Blur - Ancient Curse von AraniShadon ([Aoi & Kai] [Ruki & Uruha] [Karyu & Zero] [MC] [Singlework]) ================================================================================ Kapitel 5: 4 ------------ 4 Kai hatte einen Moment geschwiegen, abermals aus dem Fenster gesehen, doch nun fixierte er Uruha mit einem entschlossenen Blick. „Dann sag mir was los ist, Uruha. Lass mich am Tisch der Großen essen.“ Das Meerwesen seufzte leise, strich mit dem Handrücken über die Wange seines Freundes, nickte. „Ich werde versuchen, es dir zu erklären. Komm, wir können dabei schon ein Stück gehen, Dies Haus liegt am anderen Ende von Elbaro.“ Dieses Mal nickte der Braunhaarige und Uruha fasste nach Kais Hand, sobald sie im Freien waren, verflocht ihre Finger miteinander. Sie liefen langsam die Hauptstraße von Elbaro hinab, ließen sich Zeit. Nicht nur, ob der Dinge die Uruha dem Jüngeren erklären sollte, Kai wollte die Chance erhalten, sich vollends zu beruhigen, denn auch wenn er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, Kyos Worte ließen ihn nicht los. Wundert dich das, fragte eine kleine Stimme kichernd. Der Mann hat gerade verkündet, dass Aoi ohne dich besser dran wäre. Er will dich tot sehen! Nein, debattierte ein anderer Teil in Kai zurück. Er sagte, dass es nur eine Warnung ist. Er ist alt und mächtig, es gab bestimmt einen Grund dafür. Die erste Stimme schnaubte auf seine kindlich reinen Gedanken und streckte ihm den Mittelfinger entgegen, wobei sie etwas in der Richtung wie 'Mach dir nur was vor.' brummte. Und wenn Kai es ehrlich zugab, dann hatte er Angst davor, dass Kyo seine Worte in die Tat umsetzte, wenn er es für notwendig hielt. Er verschloss seine Gedanken, verbot sich, noch weiter in diese Richtung zu gehen. Es würde nur das bittere Gefühl der Beklemmung in im nähren. Im Moment half nur, sich ein Stück weit zu belügen und zu verleugnen, dass diese Worte überhaupt gefallen waren. Doch dies war ebenso schwer, wie zu versuchen, nicht mehr über den Traum nachzudenken. „Um dir verständlich zu machen, warum Aoi so unruhig ist und warum Kyo sagte, was er sagte, muss ich dir zunächst aus unserer Vergangenheit berichten.“ Kai sah zu dem Langhaarigen, doch dieser erwiderte den Blick nicht. „Vor langer Zeit im Jahrtausend des Dämmermond gab es die Prophezeiung, dass ein Todesengel erwachen würde. Ein Wesen, dessen einziges Streben es ist, Finsternis und Qual in die Welt zu bringen. Ein Jahr lang leuchteten die drei Monde über Kistara rot, als sich eben diese Prophezeiung erfüllte. Das Kind, das nicht getötet werden konnte, wuchs in einem Körper heran, dessen Seele längst geflohen war.“ Die Augen des Menschen weiteten sich mit einem erschrockenen Keuchen, als ihm klar wurde, was genau Uruha sagte. „Seine Mutter war tot? Wie konnte es leben?“ Das Meerwesen hob eine Schulter, schüttelte leicht den Kopf. „Das weiß niemand. Es ist nur bekannt, dass es seine erste Todesbotschaft in dem Augenblick sandte, in dem es seine Augen zum allerersten Mal aufschlug.“ „Wen hat sie getroffen?“ Kais Frage war atemlos – es war nur schwer vorstellbar, dass es solch ein Wesen überhaupt gab und Uruha lächelte ein trauriges Lächeln. „Seinen Cousin.“, nun schlug sich Kai die Hand vor den Mund, starrte den Älteren an, der so sanft weiter sprach, als wäre er Teil dieses Geschehens gewesen, „In ihrem Schock brachten die Einwohner des Dorfes den Todesengel fort. Sie setzten ihn tief in den Wäldern von Sepram aus und hofften, dass er dort Opfer einer wilden Bestie werden würde. Doch das Schicksal beschützte den Engel. Er wuchs unbeschadet auf und mit den Jahren erfuhr sein Cousin von ihm.“ Sie blieben vor einem Relief stehen, von denen es unzählige an den Häusern und Mauern der Stadt gab; es brauchte einen Moment, bis Kai registrierte, dass Uruha sie absichtlich hier her geführt hatte und er auf die bildliche Darstellung der Geschichte blickte, die Uruha ihm erzählte. Er trat näher, strich über die Monde, die weinten, hin zu der Leiche einer Frau über welcher eine Kugel schwebte, in welcher Kai einen Embryo sehen konnte, bevor sein Blick weiter glitt, zu einem Rat an alten Männern, die alle strafend und mahnend auf das Abbild eines kleines Kindes starrten, mit dem Finger auf dieses deuteten. Er sah, wie der Todesengel in die Wälder gebracht wurde, die Bäume versehen mit furchtbaren Fratzen und klauenartigen Ästen. „Wie hieß sein Cousin? Ist das bekannt?“ Uruha nickte hinter ihm. Kai sah es, weil er über seine Schulter geblickt hatte. „Sein Name war Zero. Er erblickte am gleichen Tag wie der Todesengel Karyu das Licht der Welt.“ Kais Blick wanderte zurück zu dem Embryo und nach einem Moment der Suche fand er das zweite Baby – gehalten von den Armen einer weinenden, verzweifelten Frau. Er fühlte Tränen in seinen Augen brennen – die Bildnisse gingen ihm unglaublich nahe und er verstand, warum Uruha solch Mitgefühl in seinen Worten trug. Es war unmöglich, anders zu empfinden. „Zero riss aus, um nach seinem Cousin zu suchen. Er ließ alles hinter sich, trennte sich von allen familiären Banden. Keiner weiß, warum er das getan hat, doch viele nehmen an, dass es der Zug des Schicksals war und Zero sich diesem beugte. Und dann geschah etwas bisher nie da Gewesenes. Zero und Karyu fanden zueinander, verliebten sich.“ Kais Blick wanderte von den sanften Augen seines Freundes zurück auf das Relief, wo er die Szene zweier Kinder fand, die miteinander aufwuchsen und zu jungen Männern wurden, die sich in zärtlicher Umarmung hielten. „Doch Zero wurde Karyu entrissen.“ Die Stimme des Langhaarigen wurde leise, hielt eine Trauer inne, die Kai nur zu gut nachvollziehen konnte – er musste sich dazu nur in die Position Karyus versetzen und daran denken, Aoi zu verlieren. Er schauderte, schlang die Arme um sich. Er konnte den Gedanken nicht einmal zu Ende führen. „Das Urteil erfüllte sich und Zero starb. Versunken in Gram und Trauer brach Karyu in Ulka ein und suchte nach etwas, um seinen Geliebten zurück ins Leben zu holen. Er war erfolgreich, zumindest in weiten Teilen. Er fand das Ritual der Kigiri, ein Zauber, der es ihm ermöglichte seine Lebensenergie mit Zero zu teilen. Sein Geliebter wurde zu einem Geist und war fortan an seiner Seite. Doch Karyu sehnte sich nach einem richtigen Körper für Zero. Er begann Kraft zu sammeln, zog die Finsternis aus den Wäldern zu sich.“ Kai bebte erneut, als er auf die bildhafte Darstellung blickte; er konnte schwören, dass sich die Schatten um Karyu zu bewegen begannen, derweil dieser all seinen Schmerz und seine Pein in die Welt hinaus schrie. „Er wollte die Schleier zwischen all den Welten zerreißen. Kova war es, der ihn stoppte. Er bannte Karyu, gefangen in einem ewigen Schlaf. Von Rache und Gram erfüllt tötete Zero daraufhin Kova. Kovas Sohn und viele Andere verfolgten ihn, doch er ist ein Geist. Nicht zu finden, nicht zu verfolgen und nicht zu töten. Die Elfen versiegelten die Wälder von Sepram, hofften, Zero dort mit einzuschließen, wenn er in der Nähe von Karyu war, oder um diesen zumindest von ihm zu trennen. Sie versagten, denn Zero gelang entweder die Flucht oder er war von dem Zauber nie berührt worden; er tauchte im Jahrtausend des Luma wieder auf und stahl das Artefakt der Zeit.“ Uruha stoppte an dieser Stelle und Kai sah zu diesem; nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem die Erzählung in eine Erklärung für Aois und Kyos Verhalten überging, weswegen er nun noch genauer zuhörte. „Es geschah unter Aois Herrschaft. Zeros Erfolg stieß Aoi heftig auf und seither versucht er verbissen, den Geist und das Artefakt zu finden. Er und Kyo wissen, dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist. Damals war Zero nicht stark genug, das Artefakt zu nutzen, doch nun nach all diesen Jahren besteht die Möglichkeit, dass er es geschafft hat. Kombiniert mit deinem Traum und der Prophezeiung sowie den Monden, die in einigen Tagen in eine Reihe finden werden und unser aller magisches Potential extrem erhöhen, ist dieser Gedanke enorm gefährlich. Niemand weiß genau, zu welchen Mitteln Zero greifen wird, doch er wird alles in Bewegungen setzen, um Karyu zu befreien. Die Zuneigung dieser beiden Wesen zueinander kennt keine Grenzen und keine Kompromisse.“ Uruha griff abermals nach Kais Hand; es war unklar, ob er dies tat um den Mensch oder aber sich selbst zu beruhigen. „Aoi hat schon einmal versagt, als Zero der Diebstahl gelang. Dieser Fehler wiegt schwer auf seinem Bewusstsein und er begleitet ihn Tag für Tag. Es ist sein ultimatives Ziel, Zero unschädlich zu machen. Und an dieser Stelle kommt Kyo ins Spiel. Er wies Aoi – wenig taktvoll – auf eine Schwäche hin. Und das bist du, Kai. Seit du bei Aoi bist, ist er angreifbar.“ Die Worte, egal wie mild sie gesprochen worden waren, trafen den Braunhaarigen wie eine heftige Ohrfeige. Er löste seine Hand, trat einige Schritte von Uruha weg; das Meerwesen sah ihn gepeinigt an, doch tat nichts, um ihm nachzukommen. „Bitte verzeih, ich weiß, es ist sehr hart gesagt und schwer zu verstehen.“ Kai schüttelte den Kopf, atmete einige Male tief ein und aus – so war es ihm auch ergangen, als er Kyo hatte sprechen hören, doch an die Stelle der Verständnislosigkeit dieses Moments trat nun Uruhas Erklärung. Und diese machte Sinn. Egal wie bitter es war. Kai war eine Schwäche. Er war ein einfacher Mensch, durchaus mit Stärke gesegnet, welche aber im Angesicht all der Wunder und Wesen um ihn herum verblasste. Er maßte sich an, zu verlangen, am Tisch der Erwachsenen essen zu wollen und nicht wie ein kleines Kind versteckt zu werden. Und dabei gab es nichts, mit dem er helfen konnte. Dieses Wissen tat weh. „Deswegen wollte er mich nach Hause schicken, damals, oder?“ „Auch.“ Uruha lächelte bekümmert. „Aber vor allem wollte und will er, dass du sicher bist. Das wollen wir alle.“ Kai seufzte, sah zu Uruha und trat nach einem Moment zu diesem, schloss ihn in die Arme, lächelte tapfer, als er sich auf Armeslänge trennte. „Ich weiß. Danke, dass du so ehrlich mit mir warst. Ich verstehe sie nun besser, Aoi und auch Kyo meine ich.“ Sein Freund lächelte, etwas heller nun, bevor er Kai ein weiteres Mal umarmte, wohl um sich zu vergewissern, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war und Kai gab es gerne wieder. „Uruha?“ Er summte, sah Kai in die Augen, welcher erst zu ihm und dann zum Relief sah. „Haben wir noch ein wenig Zeit, bevor wir zu Die gehen?“ „Weswegen?“ „Ich würde mir gerne das Bild von Kova ansehen, von dem du gesprochen hast. Es interessiert mich, wie der erste Herr von Kistara aussah. Seine Taten haben Kistara so offensichtlich beeinflusst, ich möchte wissen, ob Aoi ihm ähnlich ist.“ Das Meerwesen lächelte milde, nickte dann. „Es liegt auf dem Weg, ich denke, diesen kleinen Abstecher können wir uns noch erlauben.“ Er zwinkerte Kai zu, woraufhin dieser summte und ihn breit anlächelte – ein Anblick, der dem Langhaarigen wesentlich besser gefiel, als das lange und nachdenkliche Gesicht, das dieser bis eben getragen hatte. Sie bogen nach rechts ab, schritten auf ein Gebäude zu, welches wie eine kleine Kathedrale aussah. Das Dach war – wie alle hier – kuppelförmig, doch nicht von hellem Gestein, sondern golden. Die Farbe reflektierte das Licht gleißend, ließ es wirken, als wäre die Sonne selbst vom Himmel herab gestiegen. Zwei Krieger aus Granit bewachten den Eingang; ihre beiden Lanzen kreuzten sich an den Klingen und als Uruha und Kai unter ihnen durch traten, legte der Braunhaarige den Kopf in den Nacken. Jede Einzelheit der imposanten Waffe war perfekt ausgearbeitet. Nicht nur sie, auch die mächtige Rüstung mit den dornenbewährten Armschienen, dem massiven Brustpanzer und die Gesichter mit dem strengen, starken Blick waren so realistisch, dass es wirkte, als würden sie sich jeden Moment bewegen. Im Inneren des kleinen Raumes herrschte Dämmerlicht – nur wenig Sonnenlicht berührte Wände und Boden. Dafür reflektierte es sich in den unzähligen Kristallen, die von der Decke hingen. Die Edelsteine summten leise, wann immer sie der Wind berührte, der durch das geöffnete Fenster huschte. Es erinnerte Kai an den Gesang einer Frau. Er konnte keine Worte verstehen, doch die Melodie an sich vibrierte durch seinen Leib und berührte etwas tief in ihm. Es war nicht in Worte zu fassen; wie als würde Kai fühlen können, was die ersten Elfen und Dämonen gespürt hatten, als sie das erste Mal den Fuß in diese Welt gesetzt hatten. Ihre Faszination für das raue, noch ungezähmte Kistara; ihre daraus resultierende Liebe. Ihren Ehrgeiz, mit welchem sie dies Land geformt hatten. Ihren Schweiß der harten Arbeit und ihren Zorn, als sich Schwerter in blutigen Schlachten kreuzten. Es war tief beeindruckend und Kai fragte sich, ob es das war, was Uruha und all seine Freunde mit jedem Atemzug inne hielten. Solch eine derartige Verbindung zu seiner Erde und seinen Wurzeln hatte er in seiner Welt nie verspürt. Ob es daran lag, dass er nie gelernt hatte, sie richtig zu betrachten? Er ging langsam durch den Raum, hin zu dem Altar welcher mit brennenden Kerzen, Blumen und Tüchern geschmückt war. Das Gemälde des Feuerdämon Kova hing darüber. Der Blick des Mannes war imposant und hart wie Stahl. Die Augen, ebenso schwarz wie die von Aoi, folgten ihm und jeder Bewegung die er tat. Kova trug sein dunkelblondes Haar kurz; auf der rechten Seite war es, zusammen mit Muscheln und Kristallen, eng am Kopf nach hinten geflochten. Drei Narben zogen sich schräg über seine Stirn; die längste von ihnen begann am Haaransatz und endete unter der Braue. Es ließ ihn noch wilder erscheinen, als das durch den harten, dünnen Mund und den kräftigen Kiefer ohnehin schon der Fall war. Kova trug keine Krone, sondern einen massiven Reif aus Gold, in dessen Mitte ein ovaler Rubin ruhte. Um den Hals, über der tiefroten, ärmellosen Weste, befand sich eine breite, ebenfalls goldene Kette mit einem runden Pendant. Auf diesem waren mehrere Figuren eingraviert und Kai hob die Hand, um sanft darüber zu streichen – es kam ihm nicht in den Sinn, dass es vielleicht verboten war und Uruha hinderte ihn nicht, langsam über die exakt ausgearbeiteten Linien zu fahren. „Was ist das?“ „Die Wappen der drei Länder, vereint in dem Symbol, das für Kistara steht.“ Uruha trat nahe an Kai, deutete auf den Drachen im Zentrum des Pendants. „Dies hier, zusammen mit dem Schwert, steht für Lagua. Es ist ein Zeichen für die Quelle der Macht in Lagua, dem Land, in dem die Herrscher von Kistara leben. Die geschwungenen Blüten an beiden Seiten symbolisieren Ulka und damit die Magie Kistaras. An keinem anderen Ort kann man sie so sehr fühlen, wie hier. Die Sonne und die Monde stehen für Java. Sie repräsentieren die Natur an sich; Java ist das wildeste Land, es gibt dort keine Städte und nur wenige Tempel und Götzen.“ Kai nickte, studierte die Kette und Kova lange Momente. „Er hat die gleiche Aura. Die Art, wie er blickt und sich hält. Es gleicht Aoi.“ Uruha summte. „Es ist eine Erscheinung, die du nur bei den wahren Herrschern finden kannst. Alle Dämonen sind stolz und machtvoll, aber nur wenige können sich in dieser Art und Weise halten. Das ist der Grund, weswegen es bisher nur drei Herrscher gab. Kova, seinen Sohn und nun Aoi.“ „Wenn Kova einen Sohn hatte... warum wird ihm dann nicht auch hier geehrt?“ „Weil dies hier ein Mausoleum ist. Kovas Sohn ist noch am Leben und seine Taten sind im Tal der gefallenen Könige niedergeschrieben.“ Nun blinzelte Kai. „Er lebt noch? Aber weswegen ist dann Aoi Herr über Kistara? Muss der Vorgänger nicht erst sterben?“ Von dem was er gehört und erzählt bekommen hatte, war es in Kistara durchaus üblich, dass ein solches Amt nur dann weiter gegeben wurde, wenn der Träger starb; Uruhas zustimmendes Nicken bestätigte Kai, dass er in dieser Hinsicht nichts Falsches verstanden hatte. „Normalerweise ist es auch so, ja. Aber Aois Geburt und seine Herrschaft wurden prophezeit. Und dies setzt alle anderen Gesetze außer Kraft. Es ist ultimativ, so hat es Kova damals festgelegt.“ „Dann hätte Aoi sich niemals dagegen wehren können?“ „Nein.“ Ein Leben von Geburt an vorherbestimmt. Es fiel Kai schwer, daran zu glauben, dass sich Aoi unter dieser Bürde nicht unwohl oder gezwungen fühlte. Sein Sinn für die Freiheit der Entscheidung rebellierte jedenfalls stark dagegen. Allerdings glaubte man hier fest an die Vorherbestimmung und das Schicksal – möglicherweise würde Kai anders denken, wenn er ebenfalls hier geboren worden wäre. „Warum ist Kovas Grabstätte hier in Ulka? Wenn es doch Lagua ist, wo die Herrscher residieren?“ „Es war Kovas Wunsch.“, auf den Lippen des Meerwesen lag ein warmes, zärtliches Lächeln; ein starker Ausdruck für die innige Liebe eines ehemaligen Herrschers. „Er und der Hoheelf Hina waren eng miteinander befreundet.“ „Wie war Kova? Hast du ihn kennen gelernt? Und diesen Hina? War er ein Vorfahre von Kyo?“ „Nein. Ich kenne keinen der beiden, nur ihre Geschichten. Und ja, Hina war Kyos Vater. Vielleicht finden wir einen Elf, der alt genug ist, um dir davon zu erzählen.“ Kai summte, wandte sich dann von dem Gemälde Kovas ab und Uruha zu. „Du bist mir auch noch eine Erzählung schuldig, das weißt du, oder?“ Das Meerwesen lachte samten, nickte und zog seine langen Haare über eine Schulter nach vorne. „Ich würde mich nicht wagen, es zu vergessen.“ Sie verließen das Mausoleum und erreichten wenig später ihr Ziel. Das Haus des Traumtänzers war von außen nicht von den anderen Gebäuden zu unterscheiden, doch Kai sah sofort, dass es so etwas wie einen kleinen Garten gab. Dies war ihm bei keinem der anderen Häuser aufgefallen; die Elfen schienen die Natur dort wachsen und blühen zu lassen wo es dieser gerade passte, ohne aktiv in sie einzugreifen. Die gepflegte Anlage und der schön geharkte Kiesweg ließen Kai darüber sinnieren, ob Die vielleicht ein anderes Wesen war und nur hier in Ulka lebte. An dem Tor hing ein Glöckchen, welches fein läutete, als sie eintraten; wohl ein Signal, denn die Tür vor ihnen öffnete sich, ohne dass jemand kam, um sie in Empfang zu nehmen. Hinter dieser fielen lange Tücher von der Decke herab. Sie machten es schwer einen wirklichen Überblick von der Größe und Höhe des Raumes zu erlangen. Außerdem wirkten sie, als würde sich ihr Besitzer lieber hinter ihnen verstecken wollen. „Seid willkommen, General.“ Die Stimme, die sie grüßte, war leise, behaftet mit Wärme und einer unschuldigen Zuneigung; wie, als würde die Person in niemandem etwas Böses sehen können. Kai fühlte sich sofort zu ihr hingezogen, Uruha hingegen lächelte sanft, strich einige der Tücher fort, hielt sie, sodass der Braunhaarige unter diesen hindurch tauchen konnte. „Guten Tag, Die. Wie geht es dir?“ „Gut, danke der Nachfrage. Ihr habt mir einen Gast mitgebracht?“ Uruha summte und Kai – der sich neugierig nach dem Traumtänzer umsah – stieß mit dem Fuß gegen einen flachen Tisch, woraufhin die Karaffe darauf umstürzte. Er fluchte und entschuldigte sich sofort dafür, derweil er versuchte, das Gefäß am fallen zu hindern; es war zwecklos und Sekunden später zerschellte das Glas auf dem Boden. „Gott, das tut mir leid!“ Kai fiel regelrecht auf die Knie, um die Scherben einzusammeln, doch noch bevor er die erste überhaupt anfassen konnte, legte sich eine blasse Hand auf die seine. „Es ist in Ordnung, mach dir keine Gedanken. Ich bin sicher, eines der Kinder wird es wieder in Ordnung bringen können. Kai nickte nur stumm, zu keinem ordentlichen Satz fähig, derweil er in das Gesicht seines Gegenübers starrte. Dunkle, sanfte Augen blickten zu ihm zurück, das Gesicht des Traumtänzers nicht so symmetrisch und perfekt wie er es bei den anderen Elfen gesehen hatte, die ihm begegnet waren, was seinen Verdacht verstärkte, dass Die kein Hoheelf war. Schockierend rotes Haar fiel tief in die Stirn des Traumtänzers; der Mann war schlank, er schwamm regelrecht in seinem weiten Gewand. „Ich bin Die. Es ist schön, dich kennen zu lernen.“ „Kai.“ Er ergriff die Hand, die ihm entgegen gehalten wurde, behutsam, schüttelte sie. „Du bist gekommen, um einen Traum zu ergründen?“ „Uhm, ja.“, Kai sah sich nach Uruha um, bettelte quasi, dass dieser ihn unterstützte und das Gespräch übernahm – doch das schöne Meerwesen hielt sich entgegen seines Charakters zurück und lächelte dem Braunhaarigen nur ermutigend zu, weswegen dieser wieder zu Die sah. „Ich hatte einen Alptraum und, uhm, Aoi meinte, es war vielleicht ein Ruf. Wir, ich meine, er will wissen, wer dieser Mann ist, der mich gerufen und wie er das gemacht hat.“ Seine Würde schlug sich in Scham die Hand vor das Gesicht, starrte ihn verständnislos an – zwei Verlegenheitspausen in einem Satz? Kai, wirklich! So bedrohlich war Die nun auch wieder nicht! Eher im Gegenteil. Von dem anderen Mann ging eine derartige Sanftmut aus, dass Kai sich fragte, ob dieser in der Lage war, auch nur der kleinsten Fliege etwas zu leide zu tun. Die lächelte ihn an – was für ein hübsches Lächeln! - und Kai erwiderte es automatisch, was Dies eigenes Lächeln nur verstärkte. Dieser fasste ihn anschließend behutsam an der Hand und führte ihn dann zu einem Lager aus Kissen und Decken. Augenscheinlich gab es keine Matratze oder Bettgestell, aber vielleicht sah der Mensch es nur nicht. Es war jedenfalls extrem bequem, nachdem er sich darauf nieder gelassen hatte. Sein Blick wanderte erneut zu Uruha. Der Langhaarige hatte sich auf einem Sitzkissen in der Nähe des kleines Tisches nieder gelassen und die langen Beine im Schneidersitz gekreuzt, lächelte von diesem Ort zu ihm herüber. Die Scherben auf dem Fußboden waren verschwunden, doch noch bevor Kai eine entsprechend verwunderte Frage stellen konnte, berührte Die seine Stirn. Er streichelte in sanft kreisenden Bewegungen darüber, eine Geste die Kai ungemein beruhigte. „Ich möchte, dass du deine Augen schließt. Zähl langsam bis zehn und denk an den Ort, an dem dein Traum begann. Kannst du das für mich machen?“ Kai nickte, ließ die Lider zufallen. Der Raum, Uruha und selbst Die entfernten sich – nur die Stimme des Traumtänzers und dessen wunderbar warmen Finger blieben erhalten. „Du machst das gut, Kai. Und nun, halt den Ort ganz fest. Stell dir vor, es läge in deiner Hand, ein großes Geheimnis, unglaublich wichtig. Machst du das?“ Der Braunhaarige nickte, sank nach hinten in die Polster; seine Atmung wurde tiefer, eben. Er schlief ein, glitt unter der sanften Führung des Traumtänzers in die Schwerelosigkeit seiner Träume. Die hob Kais rechte Hand, die zu einer Faust geballt war, in die Höhe. Er drehte sie so, dass die Innenfläche nach oben zeigte, dann schob er die Finger darüber. Schimmerndes Licht, perlmutt gleich, schimmerte zwischen den Spalten ihrer verbundenen Gliedmaßen hervor und alsbald ruhte auch Die, folgte Kai, tauchte in das ein, was nur der Mensch hatte sehen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)