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Auf der anderen Seite des Gartenzauns

RusPol
von

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Prolog - Wachen und Warten


 

Auf der anderen Seite des Gartenzauns

Prolog : Wachen und Warten

1612
 

Wir haben Smolensk.

Litauen hielt den Brief in seinen Händen, seine Ränder mit schmutzigen Fingerabdrücken und Rissen übersät, die Knicke an den Stellen, an welchen das Papier zusammengefaltet worden war, weich wie Lappen; so oft hatte er ihn auf- und wieder zu gefaltet. In dem Brief standen nur diese drei Worte. Wir haben Smolensk.

Polens krakelige Schrift verriet Eile. Nach zwanzig Monaten der Belagerung war das durchaus verständlich. Er hatte schnell zurückkehren wollen, nach Moskau.

Moskau. Die Stadt, die seit Juli 1610 unter polnischer Flagge geführt wurde. In Polens Abwesenheit hatte Litauen oft mit russischen Volksaufständen kämpfen müssen. Aber wenn er es nicht tat, wer sollte sich sonst dafür zuständig fühlen, das polnische Heer anzuleiten, wenn ihr eigentlicher Führer kilometerweit entfernt eine ganz andere Schlacht zu schlagen hatte?

Er hatte sich daran gewöhnt. Daran, dass er, auch wenn Polen gerne das Gegenteil behauptete, ihm doch untergeben war. Er fügte sich seinen Entscheidungen und Fehlentscheidungen, immer darauf bedacht, ihm helfen, ihn aus dem Gröbsten wieder herausziehen zu können.

Nun, zwei Jahre nach der erfolgreichen Übernahme Moskaus, waren sie die Belagerten. Litauen blickte auf den Brief. Egal, wie dahingeschmiert diese Notiz wirkte; er konnte die Begeisterung, die Hoffnung, die Polen in dem Augenblick des Schreibens übermannt hatte, deutlich herauslesen. Nun musste er hoffen, dass diese Belagerung, die von Russland ausging, sie nicht den Kopf kostete. Hier waren sie eingesperrt. Zwei Vögel mit gestutzten Flügeln, die nicht entkommen konnten, selbst wenn der Käfig nach oben hin geöffnet war.

Litauen legte den Brief auf den Tisch und verschränkte seine Arme vorm Bauch. Er konnte spüren, wie sich sein Magen erneut verkrampfte, wie er es üblicherweise tat, wenn er sich zu sehr grämte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und er kniff die Augen zu, spannte seinen ganzen Körper an, bis seine Magenkrämpfe in einem lauten Knurren ihr Ende fanden. Vielleicht war es doch nur der Hunger, der ihn quälte.
 

| … |
 

Es war spät. So spät, dass die Sonne bereits hinter den Gebäuden der Stadt versunken war und nur noch ein orange-rosafarbenen Streifen am Horizont und ein paar Schleierwolken, die von unten her angestrahlt zu werden schienen, ihre Präsens unter Beweis stellten.

Polen blickte aus einem der unteren Fenster des Kremls, das schwarze Eisentor prüfend musternd. Das Haus war umstellt. Sie konnten nicht nach draußen. Was noch unmöglicher war, war Hilfsgüter und Nahrung irgendwie hineinzubringen. Dieser verfluchte Kerl hatte es doch tatsächlich geschafft, sie zu umstellen – und das trotz der Uneinigkeiten in seiner Armee.

„Alles in Ordnung, Polen?“

Litauens Stimme klang rau und trocken. Er hörte ein Räuspern, erst dann drehte er sich um, um seinem Freund ein breites Lächeln zu schenken.

„Klar. Warum fragst du?“

„Weil du so nach draußen guckst.“

Litauen trat zu ihm ans Fenster und suchte mit den Augen nach dem Punkt, auf den Polen zuvor noch so fixiert gewesen war. Dieser nahm ihm die Suche ab und deutete auf eine Gestalt, die auf der anderen Seite des Eisentors stand, die behandschuhten Fäuste um zwei der Gitter geschlungen, der Rock eines langen Mantels sich im lauen Wind ein wenig aufblasend. Zwar war, da er das Licht der untergehenden Sonne im Rücken hatte, nicht viel mehr als seine Silhouette zu erkennen, doch ahnte Litauen sofort, um wen es sich handelte.

„Er steht dort draußen?“

„Yep.“

„Wie lange schon?“

„Seit ein paar Stunden.“

Polen lehnte sich gegen den Fenstersims und drückte seine hohe Stirn gegen die kühle Scheibe. Litauen tastete mit einer Hand nach dem Vorhang und hielt sich daran fest. Russland bewegte sich nicht von der Stelle. Er stand einfach nur da, zwischen zwei Gitterstäben hindurch auf den Kreml blickend. Nicht sicher, ob er sie sehen konnte, ging Litauen ein Stück zurück.

„Er sieht traurig aus, findest du nicht?“ fragte er halblaut.

„Das kannst du von hier aus doch gar nicht erkennen“, gab Polen ein wenig patzig zurück und löste sich von der Scheibe, gleichgültig abwinkend. „Dem geht’s gut da draußen. Er kann froh sein, dass wir Sommer haben, sonst würde er selbst in seinem Mantel ganz schöne Frostbeulen ansetzen. Aber im Juni...“

Er zuckte mit den Schultern und stemmte seine Hände in die Hüften.

„Mach dir bloß keine Gedanken um den. Wenn er seinen neuen König akzeptieren würde, könnte er hier bei uns sitzen und Kakao schlürfen.“

Litauens Augenbrauen zuckten leicht. Er musste sich Mühe geben, sich nicht erneut vollkommen anzuspannen, als sein Magen sich erneut verkrampfte. Seine Hand zuckte kurz in Polens Richtung. Er wollte seinen Arm berühren, irgendetwas tun, um ihn von diesem Fenster und den Blick auf Russland abzulenken, doch er besann sich, als sein Freund erneut seine Stirn gegen die Scheibe presste und die Arme vor sich auf dem Sims verschränkte.

„Wie lang der Typ da wohl noch stehen wird?“ fragte er, mehr zu sich selbst. Litauen zuckte mit den Schultern. Langsam wurde es so dunkel, dass er seine eigene Reflexion in der Scheibe, klar wie ein Spiegelbild, erkennen konnte.

„Ich geh ins Bett“, hauchte er tonlos und wandte sich zum Gehen. „Gute Nacht.“

„Schlaf gut, Liet.“
 

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Kapitel I - Ganz neue Klänge


 

Auf der anderen Seite des Gartenzauns

Kapitel I : Ganz neue Klänge
 

Der Stock, den Polen hielt, ratterte über die metallenen Stangen des Gartenzauns. Tatsächlich war die Luft hier draußen recht kühl. Kühler, als er erwartet hätte. Es war wohl doch ganz gut, dass er sich eine Jacke angezogen und nicht in Hemd nach draußen gelaufen war, auch wenn er nicht vorhatte, besonders lange hier zu bleiben. Es war stockdunkel und die Straßenlaternen spendeten nur spärliches Licht, um das sich die Motten in einem scheinbar freudigen Tanz tummelten. Er wollte nur einen Blick auf ihn erhaschen. Einen Blick aus der Nähe.

Er schlug mit dem Stock, den er gefunden hatte, gegen die Stangen, die ein widerhallendes Klingen von sich gaben. Jede Stange klang ein wenig anders. Heller oder dunkler, einige, die von Rost durchsetzten, eher kläglich und alt. Russlands Gestalt konnte er nur noch schlecht erkennen, aber er wusste, wo er stand und bewegte sich geradewegs auf ihn zu. Litauen hatte er nichts von seiner Aktion erzählt. Der wäre dagegen gewesen. Er fand ihn unheimlich. Bemitleidenswert. Aber vor allem unheimlich. Er hätte ein furchtbares Theater gemacht und am Ende wäre Polen doch gegangen, nur wäre Litauen in diesem Fall sicher wütend gewesen. Sich im Nachhinein zu entschuldigen war ohnehin viel leichter, als um Erlaubnis zu fragen. Das hatte er schon immer so empfunden und auch so gehandhabt.

Als er nur noch wenige Meter von Russland entfernt war, erkannte er, dass dieser die Metallstangen, an denen er sich zuvor festgehalten hatte, losgelassen und sich ihm zugewandt hatte. Polen warf den Stock ins Gebüsch und blieb stehen. Er konnte nicht erkennen, ob Russland ihn ansah. Unwahrscheinlich war es aber nicht. Er ging ein paar Schritte näher. Russland tat es ihm gleich. Nun tauchte sein Gesicht im Schein einer nahen Straßenlaterne auf, die ihr flackerndes Licht auf den Zaun warf. Seine blonden Haare rahmten seine weichen Züge ein. Er lächelte mild und sah Polen aufmerksam an, abwartend, als erwartete er, eine positive Überraschung von ihm zu erhalten. Er war größer als Polen. Größer, wirkte aber alles andere als bedrohlich. Der Mantel, der ihn einhüllte, verlieh ihm eine beinahe klobige Gestalt. Kombiniert mit seinem runden, weichen Gesicht, machte er beinahe den Anschein eines viel zu groß geratenen Kindes.

„Na, Russland, frierst du schon ein bisschen?“ fragte Polen, eigentlich nur aus der Überzeugung heraus, irgendetwas sagen zu müssen, um die Stille zu brechen.

„Nur ein bisschen“, antwortete Russland. „Und du?“

„Ach, ich hab's da drin ganz schön kuschelig.“ Er winkte ab, zog aber gleichzeitig seine Jacke ein wenig fester um seinen Körper. „Du musst dich hier draußen ja irgendwie total langweilien, da dachte ich, ich bring dich mal auf den neuesten Stand.“

„So?“ Russland legte nun wieder eine Hand an die Gitterstäbe und schob sich näher an Polen heran. „Und der wäre?“

„Also, bisher sieht's so aus. Du wirst demnächst in meinem Haus leben müssen. Vielleicht solltest du dieses Format -“ Er deutete auf den Kreml. „- lieber schnell aus deinem Kopf verbannen, weil du dich an etwas kleinere Dimensionen gewöhnen musst. Damit meine ich aber nicht mein Haus. Ich meine damit eher 'ne Hundehütte.“

Polen grinste breit und kam nun auch wieder ein Stück näher, damit Russland nicht eigenmächtig aus dem Schein der Laterne trat und er sein Gesicht nicht mehr zu lesen vermochte. Russland lächelte. Er lächelte einfach vor sich hin, als ob es ihn gar nicht kümmerte, was Polen mit ihm vorhatte.

„Oder 'n Keller“, fügte er hinzu, den anderen prüfend musternd.

„Das würde dir gefallen, oder?“ Seine Stimme klang mild. Nahezu menschlich. Nur viel zu hoch, viel zu kindlich, wenn man diesen Mann, zu dem sie gehörte, betrachtete. Polen verzog das Gesicht und lehnte sich gegen die Metallstäbe, ein Bein leicht anwinkelnd. Er fuhr sich durchs Haar.

„Das würde mir tatsächlich gefallen“, erwiderte er. Seine Lippen kräuselten sich zu einem Schmunzeln. „Wenn es dir gefällt, würde ich an deiner Stelle anfangen, mir Sorgen zu machen.“

„Ich könnte mir besseres vorstellen.“ Er zwinkerte ihm zu, dann deutete er auf den Kreml. „Schläft er?“

„Wer?“

„Litauen. Schläft er?“

Polen stieß sich von den Stäben ab und blies seine Wangen auf.

„Was geht dich das an?“ Er stemmte beide Hände in die Hüften. Über Litauen hatte er nicht reden wollen. Nichts, das man auch nur im geringsten als eine Schwäche von ihm hätte bezeichnen können.

„Warum denn auf einmal so patzig?“

„Was interessiert dich das überhaupt?“

Russland zuckte mit den Schultern, hinauf zu den Fenstern sehend, an denen Polen und Litauen vor einigen Stunden gestanden auf ihn nieder geblickt hatten.

„Ich mag ihn. Denke ich.“

„Nichts da“, schnarrte Polen und schlug mit der flachen Hand gegen die Gitterstäbe. „Von mir aus, dann mag ihn. Er kann dich nicht ausstehen. Er findet dich unheimlich. Und er hat Mitleid mit dir.“

„Mitleid?“

„Ja. Weil du einem echt nur leid tun kannst.“ Jetzt hatte Polen sein Grinsen wiedergefunden. „Guck dich doch an. Du stehst hier, nicht fähig deine eigenen Städte zurück zu erobern, weil du einfach zu viel Schiss hast, uns anzugreifen. Weißt du, was passiert, wenn wir mit dir fertig sind?“

„Was?“

„Du wirst verschwinden. Du wirst einfach verschwinden, weil wir nichts mehr von dir übrig lassen. Du denkst, du kannst nicht sterben? Ich werde dir beweisen, dass du das sehr wohl kannst.“

Russlands Lächeln erstarb. Im ersten Moment wirkte er beinahe traurig, was ein triumphierendes Grinsen auf Polens Lippen zauberte. Dann erhob er erneut das Wort.

„Du fühlst dich sehr sicher auf der anderen Seite des Gartenzauns, huh?“

„Was soll das denn jetzt heißen?“

„Ich meine, du würdest dich auch nicht trauen, mir das ins Gesicht zu sagen. Ohne diese Gitter zwischen uns. Hab ich Recht?“

Polen zog seine Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn. Russland wirkte nicht wirklich wie jemand, vor dem man ernsthaft Angst haben musste. Zumindest im Moment. Die Städte hatte er sich hart erkämpfen müssen und vor allem im Winter wusste der andere die Kälte und den Schnee für sich zu nutzen. Aber sie hatten Juni. Und Polen war momentan eindeutig im Vorteil. Auch wenn sie eingekesselt waren, sie mussten nur eine schwache Stelle finden und konnten die Mauer durchbrechen. Oder er strengte eben mal sein hübsches Köpfchen an und erfand eine Flugmaschine, mit der man locker ein paar Tonnen Essen nach Moskau rein bekam. Ja, so was in der Art.

Polen blies die Luft aus seinen Lungen und trat in den Dreck, wirbelte ein wenig Staub am Boden auf und überlegte; dann warf er seine Hand in die Luft und machte eine abwinkende Geste, ehe er den Zaun einfach weiter entlang lief. Russland ließ ihn nicht aus den Augen und folgte ihm nach kurzem Zögern.

Polen musste das Gebäude zur Hälfte umrunden, um an den Haupteingang zu kommen, vor welchem sich ein breiter Kiesweg bis zum Tor des Zauns erstreckte. Er dachte nicht lange darüber nach, ehe er das Schloss entriegelte, das Tor öffnete und sich durch einen kleinen Spalt hindurch zwängte, um es direkt hinter sich wieder ins Schloss fallen zu lassen. Erst jetzt spürte er, wie langsam aber sich Adrenalin schubweise durch seine Adern kochte. Er rieb seine Hände aneinander und atme tief durch. Vielleicht war es doch eine dumme Idee. Vielleicht sollte er jetzt lieber bei Litauen im Bett liegen und sich so aufdringlich wie nur irgend möglich an ihn heran schmiegen, bis er leise grummelnd aufwachte und ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkte.

Gerade, als er sich herumdrehen wollte, legten sich fünf behandschuhte Finger auf seine Schulter. Polen erschrak und fuhr zusammen, zog seinen Kopf zwischen die Schulter und blickte langsam an dem Arm hinauf, zu dem die Hand gehörte.

„Was ist?“ fragte Russland, jetzt wieder liebevoll lächelnd. „Bin ich am Ende doch so beängstigend?“
 

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Kapitel II - Ein Schaf im Wolfspelz

Auf der anderen Seite des Gartenzauns


 

Kapitel II – Ein Schaf im Wolfspelz
 

Polen spürte, wie seinem Löwenherz langsam die Zähne ausfielen. Seine Kehle wurde trocken, als er sich zu Russland umdrehte, versuchend, einen überzeugend selbstsicheren Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, kräuselten sich und er schüttelte die Hand von seiner Schulter ab, mahnend einen Finger hebend.

„Nicht anfassen“, schnarrte er mit trockener Stimme. Er räusperte sich. „Frisch gewaschen“, fügte er mit nun etwas festerer Stimme hinzu und wischte mit steifen Fingern über den Punkt, wo eben noch Russlands Hand geruht hatte. Dieser zeigte ein verständnisvolles Lächeln und schob sich ein paar Zentimeter näher an Polen heran.

Es fiel ihm schwer, dem Blick stand zu halten. Ja, es war vollkommen irrelevant, wie selbstsicher er sich gab. Er hatte seine Schwierigkeiten mit anderen Menschen. Er musste mit ihnen warm werden. Musste lernen, sie zu durchschauen, ihr Verhalten berechnen zu können. Dann konnte er auch gut mit ihnen auskommen. Mit Russland allerdings hatte er ohnedies niemals auskommen wollen und nun stand er – nicht nur Gegner, sondern Feind – wenige Zentimeter von ihm entfernt, sein Körper so breit wie der eines Nutzpferdes und mit einem Lächeln auf den Lippen, das so schwer zu interpretieren wie zu erklären war. Er hätte nicht hinauskommen dürfen. Er hätte im Warmen bleiben sollen, bei Liet, und davon träumen, wie er Russland zur Schnecke machte.

Polen schluckte den Frosch hinunter, den er in seinem Hals hatte, und verwandelte das zittrige Lächeln auf seinen Lippen in ein Grinsen. Seine Hände und Füße fühlten sich erschreckend taub an. Ein paar Sekunden verstrichen, in denen nichts geschah. Dann drehte Russland sich um und ging.

Polen stutzte und runzelte die Stirn. Vollkommen wortlos trat Russland den Rückzug an. Er ging die Straße hinab und passierte eine Straßenlaterne, die ihn einen langen, zitternden Schatten auf das Kopfsteinpflaster werfen ließ.

„Hey!“ Polen stemmte die Fäuste in die Hüften, doch Russland reagierte nicht. Polen blies seine Wangen auf. Langsam spürte er, wie seine Glieder wieder etwas an Gefühl gewannen. „Wo willst du hin?!“

Russland blieb stehen, auf der nächsten Weggebalung nachdenklich nach links und rechts blickend. Es schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, dass er Polen dort vorm Tor hatte stehen lassen. Dieser ballte seine Hände zu Fäusten und schürzte die Lippen. Der Mut, der eben aus seinen Knochen gewichen war, schien nun wieder von ihnen resorbiert zu werden.

„Das muss ich mir nicht bieten lassen, hörst du?!“ keifte er. Wütend war er nicht wirklich. Stehen gelassen werden wollte er dennoch nicht. Zudem fragte er sich ernsthaft, womit Russlands plötzlicher Rückzug zu erklären war. Ohne länger zu überlegen, trat Polen die Verfolgung an und ging ihm hinterher. Russland machte eine halbe Drehung und sah über seine Schulter nach hinten, als er merkte, dass Polen ihm folgte, warf ihm ein knappes Lächeln zu und verschwand in die nächstbeste angrenzende Straße.

„Hey!“ Polen beschleunigte seine Schritte. „Russland!“

Er bog in die Straße ein, in der Russland verschwunden war. Die nächste Straßenlaterne war gut hundert Meter von ihm entfernt und so schwach, dass selbst die Motten sich nicht für sie zu interessieren schienen. Polen zwinkerte in das Halbdunkel der schmalen Straße. Russland stand da, an die Wand gelehnt und mit einer Hand in seiner Manteltasche nestelnd. Er sah ihn nicht an. Das zumindest konnte er erkennen.

„Warum bist du gegangen?“

Der andere sah nun auf, während er einen Beutel aus der Tasche zog und diesen öffnete. Noch immer schien er Polen nicht anzusehen. Den Blick hatte er auf den Inhalt des Beutels fixiert.

„Du hast es nicht getan.“

„Was?“ Polen runzelte die Stirn.

„Du hast dich nicht getraut.“ Russland schmunzelte. „Ich habe gesagt, du würdest dich nicht trauen, es mir ins Gesicht zu sagen. Und ich hatte recht, oder nicht?“

Polen biss die Zähne zusammen. Natürlich. Russland musste sich ja gerade unglaublich toll fühlen. Aber den Triumph wollte er ihm nicht lassen. Er hatte ihm vielleicht einen Schreck eingejagt, aber ganz sicher keine Angst. Er hatte keine Angst vor Russland.

„Du hast mir ja gar keine Chance gelassen“, knurrte Polen und kam näher. Jetzt erst erkannte er, um was es sich bei dem Inhalt des Beutels handelte. Tabak. Russland drehte sich eine Zigarette.

„Ich hab lang genug gewartet, finde ich.“ Der andere lächelte. Endlich hob er seinen Blick und sah ihn an, das Zigarettenpapier an seine Lippen hebend, um den Klebestreifen an zu lecken. Polen presste die Lippen aufeinander und sog die Innenseiten seiner Wangen zwischen seine Zähne. Beinahe zornig blickte er Russland an.

„Dann sag ich's dir jetzt, ja?“ Polen verschränkte die Arme vor der Brust und kam, seine Kniegelenke dabei vollkommen steif, ein paar Schritte näher. Russland hob beide Augenbrauen und sah ihn abwartend an, während er seine Zigarette zu Ende drehte.

„Du bist -“, begann er, seine Augen zu Schlitzen verengend. „- ein Feigling. Du bist zu schwach, um dich zu wehren. Hast du viel Schiss, um uns anzugreifen.“

Russland schob sich die Zigarette in den Mund und zückte ein paar Streichhölzer. Den Blick jedoch wandte er dieses Mal nicht von Polen ab. Er beobachtete ihn ganz genau. Ohne ein Lächeln auf den Lippen. Polen jedoch hatte seinen Löwenmut wiedergefunden und zeigte beim Näherkommen ein breites Grinsen. Mit einem leisen Zischen wurde ein Streichholz entzündet, das Russlands Gesicht für wenige Sekunden erhellte. Seine Augenbrauen schienen zu zittern.

„Du bist ein Verlierer. Wir haben Moskau und Smolensk, wir haben deine Städte. Wir haben dich bei den Eiern, Russland. Und bald ist nichts mehr von dir da. Du wirst verschwinden, wie alle Nationen, nach denen kein Hahn mehr -“

Polen keuchte auf, als Russland ihn bei der Schulter packte und seinen Rücken gegen die Häuserwand schlug. Sein Hinterkopf prallte gegen den kalten Stein und er kniff die Augen zu, für einen Augenblick mit Schwindel kämpfend. Ein weiteres Keuchen. Er riss die Augen auf und blickte an sich herab. Russlands Hand lag zwischen seinen Beinen, sich langsam zu einer Faust verkrampfend. So eng, dass sie ihn vor diesem Griff hätte schützen können, war seine Hose nicht. Polen fiepte leise und unwillkürlich, als sein Hoden zwischen Russlands Daumen und Mittelfinger eingedrückt wurde.

„H-hey!“ Seine Stimme überschlug sich. Verzweifelt versuchte er, seine Mundwinkel nach oben zu ziehen. Sein Herz begann wie wild zu klopfen, gegen seine Rippen zu schlagen. Er durfte sich jetzt nicht von seiner Unsicherheit übermannen lassen. Sein Blick huschte nach oben, in Russlands Gesicht. Zigarettenrauch wurde ihm entgegen geblasen. Er hielt die Luft an, um nicht zu husten, und zog die Augenbrauen zusammen.

„W-willst du mich nicht erst mal zum Essen ausführen?“

Die Zigarette glühte in Russlands Mundwinkel. Er zog an ihr, dann nahm er sie zwischen zwei Finger seiner linken Hand, sog den Rauch in seine Lungen und stieß ihn erneut in Polens Gesicht aus. Diesmal konnte dieser nicht anders, als unterdrückt zu husten.

„Wer... hat wen bei den Eiern?“ Russland leckte sich über die Lippen, ehe er erneut an seiner Zigarette zog.

Polen lachte überzogen.

„Der war... richtig mies“, krächzte er und blinzelte in den blauen Rauch. „Ernsthaft. Ich glaube nicht, dass wir zwei schon so weit sind.“

Polen hob beide Arme und legte seine Hände auf Russlands Brust, um ihn in einem kläglichen Versuch, sich zu befreien, weg zu schieben. Russland rührte sich nicht. Wieder zog er an seiner Zigarette und blickte ungerührt auf den anderen hinab. Polen gab den Versuch auf, Russland von sich weg zu schieben und ließ seine Hände auf dessen Brust ruhen. Einen Augenblick lang überlegte er, wie er weiter vorgehen sollte. Nicht unterkriegen lassen. Er hatte keine Angst vor Russland. Er hatte keine Angst...

Polen streckte den Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen und hob beide Augenbrauen stark an, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen.

„Nimm deine Hand da weg“, sagte er nun, die Stimme gesenkt und dennoch deutlich. Russland erwiderte sein Lächeln, sein Griff jedoch lockerte sich nicht. Polen zuckte mit den Schultern, schnalzte mit der Zunge und hob seine Arme, um sie um Russlands Hals zu legen. Dann hauchte er ihm einen Kuss auf die Unterlippe. Tatsächlich konnte er Russlands Finger in seinem Schritt ein wenig nachlassen spüren. Die blauen Augen des anderen weiteten sich merklich. Polen ließ sich nicht beirren. Er schloss die Augen und hängte sich ein wenig an Russlands Hals, um ihn zu sich runter zu ziehen oder zumindest etwas Halt zu finden, als er seine Lippen auf die es anderen presste. Ein erneutes Gefühl des Triumphs stieg in ihm auf, als er Russlands Gesichtsmuskulatur zucken spüren konnte. Er begann, seine Lippen zu öffnen und sie auf den des anderen zu bewegen. Die Augen ließ er geschlossen. Der Druck in seinem Schritt ließ nach. Dann ließ Russland los.

Polen schnaubte und lächelte in den Kuss, gerade beschließend, ihn zu lösen, als er fühlte, wie sich auch die Lippen des anderen öffneten. Er hielt inne und öffnete die Augen.

Russlands Augen waren geschlossen.
 

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Russia
2012-07-12T03:42:46+00:00 12.07.2012 05:42
DEEEEEEHHH >.<
ich hatte die ganze zeit nur dafor geseesen und glesen ud gelesen udn dachte mir FUCK !
jetzt geht es Polen an den Kragen !
*fähnchen Geschwenkt hat mit 'quetsch ihm die eier quetsch ihm die eier !!!*
aber WTF ?
ist total anders gekommen und ich dachte nru noch so AWWRR~ <3
awesome sooo nieldich *__*
ich bin total hin und weg gewesen
hatte die worte süß und wie geil dauerhaft in meinem Kopf. (ich hab gerade noch so korriegiert hab schonwider fast eminem geschreiben)
oh gott ich hoffe es kommt niemals zum sex und es wird immer so nieldich weiter gehen *__*
wunschdenken aber egal <3
die FF ist einfach nru awesome und ich liebe sie <3

ps.
wiso war mir klar das in dem sack taback drin ist und sich der Russe neKippe dehen wollte bevor das überhaupt erwähnt wurde ? ID

Von:  Russia
2012-07-03T15:30:26+00:00 03.07.2012 17:30
oh verdammt,es ist so pervect...
weiter so
russland ist so niedlich
*aufseuftzt*
*__* <3
ich liebe dich dafür das du mir diese FF schreibst <3
Von:  Russia
2012-07-02T18:09:22+00:00 02.07.2012 20:09
*sfz* ~
und das alles nur für mich <3
*leckts*
ich bin schon gespannt wie es weiter geht <3
*ankuschel*
lass dir Zeit und hetz dich nicht X3 <3
Von:  FeliNyan
2012-07-01T10:21:30+00:00 01.07.2012 12:21
nyaaaan...
Das hört sich spannend an!
Bitte schnell das nächste Kapi!!!
Der Schreibstil ist toll und sehr angenehm zu lesen *w*



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