, für das Geld das ich ihr ohnehin gab, könnte ich auch mit dem Zug in ein arabisches Land fahren und es mir dort übersetzen lassen. Von den ausländischen Mitbewohnern, die auch noch ihre ursprüngliche Heimatsprache kannten, und es wohl umsonst täten ganz zu schweigen.
 

Dennoch, irgendetwas hatte ich übersehen. Da drüben. Aber was. Vielleicht sollte ich mich bis zum Abendessen erst mal entspannen, grübeln brachte meistens nichts. Ich schaltete den Fernseher an, zappte ein bisschen durch die Programme, bis ich zu einer Quiz -show kam. Es ging um Sprache, und war praktisch in drei Felder eingeteilt. Der leichte Teil kam zuerst. Man musste nur Buchstaben einsetzen, damit das Wort einen Sinn ergab. Sogar bei der einfachen Sache schieden schon zwei Teilnehmer aus.

Der zweite Teil war noch einfacher. Diesmal konnten die Kandidaten das zuvor gewonnene Geld peu à peu verlieren. Es ging darum, die Buchstaben zu vertauschen, so dass sie ein Wort ergaben. Nach einer Viertelstunde Langeweile wollte ich umschalten. Leider tat sich nichts. Und warum zum Fernseher laufen und umschalten, wenn es doch viel leichter ist, nach Batterien zu suchen? Wenn ich Glück hatte, gab es Abendbrot bis ich sie gefunden hatte. Wenn ich Pech hatte, und das hatte ich, fand ich sie schnell.

Ich legte mich wieder hin und schaltete um.

Das heißt, ich wollte umschalten, aber es ging nicht. Dann eben doch nach altmodischer Art mit der Hand. Ich wollte grade aufstehen, als mich ein Schmerz zusammenzucken ließ. Die Kette. Das konnte doch nicht sein, sie brannte. Sie brannte sich in meiner Haut fest, ich versuchte sie abzureißen und schrie panisch um Hilfe, die Tür ging auf, der Schmerz war weg.

„Sasuke, was ist?“

„Ich …ich...“, Mist hör auf zu stottern. Nein, du kannst nichts sagen, nichts von der Kette.

„Du weinst ja?!“

Itachi kam zu mir und setzte sich neben mich.

Ich weinte? Mit der linken Hand fuhr ich über mein feuchtes Gesicht, die Rechte hielt immer noch um die Kette umkrallt.

„Also – ich hab mich erschreckt. Ich wollte umschalten, aber die Batterie...“ ich konnte nicht mehr weiter reden.

Itachi nahm mir die Fernbedienung aus der Hand, schaltete um, und wieder zurück.

„Vielleicht hast du geträumt?“

Ich starrte auf den Fernseher und nickte zaghaft.

„Das nächste Wort ist Zukutsu Mika.“

„Wie blöd. Tsuzuku kami natürlich.“

„Na, es geht dir wohl besser?“

„Ja.“

„Aber wenn du was brauchst, falls du Kopfschmerzen hast oder so, kann ich auch mal rüber gehen zu, wie heißt sie noch Uzuki?“

Uzumaki.

Mir ging gerade ein ganzer Kronleuchter auf. Also deswegen durfte ich nicht umschalten?

„Ähm, ja, Kopfschmerztabletten wären gut.“ Das war nicht mal gelogen.

Itachi ging wortlos aus dem Zimmer und ich nahm die Kette weg. Eine kleine rote Brandverletzung strahlte mir wie eine Warnleuchte entgegen. War das Einbildung? Wenn andere es auch sehen konnten nicht, nicht wahr? Nein, ich sollte sie lieber nicht zeigen. Am Ende hieß es noch, ich hätte mich selbst verletzt. Ich zog die Kette wieder an.

„Okay, Naruto. Das hat weh getan, aber ich hab´s endlich gecheckt, dann kann ich jetzt umschalten oder?“

Ja, ich konnte.

Trotz der kleinen Brandverletzung fühlte ich mich irgendwie happy. Unsere Verbindung war dadurch enger geworden.
 

Was nun?

Ich beschloss, selbst Detektiv zu spielen und surfte im Internet herum. Endlich fand ich eine brauchbare Seite für Detektiv-bedarf.

Ich bestellte einen Kugelschreiber, einen Taschenrechner, und einen Videorecorder, der so groß wie eine Büroklammer war. Mit dem Kugelschreiber konnte ich Gespräche aufnehmen, aber er war hauptsächlich ein Diktiergerät. Der Taschenrechner, der absolut nach einem Taschenrechner aussah, war ebenfalls ein Audioaufzeichnungsgerät. Ich hätte gerne noch mehr gekauft, aber mein Sparbuch ging rapide auf den Nullpunkt zu. Unglaublich, was es da alles gab. Noch unglaublicher, wie teuer es verkauft wurde.
 

Es war dunkel geworden, ich schaltete den PC aus, gähnte und streckte mich, gerade rechtzeitig, als meine Mutter hereinkam und mich zum Essen rief. „Ich komme gleich.“ Ich sah zum Fenster. Warum konnten wir nicht zu einer normalen Uhrzeit zu Abendessen? So spät, war das überhaupt gesund? Aber es ging ja alles nach dem Willen meines Vaters. Früher hatte ich ihm gefallen wollen, mich angestrengt. Aber es war egal was ich tat. Ich war ihm egal.
 

Itachi saß bereits am Esstisch. Als ich an ihm vorbei zu meinem Platz ging, drückte er mir heimlich die Tablette in die Hand. Wieso? Ich meine, das hier war kein Drogendeal. Aber jetzt konnte ich nicht nachfragen.

„Musst du immer zu spät kommen?“ wurde ich angefahren.

„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Papa.“

„Pah.“

Ich zog den Stuhl an den Tisch heran und setzte mich.
 

Während des Essens spürte ich, das Itachi mich immer mal wieder ansah. Ob er immer noch dachte, ich wäre verrückt, oder – rebellisch?

Oder hatte er bei der Beerdigung die Leute angesprochen? Itachi konnte so etwas. Sich unter die Menge mischen, sein Beileid aussprechen, ein Gespräch anfangen und ganz nebenbei das erfahren, was er wissen wollte. Ich bewunderte ihn dafür. Bei mir hatte das noch nie funktioniert. Siehe die Dame vom Standesamt, welche kurz danach sogar an einem Herzschlag gestorben war.

Erneut spürte ich seinen Blick.

„Itachi, hast du schon mal daran gedacht, Detektiv zu werden?“ ich sah ihn an, wie erwartet hatte er mich angesehen und war nun leicht überrascht.

„Was für ein Unsinn“, beschwerte sich Vater mit missmutigem Gesicht. Er wurde eigentlich nie wirklich laut, aber sein Gesichtsausdruck wenn er verärgert war, wollte man nicht unbedingt sehen. „Itachi wird ein angesehener Professor und kein Schnüffler.“

„Lösen Detektive nicht auch Kriminalfälle? Ist der Beruf nicht angesehen?“

„Natürlich nicht. Die machen nichts, als Skandale zu entlarven, indem sie stundenlang im Auto sitzen bis sie genug Material haben, um eine gute Ehe zu ruinieren. Sitzen, schnüffeln und ohne Gewissen zu kassieren. Das ist es, was Detektive machen. Lass dir bloß nicht einfallen, so einen verruchten Beruf zu ergreifen. Das erlaube ich nicht.“
 

„Verstehe“, antwortete ich und fragte mich unwillkürlich, ob Vater wohl Erfahrungen mit Detektiven gesammelt hatte. Vielleicht hatte ich ja mehr Erfolg, wenn ich Vater den Taschenrechner unter schob?

Nein, ich wollte es gar nicht wissen. Es ging mich auch nichts an. Es interessierte mich nicht einmal.
 

Ich löffelte meine Suppe zu Ende, durfte aufstehen und ging auf mein Zimmer zu. Wenn Itachi mir im Moment nichts zu sagen hatte, war es vielleicht besser, selbst erst mal auch nichts zu fragen. Ich öffnete die Tür und knipste das Licht an.

Neben dem PC lag ein Blumenstrauß.

Tausend Gedanken schossen mir in Sekundenschnelle durch den Kopf.

Wieso, warum, Einbrecher? Ich wich unwillkürlich zurück. Der Geruch von Kamelien stieg mir in die Nase.

Nein. Kein Einbrecher. Hansuki.

Ich nahm den Strauß und rannte die Treppe hinunter. Okay, sicher hatte sie sich auch erschreckt, weil ich den dummen Strauß vergessen hatte, aber das war doch kein Grund einzubrechen.

Na ja, das hatte ich auch getan, aber – wie hatte sie das überhaupt gemacht?

Im nächsten Moment klingelte ich auch schon Sturm. Schließlich brannte Licht. Die Tür wurde geöffnet von

„Wer sind sie?“ fuhr ich die alte Frau an.

Verwirrt meinte sie: „Ich wohne nebenan. Kushina bat mich, von Zeit zu Zeit nach dem Rechten zu sehen.“

„Kushina? Und wo ist Frau Hansuki hingefahren, bitte?“

Sie lachte. Was war so komisch? „Hansuki, wie? Ha ha ha.“ Sie bog sich sogar nach vorne und hielt sich vor Lachen den Bauch.

Ich überlegte, ob ich vielleicht gehen sollte, die Person war mir nicht geheuer.

„Du musst Sasuke sein.“ Die Alte hatte sich wieder ein gekriegt.

Überrascht nickte ich.

Sie drehte sich um und ging ins Haus. „Kushina hat mir von dir erzählt, du bist der Milchjunge, nicht wahr? Ha ha.“

„Warten sie“, rief ich. Denn hinterher gehen wollte ich auf keinem Fall. „Haben sie diese Blumen in mein Zimmer gelegt?“ Ich wedelte mit dem Strauß.

Die Alte wandte den Kopf. Ich hatte so das Gefühl, das es am Klang der gegeneinander reibenden Blätter lag. Und nicht an mir.

„Nein, das habe ich nicht. Ich bin nicht für die Kamelien zuständig.“

„Also, dann war es Hansuki, ich meine Kushina.“

„Nein, nur einer verteilt sie.“

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„Wer?“ rief ich schnell, aber die Alte hatte sich schon wieder umgedreht und ging zurück.

„Ich brauche Antworten“, versuchte ich es wieder.

Sie verschwand um die Ecke.

Mist. Sollte ich wirklich dieser fremden merkwürdigen Frau hinterher?

Idiot, schalt ich mich selbst, seid wann hast du Angst vor einer alten Frau?

Aber ich hatte keine Angst, nur ein seltsames Gefühl. Es wurde Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren, auch wenn es meinem Verstand nicht gefiel. Und die Wahrheit war, das ich ihre Antwort doch gar nicht brauchte. Ich wusste es auch so. Naruto verteilte sie.

Ich sah mir den Strauß an. Kamelien. Von einem absoluten und reinen Weiß. Kein welkes Blatt dazwischen. Perfekt. Das Bild, als er am Fluss kniete kam mir wieder in den Sinn. Auch da hatte er eine Kamelie in der Hand gehabt. Rot oder Weiß? Es war mir entfallen, aber ich glaubte, mich an eine Weiße zu erinnern.

Ob er wohl weiße Kamelien zu Lebzeiten geliebt hatte? So sehr, dass sie ihm auch jetzt noch wichtig waren? Ihn sozusagen auf seinem Weg begleiteten? Sein Grab sollte damit bedeckt sein. Ich sah auf. Die Tür stand weit offen, eigentlich sollte man sie vor einem Unbekannten schließen, bevor man sang- und klanglos verschwand. Es sei denn, es war eine Einladung.

Ich sah nach links. Dort lag Narutos Zimmer. Sollte ich wirklich jetzt reingehen? Langsam bewegten sich meine Beine und stockten, als die alte Frau das mir bekannte Kinderlied zu singen anfing. Eins, zwei, drei, vier, Naruto ist ein wildes Tier.

Ich drehte mich um und ging. Ja. Ich war dort gewesen. Das war kein Traum, damals. Aus irgendeinem Grund hatte er mich geholt und mir seine Welt gezeigt, oder ich sehnte mich so sehr danach ihn zu finden, dass ich dort gelandet war. Während mein rationaler Verstand ausgeschaltet war und mein Unterbewusstsein die Oberhand hatte.
 

Ich atmete tief durch und ging nach Hause. Mit einem Blumenstrauß in der Hand. Wie uncool. Aber ich durfte das Geschenk nicht zurückweisen. Ja, es war ein Geschenk.
 

Zuhause holte ich eine neue Vase. Die, die ich geplündert hatte, schien mir einfach nicht gut genug zu sein. Nur weil sie schon benutzt worden war? Ich konnte es nicht sagen.

„Sasuke?“

„Ah Mama.“ Ich erschrak und stellte die Blumen schnell in die Vase.

Als sie meinen Namen rief, klang es besorgt. Nun lächelte sie glücklich. „Genau wie ich es mir dachte.“

„Huh?“

„Du bist verliebt.“ Sie freute sich aufrichtig und faltete sogar andächtig die Hände.

„Nein. Äh, nein, bin ich nicht,“ widersprach ich ihr, aber sie war schon ins Zimmer gekommen und nahm mich fest in den Arm.

„Also bist jetzt auch du erwachsen geworden, du meine Güte wie schnell die Zeit vergeht.“

„Äh...hm.“ Vielleicht sollte ich es einfach mal gut sein lassen.

„Für wen sind die Blumen? Sie sind wirklich wunderschön. Erzähl mir alles über sie.“

„Sie? Also, das sind Kamelien.“

Mutter lachte. „Witzbold. Ich meinte, das Mädchen, dem du sie schenken willst.“

Doch keine gute Idee. Ich befreite mich aus der Umarmung und wandte mich ab.

„Ach Mama,“ antwortete ich genervt.

„Also?“

„Also was?“

„Komm schon, du kannst es mir sagen. Für wen sind sie?“

„Für mich.“

„Für dich? Oh, also zu meiner Zeit schenkten die Männer den Frauen Blumen, nicht umgekehrt.“

„Sie sind ja auch von einem Mann,“ ich nahm die Vase und stellte sie auf meinen Schreibtisch in der Hoffnung, sie würde endlich Ruhe geben und mich alleine lassen.

Aber sie blieb einfach stehen. Ich tat so, als würde ich sie ignorieren. Das war mein Zimmer, mein Reich und meine Privatsphäre.

„Von einem – Mann. Verstehe.“

Endlich ging sie. Ich sah ihr nach. Ihre Bewegungen hatten etwas eigentümlich Steifes, fast wie ein Roboter. Na ja, egal.

Vielleicht waren die Blumen ja doch nicht von einem Mann sondern von einem Jungen, dachte ich. Einem, der schon früh gestorben war, und trotzdem noch sehr präsent war. Überall. Für mich selbst war das inzwischen tatsächlich in Ordnung, auch wenn ich nichts Genaues wusste. Ich hatte mit ihm Kontakt, das war das einzigste was für mich zählte und das Wichtigste.
 

Aber – ich sah die Blumen an – ich durfte es keinem erzählen. Oh, war das vielleicht der Grund, weshalb keiner über ihn reden wollte?

Die alte Frau hatte gesagt, es gibt nur einen, der sie verteilt. Hieß das etwa, er schenkte auch anderen Blumen? Eine Welle der Eifersucht überrollte mich. Am liebsten wäre ich nochmal rüber gerannt und hätte sie gefragt. Unwillkürlich griff ich nach der Kette. Gab es noch andere, die so eine Kette trugen? Irgendwie spürte ich Zorn und Enttäuschung. Aber ich wusste nicht, warum das so war. Duschen. Nach einer Dusche fühlte man sich viel besser, es wurde ohnehin Zeit.
 

Keine Ahnung, wie oft Mutter mir gesagt hatte, ich solle meine Kleider in den Wäschekorb legen anstatt auf den nassen Boden zu werfen, aber dort lagen sie nun. Die Kette hatte ich am Duschkopf befestigt und mit geschlossenen Augen genoss ich die Dusche. Bis ich an meinem linken Fuß eine Berührung spürte. „Pfui Spinne.“

Aber anstatt einer Spinne sah ich Blüten. Weiße Kamelien hatten sich in der gesamten Duschwanne ausgebreitet und berührten zärtlich meine Beine. „Tz, Naruto. Diese Blumen haben es dir wirklich angetan nicht wahr?“

Ich duschte weiter bis ich fertig war. Dann stieg ich aus der Wanne und zog meinen Bademantel an.

Auf dem Gang rannte ich fast in meinen Vater hinein. Sofort sah er auf die Uhr. „Müsstest du nicht längst im Bett liegen?“

Nein, schließlich hatten wir morgen keine Schule.

„Natürlich, Vater.“

Als ich an ihm vorbei wollte, fühlte ich mich am Kragen meines Bademantels gepackt, und herumgerissen. „WAS IST DAS?“

Ohne zu ahnen, was er meinte sah ich an mir herunter.

Dort wo die Brandverletzung war, war jetzt eine Kamelie.

Mann, Naruto. Also ehrlich, man kann es ja auch übertreiben, oder?

Mein Vater befeuchtete seinen Zeigefinger mit Spucke und rieb daran.
 

In meinem Zimmer zog ich mir gerade den Schlafanzug an. Mein Vater glaubte, ich hätte mich tätowieren lassen. Entsprechend groß war sein Zorn. Er verlangte, das ich ihm das Studio nennen sollte, welches einen Minderjährigen ohne Erlaubnis der Eltern tätowierte. Die Blumen im Bad waren zum Glück genauso verschwunden wie sie gekommen waren. Mutter schob mich Richtung Zimmer und versuchte meinen Vater zu beruhigen. Ich hörte sie jetzt noch schreien.

Wenn er seine Späße zu weit trieb, war es bald nicht mehr lustig. Ein Piepton lenkte mich ab. Ich griff nach meinem Handy. Eine Email. Von der Dolmetscherin.

Aufgeregt ging ich sofort zum PC und öffnete meinem Postzugang.

Es waren zwei getrennte Mails, eine Rechnung und die Übersetzung.
 

Heißt du mich willkommen,

bin ich dir wohlgesonnen,

lasse Dinge geschehen,

lasse dich auch sehen,

was kein Mensch jemals sah,

wird für dich dann wahr,

sicherlich.
 

Doch betrügst du mich fatal,

bin ich dein feind brutal,

ich versiegle deine Seele,

in eine blutrote Kamelie,

wirst vom leben scheiden,

und auf dem Flusse treiben,

letztendlich.
 

Bist du es, der mich liebt muss ich dich markieren

verzeih, doch will ich dich nimmer mehr verlieren

ewiglich.
 

Der Text ist unterschrieben vom „Wandler“
 

Meine zitternden Fingern legten sich auf das Mal. Ich stolperte rückwärts. „B...b...b...b...bin ich markiert?"

Neunter Eintrag

Ich hatte eine schlaflose Nacht hinter mir.

Erst beim Morgengrauen war ich eingeschlafen und mein Wecker zeigte jetzt schon nach 12 Uhr Mittags an, und vor Hunger wurde mir auch schon ganz übel. Es half alles nichts, ich brauchte was für den Magen.

Ich hol mir ein Brot. Egal, was, dachte ich, stand auf und ging in die Küche. Im Stillen hoffend, dass mir keiner begegnete, der mich wieder mit Fragen nach meiner „Tätowierung“ löcherte. Im Moment war mir wirklich nicht danach zumute, für – solche Dinge – eine Erklärung abzugeben, die zufriedenstellend war. Die Wahrheit würde man mir ohnehin nicht glauben.

Itachi war in der Küche. Zuerst fluchte ich innerlich, aber dann dachte ich, gut das ich nicht gekommen war, während hier zu Mittag gekocht wurde. Hätte schlimmer sein können.

„Morgen“, grüßte ich und nahm mir eine Brotscheibe. Ich war schon fast wieder bei der Tür, als Itachi meinen Namen rief. Einen Seufzer unterdrückend mit dem Brot im Mund drehte ich mich um.

„Hm?“

„Willst du das Brot trocken essen?“

„Gibt bald Mittagessen, hab´s Frühstück verpasst, aber Hunger“, nuschelte ich. Nichts wie weg bevor er mir mit seinen Sorgen kommt, dachte ich gerade, als ich sah, wie er anfing zu grinsen. Dabei drehte er den Kopf weg wie jemand, der eigentlich hatte gar nicht grinsen wollen, und es nun verbergen wollte. Tja, zu spät, ne?

Achtung, Ansteckungsgefahr. Ich musste selber grinsen und war gezwungen, die Brotscheibe aus dem Mund zu nehmen.

Nachdenklich sah er gegen die Wand, schloss die Augen und murmelte, „mein kleiner Bruder.“

Bestimmt hatte er sich vorgestellt, wie ich mit Bart, Ledermütze, übertriebenen Muckis, übersät mit Tattoos – vorzugsweise Totenschädel – und von Piercings durchlöchert auf einem Motorrad dahin bretterte.

Itachi sah mich wieder an. „Setz dich, ich wollte wegen der Kette mit dir reden.“

„Okay“, ich biss in mein Brot und setzte mich Itachi gegenüber.

Sein Gesichtsausdruck war wieder ernster geworden. „Wie versprochen bin ich auf die Beerdigung gegangen. Zuerst habe ich der Verstorbenen meinen Respekt erwiesen, dann den Trauernden mein Beileid ausgesprochen. Alles ganz normal. Als wir dann zusammen gegessen haben, und die Gesprächsthemen von der Beerdigung zu alltäglichen Dingen wechselte, habe ich natürlich gefragt, ob einer der Anwesenden wüsste, ob die Frau eine wertvolle Kette vermisst.“ Ich nickte und hörte schweigend zu.

„Du weißt ja, wie die Leute sind, Sasuke. Als ich wertvoll sagte, hatte ich die volle Aufmerksamkeit aller am Tisch sitzenden.“ Er schwieg kurz, ich hatte mittlerweile den letzten Bissen im Mund und nickte kauend.

„Als ich ihnen die Kette beschrieb,“ Itachi stockte. Er beugte sich plötzlich vor, „Sasuke es brach eine richtige Panik aus. Ein paar Leute rannten sogar davon.“ Er lehnte sich wieder zurück. „Letztendlich wurde ich rausgeworfen.“

Nachdenklich berührte ich meinen Anhänger unter dem Schlafanzugoberteil.

Herzschlag. Natürlicher Tod oder...was sie wohl getan hatte, um ihn so zu verärgern? Das oh gott, oh nein konnte es ja wohl nicht gewesen sein. Vielleicht hatte der ganze Verein etwas am Stecken.

„Hm, aber wenn sie ärgerlich wurden“, ich benutzte absichtlich das Wort und gab mich ahnungslos, „kannten sie die Kette doch.“ Ich blickte Itachi in die Augen. „Haben sie nicht erklärt, warum sie ihn dann nicht zurückhaben wollten?“

Er schüttelte den Kopf. „Es war – total seltsam, diese Reaktion. Mit so etwas habe ich wirklich nicht gerechnet, und, also ich habe in Schmuckgeschäften nachgeforscht, in Büchern mit seltenen Anhängern oder Ketten...“ Er beugte sich wieder mir entgegen. „Deswegen habe ich es dir auch erst jetzt erzählt.“

„Also – soll ich sie auf dem Fundbüro abgeben?“ fragte ich ihn ratlos.

Habe ich schon erwähnt, das ich über keinerlei schauspielerisches Talent verfüge? Das Itachi dennoch nichts bemerkte, lag sicher an dem Erlebten, das ihn aus der Bahn geworfen hatte.

„Sasuke, gib mir die Kette. Vielleicht finde ich mehr heraus, wenn ich sie zeige.“

Ich nickte. „Gut.“

Er streckte mir seine Hand entgegen. „Ich sagte doch, ich hab sie nicht hier.“

„Wo ist sie denn?“

„Mh“, ich sah zur Decke und überlegte. Wie lange würde es wohl dauern, eine Kopie zu bekommen? Dazu musste ich auch noch in eine andere Stadt fahren. Mist. Das ging vielleicht gar nicht – oder – ich brauchte ja nur den Anhänger. Mit Geschnörkel. Die Leute hier konnten bestimmt auch kein arabisch, und – es musste nicht mal reines Gold sein, ein Blick und sie würden schreiend davonlaufen. „Wenn ich mich richtig erinnere, hab ich ihn zuletzt bei der Dame im Standesamt gesehen, aber ich glaube, sie hat ihn dort in die Schublade gelegt.“ Ich sah Itachi an. „Na, ich denke ich kann ihn holen, aber könnte vielleicht dauern.“

„Du meinst doch hoffentlich nicht stehlen?“

„Nein, soll ich ihn nicht wegnehmen? Wie wäre es dann mit einer Fotografie?“

Itachi schlug mit der Faust in die offene Hand. „Super Idee. So machen wir´s.“

Ich nickte unbehaglich. Jetzt hatte ich Itachi schon wieder angelogen. Und – zum ersten Mal in meinem Leben verließ ich mich auf mein Gefühl. Ohne eine Ahnung zu haben wieso überhaupt, wusste ich irgendwie, das es ein Fehler wäre, die Kette aus der Hand zu geben, genauso wie das Buch oder die Bilder. Anfangs dachte ich noch, es wäre eine Art Egoismus von mir, das ich nicht teilen wollte, dieses Wunderbare. Aber das war es nicht.

Wenn ich die Kette Itachi gab, selbst wenn es nur leihweise war, brachte ich ihn in Gefahr. Naruto wollte, das ich sie trug.

Und - nebenbei, aber nichtsdestotrotz nicht weniger wichtig – wenn ich Itachi etwas derart Absurdes sagte, hätte ich wieder einen Bruder, der jeden meiner Schritte mit besorgter Mine beobachtete und verfolgte.
 

„Ich leg mich nochmal hin.“

„Wie jetzt? Bist du immer noch müde?“

„Nein, nur faul.“

Itachi lächelte wieder. Ich erwiderte sein Lächeln und stand auf. Es gefiel ihm wohl, dass sein kleiner Bruder erwachsen wurde, oder was er sonst für den Grund meiner Veränderung hielt.
 

Auf dem Weg in mein Zimmer dachte ich an die letzte Nacht.
 

Diese Nacht war für mich eine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt gewesen. Mal ganz oben, dann wieder unten, von den Kurven ganz zu schweigen.
 

Naruto hatte mich auserwählt, es machte mich glücklich. Wir würden auf irgendeine Weise immer in Kontakt stehen und verbunden sein. Und – ich war niemals wieder allein. Ewiglich.

Was sollte diese Markierung. War ich etwa eine Kuh, der man sein Brandzeichen aufdrückte? Was bildete sich dieser Wandler überhaupt ein, für was hielt er mich? Frechheit.

In was war ich da bloß hineingeraten? War ich doch verrückt geworden? Vielleicht lag ich ja im Koma, nach einem Unfall, und wusste es nur nicht.

Aber wenn nicht, wer war Naruto denn eigentlich, und was hatte ausgerechnet ich damit zu schaffen?
 

Mit diesen Gedanken etwa und in einem regelrechten Gefühlschaos hatte ich die Nacht verbracht.
 

Nun, es gab noch Einiges für mich, das ich in Erfahrung bringen wollte. Aber heute, am Sonntag konnte ich nirgendwo hin.

Also legte ich mich bequem in meinem Bett zurück und nahm das Buch.
 

Kaum war ich eingeschlafen, ging der Traum weiter, als hätte es überhaupt keine Unterbrechung gegeben.

Mir war aber schon klar, dass ich das nicht auf Dauer durchhalten konnte. Ich mein, es war ja so das ich meine eigene Luft einatmete. Stickstoff eben, da war nicht mehr viel Sauerstoff drinne. Ich griff nach dem Arm des Dings um es wegzudrücken, aber es fühlte sich gar nicht wie Erde an. Sondern wie ein ganz normaler Mensch. Mittlerweile war es auch immer schwerer, bei Bewusstsein zu bleiben, ich wollte nur noch aufwachen, als sich die Puppe aufsetzte. Und ich schnappte keuchend nach Luft.

Die Puppe blieb auf mir sitzen, als würde sie auf irgendetwas warten, und hätte alle Zeit der Welt. Ich beruhigte mich langsam und wagte es schließlich, sie anzusehen.

Mit ausdruckslosem Gesicht, wie das bei Puppen eben so ist, sah sie mich an, aber ihre Augen waren nicht stumpf und leblos. Und Haare hatte sie jetzt auch. Die braune Erde, aus der sie eigentlich gemacht war, hatte einen Hautfarbe angenommen, und die Figur konnte ich auch gut erkennen, weil sie nach wie vor nackt war. Sie hatte blaue Augen bekommen und blonde echte Haare hingen ihr ins Gesicht. Dieses Gesicht kannte ich nur zu gut. Es war, als ob...
 

„Sasuke. Mittagessen ist fertig.“

Mist, ausgerechnet jetzt. „Komme.“
 

Es war, als ob ich in einen Spiegel sehen würde. Nicht mal die Zeichen in ihrem Gesicht fehlten. Ich suchte nach Unterschieden, aber konnte keine finden. Die Priesterin kam plötzlich zum Altar, und ich wandte mich ihr automatisch zu. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf meine Stirn und ich wachte auf.

Ein Traum, den ich nie wieder träumen mochte. Am besten schnell vergessen ich wollte mich duschen, und als ich aufstand, da sah ich sie. Erdklumpen, rote Erdklumpen und Lehmbröckchen lagen in meinem Bett herum.

Ich weiß, was das bedeutet. Trotzdem war ich geschockt. Dachte, ich hätte noch etwas Zeit.
 

Hier war der Tagebucheintrag zu Ende und das letzte Wort – Zeit – war verschmiert. Als sei eine einzige Träne darauf gefallen.

Weil.../ Die Sprache der Blumen

Eine zweite Träne fiel und gesellte sich zur ersten.
 

Sie hatte sich davongestohlen, war meine Wange hinuntergelaufen, und gefallen.

Ich schämte mich nicht dafür.
 

Nach dem Essen bereitete ich mich auf den kommenden Schultag vor.

Im Grunde machte ich die Hausaufgaben nur, um mich abzulenken. Leider funktionierte es nicht wirklich. Danach packte ich meine Tasche. Es kam mir vor, als sei ich schon ewig hier. Dabei war es erst eine Woche.

Immer hatte ich nur funktioniert, ohne Fragen zu stellen. Das war ganz normal gewesen.

Tz, fing man erst mal an zu fragen, begann man anscheinend alles zu hinterfragen. Es lebte sich einfacher, ohne Fragen. Aber – nicht richtiger.
 

Was hast du gedacht, als du erfahren hast, dass du keine 17 mehr wirst, Naruto? Hast du dich auch gefragt, warum gerade ich? Oder nicht!

Gelesen hatte ich es bisher zumindest noch nicht.

Ein besonderes Geschenk. So hatte er es genannt. Wo hatte er die Kette her? Davon hatte er nichts geschrieben. Nur von dem Tagebuch. Oder stand die Kette in Verbindung mit dem besonderen Geschenk? Ich drehte sie zwischen meinen Fingern. War sie vielleicht sogar das Geschenk?

Und wieso war die Gravur arabisch? Langsam bekam ich Kopfschmerzen.
 

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was er an seinem 16. Geburtstag erfahren hatte. Aber auf jedem Fall hatte er anschließend gewusst, das er nicht erwachsen werde würde. Er wusste, zuvor würde etwas passieren. Nur was?

Diese Zeremonie? Denn sie war ja anscheinend Wirklichkeit gewesen.

Und das er nur 16 geworden war, hatte ich ja mit eigenen Augen lesen können.

Naruto hatte von einer Puppe gesprochen, von Lehm, Blut – seinem Blut - und das ihm sein Atem genommen worden war, danach war die sogenannte Puppe er selbst gewesen, beziehungsweise ein Mensch.
 

Meine Schultasche legte ich auf den Boden und zog meinen PC heran. Nach kurzer Zeit fand ich einige Einträge im Internet. Ich hatte ganz bewusst nach Seiten mit arabischer Schrift gesucht, die automatisch übersetzt wurden.
 

Die wunderbare Schöpfung des Menschen
 

Und wahrlich, Wir erschaffen den Menschen aus reinstem Ton.

Der Mensch wurde erschaffen, indem Gott Lehm wie den Körper des Menschen geformt hat und dann diesem Körper seinen Geist eingehaucht hat

Seht, Ich werde den Menschen aus Lehm erschaffen, und wenn Ich ihn geformt und ihm von Meinem Geist eingehaucht habe, dann fallt vor ihm nieder!

Siehe, sie erschufen Wir aus formbarem Lehm.
 

Es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem „Traum“, den Naruto beschrieben hatte. Mit „und ihm von Meinem Geist eingehaucht habe“ war wohl der Atem gemeint. Als Atem war Geist gemeint, das Blut war die Seele? Oder so? Oder war Geist und Seele hier ein und dasselbe? Ich tippte auf Letzteres.

Aber wozu hatte man einen zweiten – äh – Körper erschaffen.

Eine Art Seelentausch? Ich nahm nochmal das Buch zur Hand, und den Zettel mit den Reimen.
 

selbst beherrscht, ironisch

halt mich innen für dämonisch
 

magisch selbst sich zu verwandeln

heißt in meinem sinne handeln
 

deine Lebenskräfte aufgesaugt

was mir selbst als Nahrung taugt
 

für ewig an mich gebunden

wirst du nimmer mehr gefunden
 

mit jedem Atemzug gibst du mir Leben

es ist ein Nehmen und ein Geben
 

Das Wort verwandeln stach mir sofort ins Auge. Bisher hatte ich damit überhaupt nichts anfangen können, und es beiseite gelassen. Aber ich hatte nicht vergessen, das die Inschrift auf der Kette mit Der Wandler signiert war.

Lebenskräfte, für ewig gebunden, und besonders der letzte Reim. Das mit dem Atem hatten wir schon. Ein Nehmen und ein Geben. Ein Tausch. Möglicherweise. Sah Naruto deswegen noch so aus, wie damals, lebte er also noch und hatte er nur den Körper getauscht? War von einem in den anderen gewandelt? Es war verrückt. Aber ich hatte das Gefühl, es könnte so ähnlich gewesen sein. Ohne Seele starb der Körper. Und – er hatte ja ein Grab.
 

Es erklärte mir aber nicht, warum man ihn nicht auf dem normalen Friedhof beerdigt hatte. Sondern in diesem schrecklichen Teil, mit dem keiner etwas zu tun haben wollte. Man hatte seine Bilder vernichtet. Niemand wollte sich daran erinnern, wie er aussah. Wollten diese Leute ihn einfach vergessen? Wie grausam. Selbst seine Verwandtschaft änderte den Namen, indem sie einfach die Buchstaben verdrehten. Man ließ ihn einfach nicht mehr in die Schule und niemand war zu seinem Geburtstag gekommen. Bestimmt hatte ihm auch keiner gratuliert.

Und dieses Kinderlied. Er kommt nur in der Nacht? Oder die Alte, nur einer verteilt hier diese Blumen.

Die Inschrift des Anhängers. Das alles waren wie die Teile eines Puzzles, welches aber nicht zusammen passte, weil noch ein wichtiges Teil fehlte.

Ich musste es finden. Unbedingt.

Warum musste heute Sonntag sein?

Fünf Minuten später lag ich wieder wie zuvor tatenlos auf dem Bett. Gab es nichts, was ich tun konnte?

Oh, das Foto. Ich nahm wieder mein Handy, stand auf, und fotografierte den Anhänger. Aber sofort konnte ich das Foto Itachi nicht geben. Er war nicht dumm und hätte gewusst, dass ich die Kette eben doch hatte. Und jetzt? Vielleicht war Uzumaki Kushina wieder da und ich konnte nochmal das Zimmer in Augenschein nehmen. Alles besser, als Nichts zu tun.

Tock, tock.

„Herein.“

Meine Mutter kam mit verlegenem Gesichtsausdruck in mein Zimmer.

„Was ist denn, Mutter?“

„Nun ja, es ist wegen deiner Tätowierung.“

Markierung. „Was ist damit.“

„Dein Vater hat für morgen einen Termin an der Universitätsklinik arrangiert. Sie sollen echte Spezialisten sein. Nicht einmal Narben bleiben zurück, also keine Sorge.“

Fast hätte ich gelacht.

„Super, aber wann hat er das denn arrangiert? Heute? Am Sonntag?“

Sie lächelte entschuldigend. „Beziehungen.“

„A so.“

„Ich bin wirklich froh, das du einverstanden bist. Ich dachte schon du würdest...“ erklärte sie erleichtert.

Mach es dir nicht so einfach.

„Ich bin nicht einverstanden. Aber habe ich eine Wahl?“ Naruto hatte auch keine Wahl gehabt. Da war ich sicher.

Verärgert verließ sie mein Zimmer.

Ich selbst ärgerte mich auch. Was wäre so schlimm daran, sich eine kleine Blume stechen zu lassen, die nicht mal sichtbar war, wenn man nicht gerade nackt herumlief? Stattdessen sollte ich mich unters Messer legen. Oder besser unter den Laser. Obgleich doch jeder wusste, das man dann Stoffe im Blut herum schwimmen hatte, die krebserregend waren. Aber meine Gesundheit war ja egal. Hauptsache, er bekam seinen Willen. Vielleicht hatte er dafür den ganzen Tag Leute angerufen, denn es musste ja auch unbedingt morgen sein.

Um mich zu beruhigen nahm ich die Kette in die Hand und sah zum Fenster.

Kushina. Ob sie seine Schwester war? Vom Alter könnte es passen. Und ihr Sohn? Hatte Naruto ihn in einer roten Kamelie versiegelt, aus Wut darüber, dass sie den Namen geändert hatte?

Dabei konnte ich es sogar noch verstehen, warum sie sich nicht Uzumaki nannte. Die Reaktionen hatte ich ja gesehen. Und wenn man ein kleines Kind hatte...In Narutos Augen mochte es ein Verrat gewesen sein.
 

Ich muss dich markieren, verzeih, kam es mir wieder in den Sinn.

Du musst, hab ich recht? Du bist weit entfernt davon, frei zu sein. Ein Grund mehr, die Wahrheit heraus zu finden. Nur so konnte ich auch eine Lösung finden, um ihn zu befreien, weil - Bist du es der mich liebt...
 

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Natürlich, von den anderen Antworten war ich meilenweit entfernt. Alles Spekulationen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. In zehn Minuten würden wir zu Abend essen. So schnell war die Zeit durch Nachdenken noch nie vergangen. Mein Leben, ein Leben das ich irgendwie nicht mehr wollte, seit Naruto auf welche Weise auch immer darin aufgetaucht war, ging in den üblichen Bahnen weiter.
 

Nach dem Essen ging ich noch mit Itachi in sein Zimmer, um Musik zu hören. Itachi saß an seinem Schreibtisch. Er musste für morgen ein Referat oder so vorbereiten. Irgendwann schien er nervös zu werden. Ich nahm die Kopfhörer ab.

„Was ist, kommst du nicht weiter?“

„Ja, ich meine nein. Es fehlt etwas. Ich habe Fotos, Texte alles Mögliche, aber es ist nicht genug. Eine halbe Seite fehlt noch.“

„Hm.“ Fotos hatte er schon. Sieh dich im Internet um, konnte ich mir auch sparen, das hatte er sicher sorgfältig getan. „ Über was geht es in dem Referat denn?“

„Enten.“

„Wie bitte?“

„Es geht um Enten.“

Ich prustete los, und hielt mir schnell die Hand vor den Mund. Itachi warf mir einen ärgerlichen Blick zu. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich mich entschuldigt. Sein Blick war zwar wirklich verärgert, aber das galt nicht mir. Er war nervös, weil er nicht weiter kam. Dieser Perfektionist. Ein – schreib größer, würde er auch nicht akzeptieren. Ich seufzte leise, während ich ihm zusah, wie er sich die Haare raufte. Itachi war immer mein Vorbild gewesen und ich hatte ihm nachgeeifert. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, das ein Naruto Uzumaki in sein Leben passte. Oder das er ihn in seinem Leben haben wollte.

„Enten, kannst du auch ein Märchen dazu schreiben?“

Interessiert sah er mich an. „Kennst du eins?“

Ich nickte. Das Märchen war mir eigentlich ganz spontan eingefallen, aber ich hatte es nur kurz durchgelesen und – ob ich das noch hinbekam, hätte ich mal lieber den Mund gehalten.

„Erzähl.“

Ich sah zur Decke und versuchte mich so gut es ging zu erinnern.

„Es war einmal ein Mensch...“

„Du meinst Prinz.“

„Huh?“

„Märchen fangen mit - es war einmal ein Prinz, eine Hexe oder eine Prinzessin an, aber nicht mit es war einmal ein Mensch.“

Das stimmte, oder? Es ging um Prinzen die verwandelt wurden – verwandelt...

Itachi zog eine Augenbraue hoch. „Hast du dir das ausgedacht?“

„Nein, hab´s gelesen. Bei unserer Nachbarin Hansuki.“

„Du gehst zu den Nachbarn um Märchen zu lesen?“ fragte mich mein Bruder ungläubig.

„Nein, es – ergab sich so. Willst du es nun hören oder nicht?“

„Na gut. Erzähl weiter.“ Er klang nicht begeistert.

Als ich zu ende erzählt hatte, meinte Itachi. „Vielleicht ist sie eine Hexe, unsere Nachbarin“ und lachte. „Aber das Märchen ist mal etwas anderes, als die Üblichen. Wirklich. Es ist aus der anderen Sicht geschrieben. Ich nehme es.“

„Bitte. Gern geschehen.“ Ich setzte mir die Kopfhörer wieder auf und verschränkte die Arme.

Es stimmte, aber da ich mich mit Märchen ja nicht auskannte, war mir das gar nicht aufgefallen. Aus der anderen Sicht, wie? Normalerweise hieß es, es war einmal eine alte Hexe, und nicht es war einmal ein Mensch. - Er besorgte sich ein Zauberbuch aus einem Menschengeschäft, hier lachen die Kinder am meisten – da gab es nichts zu lachen. Allerdings wenn die Kinder Hexenkinder waren, schon. Für Hexenkinder klang es sicher urkomisch. Ob Itachi recht hatte? Ich schüttelte den Kopf. Genug gegrübelt, du wirst ja noch irre. Während ich Itachi beim Schreiben zusah, stopfte ich mir noch ein Kissen in den Rücken und konzentrierte mich auf die Musik.

Eigentlich hatte ich meinen Bruder bitten wollen, mit Vater zu sprechen. Um meine Markierung hatte ich keine Angst, ich war sicher, sie kam wieder, auch wenn sie entfernt wurde. Aber unters Messer legen wollte ich mich trotzdem nicht so gerne. Itachi hat auch so genug um die Ohren, dachte ich und schloss die Augen.
 

Tropf, Tropf. Ich sah mich kurz um. Diese Höhle kannte ich. Naruto war nicht zu sehen. Und dort wo ich war, war die Decke so niedrig, das ich gebückt dastehen musste. Seltsamerweise war es nicht dunkel. Leuchtende Punkte schwebten herum. Glühwürmchen? Nein. Egal, ich lauschte, und ging dann in die Richtung in der ich das Wasser hörte.

Naruto saß diesmal auf der anderen Seite des Flusses, wieder mit dem Gewicht nur auf den Füssen, wie letztes Mal.

„Naruto“, rief ich leise.

Zuerst beachtete er mich nicht. Angestrengt sah er auf eine rote Kamelie. Die Blüte schwamm nicht mit dem Flusslauf. Im Gegenteil, sie schien ans Ufer zu wollen. Als wäre sie lebendig.

Sie war rot. Bei unserem ersten Treffen legte er keine weiße, sondern eine rote Kamelie in den Fluss. Ich betrachtete die schwimmenden Blumen. Manche waren rot, manche weiß. Dann sah ich wieder Naruto an, der die widerspenstige Blume mit gemischten Gefühlen anzusehen schien.

„Was – ähm – ist denn mit dieser Kamelie?“

Naruto erhob sich und sah mich an. „Sie stört den Fluss.“

Ungefähr meine Größe. So nah und doch so weit entfernt. Ich sah mich nach einer Art Brücke um.
 

Kalter Wind blies mir ins Gesicht. Wo war ich? Vor einem Blumenladen. Yamanaka. Den Namen hatte ich schon gehört, aber – wo war Naruto? Im Laden brannte Licht. Ich sah eine Frau, die damit beschäftigt war, sich um die Blumen zu kümmern. Ino tauchte plötzlich auf, und bevor ich verschwinden konnte, entdeckte sie mich. Sofort kam sie zur Tür gelaufen und strahlte mir entgegen. Jetzt konnte ich schlecht weglaufen, bevor ich mich versah wurde ich am Arm gepackt und in das Geschäft gezogen. Hinter mir wurde abgeschlossen. Auch das noch.

„Sasuke. Du hättest doch anrufen können.“

Ähm, ja. Das hätte ich tun können, nur – hoi, Naruto, konntest du mich nicht woanders absetzen?

„Ich bin nur zufällig vorbeigekommen, Ino. Und habe Licht gesehen. Das ist alles.“

„Sasuke, du bist ja so cool.“

„Ah, Sasuke Uchiha, nicht wahr?“

„Sie?“ entfuhr es mir. Die Alte aus Kushinas Haus.

Ohne sich vorzustellen verzog sie sich nach hinten. Ich wollte ihr gerade folgen, als Ino mir eine Tulpe in die Hand drückte. Ohne nachzudenken nahm ich sie. Eigentlich mochte ich keine Tulpen.

„In der Blumensprache bedeutet die Tulpe ewig währende Liebe“, erklärte sie mit leicht gerötetem Gesicht.

„Blumensprache!“ wiederholte ich.

„Wenn die Tulpe rot ist, bedeutet sie das,“ kam es von hinten.

Verärgert drehte Ino sich um. Ein kurzer Blick genügte. Es waren keine roten Tulpen da.

„Was bedeuten Kamelien?“

Ino sah mich wieder an und schien sich zu freuen.

„Kamelien bedeuten Freundschaft, Harmonie und Eleganz,“ erklärte sie stolz.

Die alte Frau war etwas nach vorne gekommen, und steckte Sträuße zusammen.

„Aber die rote Kamelie...“

„Kuruge. Schon gut,“ fiel ihr Ino ins Wort. „Das möchte Sasuke nicht wissen, also belästige ihn nicht.“ Und zu mir. „Gehen wir morgen zusammen etwas Trinken?“

Ich legte die Tulpe hin, und ging zu Kuruge. Hoffentlich hatte Ino jetzt nicht... „Fau Kuruge. Ich würde es wirklich sehr gerne wissen.“

Sie sah mich kurz an und wandte sich wieder den Sträußen zu. Mist. Ich drehte mich um und sah verärgert zu Ino.

Nervös die gelbe Tulpe in der Hand drehend fuhr sie die alte Frau an: „Kuruge, hast du nicht gehört? Sasuke möchte die Blumensprache der roten Kamelie erfahren.“

Kuruge schwieg immer noch. Erst als Ino anfing, „na, weil sie einfarbig ist, hat sie die Bedeutung, die ich dir schon nannte, Sasuke.“

„Die rote Kamelie verliert ihre Blätter einzeln, im Schnee. Wie Blutstropfen. Sie ist das Symbol für Tod. Und Vergänglichkeit.“ Kuruge sah mich an. „Eine adelige Blume.“

„Danke. Das überrascht mich nicht.“

Sie lächelte und beschäftigte sich wieder mit ihrer Arbeit. Ino sah erstaunt aus. Ich nutzte die Gelegenheit um mich zu verabschieden.
 

Auf dem Nachhauseweg begegnete mir dann ein keuchender Itachi, was mich schon wunderte. „Itachi, sag bloß du wirst alt. Oder warum bist du so außer Puste?“

„Weißt du, wie lange ich schon die Straßen auf und ab renne und dich suche?“

Woher sollte ich das wissen, Itachi schien dieses Mal so richtig verärgert zu sein. So hatte ich ihn selten erlebt. „Tut mir leid. Ich war noch bei einer Klassenkameradin. Ino. Sie haben einen Blumenladen dort oben an ...“

„Sei still. Weißt du überhaupt, welche Sorgen ich mir gemacht habe?“

Obwohl ich ja eigentlich nichts getan hatte, schwieg ich schuldbewusst.

„Wie hast du das gemacht?“
 

Ich folgte Itachi ins Haus zu seinem Zimmer. „Glaub nicht, du kannst mir was vormachen, von wegen Zaubertricks. Von einer Sekunde auf die andere zu verschwinden, ohne doppelten Boden, durch drei verschlossene Türen und auch noch das.“ Er öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Auf dem Bett auf dem ich gesessen hatte, lagen lauter weiße Kamelienblüten.

Zehnter Eintrag/Der Pilgerschrein

Ich ließ seufzend den Kopf hängen und kratzte mich an der Stirn. Natürlich hätte ich sagen können, ich hätte keine Ahnung von diesen Blumen, aber ich war müde und ich hatte auch keine Lust mehr meinen Bruder anzulügen.

Es ist genug, dachte ich. Gleichzeitig spürte ich ein Ziehen auf meiner Brust.

„Sasuke? Hab dich gar nicht reinkommen hören, was gibt es denn?“

Verwirrt sah ich auf. Itachi stand noch dort, wo er vorher gestanden hatte, die Blumen waren verschwunden. Aber – er hatte mich doch in sein Zimmer gezerrt.

„Was meinst du?“

„Hast du nicht zugehört? Was willst du?“

Ich schüttelte den Kopf. „Eigentlich nichts Bestimmtes.“

„Na dann. Wenn du willst kannst du ja lesen, oder Musik hören. Ich muss noch ein Referat fertig machen.“

Er ging zum Schreibtisch und setzte sich. Was war los? Ein Black-Out? Sein Referat hatte er doch fertig. Langsam ging ich auf ihn zu und stellte mich neben ihn. Ja, außer dem Märchen stand alles da. Das Ziehen verstärkte sich. Ich ging einen Schritt zurück und nahm den Halsausschnitt meines T-shirts in die Hand. Dann zog ich es ein wenig weg. Die weiße Kamelienblüte auf meiner Brust leuchtete in einem sanften, goldenen Licht. Ich nahm die Hand wieder weg.

„Itachi, ich bin müde. Werd mich morgen früh duschen, jetzt will ich nur noch schlafen.“

Itachi sah auf. „Alles okay?“

„Ja. Alles okay.“
 

Ich war wirklich müde gewesen, aber die – Veränderung – der Markierung hatte mich wieder hellwach werden lassen. Was bedeutete das nun wieder? Das Ziehen war verschwunden und ich wagte zögernd einen Blick. Sie war wieder normal. Als wäre nichts gewesen.

Naruto, hat dich die rote Kamelie die ans Ufer wollte soviel Aufmerksamkeit gekostet, das du vergessen hast, die Blumen verschwinden zu lassen?

Aber ergab das einen Sinn? Oder war es vielleicht eine Warnung? „Misch dich nicht ein und helf“

Gut möglich, das Kuruge die Bedeutung wusste, vielleicht auch Kushina, aber es war schon zu spät um nochmal aus dem Haus zu gehen.

Und egal, was die Leute hier dachten, ich wusste, Naruto war nicht so. Er hatte auf mich gewartet. Er wollte, das ich sein Buch fand. Und die Kette bekam. Und wenn er wollte, das wir zusammen waren, hatte er auch die Möglichkeit mich zu holen.

Das war allerdings etwas, was mich störte. Ich wollte nicht von seinen Stimmungen abhängig sein, gab es nicht auch einen Weg für mich ihn zu rufen?

Vielleicht stand ja etwas im Buch darüber.
 

29. Oktober

Ich komm grad aus der Stadt. Mutter hat mich zum Einkaufen losgeschickt. Ich bin hier aufgewachsen und alle kennen mich. Lange Zeit habe ich nicht gewusst, dass mein Vater ein Kami ist. Das ich in seine Fußstapfen treten musste. Nach meinem sechzehnten Geburtstag.

Was soll ich sagen? Man hat mich nicht reingelassen. Ins Geschäft. Was willst du, hat er gebrüllt. Und sich versteckt. Tomaten hab ich zurück gebrüllt. Ich bring sie vorbei, hat er gebrüllt. Aber ich muss sie doch bezahlen, hab ich gebrüllt. Ich schenk sie dir, brüllte er, nur lass mich dafür am Leben. Es tat weh.

Bin in den Park gegangen und hab mich auf die Bank gesetzt. Dauerte nicht lange, und ich war der Einzige dort, außer den Tieren.

Dann bin ich nach Hause, die Tomaten und viele andere Sachen lagen vor der Tür.

Ich bin doch kein Shinigami, selbst wenn, auch ein Shinigami greift nicht in den Plan ein, ich erst recht nicht.

Mutter sagt, die Leute haben Angst. Deswegen.
 

Angst, dachte ich. War das der Grund für alles? Wenn es das war, dann waren die Einwohner dieser Stadt noch armseliger als ich dachte. Abergläubisch und kindisch erinnerten sie mich an die drei Affen.
 

30. Oktober

Bin spazieren gegangen, und an meiner Schule vorbeigekommen. War auch im Klassensaal. Mein Platz war leer, ich war ehrlich wütend. Weil, das ist einfach ungerecht. Ich hab mir mein Schicksal nicht ausgesucht. Und ich dachte, bis es soweit ist, könnte ich mit meinen Freunden rumhängen. Aber es kam ja noch schlimmer. Weil ich so gerne zeichne hab ich meine Skizzen im Pult liegen lassen. Aber sie waren auch nicht mehr da. Ich hab´s gerochen, dieses Verbrannte. Ja, schon. Ich geh ja nicht mehr zur Schule. Aber deswegen müssen sie doch nicht meine Sachen verbrennen? Ich hab nächtelang, stundenlang an meinen Bildern gesessen und daran gearbeitet, da steckte mein Herzblut drin. Sie waren fast so etwas wie Kinder für mich. Natürlich nur fast.

Im Klassenbuch ist mein Name ausradiert worden, und die Fotos, die Klassenfotos die gemacht wurden, da wurde mein Foto raus geschnitten. Hat das ehrlich was mit Angst zu tun? Ich finde das so gemein und richtig unverschämt. Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass sich keiner mehr von denen jemals wieder meinem Platz nähern kann, oder sich dahin setzen wird, auch nicht, wenn er will.
 

Ach so war das. Deswegen waren noch seine Zeichensachen darin, und deswegen hatte er das Buch dort hinein gelegt. Das Buch mit der Kette. Wahrscheinlich war ich der Erste der sich seit damals wieder auf diesen Platz gesetzt hatte. Meine Überlegungen gingen noch weiter. Hätte er nicht getan, was er getan hatte, die hätten auch noch sein Pult verbrannt. War ja das reinste Mobbing. Von der kompletten Stadt. Das mochte ich mir überhaupt nicht vorstellen, er hatte es doch ohnehin schon schwer genug, weil sein Vater ein
 

Ich sprang fast senkrecht im Bett auf. „Sein Vater war ein GOTT?“

Ein Todesgott etwa? Nein, nein, Naruto hatte geschrieben, er sei kein Shinigami. Und auch, dass er in seine Fußstapfen treten musste.

Aber hatte ich nicht vermutet, das er vieles mitbekommen hatte? Ich war also gar nicht so schlecht mit meinen Schlussfolgerungen gewesen.

Hey, Naruto, wäre nett gewesen, wenn du dazugeschrieben hättest, wie du dafür gesorgt hast.

Dieses Mal hörte ich kein Lachen. Na ja, so komisch war es ja nicht. Und ich hatte gesehen, wie er die Erinnerung von Itachi auslöschte, sozusagen. Nun, besser gesagt, ich hatte die Folgen gesehen, ich hatte nicht gesehen, wie er es gemacht hatte.
 

31. Oktober/1. November
 

Heute ist eine ganz besondere Nacht. Ich werde beim Schrein erwartet.
 

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Ein Schrein? So etwas gab es hier? Davon hörte ich zum ersten mal, wer ihn wohl erwartet hatte? Eine ganz besondere Nacht. Allerheiligen, Halloween, die Nacht der Toten, ja das verstand ich noch. Auch als besondere Nacht. Ich fragte mich, ob wohl alle Leute zu diesem Schrein pilgerten.

Aber bis dahin dauerte es noch lange. Bestimmt wusste Kuruge, wo er war. Aber da sie etwas seltsam war, konnte ein Gang zu ihr auch vollkommen sinnlos sein.

Ich streckte mich und löschte das Licht.
 

Am nächsten Morgen fragte ich Ino, ob es einen Schrein gab, zu dem man an Halloween pilgerte. Sie bejahte meine Frage, fügte aber hinzu, dass das nur die alten Leute machten. Sie gingen dorthin um für das Wohl ihrer Toten zu beten, erklärte sie.

Aber sie hatte nichts dagegen, ihn mir nach der Schule zu zeigen. Nur würden wir allein an Laufzeit schon eine Stunde brauchen, da kein Bus dorthin fuhr. Deshalb wollte sie zuvor noch nach Hause gehen und Bescheid sagen.

Ich verzog unwillig das Gesicht, wurde praktisch im gleichen Moment von Sakura um die Hüfte genommen, die sich bereit erklärte, mich gleich nach der Schule dorthin zu begleiten. Bevor es wieder Streit gab, befreite ich mich aus der Umklammerung, nahm ihr Angebot an und verbeugte mich zum Dank. Dann wandte ich mich Ino zu und bat sie, mir kleine, weiße und rote Kamelienbäume am Nachmittag vorbeizubringen. Es war nur so eine Ahnung, aber ich dachte, Naruto würde sich in solch einer Umgebung wohler fühlen. Oder um es ganz offen zuzugeben, ich hoffte, ihn damit anzulocken.

Nach der Schule wurde ich allerdings wieder ins Büro des Direktors bestellt. Diesmal hatte ich so überhaupt keine Ahnung, was ich schon wieder hier sollte. Der sonst so smarte und gelassene Kakashi lief wie ein gefangenes Tier im Käfig auf und ab. Sein graues Haar war zerzaust. Unrasiert.

„Du hörst nicht auf, hab ich Recht?!“ fing er auf einmal an. „Du willst einfach keine Ruhe geben.“

„Was ist denn jetzt schon wieder? Ich habe doch gar nichts getan!“

„Du lässt den Toten keinen Frieden, nicht wahr? Schickst sogar deinen Bruder vor.“

Ach so, das.

„Itachi wollte nur sein Beileid ausdrücken,“ verteidigte ich mich. „Ich mochte die Frau. Sie war freundlich. In welchem Jahr bin ich hier eigentlich? Warum sollte es die Dame (deren Name ich zu meiner Schande leider nicht kannte) stören?!“

„Stell dich nicht dumm. Ich rede nicht von der Dame.“

Ich stellte mich nicht dumm und ich war nicht dumm, aber Kakashi gab mir das Gefühl, es zu sein.

Mit beiden Händen fuhr er durch seine Haare und zerzauste sie noch mehr, anstatt zu glätten.

„Offenbar hast du zu viel Zeit. Das werden wir ändern.“
 

Die folgenden zwei Stunden musste ich einen englischen Text abschreiben, und ärgerte mich so sehr, dass ich nun nicht zu dem Schrein kam, das ich mit dem Füller zu fest aufdrückte, und die Feder sich spaltete. Mit Bleistift schrieb ich weiter.
 

Kakashi stand auf. „Gut. Lassen wir es für heute damit bewenden.“

Für heute? Sollte das jeden Tag so gehen?

„Soll ich dann morgen den Rest machen?“ fragte ich.

„Nicht nur morgen.“

Aha. Wie gedacht. Woran wollten sie mich hindern? Ich sah auf.

Kakashi sah sehr zufrieden aus. Es fehlte nur noch, dass er sich die Hände rieb. Sagen wollte ich nichts dazu. Sonst gab ich ihm doch nur noch mehr Gründe, mich hier festzuhalten.
 

Ich packte meine Schreibsachen ein, und verließ das Büro ohne Gruß.

„Tz. Wegen diesem Angsthasen werde ich vermutlich noch zum Schulschwänzer mutieren,“ murrte ich auf dem Nachhauseweg vor mich hin.

Okay, Naruto war tot, ein Geist, ein Gott oder so - na und?

Ich mochte ihn trotzdem. Und er war mein einziger Freund. Ich betrachtete ihn zumindest als solchen. Auf irgendeine Art und Weise hatte er mein Leben bereichert.
 

Grade mal zehn Minuten hatte ich Zeit, um mich zu duschen und umzuziehen. Dann fuhr Mutter mit mir in die nächstgelegene Stadt, 250 km weit entfernt, zur Uniklinik. Sie gab mir zuvor noch ein Päckchen in die Hand, es war ungeöffnet und an mich adressiert. Ich war froh, das Mutter meine Privatsphäre einigermaßen respektierte. Das Päckchen war von der Internetfirma für Detektive. Die drei Gegenstände steckte ich einfach in meine Tasche, täuschte eine Muss-dringend-aufs-klo-Bitte vor, und warf den Karton dort weg. Man hatte die Sachen übertrieben groß verpackt, soviel Papier und Pappe war wirklich nicht notwendig. Auch auf dem restlichen Weg wurde ich nicht gefragt, warum ich so spät aus der Schule gekommen war. Möglicherweise hatte Kakashi sie vorher mit irgendeiner Begründung schon darüber informiert. Was er ihr wohl erzählt hatte?

„Mutter, hat Direktor Kakashi Hatake dich darüber informiert, dass er mich noch länger in der Schule behalten hat?“ fragte ich. Wehe, er hatte erzählt, ich hätte etwas angestellt.

„Ja, er sagte, es fällt dir schwer dich einzuleben und Kontakt mit deinen Klassenkameraden würdest du meiden. Das ist ja nicht wirklich neu, aber ich bin froh, dass er sich bereit erklärt hat, sich um dich zu kümmern.“

„Kümmern?“

„Ja. Es war doch nett von ihm, dich überall in der Schule herumzuführen, nicht wahr?“

Ich verstand. Ziemlich raffiniert.

„Herumgeführt hat er mich nicht Mutter. Dazu hat er als Direktor ja nicht wirklich Zeit, auch wenn er es vorgehabt hat. Letztendlich saß ich nur zwei Stunden lang in seinem Büro und musste einen Text in Englisch abschreiben.“ Ich zeigte ihr meinen Finger, der dick geschwollen und trotz der Dusche noch voller Tinte war. „Dazu kommt noch, das ich mit Ino und Sakura verabredet war. Die beiden Mädchen sind wirklich sehr nett.“ Ich zeigte ihr die SMS, die ich zwischendurch von Sakura bekommen hatte.

„Sasuke, ich warte auf dich bis zum Ende der Welt, das weißt du. Aber meine Mutter hat angerufen, dass ich ihr helfen muss. Ino hat das mitgekriegt. Jetzt will sie morgen auch mitkommen. Vielleicht kann ich sie irgendwie abhängen, ich warte vor eurem Haus, und wenn sie mit den Kameliensträußen kommt, fang ich sie ab. Keine Sorge, ich mach das schon.“

Mutter hatte mir das Handy aus der Hand genommen und ich sah, wie sich ihre Finger nun um das Lenkrad klammerten, so dass das Leder eingedrückt wurde. Sie war wütend.

„Du hattest eine Verabredung mit einem Mädchen und dieser Direktor – hat es dir vermasselt? Und das andere Mädchen möchte dir Kamelien schenken, und es ist wirklich ein Mädchen.“ Wütend schüttelte sie den Kopf. Ah, es ging darum, das es Mädchen waren, nicht um Klassenkameraden.

„Tja, wie gesagt, er hat viel zu tun, als Direktor. Und zugegeben, er nimmt sich für seine Schüler viel Zeit. Er hat mir ja sogar einen Blumenstrauß geschenkt.“

Meine Mutter versteifte sich. Ich hatte voll ins Schwarze getroffen.

Sie dachte jetzt, Kakashi hätte Interesse an mir, und mein vermeintliches Date mit den beiden Mädchen absichtlich sabotiert. Zufrieden grinsend lehnte ich mich zurück. Das Handy vibrierte wieder in meiner Hand. Ich sah auf das Display. Es war Itachi. Er informierte mich darüber, das ein seltsames Mädchen mir Blumentöpfe vorbeigebracht hatte, mit Kamelien. Ganze zehn Stück. Er habe versucht sie abzuwimmeln, aber sie habe darauf bestanden sie mir zu geben, wir hätten das in der Schule so besprochen.

Das kam wie gerufen.

„Ja, ein Schulprojekt von dem wir heute erst erfahren haben. Inos Eltern haben einen Blumenladen. Sag ihr bitte, ich gehe morgen nach der Schule zum Schrein mit ihr, und wenn du schon dabei bist, stell die Blumen doch einfach in mein Zimmer und druck den Weg zum Schrein aus. Ich hab vergessen wie er heißt, aber von zuhause aus, eine halbe Stunde Fußmarsch, danke, du bist der Beste.“

Mit verschränkten Armen lehnte ich mich wieder zurück und ignorierte das wiederholte Vibrieren. Es könnte schon sein, das der Schrein eingezeichnet war, überlegte ich. Immerhin war er weder vernichtet worden, und wurde auch nicht verleugnet. Er war sogar eine Art Pilgerort. Wenn Itachi ihn fand, konnte ich alleine hingehen, das wäre mir ohnehin das liebste gewesen.

Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so verschlagen sein konnte, am liebsten hätte ich mir selbst auf die Schulter geklopft.

Das Geheimnis des Anhängers

Der Arzt untersuchte meine Markierung lange und ausgiebig. Machte Fotos, holte noch einen Kollegen hinzu, und schien es kaum glauben zu können. Meine Mutter wippte immer nervöser und schneller mit dem Fuß, während ich eine der Zeitschriften las, weil ich immer mal wieder warten musste.

Schließlich stand meine Mutter auf und verlangte energisch zu wissen, wann man meine Tätowierung entfernen würde. Warum wusste ich nicht, aber der Arzt schien Probleme damit zu haben, mit der Sprache heraus zu rücken. Endlich sagte er, es handle sich nicht um eine Tätowierung, sondern um ein Muttermal. Natürlich glaubte meine Mutter sich verhört zu haben, und eine kleine Auseinandersetzung begann, den der Arzt mit seiner Schlussbemerkung: „Sie als Mutter müssten doch eigentlich das Muttermal gesehen haben, oder haben sie ihren Sohn als Kind nie gebadet?“ gewann.

Leicht irritiert meinte sie, das hätte sie natürlich, aber ein solches Mal hätte ich nicht gehabt, woraufhin der Arzt sich seines Sieges bewusst protzte: „Glauben sie etwa, es wäre über Nacht erschienen?“ Darauf wusste Mutter keine Antwort mehr zu geben. Es war einer der seltenen Momente, in der ich meine Mutter sprachlos sah.

Draußen vorm Auto wollte sie sich das Mal nochmal ansehen. Sie sah lange und genau hin. Wonach sie suchte wusste ich nicht, ich denke, sie wusste es wohl selbst nicht genau.

Schließlich seufzte sie und meinte nur: „Wie sollen wir das nur deinem Vater erklären?“

„Wir könnten doch sagen, das Tattoo wäre wegoperiert worden?“ schlug ich vor.

„Nein, er wird es irgendwann wieder sehen, und wissen das wir ihn belogen haben. Außerdem sagtest du, es wäre kein Tattoo, wenn wir nun sagen, das Tattoo ist weg, denkt er auch, du hättest gelogen.“

Auf eine Lüge mehr oder weniger kam es schon gar nicht mehr an, dachte ich sarkastisch.
 

Endlich wieder zu Hause schien Itachi schon auf mich gewartet zu haben, aber ich wollte unbedingt zu den Pflanzensträuchern. Auf der Türschwelle blieb ich stehen. „Oh, phantastisch.“

Itachi, der sich beschweren, oder mich etwas fragen wollte, schwieg und ließ mich den Anblick genießen.

Sie waren noch klein, manche Blüten sogar noch geschlossen, ich fand sie perfekt.

„Wie wunderschön.“

Ich ging in mein Zimmer.

Itachi folgte mir. „Ich wusste gar nicht, dass du auf Blumen stehst.“

„Nur auf Kamelien,“ gab ich leichthin zur Antwort.

„Also willst du sie als Opfergabe zum Schrein mitnehmen?“

„Aber sie sind doch noch so klein.“ protestierte ich was mir einen ungewöhnlich seltsamen Blick von Itachi einbrachte.

Opfergaben? Nur Kamelien? Man nahm sie mit und betete, das es den Ahnen gut ging? Jene roten Kamelien, die ich gesehen hatte?

„Rote oder? Sie symbolisieren Tod und Vergänglichkeit.“

„Na – nicht nur. Du weißt, vor Allerheiligen kommt noch Samhain. Es ist nicht nur das Fest der Toten, sondern auch der Anderswelt.“

„Anderswelt?“ wiederholte ich.

„Ja, der Welt in der die Feen, Elfen und auch die Geister der Toten leben.“

„Hm.“ Feen und Elfen hatte ich keine gesehen, überlegte ich. Moment mal – oder waren etwa diese kleinen Lichter die ich anfangs für Glühwürmchen hielt, solche Wesen?

„Angeblich soll der Schleier, der die Welten, also unsere Irdische und die Anderswelt, trennt zu diesem Zeitpunkt besonders dünn sein. Die Kürbis-köpfe zum Beispiel dienen dazu, die Geister die uns nicht wohlgesonnen sind zu erschrecken und zu vertreiben damit sie uns nichts tun, aber auch wieder um jenen, also den Ahnen, die uns besuchen möchten den Weg zu leuchten.“

„Aha.“ Also steckte hinter den Kürbissen eine echte Bedeutung. Sogar eine zweifache. Dabei hatte ich gedacht, sie wären einfach nur praktisch. Von der Suppe, die man daraus machen konnte, ganz zu schweigen. „Die Fratze dient also zur Abschreckung und die Kerze darin den Weg zu leuchten.“

Itachi nickte. „Wie ich dich kenne, hast du sicher nur Essen im Kopf und auch an die Suppe gedacht?“

Verlegen kratzte ich mich. „An Allerheiligen werden, wie der Name es sagt, alle Heiligen gefeiert, man fastet auch. Deswegen die Suppe.“

Heilige, bestimmt auch Götter.

„Am Tag danach feiert man erst Allerseelen.“

Mit anderen Worten alle Seelen.

Ich hatte mir inzwischen schon die Sträucher, die Ino mir vorbeigebracht hatte, genau angesehen. Alle waren tadellos in Ordnung und ich stellte nacheinander einen roten neben einem weißen auf. Schließlich schwammen in dem Fluss ja auch weiße und rote gemeinsam.

„Hast du den Weg gefunden?“

„Ja, natürlich.“ Itachi gab mir einen Zettel. Darauf war der Weg zum Schrein markiert. „Nichts zu danken,“ meinte er, als ich nicht gleich meinen tiefsten Dank aussprach.

„Nein, hab ich doch gern gemacht,“ gab ich zur Antwort.
 

Mittlerweile war mein Vater nach Hause gekommen. Er war zusammen mit Mutter im Wohnzimmer und es war laut geworden.

„Er glaubt wohl nicht, dass es kein Tattoo sondern eine äh ein Muttermal ist“, meinte ich und konnte das absolut nachvollziehen.

Itachi sah mich interessiert an. „Darf ich mal?“

„Nein warte. Mach ich selber.“ Ich zog mir das Shirt über den Kopf. Und damit auch gleichzeitig die Kette.

Itachi nahm meine Markierung in Augenschein. „Mutter hat recht. Es ist keine Tätowierung.“

„Hab ich doch gesagt.“

„Ein Muttermal aber erst recht nicht. Ein Mal. Ähnlich wie die Stigmata bei den Christen. Vielleicht bist du auserwählt, Sasuke.“

Wenn du wüsstest, wie recht du hast, dachte ich.

„Bevor ich es vergesse, hier, das Foto des Anhängers.“ Ich gab Itachi mein Handy.

„Schade, man kann ja kaum etwas erkennen. Ich werde mal sehen ob ich es größer hinbekomme.“ Itachi verließ mein Zimmer und machte sich auf zu seinem Computer. Vom Wohnzimmer aus hörte ich den Namen von Kakashi und das Wort „Pädophil.“ Na, na. Ein Kind war ich nicht mehr. Mutter hatte wohl eingesehen, das es nichts brachte mit Vater über das Muttermal zu reden und hatte das Thema gewechselt.
 

Eigentlich eine gute Gelegenheit, eines meiner Geräte zu testen. Ich nahm den Taschenrechner, ging damit ins Wohnzimmer, woraufhin schlagartig das Thema zu etwas Belanglosem wie was man noch einkaufen müsse, gewechselt wurde, tat so, als rechne ich etwas auf, schrieb das Ergebnis auf ein Blatt Papier – der Rechner war auch als Rechner zu gebrauchen – und ließ wie zufällig den Taschenrechner liegen, nahm aber das Blatt mit.

Zurück in meinem Zimmer steckte ich mir den drahtlosen Stöpsel ins Ohr. „Wir müssen unauffällig herausfinden, ob da – Husten – etwas passiert ist.“ Das war die Stimme meines Vaters.

„Du meinst...“ kam es zögernd von Mutter.

„Natürlich meine ich das“, er wurde schon wieder ungeduldig. „Ich muss wissen, ob dieser Perversling meinen Sohn begrapscht hat.“

Ich nahm den Stöpsel wieder aus meinem Ohr. Funktionierte einwandfrei. Wie sie das wohl unauffällig herausfinden wollten? Unauffällige Fragen während des Essens womöglich? Ich beschloss, heute keinen Hunger zu haben.

Während der ganzen Zeit hatte ich mit meiner Kette gespielt. Den Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her gerieben, als er sich plötzlich aufschob. Überrascht und aufgeregt sah ich ihn mir an. Er war nicht zum Aufklappen, sondern zum Aufschieben.
 

Auf der einen Innenseite waren wieder arabische Schriftzeichen, auf der anderen ein kreisförmiges Symbol. Aber weder aufgedruckt noch eingraviert, man könnte fast sagen, ausgehöhlt oder eingemeiselt. Obgleich der Anhänger an sich nicht dick war, und die Hälfte davon schon mal gar nicht.

Auf der anderen Seite waren wieder arabische Schriftzeichen. Mehr schlecht als recht übersetzte ich den einen Satz mit Hilfe des Wörterbuchs.

Sinngemäß lautete er wohl, rufe meinen Namen, dann werde ich erscheinen.
 


 

دعوة اسمي وأنا سوف تظهر

Elfter Eintrag

Nachdem ich seinen Namen einige Male vergeblich gerufen hatte, ging ich nach unten zum Essen. Vielleicht musste man sich dabei dreimal um sich selbst drehen, oder sich um Mitternacht auf den Friedhof stellen. Irgendetwas fehlte wohl.

Das Abendessen verlief schweigsam. Ich fragte mich, wie lange wir wohl noch hierblieben. Dieser Ort hier, hatte seine eigene Magie. Und ich war Naruto noch nicht so nahe, dass ich ihn rufen, geschweige denn retten konnte.
 

Nachdem ich geduscht hatte, kam Mutter in mein Zimmer. Sie wirkte nervös.

„Sasuke, ich habe mir gedacht, ich könnte dich morgen nach Schulschluss abholen,“ schlug sie vor. Ihre Stimme klang besorgt, und gegen Kakashi hatte sie nicht wirklich etwas in der Hand.

„Gute Idee, Mama. Wenn du vielleicht so gegen halb zwei kommst, bestimmt findest du mich beim Direktor im Büro.“ Verärgert zogen sich ihre Mundwinkel nach unten. Für mich war die Gelegenheit perfekt. Da mein Füller kaputt war, konnte ich den Kugelschreiber benutzen und zufällig dort vergessen. „Wirklich nett von dir, ich habe ja nicht jeden Tag so viel Zeit, um sie bei Direktor Kakashi zu verschwenden. Meine Klassenkameraden haben mir von einer Sehenswürdigkeit erzählt, einem Schrein, den ich gerne besichtigen würde.“

„Ein Schrein, klingt interessant. Sollen wir zusammen hinfahren?“

Ich nickte und zeigte ihr auch die Karte, die Itachi für mich ausgedruckt hatte.
 

Als sie gegangen war, zog ich mir meinen schwarzen Schlafanzug an. Hansuki hatte etwas von Besuchen gesagt, also wollte ich es wenigstens versuchen und das kleine Aufzeichnungsgerät in dem sogenannten Gästezimmer deponieren. Bei der Gelegenheit wollte ich mich auch nochmal kurz umsehen. Um nicht einzuschlafen, aber auch um etwas über den Schrein, den ich morgen in Augenschein nehmen wollte, zu erfahren nahm ich Narutos Buch zur Hand.
 

Ich hab gewartet, bis ich das Gefühl hatte, es wurde Zeit. Dann lief ich durch die Dunkelheit über den kleinen Feldweg auf der Wiese zum Schrein. Die meisten Leute gingen viel früher dorthin, auch weil sie sich vor dem Wald fürchteten, der sich neben der Wiese so dunkel erhob. Vor den knarrenden Ästen, den Geräuschen, wenn ein Vögel plötzlich hochflog, oder eine Maus im trockenen Laub am Boden davon sprang. Ich lief also alleine über den Feldweg und manchmal knirschten kleine Steine unter meinen weißen Turnschuhen. Es blies ein lauwarmer Wind. Richtig angenehm.

Aus der Ferne sah ich schon den Schrein und den Rücken von Kuruge. Sie zündete Räucherwerk an, die Glöckchen zu beiden Seiten des Schreins läuteten durch den Wind und gaben einen hellen melodischen Ton von sich. An einer Schnur hingen weiße Papierstreifen die flatterten, und ich erkannte einige Zeichen und Masken gegen böse Geister.

Hinter Kuruge blieb ich stehen, weil ich sie nicht beim Beten stören wollte. Der Geruch des Weihrauchs kam mir bekannt vor. Er benebelte wie schon einmal meine Sinne. Immer mehr fiel ich in eine Art Trance. Aber es war in Ordnung. Dieses Mal war ich weder festgebunden noch lag jemand auf mir.

Kuruge hatte ihre Gebete beendet. Ohne sich umzudrehen sagte sie: „Endlich bist du da, tsubaki-shin. Du bist also gekommen.“

„Ja.“

„Hast du Angst?“

„Ein wenig.“

„Wovor?“

„Es wird einsam sein, oder nicht?“

Kuruge drehte sich um, nahm meine Hand und gab mir den Schlüssel. „Irgendwann – in ferner Zukunft, wird jemand kommen. Jemand der dich liebt.“

„Jemand der mich liebt,“ wiederholte ich. „Woher soll ich wissen, wer sie ist? Und ob es so ist?“

„Keine Sorge. Der Schlüssel wird ihn finden und markieren.“

Ich sah auf den Schlüssel in meiner Hand. „Aber – der Schlüssel ist ein Teil von mir. Ein Werkzeug.“

„Ja. Eben. Nun geh, tsubaki-shin.“

Kuruge ging mit zusammengelegten Händen an mir vorbei, der Wind wehte den leichten Stoff ihres etwas über die Knie gehenden Kleides, so dass er flüchtig meine Hand berührte. Ich sah ihr nicht nach und ich wusste, das auch sie sich nicht umdrehte. Leb wohl, Kuruge, dachte ich nur.

Ich genoss noch einen Moment den Geruch des frisch gemähten Grases, der faulenden Blätter und farbigen Blätter des Waldes, den der Wind zu mir trug. Dann öffnete ich den Schlüssel und schob ihn ins Schloss. Ich drehte ihn nach links, zog ihn wieder heraus, und hängte ihn mir dann um den Hals, während ich zusah, wie der Schrein verschwand und einer Treppe aus Stein Platz machte.

Den monotonen Singsang hörte ich bis oben. Also war schon alles vorbereitet und es gab kein Zurück mehr. Ich stieg die Stufen hinab, und wurde von den hier lebenden Wesen in die Zeremonienhöhle geführt. Auf dem Altar saß mein Körper und wartete. Er trug ein weißes Kleid mit Goldverzierungen. Priester waren anwesend, um die Zeremonie zu leiten, aber auch Götter, die auf meine Wandlung warteten.

Zuvor jedoch nahm mich eine der Priesterinnen zur Seite. Und ging mit mir zum Fluss.

Mir ist jetzt klar, wie wichtig meine Aufgabe ist. Selbst wenn das bedeutet, das ich für immer allein bleiben muss.
 

Die Kette war keine Kette. Sie war ein Schlüssel. Und Narutos Name? Kushina und Kuruge interessierten mich nicht mehr. Naruto und seine Aufgabe umso mehr. Und – welche Rolle spielte ich?

Naruto würde von dem Gerät wissen und wenn es etwas gab, das er mir zeigen wollte, würde er kommen und es tun. Ich brauchte eine gewisse Selbstüberwindung, denn es war später geworden, als ich dachte, leider hatte ich mich nicht losreißen können, von dem Buch. Ja, hätte ich nur gelesen, wäre ich sicher früher fertig gewesen. Aber es war nicht nur lesen. Auch dieses Buch hatte eine Art Magie. Es hatte mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Ich betrachtete es als ein Heiligtum. Und ich hatte sogar Recht damit. Es beruhigte mich. Das Buch zu halten, zu streicheln und zu berühren gab mir einen inneren Frieden, den ich nie zuvor erlebt hatte.

Wenn ich darin las, las ich nicht nur. Ich erlebte es. Ich konnte es sehen. Es gab Stellen, die ich immer wieder sehen wollte. Zum Beispiel Naruto, wie er vor dem Schrein stand, die Augen schloss und der Wind in seinen Haaren spielte. Dieses Buch hatte ein eigenes Leben und eine eigene Zeit. Langsam zweifelte ich, ob es wirklich Naruto war, der es im Pult versteckt hatte. Es könnte auch Kuruge gewesen sein.

Wie auch immer ich musste mich beeilen. Den Recorder, der nur so groß wie eine Büroklammer war, hatte ich in meinem Portemonnaie. Vor Kuruge hatte ich jetzt wesentlich mehr Achtung als zuvor. Egal, ob es Naruto war oder Kuruge, wenn es in diesem Zimmer irgendetwas gab, dann musste ich nicht suchen. Man würde es mir zeigen. Naruto sowieso, Kuruge hätte es schon vorher bereitgelegt, da sie auch schon vorher wusste, was geschah, ebenso wie sie wusste, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr klar würde denken können.
 

Ich nahm Geldbeutel und Schlüssel und schlich mich aus dem Haus. Alles war dunkel, nur ein Hund bellte. Nur über die Straße und ich stand vor dem Haus, in dem er gelebt hatte. Ja, ich wusste es jetzt. Und die beiden Frauen wussten über mich auch Bescheid. Kushina vielleicht nicht von Anfang an. Aber mittlerweile musste sie es eigentlich wissen. Die Tür war nicht geöffnet, also war Kuruge vielleicht nicht da. Kushina ging lieber auf Nummer Sicher und ließ das Fenster für mich auf. Darauf hätte ich auch früher kommen können. Als hätte sie nach meinem Besuch nicht gemerkt, das es offen war, und geschlossen. Wie jeder normale Mensch. Und ich hatte mir nichts dabei gedacht, dass es angelehnt war.

Ich ging aber davon aus, das sie vermutlich schlief, und war daher so leise wie möglich, als ich durch das Fenster kletterte. Kaum war ich im Zimmer spürte ich ein bekanntes Ziehen auf der Brust. Ich lief langsam durch das Zimmer und achtete darauf, ob das Ziehen stärker oder schwächer wurde. Dabei kam ich mir vor wie ein Kind das Heiß oder Kalt spielt. Also, wirklich, Naruto.

Am stärksten war es vor einem alten Tisch, der vielleicht ein Küchentisch gewesen sein mochte, und mit einem Laken bedeckt war. Unter dem staubigen Laken kamen Schulhefte und Bücher zum Vorschein. Ich blätterte sie durch, bis ich in einem ein Bild fand, das herausfiel. Es war ein Schulfoto, das entweder von Naruto oder von – seiner Mutter? - Kushina gerettet worden war. Auf der Rückseite stand:
 

Kawa no aka to shiro no tsubaki no kami
 

Ist das dein Name? Dein richtiger Name, oder dein Name in der Anderswelt? Er bedeutete frei übersetzt, dass Naru der Herrscher über den Fluss mit den roten und weißen Kamelien war. Sein Göttername eben, ich zog Naruto vor.

Aka ni shiro

Aber es musste einen Grund geben, warum Naruto mich hierher geführt hatte. Na dann...

„Tsubakikami“, flüsterte ich fast schon.

Nichts.

Ich seufzte. War ja klar. Irgendwie. Während ich mich weiter umsehen wollte änderte sich ganz unvermittelt mein Gefühl der Enttäuschung und verwandelte sich in Wut. Hätte ich nicht auf Kushina Rücksicht nehmen müssen, - ich konnte mich nur mühsam beherrschen nicht gegen den Schrank zu treten. Auf jeden Fall hatte ich nicht die geringste Lust noch länger hierzubleiben. Ich ging nach Hause. Enttäuscht, wütend, und einsam.
 

Am besten gleich ins Bett, dachte ich. Ich holte das verdammte Buch aus meinem Schlafanzugoberteil, besser gesagt, ich wollte es herausholen, als mir unverkennbar mein Mal ins Auge stach.

Es war nicht mehr weiß, es war rot.
 

Ich sah aus dem Fenster. Betrachtete den Mond. Dann wie es grau wurde, den Sonnenaufgang. Es war einfach unmöglich zu schlafen, ich konnte nicht mal normal denken. Was eine rote Kamelie bedeutete, wusste ich ja. Wie viel Zeit blieb mir noch? Ich hatte einen Gott beleidigt allein durch mein Gefühl? Dabei war ich doch nur ein Mensch, da durfte es ja wohl mal erlaubt sein...anscheinend nicht.
 

Meine Mutter wollte mich erst gar nicht zur Schule gehen lassen. Sie sagte, ich sähe aus wie ein Geist. Ich erschrak bis in die Knochen und rannte zum Spiegel. Nein, ich sah so aus, als hätte ich nicht geschlafen, und das hatte ich ja auch nicht. Zur Sicherheit piekste ich mir mit einer Rasierklinge in den Handrücken. Schmerz und Blut. Ich war definitiv weder tot noch ein Zombie. Hatten alle anderen recht gehabt, mich nur schützen wollen, und ich hatte mein Vertrauen, ja meine Liebe in den Falschen gesetzt?

Wie in Trance drehte ich den Kaltwasserhahn auf und hielt meinen Kopf darunter. Viel half es nicht. So fühlte sich vielleicht ein zum Tode Verurteilter. Ich konnte nicht mal sagen, was mir am meisten zusetzte. Zu sterben an sich, oder das Nichtwissen wann und wie, nur dass es wohl demnächst passieren würde, oder das Warum.

Vielleicht sollte ich auch ein Tagebuch hinterlassen, überlegte ich. Eines, in der die Wahrheit stand.

Ich nahm das Handtuch und trocknete mich ab. Dann ging ich zurück in mein Zimmer. Viel Zeit war nicht mehr vor Schulbeginn, aber – egal. Das Buch hatte ich jetzt nicht mehr bei mir getragen, sondern es einfach in meine Schreibtischschublade gelegt. Jetzt holte ich es heraus, nahm einen Stift und wollte dort weitermachen, solange es ging, wo Naruto aufgehört hatte.
 

„Sasuke, wir fahren in zwanzig Minuten. Du hast noch nicht gefrühstückt.“

Arme unwissende Mutter.

Ich schlug das Buch auf der letzten Seite auf. Was sollte ich schreiben? Von Anfang an am besten.
 

Wir sind vor kurzem hierher gezogen, als ich in meiner neuen Schule dieses Tagebuch fand. Es zog mich in eine Art Bann, dem ich trotz Warnungen von allen Seiten nicht widerstehen konnte. Weil – ja weil – weil was? Es gab mir etwas, was ich einfach nicht beschreiben kann. Egal, wie gesagt schlug ich sämtliche Warnungen in den Wind.
 

„Sasuke, komm endlich frühstücken.“

Sie würde sicher traurig sein. Darum sagte ich so ruhig wie möglich: „Ich komme gleich Mutter, ich ziehe mich um.“

„Ach so, in Ordnung mein Schatz.“

Ich sollte mich vielleicht entschuldigen, weil ich so dumm war, dachte ich und wandte mich wieder dem Buch zu. Und stockte. Das – hatte ich nicht geschrieben.
 

Du hast meinen Namen gerufen, ich rufe auch deinen. Sasuke Uchiha. Die Verbindung wurde dadurch verstärkt. Namen haben eine größere Bedeutung, als du ahnst. Und nun – willst du dich von mir abwenden? Mit einem solchen Grund? Das ist traurig. Aber wenn du gehen willst, dann geh. Nicht du stirbst. Jemand aus der Nähe. Ich weine für dich.
 

Es war meine Handschrift. Sogar der Platz stimmte, den ich zum Schreiben gebraucht hatte, ja sogar die Anzahl der Wörter. Nur – das hab ich nicht geschrieben. Wurde ich etwa verrückt? Moment mal, ganz ruhig Sasuke.

Ich las es nochmal in Ruhe durch. War das von Naruto? Ich hatte seinen Namen gerufen, ja. Und er wusste, wer starb oder sterben würde. War das Mal deswegen rot? Jemand aus der Nähe, nicht ich. Mein Herz schlug vor Angst schneller. Am liebsten hätte ich geschrien, bleibt alle zuhause, niemand geht raus. Schließlich stand da ich weine für dich.

Wie in Zeitlupe zog ich mich an, Hunger hatte ich keinen mehr. Was würde wohl passieren, ein Autounfall?
 

„Ähm. Mama, ich kann auch alleine zur Schule, kein Problem.“

„Unsinn, ich fahr dich kurz hin, es ist kein Umweg. Ich muss ohnehin in deine Richtung.“

„Bleib doch zuhause. Du siehst nicht gut aus.“

„Oh, vielen Dank auch.“

„Und du Itachi?“

„Was meinst du?“ fragte mein Bruder.

„Was machst du heute?“

„Nun, ich muss heute mein Referat halten, ansonsten – mal sehen. Ich habe noch keine konkreten Pläne. Vielleicht begleite ich euch zum Schrein.“

„Gute Idee“, rief ich. „Da kannst du beten.“

Mutter und Itachi sahen zuerst mich seltsam an, dann wechselten sie einen merkwürdigen Blick untereinander.

„Ah, tut mir leid. Ich, es ist nur so ich habe schlecht geschlafen. Ich hatte einen Albtraum. Ja, genau, einen Albtraum.“

„Schon wieder.“

„Ja, es ist immer der Gleiche, also vielleicht bedeutet er was.“

„So?“ Itachi sah mich erwartungsvoll an.

„Ein Unfall, bei dem einem von euch etwas passiert. Und heute, da war er besonders intensiv.“

„Ah, verstehe, das belastet dich also,“ Mutter legte mir die Hand auf die Schulter. „Das war nur ein Traum, Sasuke.“

Wenn es nur so wäre.

„Ich habe beim Aufwachen sogar eine Stimme gehört. Sie sagte, ich weine für dich.“

„Aber das ist doch nett.“

„Was geht?“

Wie sollte ich ihnen nur klar machen, in welcher Gefahr sie schwebten.

„Nun, wenn jemand für dich weint, du selbst kannst deine Gefühle ja so schwer ausdrücken. Vielleicht – weint dieser Jemand nicht nur für dich, sondern sogar um dich.“

Itachi nickte zustimmend.

„Da – habt ihr recht,“ stammelte ich. Naruto, es war doch Naruto?, ja ganz sicher. Er hatte nicht geschrieben, er weint mit mir, oder um mich oder gar wegen mir, sondern für mich. Und mir war tatsächlich die ganze Zeit zum Weinen zumute gewesen. Also – bedeutete es einfach, er weint für mich. Weil ich es nicht getan hatte. Das musste ich testen.

Ich rannte nach oben, Buch auf den Tisch, Stift her. Vor lauter Nervosität fiel er mir sogar auf den Boden.
 

Stirbt jemand aus meiner Familie? Hilf mir!
 

schrieb ich verzweifelt unter den letzten Eintrag.

Kaum hatte ich den Stift weggelegt, sah ich Unglaubliches, aber trotzdem war es faszinierend. Die Buchstaben änderten ihre Reihenfolge, manche veränderten sogar ihre Form.
 

Nein auf alle deine Fragen. Sieh selbst!
 

Kaum hatte ich den Satz gelesen, spürte ich wieder ein Ziehen. Die Kamelie war wieder weiß.
 

Ja, ich verstehe, jemand ist gestorben. Aber warum ist sie jetzt wieder weiß?
 

Die Seele ist angekommen. Es wurde Platz für neues Leben geschaffen. Ein Seelentausch.

Narutos Geschichte

Endlich. Endlich kann ich Kontakt zu dir aufnehmen, mit dir kommunizieren. Ich hab...

Ohne es zu wollen, wurde mein Körper von Wellen des Glücks durchflutet und fing unkontrolliert an zu zittern.

Das hier war viel besser, als Kakashis dummer Gesichtsausdruck, wenn meine Mutter nach der Schule ins Büro geschneit wäre, und auf den ich mich schon gefreut hatte. Sehr viel besser. Ich konnte jetzt unmöglich zur Schule gehen.
 

Naruto, endlich habe ich eine Möglichkeit gefunden, mich mit dir zu unterhalten. Zu schreiben. Du hast gar keine Ahnung wie sehr ich mir das gewünscht habe. Eigentlich merke ich erst jetzt, wie sehr. Verzeih meinen Ärger.
 

Das sehe ich. Deine Kamelie hat endlich angefangen zu blühen, sie ist schöner als alle anderen, schöner als je eine zuvor, die ich gesehen habe. Die Kraft unserer Bindung wird noch viel mehr. Sehr viel stärker.
 

„Sasuke?“

Mutter kam in mein Zimmer. Kaum sah sie mich, beeilte sie sich zu mir zu kommen und drängte mich ins Bett zu gehen.

„Tut mir leid, wegen dem was ich da unten so gesagt habe, bin krank. Fieber.“

„O je, mein armer Schatz, kann ich etwas für dich tun? Ich rufe sofort einen Arzt.“

„Nein, nein, bloß keinen Arzt, bitte. Ich muss nur schlafen. Dann bin ich wieder fit.“

„Hm. Na gut. Aber wenn es dir nicht besser geht, rufe ich einen Arzt, einverstanden?“

„Okay.“

Nachdenklich sah sie mich an. „Hat das irgendetwas mit deinem Traum zu tun?“

„Ja, ein Fiebertraum. Nichts weiter.“

„Aber du sagtest, du hattest ihn öfters?“

„Ja genau. Immer wenn ich krank werde. Ich kenn das schon. Ein bisschen Schlaf und ich fühle mich wieder wie neugeboren.“ Wobei, wie fühlen sich Neugeborene eigentlich? Sie werden wahrscheinlich nicht vor Glück schreien?! Was denke ich da überhaupt.

„Alles okay, Mutter.“ Ich zwang mich zu lächeln.

„Na ja. Dann sage ich in der Schule Bescheid.“

Ich nickte. Endlich, wenn auch ziemlich zögerlich ging sie.

Ja, ich musste schlafen. Immerhin wollte ich ja noch zu diesem Schrein. Im Augenblick allerdings war ich viel zu aufgeregt.

Ich nahm das Buch und legte mich aufs Bett. Kurz sah ich mir das Geschriebene an. Meine Handschrift, Narutos Worte. Sollte jemand das lesen würde er keine Ahnung haben, um was es ging. Ob es auch umgekehrt ging? Konnte Naruto mich anschreiben, sozusagen. Ich sah zum Schreibtisch wo der Stift lag. Mmh, nochmal aufstehen? Später. Jetzt, wo die Anspannung abfiel, und ich bequem in meinem Bett lag, merkte ich wie müde ich war.

Meine letzten Gedanken waren, ob mit in deiner Nähe jemand gemeint war, der mir nahestand, oder jemand in räumlicher Nähe. Aber wie auch immer. Derjenige war bereits tot. Und ansonsten – war keiner in meiner Nähe dem Tod nahe. Zumindest nicht im Moment.
 

Ungefähr zwei Stunden später war ich wieder wach. Ich hatte geschlafen wie ein Stein. Leider war ich nicht in dieser Steinhöhle gewesen. Es lag wohl in der Natur des Menschen immer mehr zu wollen. Aber ich war mir ganz sicher, auch wenn ich Naruto wirklich gern getroffen hätte, dass ich bald wieder dort landen würde. Er hatte ja selbst so etwas angedeutet.

Ob ich nochmal schlafen sollte? Ich überlegte kurz, ihn zu bitten mich im Traum zu sich zu holen, aber dann blieb ich doch liegen.
 

Ich setzte mich neben mein Ebenbild auf den Altar. Zuerst mussten wir die Zustimmung der Götter bekommen und noch wichtiger, das sie uns wohlgesonnen waren. Die Zeremonie dauerte lange und war extrem kompliziert. Die gesamte Höhle wurde gereinigt von allem was nicht gut war, von hochentwickelten Menschen. Als sie fertig waren verbeugten sie sich so tief vor mir, das ich schon Angst hatte, sie würden vornüber kippen. Aber ich durfte ja nicht reden. Ich stand auf, verbeugte mich auch und folgte ihnen dann in den Raum, in dem ich selbst gereinigt wurde.

Danach hüllten sie mich in das gleiche Gewand wie meinen Doppelgänger und verbrannten symbolisch meine menschliche Kleidung. In ihrer Mitte ging ich zurück während die, die ganz außen liefen, Zweige mit heiligem Wasser in alle Richtungen schwenkten, so dass die Tropfen des Weihwassers jeden Winkel erreichen konnten. Das die Reinigung wirklich gelungen war, konnte ich daran erkennen, das sich Wesen näherten, die hier lebten. Feen, Elfen, Einhörner, heilige Drachen und viele mehr, die so klein und leuchtend wie Glühwürmchen waren. Alle waren noch ziemlich scheu und beobachteten mich aus sicherer Entfernung.

Ich setzte mich wieder auf den Altar.

Jetzt waren die Priester und Priesterinnen an der Reihe. Ihre Aufgabe war es, den Göttern Respekt zu zollen und mich in ihre Reihen einzuführen. Es war schon möglich, das sie mich nicht akzeptieren würden. Anders als die Wesen die ihre Heimat hier gefunden hatten, gab es auch Götter die ziemlich unfreundlich waren, milde ausgedrückt. Ich konnte nur hoffen, dass mich keiner von denen für unwürdig hielt und mir den Kopf abschlagen würde. Mein anderes Ich, das meine wachsende Furcht und Nervosität spürte, nahm meine Hand. Er saugte meine Angst auf wie ein Schwamm. Dankbar lächelte ich ihm zu. Es stimmte. Die Gottheiten, die sich versammeln würden, konnte man nicht täuschen und Angst zu zeigen oder zu haben, war nicht eben das, was sie sehen wollten, bei mir. Dem Neuen.

Zeit hatte hier keine Bedeutung. Irgendwann fingen die Götterstatuen an zu leuchten und stiegen schließlich von ihren Sockeln herab. Sie bewegten sich ruckartig in meine Richtung, und sahen mich nur an, aber ich wusste, sie scannten praktisch meine komplette Seele. Auch mein Leben als Mensch. Endlich trat eine Göttin vor und ich wusste um meine Aufgabe, was zu tun war, und wie wichtig es war. Ich stand auf, legte die Hand auf mein Herz, senkte den Kopf und ließ mich auf mein linkes Knie nieder.

Ja, ich wollte die Aufgabe annehmen und erfüllen. Um jeden Preis. Jetzt wo ich wusste, wie wichtig es für die ganze Welt war.

Sie schickten ihr Licht in meinen Körper. Soviel Kraft, mit der ich gar nicht gerechnet hatte. Einer nach dem anderen. Bei manchen war es sehr schlimm, ich musste mich sogar beherrschen nicht zu schreien vor Schmerzen, wenn mir die Kraft eines Gottes gegeben wurde, der zu Lebzeiten bei lebendigem Leibe gevierteilt wurde, weil man ihn für einen Zauberer oder eine Hexe hielt. Oder bei jenen, die auf den Scheiterhaufen verbrannt wurden. Zwar bekam ich die Folter nicht mit, die vermutlich vorausgegangen war, aber ich fühlte den Schmerz, wenn das Holz vom Reisig so erhitzt wurde, das es glühte und die Füße verbrannte. Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Viel schlimmer. Als die nächste Göttin kam, hätte ich am liebsten geschrien, nein, bitte nicht und wäre davongelaufen. Aber ihr Tod war so friedvoll und warm, das es mich den Schmerz fast vergessen ließ, den ich vorher erlebt hatte.

Gegen jede Kraft, die einer der Götter entschieden hatte, sie mir zu geben, musste ich im Austausch seine letzten Stunden miterleben. Aber so ist nun mal das Gesetz. Geben und Nehmen.

Mein Doppelgänger half mir auf, ich wäre von alleine nicht dazu imstande gewesen. Aber er durfte mich anfassen, schließlich war er ein Teil von mir.

Die Gottheiten machten sich auf den Weg zurück, stellten sich auf ihre Sockel und das Leuchten verschwand. Sie hatten mich akzeptiert und waren endlich gegangen.

Stille herrschte. Ich konnte mir Zeit lassen, um mich zu erholen.

Dann nickte ich meinen Untertanen zu. Eine Priesterin trat nach vorne.

„Es wird Zeit tsubaki-shin.“

Ja. Ich zog mein Ebenbild, das aus Lehm entstanden war zu mir heran, und küsste ihn, um ihm mein restliches Leben einzuhauchen. Er würde zurück zu den Menschen gehen, als mein angeblich echtes Ich, bis das Leben das ich ihm gegeben hatte, verbraucht war. Das würde nicht lange dauern, schließlich war er kein lebendes Ding. Und dann...wäre ich kein Gott ich hätte gelacht bei der Vorstellung, wie die anderen auf ihn reagieren.

Mein Tagebuch und meinen Schlüssel brauchte ich nicht mehr, also...

Noch einmal zog ich ihn zu mir heran und flüsterte ihm ins Ohr: „Versteck das, du kennst den Ort, keiner der sich dort hinsetzt wird bleiben, weil er sich zu unwohl fühlt, und bleibt er, dann wird er krank, außer einem.“

Ich steckte ihm mein Buch samt Schlüssel in die Tasche seines Umhanges.

Es stimmt schon, aus irgendwelchen menschlichen Gefühlen heraus, hatte ich meinen ehemaligen Platz in der Schule geschützt, aber – wenn Kurage recht hatte, wenn es möglich sein sollte, das es wirklich einen Menschen gab...ich berührte die Stirn des anderen Naruto und ließ es ihn sehen.

Damals, im heiligen Land, vor dem Gefäß das die Menschen schon so lange und verzweifelt suchten, hatte ich gestanden, um den Schlüssel zu erhalten, aber auch um die Prophezeiung – mein Schicksal zu erfahren. Natürlich kannte ich mein Schicksal, aber ich war neugierig und voller Hoffnung, das es jemanden geben würde. Und wenn es so war, war der Schlüssel der Schlüssel dafür. Ich hatte mein Blut hinein tropfen lassen, es fing an zu dampfen und zu kochen und der Schlüssel flog innerhalb weniger Sekunden wieder heraus.

Ich bückte mich, um ihn aufzuheben und auch wenn ich die Sprache nicht kannte, wusste ich, was dort stand. Vielleicht gab es wirklich irgendwann mal jemand, der geboren wurde um mich zu lieben. In einem Jahr vielleicht. Oder auch erst in tausend.

Mein Doppelgänger umarmte mich, stand auf und ging.

Er hielt immerhin fast neun ganze Wochen durch, bevor er anfing langsam zu zerbröckeln. Bis er gänzlich zurück zu dem fiel, aus dem er erschaffen worden war. Zu Erde. Man verscharrte ihn einfach. Es schmerzte. Immerhin dachten sie ja, ich wäre es. Das Verhalten der Leute brach meiner Mutter das Herz. Obwohl Hansuki sich liebevoll um sie kümmerte, starb sie kurz danach. Und wurde verbrannt, mein oder besser das Grab meines Lehmdoppelgängers sollte ausgegraben werden, weil man sie zu mir legen wollte. Das war das erste und einzigste Mal das ich ausgerastet bin. Und die Kamelien die an mir vorbei schwammen rot färbte. Ich weiß, das war nicht richtig, ich hätte es Hansuki und Kuruge überlassen sollen. Sie hätten sicher einen Weg gefunden, für eine angebrachte Beerdigung. Es hatte im Endeffekt nichts Gutes zur Folge. Die Leute sprachen vom Narutofluch, von der Bestie. Dem Tier. Und Kuruge verlor sogar den Verstand, und hielt meine Schwester für meine Mutter. Hansuki hielt sich ebenfalls für meine Mutter, als sei sie von Kuruge besessen und änderte in ihrer Verzweiflung sogar unseren Nachnamen.
 

Ich ließ mich zurückfallen in meine Kissen. Die Heiligen waren früher Menschen? Und, als die Kinder ihre Spiele spielten und dabei diesen unmenschlichen Reim sangen, war es weder der echte Naruto noch sein Doppelgänger gewesen, dem ich begegnet war. Es war vermutlich – eine Erinnerung, die nur ich sehen konnte. Logisch, er hatte diesen Schutz soviel ich wusste auch erst ähm gemacht nachdem er nicht mehr zur Schule ging. Weil er wütend darüber war, wie seine Sachen behandelt worden waren.

Zusammenfassung

Hi,
 

ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich nochmal für alle Kommentare zu bedanken. Wirklich, ich freue mich jedes mal sehr.

Dann dachte ich mir, auch wenn das Kapitel nicht sonderlich spannend sein wird, zwischendurch mal eine Zusammenfassung aus Sasukes Sicht zu schreiben, um noch einmal alle Fragen zu beantworten, die so aufgetaucht sind, im Laufe der Geschichte. Hoffe, ich habe keine vergessen.
 

and now back to story
 

Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. Langsam schienen die Puzzlestückchen endlich zusammen zu passen.

Narutos Vater war ein Kami. Mehr wusste ich eigentlich nicht über ihn. Aber Naruto sollte in seine Fußstapfen treten, na gut. Dann konnte man vielleicht davon ausgehen, dass er auch so ein Kameliengott gewesen war. Und Naruto hatte an seinem 16. Geburtstag erfahren, dass er auch einer sein würde. Werden würde. Und anscheinend nicht oder gar keine Ahnung von dem gehabt, was auf ihn zukommen würde. Sein erster Eintrag hatte sich gelesen wie der eines Menschen, der sich infolge einer tödlichen Krankheit stark verändern und nicht mehr er selbst sein würde. Als hätte er erfahren, dass er einen Gehirntumor hatte, oder so was Ähnliches.

Okay, er war in gewisser Weise gestorben, als Mensch und hatte sich verändert. Durch eine Wiedergeburt als Kami. Sein menschliches Leben hatte er dem Lehmnaruto überlassen.

Ähm, zurück zum Anfang. Der Vater, genau. Da er mit Kushina zusammen war, war er sicher ähnlich wie Naruto gewesen, mit anderen Worten, ein normaler Schüler. Und vermutlich hatte auch er an seinem 16. Geburtstag davon erfahren. Möglicherweise hatte er Kushina in der Schule kennengelernt, und weil er sie liebte, war er – zurückgekommen? Aber wie?

Jedenfalls hatten die beiden zwei – falls Hansuki nur eine Halbschwester war – zumindest ein Kind zusammen. Wie auch immer, man kannte ihn.

Ich ging davon aus, das er auch durch einen Lehmdoppelgänger ersetzt worden war. Schließlich hatte ich das gelesen mit der Mensch wurde von Gott aus Erde erschaffen und so weiter. Wäre ich in diese Sache eingeweiht gewesen, ich hätte behauptet, sobald dieser Lehmheini seine Konsistenz verlor und anfing zu bröckeln, er – also der eigentliche Typ den er darstellen sollte, wäre krank. Außerdem hätte ich dem Beerdigungsinstitut gesagt, das der Sargdeckel geschlossen bleiben muss. Sehr wahrscheinlich war auch ein Arzt eingeweiht in dieses Familiengeheimnis, der den Totenschein ausstellte.

Nun, die Leute vom Beerdigungsinstitut hatten sicher nicht mit einer Leiche gerechnet, die nur aus Erde bestand. So schnell wurde man nicht zu Erde. Von den Knochen ganz zu schweigen. Bestimmt waren Gerüchte im Umlauf gewesen. Oder jemand hatte den Deckel heimlich geöffnet, vielleicht eine Mutprobe. Wie auch immer, auch Gerüchte erfüllten ihren Zweck. Das ein oder andere war bestimmt in Umlauf gewesen. Das mit der Familie was nicht stimmt. Vermutlich waren alle drei ausgegrenzt worden. Aber bis jetzt waren das alles nur Spekulationen von mir.

Naruto jedenfalls hatte nicht gewusst, was eigentlich auf ihn zukam. Sonst hätte er nicht so auf die erste Zeremonie reagiert. Er nannte seinen Doppelgänger Puppe, und hatte sogar Angst, sie würde ihn ersticken, mit anderen Worten, man hatte ihn gezwungen.

Ein heiliges Gefäß nach dem die Menschen wie verrückt suchten, das konnte nur der heilige Gral sein. Davon war ich überzeugt. Naruto hatte sein Blut hinein tropfen lassen, und im Gegenzug den Schlüssel erhalten. Also war er wirklich im wahrsten Sinne des Wortes ein Teil von ihm. Genau wie der Doppelgänger. Dazu noch die Inschrift. Die, die ihn betrügen, denen ist er ein Feind, den anderen ein Freund, und dann noch – tja, mich. Der, den er markieren musste. Liebte ich Naruto? Ich kratzte mich am Hinterkopf. Das fand ich etwas – hm – daneben. Unter Liebe hatte ich bisher etwas anderes verstanden, aber auf irgendeine Art und Weise liebte ich ihn schon. Es war aber nicht so, dass wir uns trafen, ausgingen, uns bei den Händen hielten - ja stimmt, ich hatte Naruto bisher nicht ein einziges Mal angefasst - und dergleichen, und davon mal ganz abgesehen, ich war schließlich kein Mädchen. Ah, lass das beiseite. Wo war ich? Der Kelch. Er ging davon aus, dass es jemanden geben würde, der ihm Gesellschaft leistete, weil er ihn liebte. Und das sollte ich sein. Aha. Jetzt war ich wieder an dieser Stelle. Mist.

Der Kelch. Der stand wohl in einem dieser arabischen Länder. Aus dieser Ecke stammten ohnehin alle Propheten. Darum auch die arabischen Schriftzeichen.

Naruto jedenfalls hatte sein Schicksal dann akzeptiert. Und bei der zweiten Zeremonie redete er fast schon freundschaftlich von seinem Double. Klar, das es ihm nicht gefiel, das dieser dann auf ungeweihter Erde verscharrt wurde. Es schmerzte, hatte er geschrieben, auch weil er sich zum Teil mit ihm identifizierte. Oder die anderen dachten, es sei der wirkliche Naruto. Aber das sie ihn an diesem schrecklichen Ort begruben konnte auch wieder nur heißen, dass sie keinen Leichnam, sondern Lehm und Erde sahen. Teufelswerk sozusagen, sie bekamen Angst. Der Gipfel war dann wohl, dass sie seine Mutter im gleichen Loch wie ihn selbst, nein, wie die Lehmfigur begraben wollten. Der Neuling unter den Göttern zeigte sich ziemlich menschlich, drehte durch, und färbte Kamelien rot. Mit anderen Worten, viele starben. Also war er in der Lage zu töten. Richtig, er war kein Shinigami. Die sammelten nur Seelen ein. Naruto war eher zuständig dafür, auf das Gleichgewicht aufzupassen.

Zusammengefasst, Naruto war kein Teufel sondern ein Kami, er war keine Gefahr, sondern verrichtete in dieser anderen Welt oder wo auch immer seine Arbeit, die für uns Menschen von großer Wichtigkeit war, wenn ich auch noch nicht wusste, um was es genau ging, und dafür hatte er sogar seine Freiheit aufgegeben.

Kurage konnte ich mir gut als treu ergebene Dienerin oder sogar Priesterin des Uzumaki-Clans vorstellen, daher hatte es sie so dermaßen hart getroffen. Das Verhalten, der Einwohner. So sehr, dass sie den Verstand verloren hatte. Kein Wunder das sie dort nach Belieben ein und aus gehen konnte. Bei unserem ersten Treffen hatte ich sie auch als verrückte Alte eingestuft.

Hansuki dagegen, verrückt war die nicht. Vielleicht verwirrt. Wie hatte Naruto es beschrieben? Als sei sie von Kurage besessen? Beim Lesen fand ich es übertrieben aber wenn ich genauer darüber nachdachte, wer weiß was so eine Priesterin alles drauf hatte. Und von der Altersschätzung her, auch wenn ich ihr wirkliches Alter noch nicht kannte, lag ich auch nicht so falsch. Allerdings zwischen ihr und Naruto gab es einen ziemlichen Altersunterschied. Vielleicht hatte Kushina, nachdem sie erfahren hatte, das Naruto in die Anderswelt gehen würde sobald er sechzehn war beschlossen, ein zweites Kind zu bekommen.
 

Soweit so gut. Ich nahm die Kette in die Hand, besser gesagt, den Anhänger und schob ihn auseinander. Der Schlüssel zur Anderswelt. Naruto hatte sie so beschrieben, das sie mir schon richtig vertraut vorkam. Als wäre ich selbst die Steinstufen hinabgestiegen und dort gewesen. Ein oder zwei mal war ich in dieser Tropfsteinhöhle gewesen. Allerdings nur im Traum. Oder – Astral. Aber selbst bei einer Astralreise verletzte man sich nicht, oder? Ich hatte mich aber physisch verletzt. War etwa mein gesamter Körper transportiert worden?

Aber ja natürlich. Itachi hatte es mir gesagt. Ich war einfach verschwunden. Und dort wo ich gesessen hatte, lagen Blumen. Das hatte ich komplett vergessen. Dann war es keine Frage mehr, ich war wirklich dort gewesen. Leibhaftig. Und zum Transportieren hatte Naruto seine Kamelien benutzt. Geschlafen hatte ich auch nicht. Er konnte mich jederzeit holen. Wenn er nur wollte.

Unwillkürlich sah ich zum Fenster. Bei Hansuki war es etwas anderes. Keine Ahnung warum, aber sie hatte er nicht geholt. Stattdessen hatte er sie besucht. Ich hatte ihn selbst auf der Mauer gegenüber sitzen sehen. Wieso auch nicht. Wenn er mich in seine Welt holen konnte, warum sollte er nicht umgekehrt hierher kommen können. Hansuki hatte mir selbst gesagt, er käme manchmal zu Besuch. Auch wenn sie von ihrem Sohn gesprochen hatte, war Naruto gemeint gewesen. Und dieses Gästezimmer war sein Zimmer. Obendrein noch die Worte, die er seinem Doppelgänger zugeflüstert hatte. Das nur einer sich auf seinen Platz setzen konnte. Und das war ich. Nicht nur, das ich mich dorthin setzen konnte, ich wollte in der Pause noch nicht mal den Platz verlassen.

Mein Blick fiel auf die fremden Zeichen die so aussahen, als seien sie eingraviert worden. Bist du es der mich liebt, muss ich dich markieren, denn ich will dich nimmer mehr verlieren, wie? Durch die Blume auf meiner Brust würde er mich überall finden. Durch diese Markierung waren wir verbunden, und unsere Bindung würde sich noch verstärken, hatte er gesagt, nein geschrieben. Liebe. Dieses Wort kam immer in Zusammenhang mit mir vor. Eigenartig.

Nun ja. Wenn Naruto in diese Welt wechseln konnte, dann konnte sein Vater es auch. Um zu Kushina zu kommen. Also – worauf wartest du? Naruto.

Ob es umgekehrt war? Hatte sein Vater Kushina geholt? Immerhin musste er diesen seltsamen Blumenfluss im Auge behalten. Vielleicht wusste Hansuki etwas mehr darüber. Ich sollte ihr mal wieder einen Besuch abstatten. Wie unter Nachbarn so üblich. Eine solide und soziale Grundlage für Freundschaft, besonders galt das doch für Nachbarn. Letztendlich konnte Hansuki gar nicht so verwirrt oder gar verrückt sein, sonst hätte man ihr nicht den Führerschein gelassen. Das er das Bedürfnis hatte, seine Schwester zu sehen, war ja nachvollziehbar. Nur wie viel konnte ich ihr sagen, ohne sie zu erschrecken? Es war ja doch eher so, dass sie für Naruto das Fenster aufgelassen hatte, nicht für mich. Und wenn er durchs Fenster steigen musste, anstatt durch Wände und Türen zu gehen – war er wirklich da. Kein Geist und kein Doppelgänger. Er selbst.

Ich sah mich im Zimmer um. Menschen, die sich selber belogen, mochte ich nicht. Der Grund für die ganzen Blumen war doch einzig und allein der, das ich wollte, er würde kommen.

Unterstützung/Öffnen des Schreins

Ja, ich wollte in seiner Nähe sein. Warum auch immer.

Eine halbe Stunde später klingelte ich bei Hansuki und hoffte, dass nicht Kuruge da war, sondern sie selbst. Gleich darauf hörte ich beschwingte Schritte und die Haustür wurde geöffnet. Ja, es war Hansuki. Aber irgendetwas an ihr war anders. Ich konnte nicht definieren, was es war und registrierte nebenbei, dass sie ein schlichtes schwarzes Kleid trug. Unsicher fragte ich: „Ähm, kennen sie mich noch. Ich bin...“

„Natürlich“, sie lächelte mich erfrischend an. „Komm doch rein.“

Resolut ging sie vor mir Richtung Wohnzimmer, während sie mir mitteilte, dass sie leider nicht viel Zeit hatte, da jemand aus ihrem Bekanntenkreis gestorben sei.

Mit anderen Worten wohl kein guter Zeitpunkt.

Sie deutete mit der Hand auf einen Sessel und setzte sich mir gegenüber.

Gerade als ich ansetzen wollte mein Beileid und die sonst so üblichen Phrasen auszusprechen, stockte ich. Ihre Augen leuchteten klar und aufmerksam, sogar neugierig, fast wie bei einem kleinen Kind. Genau. Das war anders.

„Kuruge ist gestorben“, erklärte sie ohne weiteres Aufhebens zu machen und beugte sich vor.

„Lass es mich sehen. Er hat dich markiert, nicht wahr? Ich möchte es sehen, bitte.“

Jede Menge Gedanken schossen mir durch den Kopf. Also war Kuruge die Person, die gestorben war. Jemand aus meiner Nähe, jemand den ich kannte. Und dann die Besessenheit, also war Hansuki nun frei?

Langsam knöpfte ich mein Hemd auf.

Hansukis Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie schien irgendwie erleichtert zu sein, und als sie sich wieder zurücklehnte sah sie sogar richtig glücklich aus.

„Sind sie – Narutos Schwester?“

Überrascht sah sie mich an.

„Nun, ich dachte, vielleicht wollte Kushina ein zweites Kind nachdem sie erfahren hatte, dass Naruto – nun ja...

Hansuki schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin eine Verwandte. Meine Eltern starben früh, und Kushina nahm mich bei sich auf. Sie war nicht meine leibliche Mutter,“ erklärte Hansuki lächelnd. „Nebenbei, möglicherweise versteht ein junger Mann wie du es nicht, aber ich glaube nicht, dass man einer Mutter einen Ersatz für ein Kind geben könnte.“

Obwohl sie mich freundlich anlächelte fühlte ich mich irgendwie – dumm. „Ja. Ja, natürlich nicht.“

„Kuruge, hm – nun ja, sie hat den Tod Kushinas nicht verkraftet?“

Hansuki sah etwas bedrückt zu Boden. „Dies und anderes.“

Damit meinte sie wohl den Platz wo sie beerdigt wurde, oder werden sollte.

„Und sie waren von ihr besessen?“

„In gewisser Weise. Sie tat es nicht bewusst. Kuruge liebte und verehrte Kushina sehr. Als – das geschah damals versuchte ihr Geist irgendwie sich selbst zu retten, glaube ich. Um nicht ganz in Dunkelheit zu versinken...“ Hansukis Stimme war immer leiser geworden. Ich verstand nicht genau was sie meinte, aber es war sicher nicht einfach gewesen für sie. Trotzdem machte sie Kuruge keine Vorwürfe, im Gegenteil sie zeigte Verständnis und verteidigte sie schon fast. Dann hatte ich schon gar nicht das Recht, etwas gegen Kuruge zu sagen.

„Es gab immer wieder Phasen, in denen mein Geist klar war.“

„Wenn Naruto sie besucht hat?“ fragte ich aufgeregt.

Hansuki sah auf. Ihre Augen funkelten irgendwie belustigt. „Nein, das hatte damit nichts zu tun.“

„Oh.“

Ich war mit vielen Fragen gekommen, im Moment fiel mir keine mehr ein. Wenigstens wusste ich nun, wer gestorben war, als die Blume auf meiner Brust rot war, und – egal wie ich zu Kuruge stand, ich war froh, dass Hansuki nicht mehr verwirrt, besessen oder was auch immer war. Ich hatte sogar noch mehr erfahren. Es stimmte, dass Naruto sie besuchte. Und sie wusste von der Markierung, der erste Mensch hier, mit dem ich offen reden konnte. Ohne es verhindern zu können entfuhr mir ein erleichterter Seufzer.

Hansuki reagierte nicht darauf, ich sah sie an.

Ihr Blick war irgendwie aufgeregt. Was – wurde eigentlich von mir erwartet?

Reiß dich zusammen, Sasuke. „Ich möchte Naruto sehen. Weißt du, wissen sie, wann er kommt?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Hm.“ Das war enttäuschend.

Nachdenklich sah sie zur Decke. „Bevor er kommt, verändern sich die Kameliensträuche im Garten.“

„Verändern? Wie?“

„Ich weiß nicht, ob es auch andere sehen können, aber sie fangen an zu strahlen und – vielleicht ist es nur Einbildung, aber manchmal glaubte ich, kleine Wesen zu sehen, mit Flügeln.“

„Äh, wie?“

„Es klingt verrückt, ich weiß. Ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Kleine Wesen, kleiner als die Blumen selbst, flogen hin und her.“

„Insekten? Vielleicht Bienen?“

Hansuki schüttelte den Kopf. „Ihre Flügel waren durchsichtig, aber sie schimmerten in einem Blau. Die Form war so ähnlich wie bei Schmetterlingen. Wenn ich sie gesehen habe, dann wusste ich – er kommt.“

Ich drückte mich unwillkürlich in den Sessel. Vielleicht war sie doch nicht so normal, wie ich gedacht hatte.

„Aber genug von mir“, begeistert sah sie mich an.

Ich versuchte mich noch tiefer in den Sessel zu drücken, leider vergeblich.

„Du willst ihn sehen, oder?“

„Er ist hier?“

Hansuki schüttelte den Kopf. „Du hast doch den Schlüssel“, meinte sie und zeigte auf meine Brust.

Unwillkürlich griff ich nach der Kette.

„Ich werde dich zum Schrein begleiten. Es ist ein heiliger Ort. Darum musst du dich zuvor reinigen.“

„Aber ich bin doch sauber.“

Hansuki schüttelte den Kopf. „Eine Dusche reicht da nicht.“

„Ein Bad?“

Sie fing an zu lachen. Anscheinend hatte ich irgendetwas komisches gesagt.

„Es ist in Ordnung, wenn du zum Schrein gehst so wie du bist. Die Reinigung erfolgt dort.“

Mir wurde mulmig zumute. Bedeutete das möglicherweise, ich würde auch durch einen Doppelgänger ersetzt und konnte nicht mehr zurück?

„Ich – also – ich weiß nicht, ob ich bereit bin.“

Hansuki legte den Kopf schief. „Niemand will dir etwas Böses, Sasuke Uchiha. Aber wenn du Zweifel hast, ist es sinnlos das Tor zu öffnen.“

„Es – also...“, warum stotterte ich wie ein Idiot herum. Das war doch sonst nicht meine Art. „Ich möchte ihn sehen. Bedeutet das für mich, das ich nicht mehr zurück kann? Meine Eltern und mein Bruder...“, begann ich wurde aber unterbrochen.

„Du kannst natürlich zurück. Du wirst nicht zu einem Teil der Anderswelt, nur weil du ihn besuchst. Naruto wird auch kein Teil mehr dieser Welt werden. Nie mehr.“

Hansuki nickte mir zu. „Wenn du dich bereit fühlst, komm zu mir, sobald es dunkel ist. Aber nur dann, wenn du es wirklich willst. Du musst dich nicht gezwungen fühlen. Oder selbst unter Druck setzen. Lass dir Zeit. Und – wenn du nicht willst, ist es auch in Ordnung. Glaub mir.“

Ich hatte keine Ahnung warum, aber ein warmes Gefühl machte sich in mir breit. Hier war nichts Böses. Und obwohl ich sonst eher misstrauisch war, fühlte ich mich zu ihr hingezogen. Ich glaubte ihr jedes Wort. Als würde sie meine Gedanken lesen, lächelte sie mir verständnisvoll zu.

Ein paar Minuten saßen wir so. Ich genoss einfach dieses Gefühl der Vertrautheit. Dann wurde mir klar, dass es Hansuki sicher auch so ging wie mir.

„Darf ich nochmal sein Zimmer sehen?“

Sie nickte.

Ich stand auf und ging in sein Zimmer. Narutos Zimmer, hier hatte er gelebt. Vielleicht war es nicht sonderlich nett, aber ich wollte hier alleine sein. Wenigstens einen Moment lang, also schloss ich die Tür hinter mir und setzte mich auf sein Bett. Ein muffiger Geruch stach mir in die Nase. Wie von alten Möbeln eben. Gepaart mit dem Duft von Blumen. Eine eher unangenehme Sache. Wie bei jemandem, der sich anstatt zu baden mit Parfüm besprühte. Keine Ahnung, wie lange ich auf seinem Bett saß. Aber mir wurde immer mehr bewusst, dass ich ihn treffen wollte. Ich hatte ihn zwar schon getroffen, aber diesmal wollte ich es von mir aus. Ich wollte nicht geholt werden. Sondern aus freien Stücken zu ihm gehen.

Das Videogerät lag noch dort, wo ich es hatte liegen lassen. Ich stand auf und ging hin. Auf diesem Band würde ich keinen Geist sehen. Solche Geräte waren nicht für Dämonen und Götter. Nur für Menschen.
 

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Nachdem ich mich ein wenig in seinem Zimmer umgesehen hatte, störte mich der Geruch nicht mehr. Ich ließ mich rücklings auf sein Bett fallen, das mit einem lauten Quietschen antwortete und sah zur Decke.

Das ich unsicher war, weil ich keine Ahnung hatte, was auf mich zukommen würde war normal. Kein Grund mich zu schämen. Mein ganzes bisheriges Streben war darauf ausgerichtet gewesen, mich mit Naruto zu treffen. Ihn zu sehen. Und nur wegen diesem Gefühl jetzt plötzlich auf halbem Wege umzudrehen und zu kneifen, das wäre dann schon ein Grund zum schämen. Er wäre garantiert enttäuscht von mir und noch schlimmer, ich ebenso. Ich musste dorthin, um jeden Preis denn wenn ich es nicht tat, würde ich es den Rest meines Lebens bereuen, das war mir absolut klar. Es gab keinen besseren Zeitpunkt als heute Nacht.

Ich hatte ohnehin vorgehabt heute dort hinzugehen, notgedrungen mit meiner Mutter und – wenn es ganz übel lief, sogar mit einem oder beiden Mädchen. Wie sollte ich in dieser Gesellschaft etwas anderes erreichen, als dämlich vor dem Schrein zu stehen? Die konnte ich ja schlecht mitnehmen, vielleicht würde man uns nicht mal hineinlassen, nein das konnte ich wirklich vergessen, was hatte ich mir überhaupt dabei gedacht?

Ich schloss die Augen, um besser nachzudenken. Aber trotz geschlossener Augen hatte ich das Bild seines Zimmers immer noch vor mir. Mit geschlossenen Lidern sah ich mich um. Ich entdeckte in einer Ecke eine Jacke, die mir vorher nicht aufgefallen war. Als ich die Augen öffnete, um zu überprüfen, ob es Einbildung war oder nicht, konnte ich die Jacke immer noch sehen. Von der Größe her mochte sie ihm mit 16 Jahren gepasst haben.

Praktisch.

Ich schloss wieder die Augen. Es war irgendwie lustig auf diese Art zu sehen. Nach einer Weile wurde der Raum heller, freundlicher. Vermutlich hatte ich mich daran gewöhnt. Die Möbel waren zwar nach wie vor altmodisch, kamen mir jetzt aber irgendwie neuer vor. Weniger benutzt. Als ich zum Schreibtisch sah, entdeckte ich das Tagebuch. Aber – gleichzeitig spürte ich es auch auf meinem Bauch. Zwei Tagebücher? Ich wagte diesmal nicht, die Augen zu öffnen, aus Angst, dass es dann verschwunden sein würde. Die Tür wurde aufgerissen und herein kam – Naruto. Er musste es einfach sein. Vor Schreck hielt ich die Luft an. Kam er zu Besuch? War er überhaupt damit einverstanden, dass ich hier war? Er beachtete mich überhaupt nicht, sondern ging verstimmt an mir vorbei zu seinem Kleiderschrank. Dort bückte er sich und zog die untersten Schubladen viel zu schwungvoll auf, als man es normalerweise tun würde. Mit einer Hand griff er hinein und warf die Unterwäsche die er in der Hand hielt hinter sich zu Boden, das Ganze machte er noch dreimal dann stand er auf und trat die Schublade mit dem linken Fuß zu. Ja, kein Zweifel. Er war verärgert. Aber warum? Fand er seine Lieblingsshorts nicht, oder was? Ich öffnete die Augen und setzte mich auf.

Das Zimmer sah wieder so aus, wie zuvor, von Naruto keine Spur. Wieder eine Erinnerung?

Es klopfte und Hansuki öffnete die Tür einen Spaltbreit. „Ich muss jetzt gehen“, meinte sie fast schon entschuldigend.

„Naruto, - er war ziemlich temperamentvoll, oder?“

Überrascht sah sie mich einen Augenblick an, dann lachte sie. „O ja, das kann man wohl sagen.“

Ob es vielleicht angebracht war, dass ich auch zur Beerdigung ging? Na ja, keiner hatte mich eingeladen und gefragt hatte auch niemand.

Ich stand auf. Hansuki begleitete mich zur Tür. Sie griff neben mir vorbei um sie zu öffnen, aber ich stand vor der Tür ohne zur Seite zu weichen.

„Ist es in Ordnung, wenn ich heute Nacht komme?“

„Das ist mehr als in Ordnung.“

Ich machte Platz, damit sie die Tür öffnen konnte und ging als Erster hinaus. Ohne mich nach ihr umzudrehen ging ich über die Straße und in unser Haus.
 

Viertel nach Elf stand ich vor meinem Kleiderschrank. Meine Eltern waren zwar schon früh zu Bett gegangen, wie immer, mein Bruder war ausgegangen, aber Mitternacht schien mir eine passende Zeit zu sein. Vielleicht hatte ich auch nur eine dramatische Ader, von der ich bisher noch nichts gewusst hatte.

Ratlos betrachtete ich meine Kleidung. Ich wollte nicht in Jeans auftauchen, lieber in einer Robe oder einem Umhang. Nur – ich hatte keinen. Zum ersten Mal in meinem Leben bedauerte ich, dass ich keine Schwester hatte. Moment mal, ich hatte schließlich eine Mutter. Ich wusste, sie hatte ein Nachthemd aus Seide mit passendem Mantel dazu. Ebenfalls aus Seide. Zwecklos, sie würde sicher aufwachen, wenn ich in ihr Schlafzimmer ging, und danach suchen würde, oder noch schlimmer, mein Bruder kam grade dann nach Hause, wenn ich in diesem Aufzug das Haus verlassen wollte.

Ich seufzte. Zeitverschwendung. Dann musste es eben so gehen. Unzufrieden griff ich nach einer Sommerhose und einem T-Shirt. Ob Naruto es wusste? Weißt du es? Das ich zu dir komme?

Kurz darauf lief ich neben Hansuki aus der kleinen Stadt, über die Hügel auf den Wald zu. Zu meiner Erleichterung hatte sie auch gewöhnliche Alltagskleidung an. Aber war es wirklich in Ordnung in dieser Aufmachung einem Kami einen Besuch abzustatten?
 

Der Schrein sah aus, als würde er jeden Moment zusammenfallen. Ich befürchtete, dass er genau das tun würde, sobald ich versuchen würde, die Tür zu öffnen. Die Reinigung jedenfalls bestand nur darin, das wir Räucherwerk anzündeten, uns hinknieten und beteten. Hätte sie mir das nicht vorher sagen können?

Schließlich stand sie auf und ich stand ebenfalls auf. Aufmunternd sah sie mich an und forderte mich auf, den Schlüssel zu benutzen. Ich zog die Kette aus und schob sie auseinander. Es war so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen konnte, weder konnte ich den Schlüssel richtig sehen, und das passende Schlüsselloch an dem dunklen Schrein schon mal gar nicht.

„Halte den Schlüssel einfach in die Nähe des Schreins.“

Schweigend tat ich es. Sowohl der Schlüssel, als auch ein kleiner senkrechter Spalt im Schrein leuchteten in einem schwachen lila. Gewusst wie, dachte ich und steckte den Teil des Anhängers, der als Schlüssel diente in den Spalt, der sonst bestimmt von niemandem bemerkt wurde. Ich drehte ihn waagrecht und zog ihn wieder heraus. Dann ging ich wieder zwei Schritte zurück und stellte mich neben Hansuki.

Es passierte genau das Gleiche, was Naruto beschrieben hatte. Der Schrein glitt zur Seite, der Boden teilte sich und vor mir erschien eine Treppe, die nach unten führte.

Am Flussufer

Die Stufen vor mir waren stabil. Eine Steintreppe. Und kaum breit genug, das zwei Leute nebeneinander hinunter gehen konnten. Die Wände dagegen waren aus Erde. Hin und wieder hörte ich ein Geräusch und sah, das etwas Erde auf die Treppe fiel. Trotzdem waren die Wände rechts und links fast gerade. Besonders weit sehen konnte ich auch nicht. Ich drehte mich nach Hansuki um, um sie nach einer Taschenlampe zu fragen. Sie war einige Schritte zurückgegangen, sah nach unten und schwieg. Eigentlich hatte sie die ganze Zeit kaum etwas gesagt, und ich hatte auch das Gefühl, das Reden hier irgendwie störte.

Ich wandte mich wieder der Treppe zu. Mir war nämlich gerade klargeworden, das ich mit allen möglichen Mitteln versuchte, meine Nervosität zu verdrängen, indem ich mich mit dem Verstand an Dinge klammerte, die ich kannte. Zum Beispiel, dass man eine Taschenlampe benutzte, wenn man eine Treppe hinunterstieg. Genauso gut hätte ich fragen können, wo der Lichtschalter ist.

So wie jetzt hatte ich mich noch nie gefühlt. Angst, Freude, Unsicherheit, Neugier, Unwissenheit und Glück vermischten sich zu einem Gefühlschaos und es gab nichts, um dem zu entkommen. Ich könnte hier noch endlos stehen bleiben, nach Löchern und Wurzeln in der Erdmauer suchen, ändern würde sich dadurch nichts. Mir blieb im wahrsten Sinne des Wortes nur die Flucht nach vorne.

Ich trat auf die erste Stufe und stützte mich mit der Hand an der kühlen Mauer ab.

„Ganz ruhig, Sasuke, bevor ich Naruto treffe werde ich hier unter der Erde begraben und wenn nicht, bekomme ich ganz sicher einen Herzinfarkt“, versuchte ich mich zu beruhigen. Allerdings waren Gedanken dieser Art nicht sonderlich beruhigend.

Vorsichtig ging ich die nächsten Stufen hinunter, als ich ein knarrendes Geräusch hörte und fuhr herum. Hinter mir verabschiedete sich gerade der Eingang und kurz darauf stand ich in absoluter Dunkelheit da. Na gut, dann musste ich eben noch vorsichtiger sein. Ich streckte den rechten Arm Richtung Decke aus, und brauchte noch nicht einmal den Ellbogen durchzudrücken, um sie zu fühlen. Erde, Wurzeln. Wer weiß, vielleicht werde ich tatsächlich lebendig begraben, aber das war es nicht. Das war nicht der Grund für meine Angst und Nervosität.

Aber ich wollte sie loswerden, ich musste ihn so schnell wie möglich treffen. Als ich mich anschickte, die nächste Stufe mit dem Fuß zu ertasten gingen plötzlich Lichter an. Unter mir war ein Gang, rechts und links davon steckten in Behältern Kerzen die mit einem Rauschen von alleine angegangen waren. Sie flackerten und warfen unheimliche Schatten auf die Wände und den Boden. Klar, hier gab es Sauerstoff. Die restlichen Stufen stieg ich hinunter, ohne mich großartig an den Wänden ab zu stützen.

Durch den Kerzenschein schienen die Wände des Ganges heller zu sein, als er es wahrscheinlich in Wirklichkeit war. Eine Mischung aus Braun und Gelb, ließ sie fast schon Orange aussehen. Das Problem hier war, wohin sollte ich gehen? Welcher Gang war der Richtige?

Ich wusste noch nicht einmal, ob ich bereits in dieser Anderswelt war, mich erwarteten jedenfalls keine Wesen, die hier lebten. Vielleicht war das Ganze hier doch ein Fehler gewesen, dachte ich gerade, als ich die Töne einer Grasflöte hörte. Ja. Ja, irgendwie passte das hierher. Eine Querflöte oder irgendein Blechinstrument hatte hier nichts verloren, aber wichtiger als das, es war Naruto, der da spielte, ich wusste es einfach. Ohne nachzudenken folgte ich den Klängen. Sämtliche Ängste und Aufregung, die mir ein so ungutes Gefühl gegeben hatten, verschwanden, jetzt war ich einfach nur noch glücklich ihm zu begegnen. Er war da, er führte mich, ich war sicher, alles andere war unwichtig. Und je weiter ich durch dieses Labyrinth an Gängen lief, desto mehr veränderte sich die Umgebung. Schließlich kam ich zu jener Tropfsteinhöhle und das Spiel verstummte. Verschiedene bewegliche und farbige Lichter huschten hier herum, sogar einen kleinen See konnte ich erkennen und den Ausgang. In dieser Höhle fühlte ich mich, als hätte ich hier mein ganzes Leben verbracht, anstatt mir den Knöchel zu verstauchen. Der Ausgang war schmal, ziemlich klein und lief oben spitz zu. Auch der sah aus, als hätte ihn die Natur geschaffen und nicht ein Team von Bauarbeitern.

Ich ging darauf zu und auf der anderen Seite der Spalte sah ich auch schon den Fluss. Naruto saß auf einem Stein auf der anderen Seite, und betrachtete seine Flöte, als würde er darüber nachdenken was er als nächstes spielen sollte. Ohne sich zu bewegen sah er mich plötzlich von der Seite aus blauen Augen an. Die blonden widerspenstigen Haare, sogar die Kleidung, ja kein Zweifel, der Fremde von der Mauer gegenüber, der mich trotz undurchlässigen Vorhängen angesehen hatte. Endlich.

Er schwieg. Er bewegte sich nicht einmal, sondern sah mich nur an. Ganz anders, als der Naruto aus der kürzlichen Erinnerung. Aber – er passte hierher. Als wäre er eins mit dieser Welt und das war er wahrscheinlich auch.

Ähm. „Hallo, Naruto.“ Ich hörte meine Stimme kaum und wollte mich gerade räuspern, als er aufstand. „Hallo, Sasuke.“ Er stützte eine Hand in die Hüfte und grinste mir schelmisch entgegen. „Bist du immer so langsam?“

Verärgert zuckte ich zurück. Was war das denn? Kein herzliches Willkommen in der Anderswelt? Kein sehnsuchtsvolles, ich habe so lange auf dich gewartet?

Ich beugte mich nach vorne. „Na ja, es war dunkel und...“ red keinen Unsinn. „Du hättest mir ja früher den Weg zeigen können, oder?“

„Hä? Was meinst du?“ fragte er mich verständnislos.

„Na, dein Ding da“, ich deutete auf die Grasflöte in seiner Hand, „du hättest mich ja schneller führen können.“

Er wedelte mit der Hand in der er die Flöte hielt hin und her, „ich hab nur gespielt, weil mir langweilig war. Das hatte mit dir nichts zu tun.“

„Nicht? Aber – wie dann?“ Ich verstand gerade gar nichts mehr. Und – einen Kami hatte ich mir auch anders vorgestellt. Irgendwie – erhabener.

„Ah verstehe, du hast dich noch umgesehen, oder?“ Naruto sprang über den Fluss und nutzte die Steine darin als Trittbrettstufen.

Bevor ich wusste wie mir geschah stand er auch schon direkt vor mir. Viel zu nah. Er war etwas kleiner als ich und musterte mich. Wäre er ein normaler Junge gewesen, ich hätte ihn zurückgestoßen und aufgefordert mit dem Scheiß aufzuhören. Allerdings, er war kein normaler Junge, trotzdem wollte ich wissen, ob er keine Manieren hätte, aber bevor ich sprechen konnte, wurde ich von seinen blauen Augen eingefangen. Anders konnte ich es nicht ausdrücken. Er war doch ein Kami. Ich konnte es deutlich in diesen wunderschönen Augen sehen, mit denen er mich neugierig musterte, mehr noch, es war als würde er sich meine Seele ansehen, mein Herz berühren. Es war seine Flöte mit der er mich von meinen weltlichen Gefühlssorgen befreit hatte, aber geführt hatte er mich damit nicht, das stimmte. Es war eher so, als hätte er mich einfach zu sich gezogen, wie einen Fisch den man an der Angel hatte. Mit seiner Art, so wie er sich gegeben hatte, wollte er mir nur meine Befangenheit nehmen. Und jetzt – sah er nicht nur in meine Seele er ließ mich auch in seine sehen.

Wie lange das dauerte wusste ich nicht. Zeit existierte überhaupt nicht mehr, und damit auch kein Zeitgefühl.

Er ließ mich so plötzlich mit seinem Blick los und beugte sich wieder zurück, dass ich vor Überraschung fast hingefallen wäre. Einen Arm legte er hinter seinen Kopf und grinste mir entgegen. „Eigentlich hatte ich ein Mädchen erwartet.“

Der Typ regte mich schon wieder auf, „und ich keinen Flussgott.“

„Schon gut“, von einer Sekunde zur anderen wurde er wieder ernst. „Ich weiß mittlerweile selbst, dass es damit nichts zu tun hat.“

„Und – womit...“

„Komm ich zeig dir was“, rief er während er sich umdrehte und den Weg zur anderen Flussseite zurücknahm.

O je. Veränderte der sein Verhalten immer von einer Sekunde zur anderen?

Und warum konnten wir nicht auf dieser Seite bleiben, hatte das auch etwas zu bedeuten? Mit einem leisen Seufzer folgte ich ihm ans andere Ufer. Erst als ich drüben war, wurde mir bewusst, was für einen Fluss ich gerade ziemlich gedankenlos überquert hatte.

Naruto stand direkt vor dem Kamelienfluss, wieder ganz Kami, und sah mich an. Gespannt, was er mir zeigen wollte, stellte ich mich neben ihn. Mit einem Finger deutete er auf meine Brust. Zuerst wusste ich nicht, was er meinte, aber dann spürte ich das mir schon so bekannte Ziehen. Ich musste nicht nachsehen, um zu wissen, das sie wieder rot war.

„Also stirbt jemand.“

„Ja. Eine Frau, nein eigentlich noch ein Mädchen. Aber sie leidet schon seit Jahren an einer Krankheit.“ Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich traurig. „Sie hat wirklich viel durchgemacht, aber sie konnte und wollte nicht loslassen. Zum Glück ist sie jetzt gleich bereit.“

Naruto sah auf den Fluss und ich folgte seinem Blick. Eine rote Kamelie, ähnlich wie ich schon mal eine gesehen hatte, bemühte sich, nicht mit dem Strom zu schwimmen, und sich irgendwie am Ufer festzuhalten. Dann plötzlich ließ sie sich mit dem Fluss treiben, und als sie das tat, blühte sie auf, ihre Blätter öffneten sich weit und ihre Farbe wurde kräftiger. Kein Vergleich zu vorher. Ich sah Naruto an, der jetzt glücklich lächelte.

Jemand den ich kannte? Unwillkürlich legte ich meine Hand auf die Brust.

Naruto, der meine Bewegung registriert hatte, sagte, „nein, es ist weil du so nahe der Quelle bist.“ Er bückte sich und hielt seine Hand über die Blume. Eine runde, glanzlose Kugel löste sich aus ihrer Mitte und schwebte nach oben in seine Hand.
 

Während die rote Kamelie welkte und auf den Grund sank, erhob sich Naruto wieder und zeigte mir die Kugel.

„Das ist eine Seele, nicht wahr?“ Eigentlich war es eine rhetorische Frage. „Was machst du mit ihr?“

„Sie muss sich ausruhen.“ Naruto schloss die Hand und öffnete sie wieder. Die Kugel die jetzt ist seiner Hand lag, war glänzend und so klar wie reiner Bergkristall. Sogar ich konnte sehen, das es nicht die Gleiche von eben war. Er öffnete die andere Hand auf der eine weiße Kamelie lag. Kein einziges Blatt sah zerdrückt aus, obwohl seine Hand doch geschlossen gewesen war. Die neue Seele schwebte zur Kamelie und verschwand in ihrer Mitte. Naruto bückte sich und legte sie zu den anderen Blumen in den Fluss. Er war wirklich ein Kami und ich gerade Zeuge einer Geburt geworden.

Der Plan

Wir standen nebeneinander am Ufer des Kamelienflusses und sahen der neuen Blume hinterher, wie sie gemeinsam mit den anderen auf den leichten Wellen den Strom entlang schwamm. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals in meinem bisherigen Leben so wohl gefühlt zu haben. Es war ein ähnliches Gefühl des inneren Friedens und der Ruhe, wie ich es hatte, wenn ich auf seinem Platz saß, nur viel stärker und jetzt, wo er genau neben mir stand, hätte ich zu gerne seine Hand genommen.

„Sie sieht – so zufrieden aus,“ bemerkte ich und mir wurde gleichzeitig bewusst, wie albern das klang.

Naruto drehte sich erfreut zu mir um und schenkte mir ein breites Grinsen.

„Freut mich, das du es sehen kannst.“

Es kam mir nicht so vor, als würde er sich über meine Bemerkung lustig machen, ich wurde sogar verlegen. „Ähm – ja, wieso nicht.“

„Wieso nicht? Das sieht nicht jeder. Eigentlich die wenigsten.“

Ich wollte hier keine komische romantische Stimmung aufkommen lassen und räusperte mich. Dann fragte ich betont sachlich: „Also immer wenn eine rote Blume stirbt, entsteht eine Weiße!“

„Huh? Nein, so ist das nun auch wieder nicht.“

Überrascht sah ich ihn an. Sorgte er nicht für das Gleichgewicht?

„Nicht, wie dann?“

Naruto sah mich immer noch an und kratzte sich am Kopf, als wisse er nicht, was oder wie er es sagen sollte. „Nun, anders eben.“

„Wie anders?“

Nun starrte er sogar zur Decke. „Kompliziert.“

Schon wieder. Dieser Typ. „Glaubst du, ich versteh es nicht, wenn du´s erklärst.“

„Doch. Schon“, wiegelte er ab und sah immer noch sich kratzend an die Decke.

„Also?“

„Na ja,“ er sah zu Boden, und legte die Hand in seinen Nacken.

Langsam fing ich an zu kochen. „Na ja, was?“ Beherrsch dich, Sasuke.

„Was, fragst du, tja keine Ahnung, wie ich das erklären soll.“

Entnervt schnaufte ich auf. „Versuchs einfach.“

Gedankenverloren sah er zu Boden, gleich darauf hellte sich sein Gesicht wieder auf. Er bückte sich und legte einen Kreis aus Steinen auf den Boden, daneben noch einen.

Mengenlehre? Ich fühlte mich gerade wie im Kindergarten, aber ich bückte mich auch. Dann eben so. Wenn er es nicht anders erklären konnte...

Zu meinem Entsetzen zog er sein Oberteil aus und griff mit beiden Händen in den Fluss. Kieselsteine.

„Also in diesem Kreis sind die Seelen.“ Er legte eine Hand voller Kiesel in einen Steinkreis und verteilte sie mit der Handfläche.

O je, das konnte länger dauern.

„Und in diesem Kreis – sind die geborenen Seelen, die die einen Körper haben. Und auf der Erde leben.“ Die Kieselsteine aus der anderen Hand wurden hineingelegt und verteilt.

„Aha.“

„Nix aha.“ Er sah wütend aus. „Ich mag das nicht.“

„Huh? Was denn?“

„Aha. Das klingt so abwertend, so als wäre es dir egal. Dann muss ich auch nichts erklären.“

„Nein, nein. Es ist nur die Art wie du – es interessiert mich. Wirklich. Sehr sogar.“

Naruto warf mir noch einen misstrauischen Blick zu, bevor er fortfuhr. Gedanklich machte ich mir eine Notiz, er reagiert allergisch auf Aha.

„Diese Seele“, er nahm einen Kiesel aus dem ersten Kreis hoch, „hat einen Plan.“

„Einen Plan?“ Nun war ich doch verdutzt.

„Ja. Einen Plan. Menschen sagen auch Schicksal dazu, aber es ist geplant.“ Mit der anderen Hand nahm er einen Kieselstein aus dem zweiten Kreis. „Genau wie diese Seele. Bevor diese Seele hier geboren wurde, hat sie sich entschieden – hm – sagen wir in der ersten Oktoberwoche dieses Jahres zu sterben.“ Er sah mich an, als wolle er prüfen, ob ich ihm folgen könne. Zugegeben, das war nicht einfach, aber ich nahm es einfach mal so hin und nickte.

„Darum hat diese Seele,“ er hob die erste höher, „beschlossen innerhalb der ersten Oktoberwoche dieses Jahres geboren zu werden.“

Na, das ist doch das was ich von Anfang an gesagt hatte, dachte ich. „Also ist es doch so wie ich sagte.“

„Nein. Ich seh schon, du kapierst es nicht.“

„Ich geb mir Mühe.“ Kami hin oder her, ich hatte nicht den Eindruck, dass ich schwerer von Begriff wäre, als er.

„Na ja, okay, wie auch immer. Läuft alles nach Plan, ist es in Ordnung. Aber wenn die Seele, die eigentlich vor hatte, in dieser Zeit wieder nach Hause zu kommen, aus welchen Gründen auch immer, nicht bereit ist und sich an ihr Leben klammert, egal wie leidvoll es dann ist, oder die Verwandten den Körper um jeden Preis am Leben erhalten wollen, so dass sie nicht weg kann, obwohl sie es eigentlich will, dann kann die neue Seele nicht geboren werden, wie geplant.“

„Verstehe. Dann muss sie warten.“

„Nein, dann wird sie nicht geboren.“

„Hab ich doch gesagt.“

„Ich sagte doch, es ist komplizierter.“

Warum sollte es so schlimm sein, etwas länger warten zu müssen? Ich sah ihn fragend an.

„Dann wird das Baby tot geboren, oder stirbt kurz nach der Geburt. Je nachdem.“

Das war ein Schock.

Naruto sah es mir wohl an. Zuversichtlicher, dass ich verstehen würde, fuhr er fort. „Und dann gerät alles durcheinander. Weil die Seelen, die als Eltern des Babys mit ihren Körpern dienten, gar nicht geplant hatten, ihr Kind zu verlieren. Sie verkraften es nicht.“

„Ja. Ja, ich glaube, ich verstehe langsam. Schließlich wird ein Baby nicht nach einer Woche geboren.“

Naruto nickte mir zu.

„Aber – es ist doch für jeden schwierig, sein Kind zu verlieren?“

„Natürlich ist es das. Fast jeder wird mit einem Plan geboren, der auch gewisse Schwierigkeiten im Leben bereit hält. Aber gleichzeitig auch mit der Kraft, diese Schwierigkeiten zu meistern. Verstehst du? Aber diese Eltern, als Beispiel, hatten so ein Leben nicht geplant, und deswegen auch nicht die Stärke mitbekommen, es zu bewältigen. Und vielleicht geht die Ehe in die Brüche, was nicht geplant war, oder – noch schlimmer, die Seele ist so sehr verletzt und zerrissen, dass dieser Körper Selbstmord begeht. Natürlich kommt die Seele dann früher zurück, aber alles was nun mal geplant war von ihr, wird nie passieren. Und das – bringt alles durcheinander. Es ist wie mit einem Stein den du ins Wasser wirfst und der immer größere Kreise zieht.“

Langsam fing ich an zu begreifen, das diese Sache doch wesentlich komplexer war, als geahnt.

„Mit anderen Worten, wenn der Plan einer Seele nicht aufgeht, sind auch alle anderen davon betroffen?“

„Ja.“ Naruto lächelte glücklich. „Genauso ist es.“

Er hatte wirklich eine wichtige Aufgabe. Kein Wunder, dass er sie nicht abgelehnt hatte, auch wenn das viele Entbehrungen mit sich bringen mochte. Zum Beispiel das was er wohl am meisten fürchtete. Einsamkeit.

Naruto stand auf und wischte sich die Hände an den Hosen ab.

„Ich bring dich jetzt nach Hause.“

„Was? Wieso? Ich will noch nicht...“

Er machte eine Handbewegung, und im nächsten Augenblick war ich auch schon wieder zurück. Es war ein ähnliches Gefühl, wie wenn man in einem Aufzug steht, der plötzlich nach unten fährt. Und wie damals, als ich bei Itachi war, und bei Ino landete, stand ich auch nicht vor dem Schrein, sondern war in meinem Zimmer. Gemeinsam mit jeder Menge Kamelienblüten saß ich auf meinem Bett, die im nächsten Moment auch schon aufleuchteten und wieder verschwanden. Sicher zurück zu ihm. In die Anderswelt.

Ich musste nicht aufstehen und ans Fenster gehen, um gegenüber Licht zu sehen. Ich wusste auch so, das Hansuki nicht am Schrein auf mich gewartet hatte. Und auch zum Schrein musste ich nicht gehen, um zu wissen, dass er wieder an seinem Platz stand, selbst wenn ich es nicht gesehen hätte.

Naruto ließ mich sehr nachdenklich zurück.

Ich liebe dich/Zuhause/Sasukes Zimmer

Als ich am nächsten Morgen in den Klassensaal ging und zielstrebig meinen Platz ansteuerte, herrschte große Aufregung. Noch mehr als sonst. Aber das interessierte mich nicht. Kaum hatte ich mich gesetzt, kamen ein paar Mädchen an mein Pult gestürmt. Sakura und Ino waren auch dabei. Die anderen kannte ich nicht vom Namen her. Wozu sollte ich mir auch Namen merken, wenn ich doch ständig die Schule wechseln musste. Hatte ich mir das als mein Schicksal ausgesucht?

„Sasuke, wir müssen dir etwas erzählen“, ergriff Sakura das Wort.

„Ja genau, das wirst du niemals glauben,“ wurde sie von Ino unterstützt.

Desinteressiert lehnte ich meine Tasche neben mich auf den Boden.

„Wir konnten es selbst kaum glauben,“ sagte jemand.

Wie schon gesagt. Das interessierte mich überhaupt nicht.

„Um was geht’s?“ fragte ich.

„Die Lehrer sind alle im Büro des Direktors versammelt und – sie trinken.“

„Wie bitte?“

„Ja, sie trinken Sekt.“

„Die feiern.“

„Die feiern? Was gibt es zu feiern?“

„Halt dich fest, Sasuke.“

„Muss ich nicht. Wird auch so gehen.“

„Stell dir vor, Kakashis Frau hat ein Kind bekommen. Gestern Abend.“

Ich musste schlucken. War das etwa...Automatisch legte ich die Hand auf meine Kamelie und tatsächlich, ein sehr vertrautes Ziehen war zu spüren. Wahrscheinlich leuchtete sie gerade wieder in diesem weiß-goldenen Ton.

Der Rest des Gekreisches um mich herum wurde zu einer Art Bienensummen.

Tja, Kakashi. Naruto, das Monster, hat gestern dafür gesorgt, dass die Seele deines Kindes unbeschadet zur Welt kommen konnte. Was würdest du dazu wohl sagen?
 

Ich lehnte mich zurück, und holte das Tagebuch heraus.

Es war mir jetzt egal, ob andere es sahen oder nicht. Solange es keiner anfasste oder hineinsah war alles in Ordnung.

Wenn es wirklich so war, und davon war ich überzeugt, dann gehörte die Seele die ich gesehen hatte, Kakashis Kind und das wiederum bedeutete...
 

Naruto, sind die Zeitabstände eines Planes verschieden? Kann eine Seele sich einen ganz bestimmten Tag aussuchen?
 

Ich klappte das Buch wieder zu, ohne auf die Fragen zu antworten, was das sei, und legte es in die Tasche zurück.

Jemand war unverschämt genug, nach meiner Tasche zu greifen.

„Pfoten weg,“ schrie ich, „das ist mein Geburtstagskalender.“

„Oh, wie aufmerksam von dir, Sasuke.“

„Er hat recht, wir sollten es uns auch aufschreiben.“ Zum Glück rannte jeder an seinen Tisch zurück, um sich das Geburtsdatum von Kakashi Kind zu notieren.

Endlich Ruhe. Ich seufzte und sah aus dem Fenster.

Sehnsucht übermannte mich. Ich wollte zurück. Zurück zu ihm. Und dann kam die Panik. Ich war kein Kami, hatte dort keine Aufgabe. Was wenn er mich erst bei sich bleiben ließ, wenn ich kein Mensch mehr war?

Ich muss unbedingt nochmal mit dir reden Naruto. Und das ansprechen, was ich bisher nicht gewagt habe. Das hätte ich gestern schon tun sollen, oder noch früher. Stattdessen – ich hatte genau das Gegenteil getan.

Du heilige Scheiße – war ich etwa schüchtern?

Na ja, das Gefühl war neu, aber ich wusste es doch. Eigentlich hatte ich es vom ersten Augenblick an gewusst, ich hatte es im gleichen Moment gewusst, als ich sein Tagebuch in den Händen hielt. Und er war gekommen, er hatte mich geholt, aber was hatte ich getan? Anstatt mich mit meinem Gefühl auseinander zu setzen, hatte ich ein Detektivspiel daraus gemacht.

Die Schulglocke hatte schon geläutet, aber die Lehrer waren wohl noch in Feierlaune. Ich nahm wieder das Buch heraus. Die Antwort stand zu da.
 

Natürlich geht auch das. Aber die meisten Seelen bevorzugen einen Zeitraum von ein oder zwei Monaten.
 

Wieder so viele Wörter, wie ich auch geschrieben hatte. Das musste wohl eine Regel sein. Oder doch Zufall? Egal. Ich musste das jetzt einfach schreiben. Und schreiben, war eigentlich auch nicht sonderlich mutig. Eine ganz andere Sache, als es jemandem direkt ins Gesicht zu sagen. Aber – das würde ich auch noch schaffen.
 

Naruto, ich liebe dich.
 

Schnell klappte ich es wieder zu, und wagte nicht mehr es zu öffnen, während dem gesamten Unterricht.

Was wenn da stand, ich dich aber nicht. Oder – genauso schlimm, dein Plan ist anders, oder so etwas.

Verdammt, warum hatte ich nicht einfach gefragt, wann wir uns wiedersehen, das hätte es doch auch getan, oder?

Nein, keine Chance, das ich jetzt nachsehen würde. Vielleicht zu Hause. Nach dem Essen, nach den Hausaufgaben, nach meiner Lieblingssendung, nach dem Duschen...
 

Das mit dem Feiern war eindeutig übertrieben. Kein Lehrer war betrunken. Ganz gut gelaunt, vielleicht und manche gaben keine Hausaufgaben auf, aber das hatte wohl eher was mit ihrer Sympathie für Kakashi zu tun. Vermutlich war die Party nichts anderes gewesen, als ein Glas billigen Sekt für jeden.

Ich musste es wissen. Beim nächsten Lehrerwechsel holte ich das Buch wieder heraus.
 

Ich hol dich ab.
 

Ich hatte ja mit so einigem gerechnet, aber damit jetzt nicht. Und – war das nun ein gutes Zeichen oder ein schlechtes?

Aber wen sollte ich fragen?

Meine Hand holte automatisch das Handy aus meiner hinteren Hosentasche, ich tippte die SMS an Itachi. An wen sonst? Keine Ahnung.
 

Es gibt da jemanden, und ich habe ohne nachzudenken geschrieben, ich liebe dich, die Antwort war – ich hol dich ab, was bedeutet das?

Insgeheim wünschte ich mir, Itachi hätte eine Freistunde oder wäre zuhause, oder hätte Vibieren eingeschaltet, während ich auf das Display starrte. Tatsächlich kam die Antwort.
 

Du bist zu verwöhnt. Eigentlich ist es deine Sache, das Mädchen abzuholen, nicht umgekehrt. Nebenbei, man schreibt zuerst, willst du mit mir ausgehen.
 

Mist, das war nicht die Antwort die ich hören oder lesen wollte.

Mittlerweile war die Lehrerin schon im Raum. Ich hielt mein Handy unter das Pult und tippte, ich will nicht wissen, wer wen abholen sollte, ich will wissen, ob mein Gefühl erwidert wird.

Itachi schien wirklich Pause zu haben.

Woher soll ich das wissen?
 

Danke Bruder, du bist mir eine große Hilfe, dachte ich. Das brachte nichts. Bevor die Lehrerin etwas bemerkte und mein Handy konfiszierte, steckte ich es lieber wieder zurück. Warum hatte er nicht geantwortet, ich dich auch, oder ich dich nicht? Ob er das persönlich klären wollte? War das dann gut oder nicht? Und wann holst du mich ab, Naruto? Heute Nacht oder in fünfzig Jahren? Das konnte ich vielleicht später noch fragen, wenn ich zuhause war. Aber meine Konzentration war dahin.

Als ich in Mathematik an die Tafel gerufen wurde, um eine einfache Gleichung zu lösen, war ich nicht dazu imstande. Wie ein Idiot stand ich vor der Tafel, hinter mir unangenehme Stille.

Auch das hob nicht unbedingt meine Stimmung. Wenigstens schien Kakashi mich vollkommen vergessen zu haben. Als ich im Flur vor mich hin trödelte rannte er mit dem Autoschlüssel in der Hand an mir vorbei.

Als ich aus der Tür trat, blendete mich die Sonne. Ich hob eine Hand, um meine Augen zu schützen und – sah ihn.

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Jetzt war mir klar, was er mit abholen meinte, aber – war er verrückt geworden? Was wenn ihn einer sah, Kakashi zum Beispiel, nein, der war zum Glück ja schon weg, trotzdem...ich rannte zu Naruto und keuchte sofort drauf los: „Bist du verrückt geworden?“

Verständnislos sah er mich an.

„Es ist ja okay, wenn du heimlich in der Nacht deine Schwester besuchst, aber mitten am Tag, in aller Öffentlichkeit hier aufzutauchen, also – da ...“ fehlten mir doch die Worte.

„Oh, keine Sorge, niemand sieht mich,“ kicherte Naruto.

„Hä?“ Vorsichtig drehte ich mich nach allen Richtungen um. Es sah tatsächlich keiner her. Sogar Sakura und Ino nicht, obwohl sie nach irgendetwas oder irgendwem Ausschau zu halten schienen.

„Und dich sieht auch keiner,“ meinte Naruto jetzt ernster.

„Mich sieht auch keiner,“ echote ich.

Hatte er mich etwa unsichtbar gezaubert? Konnte ich wie ein Geist durch Wände gehen oder musste ich Türen öffnen und würde damit andere Leute erschrecken?

„Zu nah,“ sagte er jetzt. „Wenn du so nah bei mir stehst, sieht dich keiner. Genauer gesagt, als du auf mich zu gerannt bist, warst du für andere von einem Moment zum anderen verschwunden. Du solltest vorsichtiger sein. Na ja, zum Glück sah gerade keiner her.“

„Du – hättest mich warnen müssen,“ sagte ich verärgert.

„Das hätte ich, wenn ich nicht so überrascht gewesen wäre,“ meinte der unverschämte Kerl vollkommen unbekümmert.

Wortlos starrte ich ihn an, um ihm mein Missfallen an dieser Aktion zu demonstrieren.

Ohne sich beeindrucken zu lassen, fuhr er fort: „Es ist nicht meine Zeit, darum sieht mich auch keiner.“ Dann grinste er: „Ich dachte, du freust dich, wenn ich dich abhole. Das macht man doch so?“

Mit großem Schrecken fiel mir wieder ein, was ich ihm durch das Buch mitgeteilt hatte.

Zu nah, hatte er gesagt. Und obendrein, - wieso holte er mich ab? Itachi hatte mich schließlich wissen lassen, das der Junge das Mädchen abholt.

Mir wurde plötzlich ganz übel. Was jetzt? Vielleicht die Sache runter spielen?

Ich war nun mal leider ein miserabler Schauspieler, aber ich beschloss, mir meinen Ärger nicht länger anmerken zu lassen. Kami hin oder her, derartige Frechheiten würde ich mir nicht gefallen lassen und das konnte Naruto ruhig wissen.

Mit verschränkten Armen beugte ich mich zurück und fragte:“Macht man das so? Ganz schön altmodisch, wenn du mich fragst, das ist wirklich nicht deine Zeit.“

„Das ist nicht altmodisch“, widersprach er und rieb sich nachdenklich das Kinn, „aber altmodisches kann auch einen gewissen Reiz haben. Hm.“

„Ach was, ich hätte dich doch auch abholen können,“ ich schlug ihm kumpelhaft gegen den Arm, „wenn ich gewusst hätte, wo.“

Verdammt, wurde das hier langsam zu einer Abholdiskussion? Das ist nur deine Schuld, Itachi. „Also, in welcher Entfernung sollte ich stehen, um gesehen zu werden?“ fragte ich so herablassend wie nur möglich.

„In dieser!“ Naruto schubste mich von sich weg.

Er war jetzt eindeutig wütend. Und ich hörte schon Ino und Sakura meinen Namen rufen. Erschrocken drehte ich mich um. Aber die beiden hatten mich noch nicht gesehen, sie suchten mich. Das bedeutete – ich hörte sie nicht, wenn ich in Narutos Nähe stand. Stimmt, das fiel mir jetzt erst auf. Ich ging wieder einen Schritt auf Naruto zu und die Umweltgeräusche und Stimmen verschwanden.

„Puh,“ erleichtert seufzte ich auf.

„Die Blonde, die mag ich,“ Naruto sah an mir vorbei zu Ino.

Ich folgte seinem Blick, Ino wandte sich gerade an Sakura. Es sah so aus, als würden sie die Suche aufgeben und gehen wollen. Oder vielleicht überlegten sie auch, ob sie nochmal zurück ins Klassenzimmer gehen sollten.

„Klar, ich kann mir auch vorstellen wieso.“

„Echt?“

„Natürlich. Weil ihre Eltern einen Blumenladen haben, warum sonst?“

Naruto grinste mich an. Ein Glück. Nachtragend schien der nicht zu sein.

„Also gut. Du sagtest du holst mich ab und das hast du auch gemacht. Und jetzt?“

„Ich dachte mir, ich begleite dich nach Hause.“

Oh mein Gott. Das mit dem altmodisch hatte ich doch nur gesagt, um ihn zu ärgern. Aber der war tatsächlich altmodisch. Wollte er etwa meine Tasche tragen? Ich war entsetzt.

„Augenblick mal. Ich dachte, wir würden zu dir gehen,“ rief ich.

„Willst du nicht nach Hause?“ Naruto sah überrascht aus.

Nach Hause. Als ob ich jemals ein zuhause gehabt hätte. Ich fühlte mich bei ihm viel mehr zuhause, als bei mir. Oder in irgendeinem anderen zuhause das ich je zuvor hatte.

„Doch. Genau darum will ich ja zu dir.“

Naruto streckte sich und kniff enttäuscht die Augen zusammen. „Dabei habe ich mir heute extra freigenommen.“

„Freigenommen? Geht das? Und – wofür hast du dir denn freigenommen?“

„Klar geht das, du weißt doch, das ich manchmal meine Schwester besuche.“

„Stimmt, da fällt mir ein, ich konnte dich sehen.“

„Natürlich kannst du mich sehen. Es ist wegen der Markierung.“ Er schien nicht zu begreifen.

„Nein, ich meine, ich konnte dich damals schon sehen. Als du auf der Mauer gesessen hast. Weißt du nicht mehr, du hast mich doch auch gesehen.“

„Und?“

War der Kerl vielleicht schwer von Begriff?

„Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Markierung doch noch gar nicht.“

„Das – stimmt.“ Naruto schien ernsthaft verwirrt zu sein. „Du hast recht. Seltsam.“ Und mal keine Antwort zu haben.

Ich grübelte auch darüber nach. „Könnte es damit zusammen hängen, das ich dein Tagebuch hatte?“

„Hm, eigentlich nicht. Ich weiß nicht.“

„Gut, dann – gehen wir eben zu mir nach Hause,“ lenkte ich ein. Wozu hatte ich sonst die ganzen Blumen besorgt. „Ich will dir mein Zimmer zeigen.“

Naruto nickte.

„Aber meine Tasche trage ich selbst.“

„Huh?“
 

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Der Fußmarsch bis zu meinem derzeitigen zuhause dauerte etwa fünfundzwanzig Minuten. Wir verbrachten ihn vorwiegend schweigend und sozusagen Schulter an Schulter.

Naruto trug einen ganz normalen, orangefarbenen Zweiteiler und hatte lässig seine Hände in die Hosentaschen gesteckt. Er sah sich kaum um und ich fragte mich, ob er öfters hier herumspazierte. Ich dagegen war ziemlich angespannt und behielt meine Umgebung ganz genau im Auge. Der Weg führte uns zwar in eine ruhige Gegend, in der nur normale Wohnhäuser mit Gärten standen und kaum Verkehr herrschte, aber wenn ich jemand sah achtete ich sehr genau darauf, ob derjenige nicht doch Blickkontakt mit mir herstellen würde.

Na ja, man läuft ja nicht jeden Tag unsichtbar herum.

Nach einer Weile fiel mir auf, dass ich Vogelgezwitscher hörte. Naruto erklärte mir, dass ich die Geräusche hören konnte, wenn ich mich nur intensiv genug darauf konzentrierte.

„Stell dir vor, ein Auto überfährt dich, weil du es nicht hören kannst“, witzelte er.

„Ja, ja“, murrte ich.

„Nur keine Angst, ich pass schon auf dich auf“, setzte er noch eins drauf.

Damit war unsere Konversation auch schon wieder zu Ende.

Allerdings nicht allzu lange, denn Naruto fing plötzlich an mir zu erklären, dass ich andere sehen könnte, weil Menschen in erster Linie ihren Sehsinn benutzten. Das passiere automatisch und unbewusst. Aufs Hören und Riechen hingegen müsse man sich eben bewusst konzentrieren. Ich unterbrach seine Schilderungen mit der Frage, ob er annehmen würde, ich wolle so einen Stress noch öfters erleben, woraufhin er sich den Rest des Weges in Schweigen hüllte.
 

Naruto begutachtete die Fassade unseres Hauses, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Dabei wusste ich doch genau, dass er – egal.

Ich stellte meine Schultasche auf den Boden und kramte nach meinem Hausschlüssel.

Kaum hatte ich ihn ins Türschloss gesteckt wurde sie zu meiner Überraschung auch schon von meinem Bruder aufgerissen.

Der hatte überhaupt keine Pause, der war zuhause?!

Gerade als ich fragen wollte, was er jetzt schon hier verloren hätte, rief Naruto hinter mir fröhlich: „Hallo. Guten Tag.“

Als ich mich umdrehte sah ich ihn auch noch mit hoch erhobener Hand dazu winken.

Was sollte das? Itachi konnte ihn doch gar nicht sehen.

Itachi sagte: „Oh, Hallo.“

Ich fuhr zu Itachi herum. Was ging hier ab? Unsicher sah ich dann wieder Naruto an. Der zwinkerte mir zu. Irgendein Zauber vielleicht? Das hätte er mir wirklich früher sagen können.

„Ähm, das ist Naruto, ein Freund aus der Schule. Naruto, mein Bruder. Itachi.“

Naruto strahlte.

Jetzt musste ich aufpassen und Abstand zu halten. Oder nicht? Komplizierte Sache, das. Ich würde Naruto nachher fragen. Da Itachi ihn sehen konnte, wurde ich vielleicht nicht unsichtbar hier im Haus, wenn ich in Narutos Nähe stand. Oder galt das nur für Itachi und nur für den Moment? Ich seufzte.

„Wir gehen nach oben. Lernen“, sagte ich knapp und steuerte auch schon auf die Treppe zu.

Eigentlich hatte ich Naruto direkt hinter mir vermutet, bis ich Itachi sagen hörte: „Freut mich dich kennenzulernen. Sasuke hat noch nie einen Freund mit nach Hause gebracht.“

Ungläubig drehte ich mich um.

Naruto kratzte sich gerade verlegen. „Echt jetzt?“

Das konnte ja wohl nicht wahr sein.

„Naruto, kommst du?“

„Ja.“

Er folgte mir nach oben in mein Zimmer, wobei er sich die ganze Zeit nach links und rechts drehte, als sei er noch nie in einem Haus gewesen und erinnerte mich eigentlich schon die ganze Zeit an den hyperaktiven Naruto aus der letzten Erinnerung.

Ich war gespannt, wie er auf die Kamelien reagierte und öffnete meine Zimmertür mit einer einladenden Handbewegung. „Tada.“

Naruto schlüpfte an mir vorbei ins Zimmer. Ich hörte ein andächtiges: „Oh – wow,“ und klopfte mir geistig selbst auf die Schulter. Dann folgte ich ihm.

„W...Was ist das?“

„Wahnsinn, Sasuke.“ Naruto besah sich verzückt meinen Schrank und berührte ihn dann sogar mit der Hand. Anscheinend beeindruckte ihn das kräftige Königsblau, mit dem ich ihn beklebt hatte.

Gleich darauf lief er zum Regal.

Na ja, in seiner Welt gab es viele Pastellfarben und wenn ich an das rote Tagebuch dachte, dann mochte er wohl intensive Farben, nur – wo zum Teufel war mein Highlight? Wohin waren meine Kamelien verschwunden?

„Bin gleich wieder da,“ entschuldigte ich mich von einem Naruto der nur kurz nickte und fasziniert meinen Bettüberwurf musterte, der überwiegend schwarz war, mit einem Wolf der einen gelben Mond an heulte. Vor zwei Jahren hatte ich mal so eine born to be wild – Phase gehabt und der Überwurf war noch ein Überbleibsel aus dieser Zeit. Er war einfach praktisch wenn man zu faul war, um sein Bett zu machen.

Noch während ich die Treppe runter rannte rief ich laut: „Itachi.“

Ich fand ihn in der Küche. In der Hand hielt er eine kalte Dose Ravioli ohne Deckel und in der anderen einen Löffel.

„Igitt.“

„Du musst es ja nicht essen. Hauptsache mir schmeckt es.“

„Wo sind die Kamelien?“

„Mutter hat sie raus gestellt. Sie meinte, es täte den Blumen gut. Unsere Nachbarin hat ihre auch draußen und nicht wie du im Zimmer.“

Bei der ist es auch was anderes dachte ich, während ich nach draußen rannte. Vor dem Haus hatte ich keine gesehen, darum rannte ich gleich um die Ecke. Tatsächlich. Da standen sie im Schatten und ließen die Köpfe hängen. So ein Mist. Ich nahm einen Topf hoch und überlegte, ob ich ihn überhaupt noch mit nach oben nehmen sollte, aber wenn ich sie wegwerfen würde, ich hatte das ungute Gefühl, Naruto würde sich extrem darüber ärgern. Also nahm ich den Topf mit nach oben in mein Zimmer. Ich wollte zumindest versuchen, sie wieder aufzupäppeln auch wenn ich wenig Hoffnung hatte, das es mir gelingen würde. Vor allem wenn ich daran dachte, das ich keinen grünen sondern einen giftigen Daumen hatte.

Naruto hüpfte auf meinem Bett herum wie ein kleines Kind.

„Sag mal, wie alt bist du?“ fragte ich verärgert. „So was hab ich mit drei Jahren zum letzten Mal gemacht.“

Er hielt inne und sah auf den Topf den ich in der Hand hatte.

„Oh. O ja. Mutter hat sie nach draußen gestellt. Na ja, ich – es sollte eine Überraschung für dich sein, aber...“

Naruto sprang vom Bett runter und stellte sich vor mich. Er hielt seine Hände in Höhe der Blumen und wie durch Zauberhand erholten sie sich in Sekundenschnelle. Sie blühten sogar schöner, als zuvor. Dabei sah er mich an mit einem Lächeln, das ich nicht so richtig einordnen konnte, aber ich spürte überall ein Kribbeln auf meiner Haut. Also stellte ich den Topf schnell auf dem Tisch ab und sagte: „Unten sind noch mehr. Ich hol sie mal eben.“

„Ich helf dir.“

Gemeinsam brachten wir die Töpfe wieder nach oben. Mit Mühe und Not hatte ich Naruto davon abhalten können, die Blumen nicht gleich noch an Ort und Stelle zu heilen. „Hör bloß auf, was ist, wenn jemand vorbeikommt?“

„Ja? Was ist dann?“

„Wo lebst du? Hinterm Mond?“

„Nein, nicht hinter dem Mond, ich lebe in der Anders...“

„Das weiß ich,“ rief ich laut. „Ich meinte etwas anderes. Stell dir vor, jemand läuft vorbei und sieht nur mich und halb verwelkte Blumen, die plötzlich blühen?!“

Ich hoffte, er würde sich bei dieser Vorstellung unserer nicht ganz unkomplizierten Lage bewusst werden.

„Na ja, im Moment sehen sie dich und schwebende Töpfe.“

Ich wurde blass.

Naruto lachte. „Nur Spaß, du weißt doch, alles in meiner Nähe oder was ich trage, auch meine Kleidung ist für andere nicht sichtbar.“

„Sehr witzig, mir ist fast das Herz stehengeblieben.“

Naruto grinste nur. Mir wurde plötzlich klar, dass sich der Typ über meine Nervosität lustig machte oder sie witzig fand. Abrupt drehte ich mich um und ging voraus. Ich nahm mir vor, ein ernstes Wort mit diesem Kindskopf zu sprechen, sobald wir wieder oben in meinem Zimmer waren.
 

Naruto setzte sich aufs Bett und sah mir zu, wie ich die Blumentöpfe wieder an ihre ursprünglichen Plätze stellte. Rote und weiße Blüten wechselte ich ab. Dabei überlegte ich, wie ich ihn wohl am Besten darauf ansprechen könnte, ihm erklären könnte, dass mich seine Unbekümmertheit störte, während ich besorgt war, dass jemand etwas bemerkte und er das obendrein auch noch komisch zu finden schien.

„Wo ist deine Mutter?“ fragte Naruto ganz unerwartet.

Ich sah zu ihm hin. Er fläzte sich zwar aufs Bett, aber seine Stimme hatte ruhig und ernst geklungen und sein Gesichtsausdruck war es auch.

„Hm, meine Eltern haben sich während ihrer Studienzeit kennengelernt. Mein Vater arbeitet freiberuflich als Bauingenieur und ist ein gefragter Mann. Er bekommt Aufträge von überall her. Mutter arbeitet zwar offiziell nicht, aber sie ist oft bei ihm im Büro oder am Bauplatz und unterstützt ihn dort.“

Mehr wollte ich gar nicht erzählen und ich war froh, als Naruto nur mit einem „Verstehe“ zur Decke sah, ohne weitere Fragen zu stellen.

Er schwieg und ich nutzte die Gelegenheit ihn zu betrachten.

Das hier hatte ich mir von Anfang an gewünscht. Darum hatte ich nach ihm gesucht. Damit ich mit ihm zusammen sein konnte. Und jetzt war er wirklich hier. Langsam ging ich auf mein Bett zu, als Naruto plötzlich sagte: „Manchmal muss man sich entscheiden.“

„Wie?“

Er drehte sich um und sah mich an. „Ich hatte zwar keine Wahl, aber – letztendlich habe ich mich dennoch aus freien Stücken für meine Arbeit entschieden, obwohl es bedeutete, dass ich meine Familie nicht mehr oft zu Gesicht bekommen würde.“

„Das kann man doch nicht vergleichen.“

„Nicht?“

„Nein. Außerdem warst du es doch der – allein gelassen wurde.“ Ich legte die Hand auf das Mal.

Deine Aufgabe

Naruto sah nachdenklich zur Seite. Wahrscheinlich erinnerte er sich gerade an seine Angst vor dem Kommenden und die Reaktion der Leute hier auf ihn, als er noch ein „normaler“ Junge war.

Seufzend meinte er: „Na ja, das ist lange her. So alleine bin ich gar nicht.“ Er sah mich an. Dann sprang er plötzlich mit einem Gesichtsausdruck, als sei ihm eine phantastische Idee gekommen auf, beugte sich nach vorne und teilte mir seine Erleuchtung auch gleich mit: „Weißt du was, ich zeige dir meine Welt.“

„Die kenne ich doch schon...“, warf ich ein, aber er redete weiter.

„Nein, ich meinte, ich zeig dir die anderen Wesen, die in der Anderswelt leben.“

Irgendwie wollte sich bei mir nicht die gleiche Begeisterung einstellen, wie bei ihm. Mich interessierten die anderen Wesen nämlich gar nicht, sondern etwas ganz anderes, nämlich meine Rolle in dieser Geschichte.

Ich ging noch einen Schritt nach vorne und setzte mich neben ihn. Naruto sah mich an, während ich auf meine Schuhe starrte. Wie sollte ich dieses Thema anschneiden? Im Grunde konnte ich mich selbst nicht gerade als sozialisiert bezeichnen. Zu meinen Mitmenschen hatte ich immer nur sehr wenig Kontakt gehabt, besonders galt das für Gleichaltrige. Und ich hatte auch noch nie eine feste Freundin gehabt. Das alles machte es nicht unbedingt leichter.

Naruto mochte von mir aus vierzig, fünfzig oder hundert Jahre alt sein, er benahm sich im Moment so wie er aussah. Das er auch anders konnte, wusste ich.

„Ich weiß, was auf dem Anhänger, ich meine was auf dem Schlüssel steht“, fing ich vorsichtig an. Naruto schien nicht überrascht zu sein und sagte auch nichts. Stattdessen wartete er darauf, das ich weitersprach. Ich griff nach der Blume auf meiner Haut. „Und ich weiß auch, was das hier bedeutet. Die Markierung.“

Er nickte.

Ganz toll, kannst du mir nicht entgegenkommen?

„Ähm, also...“ ich hörte einen Wagen die Auffahrt heraufkommen.

„Oh, nein. Nicht jetzt.“ Am Motorengeräusch hatte ich erkannt, wer da kam. Meine Mutter. Ich sprang auf, rannte zur Tür und schloss sie ab.

Naruto sah mich verblüfft an, als ich mich wieder zu ihm umdrehte.

„Sagtest du nicht, du fühlst dich zu oft von deinen Eltern allein gelassen?“

Idiot, dachte ich. „Nicht ganz.“

„Ah, verstehe. Keine Sorge. Sie wird mich sehen können, wenn ich es zulasse.“

„Darum geht’s nicht, du Blödmann“, rief ich ihm aufgebracht entgegen.

Naruto zuckte zurück. Er war sensibler als gedacht.

„Ähm, sorry. Das wollte ich nicht sagen.“

„Doch, das wolltest du.“ Gekränkt sah er mich an.

„Ja, aber doch nur, weil ich mit dir reden will. Und zwar – über uns beide.“

„Oh.“ Endlich verstand er.

Als wäre es nicht schon schwierig genug. Die ganze Situation hatte etwas Absurdes an sich. Ein Kami, mit dem ich laut einer Prophezeiung durch Liebe verbunden war, vom gleichen Geschlecht, war in meinem Zimmer und saß auf meinem Bett. Das hatte man eben nicht jeden Tag. Davon, dass er mich abgeholt hatte, ganz zu schweigen.

Er hatte mich abgeholt, genau und zwar nach meinem peinlichen Geständnis. Vielleicht kam ich so weiter.

„Warum hast du mich abgeholt?“

„Warum nicht?“

Nein, so ging das nicht.

„Du – weißt doch, was ich dir vorher gesagt habe? Das ich dich liebe?!“

Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Stattdessen konnte ich nur auf genannten starren und darauf hoffen, dass sich irgendwo ein Loch auftat, indem ich verschwinden konnte.

„Ja, darum habe ich dich doch abgeholt.“

Ich hatte das dringende Bedürfnis, meine Hände um seinen Hals zu legen und zuzudrücken. Mit knallrotem Gesicht sah ich ihn wütend an.

Naruto hatte sich zurück gelehnt, sah verlegen an die Wand und sein Gesicht hatte einen leichten Rotschimmer.

Ach so war das? Naruto war auch nervös?

„Kannst du es nicht sagen?“ fragte ich.

„Du hast es auch nicht gesagt. Nur geschrieben“, kam es viel leiser als vorher und fast schon etwas patzig.

„Dann sag ich es eben.“ Narutos Verlegenheit gab mir wieder mehr Selbstbewusstsein. „Ich liebe dich.“

Er wandte den Kopf wieder zu mir und sah mich an, als würde ich ihm ein Messer an die Kehle halten. „Ich liebe dich auch.“

Puh. Nur mit Mühe konnte ich einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken. Ich setzte mich wieder neben ihn und nahm seine Hand. Gut, dass das jetzt endlich geklärt war. Nur...

„Du bist ein Kami, Naruto. Und du lebst in der Anderswelt. Ich frage mich – na ja, wie soll unsere Beziehung funktionieren?“

„Beziehung?“ rief er panisch und wich mit dem Oberkörper zurück.

Waren die vor fünfzig Jahren tatsächlich noch so rückständig? Obwohl, wenn ich an Mutter dachte...

„Ja, Beziehung.“ Ich legte meine Hand um seinen Nacken und zog ihn zu mir. Dann gab ich ihm einen vorsichtigen Kuss.

Eine Weile sagte keiner von uns ein Wort und als ich nochmal ganz sanft meine Lippen auf seine weichen Lippen legte, wurde mein Kuss erwidert.

Ich spürte, wie er leicht einen Arm um meinen Rücken legte, sein Kuss wurde intensiver. Zärtlich, fast schon ängstlich spürte ich seine Zunge auf meinen Lippen und öffnete sie für ihn. Zögerlich ließ er sie in meinen Mund gleiten nur um sie gleich darauf wieder zurückzuziehen. Ich tat jetzt das Gleiche bei ihm, und forderte sie zu einem kleinen Duell heraus.

Wir lösten uns nach ein paar Minuten wieder voneinander und wussten wohl beide nicht so genau, wo wir hinsehen sollten. Aber dafür saß er jetzt so eng neben mir, das ich seine Wärme deutlich durch die Kleidung spüren konnte und meinen Arm hatte er ganz in Beschlag genommen und zu sich rüber gezogen.

„Mein erster Kuss,“ meinte er schließlich und lachte leise.

„Mein erster wirklicher Kuss,“ erwiderte ich.

„Wirklicher?“

„Hm, im Kindergarten hab ich mal ein Mädchen geküsst.“

Die Bewegung mit der mein Arm gestreichelt wurde stoppte und ich spürte, wie er mich ansah. Dann lachte er wieder.

Ich sah ihn nun auch an und wäre diesmal anstatt im Erdboden, am liebsten in diesen blauen Augen versunken. Ein Seufzer entwich mir ohne das ich es verhindern konnte, ich schloss die Augen und legte meine Stirn an seine.

„Deine Schwester, sie hat gesagt ich könne dich nur besuchen. Stimmt das? Ich meine, ich bin kein Kami so wie du und auch kein Glühwürmchen. Ich habe keine Aufgabe dort in der Anderswelt und...“ ich war mir nicht mal sicher, ob ich dort willkommen war.

„Doch du hast eine Aufgabe.“

Verwirrt sah ich ihn an. „Ich hab eine? Wirklich? Welche denn?“

„Na ja, eigentlich...“, er fasste mit der Hand unter mein Kinn und küsste mich erneut. „Diese.“

Verwirrung

„Diese“, wiederholte ich leise und wie ein Idiot, weil er mich so – süß, verdammt – anlächelte. Bestimmt sah ich auch so aus wie einer, ich konnte förmlich spüren, wie meine Augen größer wurden, obwohl das, was er gesagt hatte, jetzt nicht wirklich die Nachricht des Jahrhunderts war.

Also, warum wurde ich davon dann so umgehauen?

Immerhin wusste ich ja durch das Tagebuch, das Kuruge gesagt hatte, der Schlüssel würde denjenigen finden und markieren und so...ich hatte sogar schon selbst daran gedacht, das...

Mist. Ich drehte mich etwas weg von ihm. Mir schossen gerade total verdrehte Gedanken durch den Kopf und wirbelten darin herum. Und als ob das noch nicht genug wäre, lieferten sie sich auch noch ein Duell mit meiner Gefühlswelt, die auch ziemlich durcheinander war.
 

Naruto winkelte sein Bein an und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen. Er hatte die Augen geschlossen und lächelte vor sich hin.

Mit den, mir anerzogenen, Manieren registrierte ich, dass sein weißer Turnschuh auf meinem Bettüberwurf stand.

Verwirrt sah ich ihn an. So wie ich ihn mittlerweile kannte, würde er jetzt gehen, um mich nachdenken zu lassen.

Aber stattdessen fragte er: „Was hälst du davon, wenn du mich morgen besuchst?“

„Du meinst, in der Anderswelt?“

„Ja.“

O je. Wollte er mir etwa schon mein neues Zuhause zeigen? Durfte ich meinen Eltern und meinem Bruder erzählen, wohin ich ging? Und warum? Aber das ich sie hin und wieder besuchen würde. Etwa in der Art – also, ich kenne da diesen Gott, der über Tod und Leben wacht. Er lebt natürlich in einer anderen Welt, und weil wir uns lieben – aber keine Sorge, ich komm euch besuchen, so alle fünfzig Jahre mal. Ach ja, bevor ich es vergesse, ihr könnt den Leuten ja einfach sagen, ich wäre gestorben.

Ich fing an Panik zu schieben.

„Natürlich hast du auch eine Aufgabe in dieser Welt,“ sagte Naruto so plötzlich, dass ich aufschreckte.

„Wie bitte? Ich kann überhaupt nicht bei dir leben?“

Er sah mich an. „Ich trenne dich doch nicht von denen, die du liebst aus reinem Egoismus und sehe dann zu, wie du immer trauriger wirst.“

„Aber – dich liebe ich auch.“

„Ja und das macht mich glücklich.“

Naruto stand auf und streckte seinen linken Arm aus. Plötzlich kam eine weiße Kamelie durchs Fenster geflogen und setzte sich auf seine Schulter, als wäre sie ein Vogel. Naruto streichelte sie sogar mit einem Finger. Immer mehr Kamelien kamen durch die Luft geflogen und bedeckten ihn.

Ich stand auf. „Dachte, du hast dir frei genommen.“

„Hm. Aber im Moment bringt uns das beiden nichts.“ Er sah mich an. „Oder?“

Wohl oder übel musste ich zugeben, dass er recht hatte.

„Also, dann hol mich wenigstens nicht gerade dann nach drüben, wenn ich in der Wanne sitze und bade.“

Naruto lachte auf, dabei war das mein völliger Ernst gewesen.

„Keine Angst wegen deiner 'Aufgabe'.“

Der hatte leicht reden, er musste sich ja auch nicht entscheiden.

„Du musst dich nicht entscheiden, weißt du?“

Also konnte ich hier bleiben bis ich neunzig war, dann würde er mich bestimmt nicht mehr wollen.

„Ich werde dich immer lieben.“

„Hey, liest du etwa meine Gedanken? Hör sofort auf damit!“

Mit einem Schmunzeln drehte er mir sein Gesicht zu. Er war mittlerweile fast völlig von diesen Blumen umhüllt.

„Ich kann keine Gedanken lesen.“

Na, ob ich das glauben konnte?

„Das kannst du ruhig glauben.“

„Ich hab´s doch gewusst.“ Mit einem Schrei warf ich mich auf ihn und riss ihn mit mir zu Boden. Die Blumen flogen überall durchs Zimmer und kamen irgendwo zum liegen.

„W...Was ist los?“ Naruto lag unter mir und sah mich vollkommen perplex an.

„Ich hab gesagt, du sollst meine Gedanken nicht lesen,“ rief ich verärgert.

„Aber, das tu ich doch gar nicht. Ich kann noch nicht mal Gedanken lesen, wozu auch?“

„Und das soll ich glauben?“

„Äh – ja!?“
 

Die Klinke wurde gedrückt. Wir sahen beide in Richtung des Geräusches. Gut das ich abgeschlossen hatte. Das hier war kein Bild, das ich meiner Mutter zumuten wollte.

„Sasuke? Wieso hast du abgeschlossen?“ rief sie.

„Wieso? Ja, warum denn nicht? Ich meine, zu was sonst sind Schlüssel denn da?“

„Hör auf herum zu albern. Itachi sagte mir, du hast einen Freund mitgebracht.“ Das, /den will ich kennen lernen/, ließ sie aus Höflichkeitsgründen weg.

Naruto und ich sahen uns an.

Egal, welche Gedanken und Gefühle gerade verrückt spielten, im Moment hatte ein Gefühl die Oberhand gewonnen. Und das hieß Sehnsucht. Hätte er mich jetzt gefragt, kommst du mit, ich wäre ohne zu zögern mitgegangen.

„Kein Wunder, das es vorne liegt, was? Wenn es so stark ist.“

„Wer, was?“

„Das Gefühl.“

Er sah so aus, als wolle er etwas fragen, aber sich nicht so wirklich trauen. Anscheinend konnte er tatsächlich keine Gedanken lesen.

Ich stand auf. „Sorry, bin nur grade durcheinander.“

„Schon gut. Ist ja verständlich,“ er nahm meine Hand und ließ sich hochziehen.

Meine Mutter rüttelte jetzt energischer an der Klinke.

„Sasuke. Mach sofort auf.“

Naruto sah sich unschlüssig um.

„Besser du gehst, wir sehen uns morgen.“

Erleichtert nickte er. Dann streckte er wieder seinen Arm aus, diesmal legten die verstreuten Kamelien einen Zahn zu, und flogen mit Naruto praktisch von einer Sekunde zur anderen durchs Fenster. Sehen konnte man ihn nicht, nur ein paar Blumen die davon wehten und Blätter die zur Erde fielen.
 

Ich beeilte mich und schloss die Tür auf, mittlerweile hatte ich Angst, meine Mutter würde sie ansonsten aufbrechen. Sie stürmte förmlich ins Zimmer und sah sich dann um.

„Wo ist er denn?“ fragte sie und hielt sich plötzlich die Hand vor den Mund. Dann beugte sie sich zu mir. „Sag mir nicht, er ist so schüchtern, das er sich versteckt hat?“ fragte sie leise mit der Hand vorm Mund, ganz flüster-like.

„Schüchtern?“ Ich überlegte. „Nein, schüchtern ist er nicht. Aber er ist nicht mehr da.“

„Nicht?“ rief sie enttäuscht. Gleich darauf verärgert: „Da bringst du einmal einen Freund mit nach Hause und ich habe es verpasst.“

„Mama! So wie du das sagst, dass klingt ja fast so, als hätte ich einen Außerirdischen mitgebracht.“

Schon allein deswegen würde ich ganz bestimmt niemanden mitbringen, dachte ich.

„Davon abgesehen, Sakura und Ino waren doch auch schon da.“

Sie winkte ab. „Das ist etwas anderes. Ich wäre nicht wirklich überrascht, wenn du einen Außerirdischen zum Freund hättest.“

„Frechheit.“

„Nein. Frechheit, dass du ihn gehen lässt. Ich habe extra mehr gekocht. Ist er noch in der Nähe? Vielleicht kannst du ihn zurückrufen?“

„Wohl kaum. Er ist aus dem Fenster geflogen.“ Ich machte eine Handbewegung zum offenen Fenster hin und wurde mit einem bösen Blick bedacht.

„Na gut. Da kann man nichts machen. Aber wenn du ihn mir das nächste Mal nicht vorstellst, werde ich es dir nicht verzeihen.“
 

Bei Tisch war Naruto Gesprächsthema Nummer Eins. Meine Mutter wollte von Itachi alles über ihn wissen und stellte die unmöglichsten Fragen, nachdem Itachi alles was er wusste, und das war nicht viel, erzählt hatte. Ich dankte dem Himmel, als diese Peinlichkeit zu Ende war und ich endlich in mein Zimmer gehen konnte.

Zwölfter Eintrag

hi, danke an alle die mich mit ihren kommentaren immer wieder unterstützen und motivieren.
 

Ich setzte mich bequem aufs Dach und überlegte, was ich unternehmen könnte. Schließlich hatte ich mir heute einen freien Tag genommen und die anderen Kamis übernahmen meine Arbeit mit. Mit anderen Worten, wenn ich jetzt gleich zurück ging, war mein Urlaub gestrichen.

Den Himmel in dieser Welt hatte ich bei Tageslicht schon lange nicht mehr gesehen. Ich sah erwartungsvoll nach oben. Na ja. Diese blass-blaue Farbe da interessierte mich weniger. Die verblichenen rostroten Ziegel unter mir genauso wenig. Wenn ich daran dachte, wie schön die Fassade dieses Hauses bei hellem Licht aussah, oder erst das schöne Blau in Sasukes Zimmer. Ich hätte es gerne länger - ein Hund fing laut an zu bellen und ich sah nach unten. Er spürte meine Anwesenheit und sein Herrchen fing an mit ihm zu schimpfen. „Da ist doch gar nichts, Prinzessin.“

„Prinzessin?“ Wenn diese beiden nicht mal der Hit waren.

Ich sah mir den alten Mann genauer an, vielleicht kannte ich den ja.

Oh, ja. Sogar aus der Schule, auch wenn ich keinen großen Kontakt zu ihm gehabt hatte. Vor einem halben Jahr hatte er das Rauchen aufgegeben, aber ohne zu wissen, das er bereits Lungenkrebs hatte.

Und das wusste er jetzt auch noch nicht, sonst wäre er – hör sofort auf, du bist im Urlaub.

Ich legte mich hin und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf.

Am liebsten wäre ich ja zurück in Sasukes Zimmer gegangen, hätte mich im Schrank versteckt und dann „Überraschung“ gerufen oder so. Aber der brauchte mal wieder Ruhe. Damit er alles auf die Reihe bekam. Sasuke war – ein ziemlich intelligenter Typ, ein Kopfmensch eben. Nicht spontan. Aber das war okay für mich. Wenn er nachdenken wollte oder musste, wieso nicht.

Und ich selbst war auch überrascht gewesen, dass ein Junge markiert worden war. In der Anderswelt war das zwar nichts Besonderes, weil man wusste, dass das überhaupt keine Rolle spielte. Aber ich war in einer Zeit aufgewachsen, da wären wir glatt eingesperrt worden wegen dieser - Liebe. Hätte ich die meiste Zeit meines Lebens nicht drüben verbracht, ich glaub, ich wäre zuerst mal ziemlich ausgetickt, wegen dieser Sache.

„JA!“ Endlich war mir eine Idee gekommen.

Kurzerhand ließ ich mich zurück in Sasukes Zimmer tragen. Mein Tagebuch musste ich nicht suchen, ich wusste immer wo es war, er hatte es in einer Schublade. Und wo man Stifte fand, wusste ich auch, das hatte sich nicht geändert. Ich kramte seine Schultasche durch und nahm das Mäppchen heraus. Dann schlug ich das Buch auf. Ein Problem hatte ich, welcher Tag war heute, welches Jahr? Zeit war für uns nun mal ohne jede Bedeutung.

Ich sah mich im Zimmer um. Einen Kalender konnte ich nicht entdecken. Dann musste es eben so gehen. Als nächstes fischte ich mir Sasukes Füller aus dem Mäppchen und wollte grade loslegen, als ich die verbogene Feder sah. Vor meinen Augen zeigten sich Bilder. Sasuke im Büro, einen Mann mit grauen Haaren, kannte ich den?, und – oh mein Gott, Englischhausaufgaben oder so was. Mir wurde ganz schlecht. Den Füller ließ ich fallen, wie eine heiße Kartoffel. Ein Filzstift ging schließlich auch.
 

Der Teil von mir, den der heilige Kelch zum Schlüssel machte zu der Zeit, als ich noch menschlich war, hat meine Liebe gefunden. Er ist zuckersüß, zum Anbeißen eben – oh ja, das mit dem „er“ stimmt schon, wo war ich – ah ja, also ich geb zu ich bin ehrlich verliebt. Und das ist einfach toll.

Ich bin froh, das es keine tausend Jahre gedauert hat. Aber nicht wegen der Zeit in der Anderswelt. Die Dinge in dieser Welt haben sich geändert. Aber nicht so sehr, das ich sie nicht wieder erkennen würde. In der Luft fliegen immer noch Vögel und keine Autos. Und
 

ich stockte. Sasuke kam und zwar ziemlich schnell.

Scheint auf der Flucht zu sein, dachte ich.
 

Und er liebt mich auch.
 

Schrieb ich den Satz schnell zu Ende. Dann machte ich, das ich weg kam. Eigentlich wollte ich mich verstecken und sehen wie er reagiert, sein Gesicht sehen, aber jetzt hatte ich etwas anderes vor.
 

Erst als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, atmete ich befreit auf. Was, wenn Naruto tatsächlich noch mal so mitten durch die Haustür zu Besuch kam? Aber – das war ja normal, ich meine, dass man den Freund durch die Haustür für alle sichtbar mitbringt und ihn vorstellt.
 

Ich musste noch Hausaufgaben machen. Wir sprachen grade über Konflikte, wie man sie bewältigt oder am besten ganz vermeiden kann, und unser Lehrer hatte ausgerechnet mich gefragt, ob ich nach vorne kommen würde, nachdem einige die er vorher fragte abgelehnt hatten, mit der Begründung, sie hätten Hemmungen. Unwillkürlich fragte ich mich, ob das wirklich stimmte oder ob sie einfach keine Lust hatten. Auch wenn ich keinen großen Kontakt zu meinen Mitschülern hatte, bei dem ein oder anderen konnte ich mir keine Hemmungen vorstellen. Das konnte man ja akzeptieren, aber Faulheit, das war ärgerlich. Trotzdem, die Sache war freiwillig und das fand ich ziemlich gut.

Also hatte ich zugesagt. Das Problem war nur – es ging um Rollenkonflikte und mir war bisher noch kein Beispiel eingefallen, das ich vortragen könnte zum diskutieren. Bei inneren Konflikten hätte ich bestimmt tausend aufzählen können.

Seufzend ging ich zum Schreibtisch und erstarrte fast vor Schreck. Jemand hatte Narutos Buch geöffnet und liegen lassen. Itachi vielleicht? Unruhig sah ich zur Tür, als würde er jeden Moment hereinkommen. Beruhige dich, du hast ja nichts verbrochen, oder so. Gerade als ich mich setzte erkannte ich einen neuen Eintrag, der mich knallrot werden ließ. Naruto.

Vielen Dank, Naruto, ich glaube du hast mir grade eine Idee zu einem Rollenkonflikt gegeben.

Aber das war auch gleichbedeutend mit einem Outing.

Ja, warum eigentlich nicht?

Und was, wenn ich meiner Familie die Wahrheit erzählen würde? Ich hatte nie daran gedacht, das zu tun. Immer nur gedacht, sie verstehen es ohnehin nicht. Aber – was wenn doch? Was könnte schon passieren, wenn ich es sagte? Selbst wenn sie mich einsperren würden, Naruto würde in jedes Gefängnis kommen können und mich raus holen. Schließlich musste ich ja nicht alles erzählen. Wie sollte ich jemals zu ihm stehen können, wenn ich es verheimlichte. Vor denen die mir am nächsten standen?

Der Gedanke ehrlich zu sein war befreiend, die Angst vor der möglichen Reaktion lähmend.

Outing

hi, danke für die kommis, ihr seid die besten,

tja, also dieses kapitel ging mir leicht von der hand. wahrscheinlich, weil der lehrer fragte, traust du dich vor, ich ja um was gehts, rollenkonflikte, er ja, also bin ich vor, hat spass gemacht, aber ich hab auch gemerkt, weil ich nicht oft vor der klasse stehe, könnt ich übung brauchen, wenn ich was erklären will. aber, hat ehrlich spass gemacht, ich glaube ich sollte lehrer werden

und ich hoffe sehr, das kapitel gefällt euch. ^^
 


 

Am nächsten Tag in der Streitschlichter-AG nahm ich kein Blatt mit Stichpunkten mit, als ich nach vorne vor die Klasse trat. Der Grund war einfach. Ich hatte keines. Ich wollte frei reden. Und – spontan reagieren.

Zuerst sah ich mir die Gesichter an. Die Mädchen sahen mich schmachtend an, die Jungs relativ neugierig wenn man bedachte, das es schon die achte Stunde war, und obendrein noch relativ heiß. Vielleicht spürten sie, dass da was im Busch ist.

Kakashi war schon heim zu seiner Familie geeilt, also musste ich nicht befürchten, heute nochmal in sein Büro beordert zu werden. Und – ich war überrascht über meine eigene Gelassenheit. Naruto, ich glaube, ich kann jetzt endlich voll hinter uns stehen, egal was die anderen sagen.

Ich warf meinem Lehrer noch einen Blick zu. Es war der gleiche Lehrer den wir auch in Zeichnen hatten, obwohl ich nie wirklich schlau aus ihm geworden war, mochte ich Sensei Jiraya irgendwie. Wir hatten auch Körpersprache bei ihm besprochen, schon dabei hatte ich immer voll daneben gelegen, aber – trotzdem...

Aufmunternd nickte er mir zu und lächelte dabei.

Ich nahm den Stift und stellte mich seitlich zur Tafel.

„Rollenkonflikte können zum Beispiel in einer Partnerschaft auftreten. Besonders, wenn es sich dabei um ein Gleichgeschlechtliches Paar handelt.“ Ich wandte mich zur Tafel, malte die Symbole für männlich zweimal hin, verband sie durch einen Strich und in der Mitte zwei Kreise, wie Eheringe.

Mittlerweile hatte ich die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse, es war mucksmäuschenstill.

„Das ist richtig“, meinte Sensei Jiraya. „Könntest du uns ein konkretes Beispiel dazu nennen.“

„Natürlich. Wir haben ja darüber gesprochen, das der Grund für Konflikte häufig auf Missverständnissen beruht. Aber auch auf die Gesellschaft und das Umfeld einer Person. Zum Beispiel wenn der Konfliktpartner aus einem anderen Land ist oder in einem anderen Umfeld aufgewachsen ist.“ Damit fasste ich nur zusammen, worüber wir schon diskutiert hatten.

„Mein Freund kommt aus einem anderen Land“, fuhr ich fort und sah in die Klasse, die Mädchen sahen mich mit großen Augen an, die Jungs irgendwie gespannt. „Und auch aus einem anderen Umfeld, dazu kommt noch der Altersunterschied.“

Ich sah zu Sensei Jiraya. Wenn er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er nickte mir nur zu weiter zureden.

„Mein Freund kommt aus einem sehr liberalen Land, er ist nicht gebunden an Familie und Angehörige – Hansuki hielt ich da raus – ich wusste ja, sie war glücklich, wenn es Naruto gut ging, auch wenn sie nur entfernte Verwandte waren, und sie sich dennoch als Bruder und Schwester fühlten – und ist selbstständig. Er hat eine wichtige Arbeit, ist sehr angesehen und sich dessen auch bewusst. Ich dagegen, nun ja, meine Familie ist eher streng, ich bin noch nicht volljährig und – ich fühle mich abhängig, von meinen Emotionen. Sowohl ihm gegenüber, als auch meiner Familie gegenüber. Ich liebe beide Parteien“, redete ich weiter und malte auf meine Seite ein Haus für die Familie und ein Herz für Naruto.

Sensei Jiraya war begeistert. „Ein Konflikt im Konflikt, es passiert in Konfliktsituationen sehr häufig, selbst wenn wie hier nur zwei Personen beteiligt sind noch andere Gruppen mit hineingezogen werden.“ Ich konnte sehen, er hielt sich nur mühsam zurück und hätte am liebsten wieder endlos geredet.

„Ja“, stimmte ich zu. „Das Umfeld ist wirklich nicht zu unterschätzen. Er ist unbekümmert, was unsere Beziehung angeht, ich dagegen mache mir ständig Sorgen jemand könnte es herausfinden, aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, vielleicht ist er nicht so unbekümmert wie er tut. Vielleicht verhält er sich nur meinetwegen so, um mir die Angst zu nehmen.“

Sensei Jiraya war nicht mehr zu halten. Ich durfte auf meinen Platz zurück, was ich auch tat und hörte ihm dann einfach zu. Neugierige Blicke von den Jungs konnte ich spüren, ohne hinzusehen, ich fühlte eine Art Bewunderung für meinen Mut, als auch eine Ablehnung wegen der Art meiner Beziehung. Auch die Blicke der Mädchen ruhten gelegentlich und immer sehr kurz auf mir. Bei ihnen konnte ich Enttäuschung aber auch so etwas wie ich freu mich für dich, fühlen.

Natürlich konnte das alles auch nur Einbildung sein, dachte ich mir. Sensei Jiraya redete jedenfalls vollkommen offen über das Thema, und lobte mich sogar für ein so hervorragendes Beispiel eines nicht nur Rollenkonfliktes, sondern auch Interessenkonfliktes. Er machte sich eifrig Notizen und ich vermutete, er würde dieses Beispiel auch in anderen Klassen erwähnen, nach dem Motto einer meiner Schüler – so wie er es bei uns manchmal schon getan hatte.

Nach und nach meldeten sich meine Klassenkameraden zu Wort. Sie waren genauso sachlich wie mein Lehrer, und niemand sprach direkt meinen Namen aus. Jedenfalls war das Beispiel ein voller Erfolg, ich hatte mich geoutet, wusste allerdings nicht wie die andern in Wirklichkeit darüber dachten. Trotzdem – es war das Richtige gewesen. Ich wusste nicht, was nach der Stunde auf mich zukommen würde, aber es war irgendwie gut, darüber gesprochen zu haben und die anderen ganz allgemein zu hören wie sie zu diesem Thema eingestellt waren. Nun ja, nicht direkt zur Homosexualität, es wurde nur über die Konflikte die daraus resultieren könnten gesprochen. Ein wenig Angst hatte ich schon, und ich kritzelte mein Heft mit irgendwelchen Dreiecken und Kreisen, als auch Spiralen und Bäumen voll. Zu sagen hatte ich nichts mehr, ich fand ich hatte genug zum Thema beigetragen.
 

Endlich läutete es. Ich packte wie immer meine Tasche, wurde angesehen aber nicht angesprochen. Schließlich wagte sich Sakura vor. „Sasuke. Das eben, das war nur ein Beispiel nicht wahr? Etwas, was ausgedacht war, hab ich recht?“

Gespannt wartete man – nicht nur Sakura – auf meine Antwort. Ja, jetzt könnte ich im letzten Augenblick noch den Schwanz einziehen und kneifen und alles wäre wieder wie vorher. Aber genau das war mein Problem. Das alles wie vorher würde.

„Aber Sakura, so was würde ich mir doch nicht ausdenken.“ Ich drehte mich wieder um und verließ den Saal.

Ich ging als erster nach draußen. Die Schule war total verlassen, als wären wir die einzige Klasse die heute, am Freitag acht Stunden hatte. Was natürlich sein konnte. Das Wochenende hatte ich hoffentlich Ruhe. Zumindest vor Kakashi und den Mitschülern, überlegte ich. Und – so hoffte ich zumindest – auch ein stressfreies Wochenende. Allerdings wäre das nicht so, wenn einer bei meinen Eltern anrufen würde. Ich hoffte einfach, dass alle das eben gehörte erst mal verdauen mussten.
 

Naruto stand genau wie gestern im Schulhof um mich abzuholen. Er lehnte an einem Baum, Hände in den Hosentaschen und das Bein angewinkelt mit einem Fuß am Baumstamm. Es erinnerte mich an gestern. Als er auch das Bein anwinkelte und seinen Fuß auf mein Bett stellte. Sein Gesichtsausdruck war irgendwie anders. Er strahlte. Ja genau. Seine Augen strahlten noch blauer als sonst. Hatte er etwa zugehört?
 

Ich ging auf ihn zu, fast als wäre es normal, so fühlte es sich an. Diesmal achtete ich darauf, dass ich nicht zu nahe kam. Ganz sicher sah irgendjemand aus dem Fenster. Als ich sein Lächeln sah, das er nach wie vor beibehielt musste ich plötzlich selbst lächeln.

„Sag bloß, wir gehen jetzt sofort in die Anderswelt?“

Er grinste jetzt und ich konnte seine weißen Zähne sehen. „Ja. Keine Angst, dass sich deine Familie Sorgen macht. Zeit spielt keine Rolle.“

Ich verstand nicht genau was er meinte. „Was meinst du?“

„Ich meine, ganz egal wie lange du in der Anderswelt bist, selbst wenn es Monate sind, wirst du pünktlich zu Hause sein.“

So wirklich verstand ich es immer noch nicht, aber ich beschloss ihm einfach zu glauben.

„Dann lass uns gehen“, lächelte ich.

„Hm.“ Wir liefen nebeneinander ein Stück, aber mit mehr Abstand als letztes Mal. Ich wusste nicht, ob man von mir nicht vielleicht doch plötzlich nur noch eine schwebende Schultasche sah, als ich mich von Naruto plötzlich um die Hüfte gepackt fühlte. Es war ein sicherer Griff aber kein besitzergreifender. Es war okay. Ja. Dann liefen wir noch ein Stück, als ich plötzlich auf einer grünen belebten Wiese stand. Nach der ersten Verblüffung wusste ich – das ist die Anderswelt. Einfach so. Ohne irgendwas? Einfach laufen und dann war man da?

Von Drachen und Feen

Vollkommen sprachlos drückte ich Naruto meine Schultasche gegen die Brust, die er überrascht nahm und ging noch einen Schritt vor. Mein erster Blick ging automatisch nach oben, denn dort flogen Blumen herum. Blüten samt Stielen und Blättern flogen einfach frei in der Luft.

Dann sah ich vor mir auf das Blumenmeer. Von Weiß über Gelb und Rosa bis hin zu hellem Lila waren alle Farben vertreten, allerdings keine wirklich dunklen oder kräftige Farben, nur Pastellfarben. Aber – das hatte ich schon vermutet.

Die einzige Farbe die ich hier gesehen hatte, die wirklich Tiefrot war, war bei Naruto. Und auch das Weiß seiner Kamelien war ein anderes Weiß als dieses.

Die Blütenblätter hatten alle möglichen Formen, leider konnte ich nicht beurteilen, ob sie auch in meiner Welt existierten, weil ich kein Blumenkenner war. Ino hätte es vielleicht gewusst, aber bei mir blühten zu meiner eigenen Überraschung nur die Kamelien. Sogar meine Kakteen hatten nach wenigen Wochen das Zeitliche gesegnet, so dass ich es schließlich aufgegeben und mich damit abgefunden hatte, einen giftigen Daumen zu haben. Ich hatte sogar geredet mit diesen stachligen Dingern, voller Freude eines Morgens eine kleine Knospe entdeckt, die Abends schon wieder verwelkt war. Tz.

Es war ein wirklich prächtiger Anblick, aber plötzlich stutzte ich. Die Insekten hier sahen auch anders aus hatte ich zuerst gedacht, aber mittlerweile hatte ich bemerkt, das sie während des Fliegens goldfarbenen Staub verloren, und Blumen die auf der Erde lagen erhoben sich bei der Berührung in die Luft und schwebten dort oben bei den anderen herum.

Ich bückte mich, um mir das genauer anzusehen.

Sie waren sehr sehr klein und ich musste die Augen zusammenkneifen, die Flügel waren im Verhältnis zum restlichen Körper groß. Ähnlich wie die von Schmetterlingen, aber der Körper war viel kleiner und hell, fast schon weiß. Elfenbeinfarben. Ich traute meinen Augen kaum, als ich menschenähnliche Beine und Arme sehen konnte. Der Körper war umhüllt mit – einem Blütenblatt?

„Sind das Elfen?“ flüsterte ich.

Naruto, der bisher geschwiegen hatte, hörte mich trotzdem.

„Nein, es sind Blumenfeen. Sie ernähren sich von dem Nektar und bestäuben die Blumen, ähnlich wie Bienen und andere Insekten in der realen Welt."

Winzig, kleine Menschen? Ich wagte kaum zu atmen, geschweige denn aufzustehen oder gar zu laufen. Mein Körper verkrampfte sich total. Natürlich bemerkte Naruto das, er machte einen Schritt vorwärts und ich spürte seine Hand, die er wie zur Beruhigung auf meinem Rücken legte.

„Beweg dich nicht“, rief ich.

„Keine Sorge, sie sind viel schneller, als...“

Ein schrecklicher Gedanke schoss mir durch den Kopf.

„Oh mein Gott, gibt es hier Vögel?“

„Äh – ja, gibt es.“

Entsetzt wandte ich ihm das Gesicht zu. „Und, sie fressen die kleinen Menschen,“ stellte ich fest.

Naruto sah mich irgendwie hilflos an. Er atmete tief ein und antwortete dann: „Nein, tun sie nicht, sie fressen Beeren, diese dort“, er zeigte mit dem Finger zu ein paar Bäumen, an denen lilafarbene, birnenförmige Früchte hingen, so klein wie Murmeln.“Und es sind auch keine Menschen, sondern Feen.“

Verärgert stand ich auf. „Also für mich sehen sie aus wie Menschen. Ich beweg mich bestimmt nicht von der Stelle.“

„Tja, dann bleiben wir also hier stehen?“

Entschlossen nickte ich.

Naruto sah mich ratlos an und seine Mundwinkel zuckten. Er wusste anscheinend nicht genau, was er von meiner Reaktion halten sollte.

Schließlich klemmte er sich die Schultasche unter den linken Arm und sah in die Ferne.

Meinen Ausflug in die Anderswelt hatte ich mir ja auch anders vorgestellt, dachte ich leicht verärgert. Der musste jetzt gar nicht so tun, als ob ich ein hoffnungsloser Fall wäre. Er konnte schließlich nicht von mir verlangen, gedankenlos über diese Wiese zu stolpern und die kleinen Wesen unter meinen Schuhen zu zerquetschen.

„Du hättest uns woanders reinbringen können, oder?“ hielt ich ihm vor.

„Ich bin nicht wütend“, meinte er nur. „Außerdem wollte ich dir meine Welt zeigen. Und diese Wiese gehört nun mal auch dazu.“

„Ja. Aber...“, ich schwieg. Ich war froh, dass er nicht wütend war, aber auf der anderen Seite saßen wir nun hier fest wegen mir.

„Wenn ich uns eine Fluggelegenheit besorge, kommst du dann mit?“ fragte Naruto und sah immer noch in die Ferne.

Fluggelegenheit? Damit meinte er wohl seine Kamelien, ich folgte seinem Blick und war schon drauf und dran zu sagen, dass es in Ordnung wäre, als ich in besagter Ferne eine geflügelte Schlange am Himmel entdeckte. Wenn die Entfernungen nicht anders waren, als bei mir, dann war dieses Vieh da riesig. Ich musste schlucken. „Du willst eine fliegende Riesenschlange rufen? Die zerquetscht doch alles hier erst recht.“

„Das ist keine Schlange.“ Er sah mich an. „Es ist ein Drache.“

„Ein...Monster“, es verschlug mir fast die Sprache. „Was denkst du dir nur dabei?“

„Es gibt auch Monster hier, aber das dort ist ein heiliger Drache. Er muss nicht unbedingt landen. Er kann uns einfach mit seinen Pfoten greifen, ich würde zwar lieber auf seinem Rücken sitzen, aber – es geht auch so.“

Zaghaft nickte ich. „Na gut. Ich will ja auch nicht ewig hier stehen bleiben.“

Der Drache kam schnell näher und er war genauso groß wie ich es befürchtet hatte. Für mich sah er trotzdem wie eine Schlange aus, nur eben mit Flügeln und Beinen. Seine Pfoten, wie Naruto sie genannt hatte, sahen wie Krallen aus. Lange Krallen. Ich warf Naruto einen Seitenblick zu. Hoffentlich wusste der, was er tat, nicht das er am Ende schon vergessen hatte, das ich ein sterblicher Mensch war? Von einer Kralle durchbohrt zu werden war nicht gerade das, wovon ich träumte.

Er wirbelte ordentlich Wind auf, aber die kleinen Feen zogen sich in die Blumen zurück, die schützend ihre Blätter schlossen. Ich war so fasziniert von dem Anblick, das ich gar nicht richtig mitbekam, wie der Drache runterkam. Erst als ich schon in seinem Klammergriff war und hochgehoben wurde, wusste ich wieder, was hier abging.

Ich sah nach oben auf den silbern schimmernden Bauch des Monsters, während ich mehr oder weniger mitbekam, wie er eine Kurve flog und uns über die Wiese brachte. Ich hatte Naruto etwas sagen hören, aber ihn nicht verstanden. Jetzt sagte er wieder etwas zu dem Drachen. Es war eine fremde, nie gehörte Sprache. Was er sagte, wusste ich nicht aber wir wurden gleich darauf fallen gelassen. Ich machte mich auf eine harte Landung gefasst denn unter mir war nur Steinboden, aber zu meiner Überraschung fiel ich weich. Ungläubig tastete ich den Boden ab. Das war kein Stein, er ließ sich eindrücken wie Schaumgummi, aber was war es dann?

Naruto war auf beiden Beinen gelandet. Er sah zu mir runter und fragte: „Gehen wir?“

„Hm, ja.“ Ich stand auf, eine ziemlich wackelige Angelegenheit – und sah nochmal zurück zur Wiese. Als wäre dort eine unsichtbare Grenze hörte sie einfach in einer geraden Linie auf. „Du sagtest, es gibt hier Monster?“

„Ja. Sasuke?“

„Hm?“ ich wollte ihn immer noch nicht ansehen. Wahrscheinlich hielt er mich für ein Weichei.

„Es gefällt dir hier nicht, hab ich recht?“ Seine Stimme klang so traurig, dass ich mich automatisch nach ihm umdrehte.

„Doch. Es ist nur ungewohnt.“

Naruto hatte seine Haltung nicht verändert. Er trug meine Schultasche unter dem Arm und sah immer noch traurig auf den seltsamen Boden. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Es war seltsam, aber ich fühlte mich ihm plötzlich sehr nahe. So hat er damals ausgesehen, dachte ich. Als keiner mehr etwas mit ihm zu tun haben wollte.

Ohne es zu wollen hatte ich ihn verletzt.

„Ich sag dir schon Bescheid, wenn es mir nicht mehr gefällt“, sagte ich betont laut und energisch. Naruto sah mich an. „Ich will aber nicht, dass du mich für ein Weichei hälst.“

„Tu ich nicht.“ Er lächelte etwas. „Das du keines bist hast du ja vorhin in der Schule eindrucksvoll bewiesen.“

„Oh.“ Das hatte ich komplett vergessen. „Na gut, was ist das hier?“ Ich drückte meinen Fuß gegen den Boden.

„Ach, nur eine Larve.“

„W...wie bitte? Eine Larve ist das? Was schlüpft denn da raus?“

„Ein Drache natürlich. Was sonst?“

So natürlich fand ich das gar nicht. Legten die denn keine Eier?

„Dann – lass uns schnell verschwinden.“ Ich entschied, das mir die Drachen in dieser Welt gestohlen bleiben konnten.

Der Wald der Liebe

Naruto sprang plötzlich auf der Larve auf und ab, wie auf einer Hüpfburg, laut „Juhuuu“ rufend ließ er sich dann auf den Hintern fallen und rutschte einfach hinunter, als sei das eine Rutschbahn. Ich hätte jetzt vielleicht sprachlos den Kopf geschüttelt, aber meine Gedanken gingen im Moment in eine andere Richtung.

„Hoffentlich ist da auch wirklich die Rückseite, denn vorm Kopf – genauer vorm Maul - der Larve möchte ich nicht unbedingt landen,“ dachte ich bevor ich es Naruto gleich tat, allerdings ohne vorher zu jubilieren.

Unten angekommen fühlte ich mich schon erheblich sicherer. Vor mir lag ein hellgelber Sandweg. Sicherheitshalber fragte ich nach.

„Ja, das ist Sand“, erklärte er mir fast schon stolz. „Unsere Welten sind nämlich gar nicht so verschieden, musst du wissen.“

Ich bemühte mich um ein möglichst zustimmendes Nicken und sah den Weg entlang, weil ich wissen wollte wo er hinführte, während Naruto sich bückte und meine Schultasche aufhob. Schätzungsweise sechs- oder siebenhundert Meter weiter führte der Weg in einen Wald hinein. Der hatte tatsächlich große Ähnlichkeit mit einem ganz normalen Wald. Auf den ersten Blick zumindest. Aber nach Riesenlarven, Heiligen Drachen und Blumenfeen traute ich der Sache noch nicht so ganz.

Rechts von mir lag wieder eine Wiese, allerdings ohne Blumen. Und dahinter in großer Entfernung sah ich Nebel. Ich konnte die Umrisse eines Berges ausmachen, sowie eine Art Schloss oder Burg die darauf stand. Alles grau in grau. Irgendwie trostlos.

„Was liegt dort?“ fragte ich Naruto.

Er wandte sich nach rechts und sagte, als sei es die normalste Sache der Welt: „Dort beginnt das Reich der Dämonen. Die Monster nach denen du gefragt hast.“

„Dämonen? Aber was haben die denn hier verloren? Ich meine, du bist ein Gott und...“

„Ich bin ja nicht der einzigste Kami hier. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass Götter und Dämonen in der gleichen Welt leben.“

„T...tatsächlich – wenn du es sagst, aber seid ihr nicht natürliche Feinde?“

Naruto wiegte den Kopf hin und her, bevor er antwortete. „Das hat auch etwas mit dem Gleichgewicht zu tun. Ohne Dunkelheit, kein Licht, ohne Tod kein Leben.“

Okay, das war auf gewisse Art und Weise einleuchtend, wenn auch überraschend. Ich zeigte auf den Wald in der Hoffnung, das wir diesen Weg nehmen würden.

„Müssen wir da lang?“

„Ja.“

Ich setzte mich in Bewegung, sonst hätte ich noch nach sicheren, meterhohen Grenzen und super starken Helden gefragt, die sie bewachen würden.

Naruto kniff die Augen zusammen und hakte sich mit einem glücklichen Grinsen bei mir ein. Das war mir nur recht. Aber - „jetzt trägt er tatsächlich meine Tasche“, dachte ich.

Nach ein paar Schritten flog ein durchsichtiger Mensch an uns vorbei. Aber das eigentlich gruselige war, das er uns ansah.

„Ein Geist?“ fragte ich irritiert und sah der Gestalt nach.

„Nein, ein Astralkörper.“

„Astralkörper, davon habe ich schon gehört, was genau bedeutet das?“

„Irgendwo auf der Erde ist ein Mensch eingeschlafen und sein Astralkörper wandert hier solange herum, bis er aufwacht. Oder jemand hat sich ganz bewusst in diesen Zustand versetzt, eine Art Selbsthypnose, die durch Meditation erreicht werden kann, um herzukommen. Unsere Welten liegen dicht beieinander und überschneiden sich an manchen Stellen sogar. Zum Beispiel beim Bermudadreieck. Das ist wohl eines der bekanntesten Tore.“

„Das ist cool“, ich war beeindruckt. „Kann ich das auch?“

„Wozu? Du kannst doch einfach so herkommen.“

„Auch wieder wahr.“

Naruto lehnte sich enger gegen mich. „Das da ist der Wald der Liebe.“

Ich spürte wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.

„Wieso das? ...Äh...“ ich blieb stehen. Auch ohne Narutos Erklärung waren wir mittlerweile so nah herangekommen, dass ich mir denken konnte, warum dieser Wald so hieß.

Die Bäume rechts und links des Weges hatten einen glatten, hellbraunen Stamm und zahlreiche Äste. Mit diesen hatten sie sich gegenseitig umklammert oder aus der Sicht eines Baumes vielleicht auch umarmt, wobei der linke Baum mit einem seiner Äste den Stamm des Rechten streichelte.

Als ob ich es nicht schon geahnt hätte. Nein, dieser Wald hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Wald von der Erde.

Ich hörte ein Rascheln und sah nach oben in die Baumkronen. Grade wurde ein ganzer Schwung Blätter von einem Baum rüber zum Anderen geworfen und von diesem geschickt aufgefangen.

„Und – hier müssen wir jetzt durch?“ ich unterdrückte ein Seufzen. Aber die Aussicht durch einen Wald voll liebeskranker Bäume laufen zu müssen war ziemlich peinlich.

Naruto dagegen nickte mit strahlendem Gesicht, löste seinen Arm von meinem und legte ihn mir stattdessen um die Schulter. Unwillkürlich fragte ich mich, ob hier Ansteckungsgefahr bestand.
 

Zum Glück schlängelte sich der Sandweg vollkommen frei von irgendwelchem Grünzeug durch den Wald der Liebe. Wir würden also einfach die knutschenden Bäume ignorieren müssen, und schon waren wir ohne jedes Trauma wieder draußen. Gut. Ich ballte die Fäuste und marschierte los. Als wäre ich gegen eine Mauer geprallt ließ ich mich wieder zurückfallen. Naruto kniete sich erschrocken neben mich. „Was ist los? Sasuke?“

„Hast du das nicht gemerkt?“ Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und dankte dem Himmel für meine schnellen Reflexe. „Ich war plötzlich nackt.“

„Ach so, das.“ Naruto sah erleichtert aus. „Keine Sorge, das liegt an dem Wald, in Wirklichkeit sind wir überhaupt nicht nackt.“

Also Einbildung? Vielleicht lag es an der Luft, ja das wäre möglich. Man bildete sich ein, man selbst und sein Gegenüber wäre nackt. Ich stand auf: „Also gut, auf ein Neues.“

Diesmal war ich vorbereitet. Ich vermied es strikt Naruto anzusehen, außerdem war es ohnehin nur Einbildung, eine Wunschvorstellung. Da könnte man ja auch mal hinsehen, zumal Naruto sich auch nicht damit zurückhielt. Ich fragte mich, was er wohl sah, in seiner Phantasie. Aber - es war kein Eingriff in die Privatsphäre, schließlich war es nicht echt. Nachdem ich zu diesem Schluss gekommen war, und einen Blick riskieren wollte, hörte ich plötzlich ein helles „Klong.“

„Was war das schon wieder?“

„Einhörner. Es ist gerade Paarungszeit.“

„Verstehe. Sie streiten sich um ein Weibchen.“

„Nein.“

„Wie – nein. Ist das nicht so wie bei zwei Hengsten zum Beispiel?“

„Nein, nicht ganz. Einhörner sind Zwitter. Sie streiten sich darum, wer welche Rolle übernehmen soll. Einig sind sie sich schon. Den anderen zum Partner zu wollen, meine ich.“

Total verrückt, dachte ich. Egal. „Lass uns nachsehen, Naruto, geht das? Von Einhörnern hab ich schon viele Bilder gesehen, ich würde gerne wissen, wie sie wirklich aussehen.“

Naruto zögerte, meinte dann aber, okay nur sollten wir uns nicht von ihnen erwischen lassen.

Ich fühlte seine Hand mit der er mich sanft vom Weg drückte und es fühlte sich so an, als läge sie tatsächlich auf meiner nackten Schulter.

„Hör mal, ich hab meine Kleider noch an, oder?“ wollte ich mich nochmal vergewissern.

„Ja.“

„Gut.“

„Sie sind eben nur feinstofflich.“

„Feinstofflich?“

„Ja. Nicht vorhanden.“

„NICHT VORHANDEN!!!“

„Doch, doch! Beruhig dich, ich hab mich unklar ausgedrückt. Sie sind vorhanden, aber unsichtbar, wie der Astralkörper vorhin, genauso, wie ich für andere Menschen nicht existiere, wenn ich in deine Welt komme.“

Naruto redete noch weiter, aber ich hörte nicht mehr hin.

„Kannst du das...irgendwie ändern?“ presste ich zwischen den Zähnen hervor.

„Ja, wir müssen doch nur den Weg verlassen, siehst du?“

Er trat vor mich und war wieder angezogen. Ich beeilte mich, von diesem schändlichen Weg ebenfalls herunterzukommen.

Erleichtert registrierte ich, das ich meine Schuluniform wieder sehen konnte. Tz, dieser verdammte Wald, dachte ich.

„Lass mich raten. Wenn jemand nach einem Partner sucht, kommt er hierher.“

Naruto sah mich begeistert an. „Wow, Sasuke. Du bist wirklich klug.“

Zeitunterschied zwischen den Welten

„Ja, ich weiß,“ antwortete ich und lief ein wenig schneller in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Bloß schnell weg von hier und über irgendetwas reden, nur nicht über – Kleidung. Besonders nicht über eine, die nicht existierte, aber die es trotzdem gab. Verwirrend.

Außerdem wollte ich nicht, dass Naruto mein rotes Gesicht sah. Sogar meine Ohren glühten, nur gut, das sie von meinen Haaren bedeckt wurden. Was Besseres als Reden fiel mir nicht ein, um mich von der Erkenntnis abzulenken, das er mich nackt gesehen hatte. Es war einfach etwas anderes, als die öffentlichen Bäder. Hätte ich nur hingesehen, dann hätten wir immerhin Gleichstand, ärgerte ich mich.

„Sag mal, Naruto, wo werden die Seelen eigentlich aufbewahrt, gibt es auch so etwas wie ein Seelenkrankenhaus?“

Ich hielt das für gut möglich. Oder ein Seelen-Reha-Zentrum.

Naruto rannte hinter mir her, weil ich unbewusst ein forsches Tempo eingelegt hatte.

„Nein.“

Seine Stimme klang jetzt anders.

War er etwa sauer?

„Sie sind in mir,“ fuhr er fort.

Nein, er war nicht sauer, er war in seinem Kami-Modus. Sozusagen.
 

Ich hielt an und wartete bis er neben mir stand. „Alle Seelen, die in dieser Welt auf ihre Wiedergeburt warten, die sind in dir?“

Ich dachte an die vielen Menschen, die es gab. Das war doch eigentlich unmöglich.

„Ja.“ Er stemmte einen Arm in die Hüfte und reichte mir meine Tasche. „Alle für die ich verantwortlich bin. Ich heile sie.“

Oh, das war beeindruckend. „Auch Kuruge? Und – gibt es Seelen, die nicht geheilt werden können?“

„Ja, die gibt es leider auch. Zum Glück gibt es auch Seelen, die so hochentwickelt sind, das sie eine Heilung überhaupt nicht nötig haben.“

„Was heißt das?“

„Es gibt nichts, was sie bereuen müssten. Aus der Zeit ihres Lebens, das sie auf der Erde verbracht haben.“

„Verstehe. Und die werden dann Götter,“ stellte ich fest.

Das erschien mir nur logisch. Und die Unheilbaren wurden zu Dämonen. Klare Sache, das.

Naruto schüttelte den Kopf. „Nein, so ist das nicht. Manche gehen sogar zurück, um den Menschen, die noch nicht so weit sind, zu helfen.“

Das klang in meinen Ohren gut, aber Naruto sah unglücklich aus. Ich wollte schon fragen, was los ist, als er mir zuvor kam.

„Es tut mir leid.“

„Was denn?“ fragte ich etwas durcheinander.

„Ich war so glücklich, dich bei mir zu haben, dass ich...es gibt keine Zeit hier, aber dein Körper ist nicht von dieser Welt.“

„Ich verstehe nicht, was du mir damit sagen willst.“

„Wir sind schon eine ganze Weile hier. Ich habe leider keine Ahnung wie lange, aber du hast sicher Hunger und vor allem Durst.“

Ich schüttelte den Kopf und wollte sagen, das ich weder Hunger noch Durst hatte, aber Naruto kam mir wieder zuvor. „Du merkst es nicht, wenn du durstig bist.“

Ach so. Er war nicht wirklich unglücklich, er hatte Schuldgefühle?! Aber um ehrlich zu sein, ich wusste auch nicht, wie lange wir schon hier waren. Das waren ja ganz neue Aspekte. Nachdenklich rieb ich mein Kinn und überlegte. Ein Mensch konnte drei Tage ohne Wasser und drei Wochen ohne Essen leben. Bei Katastrophenfällen hatte man auch schon Leute lebend geborgen, die es länger ausgehalten hatten, also bezog sich diese angegebene Zeit von drei Tagen und drei Wochen vielleicht eher auf, solange konnte man es ohne gesundheitliche Schäden aushalten. Genau wusste ich das nicht.

Bei der Wiese, vielleicht hatten wir eine halbe Stunde dort gestanden. Um auf Nummer Sicher zu gehen, rechnete ich eine Stunde. Und waren ziemlich schnell auf dem Drachenabkömmling gelandet. Ich seufzte. Zum Nachdenken legte ich mich am Liebsten hin.

„Was ist?“ fragte Naruto.

„Ach, ich wünschte wir hätten ein Bett,“ antwortete ich ihm.

Gleich darauf hörte ich hinter mir knarrende und raschelnde Geräusche. Überrascht drehte ich mich um.

Einer der Bäume streckte dünne Äste etwa Eineinhalb Meter über dem Boden und im Abstand von vielleicht zwanzig Zentimetern aus. Sein Gegenüber tat das Gleiche, nur von der Seite her. Sie legten ihre Äste übereinander, so dass es aussah wie lauter kleine Quadrate.

„Was machen die da, was wird das?“

„Ein Bett“, antwortete Naruto. „Sag ihnen, du musst ohnehin zurück.“

Ich sollte das sagen? Diese Bäume gehorchten mir, erfüllten meine Wünsche? Plötzlich waren sie mir wesentlich sympathischer, als zuvor. Einer schüttelten seinen Kopf – äh – seine Krone und jede Menge Blätter fielen auf das Gerüst. Der andere pickte sich währenddessen Moos, jedenfalls sah es wie Moos aus und ich hoffte inständig, das es Moos war, vom Stamm und vom Boden und legte es dazu. Obendrein mischten und glätteten sie es mit ihren Ästen.

„Wow. Das ist ja – so was von cool.“

Ich leistete im Stillen Abbitte wegen irgendwelcher Gedanken, mit denen ich die Bäume zuvor gestraft hatte, und testete gleich mal das Bett aus.

Es lag sich wirklich super darin, ich hätte auf der Stelle einschlafen können. Nach all der Mühe war es nur recht und billig, mich zu bedanken, dachte ich.

„Vielen Dank, ihr Beiden“, sagte ich. „Aber ihr müsst es gar nicht so breit machen, soviel Platz brauche ich...“ nicht, wollte ich sagen, als mir schlagartig klar war, was hier gespielt wurde.

Sofort sprang ich wieder herunter und schüttelte wütend die Faust. „Ihr verkommenen Bäume, was denkt ihr euch dabei?“

Naruto legte mit einem schiefen Lächeln seine Hand auf meine Faust. „Das ist nun mal der Wald der Liebe. Das kannst du ihnen nicht übelnehmen.“

„So? Da bin ich anderer Meinung.“

Naruto legte mir plötzlich und vollkommen unerwartet seine Arme um den Hals und küsste mich. Obwohl es so überraschend kam, legte ich meine Hände an seine Hüften, zog ihn näher zu mir und erwiderte seinen Kuss. Er reagierte, indem er seine Umarmung noch verstärkte.

Ich sah in diese Sterne von blauen Augen, in denen ich mich wirklich verlieren konnte und fragte mich, wie sie nur so unschuldig aussehen konnten. Ein nervtötender Gedanke bohrte sich unvermittelt in meinen Kopf. Dieser überraschende Kuss – ohne jede Vorwarnung – was wenn es nur der Wald war, der ihn dazu getrieben hatte?

Schließlich produzierten Bäume Sauerstoff und wer wusste schon, was es in dem von diesen speziellen Bäumen produzierten Sauerstoff so an Aphrodisiakum gab? Aber loslassen wollte ich ihn auch nicht. Ich beugte mich runter zu einem weiteren Kuss, Naruto brachte plötzlich seine Lippen an mein Ohr und flüsterte: „Dein Körper ist – nein du bist wirklich wunderschön.“

Ach ja. Da war doch etwas gewesen, was ich eigentlich vergessen wollte. Kein Zweifel. Es war der Wald. Auf Naruto hatte er sicher viel mehr Einfluss, als auf mich. Ich spürte, wie sich mein Gesicht bei dem Gedanken, dass Naruto hier auch mit irgendwelchen anderen Wesen spazieren ging, verzog.

„Mit wem – warst du denn sonst so hier?“

„Eifersüchtig?“

„Natürlich nicht.“

Naruto lachte leise. „Mit keinem, den ich geküsst hätte.“

„So hab ich das auch gar nicht gemeint.“

„Dann ist ja alles gut. Ich hatte schon Angst, du vertraust mir nicht. Denn weißt du, auf mich als Kami hat der Wald hier keinen Einfluss, auf dich zum Glück auch nicht, weil du nicht von dieser Welt bist.“

Ich fühlte mich aufs Unangenehmste ertappt.

Naruto machte einen Schritt zurück, als würde er mich loslassen wollen, stieß einen Seufzer aus, lehnte sich wieder an mich und wir küssten uns erneut.

Dann schob er mich von sich, mehr oder weniger, eher weniger, es schien ihm genauso schwer zu fallen wie mir und er hatte praktisch so gut wie keine Distanz zwischen uns gebracht, als er sagte:

„Aber jetzt – musst du zurück.“

Sein Atem streifte meine Haut. Ich überlegte, ob ich nicht noch was in der Tasche hatte. Nein, das Brot hatte ich weggeworfen, sonst hätte es Ärger mit meiner Mutter gegeben und die Milch hatte ich auch leer getrunken.

„Lass mich wenigstens noch die Einhörner ansehen.“

Ich konnte sehen, das Naruto nickte während ich schwungvoll auf das provisorische Bett geworfen wurde. Naruto folgte und bohrte mir dabei schmerzhaft den Ellbogen in die Rippen.

Immerhin war ich jetzt wieder bei Verstand. Mein Rücken schmerzte auch. Das würde einen wunderbaren, blauen Flecken geben.

„Sasuke, alles okay?“

„Ja“, stöhnte ich. „Was war das? Wer hat uns so übel gestoßen?“

„Äh – na ja, die Bäume, wer sonst,“ bekam ich eine verlegene Antwort.

Ich stand auf. „Du musst dich für diese verrückten Bäume nicht entschuldigen, schon okay, ich werd´s überleben.“ Oder fand er meine Frage etwa zweideutig? Als ob ich so primitiv wäre.

Ich half ihm aufzustehen und bemerkte, dass die Klong-Geräusche, die immer heftiger geworden waren, jetzt total verstummt waren.

„Wo sind sie denn jetzt?“

„Hm.“ Er überlegte. „Vielleicht beim See?“

„Beim See? Aber da kann ich doch trinken. Ah ja, da fällt mir ein, es gibt doch auch diese seltsamen Beeren, die man essen kann.“

„Oh nein, du darfst von dieser Welt nichts essen oder mitnehmen.“ Er drehte mir schon den Rücken zu, bevor ich fragen konnte, warum ich das nicht dürfe. Mit Schrecken erkannte ich eine mir schon vertraute Bewegung. Naruto streckte seinen linken Arm aus.
 

In der nächsten Sekunde waren wir von Kamelien eingehüllt. Ich hatte sie nicht mal kommen sehen, und gleich darauf fühlte ich mich wie in einer Achterbahn. Genau an der Stelle, wo es zum ersten Mal abwärts ging. Instinktiv hatte ich die Augen geschlossen und jetzt stand ich vor unserem Haus.
 

Naruto sah mich noch kurz entschuldigend an und verschwand dann einfach.

Was – hatte das denn zu bedeuten? Ich wollte nach ihm rufen, denn ganz sicher würde er mich hören, aber nur ein Krächzen kam aus meinem Mund. Ich fasste an meine Kehle, sie fühlte sich total trocken an und ich wollte nur noch eines. Wasser. Nur gut, das ich schon vor der Tür stand, ich klingelte Sturm und rannte an meinem verdutzten Bruder, der ewig lang gebraucht hatte, für die paar Schritte zur Tür, so kam es mir jedenfalls vor - vorbei in die Küche.

Er kam mir nach, und faselte irgendetwas, aber ich hörte nicht zu, ich war nämlich wirklich gerade am Verdursten.

„Puh, das hat gut getan.“ Ich wandte mich zu Itachi. „Wie lange war ich weg?“

„Was meinst du? Du hattest heute acht Stunden oder?“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Hat Mutter dich gebracht? Oder hattest du früher aus?“

Ich sah zur Küchenuhr. Es waren zwei Minuten seit Schulschluss vergangen. In dieser Welt. Und wie lange war ich drüben? Meinem Durst nach mindestens einen halben Tag lang, vielleicht sogar noch länger.
 

„Das nächste Mal nehme ich mir was zu trinken mit. Wegen dem konnte ich jetzt die Einhörner nicht sehen.“

Ich ignorierte Itachi und ging zum Kühlschrank. Hungrig war ich jetzt auch. „Und eine Uhr nehme ich auch mit.“

Perfekt

Ich lag im Bett und drückte zum x-ten Mal auf den kleinen Knopf, so dass eine Minilampe anging und ich auf die Uhr sehen konnte. Schon ein Uhr. Und ich war nicht mal müde.

Itachi hatte mir seine alte Uhr geliehen, ich selbst trug so gut wie nie eine. Auch keine Ringe oder dergleichen. Den Druck hatte ich immer als störend empfunden und so landete jedes Schmuckstück, außer Halsketten, in einer Schublade und verschwand irgendwann während eines erneuten Umzuges. Aber um die Uhrzeit in der anderen Welt ging es mir auch nicht. So etwas gab es dort ohnehin nicht.

Nicht einmal Naruto hatte genau gewusst, wie viel Zeit für mich vergangen war und sich Sorgen gemacht. Ich wäre glatt noch weitergegangen, aber als ich zurückkam hatte ich gemerkt, das ich (vor allem) ganz schön dehydriert war. Es war in beiden Welten heiß, dass hätte unter Umständen schon ins Auge gehen können.
 

Es ging mir nur darum, wie viel Zeit verging und ich hoffte, dass das überhaupt funktionierte. Wenn nicht würde ich einfach auf Naruto hören und ihn nicht damit nerven, dass ich noch dieses oder jenes sehen wollte. Ich würde nicht mehr so ungeduldig sein und schon gar nicht eifersüchtig. Schließlich hatte er selbst zu mir gesagt, dass er seinen ersten Kuss mit mir hatte.

Aber der Zeitunterschied, oder besser gesagt der Unterschied, wie dort die Zeit verging im Vergleich zu hier, kam mir sehr gelegen. Ich konnte mit Naruto viel Zeit verbringen, gleichzeitig aber auch in meiner Welt. Sprich mit meiner Familie. Besser ging´s doch gar nicht.

Für einen Moment hatte ich auch überlegt, Itachi zu erzählen, ich wäre schwul, aber – das stimmte nicht. Nicht wirklich. Jungs interessierten mich nicht. Wäre Naruto ein Mädchen gewesen, hätte ich das Gleiche empfunden, das war auch etwas Neues, was mir klargeworden war, seit ich aus der Anderswelt zurück war. Klar, ich war schon früher dort gewesen, aber noch nie so lange. Und es war nicht nötig, meinen Freund zu fragen, ob er mich morgen holen würde. Ich wusste es auch so.

Wenn ich doch nur einen Schalter am Kopf hätte, den ich einfach umlegen könnte, aber ich war viel zu aufgeregt um zu schlafen.

Wir hatten Wochenende, die Hausaufgaben hatte ich auch schon erledigt, und eine kleine Tasche hatte ich natürlich auch gepackt mit einer großen Wasserflasche und Vollkornbutterbroten. Zur Sicherheit hatte ich auch noch eine kleine Taschenlampe dabei, auch wenn ich sie vermutlich nicht brauchen würde.

Nebenbei war ich gestern noch losgezogen und hatte für Naruto ein Geschenk besorgt. Nach dem, was ich bis jetzt wusste, würde ich es Naruto wahrscheinlich nicht mitgeben können, aber – ich wollte es ihm dennoch schenken. Einfach, um ihm eine Freude zu machen, um ihm zu zeigen, wie froh ich über unsere Freundschaft war. Vielleicht konnte er es hier tragen, wenn er es nicht mitnehmen durfte?

Ich legte mich auf die Seite und stellte mir eine Herde Einhörner vor, die über die Blumenwiese preschten gemeinsam mit Blumenfeen als Reiter beziehungsweise Reiterinnen. Vor meinem geistigen Auge tauchte aber plötzlich Naruto auf, wie er auf einem Einhorn durch diese Anderswelt ritt, und er sah wunderschön aus. Er war nur undeutlich zu sehen, wie so viele Dinge in dieser Welt und die Sonne ließ sein blondes Haar wie flüssiges Gold glänzen.
 

Mutter weckte mich um zehn Uhr. Ich war überrascht, normalerweise ließ sie mich auch Samstags nicht solange schlafen. Ausgeruht streckte ich mich und gähnte ihr ein dankbares „Morgen“ entgegen. Es brachte mir eine Mischung aus Lachen und Kichern ein und als ich zur Tür sah, konnte ich Itachi hinter ihr entdecken, der mir verschwörerisch zu zwinkerte und grinste.

Er weiß Bescheid. Und er weiß, wer es ist.

Mutter strahlte förmlich, anscheinend wusste sie nicht, um wen es ging, Itachi hob lässig die Hand, für den war es okay? Beide verschwanden.

Nach dem ersten Schock war ich ganz froh, dass Itachi es wusste. Ich hatte ohnehin überlegt, ihm von Naruto zu erzählen, aber er kannte mich ja gut und zwar ganz offensichtlich viel besser, als ich angenommen hatte. Dennoch, dass er mich so einfach und vor allem so schnell durchschaut hatte, war ein wenig – ärgerlich.

Ob er es schon gewusst hatte, als ich Naruto mitbrachte oder zumindest geahnt? Das wollte ich unbedingt wissen, ich nahm mir vor ihn danach zu fragen. Es tat trotzdem gut, einen so nahestehenden Menschen aus der Familie zu haben, der hinter einem stand. Ich sah zum Fenster. Hansuki war mir natürlich auch wichtig, aber das war wieder etwas anderes. Wir würden sehr wahrscheinlich bald wieder umziehen, und diesmal war ich sogar froh darüber, und in der neuen Stadt oder gar Land gab es keine Hansuki mehr.

Aber es gab Naruto. Ganz egal, wohin ich ging.

Ich ließ mich wieder zurück ins Bett fallen.

Es schien wieder ein schöner Tag zu werden. Und ich fühlte mich vollkommen zufrieden. Es war verrückt, aber ich konnte mir kein besseres Leben vorstellen, als meines und hätte für nichts auf der Welt mit irgendwem tauschen wollen. Alles schien einfach – perfekt zu sein. Wenn mir das jemand vor wenigen Wochen gesagt hätte, das ich so fühlen würde, das es vollkommen in Ordnung für mich war umzuziehen, selbst wenn es bis zum Nordpol sein würde, ich hätte entweder ihn für verrückt erklärt oder mir um mein eigenes geistiges Wohl arge Sorgen gemacht.

„Yoscha“, ich raffte mich auf. Zwanzig Minuten später saß ich am Frühstückstisch. Vater war auch zuhause, selbst Samstags eher eine Seltenheit und erklärte meiner Mutter die Funktionsweise eines neuen Bohrers, an dessen Erfindung er nebenbei arbeitete. Ich nahm mir eine Schüssel Haferflocken mit Milch zum Frühstück und süßte mit Honig nach. Verwundert bemerkte ich, das mir mein Vater immer wieder leicht irritierte Blicke zuwarf. Seltsam genug, wo er mich doch sonst nie beachtete.

Und noch merkwürdiger, er versuchte wohl, ein Gespräch mit mir anzufangen. „Du siehst gut aus, mein Sohn.“

Zuerst reagierte ich nicht, weil ich dachte, er meint Itachi. Bis ich einen Tritt gegen mein Bein erhielt.

„Danke, du auch Vater.“ Ich wandte mich wieder meinem Frühstück zu.

Mutter beugte sich zu Vater und flüsterte ihm deutlich hörbar ins Ohr: „Sasuke ist verliebt. Er hat eine kleine Freundin.“

„Oh.“ Mein Vater räusperte sich. „Ähm Sasuke.“

„Ja, Vater?“

„Wir sollten uns mal unterhalten, meinst du nicht?“ fragte er, aber es hörte sich mehr nach einer Tatsache an.

„Worüber denn?“ Hoffentlich will er mir nichts von seiner Erfindung zeigen, dachte ich.

„Ein Vater-und-Sohn Gespräch.“

Das war übel. Mit einem Schlag war mir der Appetit vergangen, aber ich zwang mich weiter zu essen. Ich hielt es nicht für ausgeschlossen, das Naruto in der Lage war, meinen Energielevel zu spüren. Und wenn er ihm nicht gefiel, wurde ich wieder nach Hause gebracht.

„Wie du meinst.“
 

Nach dem Essen wollte ich nach oben. Aber ich wollte auch mit Itachi sprechen. Wir hatten uns bei Tisch einige Male angesehen und er schien auch reden zu wollen. Es überraschte mich also nicht weiter, als er gleich nachdem ich fertig war, selbst aufstand und seinen Teller wegbrachte.

Ich setzte mich an meinen Laptop und tippte Enter. Immerhin, Itachi klopfte an.

Noch auf dem Stuhl sitzend drehte ich mich zur Tür und rief: „Komm rein.“

Itachis Gesicht erschien als erstes zwischen Rahmen und Tür und strahlte pure Neugier aus.

Dann kam er selbst rein, schloss hinter sich wieder die Tür, ließ sich auf mein Bett fallen und sagte einfach: „Erzähl.“

„Wie? Was erzählen?“

„Komm schon, ich weiß doch was los ist. Du und dein Freund.“ Er zeigte mir den kleinen Finger.

„Das meine ich nicht. Ich streite es ja nicht ab. Aber – was genau willst du denn wissen?“

„Du – gibst es zu? Einfach so!?“ fragte er mich verblüfft.

Ich zuckte nur mit den Schultern und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Verstehe. Du bist glücklich!“ stellte er fest.

„Ja. Ja, das bin ich.“

Nachdenklich sah er auf mein ungemachtes Bett.

Als ich schon dachte, da kommt doch nichts mehr, rieb er sich die Nase, danach die Stirn. „Liebst du ihn denn wirklich? Ist es nicht vielleicht eher eine Schwärmerei?“

Ich war enttäuscht. Akzeptierte er es doch nicht, hatte ich mich geirrt?

„Weißt du“, Itachi sah angestrengt auf seine Fingernägel, „Naruto ist so alt wie du, nicht wahr? Oder jünger? Jedenfalls nicht volljährig, und – also ...“ Itachi schwieg.

„Keine Sorge, für was hälst du mich.“

Itachi wurde rot. „Nein, das meinte ich überhaupt nicht.“ Fluchtartig verließ er mein Zimmer.

Ich zuckte nur die Schultern. Von mir aus. Bevor Naruto kam wollte ich noch nachsehen, ob ich im Internet etwas über die Anderswelt fand.

Ein Geschenk

Nun ja. Die Anderswelten waren Welten jenseits der hiesigen Welten. Eine erstaunliche Erkenntnis.

Interessanter war vielleicht das man behauptete dort lebten Feen, Elfen, Zwerge, Kobolde, Einhörner, Meerjungfrauen, Drachen und Hexen etc.

„Woher wissen die von den Feen und Drachen?“ murmelte ich.

„Von den Menschen, die dort waren.“

Ich warf Naruto einen Seitenblick zu und musste leicht lächeln. Wenn er dachte, er hätte mich überrascht, hatte er sich getäuscht. Den Luftzug und den anschließend Blumenduft hatte ich natürlich längst bemerkt.

„Menschen wie mich?“ fragte ich.

„Nein, du hast doch den Astralkörper gesehen.“ Er kam näher.

„Oh, ich verstehe und die ganzen Märchen kommen von den Erzählungen dieser Leute? Die in der Lage waren die Anderswelt zu sehen?“

„Genau.“ Er schwieg und sah mich bewundernd an. Vermutlich hielt er mich für klug.

„Schau nicht so. Das – äh – war ja nicht schwer zu erraten.“

Ich klappte den Laptop wieder zu. „Also von mir aus kann´s losgehen – ah“, ich stieß einen Schrei aus. „Das hätte ich fast vergessen, warte mal.“ Ich stand schnell auf und lief zu meinem Rucksack.

Vor Naruto leerte ich ihn erst mal aus. „Schau mal, kann ich das mitnehmen?“

„Hm, ja. Aber dann müssen wir zuerst zu mir gehen. Dort kannst du es lassen.“

„Wie? Ich kann es nicht bei mir tragen, wenn wir herumlaufen?“

Naruto schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid.“

Ich verstand nicht, warum nicht. „Ist unser Wasser nicht rein genug?“

„Doch, schon, also – es ist natürlich anders. Das Problem ist, das es viele Wesen anlockt, die ruhig wegbleiben können. Aber bei mir ist es sicher.“

„Und – wie sieht es mit einem Geschenk aus? Eine Kette zum Beispiel.“

Naruto lächelte mich an.

Ich öffnete die kleine Samtschachtel, die auf dem Bett neben den anderen Sachen lag und nahm eine Goldkette mit Herzanhänger heraus. Plötzlich schämte ich mich. Ich fand sie schrecklich kindisch. „Also – ich dachte, als Zeichen unserer Verbundenheit,“ Himmel wie idiotisch von mir, was war da nur in mich gefahren?, Naruto war neugierig neben mich getreten. „Sie ist wunderschön, Sasuke.“

„Tja also,“ ich drehte den Anhänger um, um nach dem Namen zu sehen, Sasuke stand da und ihn ihm zu zeigen. Sie war groß genug, das sie leicht über seinen Kopf ging. Naruto nahm den Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger, sah ihn liebevoll an und meinte schließlich: „Ich werde sie nie wieder ausziehen.“

„Ehrlich, geht das?“

„Hm.“ Er nickte mir zu. „Du bist süß.“
 

Itachi platzte herein, dabei war es gerade so schön romantisch gewesen. „Wegen vorhin, du hast mich falsch verstanden – oh.“

Er sah Naruto an und der hob grüßend die Hand. „Yo.“

„Hey, schön dich zu sehen.“ Itachi lächelte schwach, aber er hätte es nicht gesagt, wenn er es nicht ehrlich so meinen würde, was war nur mit ihm los? Und warum konnte er Naruto sehen? Das würde ich Naruto noch fragen müssen, aber ich hatte ganz vergessen, dass ich Itachi noch was fragen wollte.

„Itachi, seit wann weißt du es?“

Ich spürte Narutos Blick.

„Seit gestern.“ Dann steuerte er auf Naruto zu. „Hör mal, mein kleiner Bruder liebt dich wirklich, also bring ihn nicht zum Weinen, verstanden?“

Hilfe. Ich hätte so gerne laut um Hilfe geschrien.

„Bestimmt nicht, ich liebe deinen kleinen Bruder auch.“

Itachi nickte zufrieden.

„Was zur Hölle...“ Mist, er hatte die Sachen auf meinem Bett entdeckt.

„Wir wollten einen Ausflug machen,“ erklärte Naruto.

Itachi sah ihn kurz an und musterte dann die Sachen. „Man merkt, das ihr nicht gerade oft unterwegs seid.“

Naruto machte ein überraschtes Gesicht. Ich überlegte, wie ich meinen besorgten Bruder loswerden könnte. Angefangen von, hast du gehört, jemand hat dich gerufen bis hin zu einem oh gott ich sterbe, schnell ruf einen Notarzt, war ich schon alles gedanklich durchgegangen.

„Wohin soll es gehen? Bleibt ihr in der Stadt nein oder? Also mehr in ländliche Gebiet. Hm – da fehlt Toilettenpapier, Tempo und geht die Lampe überhaupt – aha deswegen wolltest du die Uhr von mir haben.“

„Die Uhr?“ Naruto sah mich fragend an.

„Selbstverständlich. Falls ihr mit dem Bus fahrt, ihr – ah, hast du auch Kleingeld dabei, Sasuke?“

„Wozu?“ fragte ich.

„Wir fahren nicht mit dem Bus,“ sagte Naruto.

„Aber wann kommt ihr denn zurück? Etwa wenn es dunkel wird? Brauchst du dafür die Lampe? Oh – du hast doch nicht etwa vor – ähm, woanders zu übernachten?“

Ich ging zum Bett und packte alles wieder ein, während ich Itachi ignorierte. Dann drehte ich mich zu Naruto um. „Komm, lass uns gehen.“ Und marschierte auf die Tür zu.

Ich konnte Narutos innerliches Seufzen förmlich spüren, aber er folgte mir. Itachi folgte uns leider auch. „Ihr braucht auch eine Karte.“

„Was ist los?“ Mutter kam aus der Küche.

Was nun. Sie konnte Naruto ja nicht sehen, jetzt war ich aufgeschmissen.

„Guten Tag,“ sagte Naruto hinter mir.

„Guten Tag, bist du etwa – Naruto.“

Während es mir die Sprache verschlug nickte Naruto. „Tut mir leid, das ich letztes Mal so schnell gehen musste.“

„Aber nicht doch. Ich hab noch etwas vom Frühstück übrig. Ein junger Mann muss essen.“

Junger Mann, dachte ich sarkastisch. Er war älter als sie selbst.

„Nein, vielen Dank, wirklich, aber wir müssen los,“ lehnte Naruto ab.

Ich fühlte den Druck seiner Hand im Rücken. Offenbar wollte er auch schnellstmöglich von hier weg.

„Mutter, die Zwei machen einen Ausflug und haben nicht mal eine Karte, geschweige denn Telefongeld,“ wurden wir von Itachi angeklagt.

„Ich bring dich um,“ flüsterte ich so leise, dass nur er es verstehen konnte und es war mein absoluter Ernst.

„Ein Ausflug? Aber Sasuke, wieso hast du mir nichts erzählt?“ Es klang verletzt und vorwurfsvoll.

„Schon gut, er hat es mir gesagt, ich hab vergessen, es dir zu erzählen,“ half Itachi jetzt aus.

Na gut, vielleicht würde ich ihm nur die Arme und die Beine brechen.

„Wir haben alles.“

Stille.

Ich sah Naruto an. Er sah über mich hinweg, weil er eine Stufe höher stand. Es waren nur drei belanglose Worte, aber sie duldeten keinerlei Widerspruch.

„I...ist das so, nun dann wünsche ich euch viel Spaß,“ meinte Mutter schließlich.

Itachi sagte gar nichts mehr und Naruto und ich konnten endlich gehen.
 

„Puh“, ich atmete auf. „Sag, wieso konnten sie dich sehen?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich das zulassen kann.“ Naruto sah blass aus. „Aber es ist sehr anstrengend. Und lange hätte ich das nicht mehr machen können. Das war knapp.“

„Tut mir leid.“

„Kein Problem.“ Naruto und ich versteckten uns hinter der Rückseite vom Haus. „Von hier aus können sie nicht sehen, das sie mich nicht sehen können.“

Was für ein Satz, dachte ich und sah ihn an. Es musste wohl wirklich anstrengend sein, sich anderen in dieser Welt zu zeigen. Selbst dann, wenn man ein Kami war. Was hatte Hansuki gesagt? Naruto wird niemals wieder ein Teil dieser Welt sein. Ja, er gehörte genau genommen überhaupt nicht hierher. Ich fühlte mich plötzlich schuldig, dass er wegen mir solche Strapazen auf sich nehmen musste. So hatte sich Naruto gestern dann wohl gefühlt, als er merkte, dass ich immer schwächer wurde, und ich war so dumm gewesen und hatte es ihm nicht eben leichter gemacht.

Verzaubert

Naruto legte den Arm um meine Taille und zog mich an sich. Gerade wollte ich den Körperkontakt genießen, als wir auch schon in die andere Welt transportiert wurden. Er hatte wieder seine Kamelien benutzt, aber ich hatte nicht hingesehen und daher verpasst, wie er sie gerufen hatte.

Sicher war er zu erschöpft, um durch ein Tor zu gehen. Jedenfalls landeten wir wieder bei dem Fluss. Eine Weile blieben wir schweigend sitzen und beobachteten ihn einfach nur. Nicht nur, weil es immer wieder faszinierend war, zuzusehen, schwieg ich, sondern auch, weil ich wusste, das Naruto sich etwas erholen musste.

Es waren keine Kamelien dabei, die ihn störten, den Lebensfluss. „Ein Glück“, ich stand auf und lehnte meinen Rucksack in eine Nische. Narutos Arbeitsplatz war gleichzeitig auch sein Wohnsitz, sozusagen. „Kann ich mich umsehen.“

Er nickte. „Hier bist du sicher.“

Das glaubte ich ihm aufs Wort. Er sah mich an. „Denk dran, aus dieser Welt darfst du nichts essen oder trinken“, und deutete in die Richtung in die ich gehen wollte. „Dort ist ein See.“

„Okay. Aber warum eigentlich nicht?“

„Du würdest sterben.“

Einen Moment blieb ich stumm. „Wie bitte? Sind – ist das Wasser hier giftig für Menschen?“

„So ähnlich. Ja.“

Ich überlegte, ob ich tatsächlich ohne Naruto auf Erkundungstour gehen sollte, hatte ich doch eigentlich gedacht, vollkommen sicher hier zu sein. Bei ihm. Naruto setzte sich gerade auf einen Stein. Der Gleiche, auf dem er gesessen hatte, als er die Flöte spielte.

„Wenn du etwas von dieser Welt zu dir nimmst, kannst du niemals wieder zurück,“ erklärte er jetzt, als er merkte das ich zögerte.

„Deine Seele verlässt deinen Körper und bleibt in dieser Welt.“ Er sah mich an. „Ich weiß, dass du das nicht so schlimm finden würdest, deswegen sagte ich, dann stirbst du.“

„Öhm – wolltest du mir nur Angst machen?“

„Nein. Wenn deine Seele den Körper verlässt, ist es das Gleiche als ob du sterben würdest. Na ja, ich weiß doch, dass du deine Familie liebst, Sasuke. Und sogar du – tust manchmal Dinge, ohne vorher an die Konsequenzen zu denken.“

Das wollte ich genauer wissen.

Ich drehte mich zu Naruto um. „Wenn ich hier für immer bei dir bleiben will, muss ich nichts weiter tun, als einen Schluck aus dem See da hinten“, ich machte eine Handbewegung in die Richtung hinter mir, „zu trinken?“

Naruto nickte. Ich konnte in seinen Augen die gleiche Sehnsucht entdecken, wie in meinen.

„Verstehe. Eines Tages?“ fragte ich.

Naruto lächelte. „Ja. Eines Tages. Ganz sicher.“

Ich fühlte wieder diese Zufriedenheit und Geborgenheit, die nur er mir geben konnte. Ich liebe dich, dachte ich.

Dann ging ich in Richtung See. Eine Weile lief ich noch durch die Höhle. Sie liegt vermutlich unterirdisch, überlegte ich. Sanft stieg der Weg an. Ja, ich hatte recht. Eine ganze Weile lief ich bergauf, dann kam ich ans Tageslicht und direkt vor mir lag eine Gabelung.

Oha, welcher Weg? Links oder rechts?

Vor mir stand ein ungewöhnlicher Baum. Er erinnerte mich an einen Totempfahl, da er mehrere Gesichter hatte und kein Blatt wuchs an der falschen Stelle. Er war gut fünf Meter hoch. Ganz oben stand ein goldener Kelch. War der wirklich aus dieser Welt? Um ihn herum in der Erde steckten weiße – sie sahen aus wie Elfenbeinzähne von Elefanten.

Aber natürlich nirgendwo ein Wegweiser. Von der linken Seite her spürte ich eine Art Vibrieren. Ich entschied mich für diesen Weg. Er sah wie ein normaler Waldweg aus, nur wenn man nach oben sah, erkannte man ein großes Oval, dort waren die Bäume zusammengewachsen. Diese Ovale fügten sich nahtlos aneinander wie die Glieder einer Kette, in der Mitte war eine Form aus Blättern die mich irgendwie an ein Kreuz erinnerten. Ich lief langsam diesen Weg entlang, hörte eine Art Zwitschern und Sirren. Ein wunderbares Gefühl als hießen mich irgendwelche Wesen herzlich willkommen. So als sei ich ein alter Freund, den sie schon lange nicht mehr gesehen hätten, und der nun endlich da war.

Der Weg links und rechts veränderte sich leicht, dort wuchsen nun lila-weiß-farbene Blumen in Glockenform von denen ein verführerischer Duft ausging. Und hier konnte ich sie endlich sehen. Es waren Elfen, die mit Leichtigkeit um mich herumtanzten. Ihre Kleider bestanden aus hauchdünnen Schichten von Stoff, der vielleicht aus Spinnweben bestand, so zart und dünn war er. Langsam und wie in Trance ging ich weiter. Hörte das Plätschern eines Baches, war das der See? Ich musste nur um die Ecke gehen, die Elfen blieben zurück. Von oben kam das Wasser aus einer Öffnung, eine Quelle und plätscherte quadratische Felsbrocken hinunter in einen See, in dem sich zarte filigrane Wesen tummelten. Sie beachteten mich nicht, spielten miteinander. Ab und zu konnte ich eine Flosse erkennen. Das – war einfach zu viel. Welcher Mensch sollte da noch widerstehen können? Verzeih, mir, Vater, Mutter, Itachi, Naruto.

Ich ging an den Rand des Sees und kniete mich nieder. Auf der anderen Seite sah ich zwei weiße nackte Füße, genauso zart wie alles hier. Diese Gestalt wurde auch von Schleiern eingehüllt, ähnlich wie die der Elfen. Nur schienen die hauchdünnen Schichten nicht so empfindlich zu sein. Mein Blick selbst war verschleiert, und glitt an dieser zarten Gestalt hoch, die Beine schimmernden durch den Stoff, ein Anblick nur für Götter bestimmt, es war mir egal, ob ich jetzt starb, die Arme umhüllt von den gleichen Schleiern, dann gleißendes Licht. Ich kniff weder die Augen zusammen noch hob ich den Arm um sie zu schützen. Sie schien über das Wasser zu laufen und bückte sich vor mir. Berührte mich an der Stirn. Sternenblaue Augen, goldene Haare, ein Gott ohne jeden Zweifel. Er nahm mich auf die Arme und trug mich.
 

„Na wieder wach?“ fragte eine sanfte Stimme.

„Hm? Naruto, was ist passiert?“

Er sah mich kurz an, dann sah er irgendwo ins Nichts. „Die Magie dieser Welt – ist sehr stark.“

„Aber nur,“ ich legte mich auf die Seite, „weil sie so wunderschön ist.“

„Ja.“ Naruto lachte leise. „Kann sein.“

Ich sah ihn an. „Ich – hab dich gesehen, aber – irgendwie auch anders gesehen. Welches – ähm – war der echte Naruto?“

„Es gab nur mich. Du hast mich aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen, das ist alles.“
 

„Gestern hast du mir einen anderen Teil dieser Welt gezeigt. Einen,“ ich musste lachen, als ich an den Wald der Liebe dachte, „der schon faszinierend war, aber – ich bin ich selbst geblieben. Ich habe mich gestern schon gewundert, wieso wir nicht zu dir nach Hause gehen. Und heute, du hast mich alleine laufen lassen, mit Absicht. Ich meine, gestern – ich war mental stark genug – aber gegen das eben, ich hab mich verloren, komplett verloren. Danke, das du auf mich aufpasst.“ Ich sah auf die Uhr. Sie war rückwärts gelaufen. Neugierig sah ich Naruto an, der mir Wasser und Brot brachte. „Was zeigst du mir morgen?“

„Morgen zeige ich dir eine Stadt.“ Ich trank zuerst, dann aß ich ein Brot.

„Klingt gut. Was für eine Stadt?“

„Avalon.“
 

Naruto führte mich zu seinem Kamelienbett. Wir legten uns hin. Hand in Hand blieben wir schweigend liegen. Glücklich, zusammen zu sein.
 

Mal wieder. Und wieder ganz plötzlich. Ich kam von der Schule nach Hause, grüßte kurz und wollte mich in mein Zimmer verziehen um zu lesen, als meine Mutter sagte: „Sasuke, mein Schatz.“

„Verstehe, wir ziehen wieder um.“
 

Aber das war okay. Schließlich war ich nicht allein. Würde es niemals wieder sein.



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Von:  Kuraiko-no-hyuga
2016-07-09T20:08:47+00:00 09.07.2016 22:08
Die Geschichte ist einfach nur Wahnsinn! Ich habe sie an einem -zwar langen- Tag regelrecht verschlungen! Auf so eine Idee muss man erstmal kommen ^^
Klasse wie du die Mythologie des Ganzen beschrieben hast!
Im Allgemeinen kann ich nur Positives sagen, außer einer Sache: ich hätte gerne noch mehr von beiden gelesen! :D
LG Kuraiko ^~^
Von:  Sasuke-Teme
2016-05-21T22:32:04+00:00 22.05.2016 00:32
Heyy(;

Wollte nur sagen..das es ne hammer ff is..echt jetzt..!! Ich war so fasziniert davon.*--*

Deine Idee gefällt mir aber sowas von..naruto als Gott in der anderswelt.faszinierend*-* und die Kamelien haben auch reingepasst in die Geschichte..^^

Mir hat sie gefallen und bitte bitte schreib ne Fortsetzung..*---*
Ich war einfach begeistert von deiner ff<3
Von:  Sunny-Yuki
2016-01-02T01:56:24+00:00 02.01.2016 02:56
Ich las deine Geschichte in einem durch und bin immer noch ...irgendwie... verzaubert von ihr
Deine Geschichte einfach... wunderschön

Sunny-Yuki =^~^=
Von:  gfgdestroyer
2014-09-27T00:47:23+00:00 27.09.2014 02:47
Das ist so eine geniale Geschichte, die mich echt gefesselt hat. Die Idee ist auch wirklich sehr schön. Ich werde nicht vergessen, wie da stand 'jemand hat mein Tagebuch gelesen' danach ist mir so ein Schauer durch den Körper gelaufen. Echt klasse geschrieben und eine Fortsetzung würde ich mir definitiv durchlesen =)

Liebe Grüße
Destroyer
Von:  solty004
2013-09-23T10:59:58+00:00 23.09.2013 12:59
Hey,
hab in den letzten Tagen dein Story gelesen und ich fand sich sehr spanen und ergreifend!
Finde dass sie einen zweiten Teil verdient. Der später steht findet wo Sasuke erwachsen ist und zu rück kehrt um die Bewohner über Naruto auf klärt das er ein Kami ist und seiner Mutter und seinem Golem eine vernünftige Beerdigung zu stet. Dass er es auch Schaft mit einige größeren und kleineren Schwierigkeiten auch Schaft und Naruto das kragt was er verdient die Anerkennung für seine auf Opferung durch seine Arbeit für die Menschen.
Sie können durch das endlich ihre liebe so leben wie sie wollen vor allen und jedem in dieser Welt und in der Anderswelt und vieleicht eine Familie gründet können. Weis klingt ziemlich kitschig, bin halt eine Kitsch Nudel!

Freu mich schon auf was Neues für mein Kopf Kino und natürlich auf weiter Kapitel deiner Storys.

LG Solty

P.s.: Gibst du mir Bescheid wen das nächste Kapitel on ist und deine neue Story bitte, bitte!
Danke!!!!


Von:  sasunarufangirl1990
2013-06-08T16:07:50+00:00 08.06.2013 18:07
Die Geschichte war einfach nur der totale Wahnsinn
Da war soviel Gefühl vorhanden einfach nur WOW
Die Idee allein war schon der Hammer aber die Umsetzung war einfach genial
Sehr emotional und spannend aber vorallem, Gott sei Dank, sehr detailreich man konnte sich alles super gut vorstellen und die Anderswelt der eigenen Phantasie überlassen.
Toll fand ich dass der Anfang einfach enorm spannend war, nach und nach hat sich immer mal wieder ein Puzzlestück finden lassen und das Ende war einfach super schön.
Du hast es wunderschön ausklingen lassen irgendwie ruhig und friedlich, die zwei zusammen geben wahrlich das perfekte Paar ab und ich fand es schön dass du weder Sasuke noch Naruto in irgendeiner Form als weiblich hingestellt hast (hab ich bisher in keiner deiner Storys) ;)
Du hast die Fragen die sich über die Geschichte gebildet haben am Ende alle beantwortet bzw. die Geschichte hat sie beantwortet :D
Ich hoffe man darf noch viele weitere schöne Geschichten von dir lesen
Mach weiter so und vielen Danke fürs hochladen
GLG sasunarufangirl
Antwort von:  Akio21
08.06.2013 19:12
danke^^
mein erster versuch im genre horror, sollte es zumindest sein. na ja ich hoffe mal, das dir manchmal ein kleiner schauer über den rücken gehuscht ist?
der zweite teil war dann natürlich romantik. nachdem es klar war um was es ging...
und ich liebe kamelien. und mohn, diese beiden pflanzen haben mein herz erobert. hab massenhaft davon

glg akio
Von:  -Sasa-chan-
2012-11-06T22:30:55+00:00 06.11.2012 23:30
So. Verzeih dass ich dir vorher noch keinen Kommentar dagelassen habe. Aber ich hab die FF grade in einem durchgelesen! Ohne Pause. Meiin Gott ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll!! Das war einfach perfekt und geil! Wirklich! Der Anfang schön wirr spannend und geheimnisvoll! Einmal bin ich halb hyperventilliert, dann hab ich geheult, dann gelacht. Du hast mit dieser Story mein Herz aufblühen lassen! Ich bin grade einfach nur so unendlich glücklich! Und die Ableitugen aus verschiedenen Geschichten waren wirklich kreativ umgesetzt! Ich weine momentan und lache dabei. Aus verschiedenen Gründen. Ich bin traurig dass sie vorbei ist, aber es braucht keine Fortsetung, weil es ein vollkommenes Werk ist. Und wirklich sehr sehr gut gelungen! Noch nie zuvor habe ich eine schönere FF gelesen und das ist wahr. Frei von Klischees und bekanntem. Durch und durch perfekt. 
Avalon.. rundet das Ganze irgendwie ab. Ich kenne das Buch, leider ist mir der Titel entfallen. Aber wie du die Umgebung beschrieben hast und alles, einfach traumhaft. Und trotz der vielen Rätsel war es übersichtlich! Ich hab den Faden behalten die ganze Zeit. Wirklich ich könnte dich stundenlang mit Komplimenten volllabern. Aber mir tun meine Augen schon weh vom gebannt-auf-den-Bilschirm-starren xD
Hach so schön.. ich krieg mich gar nicht mehr! Das war einfach nur.. Wow.. das Wort das alles beschreibt: PERFEKT!
Es gibt nichts, was verbessert gehört, rein gar nichts.Einfach nur Wahnsinn :D
mach weiter so!

allerliebste Grüße, Sasa <3
Antwort von:  Akio21
08.06.2013 19:09
hi

freut mich, das dir das buch so gut gefallen hat. hab mir auch echt mühe gegeben^^, obwohl ich am anfang noch nicht wusste, was genau ich aus naruto machen soll. ich war am überlegen, ob er zum golem oder zum kami werden sollte.
was meinst du mit "Ableitungen aus verschiedenen Geschichten?"
Avalon kenn ich dem Namen nach, aber kein Buch davon, oder meinst du die Anderswelt, die auch bei "Beastlove" vorkommt?

Ein zweiter Teil ist auch nicht geplant. Ich wollte auch nicht mehr als einen Kuss beschreiben, weil mehr eben einfach nicht gepasst hätte zu der Geschichte.

lg akio
Von:  Noir10
2012-09-29T09:39:07+00:00 29.09.2012 11:39
Ahhh eine tolle ff hat mir gut gefallen schade nur das es schon vorbei ist!!
^^-^^

Von: abgemeldet
2012-09-29T07:02:49+00:00 29.09.2012 09:02
Ja, wirklich ein schönes Kapi *freu*
Von:  Haki-Girl
2012-09-28T17:42:47+00:00 28.09.2012 19:42
Yay! ein neues Kapi^^
*sich freu* ich dache schon, du hast uns vergessen...^^
Mal wieder schön gerschrieben^^ mach weiter so^^

*Kekse dalass*
LG DarkAngel_Alexa


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